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18. März 2016Rudolf Heim
TEC21

Gefahren erkannt – und die Risiken?

Rund 95 % der Gefahrenkarten für die Schweiz sind erstellt – nun sind sie umzusetzen. Behörden und Liegenschaftenbesitzer müssen daraus Konsequenzen ziehen, denn hinter kleinen Gefahren können sich grosse Risiken verstecken. Risikokarten schärfen den Blick.

Rund 95 % der Gefahrenkarten für die Schweiz sind erstellt – nun sind sie umzusetzen. Behörden und Liegenschaftenbesitzer müssen daraus Konsequenzen ziehen, denn hinter kleinen Gefahren können sich grosse Risiken verstecken. Risikokarten schärfen den Blick.

Lange Jahre herrschte in der Schweiz die Meinung vor, dass mit entsprechend dimensionierten Schutzkonstruktionen die Gefahren, die durch die Natur drohen, abgewendet werden könnten. Als jedoch im August 1987 Dämme brachen, Flüsse und Seen über die Ufer traten wie noch kaum zuvor und enorme Schäden verursachten, platzte die Vorstellung der Beherrschbarkeit der Natur.

Ein Umdenken wurde unausweichlich; integrale Lösungen rückten ins Zentrum. Das Ziel lautete: «Von der reinen Gefahrenabwehr zur Risikokultur.» Um diesen Prozess zu fördern, erfolgte u. a. die Gründung einer ausserparlamentarischen Kommission, der PLANAT (Plattform Naturgefahren).[1] Der Bundesrat beschloss zudem, dass in der ganzen Schweiz dort, wo Naturgefahren die bebauten oder anderweitig genutzten Zonen bedrohen, die Naturgefahren zu erfassen und zu kartieren sind.

Im Bereich der Lawinengefahren gab es schon längere Zeit Gefahrenkarten. Die ersten erstellte man 1954 für Gadmen BE und 1960 für Wengen BE; weitere Gemeinden folgten. Doch bei den anderen Naturgefahren existierten kaum Grundlagen. Wie die Sektion Risikomanagement im Bundesamt für Umwelt (Bafu) erläutert, folgten die Grenzen der Gefahrenbereiche sehr oft mehr oder weniger den überbauten Zonen, und die Gefahrenzonen lagen meist ausserhalb der Überbauungen (vgl. «Mehr als ein Fünftel der Bauzonen sind gefährdet»).

Karten ergänzen – vor allem bei grossen Schadenspotenzialen

2005 waren erst 25 % der Gefahrenkarten realisiert. Heute – knapp 20 Jahre nach dem Startschuss – sind etwa 95 % der Gefahrenkarten von den dafür zuständigen Kantonen erstellt. Diese sind aber noch unvollständig. Vor allem beim Thema Hochwasser, die grosse Schäden verursachen, fehlen die Karten der Abflüsse an der Oberfläche, die nach starken Niederschlägen auftreten können.

Oberflächenabflüsse treten bei intensiven Regenfällen auf – aufgrund der schieren Menge können die Wassermassen nach dem Auftreffen auf der Geländeoberfläche nicht (mehr) vollständig in den Boden eindringen, sondern fliessen unkontrolliert an der Oberfläche über Wiesen und Strassen einem Gewässer zu. Die vorhandenen Gefahrenkarten zeigen nur mögliche Überschwemmungen, die von einem Bach, Fluss oder See ausgehen. Oberflächenabflüsse können aber auch bei überlasteten Kanalisationen auftreten – diese werden im Allgemeinen auf ein 10-jährliches Ereignis ­ausgelegt.

Bei grösseren Ereignissen fliessen die anfallenden Wassermengen dann wegen der ungenügenden Kanalkapazität oder der überlasteten Einlaufschächte unkontrolliert über Strassen und Wiesen ab. Solche Abflüsse können mit zum Teil verheerenden Aus­wirkungen in meist ungeschützte Liegenschaften eindringen – obwohl sich dies mit geringem planerischem und baulichem Aufwand verhindern liesse.

