Pläne

Details

Adresse
Bahnhofstraße, 5112 Lamprechtshausen, Österreich
Bauherrschaft
Salzburg AG - Salzburger Lokalbahnen
Tragwerksplanung
Hans-Dieter Reichl
Fotografie
Kurt Kuball
Funktion
Verkehr
Fertigstellung
2012

Preise und Auszeichnungen

Presseschau

19. September 2015Romana Ring
Spectrum

Die Sprache der Steine

Hier ein traditioneller Ort mit Kirche, Gemeindeamt, Gasthof – und einer neuen Mitte als Besonderheit. Da ein Stationsgebäude – das an Gebirge und Felsen erinnert. Zum Charakter von Beton: zweimal Besuch in Oberösterreich.

Hier ein traditioneller Ort mit Kirche, Gemeindeamt, Gasthof – und einer neuen Mitte als Besonderheit. Da ein Stationsgebäude – das an Gebirge und Felsen erinnert. Zum Charakter von Beton: zweimal Besuch in Oberösterreich.

Die Gemeinde Handenberg mag mit ihren 1300 Einwohnern nicht groß sein und ihre Lage weit im Westen des oberösterreichischen Innviertels nicht unbedingt zentral. Doch die Dorfgemeinschaft von Handenberg ist höchst lebendig und hat sich über einen mehrere Jahre dauernden Prozess zielstrebig ein neues Zentrum erarbeitet.

Die Mitte des Ortes wird, ganz traditionell, von Kirche, Gemeindeamt und Gasthof gehalten. Der dazwischen aufgespannte Platz hatte aber nach Abbruch eines Kaufhauses an seiner Westseite jede Kontur verloren. Den auf Anregung des oberösterreichischen Ortsbildbeirates ausgeschriebenen Architekturwettbewerb zur Gestaltung des Ortsplatzes hat das Büro Heidl Architekten aus Linz gewonnen. Seine Maßnahmen haben Handenberg nicht nur einen äußerst funktionstüchtigen öffentlichen Raum beschert, sondern auch eine Sehenswürdigkeit, die der Annahme ländlich ist gleich rückständig elegant das Gegenteil beweist.

Der barocke Turm der in ihrem Ursprung gotischen Pfarrkirche beherrscht nach wie vor den Hügel, auf dem das Zentrum Handenbergs liegt. Die dem heiligen Martin geweihte Kirche ist vom Friedhof umgeben, in dessen Umfassungsmauer ein historisches Portalgebäude eine Nord-Süd-Achse zum Gemeindeamt bildet. Die Ostflanke dieses Raumes schließt nun eine Wand aus Sichtbeton, entlang der eine lang gestreckte hölzerne Bank zum Sitzen einlädt. Dahinter wendet sich eine Grünfläche mit bereits vorgefundenem Busch- und Baumbestand dem Gasthaus zu. Im Westen des zur Gänze mitKleinsteinen gepflasterten Dorfplatzes ist durch den Abbruch des Kaufhauses eine Besonderheit von Handenberg zum Vorschein gekommen: ein kleiner, über einen unterirdischen Strom vom nächsten Hügel her gespeister Teich, der durch das Gebäude und hohe Hecken den Blicken der Allgemeinheit für lange Zeit entzogen war. Heidl Architekten und die ebenfalls in Linz ansässige Landschaftsplanerin Barbara Bacher haben sein östliches Ufer durch einen hölzernen Steg vom Platz her zugänglich gemacht; bepflanzte Böschungen und ein auch den Platz umfassender Kreisbogen aus Eichen werden für Schatten und jenen Grad an „Natürlichkeit“ sorgen, der informellen Begegnungen einen angenehmen Hintergrund schafft.

Den Übergang von diesem Grünraum zu dem repräsentativ wirkenden Bereich des Platzes zwischen Amt und Kirche markiert ein einprägsames Bauwerk: ein konstruktiv von Werkraum Wien entwickelter Winkel aus Stahlbeton kragt über zwölf Meter von Norden nach Süden aus und beschirmt eine Grundrissfläche von etwa 80 Quadratmetern. Seine aus dem Boden aufsteigende Wand zieht die Grenze zwischen Platz und Gehsteig. Sie ist an beiden Seiten unterschiedlich, an der Innenseite des Winkels nach Maßgabe der daran befestigten Sitzbank geneigt.

An der Mauer zum Friedhof nimmt eine weitere Bank dieses Motiv auf. Der an seiner schlanksten Stelle nur 15 Zentimeter starke Winkel ist ohne jeden Kompromiss aus Stahlbeton gefertigt. Wasserdicht sowie gegenüber Frost und Tausalz beständig, verbirgt er hinter seinen leicht überhöhten Kanten die Entwässerung des Daches, die ohne Folien und Verblechungen einzig durch die Ausbildung eines leichten Gefälles über zwei in der Wand geführte Abfallrohre funktioniert. An der Untersicht des Daches sind LED-Leuchten in das sorgfältig geplante Fugenbild derSchalung integriert. Dieübrige Platzbeleuchtungbeschränkt sich auf eine indirekte, an den Fuß der begrenzenden Wände und Bänke gekoppelte Lichtführung.

