04. April 2014 - Architekturzentrum Wien
Die Anordnung der Fenster folgt einer Logik, die sichvon außen nicht entschlüsseln lässt. Da befindet sich über dem großflächigen Fenster ein langer, schmaler Fensterstreifen. Wie mögen die Räume hinter diesen Fenstern beschaffen sein? Beim Betreten des Gebäudes ist augenscheinlich, dass herkömmliche Sehgewohnheiten hier auf die Probe gestellt werden. Die Türflügel der automatischen Schiebetüre öffnen sich in einem spitzen Winkel und führen den Besucher ins Gebäudeinnere. Das Staunen beginnt.
In der lichtdurchfluteten Aula findet man fast alle Gestaltungselemente, die im übrigen Gebäude zur Anwendung kommen: polierter Estrichboden, raumhohe Spiegelwände, graue Vorhänge, Tageslicht und skulpturale Leuchtkörper, die einen lichten Kontrast zu den gedeckten Farben bilden, sowie als vorherrschendes Element Sichtbetonwände und -decken. Auffällig ist die grobe Oberfläche des Sichtbetons, denn die Ausführung erfolgte nicht in höchster Qualität, was dazu führt, dass die Oberflächen zum Teil sehr uneben und grob sind. Dennoch verfügt die Aula in ihrer Gesamtwirkung über eine elegante Atmosphäre. In der Aula sowie zwischen 3. und 4. Obergeschoss vergrößert sich die Raumhöhe von 3,50 auf 7 Meter. Diese Durchbrüche ermöglichen Blickbeziehungen und führen den Turmcharakter des Gebäudes vor Augen. In Bereichen mit doppelter Raumhöhe sind große transluzente Leuchtkörper abgehängt. Diese Leuchtkörper sehen nicht nur attraktiv aus (sie nehmen in ihrer Form Bezug zur Fassade), sondern sind auch akustisch wirksam. In den 3,5 hohen Bereichen ziehen linear durchgängige Einbauleuchten ihre Bahnen über die Decken.
Die Erdgeschosszone mit Aula und Café ist – wie auch das Restaurant im obersten Stockwerk – öffentlich zugänglich. Am Weg zu den Liftanlagen im Gebäudekern ändert sich die Raumatmosphäre grundlegend. Die lichte Stimmung weicht einem dunklen Gang, der (be)drückend wirkt. Es kommen Zweifel auf, ob man als Gast hier noch erwünscht ist. Diese subtile Schwelle macht aus Sicht der Betreiber Sinn, denn die Executive Academy ist ein exklusives Gebäude – im eigentlichen Wortsinn. Die Vorlesungen hier finden unter Ausschluss der allgemeinen Öffentlichkeit statt. In den Hörsälen im 5. und 6. Stock studieren Führungskräfte aus dem In- und Ausland, die hier ihr Post-Graduate Studium absolvieren und Diskretion sehr schätzen. Der exklusive Rahmen, den die Academy ihren Student:innen hier bietet, soll verständlicher Weise nicht gestört werden. Die spürbare Diskretion könnte für das Lokal im Dachgeschoss noch eine Herausforderung werden. Die Hörsäle überzeugen mit einer für Wiener Hochschulverhältnisse unkonventionellen Sitzordnung: die Plätze für die Studierenden sind in U-Form, ansteigend um den Vortragenden herum angeordnet. Die kurze Distanz von 2 bis maximal 3 Sitzreihen fördert den persönlichen Austausch.
Die Büroräume verfügen über offene Grundrisse und sind als Großraumbüros ausgeführt. Der Gebäudekern durchgehend mit Spiegelwänden bekleidet. Die tägliche „Reflexion“, wenn man auf Schritt und Tritt einen Spiegel „vorgehalten“ bekommt, ist gewöhnungsbedürftig. Gemeinsam mit dem offenen Grundriss und der raumhohen Verglasung entsteht hier eine freundliche, lichte Atmosphäre. Die bodenlangen, grauen Vorhänge harmonieren farblich mit dem violetten bzw. grünen Teppichboden und dem warmen Grau der Sichtbetonoberflächen. Die Teppiche und Vorhänge sind zudem schallwirksam. Als Sonnenschutz beinhalten die nahezu blickdichten, schweren Vorhänge jedoch einen großen Nachteil: Sie erlauben nur ein „entweder/oder“: entweder zu/oder offen. Sobald die Vorhänge zugezogen werden, ändert sich die Stimmung im Großraumbüro grundlegend. Die Frage der Beschattung wird für Abstimmungsprozesse im Großraumbüro sorgen.
Der Auftritt von NO.MAD schlägt relativ leise Töne an – gleich einer Kammermusik– und ist dabei nicht minder spektakulär als das groß orchestrierte Library & Learning Centre von Zaha Hadid Architects. (Text: Martina Frühwirth)