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26. April 2022Julia Wäschenbach
db

Einladung zum Experimentieren

Industrielle Anmutung, flexible Räume: Die neue ‧Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sie fügt sich unaufdringlich in ihre Umgebung ein und lässt vielfältige Nutzungsmöglichkeiten zu. Sinnvoll und kreativ sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert. Die neue Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sinnvoll sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert.

Industrielle Anmutung, flexible Räume: Die neue ‧Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sie fügt sich unaufdringlich in ihre Umgebung ein und lässt vielfältige Nutzungsmöglichkeiten zu. Sinnvoll und kreativ sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert. Die neue Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sinnvoll sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert.

Wer sich entlang der stillgelegten Gleise am alten Güterbahnhof im dänischen Aarhus bewegt, trifft auf eine vibrierende Oase kreativen Schaffens, auf Ateliers in kleinen Containern, improvisierte Cafés, eine Fahrradwerkstatt und – die 2021 fertiggestellte Architekturschule NEW AARCH des Kopenhagener Büros ADEPT. Der stufenförmig angelegte, umgerechnet rund 38,5 Mio. Euro teure Neubau erstreckt sich über vier ‧Etagen auf insgesamt 12 500 m² und entsteht scheinbar fließend aus seinem Umfeld heraus, anstatt aus ihm herauszustechen.

Die Fassade besteht aus rohem Beton und zu einem großen Teil aus Glas, das im EG am transparentesten ist und in den oberen Etagen 60 % des Wärmeeintrags abhalten kann, um ein optimales Innenklima zu schaffen. Transparenz ist auch im Inneren der rote Faden, der sich durch das Gebäude zieht und die Architektur mit ihrer Umwelt verbindet.

Sichtbar geführt

Hier setzt sich die industrielle Atmosphäre des Baus fort, der auch ein Lehrstück für die angehenden Architekten ist. »Alle Installationen sind offen geführt«, erklärt Martin Krogh, zuständiger Architekt des Projekts und Mitgründer des Büros ADEPT. »Die Studenten können daran im Prinzip ablesen, wie man ein Haus bauen kann.« Während die Elektrik und die Heiz- und Lüftungssysteme ansonsten üblicherweise kaschiert werden, kann man hier den Leitungen von der Steckdose aus auf ihrem Weg die Wand hoch folgen.

Im Eingangsbereich schafft eine große Fensterfläche eine Verbindung zwischen der Cafeteria und einer der Werkstätten. Die Verglasungen sind so dick, dass man zwar sehen, aber nicht hören kann, wie auf der anderen Seite gearbeitet wird – ein surreales Gefühl. Wie im Neubau war der Pausen- und Essbereich auch schon das Herzstück der alten Architekturschule, erzählt Martin Krogh, für den das Projekt auch ein sehr persönliches ist. Er hat selbst an der Hochschule studiert, die früher fast das Doppelte an Fläche auf insgesamt zehn Standorte in der Stadt verteilt umfasste.

Aufgabe des Büros ADEPT, das nach gewonnenem Wettbewerb 2017 mit der Realisierung beauftragt worden waren, war es u. a., Synergien zu schaffen, einen Ort, an dem die 600 Studierenden einander begegnen und voneinander lernen und einander inspirieren können, einen »Inkubator für architektonische Experimente«. Nach Einschätzung vieler Studierender ist dies gelungen.

Werkstattcharakter als DNA

»Das Gebäude versucht nicht, eine Ikone zu sein. Wir wollten kein Projekt, das v. a. zeigen soll, was wir als Architekten alles können«, sagt Krogh. Die DNA der Schule, meint der Architekt, sei deren Werkstattcharakter. So sollte das neue Gebäude eine Art Labor, ein Raum zum Experimentieren sein, den sich Studierende und Lehrende ein Stück weit auch selbst erschließen. So haben nicht alle Räume einen vorgegebenen Zweck, und noch wichtiger: Raumfunktionen lassen sich bei Bedarf auch schnell wieder ändern. »Am nachhaltigsten ist ein Gebäude, wenn es lange Zeit stehen bleiben und seinen Zweck verändern kann«, meint Krogh, der schon bei früheren Projekten den Fokus insbesondere auf die Nachhaltigkeit richtete.

