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13. September 2024Stefan Weiss
Der Standard

Entwurf für Haus der Geschichte vorgelegt

Das Haus der Geschichte Österreich erhält einen partiellen Neubau im Wiener Museumsquartier, die Architektur kommt von dem Berliner Büro O&O Baukunst.

Das Haus der Geschichte Österreich erhält einen partiellen Neubau im Wiener Museumsquartier, die Architektur kommt von dem Berliner Büro O&O Baukunst.

Auch das ist vielleicht historisch: Seit Jahrzehnten stritten in dieser Republik relativ ergebnislos mächtige Männer mit viel Geltungsdrang um die Frage, wie ein Museum zur Geschichte Österreichs aussehen könnte – und die Umsetzung gelingt nun einer Frauenrunde. Das Podium, das am Donnerstag vor der Presse den Siegerentwurf für die architektonische Umsetzung des Hauses der Geschichte Österreich (HdGÖ) präsentierte, war von Politik über Jury bis zum Museumspersonal zu 100 Prozent weiblich besetzt.

Einzig der Architekt, der von der Jury unter dem Vorsitz von Elke Delugan-Meissl den Zuschlag erhielt, durfte sich als Markus Penell vorstellen. Er ist Teil des Berliner Büros O&O Baukunst, an ihn und sein Team geht der Auftrag, im sogenannten Klosterhof des Wiener Museumsquartiers eine dauerhafte Bleibe für das HdGÖ zu errichten. O&O hat zuletzt das Jugendtheater in Frankfurt oder die renommierte Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin umgebaut, in Wien wird mit ihrer aus Holz und Glas bestehenden Neubauarchitektur der bestehende barocke Altbestand sinnvoll ergänzt.

Über ein helles Foyer gelangt man in den mehrstöckigen Neubau mit Terrasse, die 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche ziehen sich weiter bis in den Altbestand, jenen Flügel des MQ, der seine Fenster in Richtung Mariahilfer Straße hat. Äußerlich wird das HdGÖ im verwinkelten MQ damit nicht zu übersehen sein. Im Gegensatz zu den derzeit in der Neuen Burg verfügbaren 900 Quadratmetern wird die Nutzfläche mehr als verdreifacht, dem inhaltlichen Auftrag des HdGÖ, die Geschichte Österreichs von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart zu erzählen, kann dann erstmals voll entsprochen werden.

Baubeginn ist im zweiten Halbjahr 2026, Fertigstellung Ende 2028. Auf 39,3 Millionen Euro beläuft sich die Kostenschätzung, 27,7 davon sind bereits budgetiert, für den Rest wird eine neue Bundesregierung sorgen müssen, sagte Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne), die sich „trotz des Wahlkampfs“ auch beim Koalitionspartner ÖVP bedanken wollte. Die Betriebskosten werden durch die Vergrößerung der Fläche zwar höher sein als aktuell (derzeit 1,7 Millionen Euro), dank der klimafitten Architektur wird das Haus in der Relation zum aktuellen Provisorium in der Hofburg allerdings günstiger.

Die Idee für die nunmehrige Lösung stammte ursprünglich von Johanna Rachinger (ÖNB-Chefin) und Bettina Leidl (MQ-Geschäftsführerin seit 2021), Mayer und Dschungel-Chefin Anna Horn wurden ins Boot geholt. Letztere wird auf die Probebühne des Jugendtheaters im Klosterhof verzichten müssen, erhält aber im Nebenhof eine größere Spielstätte, die alle Dschungel-Räumlichkeiten in einem Haus zusammenfasst. Eine Win-win-Situation ist die Sache auch für das Kunsthistorische Museum, das in der Neuen Burg wieder mehr Raum für die archäologische Ephesos-Sammlung erhält.

Die Entscheidung darüber, inwiefern das HdGÖ strukturell an die Nationalbibliothek angebunden bleibt oder ob es mit einem eigenen Haus nun letztlich auch ein eigenständiges Bundesmuseum werden sollte, wird ebenfalls einer neuen Bundesregierung obliegen, hieß es. Die Beteiligten ließen durchblicken, dass eine Eigenständigkeit der Institution wohl langfristig sinnvoller wäre.

HdGÖ-Direktorin Monika Sommer freute sich, dass das seit 2018 in der Neuen Burg nebst anderen Institutionen als Provisorium eingerichtete „Haus“ nun tatsächlich ein solches werde. Und dass die Architekten von O&O ihren Entwurf an der „inhaltlichen DNA“ des HdGÖ ausrichteten, die da lautet: Offenheit, Transparenz, Flexibilität im Umgang mit geschichtlichen und zivilgesellschaftlichen Diskussionen.

Bettina Leidl begrüßt die neue Institution als „erste inhaltliche Weiterentwicklung des MQ seit der Eröffnung im Jahr 2001“. In die neue Klimastrategie des MQ, die verstärkte Bodenentsiegelung und Begrünung auch im Klosterhof vorsieht, fügt sich der Museumsneubau nahtlos ein. Geschichte wird gemacht – diesmal im Zusammenwirken lösungsorientierter Pragmatikerinnen.

Der Standard, Fr., 2024.09.13

25. Oktober 2022Stefan Weiss
Der Standard

Rufe nach offener Debatte über Wiener Heldenplatz

Wunsch nach Begrünung und Überarbeitung – Expertinnen und Historiker wollen den Ort stärker in der Gegenwart verankern

Wunsch nach Begrünung und Überarbeitung – Expertinnen und Historiker wollen den Ort stärker in der Gegenwart verankern

Wenn das österreichische Bundesheer am 26. Oktober, dem Nationalfeiertag, seine traditionelle Leistungsschau auf dem Wiener Heldenplatz abhält, wird zum letzten Mal auch das Parlament mittendrin sein: Jene beiden quaderartigen Container nämlich, die 2017 als Ausweichquartiere für das in Umbau befindliche Parlament errichtet wurden, werden Anfang 2023 nach Beendigung des Umbaus wieder entfernt.

