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Zerstören, um zu verstehen

Destruktive Untersuchungen zeigen auf, was ein Augenschein nicht verrät: eine häufig auftretende Korrosion der Hauptbewehrung, die auf den porösen Beton und zu wenig Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen ist.

Destruktive Untersuchungen zeigen auf, was ein Augenschein nicht verrät: eine häufig auftretende Korrosion der Hauptbewehrung, die auf den porösen Beton und zu wenig Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen ist.

Es ist äusserst schwierig, den Zustand von Winkelstützmauern zu beurteilen. Eine visuelle Inspektion dieser Stützmauern aus Stahlbeton mit Fundamentfuss gibt – im Sinn der Astra-Richtlinie 12002 «Überwachung und Unterhalt der Kunstbauten der Nationalstrassen» – nicht genügend Auskunft über den tatsächlichen Zustand des Bauwerks. Aus diesem Grund unternahm das Astra zwischen 2007 und 2012 detaillierte Untersuchungen an rund 50 Stützmauern der Nationalstrassen A5, A9 und A16 anhand von destruktiven Untersuchungen. Diese Untersuchungen bestätigten die Gefahr eines plötzlichen Versagens von Winkelstützmauern infolge von Querschnittsverlusten durch Korrosion an der tragenden Bewehrung.

Die Querschnittsverluste traten inbesondere im Bereich der Arbeitsfugen zwischen Wand und Fundament auf, obwohl an der Wand auch hangseitig keinerlei Anzeichen von Korrosion – etwa Rostspuren oder Betonabplatzungen – festzustellen waren. Erst das Freilegen der Bewehrung durch Spitzen oder Höchstdruckwasserabtrag brachte die Querschnittverluste zutage. Die Laboruntersuchungen zeigten zudem, dass die Korrosion auch ohne Chloride ­auftreten kann. Infolgedessen besteht bei allen Winkelstützmauern mit schlechtem Überdeckungsbeton am Fuss die Gefahr einer punktuellen Korrosion der tragenden Bewehrung auf Höhe der Arbeitsfugen zwischen Wand und Fundament, was die Tragsicherheit erheblich beeinträchtigen kann.

Kleine Deformationen, sofortiges Versagen

Alle bei den destruktiven Untersuchungen entdeckten Schäden befanden sich in Bereichen, in denen der Überdeckungsbeton Kiesnester oder stark erhöhte Porosität aufwies, teilweise in Kombination mit einer ungenügenden Stärke bei der Arbeitsfuge zwischen Wand und Fundament. Diese Stelle ist bei Winkelstützmauern kritisch, weil hier Schwierigkeiten bei der Ausführung – wie die Entmischung des Betons, ungenügende Vibration oder das Austreten von Zementmilch aus der Schalung –, erhöhte statische Anforderungen auf­ein­andertreffen und gerade hier das Bauwerk am stärksten beansprucht wird. Zudem verhindern die vertikalen Dilatationsfugen und das statisch bestimmte System, dass bei mangelnder Tragfähigkeit die Kräfte umgelagert werden und dadurch grössere Verschiebungen auftreten, die das abnormale Verhalten der Stützmauer von aussen erkennen lassen. Nach heutigem Erkenntnisstand verhalten sich Mauern mit Rippen analog zu Mauern ohne Rippen.

Im Allgemeinen ist die Karbonatisierungstiefe in diesem kritischen Bereich gering, und es wurden weder im Beton noch im Boden korrosionsfördernde Substanzen gefunden. Die Korrosion ist also ausschliesslich auf den porösen Beton und allenfalls auf eine zu geringe Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen, wodurch der Alkalischutz für die Bewehrung nicht gewährleistet wird und es zu einer elektrochemischen Korrosion durch Makroelementbildung kommt. Auch am Fundament wurden bei einigen Werken Schäden als Folge unzureichender Überdeckung festgestellt.

Neun zwischen 2007 und 2012 ausgeführte Sondierkampagnen an der A5, A9, A16 und H10-NE wurden statistisch ausgewertet. An 259 Feldern von 56 Stützmauern konnten insgesamt 1281 Bewehrungseisen überprüft werden. Dabei waren 24 % der untersuchten Bewehrungseisen von Korrosion mit ­Querschnittsverlusten betroffen. Während der durchschnittliche Querschnittsverlust der gesamten überprüften Bewehrungen bei 9 % lag, betrug er bei den korrodierten Bewehrungen 37 %.