NEW AARCH ist ein Raum voller kleiner und großer Räume mit z. T. flexiblen Grenzen. Die langen, offenen Zeichensäle liegen in den drei oberen Etagen an den Längsseiten des Gebäudes, in der Mitte die Treppen, über die man sich durch das Haus bewegt, und einige der »unprogrammierten Räume«, wie Architekt Krogh sie nennt. Noch haben die Studierenden nicht alle dieser »leeren Leinwände« nach ihren Vorstellungen mit Leben gefüllt: ‧Einiges ist noch im Entstehen, so mancher Raum muss seine Bestimmung erst noch erhalten. In manchen stehen bislang nur ein paar Stühle herum.

Die Werkstätten hingegen brummen vor Geschäftigkeit. »Jedes Mal, wenn man hier reinkommt, sieht es anders aus«, sagt ein Studierender. Man sieht dem industriell anmutenden Gebäude an, dass es genutzt wird, dass hier Theorie und praktisches Lernen unausweichlich eng verknüpft werden. Wie schon bei der Außenhülle drängt sich die Gestaltung der Innenräume nicht auf und kommt mit wenigen Materialien aus: Rohe Beton- und Holzwände sowie großflächige Verglasungen bilden den minimalistischen Rahmen für die Laborräume, in denen Holz und andere Baumaterialien herumliegen und den lebendigen Werkstattcharakter des Hauses unterstreichen.

Ressourcenschonende Ansätze

In einem 11 m hohen Mock-up-Saal, an dessen Seite sich ein riesiges Rolltor als Verbindung nach draußen befindet, können Studierende große Modelle aufbauen. Auf den verschiedenen Dachterrassen des gestaffelten Bauvolumens geht das Experimentieren weiter. Auch hier an der frischen Luft können die angehenden Architekten den Platz nutzen, um sich auszuprobieren. So ist etwa eine Bar aus Holz entstanden.

Der außen wie innen minimalistische Charakter des Gebäudes ‧trug zu einem relativ sparsamen Umgang mit Ressourcen bei. Dem zum Trotz sahen sich die Architekten gezwungen, auch für viele der Innenwände Beton zu nutzen, um die Lautstärke aus den Werkstätten zu dämpfen und den Studierenden in den anderen Räumen ein konzentriertes Lernen und Arbeiten zu ermöglichen. Neben den schalltechnischen Anforderungen sei die Nutzung von Beton auch den großen Spannweiten geschuldet, die zur Realisierung der flexiblen Räume nötig waren, erklärt Martin Krogh. Dabei kam so viel recycelter Beton, wie es innerhalb der dänischen Gesetzgebung möglich war (5-10 %), zum Einsatz.

Kreativ ging das Kopenhagener Architekturbüro mit dem Thema Recycling bei der Inneneinrichtung um. Für die Kantine im Eingang der Schule wurden zahlreiche PH-Lampen und Børge Mogensens ikonische Stühle »Folkestole« von den Standorten der alten Architekturschule zusammengetragen. In einigen Werkstätten bestehen die Böden aus upgecyceltem Holz von Resten der industriellen Fensterproduktion im dänischen Jütland. Für Teile der großen Bibliothek, die sich über mehrere Etagen des Gebäudes erstreckt, haben die eigens dafür beauftragten Architekten des Büros Praksis Arkitekter das Regalsystem eines alten Wirtschaftsarchivs wiederverwertet. Neben dem Konzept der Co-Creation wurde laut ADEPT auch auf lokale Produktionsstätten und kurze Transportwege Wert gelegt. Ohne Frage ist NEW AARCH ein pulsierendes Gebäude, das zum Experimentieren einlädt und kreative Synergien befördern kann. Dieser Werkstattansatz ist nicht nur gelungen, sondern auch sehr sinnvoll, da Architekturstudierende ein lebendiges Labor, um ihre Ideen ausprobieren zu können, bestens gebrauchen können – viel mehr als ein Vorbild in Form eines ikonischen Gebäudes. Der minimalistische und rohe Look schaffen darüber hinaus auf elegante Art Möglichkeiten der Materialreduzierung.

Was allerdings die Menge des verbauten Betons angeht, hätte der Neubau einer Architektur-Hochschule durchaus bestehende Standards mutiger herausfordern dürfen und dadurch sparsamer ausfallen können. Schließlich sollen kommende Generationen von Architekten hier nicht zuletzt lernen, wie sich die Zukunft nachhaltig gestalten lässt.

db, Di., 2022.04.26



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db 2022|04 Recycelt

02. September 2021Julia Wäschenbach
db

Elegante kleine Schwester

In einer lang gezogenen Kurve schwingt sich die »Lille Langebro« über den Kopenhagener Innenhafen. Mit der Fahrrad- und Fußgängerbrücke haben WilkinsonEyre und BuroHappold ein äußerst elegantes Bauwerk verwirklicht, das sich harmonisch in seine Umgebung einfügt.

