Pläne

Details

Adresse
Langenloiser Straße 13, 3500 Krems an der Donau, Österreich
Architektur
Ernst Linsberger
Mitarbeit Architektur
Christoph Matschiner, Nik Nikmengjaj, Melanie Köhler
Bauherrschaft
GEDESAG
Funktion
Wohnbauten
Ausführung
2005 - 2007
Grundstücksfläche
10.512 m²
Bebaute Fläche
7.830 m²
Baukosten
9,1 Mio EUR

Presseschau

06. Oktober 2007Isabella Marboe
Der Standard

Zu Hause auf der Höhenschichtlinie

Wie Weinreben klettern die Kremser Terrassenhäuser den Berg hoch. Für das nötige Licht sorgt die vollverglaste Südfront - und ein Atrium.

Wie Weinreben klettern die Kremser Terrassenhäuser den Berg hoch. Für das nötige Licht sorgt die vollverglaste Südfront - und ein Atrium.

Architekt Ernst Linsberger liebt die gehobene Lebensart, den Wein und die terrassierte Kulturlandschaft rund um Krems. Schon einmal hatte er hier eine Atriumsiedlung gebaut, in der er übrigens auch selbst wohnt. „Zentrumsnah zu wohnen ist eine ganz eigene Qualität“, sagt Linsberger, „und wenn das dann noch dazu eine helle Wohnung ist! Schon Josef Frank hat gemeint: Licht in der Wohnung bedeutet Sonne im Herzen.“

Vor den Toren der Altstadt fand sich nun ein weiteres Grundstück, das nach Plänen Linsbergers bebaut wurde. „Das Grundstück war ein Weinberg. Als ich das erste Mal dort war, wusste ich sofort, wie die Wohnzeilen werden mussten. Ich wollte eine Siedlung planen, die keinem die Sicht verstellt.“ Wie einst die linear angeordneten Weinstöcke erobern sieben terrassierte Zeilen mit insgesamt 67 Wohnungen den steilen Hang.

Helle Mittelgänge erschließen je eine untere, ebenerdige Reihe sowie die darüber liegenden Maisonette-Wohnungen. „Die Bebauung ist so ausgerichtet, dass sie den Hang nicht verletzt und dass jede Wohnung eine große Südterrasse hat“, erklärt der Architekt. Von hier aus habe man einen Postkartenblick auf die Altstadt von Krems, ja sogar bis nach Göttweig.

Tiefgarage im Berg

Trotz Zentrumsnähe ist der eigene Parkplatz für den gehobenen Wohnkomfort unverzichtbar. De facto liegt die gesamte Anlage auf einer Tiefgarage. Jeder Wohnung sind 2,5 Stellplätze zugeordnet. Linsberger: „Um die Terrassierung zu schaffen, mussten wir ein halbes Geschoß abgraben. Besonders stolz bin ich auf die Gestaltung der Garage: Es gibt keine Angstträume.“ Schraubenförmig windet sich die Rampe zu den Parkebenen hoch, von denen kurze Schleusen zu den einzelnen Erschließungsgängen durchstechen. Umgeben ist der Garagenbaukörper von einer mächtigen Betonwand, die mittels Streifenrelief und horizontaler Sichtfenster etwas aufgelockert ist. Sie erweist dem örtlichen Bruchsteinmauerwerk Reverenz.

Konstruktiv war so ein Kraftakt mitsamt der begrünten Dächer, die wie Kaskaden den Hang hinabgleiten, nur in Stahlbeton möglich. Um im Kostenrahmen des geförderten Wohnbaus zu bleiben, sind alle sichtbaren Fassadenelemente aus Betonfertigteilen. Massive Vordächer schützen vor zu viel Sonne und lassen die Zeilen wie horizontale Schichtenlinien wirken. Auch dafür hat Linsberger eine Erklärung parat: „Ich wollte die Weingartenlandschaft in die Architektur übersetzen.“ Darunter sind lange, zarte Glasbänder in die Fassade geschnitten.