Die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (vif) im Departement Bau, Umwelt und Wirtschaft des Kantons Luzern liess (basierend auf Computersimulatio­nen) zusammen mit der Gebäudeversicherung Luzern im Jahr 2014 für den ganzen Kanton eine Oberflächenabflusskarte erstellen, um diese Lücke zu schliessen.

Ebenso er­stellte die Gemeinde Lyss BE zusammen mit dem Bafu nach etlichen schweren Überschwemmungen im Jahr 2007 eine Oberflächenabflusskarte, die nun kurz vor der definitiven Einführung auf Gemeindeebene steht und bei künftigen Baugesuchen zwingend zu berücksichtigen sein wird. Beide Karten entstanden aus der Erkenntnis heraus, dass sehr viele Schäden an und in Gebäuden in den letzten Jahren durch Oberflächenwasser entstanden sind.

Gefahrenkarten umsetzen – ein Prozess mit Haken und Ösen

In erster Linie dienen die Gefahrenkarten den kommunalen Behörden als Grundlage für die Richt-, Raum- und Nutzungsplanung, denn der Schutz vor Naturgefahren beginnt bereits mit diesen Planungsphasen. In zweiter Linie lassen sich dann anhand der Karten die (Um-)Bau- und (Um-)Nutzungsgesuche beurteilen.

Die Erkenntnisse aus den Gefahrenkarten auf bestehende Bauzonen oder gar auf bereits bestehende Bauten und Nutzungen anzuwenden ist allerdings ­wesentlich komplexer. Unter Umständen werden Bauherren und Planer mit Gefahren konfrontiert, die sie bisher kaum zu beachten hatten, die im Lauf der Zeit zunahmen oder die gar ganz neu sind.

Bei bestehenden Bauten sind einfache (Schutz-)Massnahmen nur beschränkt möglich. Bei Umbau- oder Umnutzungs­ge­su­chen können jedoch Bewilligungen verweigert werden. Ist die Gefahr einfach zu hoch, muss schlimmsten­falls zu harten, aber nicht zu umgehenden Massnahmen wie Umsiedlungen und Rückbau gegriffen werden (vgl. «Rückbau wird zur Option»). In vielen Fällen allerdings lagen zu jener Zeit, als die ursprünglichen Bewilligungen für den Bau und die Nutzung erteilt wurden, noch gar keine Gefahrenkarten vor, oder die Gefahren haben sich seit damals erhöht.

Oft wurde früher dem ­Aspekt der Gebiets-und Ortsentwicklung ein grosses Gewicht beigemessen; man vertraute auf die technischen und organisatorischen Möglichkeiten zur Abwehr von Naturgefahren.

Wie soll man heute damit umgehen? In solchen Fällen sind alle Beteiligten gefordert: Bauherren, Planer, Facility-Manager, Versicherungen und der Staat. Je nach Gefahrenlage, den möglichen Schutzmassnahmen und den gefährdeten Objekten ist das wirksamste Vorgehen oft eine Kombination von mehreren Massnahmen an verschiedenen Orten.

Dabei sind die zu treffenden Massnahmen oft zu umfangreich, um von einem einzelnen betroffenen Besitzer getragen zu werden. Ausserdem können sie bei flächenhaften Eingriffen oder wenn die Ursachen ausserhalb der Reichweite des Grundstücksbesitzers liegen gar nicht von einem Einzelnen realisiert werden.