In einer lang gezogenen Kurve schwingt sich die »Lille Langebro« über den Kopenhagener Innenhafen. Mit der Fahrrad- und Fußgängerbrücke haben WilkinsonEyre und BuroHappold ein äußerst elegantes Bauwerk verwirklicht, das sich harmonisch in seine Umgebung einfügt.

Dünn wie eine Rasierklinge verbindet die Lille Langebro die beiden Seiten des Innenhafens miteinander. Aufgrund der Schlankheit ihrer Konstruktion und ihrer geschwungenen Form inszeniert die Fahrrad- und Fußgängerbrücke den Blick von der Kopenhagener Verkehrsader Vester Voldgade, die vom Rathaus in Richtung Wasser führt, auf den Stadtteil Christianshavn auf der anderen Seite des Innenhafens, und haucht der vormals einigermaßen brachliegenden Gegend Leben ein. In einer sanften Kurve soll die 160 m lange Brücke zudem den Stadtwall, der sich auf der Christianshavner Seite am Wasser entlang schlängelt, optisch fortsetzen.

Die beiden Hauptträger sind als dreieckige Stahlhohlkastenprofile ausgebildet. Während sie an den beiden Brückenenden jeweils mit einem liegenden Dreiecksprofil beginnen richtet sich das Dreieck zur Brückenmitte hin in einer geschwungenen Kurve zunehmend auf. Diese flache Konstruktion und die damit verbundene Öffnung des Blicks für Radfahrer und Fußgänger macht die Lille Langebro einzigartig, stellte aber auch eine Herausforderung dar; dies, zumal die Durchfahrt sowohl für kleinere Freizeitboote als auch für große Schiffe in dem vielbefahrenen Innenhafen möglich sein muss. Letzteres erforderte den Einbau zweier drehbarer Brückensegmente. »Die schlanke Formgebung haben wir durch eine neuartige Koppelung der drehbaren Segmente erreicht«, erklärt Ingenieur Simon Fryer vom BuroHappold, Projektpartner von WilkinsonEyre. »Mit Hydraulikzylindern werden sie fest zusammengeklemmt. Das bedeutet, dass sich die Brücke bei geschlossener Position so verhält, als ob sie eine durchgängige Tragstruktur hätte.« Ohne diese Lösung hätte das Tragwerk wesentlich stärker dimensioniert werden müssen.

Entlastung der »großen Schwester«

Gedacht ist die ca. 12 Mio. Euro teure Lille Langebro als Ergänzung und Entlastung der »großen Schwester« Langebro, einer parallel verlaufenden, stark befahrenen Brücke, die neben Kraftfahrzeugen bis vor Kurzem noch täglich 40 000 Fahrräder passierten. Einen Teil hat die Lille Langebro inzwischen übernommen: Laut dem Bauherrn, der privaten dänischen Stiftung Realdania, überqueren seit Juli 2019 durchschnittlich rund 11 300 Fußgänger und Radfahrer das Bauwerk. Für Erstere ist ein 3 m breiter Fußweg vorgesehen, für Letztere ein 4 m breiter Fahrradweg, der in zwei Spuren unterteilt ist.

Mit seinem Entwurf für die »kleine« Langebro setzte sich 2015 das britische Büro WilkinsonEyre in einem von der Stiftung Realdania ausgeschriebenen Wettbewerb gemeinsam mit dem für die Tragwerksplanung zuständigen ‧Ingenieurbüro BuroHappold gegen vier Konkurrenten durch. Die Expertise der Architekten im Brückenbau hat nicht nur ihnen selbst dabei geholfen, mit dem Konzept zu überzeugen, sondern auch den Ingenieuren von BuroHappold die Zusammenarbeit erleichtert. »Anders als bei einem Gebäude muss man als Architekt viel darüber wissen, wie eine Brücke konstruiert wird, um sie entwerfen zu können«, sagt Simon Fryer.