Über eine Nachnutzung der mit einem Designpreis prämierten Notquartiere würden aktuell Gespräche geführt, heißt es aus der Parlamentsdirektion, konkrete Ideen könne man aber noch keine nennen.

Für die Historikerin Heidemarie Uhl, die am Heldenplatz etwa das Äußere Burgtor (Heldentor) intensiv beforschte, wäre mit dem Abzug der Container auch die Zeit gekommen, über eine Umgestaltung des Heldenplatzes offen nachzudenken, wie sie dem STANDARD sagt. „Die Parlamentscontainer waren ein Glücksfall“, meint sie, denn die temporären Bauwerke hätten gezeigt, dass dem Platz – wie ursprünglich für das nicht realisierte Kaiserforum geplant – ein baulicher Akzent gegenüber der Neuen Burg fehle. „Alle Befürchtungen über eine Minderung der städtebaulichen Qualität wurden durch die Realisierung der beiden Objekte entkräftet. Ganz im Gegenteil: Durch ihren Abriss wird eine Leerstelle sichtbar, die geradezu nach einer zeitgemäßen architektonischen Gestaltung ruft.“ Ein Neubau für das Haus der Geschichte (HdGÖ), das in der Neuen Burg als Provisorium untergebracht ist, aber mehr Platz braucht, „könnte hier seinen sinnvollen Standort finden“, meint Uhl. Von „Verbauung“, wie manche dagegen ins Feld führen, könne keine Rede sein, sagt Uhl. Man solle ohnehin großflächig begrünen und etwa die Parkplatzflächen anders lösen.

Grünen-Kultursprecherin Eva Blimlinger kann mit einem Haus-der-Geschichte-Neubau nichts anfangen, das Thema Umgestaltung begrüßt sie aber grundsätzlich, und sie wünscht sich eine Kommission, die alle Ideen offen diskutieren soll. „Der Heldenplatz soll endlich ein Platz werden. Kein Parkplatz, kein Containerplatz, kein Treffpunktplatz für Tourist:innenfahrten, kein Haus-der Geschichte-Platz, kein versiegelter Platz – einfach eine freie öffentliche Fläche, die keine Hitzeinsel ist. Bäume und Wiese, Sträucher und Wasser“, sagt Blimlinger. Ob sie damit bei Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer Anklang findet, wird sich erst zeigen, dass man keinen Neubau für das HdGÖ anstrebt, darin sind sich die Grünen wohl einig.

Uhl hat aber noch eine weitere Idee: „Seit Jahren wird ein Denkmal der Republik gefordert, als zentraler symbolischer Ort für staatliche Rituale wie die Kranzniederlegung am Nationalfeiertag, bei Staatsbesuchen und Gedenkfeiern.“ Damit gäbe es eine Alternative zu der Art und Weise, wie bisher Kranzniederlegungen stattfinden, nämlich am durch den Austrofaschismus und die Werke des NS-Bildhauers Wilhelm Frass belasteten Burgtor.

Der Grazer Historiker Dieter A. Binder, Vorsitzender des Denkmalbeirats beim Bundesheer, sieht eine pragmatische Lösung: Man solle das viel zu wenig beachtete, bereits bestehende Staatsgründungsdenkmal (1945) aus dem Schweizergarten auf den Heldenplatz verlegen. Historikerkollege Oliver Rathkolb fordert die Einrichtung eines runden Tisches von Stimmen aus Wissenschaft, Stadtplanung, dem Bund und der Stadt Wien. Monika Sommer, Direktorin des HdGÖ, schlägt in dieselbe Kerbe und hat einen konkreten Zeithorizont im Auge: „2025 feiert die Zweite Republik das 80. Jubiläum.“ Für Sommer gehe es dabei nicht „ums Verbauen, sondern ums Gestalten, um sichtbare Zeichensetzungen“.

Wie das funktionieren könnte, hat zuletzt der Architekt Gerhard Schnabl mit einer Lehrveranstaltung an der Technischen Universität gezeigt, bei der Studierende Entwürfe anfertigten. Der Heldenplatz sei „architekturhistorisch betrachtet ein unvollendeter Stadtraum, der seit mehr als 100 Jahren darauf wartet, als wesentlicher öffentlicher Freiraum bedeutungsgerecht aktualisiert zu werden“, sagt Schnabl. Einen Freizeit- und Lebensraum mit den Anforderungen eines Gedenkorts zu verbinden, hält er für möglich und überfällig.

Oliver Rathkolb macht auch noch auf ein Kuriosum aufmerksam: Der „Heldenplatz“ sei offiziell nie als solcher benannt worden. Formal gesehen heiße der Ort nach wie vor „Äußerer Burgplatz“. Auch darüber solle man einmal offen diskutieren, meint Rathkolb.

Der Standard, Di., 2022.10.25

24. Mai 2019Stefan Weiss
Der Standard

Wachauer Sehnsuchtsräume

Mit Egon Schiele und Renate Bertlmann wird am Wochenende die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems eröffnet. Fünf Ausstellungen sollen ein breites Publikum ansprechen.

Mit Egon Schiele und Renate Bertlmann wird am Wochenende die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems eröffnet. Fünf Ausstellungen sollen ein breites Publikum ansprechen.