Da die maximale horizontale Verschiebung im Wandkopf bis zum Bruchzustand gering ist (in der Grös­senordnung 0.1 bis 0.2 % der Wandhöhe), gäbe eine periodische geometrische Überprüfung der Kopfverschiebung vermutlich keine zuverlässigen Hinweise auf den kritischen Zustand der Stützmauer. Selbst wenn gar keine Verschiebung festgestellt wird, kann eine Winkelstützmauer so grosse Querschnittverluste aufweisen, dass aussergewöhnliche Einwirkungen (z. B. erhöhter Wasserdruck infolge Drainageausfall) zu einem sofortigen Versagen des Bauwerks führen.

Destruktive Untersuchungen erforderlich

Anstelle der erwähnten punktuellen und destruktiven Untersuchungsmethoden sollte in weiteren Studien eine zerstörungsfreie oder zerstörungsarme Alternative entwickelt werden, die auch schnell, standardisiert und kostengünstig durchführbar wäre. Eine umfassende Analyse der auf dem Markt verfügbaren Unter­suchungsmethoden im Massstab 1 : 1 ergab allerdings, dass zerstörungsärmere Methoden für die Beurteilung des Bauwerkszustands nicht aussagekräftig genug sind.

Punktuelle Potenzialmessungen kombiniert mit gal­vanostatischen Pulsmessungen stellen die zurzeit ­vielversprechendsten Methoden für die Ortung von Korrosionsschäden und die Bestimmung der Querschnittsverluste der Bewehrung dar. Doch auch dar diese vermochten bei den drei Stützmauern der A9, an denen sie 2013 getestet wurden, keine zuverlässigen Ergebnisse zu liefern. Deshalb muss der Bauwerkszustand momentan noch weiterhin mit punktuellen und destruktiven Untersuchungsmethoden ermittelt werden, die den geltenden Richtlinien entsprechen.

TEC21, Fr., 2016.09.30



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|40 Stützmauern: die Erblast der Boomjahre

Präventiv verstärkt

Die baulichen Massnahmen an der A9 und A5 gelten als Fallbeispiele für die präventive Strategie des Astra im Umgang mit Stützbauwerken. Die Konstruktionsprinzipien werden bei künftigen Projekten angewendet.

Die baulichen Massnahmen an der A9 und A5 gelten als Fallbeispiele für die präventive Strategie des Astra im Umgang mit Stützbauwerken. Die Konstruktionsprinzipien werden bei künftigen Projekten angewendet.

Als Pilotobjekte für ein mustergültiges Verstärkungsverfahren boten sich die Stützbauwerke der A9 zwischen Lau­sanne-Vennes und Villeneuve sowie der A5 zwischen La Neuveville und Biel an. Zwischen 2010 und 2015 wurde ihr offenkundig schlechter Zustand mittels unterschiedlicher baulicher Massnahmen aufgehoben:

Bei Nagelwänden gewährleisten neue permanente Spannanker und Bauteile wie Wände, Longarinen oder Platten den neuen Kraftabtrag. Die Planenden definierten mittels Risikoanalysen, Untersuchungen am Objekt und ergänzender statischer Überprüfungen die erforderliche Ankerkraft, die auf der bestehenden Wand aufgebracht werden sollte. Ergänzend dazu führten sie ein Überwachungssystem ein, das auf Mess- und Kontrollankern basiert und geotechnische Instrumente beinhaltet – etwa Neigungsmesser, Dehnungssensoren oder Piezometer.

Für Winkelstützmauern kamen drei Verstärkungsmethoden der bestehenden Wand infrage: Sie wurden in eine Schwergewichtsmauer umgebaut durch den Einbau eines Gewichtskörpers auf der Wand­rückseite, oder es wurde eine neue Nagelwand mit gespannten Anker oder eine Winkelstützmauer davor betoniert. Für jede bestehende Stützmauer wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse nach vorgegebenen Kriterien durchgeführt, um die wirtschaftlichste der drei Lösungen zu eruieren.