Als Verantwortliche für die Umsetzung der Gefahrenkarten stehen die Kantone und Gemeinden vor grossen Herausforderungen. Um sich ein Bild der Aufgaben und Probleme machen zu können, die mit dem Umsetzen der Gefahrenkarten verbunden sind, hat die PLANAT im Jahr 2014 anhand von fiktiven, aber typischen Beispielen Testplanungen mit unterschiedlichen Um- und Neubauten an verschiedenen Lagen durchgeführt.[2]

Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen, den raumplane­rischen und risikobasierten Abwägungen und Über­legungen (wie Vorwarnzeiten, Schadenspotenzialen, Handlungsspielräumen etc.) entstand ein Set von zentralen Fragen mit Checklisten, Entscheidungsbäumen und Hinweisen, die die betroffenen Behörden in ihrer Arbeit unterstützen sollen. Auch offene Fragen, die im Lauf von vertieften Studien künftig anzugehen sind, wurden erkannt.

Risiko nicht auf den ersten Blick erkennbar

Zunehmend rückt das Risiko – also die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses multipliziert mit dem potenziellen Schaden – in den Vordergrund, denn eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit multipliziert mit einem sehr hohen Schadenspotenzial kann zu hohen Risiken führen. Entscheidend ist, dass Grundstücks- oder Liegenschafts­besitzer erkennen, dass die Gefahren bei den in den Gefahrenkarten gelb oder gelb-weiss dargestellten ­Bereichen zwar klein sind, das Schadens­potenzial aber (abhängig von den Werten und Randbedingungen in den gefährdeten Gebäudeteilen) dennoch sehr hoch sein kann.

In den Gebieten, die die Gefahrenkarten mit «geringer Gefährdung» oder mit «Restgefährdung» ausweisen, sind die Gefahren klein und werden deshalb oft kaum beachtet; die Grösse eines Risikos ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Diese Risiken lassen sich auf Karten darstellen, die die von der Schwere der Gefahren oft abweichenden hohen Risiken zeigen – solche Risikokarten sind aber erst wenige vorhanden.

Das quantitative Schadenspotenzial auf einem Grundstück lässt sich auf verschiedene Arten ermitteln, z. B. pro Fläche, pro Grundstück, in Funktion des Zonenmittel­werts oder pro Raumeinheit. Je nach Darstellung sind der Interpretation aber Grenzen gesetzt, oft sind die Ab­weichungen in Funktion der gewählten Darstellung sehr gross.[3]

Um im Rahmen einer Übersicht die «Hot­spots» der Risiken zu erkennen und Prioritäten zu setzen, sind Risikokarten wichtig und informativ – sie sind die logische Weiterentwicklung der Gefahrenkarten. Risikokarten liefern nützliche Informationen, auch wenn die Risiken nur qualitativ erfasst und dargestellt werden (vgl. Kasten). Statt nur festzu­stellen, wo etwas wie häufig passieren kann, zeigen sie, welche Konsequenzen im Schadenfall zu erwarten sind.

Ein Sportplatz in einer Landgemeinde, der in einer «er­heblich gefährdeten» Zone liegt, hat ein vernachlässigbareres Risiko als ein Spital in einer «Restgefähr­dungszone», vor allem, wenn dort keine speziellen Schutzmassnahmen getroffen wurden. Bei Infrastrukturbauten ist zu fragen, welche Folgen zu erwarten sind, wenn diese ausfallen oder die in diesem Gebäude ausgeübte Tätigleit nicht mehr ausgeführt werden kann.

Risikokarten sind vor allem für die vorausschauende Planung von Interesse. Sie weisen darauf hin, wo bei Neubauten, Umnutzungen oder der Anpassung von Bauzonen Hotspots liegen und wo somit mit grosser Wahrscheinlichkeit neue oder grössere Risiken entstehen können. Mit diesen Grundlagen lassen sich auch die Auswirkungen von Verdichtungen abschätzen. Zudem sind sie ein Instrument für den partizipativen Dialog mit den Eigentümern.

Die Risiken lassen sich meistens einer Liegenschaft oder Parzelle zuordnen und damit in ein Geo­informationssystem integrieren. Der logischen Erweiterung der Gefahrenkarten zu Risikokarten im Hinblick auf Raum-, Orts- und Städteplanung steht nichts entgegen. Die Nutzniesser sind insbesondere Gemeinden, Kantone, Planer und Versicherungen.


