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21. November 2017Élise Riedo
Marie Sagnières
anthos

Hochwasser als Chance für die Landschaft

Hochwasserschutzmassnahmen bieten einzigartige Möglichkeiten, kohärente, integrative und iterative Landschaftsprojekte umzusetzen. Dafür müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt werden: überzeugte Akteure am Verhandlungstisch und Massnahmen, die sorgfältig und ganzheitlich ausgeführt und kommuniziert werden.

Hochwasserschutzmassnahmen bieten einzigartige Möglichkeiten, kohärente, integrative und iterative Landschaftsprojekte umzusetzen. Dafür müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt werden: überzeugte Akteure am Verhandlungstisch und Massnahmen, die sorgfältig und ganzheitlich ausgeführt und kommuniziert werden.

Das bis 1991 geltende Paradigma, nach dem konstruktive Hochwasserschutzmassnahmen Vorrang hatten, änderte sich mit dem neuen Bundesgesetz über den Wasserbau BGWB. Die Revision des Gewässerschutzgesetzes im Jahre 2011 zielte auf eine Re-Diversifizierung der Flussbettstrukturen, Ufer und Ufervegetation von Fliessgewässern ab. Eine Förderung durch den Bund erfolgt jedoch – über einen effizienten Hochwasserschutz hinaus – nur, wenn die Bedingungen an die Renaturierung erfüllt sind. Es kommt eher selten vor, dass Themen wie «Freizeit und Erholung» (sanfte Mobilität, Gestaltung des öffentlichen Raums) oder ein «harmonisches Landschaftsbild» in die Entscheidungsfindung über die Vergabe von Subventionen einbezogen werden. Daher sind eine starke Unterstützung und eine hohe Motivation der Bauherren notwendig, um – aus landschaftlicher Sicht – qualitative, ganzheitliche und kohärente Hochwasserschutzprojekte durchzuführen.

Hochwasserschutzprogramme verursachen Folgekosten sowohl aufgrund der Erstellung von komplexen technischen Studien als auch bei der Umsetzung. Solche Projekte «sieht man nicht», sie tragen nicht notwendigerweise zum Ruhm der Planer bei und sie werden überhaupt nur von Eingeweihten wahrgenommen. Die Veranschlagung des Budgetrahmens für die Gemeinden stellt einen wichtigen Meilenstein dar. Dabei sind Projekte zu den ­Themen der sanften Mobilität und der Gestaltung der Uferlandschaften – beides bei der Vergabe von Subventionen vernachlässigte Stiefkinder – paradoxerweise oft Auslöser und Motivation.

Wie aus notwendigen Projekten Chancen entstehen Es ist von wesentlicher Bedeutung, durch echte Zusammenarbeit aus einem klassischen «notwendigen» Projekt eines zu machen, das durch die Integration der Themen Stadtplanung, Landschaftsplanung und der verschiedenen Formen der sanften Mobilität weitere Möglichkeiten eröffnet. Durch die Bündelung dieser Kompetenzen und der Anwendungsgebiete können die Auflagen für den Hochwasserschutz neu definiert werden. Daraus kann eine gemeinschaftliche und sensible Zusammenarbeit der lokalen Bevölkerung entstehen, mit dem Ziel, die Wasserläufe zu zähmen und dabei die verschiedenen Interessen zu berücksichtigen.

Beispiel Delsberg

In der Stadt Delsberg wurde aufgrund einer Vielzahl von Überschwemmungsrisiken ein Hochwasserschutzprojekt ins Leben gerufen (Masterplan Sorne, 2011). Die Einheitlichkeit des Landschaftskonzepts wird unter anderem durch ein sich wiederholendes Motiv entlang des gesamten Flusslaufs der Sorne gewährleistet, die die Stadt von der einen zur anderen Seite durchfliesst. Eine kleine Wasserkraftanlage wurde bereits in das richtungsweisende Konzept integriert. Anfang 2018 werden neue Fussgängerbrücken und ein Stadtpark, der teilweise überschwemmt werden kann, für die Öffentlichkeit eröffnet.