An Selbstvertrauen herrscht kein Mangel. Das erfährt überdeutlich, wer sich dieser Tage im niederösterreichischen Krems-Stein einfindet. Am Samstag wird in der Wachau der um 35 Millionen Euro errichtete Museumsneubau Landesgalerie Niederösterreich eröffnet: ein kühnes Gebäude, das sich im Weltkulturerbe hochaufragend mit schiefen Wänden und Aussichtsterrasse in die Landschaft einschreibt. So sehr, dass ihm der Vorarlberger Architekt Bernhard Marte ursprünglich wenig Chancen einräumte: „Wir haben gesagt: Ja, wir haben ein wunderbares Projekt, aber das Land Niederösterreich wird sich niemals trauen, das zu bauen.“ Man hat sich dann doch getraut. Denn „im Konzert der Regionen in ganz Europa“ wolle man eben „herausstechen“, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei der Erstbesichtigung am Donnerstag erklärte.

Nach einem Preopening im März, wo die noch inhaltsleere Architektur beäugt werden konnte, präsentiert sich das Museum am Wochenende bei freiem Eintritt erstmals mit Kunst bestückt: Auf fünf Ebenen sind fünf Ausstellungen zu sehen, 500 Werke, herausgefischt aus der rund 100.000 Objekte umfassenden Kunstsammlung des Landes Niederösterreich sowie aus privaten und öffentlichen Leihgaben. Das neue Museum soll „die Welt von heute erklären, auch wenn Kunst vergangener Epochen gezeigt wird“, sagt Direktor Christian Bauer, der mit der Landessammlung, die vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht, stets eine Beziehung zwischen Vergangenheit und Jetzt, der großen Welt und der Region schaffen will.

Das Haus soll kein „elitärer Kunsttempel sein“, erklärt Kurator Günther Oberhollenzer. Dafür, ließe sich anfügen, ist künftig die seit den 90er-Jahren in der Kremser Kunstmeile etablierte Kunsthalle zuständig, die unterirdisch mit dem neuen Haus verbunden ist. Sie soll sich um internationale Gegenwartskunst kümmern und auch schwer Vermittelbares nicht scheuen.

Für die Landesgalerie haben sich Oberhollenzer und Bauer als programmatische Leitlinie das Begriffstrio „Landschaft, Mensch, Sammeln“ gewählt. An ihrem Eröffnungsreigen ist das schon einmal gut gelungen: Von bieder-konservativ bis verstörend-provokant wird so ziemlich alles geboten, was bei hiesigem wie weit gereistem Museumsvolk Anklang findet. Zwei Personalen zu Zeitgenossen lösen das Thema Mensch ein: Fotokünstler Heinz Cibulka, in den 60er-Jahren war er als Modell zentral für die körperbezogenen Materialaktionen der Wiener Aktionisten; und Renate Bertlmann. Im Erdgeschoß durfte sie, die heuer als erste Frau solo den Österreich-Pavillon bei der Biennale in Venedig bespielt, in Eigenregie eine Werkschau zusammenstellen. Wer sich von der feministisch-spirituell bewegten Künstlerin von den 70er-Jahren bis heute ein Bild machen will, ist an der Donau besser aufgehoben als in den Giardini in Venedig.

Urnen und Selbstdarstellung

Denn während Bertlmann in Venedig mit einer einzigen Großinstallation auf Effekt setzt, zeigt sie in Krems ihr volles Spektrum: Videos, Objekte und Tafelbilder, erfüllt von den Motiven Eros und Thanatos, die einmal schwelgerisch-kitschig, dann konfrontativ-hässlich Wirkung entfalten. Zentral ist die Installation Urnenwand – ein Regal mit Urnengefäßen, in denen sich Erinnerungsstücke an Verstorbene befinden. Die Arbeit entstand 1978, in voller Größe konnte Bertlmann sie aber erst jetzt umsetzen.

Mit Landschaftsdarstellung im Wandel der Zeit beschäftigt sich die Schau Sehnsuchtsräume. Sie schließt Werke des Stimmungsimpressionismus mit klassischer Moderne und der Gegenwart kurz: Wachau-Maler treffen auf Egon Schiele und aktuelle Kunst, in der Landschaft häufig mit Grenz- und Fluchtthematik aufgeladen ist.

Viel Schiele trifft man auch in der publikumswirksamen Ausstellung Ich bin alles zugleich wieder. Diese versucht, mit großen Namen (Boeckl, Gerstl, Helnwein, Kokoschka, Lassnig, Meese, Nauman, Nitsch, Wurm) im Zeitalter des Selfies eine Geschichte der Selbstdarstellung in der Kunst zu vermitteln; konkrete Einlassungen zum allerorts grassierenden Narzissmus – die sich in einer breit angelegten, auch alltagskulturellen Themenschau angeboten hätten – lässt sie aber vermissen.

Das Motiv Sammeln bedient schließlich eine Schau zu Franz Hauer. In ärmlichen Verhältnissen in der Wachau geboren, wurde er zu einem der wichtigsten Kunstsammler um 1900: Besser lässt sich der Spagat zwischen lokalem und überregionalem Anspruch kaum bewältigen.

Eröffnung bei freiem Eintritt am 25. 5. (ab 14 Uhr) und 26. 5. (ab 9 Uhr)

Der Standard, Fr., 2019.05.24



verknüpfte Bauwerke
Landesgalerie Niederösterreich

01. März 2019Stefan Weiss
Der Standard

Die Schuppen vor den Augen

Am Wochenende wird in Krems die neue Landesgalerie Niederösterreich eröffnet. Sie ist der Schlussstein der Kulturpolitik unter Exlandeshauptmann Erwin Pröll. Erwartungsgemäß begeistert der mutige Bau nicht jeden. Stefan Weiss

Am Wochenende wird in Krems die neue Landesgalerie Niederösterreich eröffnet. Sie ist der Schlussstein der Kulturpolitik unter Exlandeshauptmann Erwin Pröll. Erwartungsgemäß begeistert der mutige Bau nicht jeden. Stefan Weiss

Amphibisch ist vielleicht das richtige Eigenschaftswort für dieses Haus. Wie ein Fisch dreht und wendet sich die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems an der Donau. Ein Zipfel des Baus weist in Richtung des in Rufweite gelegenen Stroms, eine andere Spitze Richtung Altstadt von Stein. Die Außenhaut aus metallischen Schuppen vervollständigt das organische Bild. Auf 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstand eine Spielwiese für die Kunstsammlung des Landes Niederösterreich. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart umfasst sie rund 60.000 Objekte.