Anmerkungen:
[01] PLANAT, «Plattform Naturgefahren», www.planat.ch
[02] www.planat.ch/fileadmin/PLANAT/planat_pdf/alle_2012/2011-2015/Camenzind__Loat_2015_-_Risikobasierte_Raumplanung.pdf, Dezember 2014
[03] Publikation «Agenda» der «Fachleute Naturgefahren Schweiz», 01/2015, Seite 11

TEC21, Fr., 2016.03.18



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|12-13 Natur – Gefahr – Risiko

18. März 2016Rudolf Heim
Lukas Denzler
TEC21

«Mehr als ein Fünftel der Bauzonen sind gefährdet»

Naturgefahren begleiten uns permanent. Die Vorstellung, die Natur lasse sich mit technischen Mittlen beherrschen, erwies sich als Illusion. Ein ganzheitlicher Ansatz ist nötig. Fachleute des Bundesamts für Umwelt erläutern die Leitlinien im Umgang mit den Naturgefahren.

Naturgefahren begleiten uns permanent. Die Vorstellung, die Natur lasse sich mit technischen Mittlen beherrschen, erwies sich als Illusion. Ein ganzheitlicher Ansatz ist nötig. Fachleute des Bundesamts für Umwelt erläutern die Leitlinien im Umgang mit den Naturgefahren.

TEC21: Wo steht die Schweiz aktuell bei der Umsetzung des Naturgefahren-Managements?

Hans Peter Willi: Wir sind auf gutem Weg und setzen das «Integrale Naturgefahren-Management» Schritt für Schritt um. Primär geht es darum, einen gesamtheitlichen Umgang mit Naturgefahren in den Köpfen zu verankern und in der Praxis umzusetzen. Dieser Prozess läuft schon seit einer Generation. Dabei sind Massnahmen zur Vorbeugung von Natur­ereignissen, deren Bewältigung sowie die Regenera­tion nach einem Schadenereignis sinnvoll zu kombinieren. Hier sind alle gefordert: Bauherren, Planer, Ingenieure, Architekten, Behörden, Versicherungen, Politiker und die Bevölkerung.

TEC21: Der Bericht «Naturgefahren Schweiz» soll demnächst veröffentlicht werden. Bringt er neue Erkenntnisse?

Hans Peter Willi: Wir sind in der Schlussphase und möchten den Bericht im nächsten Sommer dem Bundesrat präsentieren (vgl. Kasten). Ein grosses Potenzial zur Minimierung der Schäden sehen wir im «naturgefahrengerechten» Bauen – hier sind die Baufachleute angesprochen, insbesondere die Architekten, die oft die Gesamtverantwortung bei der Planung von Gebäuden innehaben. Zusammen mit dem SIA haben wir diesen Punkt aufgegriffen. Es geht darum, die bestehenden Normen zu überprüfen und allfällige Lücken bezüglich Naturgefahren bei der Planung von Gebäuden zu schliessen.

Ein weiterer Aspekt betrifft das «naturgefahrengerechte» Verhalten. Die Bevölkerung geht mit den Naturgefahren nicht immer adäquat um. Wir wollen die Menschen be­fähigen, im Ereignisfall besser zu reagieren. So ist es zum Beispiel keine gute Idee, bei einer Überflutung des Untergeschosses noch wertvolle Sachen aus dem Keller oder der Garage retten zu wollen. Ein schöner Erfolg ist, dass das Thema Naturgefahren im Lehrplan 21 der allgemeinen Schulbildung Eingang gefunden hat.

TEC21: Was steht beim Integralen Naturgefahren-Management im Zentrum?