Alternativen zu der Stahlkonstruktion gab es für WilkinsonEyre nicht: Beton wäre viel zu schwer gewesen, Holz zu witterungsempfindlich. »Neue Technologien machen es einfacher, Stahl so zu formen, dass man selbst diese sehr eleganten Kurven realisieren kann«, sagt Jim Eyre, Mitgründer und Direktor von WilkinsonEyre.

Skandinavisches Design als Vorbild

Beim Entwurf der Stahlbrücke haben sich die Architekten die Grundzüge des klassischen skandinavischen Designs zum Vorbild genommen. »Wir haben die Brücke nicht als etwas Muskulöses, Kräftiges vor uns gesehen«, sagt Jim Eyre. »Ein großer Teil des dänischen Designs ist sehr simpel und elegant. Wir wollten der Brücke mit der Kurve einen solchen eleganten Ausdruck verleihen, fast wie den einer Messerklinge.«

Um das klare, geschwungene Design, das der Brücke seine Leichtigkeit verleiht, zu unterstreichen, wurden die Stahloberflächen der Brücke ausschließlich in Weiß gehalten. Das Sonnenlicht und dessen Reflexionen auf dem Wasser schaffen ein Farbspiel, das sich verändert, je nachdem, von welcher Seite das Licht auf die Brücke fällt. Im Kontrast dazu sind die vier Brückenpfeiler in Dunkelgrau gehalten, »um ihre visuelle Wirkung zu minimieren und die fließenden Linien der Brücke weiter zu betonen«, wie WilkinsonEyre erklärt.Während die Stahlbeton-Brückenpfeiler vor Ort entstanden sind, wurde der gesamte Überbau der Lille Langebro in einer Fabrikhalle in Rotterdam gefertigt und auf dem Seeweg nach Kopenhagen transportiert. »Ein riesiger Kran kam zum Einsatz, um die Brücke einzuheben«, sagt Ingenieur Simon Fryer. »Die meisten Teile waren dabei schon zusammengebaut, bevor sie angeliefert wurden, sodass die Montage vor Ort möglichst wenig Zeit in Anspruch nahm.« Das hatte u. a. den Vorteil, dass der Schiffsverkehr im ‧Innenhafen während der Errichtung der Brücke minimal behindert wurde.

Überraschendes Element

Ganz natürlich fügt sich die Brückenkonstruktion heute in ihre Umgebung ein. Mit der Lille Langebro schaffen die Planer den optischen Eindruck einer in einem Stück konstruierten Stahlbrücke, die auf beiden Seiten fließend in das bestehende Wegenetz übergeht und bei der sich nicht auf den ersten Blick erschließt, wie sie größere Schiffe passieren lassen kann. »Ich finde dieses überraschende Element wunderbar – man erkennt nicht auf Anhieb, dass die Brücke sich öffnen lässt, bis es dann geschieht«, sagt Jim Eyre. Nähert sich ein größeres Schiff, drehen sich die beiden Brückensegmente, die auf den beiden mittleren Pfeilern gelagert sind, um 90 ° und lassen es passieren.

Eine wichtige Rolle für die Stiftung Realdania, die das Bauwerk der Kommune Kopenhagen »geschenkt« hat, spielte die Einbindung des 2018 eröffneten BLOX-Gebäudes, das u. a. das dänische Architekturzentrum (DAC) beheimatet. Ihm zu Füßen ist nun auch ein neuer Ort in der Stadt entstanden, der zum Verweilen einlädt und nicht nur zum Durchqueren taugt. »Wenn man eine Brücke interessant macht und ihr eine attraktive Form gibt, dann wird sie zu einem Treffpunkt, vielleicht sogar zu einem Ziel«, sagt Jim Eyre. Gleichzeitig unterstreicht Kopenhagen mit der Lille Langebro seinen Ruf als fahrradfreundliche Hauptstadt in Europa, in der in den vergangenen Jahren gleich mehrere Fahrradbrücken über das Wasser entstanden sind – wie z. B. die 2014 eröffnete Cykelslangen, entworfen von Dissing + Weitling.

Mit der Lille Langebro ist WilkinsonEyre und BuroHappold ein Bauwerk gelungen, das mit seiner hohen ästhetischen Qualität und Funktionalität auf die ganze Umgebung ausstrahlt. Das innovative Tragwerkkonzept macht dabei die ausgesprochene Leichtigkeit der Lille Langebro erst möglich.

db, Do., 2021.09.02



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db 2021|09 Ingenieurbaukunst

Presseschau 12

26. April 2022Julia Wäschenbach
db

Einladung zum Experimentieren

Industrielle Anmutung, flexible Räume: Die neue ‧Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sie fügt sich unaufdringlich in ihre Umgebung ein und lässt vielfältige Nutzungsmöglichkeiten zu. Sinnvoll und kreativ sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert. Die neue Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sinnvoll sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert.