Die Nutzungsdauer der neuen Bauwerke beträgt 100 Jahre, während die verstärkten, bestehenden Bauwerke 60 Jahre aufweisen. Bei den Nagelwänden besteht die Möglichkeit, die Massnahmen gegebenenfalls in 25 Jahren zu ergänzen. Die neuen Bauwerke sind mono­lithisch und ohne Dilatationsfugen konzipiert und somit auch statisch unbestimmt und dauerhaft. Aus der In­standsetzung der Stützbauwerke konnten Lehren bezüglich des Betons, der Anker und der Drainagesysteme gezogen werden.

Rezepturen mit reduziertem Zementgehalt

Für das Beanspruchungsniveau, dem eine Stützmauer ausgesetzt ist, ist ein Beton der Druckfestigkeitsklasse C25/30 oder C30/37 ausreichend. Einerseits ­erlaubt die tiefere Druckfestigkeit eine reduzierte Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite. Andererseits erfordert der hohe Frost-Tausalz-Widerstand des Betons (Expositionsklasse XF4) einen entsprechend hohen Zementanteil, was zwei Auswirkungen hat: Der effektive Tragwiderstand wird deutlich höher als bei der gewünschten Betonklasse (Überfestigkeit von bis zu vier Klassen), und der Beton schwindet stärker. Diese Effekte führen dazu, dass die Mindestbewehrung erhöht werden muss, was höhere Kosten und einen grösseren Rohstoffverbrauch verursacht.

Deshalb wurden in Zusammenarbeit mit den Betonlieferanten Rezepturen entwickelt, deren Zementgehalt reduziert ist, die CEM II/A-L und Flugasche enthalten, einen w/z-Wert von etwa 0,45 aufweisen und denen Luftporenbildner zugesetzt werden, ohne jedoch die spezifischen Eigenschaften des Betons zu beeinträchtigen. Die Überfestigkeit wird somit um zwei Klassen abgestuft und die Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite reduziert.

Die Betonarten der bestehenden Stützwände der A9 wurden je nach Zusammensetzung, festgestellten Schäden und Alkali-Aggregat-Reaktion-(AAR)-Risiko in fünf Kategorien eingeteilt. Die mechanischen Eigenschaften des Betons ändern sich im Zug einer AAR-Entwicklung (Reduktion der Festigkeitswerte und des Elastizitätsmoduls, Restquellmass). Diese wurde zwar mittels Laborergebnissen prognostiziert, jedoch lassen sich die so gewonnenen Ergebnisse nicht im gewünschten Mass auf die Bauwerke anwenden.

Wenn möglich, sollten alter und neuer Beton nicht kraftschlüssig miteinander verbunden werden. Das neue Material kann dann ungehindert schwinden, und die verbleibende Ausdehnung des alten Betons wird nicht auf den neuen übertragen. Bei den Varianten ohne gespannten Anker dürfen Polymerbitumen (PBD) als Trennschicht eingesetzt werden. Bei der Planung wurde eine angemessene Mindestbewehrung ermittelt und die Details der Ankernischen sorgfältig erarbeitet. Bei den verankerten Bauwerken tragen auch die charakteristischen Konstuktionsdetails zur Dauerhaftigkeit der Bauwerke bei. Versuchsanker wurden bei jedem verankerten Bauwerk eingesetzt, um die Trag­fähigheit der Ankerwand – insbesondere im Bereich von Sandsteinschichten – zu bewerten. In einigen Fällen mussten die Ankerbereiche zuvor abgedichtet werden.

Neuer Aufgabenbereich

Bestehende Stützmauern instandzusetzen und zu verstärken gehört zu den neuen Aufgabenbereichen der Bauingenieure. Im Rahmen dieser Projekte wurden entsprechend neue Entscheidungsvorgänge und kon­struktive Details ausgearbeitet. Auf dieser Grundlage stehen nun kohärente ­Methoden zur Verfügung, um Stützbauwerke zu überprüfen und ihre Verstärkung durch bauliche Massnahmen zu planen.