Hans Peter Willi: Unser zentraler Auftrag lautet: Schutz von Menschenleben und erheblichen Sachwerten. Dies soll nachhaltig sichergestellt sein. Somit sind ökonomische, ökologische und soziale Aspekte zu be-
­rücksichtigen. Gemäss der Strategie des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommu­nikation Uvek sind die aufgrund der Gefahrenkarten erkannten Defizite bis 2030 weitgehend zu beheben. Wichtig ist dabei, dass wir durch neue bauliche Aktivitäten nicht wieder neue Probleme schaffen.

Arthur Sandri: Wenn wir etwas zurückschauen, so waren es die Unwetterereignisse im August 1987, die einen Wendepunkt markierten und zu einem Paradigmenwechsel führten. Damals waren die Innerschweiz, aber auch das Puschlav von Hoch­wasser, Murgängen und Rutschungen betroffen. Die enormen Schäden lösten die erste grosse wissenschaftliche Ereignisanalyse aus. Die wichtigsten Erkenntnisse: Absolute Sicherheit gibt es nicht, und allein mit technischen Massnahmen ist dem Problem nicht beizukommen. Zu den rund 1.8 Milliarden Franken Schäden trugen allein die Schäden an den Schutzbauwerken 300 Millionen Franken bei. Eine Kurskorrektur war unausweichlich.

TEC21: Wenn es keine absolute Sicherheit gibt – welche Schäden müssen wir denn in Kauf nehmen? Welche Risiken gelten als tragbar?

Arthur Sandri: Bei den individuellen Personenrisiken orientieren wir uns an der Gruppe der jungen Männer, die mit 10-4 die geringste durchschnittliche Todes­fallwahrscheinlichkeit aufweist – das heisst von 10 000 jungen Männern stirbt aus irgendwelchen Gründen einer pro Jahr. Das angestrebte Ziel ist, dass das durchschnittliche Todesfallrisiko von Personen durch Naturgefahren nicht erheblich erhöht wird.

Die nationale Plattform Naturgefahren PLANAT (vgl. Information auf S. 34) empfiehlt deshalb, das durch Naturgefahren bedingte Todesfallrisiko auf 10-5 zu senken. Dabei werden nur unfreiwillig eingegangene Risiken berücksichtigt, also etwa keine Lawinen­unfälle auf Skitouren. Eine andere Annäherung führt über die Lebensversicherungen, die 2.3 Millionen Franken für ein Menschenleben einsetzen.

Bei den Naturgefahren setzen wir in Kosten-Nutzen-Analysen fünf Millionen Franken ein, darin eingerechnet sind auch die Verletzten. Der Wert eines Menschenlebens ist aber nie in Geld zu fassen. Die Beträge bezeichnen lediglich die Bereitschaft der Gesellschaft, so viel Geld aufzuwenden, um einen Todesfall zu verhindern (vgl. «Wie viel ist uns unser Leben wert» und «Normen missachten – mit Gewinn für alle», TEC21 43/2015).

TEC21: Hat man hochgerechnet, wie viel Geld nötig ist, wenn dieser Standard schweizweit eingehalten werden soll?

Hans Peter Willi: Wir kennen diese Zahl zurzeit noch nicht, möchten die Kosten aber abschätzen, denn das interessiert die Politiker brennend. Auf jeden Fall wollen wir sicherstellen, dass die öffentlichen Mittel ökonomisch, ökologisch und sozial sinnvoll eingesetzt werden. Deshalb prüfen wir bei jedem Projekt das Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Werden etwa durch einen investierten Franken fünf Franken Schäden verhindert, rechnet sich das in jedem Fall. Bei dieser Betrachtung berücksichtigen wir die indirekten Kosten nicht – das sind Kosten, die in Zusammenhang mit Betriebsunterbrüchen und dergleichen entstehen. Wenn also beispielsweise in Zürich der Hauptbahnhof überschwemmt wird und einen Monat nicht benutzbar ist, dann sind die indirekten Schäden immens. Am Beispiel von Zürich hat man errechnet, dass die indirekten Kosten zehn Mal so hoch sind wie die direkten.