Der mutige Museumsneubau der Vorarlberger Architekten Bernhard und Stefan Marte wird an diesem Wochenende unter dem Titel Architektur pur mit einem dreitägigen Programm voll Spezialführungen, künstlerischen Arbeiten, Diskussionen und festlicher Umrahmung eröffnet. Sicher nicht fehlen wird Niederösterreichs Altlandeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), denn der Bau ist so etwas wie der Schlussstein der forcierten Kulturpolitik unter seiner 25-jährigen Ägide.

Krems als Zentrum der Kunst

In den 1990er-Jahren schuf man neben ähnlichen Projekten in St. Pölten auch in Krems ein beschauliches Kulturviertel: die sogenannte Kunstmeile, wo sich zwischen Gefängnis Stein und Donau die Kunsthalle, das Karikaturmuseum und weitere Einrichtungen in das Weltkulturerbe-Ensemble einschrieben. 2015 schließlich entwickelten Erwin Prölls Kulturstrategen den Plan einer Neuordnung: Ins St. Pöltner Landesmuseum sollte neben der Naturkundesammlung auch das 2017 eröffnete Haus der Geschichte Einzug halten. Für die dort ebenfalls untergebrachte Kunstsammlung des Landes war kein Platz mehr.

Also beschloss man, die bereits vorhandene Kunstinfrastruktur in Krems auszubauen und für die Landessammlung ein neues Museum zu errichten. Der Spatenstich für das Haus erfolgte 2016, die Errichtung wurde straff durchgezogen, unterbrochen nur aufgrund archäologischer Funde, die man konservierte und ebenfalls ausstellen will. Errichtungskosten von 35 Millionen Euro summierten sich mit Investitionen rundherum auf 75 Millionen, für den laufenden Betrieb des Museums sind 3,5 Millionen eingeplant, rund 100 Arbeitsplätze hat die Kunstmeile mittlerweile aufzubieten.

Prölls Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) steht zu den Investitionen und denkt nicht daran, diesen kulturpolitischen Weg zu verlassen. Sie spricht von einem „Architekturjuwel“ und lobt den kühnen Entwurf. Denn schließlich sei es auch Aufgabe der öffentlichen Hand, zeitgenössische Architektur zu fördern.

Obwohl der Neubau der strengen Prüfung der Welterbeexperten standhielt, sind Teile der lokalen Bevölkerung gegen das Haus. Der Vorwurf: Es füge sich optisch nicht in die Umgebung ein; zwischen Gründerzeitbauten, Weinbergen und dem mittelalterlichen Steiner Stadttor ragt es für viele etwas zu markant in den Himmel.

„Anfangs sind Großbaustellen verständlicherweise meistens von Skepsis der lokalen Bevölkerung begleitet“, sagt Mikl-Leitner zum STANDARD. Man habe aber versucht, durch persönliche Gespräche mit den Anrainern, durch Informationsveranstaltungen, bei denen Fragen und Anliegen herangetragen werden konnten, sowie mit einem möglichst transparenten Juryentscheidungsprozess des Architekturwettbewerbs Vorbehalte zu zerstreuen.

Christian Bauer, Chef der neuen Landesgalerie, schwärmt jedenfalls von seiner Arbeitsstätte: „Die Architektur hat eine große Bezogenheit auf den Ort und geht in hohem Ausmaß auf die Umgebung ein, auch wenn sich das Museum darin selbstbewusst behauptet.“ Der Bau erfülle eine Aussage des Kunstkritikers Werner Hofmann, wonach man „nicht immer zeitgenössische Kunst zeigen muss, Kunst aber immer zeitgenössisch präsentieren sollte“.

Inhaltlich nimmt das Museum erst mit einem „Grand Opening“ am 25. und 26. Mai seinen Vollbetrieb auf. Bei seinem Konzept betont Bauer die Regionalbezogenheit: Die Ausstellungen der Landesgalerie – egal ob kunst- oder, breiter, kulturhistorisch angelegt – sollen mit dem geografischen Umfeld des Museums und den Lebensrealitäten der lokalen Bevölkerung zu tun haben. Akademische Fragestellungen spielten dabei eine geringere Rolle, so Bauer.

Als Haus für Spezialisten soll vielmehr die etablierte Kunsthalle gegenüber fungieren. Sie wurde 2016 generalsaniert und ist nun unterirdisch mit dem neuen Museum verbunden. Als Direktor fungiert Florian Steininger, der sich angesichts des „Wolkenkratzers“ vor der Tür wohl nicht mehr so viele Gedanken um Besucherzahlen machen wird müssen.

160.000 jährlich erwartet man sich übrigens in der neuen Landesgalerie. Das sind in etwa so viele, wie das Wien Museum anlockt. Freuen dürfen sich auch Privatsammler: Mehrjährige Kooperationen sind mit Ernst Ploil und Helmut Zambo angedacht. Dan Grahams Glasskulptur Inspired by moon window etwa wird als Leihgabe Ploils für drei Jahre auf der Aussichtsterrasse des Museums Platz finden. Sie symbolisiert: Man will hoch hinaus in Krems.