Durch die maximale Hochwasserlinie ergab sich die Möglichkeit, diesen Park zu entwerfen. Der bei der Verbreiterung des Flussbetts abgetragene Aushub konnte für die Gestaltung des Parks optimal weiterverwendet werden. Sowohl die Kosten als auch die Verschiebung des Materials hielten sich in überschaubaren Grenzen. An verschiedenen Stellen wird übrigens auf die Entstehungsgeschichte des Parks hingewiesen: Grosse, spielerisch gestaltete Behälter mit Kieseln verbessern die Granulatstruktur der Gewässersohle. Ferner wurde als Erinnerung an die Ufervegetation aus den Pflanzen der Gewässersohle eine Wiese angelegt. Auch symbolisieren einige Schwimmbadbecken-Leitern die «potenzielle» Bademöglichkeit im Überschwemmungsfall.

Dieser Masterplan konkretisiert sich von Flussabschnitt zu Flussabschnitt mittlerweile immer weiter und schafft einen echten Mehrwert für die Landschaft, die Lebensräume, den öffentlichen Raum und das Mobilitätsangebot der Gemeinde. Er hat gleichermassen die Techniker, Entscheidungsträger und Nutzer überzeugt, gewährleistet er doch die Sicherheit von Gütern und Personen im Hochwasserfall.

Beispiel Saint-Ursanne

Die Schutzmassnahmen der Stadt Saint-Ursanne gegen Überschwemmungen durch Hochwasser des Flusses Doubs (Masterplan Doubs, 2017) boten ebenfalls die Gelegenheit zur Gestaltung eines Landschaftsparks, der die mittelalterliche Stadt und den Zugang zum Fluss aufwertet. Ein mehrere Kilometer langer Rundwanderweg führt entlang der teilweise naturnah gehaltenen, teilweise landwirtschaftlich genutzten oder eher urbanen Uferbereiche. Dieser Rundweg konnte dank der Hochwasserschutzmassnahmen ermöglicht werden und hat kaum Mehrkosten verursacht.

Sichtbarmachen des Unsichtbaren

Aufgrund der Komplexität der technischen Pläne ist es schwierig, einem Laienpublikum die verschiedenen Aspekte des Projekts detailliert zu vermitteln. ­3-D-Animationen, vereinfachte Querschnitte oder aussagekräftige Darstellungen des angestrebten Landschaftsbilds sind unter anderem dazu geeignet, die Vielfalt dieser Projekte zu illustrieren und sie tragen zum Erfolg ihrer verschiedenen Bestandteile bei. Der Ausbau und die partielle Aufweitung des Scheltenbachs im Mündungsbereich in die Birs bei Courroux (Jura) bot zum Beispiel die Gelegenheit, mit einem massstabgetreuen Modell und einem Kurzfilm über das Projekt zu experimentieren. Dessen Ausstrahlung in der Gemeinde und die Veröffentlichung im Internet haben zur Sensibilisierung der Bevölkerung beigetragen und zur Zustimmung des Rahmenkredits geführt.

Hinter dem aus dem Aushubmaterial erbauten Hochwasserschutzdamm befindet sich heute auf der Wiese eine potenziell überschwemmbare Fläche. Hier liegt genau die Herausforderung solcher Hochwasserschutzprojekte: An die nicht sichtbare Dimension überschwemmbarer Gebiete zu erinnern, um zu sensibilisieren, aufzurütteln und zu schützen.

anthos, Di., 2017.11.21



verknüpfte Zeitschriften
anthos 2017/04 Hochwasserschutz

24. November 2016Élise Riedo
anthos

Seenlandschaften als Spiegelbilder unserer Gesellschaft

Sogenannte «natürliche» Landschaften sind für die Freizeitgestaltung besonders attraktiv. Doch sobald sie von der Bevölkerung erobert werden, sind sie bedroht. Welchen Wert wollen wir unserer Freizeitgestaltung einräumen oder unserem Wunsch, am See zu wohnen – und was lassen wir der Natur übrig? urbaplans Vorschlag beruht auf einer sensiblen Lesart der Ufer des Neuenburgersees.

Sogenannte «natürliche» Landschaften sind für die Freizeitgestaltung besonders attraktiv. Doch sobald sie von der Bevölkerung erobert werden, sind sie bedroht. Welchen Wert wollen wir unserer Freizeitgestaltung einräumen oder unserem Wunsch, am See zu wohnen – und was lassen wir der Natur übrig? urbaplans Vorschlag beruht auf einer sensiblen Lesart der Ufer des Neuenburgersees.