Arthur Sandri: Man darf aber nicht nur ökonomische Gründe für einen Entscheid heranziehen. Sind die Kosten für die Schutzmassnahmen jedoch höher als die vermiedenen Schäden, so braucht es gute Gründe. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Kloster Werthenstein im Kanton Luzern. Die Erosion der Kleinen Emme führt zu instabilen Böschungen und droht die Stützmauern zu beschädigen. In einem solchen Fall ist auch der immaterielle Wert eines Kulturguts zu berücksichtigen.

TEC21: Ist bekannt, welche Gefahrenprozesse wie viel Schadenskosten verursachen?

Arthur Sandri: Wir führen seit 1972 eine Schadenstatistik zu den gravitativen Naturgefahren: Hochwasser und Überflutungen machen 90 % aller Schäden aus. Bei den Todesopfern sieht es anders aus. Im langjährigen Durchschnitt sterben jedes Jahr zwei bis drei Menschen wegen Hochwasser. Bei den Sturzprozessen sind die Sachschäden weniger bedeutsam, obwohl es den Einzelnen hart treffen kann. Dort fallen aber die Todesfallrisiken ins Gewicht: Im langjährigen Durchschnitt sind es etwa sechs Todes­opfer bei Lawinen (ohne Freizeitaktivitäten) und je zwei Todesopfer bei Stein-/Blockschlag und Rutschungen.

TEC21: Der Klimawandel wird die Probleme noch verschärfen.

Arthur Sandri: Bezüglich der Naturgefahrenrisiken ist der Klimawandel zumindest bis 2050 von deutlich geringerer Bedeutung als beispielsweise die zunehmenden Frequenzen auf den Verkehrsachsen. Vor einigen Jahren fuhr der TGV von Bern nach Paris durch das Val de Travers. In der Areuseschlucht bestand ein erhebliches Steinschlagrisiko, und wegen der TGV-Verbindung waren plötzlich viel mehr Passagiere diesem Risiko ausgesetzt. Um dieses wieder auf ein vertretbares Ausmass zu reduzieren, errichtete man für zwei Millionen Franken Steinschlagnetze. Dumm nur, dass der TGV heute nicht mehr durchs Val de Travers fährt.

Ein anderes Beispiel: Die Bahnstrecke Zürich–Bern verläuft kurz nach Olten am Fuss des Born, eines Jura-Ausläufers. Durch die Frequenzsteigerung im Rahmen von Bahn 2000 wurde dieser Abschnitt zu einem Hotspot des SBB-Netzes bezüglich Naturgefahren. Der Zugverkehr war plötzlich so dicht, dass sich umgerechnet ständig 200 Personen im gefährdeten Gebiet aufhielten. Aus diesem Grund bauten die SBB Steinschlagschutz­wände. Auf der Gotthard-Bergstrecke hingegen wird nach der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels infolge der geringeren Passagierfrequenzen das Risiko abnehmen.

TEC21: Und welche Probleme stellen sich im Siedlungsgebiet?

Arthur Sandri: lm Siedlungsgebiet machen uns vor allem zwei Entwicklungen Sorgen. Zum einen die Wertvermehrung in den bestehenden Bauten: Während man früher im Keller Äpfel und Kartoffeln lagerte, dient er heute als Aufbewahrungsort für wertvolle Gegenstände, und der Hobbyraum und die Haustechnik sind auch noch im Untergeschoss untergebracht. Läuft dann ein Keller voll, summieren sich die Schäden. Das andere Problem ist die Verdichtung des Siedlungsraums, was ebenfalls zu einer Wertvermehrung pro Fläche führt.

TEC21: Hier sollen primär die Gefahrenkarten helfen, Schäden zu vermeiden.