Der Standard, Fr., 2019.03.01



verknüpfte Bauwerke
Landesgalerie Niederösterreich

Presseschau 12

13. September 2024Stefan Weiss
Der Standard

Entwurf für Haus der Geschichte vorgelegt

Das Haus der Geschichte Österreich erhält einen partiellen Neubau im Wiener Museumsquartier, die Architektur kommt von dem Berliner Büro O&O Baukunst.

Das Haus der Geschichte Österreich erhält einen partiellen Neubau im Wiener Museumsquartier, die Architektur kommt von dem Berliner Büro O&O Baukunst.

Auch das ist vielleicht historisch: Seit Jahrzehnten stritten in dieser Republik relativ ergebnislos mächtige Männer mit viel Geltungsdrang um die Frage, wie ein Museum zur Geschichte Österreichs aussehen könnte – und die Umsetzung gelingt nun einer Frauenrunde. Das Podium, das am Donnerstag vor der Presse den Siegerentwurf für die architektonische Umsetzung des Hauses der Geschichte Österreich (HdGÖ) präsentierte, war von Politik über Jury bis zum Museumspersonal zu 100 Prozent weiblich besetzt.

Einzig der Architekt, der von der Jury unter dem Vorsitz von Elke Delugan-Meissl den Zuschlag erhielt, durfte sich als Markus Penell vorstellen. Er ist Teil des Berliner Büros O&O Baukunst, an ihn und sein Team geht der Auftrag, im sogenannten Klosterhof des Wiener Museumsquartiers eine dauerhafte Bleibe für das HdGÖ zu errichten. O&O hat zuletzt das Jugendtheater in Frankfurt oder die renommierte Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin umgebaut, in Wien wird mit ihrer aus Holz und Glas bestehenden Neubauarchitektur der bestehende barocke Altbestand sinnvoll ergänzt.

Über ein helles Foyer gelangt man in den mehrstöckigen Neubau mit Terrasse, die 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche ziehen sich weiter bis in den Altbestand, jenen Flügel des MQ, der seine Fenster in Richtung Mariahilfer Straße hat. Äußerlich wird das HdGÖ im verwinkelten MQ damit nicht zu übersehen sein. Im Gegensatz zu den derzeit in der Neuen Burg verfügbaren 900 Quadratmetern wird die Nutzfläche mehr als verdreifacht, dem inhaltlichen Auftrag des HdGÖ, die Geschichte Österreichs von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart zu erzählen, kann dann erstmals voll entsprochen werden.

Baubeginn ist im zweiten Halbjahr 2026, Fertigstellung Ende 2028. Auf 39,3 Millionen Euro beläuft sich die Kostenschätzung, 27,7 davon sind bereits budgetiert, für den Rest wird eine neue Bundesregierung sorgen müssen, sagte Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne), die sich „trotz des Wahlkampfs“ auch beim Koalitionspartner ÖVP bedanken wollte. Die Betriebskosten werden durch die Vergrößerung der Fläche zwar höher sein als aktuell (derzeit 1,7 Millionen Euro), dank der klimafitten Architektur wird das Haus in der Relation zum aktuellen Provisorium in der Hofburg allerdings günstiger.

Die Idee für die nunmehrige Lösung stammte ursprünglich von Johanna Rachinger (ÖNB-Chefin) und Bettina Leidl (MQ-Geschäftsführerin seit 2021), Mayer und Dschungel-Chefin Anna Horn wurden ins Boot geholt. Letztere wird auf die Probebühne des Jugendtheaters im Klosterhof verzichten müssen, erhält aber im Nebenhof eine größere Spielstätte, die alle Dschungel-Räumlichkeiten in einem Haus zusammenfasst. Eine Win-win-Situation ist die Sache auch für das Kunsthistorische Museum, das in der Neuen Burg wieder mehr Raum für die archäologische Ephesos-Sammlung erhält.

Die Entscheidung darüber, inwiefern das HdGÖ strukturell an die Nationalbibliothek angebunden bleibt oder ob es mit einem eigenen Haus nun letztlich auch ein eigenständiges Bundesmuseum werden sollte, wird ebenfalls einer neuen Bundesregierung obliegen, hieß es. Die Beteiligten ließen durchblicken, dass eine Eigenständigkeit der Institution wohl langfristig sinnvoller wäre.

HdGÖ-Direktorin Monika Sommer freute sich, dass das seit 2018 in der Neuen Burg nebst anderen Institutionen als Provisorium eingerichtete „Haus“ nun tatsächlich ein solches werde. Und dass die Architekten von O&O ihren Entwurf an der „inhaltlichen DNA“ des HdGÖ ausrichteten, die da lautet: Offenheit, Transparenz, Flexibilität im Umgang mit geschichtlichen und zivilgesellschaftlichen Diskussionen.

Bettina Leidl begrüßt die neue Institution als „erste inhaltliche Weiterentwicklung des MQ seit der Eröffnung im Jahr 2001“. In die neue Klimastrategie des MQ, die verstärkte Bodenentsiegelung und Begrünung auch im Klosterhof vorsieht, fügt sich der Museumsneubau nahtlos ein. Geschichte wird gemacht – diesmal im Zusammenwirken lösungsorientierter Pragmatikerinnen.

Der Standard, Fr., 2024.09.13

25. Oktober 2022Stefan Weiss
Der Standard

Rufe nach offener Debatte über Wiener Heldenplatz

Wunsch nach Begrünung und Überarbeitung – Expertinnen und Historiker wollen den Ort stärker in der Gegenwart verankern

Wunsch nach Begrünung und Überarbeitung – Expertinnen und Historiker wollen den Ort stärker in der Gegenwart verankern

Wenn das österreichische Bundesheer am 26. Oktober, dem Nationalfeiertag, seine traditionelle Leistungsschau auf dem Wiener Heldenplatz abhält, wird zum letzten Mal auch das Parlament mittendrin sein: Jene beiden quaderartigen Container nämlich, die 2017 als Ausweichquartiere für das in Umbau befindliche Parlament errichtet wurden, werden Anfang 2023 nach Beendigung des Umbaus wieder entfernt.