Obwohl die Anlage optisch größte Dichte suggeriert, gibt sich die Erschließung der Wohnung ungewohnt locker. Vor den Türen gibt es sogar noch Platz für hölzerne Boxen, die für Stauraum sorgen und die Gänge rhythmisieren.

Atrium spendet Licht

Eine Holztreppe führt vom Vorraum auf die Wohnebene hoch. Durch die Glasbrüstung fällt verheißungsvoll das erste Licht herein. Von den raumhoch verglasten Aufenthaltsräumen im Süden blickt man auf die Türme der Altstadt. Doch auch im Norden öffnet sich der Raum zum Licht: Hier liegt das kleine, intime Innenatrium, das dem Badezimmer und den beiden Schlafzimmern exklusiven Freiraum schenkt. Bis zu 3,20 m Höhe steigt das öffenbare Glasdach an und holt den Himmel ins Haus. Sollte man also vom hübschen Altstadt-Blick eines Tages tatsächlich die Nase voll haben, kann man hier ins Blaue sehen.

05. November 2006Franziska Leeb
Spectrum

Radikal dicht

Schnickschnack und Romantik sucht man hier vergebens. Dazu Schlaf- und Badezimmer ohne Aussicht. Ernst Linsbergers Wohnbau in Krems: ein Werk mutiger Entscheidungen.

Schnickschnack und Romantik sucht man hier vergebens. Dazu Schlaf- und Badezimmer ohne Aussicht. Ernst Linsbergers Wohnbau in Krems: ein Werk mutiger Entscheidungen.

Ausgerechnet ein Wohnbau mit Zimmern ohne Aussicht ist der Beleg dafür, dass auch in Niederösterreich im großvolumigen Wohnbau durchaus mehr möglich ist als die üblichen, völlig uninspirierten Wohnblöcke, die den Stadtbildern nichts Gutes tun und alle, die es sich leisten können ins Einfamilienhaus treiben, weil attraktive verdichtete Wohnanlagen rar sind. Warum sich in Niederösterreich keine bessere Wohnbaukultur entwickelt hat, ist eine eigene Geschichte. Aber immerhin leistet sich das Land seit Anfang des Jahres Beiräte, die dafür sorgen sollen, dass bestimmte Qualitätskriterien im geförderten Wohnungsbau eingehalten werden. Wie durchschlagskräftig diese Gremien sind - die jeweils einreichenden Bauträger dürfen ein Beiratsmitglied nominieren, und die Hand, die einen füttert, beißt man bekanntlich nicht -, wird die nähere Zukunft weisen, wenn gebaute Resultate da sind. Das Schlimmste verhindern und den Durchschnitt heben, mehr darf man sich ohnedies nicht erhoffen. Richtig gute Ergebnisse kommen anders zustande: Entweder durch ordentliche Wettbewerbe oder indem ein kompetenter Bauherr die besten verfügbaren Architektinnen und Architekten zu fairen Bedingungen engagiert.

Krems gilt als die Architektur-affinste Stadt in Niederösterreich. Etliche Gustostückerln zeitgemäßer Architektur sind im letzten Jahrzehnt entstanden - darunter viele Kleinbauten wie Aufstockungen, Adaptierungen, Einfamilienhäuser oder Lokale von ortsansässigen Architekten ebenso wie von überregional bekannten Persönlichkeiten. Aber es gibt auch starke Statements von städtebaulicher Relevanz, allen voran der Campus Krems von Dietmar Feichtinger. Einzig im verdichteten Wohnbau geschah aus architektonischer Sicht wenig Relevantes, und was an über die Grenzen der Wachau hinaus Erwähnenswertes realisiert wurde, stammt aus einer Architektenpratze.