Was ist Landschaft anderes als ein Spiegel unserer Gesellschaft? Die aktuelle Beschäftigung mit Landschaft zeigt grundsätzliche Fragen zu Werten und Herausforderungen auf, mit denen wir konfrontiert sind: Landschaftsplanung, -konservierung, -aufwertung… all diese Ziele sind schwer in Einklang zu bringen, was sie paradoxerweise zu einer stimulierenden Quelle der Kreativität werden lässt. Lösungsvorschläge und Ideen für ein Gleichgewicht zwischen mehreren Sichtweisen, die manchmal als Kompromisse bezeichnet werden, ermöglichen es ebenfalls, «geschlossen» hinter einem verbindenden Projekt zu stehen, und vereinfachen dessen Verinnerlichung und Konkretisierung.

Obwohl sie einem ständigen Wandel unterliegen, sind sogenannte «natürliche» Landschaften eigentlich nicht erneuerbar. Wurden sie erst einmal zerstört, ist ihre Ursprünglichkeit für immer verloren, darin liegt die gesamte Begründung ihrer Schutzwürdigkeit. Doch diese Landschaften üben auf uns Spaziergänger, Badende, Radfahrer auch eine starke ­Anziehungskraft aus. Welchen Wert geben wir divergierenden Nutzungsansprüchen wie Erholung und Wohnen – und was bleibt Natur?

Das «Landschaftsprojekt», Skizze des Richtplans

Das Amt für Raumentwicklung des Kantons Neuenburg muss sich mit dieser sensiblen Frage auseinandersetzen, um den Zielvorgaben der Projektbögen S_31 «Landschaftserhaltung und -aufwertung» sowie S_33 «Schutz und Management der Seeufer» seines kantonalen Richtplans gerecht zu werden. Mit­arbeiter des beauftragten Unternehmens urbaplan schritten die 30 Kilometer zu Fuss ab und schlugen dann vor, mittels einer sensiblen Lesart der Ufer des Neuenburgersees Denkanstösse zu liefern. Diese Entzifferung ermöglichte zugleich das Erkennen regelrechter Lieblingsplätze in dieser Landschaft: ungewöhnliche Orte, besonders bezaubernde Stimmungen, Bereiche, die zu Projekten inspirieren. Eine Erfassung der bestehenden und potenziellen Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzern floss ebenfalls in die Überlegungen ein. Weitere Analysen ­(sanfte Mobilität, Zugänglichkeit, Umfang der schutzwürdigen Bereiche…) sowie mehrere auf Kantons­ebene durchgeführte Studien über das Naturerbe und die Pfahlbaustätten vervollständigten diese globale Diagnose.

Alle diese Elemente haben sich nach und nach um ein «Landschaftsprojekt» herum zu einem Ganzen zusammengeschlossen. Diese Skizze eines Richtplans ermöglichte die Verankerung und Feinspatialisierung zahlreicher Vorschläge auf einer für die Beteiligten im Alltag sehr ausdrucksstarken Ebene.

Ja zum Konsens – in jedem Bereich, aber nicht überall

Im Juni 2013 wurden die circa 60 Beteiligten (Gemeinden, Interessensgruppen, Nutzer) anlässlich eines partizipativen Workshops angesprochen, welcher die Diagnose und das Projekt inhaltlich bereicherte, ebenso wie die regelmässigen Sitzungen mit den betroffenen Bundesstellen sowie mit Neuenburg Tourismus. Eine öffentliche Vorvernehmlassung bei elf Gemeinden und Interessengruppen vervollständigte den Ansatz.

Bei jeder dieser Etappen standen sich natürlich die Erwartungen der Umweltschützer und jene der Entwickler gegenüber. Es entstand jedoch ein starker Konsens zum Erhalt der landschaftlichen Vielfalt, ihrer Seltenheit und Attraktivität. Kurzum, man kam überein, dass alles angeboten werden kann, aber nicht überall. So setzte sich allmählich ein Gleichgewicht zwischen folgenden Zielsetzungen durch:
 – bereits massiv anthropogene Bereiche wie Strände und Häfen stärken und aufwerten,
 – das Netzwerk der öffentlichen Freiflächen und der sanften Mobilität optimieren und vervollständigen,
 – die Biodiversität der Mündungen sowie der bekannten Biotope bewahren und aufwerten,
 – die Eingriffe der öffentlichen Körperschaften priorisieren und hierarchisieren.