Über eine Nachnutzung der mit einem Designpreis prämierten Notquartiere würden aktuell Gespräche geführt, heißt es aus der Parlamentsdirektion, konkrete Ideen könne man aber noch keine nennen.

Für die Historikerin Heidemarie Uhl, die am Heldenplatz etwa das Äußere Burgtor (Heldentor) intensiv beforschte, wäre mit dem Abzug der Container auch die Zeit gekommen, über eine Umgestaltung des Heldenplatzes offen nachzudenken, wie sie dem STANDARD sagt. „Die Parlamentscontainer waren ein Glücksfall“, meint sie, denn die temporären Bauwerke hätten gezeigt, dass dem Platz – wie ursprünglich für das nicht realisierte Kaiserforum geplant – ein baulicher Akzent gegenüber der Neuen Burg fehle. „Alle Befürchtungen über eine Minderung der städtebaulichen Qualität wurden durch die Realisierung der beiden Objekte entkräftet. Ganz im Gegenteil: Durch ihren Abriss wird eine Leerstelle sichtbar, die geradezu nach einer zeitgemäßen architektonischen Gestaltung ruft.“ Ein Neubau für das Haus der Geschichte (HdGÖ), das in der Neuen Burg als Provisorium untergebracht ist, aber mehr Platz braucht, „könnte hier seinen sinnvollen Standort finden“, meint Uhl. Von „Verbauung“, wie manche dagegen ins Feld führen, könne keine Rede sein, sagt Uhl. Man solle ohnehin großflächig begrünen und etwa die Parkplatzflächen anders lösen.

Grünen-Kultursprecherin Eva Blimlinger kann mit einem Haus-der-Geschichte-Neubau nichts anfangen, das Thema Umgestaltung begrüßt sie aber grundsätzlich, und sie wünscht sich eine Kommission, die alle Ideen offen diskutieren soll. „Der Heldenplatz soll endlich ein Platz werden. Kein Parkplatz, kein Containerplatz, kein Treffpunktplatz für Tourist:innenfahrten, kein Haus-der Geschichte-Platz, kein versiegelter Platz – einfach eine freie öffentliche Fläche, die keine Hitzeinsel ist. Bäume und Wiese, Sträucher und Wasser“, sagt Blimlinger. Ob sie damit bei Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer Anklang findet, wird sich erst zeigen, dass man keinen Neubau für das HdGÖ anstrebt, darin sind sich die Grünen wohl einig.

Uhl hat aber noch eine weitere Idee: „Seit Jahren wird ein Denkmal der Republik gefordert, als zentraler symbolischer Ort für staatliche Rituale wie die Kranzniederlegung am Nationalfeiertag, bei Staatsbesuchen und Gedenkfeiern.“ Damit gäbe es eine Alternative zu der Art und Weise, wie bisher Kranzniederlegungen stattfinden, nämlich am durch den Austrofaschismus und die Werke des NS-Bildhauers Wilhelm Frass belasteten Burgtor.

Der Grazer Historiker Dieter A. Binder, Vorsitzender des Denkmalbeirats beim Bundesheer, sieht eine pragmatische Lösung: Man solle das viel zu wenig beachtete, bereits bestehende Staatsgründungsdenkmal (1945) aus dem Schweizergarten auf den Heldenplatz verlegen. Historikerkollege Oliver Rathkolb fordert die Einrichtung eines runden Tisches von Stimmen aus Wissenschaft, Stadtplanung, dem Bund und der Stadt Wien. Monika Sommer, Direktorin des HdGÖ, schlägt in dieselbe Kerbe und hat einen konkreten Zeithorizont im Auge: „2025 feiert die Zweite Republik das 80. Jubiläum.“ Für Sommer gehe es dabei nicht „ums Verbauen, sondern ums Gestalten, um sichtbare Zeichensetzungen“.

Wie das funktionieren könnte, hat zuletzt der Architekt Gerhard Schnabl mit einer Lehrveranstaltung an der Technischen Universität gezeigt, bei der Studierende Entwürfe anfertigten. Der Heldenplatz sei „architekturhistorisch betrachtet ein unvollendeter Stadtraum, der seit mehr als 100 Jahren darauf wartet, als wesentlicher öffentlicher Freiraum bedeutungsgerecht aktualisiert zu werden“, sagt Schnabl. Einen Freizeit- und Lebensraum mit den Anforderungen eines Gedenkorts zu verbinden, hält er für möglich und überfällig.

Oliver Rathkolb macht auch noch auf ein Kuriosum aufmerksam: Der „Heldenplatz“ sei offiziell nie als solcher benannt worden. Formal gesehen heiße der Ort nach wie vor „Äußerer Burgplatz“. Auch darüber solle man einmal offen diskutieren, meint Rathkolb.

Der Standard, Di., 2022.10.25

24. Mai 2019Stefan Weiss
Der Standard

Wachauer Sehnsuchtsräume

Mit Egon Schiele und Renate Bertlmann wird am Wochenende die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems eröffnet. Fünf Ausstellungen sollen ein breites Publikum ansprechen.

Mit Egon Schiele und Renate Bertlmann wird am Wochenende die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems eröffnet. Fünf Ausstellungen sollen ein breites Publikum ansprechen.