Industrielle Anmutung, flexible Räume: Die neue ‧Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sie fügt sich unaufdringlich in ihre Umgebung ein und lässt vielfältige Nutzungsmöglichkeiten zu. Sinnvoll und kreativ sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert. Die neue Architekturschule in Aarhus will kein Werk, sondern eine Werkstatt sein. Sinnvoll sind recycelte Materialien und Möbel in das Gebäude integriert.

Wer sich entlang der stillgelegten Gleise am alten Güterbahnhof im dänischen Aarhus bewegt, trifft auf eine vibrierende Oase kreativen Schaffens, auf Ateliers in kleinen Containern, improvisierte Cafés, eine Fahrradwerkstatt und – die 2021 fertiggestellte Architekturschule NEW AARCH des Kopenhagener Büros ADEPT. Der stufenförmig angelegte, umgerechnet rund 38,5 Mio. Euro teure Neubau erstreckt sich über vier ‧Etagen auf insgesamt 12 500 m² und entsteht scheinbar fließend aus seinem Umfeld heraus, anstatt aus ihm herauszustechen.

Die Fassade besteht aus rohem Beton und zu einem großen Teil aus Glas, das im EG am transparentesten ist und in den oberen Etagen 60 % des Wärmeeintrags abhalten kann, um ein optimales Innenklima zu schaffen. Transparenz ist auch im Inneren der rote Faden, der sich durch das Gebäude zieht und die Architektur mit ihrer Umwelt verbindet.

Sichtbar geführt

Hier setzt sich die industrielle Atmosphäre des Baus fort, der auch ein Lehrstück für die angehenden Architekten ist. »Alle Installationen sind offen geführt«, erklärt Martin Krogh, zuständiger Architekt des Projekts und Mitgründer des Büros ADEPT. »Die Studenten können daran im Prinzip ablesen, wie man ein Haus bauen kann.« Während die Elektrik und die Heiz- und Lüftungssysteme ansonsten üblicherweise kaschiert werden, kann man hier den Leitungen von der Steckdose aus auf ihrem Weg die Wand hoch folgen.

Im Eingangsbereich schafft eine große Fensterfläche eine Verbindung zwischen der Cafeteria und einer der Werkstätten. Die Verglasungen sind so dick, dass man zwar sehen, aber nicht hören kann, wie auf der anderen Seite gearbeitet wird – ein surreales Gefühl. Wie im Neubau war der Pausen- und Essbereich auch schon das Herzstück der alten Architekturschule, erzählt Martin Krogh, für den das Projekt auch ein sehr persönliches ist. Er hat selbst an der Hochschule studiert, die früher fast das Doppelte an Fläche auf insgesamt zehn Standorte in der Stadt verteilt umfasste.

Aufgabe des Büros ADEPT, das nach gewonnenem Wettbewerb 2017 mit der Realisierung beauftragt worden waren, war es u. a., Synergien zu schaffen, einen Ort, an dem die 600 Studierenden einander begegnen und voneinander lernen und einander inspirieren können, einen »Inkubator für architektonische Experimente«. Nach Einschätzung vieler Studierender ist dies gelungen.

Werkstattcharakter als DNA

»Das Gebäude versucht nicht, eine Ikone zu sein. Wir wollten kein Projekt, das v. a. zeigen soll, was wir als Architekten alles können«, sagt Krogh. Die DNA der Schule, meint der Architekt, sei deren Werkstattcharakter. So sollte das neue Gebäude eine Art Labor, ein Raum zum Experimentieren sein, den sich Studierende und Lehrende ein Stück weit auch selbst erschließen. So haben nicht alle Räume einen vorgegebenen Zweck, und noch wichtiger: Raumfunktionen lassen sich bei Bedarf auch schnell wieder ändern. »Am nachhaltigsten ist ein Gebäude, wenn es lange Zeit stehen bleiben und seinen Zweck verändern kann«, meint Krogh, der schon bei früheren Projekten den Fokus insbesondere auf die Nachhaltigkeit richtete.