TEC21, Fr., 2016.09.30



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Presseschau 12

Zerstören, um zu verstehen

Destruktive Untersuchungen zeigen auf, was ein Augenschein nicht verrät: eine häufig auftretende Korrosion der Hauptbewehrung, die auf den porösen Beton und zu wenig Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen ist.

Destruktive Untersuchungen zeigen auf, was ein Augenschein nicht verrät: eine häufig auftretende Korrosion der Hauptbewehrung, die auf den porösen Beton und zu wenig Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen ist.

Es ist äusserst schwierig, den Zustand von Winkelstützmauern zu beurteilen. Eine visuelle Inspektion dieser Stützmauern aus Stahlbeton mit Fundamentfuss gibt – im Sinn der Astra-Richtlinie 12002 «Überwachung und Unterhalt der Kunstbauten der Nationalstrassen» – nicht genügend Auskunft über den tatsächlichen Zustand des Bauwerks. Aus diesem Grund unternahm das Astra zwischen 2007 und 2012 detaillierte Untersuchungen an rund 50 Stützmauern der Nationalstrassen A5, A9 und A16 anhand von destruktiven Untersuchungen. Diese Untersuchungen bestätigten die Gefahr eines plötzlichen Versagens von Winkelstützmauern infolge von Querschnittsverlusten durch Korrosion an der tragenden Bewehrung.

Die Querschnittsverluste traten inbesondere im Bereich der Arbeitsfugen zwischen Wand und Fundament auf, obwohl an der Wand auch hangseitig keinerlei Anzeichen von Korrosion – etwa Rostspuren oder Betonabplatzungen – festzustellen waren. Erst das Freilegen der Bewehrung durch Spitzen oder Höchstdruckwasserabtrag brachte die Querschnittverluste zutage. Die Laboruntersuchungen zeigten zudem, dass die Korrosion auch ohne Chloride ­auftreten kann. Infolgedessen besteht bei allen Winkelstützmauern mit schlechtem Überdeckungsbeton am Fuss die Gefahr einer punktuellen Korrosion der tragenden Bewehrung auf Höhe der Arbeitsfugen zwischen Wand und Fundament, was die Tragsicherheit erheblich beeinträchtigen kann.

Kleine Deformationen, sofortiges Versagen

Alle bei den destruktiven Untersuchungen entdeckten Schäden befanden sich in Bereichen, in denen der Überdeckungsbeton Kiesnester oder stark erhöhte Porosität aufwies, teilweise in Kombination mit einer ungenügenden Stärke bei der Arbeitsfuge zwischen Wand und Fundament. Diese Stelle ist bei Winkelstützmauern kritisch, weil hier Schwierigkeiten bei der Ausführung – wie die Entmischung des Betons, ungenügende Vibration oder das Austreten von Zementmilch aus der Schalung –, erhöhte statische Anforderungen auf­ein­andertreffen und gerade hier das Bauwerk am stärksten beansprucht wird. Zudem verhindern die vertikalen Dilatationsfugen und das statisch bestimmte System, dass bei mangelnder Tragfähigkeit die Kräfte umgelagert werden und dadurch grössere Verschiebungen auftreten, die das abnormale Verhalten der Stützmauer von aussen erkennen lassen. Nach heutigem Erkenntnisstand verhalten sich Mauern mit Rippen analog zu Mauern ohne Rippen.

Im Allgemeinen ist die Karbonatisierungstiefe in diesem kritischen Bereich gering, und es wurden weder im Beton noch im Boden korrosionsfördernde Substanzen gefunden. Die Korrosion ist also ausschliesslich auf den porösen Beton und allenfalls auf eine zu geringe Bewehrungsüberdeckung zurückzuführen, wodurch der Alkalischutz für die Bewehrung nicht gewährleistet wird und es zu einer elektrochemischen Korrosion durch Makroelementbildung kommt. Auch am Fundament wurden bei einigen Werken Schäden als Folge unzureichender Überdeckung festgestellt.