An Selbstvertrauen herrscht kein Mangel. Das erfährt überdeutlich, wer sich dieser Tage im niederösterreichischen Krems-Stein einfindet. Am Samstag wird in der Wachau der um 35 Millionen Euro errichtete Museumsneubau Landesgalerie Niederösterreich eröffnet: ein kühnes Gebäude, das sich im Weltkulturerbe hochaufragend mit schiefen Wänden und Aussichtsterrasse in die Landschaft einschreibt. So sehr, dass ihm der Vorarlberger Architekt Bernhard Marte ursprünglich wenig Chancen einräumte: „Wir haben gesagt: Ja, wir haben ein wunderbares Projekt, aber das Land Niederösterreich wird sich niemals trauen, das zu bauen.“ Man hat sich dann doch getraut. Denn „im Konzert der Regionen in ganz Europa“ wolle man eben „herausstechen“, wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei der Erstbesichtigung am Donnerstag erklärte.

Nach einem Preopening im März, wo die noch inhaltsleere Architektur beäugt werden konnte, präsentiert sich das Museum am Wochenende bei freiem Eintritt erstmals mit Kunst bestückt: Auf fünf Ebenen sind fünf Ausstellungen zu sehen, 500 Werke, herausgefischt aus der rund 100.000 Objekte umfassenden Kunstsammlung des Landes Niederösterreich sowie aus privaten und öffentlichen Leihgaben. Das neue Museum soll „die Welt von heute erklären, auch wenn Kunst vergangener Epochen gezeigt wird“, sagt Direktor Christian Bauer, der mit der Landessammlung, die vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht, stets eine Beziehung zwischen Vergangenheit und Jetzt, der großen Welt und der Region schaffen will.

Das Haus soll kein „elitärer Kunsttempel sein“, erklärt Kurator Günther Oberhollenzer. Dafür, ließe sich anfügen, ist künftig die seit den 90er-Jahren in der Kremser Kunstmeile etablierte Kunsthalle zuständig, die unterirdisch mit dem neuen Haus verbunden ist. Sie soll sich um internationale Gegenwartskunst kümmern und auch schwer Vermittelbares nicht scheuen.

Für die Landesgalerie haben sich Oberhollenzer und Bauer als programmatische Leitlinie das Begriffstrio „Landschaft, Mensch, Sammeln“ gewählt. An ihrem Eröffnungsreigen ist das schon einmal gut gelungen: Von bieder-konservativ bis verstörend-provokant wird so ziemlich alles geboten, was bei hiesigem wie weit gereistem Museumsvolk Anklang findet. Zwei Personalen zu Zeitgenossen lösen das Thema Mensch ein: Fotokünstler Heinz Cibulka, in den 60er-Jahren war er als Modell zentral für die körperbezogenen Materialaktionen der Wiener Aktionisten; und Renate Bertlmann. Im Erdgeschoß durfte sie, die heuer als erste Frau solo den Österreich-Pavillon bei der Biennale in Venedig bespielt, in Eigenregie eine Werkschau zusammenstellen. Wer sich von der feministisch-spirituell bewegten Künstlerin von den 70er-Jahren bis heute ein Bild machen will, ist an der Donau besser aufgehoben als in den Giardini in Venedig.

Urnen und Selbstdarstellung

Denn während Bertlmann in Venedig mit einer einzigen Großinstallation auf Effekt setzt, zeigt sie in Krems ihr volles Spektrum: Videos, Objekte und Tafelbilder, erfüllt von den Motiven Eros und Thanatos, die einmal schwelgerisch-kitschig, dann konfrontativ-hässlich Wirkung entfalten. Zentral ist die Installation Urnenwand – ein Regal mit Urnengefäßen, in denen sich Erinnerungsstücke an Verstorbene befinden. Die Arbeit entstand 1978, in voller Größe konnte Bertlmann sie aber erst jetzt umsetzen.

Mit Landschaftsdarstellung im Wandel der Zeit beschäftigt sich die Schau Sehnsuchtsräume. Sie schließt Werke des Stimmungsimpressionismus mit klassischer Moderne und der Gegenwart kurz: Wachau-Maler treffen auf Egon Schiele und aktuelle Kunst, in der Landschaft häufig mit Grenz- und Fluchtthematik aufgeladen ist.

Viel Schiele trifft man auch in der publikumswirksamen Ausstellung Ich bin alles zugleich wieder. Diese versucht, mit großen Namen (Boeckl, Gerstl, Helnwein, Kokoschka, Lassnig, Meese, Nauman, Nitsch, Wurm) im Zeitalter des Selfies eine Geschichte der Selbstdarstellung in der Kunst zu vermitteln; konkrete Einlassungen zum allerorts grassierenden Narzissmus – die sich in einer breit angelegten, auch alltagskulturellen Themenschau angeboten hätten – lässt sie aber vermissen.

Das Motiv Sammeln bedient schließlich eine Schau zu Franz Hauer. In ärmlichen Verhältnissen in der Wachau geboren, wurde er zu einem der wichtigsten Kunstsammler um 1900: Besser lässt sich der Spagat zwischen lokalem und überregionalem Anspruch kaum bewältigen.

Eröffnung bei freiem Eintritt am 25. 5. (ab 14 Uhr) und 26. 5. (ab 9 Uhr)

Der Standard, Fr., 2019.05.24



verknüpfte Bauwerke
Landesgalerie Niederösterreich

01. März 2019Stefan Weiss
Der Standard

Die Schuppen vor den Augen

Am Wochenende wird in Krems die neue Landesgalerie Niederösterreich eröffnet. Sie ist der Schlussstein der Kulturpolitik unter Exlandeshauptmann Erwin Pröll. Erwartungsgemäß begeistert der mutige Bau nicht jeden. Stefan Weiss

Am Wochenende wird in Krems die neue Landesgalerie Niederösterreich eröffnet. Sie ist der Schlussstein der Kulturpolitik unter Exlandeshauptmann Erwin Pröll. Erwartungsgemäß begeistert der mutige Bau nicht jeden. Stefan Weiss

Amphibisch ist vielleicht das richtige Eigenschaftswort für dieses Haus. Wie ein Fisch dreht und wendet sich die neue Landesgalerie Niederösterreich in Krems an der Donau. Ein Zipfel des Baus weist in Richtung des in Rufweite gelegenen Stroms, eine andere Spitze Richtung Altstadt von Stein. Die Außenhaut aus metallischen Schuppen vervollständigt das organische Bild. Auf 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche entstand eine Spielwiese für die Kunstsammlung des Landes Niederösterreich. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart umfasst sie rund 60.000 Objekte.