NEW AARCH ist ein Raum voller kleiner und großer Räume mit z. T. flexiblen Grenzen. Die langen, offenen Zeichensäle liegen in den drei oberen Etagen an den Längsseiten des Gebäudes, in der Mitte die Treppen, über die man sich durch das Haus bewegt, und einige der »unprogrammierten Räume«, wie Architekt Krogh sie nennt. Noch haben die Studierenden nicht alle dieser »leeren Leinwände« nach ihren Vorstellungen mit Leben gefüllt: ‧Einiges ist noch im Entstehen, so mancher Raum muss seine Bestimmung erst noch erhalten. In manchen stehen bislang nur ein paar Stühle herum.

Die Werkstätten hingegen brummen vor Geschäftigkeit. »Jedes Mal, wenn man hier reinkommt, sieht es anders aus«, sagt ein Studierender. Man sieht dem industriell anmutenden Gebäude an, dass es genutzt wird, dass hier Theorie und praktisches Lernen unausweichlich eng verknüpft werden. Wie schon bei der Außenhülle drängt sich die Gestaltung der Innenräume nicht auf und kommt mit wenigen Materialien aus: Rohe Beton- und Holzwände sowie großflächige Verglasungen bilden den minimalistischen Rahmen für die Laborräume, in denen Holz und andere Baumaterialien herumliegen und den lebendigen Werkstattcharakter des Hauses unterstreichen.

Ressourcenschonende Ansätze

In einem 11 m hohen Mock-up-Saal, an dessen Seite sich ein riesiges Rolltor als Verbindung nach draußen befindet, können Studierende große Modelle aufbauen. Auf den verschiedenen Dachterrassen des gestaffelten Bauvolumens geht das Experimentieren weiter. Auch hier an der frischen Luft können die angehenden Architekten den Platz nutzen, um sich auszuprobieren. So ist etwa eine Bar aus Holz entstanden.

Der außen wie innen minimalistische Charakter des Gebäudes ‧trug zu einem relativ sparsamen Umgang mit Ressourcen bei. Dem zum Trotz sahen sich die Architekten gezwungen, auch für viele der Innenwände Beton zu nutzen, um die Lautstärke aus den Werkstätten zu dämpfen und den Studierenden in den anderen Räumen ein konzentriertes Lernen und Arbeiten zu ermöglichen. Neben den schalltechnischen Anforderungen sei die Nutzung von Beton auch den großen Spannweiten geschuldet, die zur Realisierung der flexiblen Räume nötig waren, erklärt Martin Krogh. Dabei kam so viel recycelter Beton, wie es innerhalb der dänischen Gesetzgebung möglich war (5-10 %), zum Einsatz.

Kreativ ging das Kopenhagener Architekturbüro mit dem Thema Recycling bei der Inneneinrichtung um. Für die Kantine im Eingang der Schule wurden zahlreiche PH-Lampen und Børge Mogensens ikonische Stühle »Folkestole« von den Standorten der alten Architekturschule zusammengetragen. In einigen Werkstätten bestehen die Böden aus upgecyceltem Holz von Resten der industriellen Fensterproduktion im dänischen Jütland. Für Teile der großen Bibliothek, die sich über mehrere Etagen des Gebäudes erstreckt, haben die eigens dafür beauftragten Architekten des Büros Praksis Arkitekter das Regalsystem eines alten Wirtschaftsarchivs wiederverwertet. Neben dem Konzept der Co-Creation wurde laut ADEPT auch auf lokale Produktionsstätten und kurze Transportwege Wert gelegt. Ohne Frage ist NEW AARCH ein pulsierendes Gebäude, das zum Experimentieren einlädt und kreative Synergien befördern kann. Dieser Werkstattansatz ist nicht nur gelungen, sondern auch sehr sinnvoll, da Architekturstudierende ein lebendiges Labor, um ihre Ideen ausprobieren zu können, bestens gebrauchen können – viel mehr als ein Vorbild in Form eines ikonischen Gebäudes. Der minimalistische und rohe Look schaffen darüber hinaus auf elegante Art Möglichkeiten der Materialreduzierung.