Den passenden Interventionsgrad finden

Das andere zu findende Gleichgewicht betraf die Suche nach dem passenden Detaillierungsniveau. Ein kantonaler Richtplan zielt nicht darauf ab, alles zu regeln, und muss den passenden Interventionsgrad haben. Den kommunalen Stellen sowie Dritten muss ausreichend Spielraum gelassen werden.

Der Schwerpunkt des Richtplans beruht auf drei allgemeinen Grundsätzen für primäre und sekundäre Umsetzungsmassnahmen, die getrennt erfasst sind. Ein Teil davon ist rechtlich bindend, während der andere detailreicher ist und lediglich Empfehlungscharakter besitzt:
 – Natur, Landschaft und Erbe: Eine der primären Massnahmen schlägt die Einrichtung eines weitläufigen Parks auf der Ebene des Ballungsraums Neuenburg vor, in dem Freizeitgestaltung und wachsende Artenvielfalt vereint auftreten.
 – Urbanisierung und Tourismus: Hierarchisierung prioritärer und sekundärer Entwicklungsbereiche, wobei einige Stätten für ein umfangreiches öffentliches Programm am Seeufer reserviert wurden.
 – Sanfte Mobilität und Schifffahrt: Der Seeweg Neuenburgersee, der dem Ufer fast durchgehend folgt, wird durch touristisch ansprechende Stätten ergänzt, doch in seinen natürlichen Bereichen aus dem Fokus genommen. Aquarius, ein unter anderem auf Gewässerökologie und Fischereibiologie spezialisiertes Büro, brachte seine Expertise bei der Definition der Entwicklungsbereiche der Sportschifffahrt und schützenswerten Zonen ein.

Die zweite Konsultationsphase ist nunmehr beendet. Der Richtplan wird mit dem Ziel, Anfang 2017 vom Staatsrat genehmigt zu werden, abgeschlossen. Die festgelegten Massnahmen werden danach von verschiedenen staatlichen Behörden und den Gemeinden mit ihren lokalen Planungswerkzeugen umgesetzt.

anthos, Do., 2016.11.24



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anthos 2016/04 Masterplan + Freizeit

Presseschau 12

21. November 2017Élise Riedo
Marie Sagnières
anthos

Hochwasser als Chance für die Landschaft

Hochwasserschutzmassnahmen bieten einzigartige Möglichkeiten, kohärente, integrative und iterative Landschaftsprojekte umzusetzen. Dafür müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt werden: überzeugte Akteure am Verhandlungstisch und Massnahmen, die sorgfältig und ganzheitlich ausgeführt und kommuniziert werden.

Hochwasserschutzmassnahmen bieten einzigartige Möglichkeiten, kohärente, integrative und iterative Landschaftsprojekte umzusetzen. Dafür müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt werden: überzeugte Akteure am Verhandlungstisch und Massnahmen, die sorgfältig und ganzheitlich ausgeführt und kommuniziert werden.

Das bis 1991 geltende Paradigma, nach dem konstruktive Hochwasserschutzmassnahmen Vorrang hatten, änderte sich mit dem neuen Bundesgesetz über den Wasserbau BGWB. Die Revision des Gewässerschutzgesetzes im Jahre 2011 zielte auf eine Re-Diversifizierung der Flussbettstrukturen, Ufer und Ufervegetation von Fliessgewässern ab. Eine Förderung durch den Bund erfolgt jedoch – über einen effizienten Hochwasserschutz hinaus – nur, wenn die Bedingungen an die Renaturierung erfüllt sind. Es kommt eher selten vor, dass Themen wie «Freizeit und Erholung» (sanfte Mobilität, Gestaltung des öffentlichen Raums) oder ein «harmonisches Landschaftsbild» in die Entscheidungsfindung über die Vergabe von Subventionen einbezogen werden. Daher sind eine starke Unterstützung und eine hohe Motivation der Bauherren notwendig, um – aus landschaftlicher Sicht – qualitative, ganzheitliche und kohärente Hochwasserschutzprojekte durchzuführen.