Ernst Linsberger legt nach seiner Atrium-Reihenhaussiedlung in der Kremser Katastralgemeinde Gneixendorf (1998), der Siedlung am Hundssteig (2004) und einer eigenwillig bodenständig angehauchten Siedlung in Egelsee (2005) nun einen weiteren bemerkenswerten Wohnbau auf Kremser Boden vor. Diesmal auf einem felsigen Südhang an der Langenloiser Straße. Linsberger bevorzugt mittlerweile den Stein als Baugrund, „weil sich unter dem Löss in Krems immer Zeug aus dem Paläolithikum findet“, was zu enormen Bauverzögerungen führen kann. Sein architektonisches Vokabular hat der Rainer-Schüler wie bereits von der kleinen Gneixendorfer Anlage zur das Stadtbild prägenden Siedlung am Hundssteig wiederum weiterentwickelt. Bei seinem jüngsten Werk sind ebenfalls Atrien, hohe Verdichtung und der Dialog mit der Landschaft wichtige Themen. Aber sie werden radikaler, bar jeder Romantik, abgehandelt.

Insgesamt 67 Wohnungen ducken sich unter markant auskragenden Flachdächern aus Betonfertigteilen in den Hang. Von sympathischer Schroffheit - wie der Fels darunter und nicht patzweich wie Löss - auch der mit einem Streifenrelief und schmalen waagrechten Lichtschlitzen versehene Sockelbau, der die riesige Tiefgarage birgt.

Der dichte Teppich an Terrassenwohnungen ist streng organisiert. Schnickschnack wie unbrauchbare Vorgärten, Rasenrabatten und umständliche Wegführungen gibt es nicht. Dafür mit einem Glasband gedeckte, kerzengerade Gänge zwischen den Zeilen, die zu den einzelnen Wohnungen führen. Auch viele das Alltagsleben erleichternde Details, die selbstverständlich sein sollten, im Wohnungsaber aber längst nicht Usus sind, sind hier realisiert. So sind zum Beispiel die Terrassen mittels Betonfertigteilwänden voneinander sichtgeschützt abgetrennt. Jede Wohnung hat anstatt eines finsteren Kellerabteils einen nächst dem Eingang situierten, holzverschalten Abstellraum. Das sind Kleinigkeiten, die nicht viel kosten, aber die Nutzbarkeit und Bequemlichkeit einer Wohnung mit wenig Aufwand steigern.

Es gibt etliche Wohnungstypen und an den Rändern jeweils Sonderformen mit oft recht eigenwilligen, dreieckigen Grundrissen. Die typische Wohnung sieht so aus: Von der Eingangsebene, in dem sich die Garderobe und eine Toilette befinden, führt eine Treppe ins Wohngeschoß, das um ein mit Glas gedecktes Atrium organisiert ist. Die Schlaf- und Badezimmer beziehen das Tageslicht ausschließlich von diesem innen liegenden Raum. Sie haben daher, und das ist eine mutige Entscheidung, keine Sichtverbindung nach außen. Eine kontrollierte Wohnraumlüftung sorgt für gutes Klima. Ausblick nach außen und über die Stadt gibt es durch die verglasten Fronten der Wohn-Essräume und von den geräumigen gedeckten Terrassen aus. Das antike Hofhaus wird hier auf wenig Fläche in den geförderten Wohnbau transferiert. Erreicht werden damit höchste Privatheit durch die starke Orientierung nach innen und ein großzügigeres Flair durch den lichtdurchfluteten zentralen Raum.

Ernst Linsberger kümmert sich wenig um Architekturtheorien und Moden. Und obwohl er nicht von der Jagd nach Innovationen getrieben zu sein scheint, gelingen ihm immer wieder Bauten, die dank gescheiter Kombinationen aus erprobten und neuen Elementen sowie Sinn für zweck- und materialgerechte Details in der Wohnbau-Oberliga mitspielen. Denn es ist weniger wichtig, Neues zu erfinden, als bereits Erfundenes so anzuwenden, dass dabei Wohnungen herauskommen, die ihren Nutzern Freude machen, städtebaulich sorgsam konzipiert sind sowie ökonomisch und ökologisch auf aktuellem Stand sind. - Im geförderten Wohnbau trotz aller Jubelmeldungen über das hohe Niveau im österreichischen Wohnbau längst noch nicht überall selbstverständlich. [*]

[ Zum Lokalaugenschein lädt „Orte“ am 11. November um 14 Uhr ]

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