Was allerdings die Menge des verbauten Betons angeht, hätte der Neubau einer Architektur-Hochschule durchaus bestehende Standards mutiger herausfordern dürfen und dadurch sparsamer ausfallen können. Schließlich sollen kommende Generationen von Architekten hier nicht zuletzt lernen, wie sich die Zukunft nachhaltig gestalten lässt.

db, Di., 2022.04.26



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db 2022|04 Recycelt

02. September 2021Julia Wäschenbach
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Elegante kleine Schwester

In einer lang gezogenen Kurve schwingt sich die »Lille Langebro« über den Kopenhagener Innenhafen. Mit der Fahrrad- und Fußgängerbrücke haben WilkinsonEyre und BuroHappold ein äußerst elegantes Bauwerk verwirklicht, das sich harmonisch in seine Umgebung einfügt.

In einer lang gezogenen Kurve schwingt sich die »Lille Langebro« über den Kopenhagener Innenhafen. Mit der Fahrrad- und Fußgängerbrücke haben WilkinsonEyre und BuroHappold ein äußerst elegantes Bauwerk verwirklicht, das sich harmonisch in seine Umgebung einfügt.

Dünn wie eine Rasierklinge verbindet die Lille Langebro die beiden Seiten des Innenhafens miteinander. Aufgrund der Schlankheit ihrer Konstruktion und ihrer geschwungenen Form inszeniert die Fahrrad- und Fußgängerbrücke den Blick von der Kopenhagener Verkehrsader Vester Voldgade, die vom Rathaus in Richtung Wasser führt, auf den Stadtteil Christianshavn auf der anderen Seite des Innenhafens, und haucht der vormals einigermaßen brachliegenden Gegend Leben ein. In einer sanften Kurve soll die 160 m lange Brücke zudem den Stadtwall, der sich auf der Christianshavner Seite am Wasser entlang schlängelt, optisch fortsetzen.

Die beiden Hauptträger sind als dreieckige Stahlhohlkastenprofile ausgebildet. Während sie an den beiden Brückenenden jeweils mit einem liegenden Dreiecksprofil beginnen richtet sich das Dreieck zur Brückenmitte hin in einer geschwungenen Kurve zunehmend auf. Diese flache Konstruktion und die damit verbundene Öffnung des Blicks für Radfahrer und Fußgänger macht die Lille Langebro einzigartig, stellte aber auch eine Herausforderung dar; dies, zumal die Durchfahrt sowohl für kleinere Freizeitboote als auch für große Schiffe in dem vielbefahrenen Innenhafen möglich sein muss. Letzteres erforderte den Einbau zweier drehbarer Brückensegmente. »Die schlanke Formgebung haben wir durch eine neuartige Koppelung der drehbaren Segmente erreicht«, erklärt Ingenieur Simon Fryer vom BuroHappold, Projektpartner von WilkinsonEyre. »Mit Hydraulikzylindern werden sie fest zusammengeklemmt. Das bedeutet, dass sich die Brücke bei geschlossener Position so verhält, als ob sie eine durchgängige Tragstruktur hätte.« Ohne diese Lösung hätte das Tragwerk wesentlich stärker dimensioniert werden müssen.

Entlastung der »großen Schwester«

Gedacht ist die ca. 12 Mio. Euro teure Lille Langebro als Ergänzung und Entlastung der »großen Schwester« Langebro, einer parallel verlaufenden, stark befahrenen Brücke, die neben Kraftfahrzeugen bis vor Kurzem noch täglich 40 000 Fahrräder passierten. Einen Teil hat die Lille Langebro inzwischen übernommen: Laut dem Bauherrn, der privaten dänischen Stiftung Realdania, überqueren seit Juli 2019 durchschnittlich rund 11 300 Fußgänger und Radfahrer das Bauwerk. Für Erstere ist ein 3 m breiter Fußweg vorgesehen, für Letztere ein 4 m breiter Fahrradweg, der in zwei Spuren unterteilt ist.

Mit seinem Entwurf für die »kleine« Langebro setzte sich 2015 das britische Büro WilkinsonEyre in einem von der Stiftung Realdania ausgeschriebenen Wettbewerb gemeinsam mit dem für die Tragwerksplanung zuständigen ‧Ingenieurbüro BuroHappold gegen vier Konkurrenten durch. Die Expertise der Architekten im Brückenbau hat nicht nur ihnen selbst dabei geholfen, mit dem Konzept zu überzeugen, sondern auch den Ingenieuren von BuroHappold die Zusammenarbeit erleichtert. »Anders als bei einem Gebäude muss man als Architekt viel darüber wissen, wie eine Brücke konstruiert wird, um sie entwerfen zu können«, sagt Simon Fryer.