Hochwasserschutzprogramme verursachen Folgekosten sowohl aufgrund der Erstellung von komplexen technischen Studien als auch bei der Umsetzung. Solche Projekte «sieht man nicht», sie tragen nicht notwendigerweise zum Ruhm der Planer bei und sie werden überhaupt nur von Eingeweihten wahrgenommen. Die Veranschlagung des Budgetrahmens für die Gemeinden stellt einen wichtigen Meilenstein dar. Dabei sind Projekte zu den ­Themen der sanften Mobilität und der Gestaltung der Uferlandschaften – beides bei der Vergabe von Subventionen vernachlässigte Stiefkinder – paradoxerweise oft Auslöser und Motivation.

Wie aus notwendigen Projekten Chancen entstehen Es ist von wesentlicher Bedeutung, durch echte Zusammenarbeit aus einem klassischen «notwendigen» Projekt eines zu machen, das durch die Integration der Themen Stadtplanung, Landschaftsplanung und der verschiedenen Formen der sanften Mobilität weitere Möglichkeiten eröffnet. Durch die Bündelung dieser Kompetenzen und der Anwendungsgebiete können die Auflagen für den Hochwasserschutz neu definiert werden. Daraus kann eine gemeinschaftliche und sensible Zusammenarbeit der lokalen Bevölkerung entstehen, mit dem Ziel, die Wasserläufe zu zähmen und dabei die verschiedenen Interessen zu berücksichtigen.

Beispiel Delsberg

In der Stadt Delsberg wurde aufgrund einer Vielzahl von Überschwemmungsrisiken ein Hochwasserschutzprojekt ins Leben gerufen (Masterplan Sorne, 2011). Die Einheitlichkeit des Landschaftskonzepts wird unter anderem durch ein sich wiederholendes Motiv entlang des gesamten Flusslaufs der Sorne gewährleistet, die die Stadt von der einen zur anderen Seite durchfliesst. Eine kleine Wasserkraftanlage wurde bereits in das richtungsweisende Konzept integriert. Anfang 2018 werden neue Fussgängerbrücken und ein Stadtpark, der teilweise überschwemmt werden kann, für die Öffentlichkeit eröffnet.

Durch die maximale Hochwasserlinie ergab sich die Möglichkeit, diesen Park zu entwerfen. Der bei der Verbreiterung des Flussbetts abgetragene Aushub konnte für die Gestaltung des Parks optimal weiterverwendet werden. Sowohl die Kosten als auch die Verschiebung des Materials hielten sich in überschaubaren Grenzen. An verschiedenen Stellen wird übrigens auf die Entstehungsgeschichte des Parks hingewiesen: Grosse, spielerisch gestaltete Behälter mit Kieseln verbessern die Granulatstruktur der Gewässersohle. Ferner wurde als Erinnerung an die Ufervegetation aus den Pflanzen der Gewässersohle eine Wiese angelegt. Auch symbolisieren einige Schwimmbadbecken-Leitern die «potenzielle» Bademöglichkeit im Überschwemmungsfall.

Dieser Masterplan konkretisiert sich von Flussabschnitt zu Flussabschnitt mittlerweile immer weiter und schafft einen echten Mehrwert für die Landschaft, die Lebensräume, den öffentlichen Raum und das Mobilitätsangebot der Gemeinde. Er hat gleichermassen die Techniker, Entscheidungsträger und Nutzer überzeugt, gewährleistet er doch die Sicherheit von Gütern und Personen im Hochwasserfall.

Beispiel Saint-Ursanne

Die Schutzmassnahmen der Stadt Saint-Ursanne gegen Überschwemmungen durch Hochwasser des Flusses Doubs (Masterplan Doubs, 2017) boten ebenfalls die Gelegenheit zur Gestaltung eines Landschaftsparks, der die mittelalterliche Stadt und den Zugang zum Fluss aufwertet. Ein mehrere Kilometer langer Rundwanderweg führt entlang der teilweise naturnah gehaltenen, teilweise landwirtschaftlich genutzten oder eher urbanen Uferbereiche. Dieser Rundweg konnte dank der Hochwasserschutzmassnahmen ermöglicht werden und hat kaum Mehrkosten verursacht.