Neun zwischen 2007 und 2012 ausgeführte Sondierkampagnen an der A5, A9, A16 und H10-NE wurden statistisch ausgewertet. An 259 Feldern von 56 Stützmauern konnten insgesamt 1281 Bewehrungseisen überprüft werden. Dabei waren 24 % der untersuchten Bewehrungseisen von Korrosion mit ­Querschnittsverlusten betroffen. Während der durchschnittliche Querschnittsverlust der gesamten überprüften Bewehrungen bei 9 % lag, betrug er bei den korrodierten Bewehrungen 37 %.

Da die maximale horizontale Verschiebung im Wandkopf bis zum Bruchzustand gering ist (in der Grös­senordnung 0.1 bis 0.2 % der Wandhöhe), gäbe eine periodische geometrische Überprüfung der Kopfverschiebung vermutlich keine zuverlässigen Hinweise auf den kritischen Zustand der Stützmauer. Selbst wenn gar keine Verschiebung festgestellt wird, kann eine Winkelstützmauer so grosse Querschnittverluste aufweisen, dass aussergewöhnliche Einwirkungen (z. B. erhöhter Wasserdruck infolge Drainageausfall) zu einem sofortigen Versagen des Bauwerks führen.

Destruktive Untersuchungen erforderlich

Anstelle der erwähnten punktuellen und destruktiven Untersuchungsmethoden sollte in weiteren Studien eine zerstörungsfreie oder zerstörungsarme Alternative entwickelt werden, die auch schnell, standardisiert und kostengünstig durchführbar wäre. Eine umfassende Analyse der auf dem Markt verfügbaren Unter­suchungsmethoden im Massstab 1 : 1 ergab allerdings, dass zerstörungsärmere Methoden für die Beurteilung des Bauwerkszustands nicht aussagekräftig genug sind.

Punktuelle Potenzialmessungen kombiniert mit gal­vanostatischen Pulsmessungen stellen die zurzeit ­vielversprechendsten Methoden für die Ortung von Korrosionsschäden und die Bestimmung der Querschnittsverluste der Bewehrung dar. Doch auch dar diese vermochten bei den drei Stützmauern der A9, an denen sie 2013 getestet wurden, keine zuverlässigen Ergebnisse zu liefern. Deshalb muss der Bauwerkszustand momentan noch weiterhin mit punktuellen und destruktiven Untersuchungsmethoden ermittelt werden, die den geltenden Richtlinien entsprechen.

TEC21, Fr., 2016.09.30



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Präventiv verstärkt

Die baulichen Massnahmen an der A9 und A5 gelten als Fallbeispiele für die präventive Strategie des Astra im Umgang mit Stützbauwerken. Die Konstruktionsprinzipien werden bei künftigen Projekten angewendet.

Die baulichen Massnahmen an der A9 und A5 gelten als Fallbeispiele für die präventive Strategie des Astra im Umgang mit Stützbauwerken. Die Konstruktionsprinzipien werden bei künftigen Projekten angewendet.

Als Pilotobjekte für ein mustergültiges Verstärkungsverfahren boten sich die Stützbauwerke der A9 zwischen Lau­sanne-Vennes und Villeneuve sowie der A5 zwischen La Neuveville und Biel an. Zwischen 2010 und 2015 wurde ihr offenkundig schlechter Zustand mittels unterschiedlicher baulicher Massnahmen aufgehoben:

Bei Nagelwänden gewährleisten neue permanente Spannanker und Bauteile wie Wände, Longarinen oder Platten den neuen Kraftabtrag. Die Planenden definierten mittels Risikoanalysen, Untersuchungen am Objekt und ergänzender statischer Überprüfungen die erforderliche Ankerkraft, die auf der bestehenden Wand aufgebracht werden sollte. Ergänzend dazu führten sie ein Überwachungssystem ein, das auf Mess- und Kontrollankern basiert und geotechnische Instrumente beinhaltet – etwa Neigungsmesser, Dehnungssensoren oder Piezometer.

Für Winkelstützmauern kamen drei Verstärkungsmethoden der bestehenden Wand infrage: Sie wurden in eine Schwergewichtsmauer umgebaut durch den Einbau eines Gewichtskörpers auf der Wand­rückseite, oder es wurde eine neue Nagelwand mit gespannten Anker oder eine Winkelstützmauer davor betoniert. Für jede bestehende Stützmauer wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse nach vorgegebenen Kriterien durchgeführt, um die wirtschaftlichste der drei Lösungen zu eruieren.