Nur wenige Kilometer entfernt, in der unmittelbar an der Grenze zu Deutschland gelegenen Marktgemeinde Ostermiething ist ein weiteres Beispiel zeitgenössischer Architektur zu sehen, das sich den Charakter des Betons in ähnlicher Intensität, jedoch auf ganz andere Weise zunutze macht. Die Salzburger Lokalbahnen, die für den vom Salzburger Büro Udo Heinrich Architekten entwickelten Lokalbahnhof Lamprechtshausen mit dem Bauherrenpreis 2012 der ZV geehrt wurden, haben Udo Heinrich Architekten als Gewinner eines geladenen Architekturwettbewerbes ein weiteres Mal mit der Errichtung eines Stationsgebäudes beauftragt, diesmal am Ende ihrer neuen, nach Ostermiething verlängerten Strecke. Während das kühne Flugdach in Handenberg die verblüffenden konstruktiven Möglichkeiten des Stahlbetons und sein Potenzial zur „reinen“ Geometrie in den Vordergrund stellt, betont das Stationsgebäude in Ostermiething den Gesteinscharakter des Baustoffes. Seine aus Beton gegossene Plattform und ihre von fünf Pavillons getragene Überdachung lassen an Gebirge und Felsen denken. Die ihren Nutzungen entsprechend unterschiedlich ausgeformten Pavillons falten sich zu einer Landschaft von Graten und Giebeln, in die das schlanke Bahnsteigdach aus Stahlbeton seinen beruhigenden Horizont legt.

Näher kommend erkennt man, dass man es mit einer durchkomponierten Abfolge von „Steinsetzungen“ in gesteigerten Verfeinerungszuständen zu tun hat: das Buffetgebäude ganz vorne am Wendepunkt der ankommenden Züge und der daran schließende Wartebereich für die Reisenden sind polygonale Kristalle mit glatt geschliffenen Wänden, die von – mitunter gläsern gefassten – Tageslichtkörpern begleitet werden. Weiter dem Südosten zu wird die Geometrie der Pavillons einfacher; der Bearbeitungsgrad der Betonoberflächen und damit ihre Rauheit nimmt zu.

Während der Personalbereich und die WC-Anlagen noch eine relativ hohe Komplexität und feiner strukturierte Oberflächen aufweisen, scheint der abschließende, technische Infrastruktur bergende Block mit seiner einfachen Geometrie und der tief gespitzten Wandstruktur erst skizzenhaft umrissen zu sein. Er markiert die fließende Grenze der Bahnstation zum Landschaftsraum, der mit geschottertem Schienenstrang aus der Ferne kommend einzieht. Es ist durchaus denkbar, dass das so geschaffene poetische Element des Ortes im Nebel des werktäglichen Pendelverkehrs nicht von sämtlichen Reisenden in gleicher Tiefe gewürdigt wird; die funktionellen Qualitäten der ebenso feinsinnig wie robust gestalteten Anlagen liegen jedoch für alle Nutzerinnen und Nutzer gewiss auf der Hand.



verknüpfte Bauwerke
Bücherei + Musikhaus Sarleinsbach
Lokalbahnstation Ostermiething

03. November 2012Franziska Leeb
Spectrum

Der schönste kleine Bahnhof

Remise und Bahnhof in einem: Lamprechtshausen erhielt eine nicht nur bequeme, sondern auch bemerkenswert fein gestaltete Bahnstation. Vorbildliches aus Salzburg.

Remise und Bahnhof in einem: Lamprechtshausen erhielt eine nicht nur bequeme, sondern auch bemerkenswert fein gestaltete Bahnstation. Vorbildliches aus Salzburg.

Beim jährlichen „Bahntest“ des Verkehrsclubs Österreich wurde heuer der Wiener Westbahnhofzum „schönsten Bahnhof Österreichs“ gekürt. Der Lokalbahnhof Lamprechtshausen belegte Platz 20. Nun ist einerseits der Vergleich zwischen dem derzeit größten Bahnhof der Bundeshauptstadt und der Lokalbahnstation einer Flachgauer 3600-Einwohner-Gemeinde von Haus aus zum Hinken verurteilt und andererseits die aus architektonisch-städtebaulicher Sicht ganz und gar nicht mehr vorhandene „Schönheit“ des größeren der beiden an dieser Stelle bereits beklagt worden (Christian Kühn, 30.04.2011). Daher gilt heute die Konzentration dem kleineren Bahnhof, um ihn als vorbildliches Beispiel eines Bahnhofsgebäudes in der Provinz zu preisen.

Seit 1896 besteht die Bahnverbindung zwischen der Stadt Salzburg und dem etwa 25 Kilometer nördlich liegenden Lamprechtshausen. Dort ist Endstation. Eine ursprünglich geplante Verlängerung der Trasse nach Braunau wurde nie realisiert, definierte aber die vom Ortszentrum etwas abgelegene Lage des Bahnhofs. Mit der Einführung des Halbstundentaktes in den 1980er-Jahren wurde eine Wagenhalle errichtet, in der die Züge übernachteten. Der Bahnhof entwickelte sich zu einer wichtigen Verkehrsdrehscheibe für den nördlichen Flachgau und das Innviertel, und so war für die Betreiberin, die Salzburger Lokalbahn, die Zeit gekommen, den Bahnhofsumbau in Angriff zu nehmen.