Sichtbarmachen des Unsichtbaren

Aufgrund der Komplexität der technischen Pläne ist es schwierig, einem Laienpublikum die verschiedenen Aspekte des Projekts detailliert zu vermitteln. ­3-D-Animationen, vereinfachte Querschnitte oder aussagekräftige Darstellungen des angestrebten Landschaftsbilds sind unter anderem dazu geeignet, die Vielfalt dieser Projekte zu illustrieren und sie tragen zum Erfolg ihrer verschiedenen Bestandteile bei. Der Ausbau und die partielle Aufweitung des Scheltenbachs im Mündungsbereich in die Birs bei Courroux (Jura) bot zum Beispiel die Gelegenheit, mit einem massstabgetreuen Modell und einem Kurzfilm über das Projekt zu experimentieren. Dessen Ausstrahlung in der Gemeinde und die Veröffentlichung im Internet haben zur Sensibilisierung der Bevölkerung beigetragen und zur Zustimmung des Rahmenkredits geführt.

Hinter dem aus dem Aushubmaterial erbauten Hochwasserschutzdamm befindet sich heute auf der Wiese eine potenziell überschwemmbare Fläche. Hier liegt genau die Herausforderung solcher Hochwasserschutzprojekte: An die nicht sichtbare Dimension überschwemmbarer Gebiete zu erinnern, um zu sensibilisieren, aufzurütteln und zu schützen.

anthos, Di., 2017.11.21



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anthos 2017/04 Hochwasserschutz

24. November 2016Élise Riedo
anthos

Seenlandschaften als Spiegelbilder unserer Gesellschaft

Sogenannte «natürliche» Landschaften sind für die Freizeitgestaltung besonders attraktiv. Doch sobald sie von der Bevölkerung erobert werden, sind sie bedroht. Welchen Wert wollen wir unserer Freizeitgestaltung einräumen oder unserem Wunsch, am See zu wohnen – und was lassen wir der Natur übrig? urbaplans Vorschlag beruht auf einer sensiblen Lesart der Ufer des Neuenburgersees.

Sogenannte «natürliche» Landschaften sind für die Freizeitgestaltung besonders attraktiv. Doch sobald sie von der Bevölkerung erobert werden, sind sie bedroht. Welchen Wert wollen wir unserer Freizeitgestaltung einräumen oder unserem Wunsch, am See zu wohnen – und was lassen wir der Natur übrig? urbaplans Vorschlag beruht auf einer sensiblen Lesart der Ufer des Neuenburgersees.

Was ist Landschaft anderes als ein Spiegel unserer Gesellschaft? Die aktuelle Beschäftigung mit Landschaft zeigt grundsätzliche Fragen zu Werten und Herausforderungen auf, mit denen wir konfrontiert sind: Landschaftsplanung, -konservierung, -aufwertung… all diese Ziele sind schwer in Einklang zu bringen, was sie paradoxerweise zu einer stimulierenden Quelle der Kreativität werden lässt. Lösungsvorschläge und Ideen für ein Gleichgewicht zwischen mehreren Sichtweisen, die manchmal als Kompromisse bezeichnet werden, ermöglichen es ebenfalls, «geschlossen» hinter einem verbindenden Projekt zu stehen, und vereinfachen dessen Verinnerlichung und Konkretisierung.

Obwohl sie einem ständigen Wandel unterliegen, sind sogenannte «natürliche» Landschaften eigentlich nicht erneuerbar. Wurden sie erst einmal zerstört, ist ihre Ursprünglichkeit für immer verloren, darin liegt die gesamte Begründung ihrer Schutzwürdigkeit. Doch diese Landschaften üben auf uns Spaziergänger, Badende, Radfahrer auch eine starke ­Anziehungskraft aus. Welchen Wert geben wir divergierenden Nutzungsansprüchen wie Erholung und Wohnen – und was bleibt Natur?

Das «Landschaftsprojekt», Skizze des Richtplans

Das Amt für Raumentwicklung des Kantons Neuenburg muss sich mit dieser sensiblen Frage auseinandersetzen, um den Zielvorgaben der Projektbögen S_31 «Landschaftserhaltung und -aufwertung» sowie S_33 «Schutz und Management der Seeufer» seines kantonalen Richtplans gerecht zu werden. Mit­arbeiter des beauftragten Unternehmens urbaplan schritten die 30 Kilometer zu Fuss ab und schlugen dann vor, mittels einer sensiblen Lesart der Ufer des Neuenburgersees Denkanstösse zu liefern. Diese Entzifferung ermöglichte zugleich das Erkennen regelrechter Lieblingsplätze in dieser Landschaft: ungewöhnliche Orte, besonders bezaubernde Stimmungen, Bereiche, die zu Projekten inspirieren. Eine Erfassung der bestehenden und potenziellen Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzern floss ebenfalls in die Überlegungen ein. Weitere Analysen ­(sanfte Mobilität, Zugänglichkeit, Umfang der schutzwürdigen Bereiche…) sowie mehrere auf Kantons­ebene durchgeführte Studien über das Naturerbe und die Pfahlbaustätten vervollständigten diese globale Diagnose.