Alternativen zu der Stahlkonstruktion gab es für WilkinsonEyre nicht: Beton wäre viel zu schwer gewesen, Holz zu witterungsempfindlich. »Neue Technologien machen es einfacher, Stahl so zu formen, dass man selbst diese sehr eleganten Kurven realisieren kann«, sagt Jim Eyre, Mitgründer und Direktor von WilkinsonEyre.

Skandinavisches Design als Vorbild

Beim Entwurf der Stahlbrücke haben sich die Architekten die Grundzüge des klassischen skandinavischen Designs zum Vorbild genommen. »Wir haben die Brücke nicht als etwas Muskulöses, Kräftiges vor uns gesehen«, sagt Jim Eyre. »Ein großer Teil des dänischen Designs ist sehr simpel und elegant. Wir wollten der Brücke mit der Kurve einen solchen eleganten Ausdruck verleihen, fast wie den einer Messerklinge.«

Um das klare, geschwungene Design, das der Brücke seine Leichtigkeit verleiht, zu unterstreichen, wurden die Stahloberflächen der Brücke ausschließlich in Weiß gehalten. Das Sonnenlicht und dessen Reflexionen auf dem Wasser schaffen ein Farbspiel, das sich verändert, je nachdem, von welcher Seite das Licht auf die Brücke fällt. Im Kontrast dazu sind die vier Brückenpfeiler in Dunkelgrau gehalten, »um ihre visuelle Wirkung zu minimieren und die fließenden Linien der Brücke weiter zu betonen«, wie WilkinsonEyre erklärt.Während die Stahlbeton-Brückenpfeiler vor Ort entstanden sind, wurde der gesamte Überbau der Lille Langebro in einer Fabrikhalle in Rotterdam gefertigt und auf dem Seeweg nach Kopenhagen transportiert. »Ein riesiger Kran kam zum Einsatz, um die Brücke einzuheben«, sagt Ingenieur Simon Fryer. »Die meisten Teile waren dabei schon zusammengebaut, bevor sie angeliefert wurden, sodass die Montage vor Ort möglichst wenig Zeit in Anspruch nahm.« Das hatte u. a. den Vorteil, dass der Schiffsverkehr im ‧Innenhafen während der Errichtung der Brücke minimal behindert wurde.

Überraschendes Element

Ganz natürlich fügt sich die Brückenkonstruktion heute in ihre Umgebung ein. Mit der Lille Langebro schaffen die Planer den optischen Eindruck einer in einem Stück konstruierten Stahlbrücke, die auf beiden Seiten fließend in das bestehende Wegenetz übergeht und bei der sich nicht auf den ersten Blick erschließt, wie sie größere Schiffe passieren lassen kann. »Ich finde dieses überraschende Element wunderbar – man erkennt nicht auf Anhieb, dass die Brücke sich öffnen lässt, bis es dann geschieht«, sagt Jim Eyre. Nähert sich ein größeres Schiff, drehen sich die beiden Brückensegmente, die auf den beiden mittleren Pfeilern gelagert sind, um 90 ° und lassen es passieren.

Eine wichtige Rolle für die Stiftung Realdania, die das Bauwerk der Kommune Kopenhagen »geschenkt« hat, spielte die Einbindung des 2018 eröffneten BLOX-Gebäudes, das u. a. das dänische Architekturzentrum (DAC) beheimatet. Ihm zu Füßen ist nun auch ein neuer Ort in der Stadt entstanden, der zum Verweilen einlädt und nicht nur zum Durchqueren taugt. »Wenn man eine Brücke interessant macht und ihr eine attraktive Form gibt, dann wird sie zu einem Treffpunkt, vielleicht sogar zu einem Ziel«, sagt Jim Eyre. Gleichzeitig unterstreicht Kopenhagen mit der Lille Langebro seinen Ruf als fahrradfreundliche Hauptstadt in Europa, in der in den vergangenen Jahren gleich mehrere Fahrradbrücken über das Wasser entstanden sind – wie z. B. die 2014 eröffnete Cykelslangen, entworfen von Dissing + Weitling.

Mit der Lille Langebro ist WilkinsonEyre und BuroHappold ein Bauwerk gelungen, das mit seiner hohen ästhetischen Qualität und Funktionalität auf die ganze Umgebung ausstrahlt. Das innovative Tragwerkkonzept macht dabei die ausgesprochene Leichtigkeit der Lille Langebro erst möglich.

db, Do., 2021.09.02



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