Die Nutzungsdauer der neuen Bauwerke beträgt 100 Jahre, während die verstärkten, bestehenden Bauwerke 60 Jahre aufweisen. Bei den Nagelwänden besteht die Möglichkeit, die Massnahmen gegebenenfalls in 25 Jahren zu ergänzen. Die neuen Bauwerke sind mono­lithisch und ohne Dilatationsfugen konzipiert und somit auch statisch unbestimmt und dauerhaft. Aus der In­standsetzung der Stützbauwerke konnten Lehren bezüglich des Betons, der Anker und der Drainagesysteme gezogen werden.

Rezepturen mit reduziertem Zementgehalt

Für das Beanspruchungsniveau, dem eine Stützmauer ausgesetzt ist, ist ein Beton der Druckfestigkeitsklasse C25/30 oder C30/37 ausreichend. Einerseits ­erlaubt die tiefere Druckfestigkeit eine reduzierte Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite. Andererseits erfordert der hohe Frost-Tausalz-Widerstand des Betons (Expositionsklasse XF4) einen entsprechend hohen Zementanteil, was zwei Auswirkungen hat: Der effektive Tragwiderstand wird deutlich höher als bei der gewünschten Betonklasse (Überfestigkeit von bis zu vier Klassen), und der Beton schwindet stärker. Diese Effekte führen dazu, dass die Mindestbewehrung erhöht werden muss, was höhere Kosten und einen grösseren Rohstoffverbrauch verursacht.

Deshalb wurden in Zusammenarbeit mit den Betonlieferanten Rezepturen entwickelt, deren Zementgehalt reduziert ist, die CEM II/A-L und Flugasche enthalten, einen w/z-Wert von etwa 0,45 aufweisen und denen Luftporenbildner zugesetzt werden, ohne jedoch die spezifischen Eigenschaften des Betons zu beeinträchtigen. Die Überfestigkeit wird somit um zwei Klassen abgestuft und die Mindestbewehrung zur Begrenzung der Rissbreite reduziert.

Die Betonarten der bestehenden Stützwände der A9 wurden je nach Zusammensetzung, festgestellten Schäden und Alkali-Aggregat-Reaktion-(AAR)-Risiko in fünf Kategorien eingeteilt. Die mechanischen Eigenschaften des Betons ändern sich im Zug einer AAR-Entwicklung (Reduktion der Festigkeitswerte und des Elastizitätsmoduls, Restquellmass). Diese wurde zwar mittels Laborergebnissen prognostiziert, jedoch lassen sich die so gewonnenen Ergebnisse nicht im gewünschten Mass auf die Bauwerke anwenden.

Wenn möglich, sollten alter und neuer Beton nicht kraftschlüssig miteinander verbunden werden. Das neue Material kann dann ungehindert schwinden, und die verbleibende Ausdehnung des alten Betons wird nicht auf den neuen übertragen. Bei den Varianten ohne gespannten Anker dürfen Polymerbitumen (PBD) als Trennschicht eingesetzt werden. Bei der Planung wurde eine angemessene Mindestbewehrung ermittelt und die Details der Ankernischen sorgfältig erarbeitet. Bei den verankerten Bauwerken tragen auch die charakteristischen Konstuktionsdetails zur Dauerhaftigkeit der Bauwerke bei. Versuchsanker wurden bei jedem verankerten Bauwerk eingesetzt, um die Trag­fähigheit der Ankerwand – insbesondere im Bereich von Sandsteinschichten – zu bewerten. In einigen Fällen mussten die Ankerbereiche zuvor abgedichtet werden.

Neuer Aufgabenbereich

Bestehende Stützmauern instandzusetzen und zu verstärken gehört zu den neuen Aufgabenbereichen der Bauingenieure. Im Rahmen dieser Projekte wurden entsprechend neue Entscheidungsvorgänge und kon­struktive Details ausgearbeitet. Auf dieser Grundlage stehen nun kohärente ­Methoden zur Verfügung, um Stützbauwerke zu überprüfen und ihre Verstärkung durch bauliche Massnahmen zu planen.

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