Alle diese Elemente haben sich nach und nach um ein «Landschaftsprojekt» herum zu einem Ganzen zusammengeschlossen. Diese Skizze eines Richtplans ermöglichte die Verankerung und Feinspatialisierung zahlreicher Vorschläge auf einer für die Beteiligten im Alltag sehr ausdrucksstarken Ebene.

Ja zum Konsens – in jedem Bereich, aber nicht überall

Im Juni 2013 wurden die circa 60 Beteiligten (Gemeinden, Interessensgruppen, Nutzer) anlässlich eines partizipativen Workshops angesprochen, welcher die Diagnose und das Projekt inhaltlich bereicherte, ebenso wie die regelmässigen Sitzungen mit den betroffenen Bundesstellen sowie mit Neuenburg Tourismus. Eine öffentliche Vorvernehmlassung bei elf Gemeinden und Interessengruppen vervollständigte den Ansatz.

Bei jeder dieser Etappen standen sich natürlich die Erwartungen der Umweltschützer und jene der Entwickler gegenüber. Es entstand jedoch ein starker Konsens zum Erhalt der landschaftlichen Vielfalt, ihrer Seltenheit und Attraktivität. Kurzum, man kam überein, dass alles angeboten werden kann, aber nicht überall. So setzte sich allmählich ein Gleichgewicht zwischen folgenden Zielsetzungen durch:
 – bereits massiv anthropogene Bereiche wie Strände und Häfen stärken und aufwerten,
 – das Netzwerk der öffentlichen Freiflächen und der sanften Mobilität optimieren und vervollständigen,
 – die Biodiversität der Mündungen sowie der bekannten Biotope bewahren und aufwerten,
 – die Eingriffe der öffentlichen Körperschaften priorisieren und hierarchisieren.

Den passenden Interventionsgrad finden

Das andere zu findende Gleichgewicht betraf die Suche nach dem passenden Detaillierungsniveau. Ein kantonaler Richtplan zielt nicht darauf ab, alles zu regeln, und muss den passenden Interventionsgrad haben. Den kommunalen Stellen sowie Dritten muss ausreichend Spielraum gelassen werden.

Der Schwerpunkt des Richtplans beruht auf drei allgemeinen Grundsätzen für primäre und sekundäre Umsetzungsmassnahmen, die getrennt erfasst sind. Ein Teil davon ist rechtlich bindend, während der andere detailreicher ist und lediglich Empfehlungscharakter besitzt:
 – Natur, Landschaft und Erbe: Eine der primären Massnahmen schlägt die Einrichtung eines weitläufigen Parks auf der Ebene des Ballungsraums Neuenburg vor, in dem Freizeitgestaltung und wachsende Artenvielfalt vereint auftreten.
 – Urbanisierung und Tourismus: Hierarchisierung prioritärer und sekundärer Entwicklungsbereiche, wobei einige Stätten für ein umfangreiches öffentliches Programm am Seeufer reserviert wurden.
 – Sanfte Mobilität und Schifffahrt: Der Seeweg Neuenburgersee, der dem Ufer fast durchgehend folgt, wird durch touristisch ansprechende Stätten ergänzt, doch in seinen natürlichen Bereichen aus dem Fokus genommen. Aquarius, ein unter anderem auf Gewässerökologie und Fischereibiologie spezialisiertes Büro, brachte seine Expertise bei der Definition der Entwicklungsbereiche der Sportschifffahrt und schützenswerten Zonen ein.

Die zweite Konsultationsphase ist nunmehr beendet. Der Richtplan wird mit dem Ziel, Anfang 2017 vom Staatsrat genehmigt zu werden, abgeschlossen. Die festgelegten Massnahmen werden danach von verschiedenen staatlichen Behörden und den Gemeinden mit ihren lokalen Planungswerkzeugen umgesetzt.

anthos, Do., 2016.11.24



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