Der Architekt, mit dem man das passende Konzept erarbeiten wollte, Udo Heinrich, hatte bereits das Vertrauen der Bauherrschaft und bekam den Auftrag dafür direkt. Er war Projektleiter im Büro des Kölner Architekten Joachim Schürmann im Zuge der Neuerrichtung der Salzburger Lokalbahnstation und der Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes. Seit 2001 betreibt er sein eigenes Architekturbüro in Salzburg. Der neue Bahnhof sollte dem Stellenwert der Haltestelle Lamprechtshausen Rechnung tragen, ein für die Fahrgäste bequemeres und attraktiveres Ambiente bereitstellen und Synergien zwischen den Funktionen Bahnhof und Remise herstellen. Das grundsätzlichste Entwurfskriterium bestand darin, eine Bahnhofshalle zu schaffen, die zugleich die Aufgaben einer Wartehalle, eines Bahnsteiges und einer Remise übernimmt. Diese Entscheidung, alle Funktionen nicht hintereinander, sondern unter einem Dach anzuordnen, brachte eine Verringerung der Gehdistanz vom Ort zum Bahnsteig von 300 Metern Länge mit sich. Es blieb nicht allein bei einer pragmatischen, technisch und logistisch gut funktionierenden Lösung: Mit durchaus einfachen, aber über das Gewohnte hinausgehenden Maßnahmen schuf Udo Heinrich mehr als einen schön designten Bahnhof – ein angenehmes Milieu, das auf die gesamte Umgebung ausstrahlt. Anstelle der alten Halle entstand eine neue, konstruktiv schlichte Halle mit einer Länge von 105 Metern und einer Breite von 14,5 Metern. Die dünne Dachplatte aus vorgespanntem Stahlbeton ruht auf einfachen Rundstützen. Nach Süden ist die Halle verglast und einsehbar. Zusätzlich sorgen verglaste kreisförmige Oberlichten über dem Mittelbahnsteig für eine ausgezeichnete Durchflutung mit Tageslicht. An der nördlichen Längsseite liegt sie auf kiemenartig angeordneten, skulptural genickten Sichtbetonscheiben auf, die das dahinter liegende Gewerbegebiet abschotten, aber nicht ganz ausblenden. Mit einer Matrizenschalung wurde in die raue Oberfläche eine Bambus-Struktur eingearbeitet, die der Halle ein dezentes Ornament verleiht. Je eine dreieckige Deckenöffnung leitet zusätzlich Licht von oben über die begrünten Kiemen.

Ein wohldurchdachtes Kunstlichtkonzept, das den Raum zoniert und Akzente setzt, bewirkt, dass der Raum auch bei Dunkelheit als angenehm empfunden wird und der zur Remise gewordene Bahnhof noch nach Betriebsschluss nach außen leuchtet. Der Hauptzugang liegt an der östlichen Schmalseite, die Halle ist aber auch von Westen zugänglich, womit der Weg zum Bahnsteig von den Parkplätzen und den überdachten Fahrradabstellplätzen kurz gehalten wird. Diese notwendigen Parkflächen sind ebenso Teil des gestalterischen Ganzen wie der Vorplatz und der breite Gehsteigbereich, die mit Baumgruppen und Bodenleuchten akzentuiert wurden.

Im Osten wurde unter das Bahnhofsdach ein eingeschoßiger, an den Enden abgerundeter Baukörper aus rötlich gefärbtem Beton eingeschoben, der die Anlage wie ein Korken abschließt. Neben den Toiletten beherbergt er Räume für Personal und Technik. Bemerkens- und lobenswert ist, dass diegute Detail- und Oberflächenqualität auch im Inneren bis in den letzten Winkel durchgehalten wurde und so die Räumlichkeiten zu einem angenehmen Arbeits- und Aufenthaltsort für die Mitarbeiter werden.

Während anderswo Lokalbahnhöfe verwahrlosen, Nebenbahnen eingestellt werden und unwirtliche Zustände in den Stationen sowie schlechte Verbindungen Pendler von der Schiene auf die Straße zwingen, beschreitet die Salzburger Lokalbahn den umgekehrten Weg und macht den Bahnhof nicht nur zum Anreizgeber für den Umstieg auf die Bahn, sondern auch zum Inkubator der Siedlungsentwicklung in Bahnhofsnähe, was in naher Zukunft im Fokus liegen wird.

In der Fachwelt wurde dem Bahnhof mit einer Anerkennung beim Architekturpreis des Landes Salzburg sowie der Auszeichnung mit einem von sechs Bauherrenpreisen der Zentralvereinigung der Architekten bereits wiederholt Würdigung zuteil. Viel wesentlicher ist aber die Akzeptanz in der Bevölkerung, die seit Inbetriebnahme des Bahnhofs im Mai anhand der gestiegenen Fahrgastzahlen erkennbar ist.

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