Der mutige Museumsneubau der Vorarlberger Architekten Bernhard und Stefan Marte wird an diesem Wochenende unter dem Titel Architektur pur mit einem dreitägigen Programm voll Spezialführungen, künstlerischen Arbeiten, Diskussionen und festlicher Umrahmung eröffnet. Sicher nicht fehlen wird Niederösterreichs Altlandeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), denn der Bau ist so etwas wie der Schlussstein der forcierten Kulturpolitik unter seiner 25-jährigen Ägide.

Krems als Zentrum der Kunst

In den 1990er-Jahren schuf man neben ähnlichen Projekten in St. Pölten auch in Krems ein beschauliches Kulturviertel: die sogenannte Kunstmeile, wo sich zwischen Gefängnis Stein und Donau die Kunsthalle, das Karikaturmuseum und weitere Einrichtungen in das Weltkulturerbe-Ensemble einschrieben. 2015 schließlich entwickelten Erwin Prölls Kulturstrategen den Plan einer Neuordnung: Ins St. Pöltner Landesmuseum sollte neben der Naturkundesammlung auch das 2017 eröffnete Haus der Geschichte Einzug halten. Für die dort ebenfalls untergebrachte Kunstsammlung des Landes war kein Platz mehr.

Also beschloss man, die bereits vorhandene Kunstinfrastruktur in Krems auszubauen und für die Landessammlung ein neues Museum zu errichten. Der Spatenstich für das Haus erfolgte 2016, die Errichtung wurde straff durchgezogen, unterbrochen nur aufgrund archäologischer Funde, die man konservierte und ebenfalls ausstellen will. Errichtungskosten von 35 Millionen Euro summierten sich mit Investitionen rundherum auf 75 Millionen, für den laufenden Betrieb des Museums sind 3,5 Millionen eingeplant, rund 100 Arbeitsplätze hat die Kunstmeile mittlerweile aufzubieten.

Prölls Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) steht zu den Investitionen und denkt nicht daran, diesen kulturpolitischen Weg zu verlassen. Sie spricht von einem „Architekturjuwel“ und lobt den kühnen Entwurf. Denn schließlich sei es auch Aufgabe der öffentlichen Hand, zeitgenössische Architektur zu fördern.

Obwohl der Neubau der strengen Prüfung der Welterbeexperten standhielt, sind Teile der lokalen Bevölkerung gegen das Haus. Der Vorwurf: Es füge sich optisch nicht in die Umgebung ein; zwischen Gründerzeitbauten, Weinbergen und dem mittelalterlichen Steiner Stadttor ragt es für viele etwas zu markant in den Himmel.

„Anfangs sind Großbaustellen verständlicherweise meistens von Skepsis der lokalen Bevölkerung begleitet“, sagt Mikl-Leitner zum STANDARD. Man habe aber versucht, durch persönliche Gespräche mit den Anrainern, durch Informationsveranstaltungen, bei denen Fragen und Anliegen herangetragen werden konnten, sowie mit einem möglichst transparenten Juryentscheidungsprozess des Architekturwettbewerbs Vorbehalte zu zerstreuen.

Christian Bauer, Chef der neuen Landesgalerie, schwärmt jedenfalls von seiner Arbeitsstätte: „Die Architektur hat eine große Bezogenheit auf den Ort und geht in hohem Ausmaß auf die Umgebung ein, auch wenn sich das Museum darin selbstbewusst behauptet.“ Der Bau erfülle eine Aussage des Kunstkritikers Werner Hofmann, wonach man „nicht immer zeitgenössische Kunst zeigen muss, Kunst aber immer zeitgenössisch präsentieren sollte“.

Inhaltlich nimmt das Museum erst mit einem „Grand Opening“ am 25. und 26. Mai seinen Vollbetrieb auf. Bei seinem Konzept betont Bauer die Regionalbezogenheit: Die Ausstellungen der Landesgalerie – egal ob kunst- oder, breiter, kulturhistorisch angelegt – sollen mit dem geografischen Umfeld des Museums und den Lebensrealitäten der lokalen Bevölkerung zu tun haben. Akademische Fragestellungen spielten dabei eine geringere Rolle, so Bauer.

Als Haus für Spezialisten soll vielmehr die etablierte Kunsthalle gegenüber fungieren. Sie wurde 2016 generalsaniert und ist nun unterirdisch mit dem neuen Museum verbunden. Als Direktor fungiert Florian Steininger, der sich angesichts des „Wolkenkratzers“ vor der Tür wohl nicht mehr so viele Gedanken um Besucherzahlen machen wird müssen.

160.000 jährlich erwartet man sich übrigens in der neuen Landesgalerie. Das sind in etwa so viele, wie das Wien Museum anlockt. Freuen dürfen sich auch Privatsammler: Mehrjährige Kooperationen sind mit Ernst Ploil und Helmut Zambo angedacht. Dan Grahams Glasskulptur Inspired by moon window etwa wird als Leihgabe Ploils für drei Jahre auf der Aussichtsterrasse des Museums Platz finden. Sie symbolisiert: Man will hoch hinaus in Krems.

Der Standard, Fr., 2019.03.01



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