Roberto Loat: Die Gefahrenkarten sind sehr wichtige Grundlagen für die Gemeinden und Kantone. 95 % der Gefahrenkarten sind erstellt. Ein Fünftel bis ein Viertel der Bauzonen ist von Naturgefahren betroffen, bis jetzt sind erst zwei Drittel der Gefahrenkarten raumplanerisch in der Nutzungsplanung umgesetzt. Ich erwarte aber, dass es nun rasch vorwärts geht. Zudem müssen die Gemeinden die Gefahrenkarten im Rahmen der Baubewilligungen in jedem Fall berücksichtigen (vgl. «Gefahren erkannt – und die Risiken?»).

TEC21: Die eigentliche Arbeit beginnt also erst.

Roberto Loat: Das ist so. Nun folgt die anspruchsvolle Umsetzung. Allerdings sind bei den Gefahrenkarten die Oberflächenabflüsse noch nicht berücksichtigt. Diese treten bei Starkniederschlägen auf und sind nicht die Folge von Gewässern, die über die Ufer treten. Oberflächenabfluss kann auch zu einer Überlastung der Kanalisation führen. Schadenstatistiken zeigen, dass bis zu 50 % der Wasserschäden auf solche Oberflächenabflüsse zurückzuführen sind und dass ein beträchtlicher Teil davon gar nicht in den durch Gewässer direkt gefährdeten Zonen liegt.

Die Ge­meinde Lyss war 2007 drei Mal von solchen Schäden betroffen. Die Verantwortlichen haben die Konsequenzen gezogen. Lyss hat Grundlagen zu den Oberflächenabflüssen erarbeitet und will nun als erste Gemeinde der Schweiz diese bei Baubewilligungen künftig auch anwenden.

TEC21: Bei Neubauten können die Behörden Auf lagen machen, bei bestehenden Bauten ist das schwieriger.

Roberto Loat: Bei Neubauten lassen sich Objektschutzmassnahmen in den allermeisten Fällen leicht realisieren. Und das oft ohne oder nur mit geringen Mehrkosten, wenn die Naturgefahren bei der Planung von Anfang an berücksichtigt werden. Bei bestehenden Bauten haben die Behörden die Möglichkeit, bei grösseren Umbauten oder Erweiterungen Auf lagen zu machen. Stehen aber keine baulichen Veränderungen an, so können die Eigentümer lediglich animiert werden, Massnahmen in Eigenverantwortung zu treffen.

TEC21: Welche Möglichkeiten haben die Gebäudeversicherungen?

Hans Peter Willi: Bei den bestehenden Gebäuden spielen die Gebäudeversicherungen eine wichtige Rolle. Sie fördern etwa die Prävention durch Beratung und finanzielle Anreize. Passiert in einem Haus mehrfach derselbe Schaden, können sie Auf lagen machen oder auch die Versicherungsleistungen kürzen.

Lange Zeit waren die Brandschäden viel wichtiger als die durch Naturgefahren verursachten Elementarschäden. Doch die Naturgefahrenschäden nehmen laufend zu, die Versicherungen verfolgen diese Entwicklung mit Besorgnis. Ein anderer Aspekt ist wichtig: Zurzeit tragen alle Versicherten die Schäden solidarisch. Die Solidarität darf aber nicht überstrapaziert werden. Rund 10 Prozent aller Objekte machen 75 Prozent aller Risiken aus. Wir müssen aufpassen, dass Elementarschäden weiterhin versicherbar und für den Einzelnen tragbar bleiben.

TEC21: Was soll eigentlich Aufgabe der Privaten sein? Und wo steht der Staat in der Pflicht?

Arthur Sandri: Der Private kann sein Haus schützen und die Umgebung so gestalten, dass kein Wasser in sein Gebäude eindringen kann. Die öffentliche Hand ist verantwortlich für Schutzmassnahmen an den Gewässern, kann jedoch nicht verhindern, dass bei extremen Ereignissen Wasser aus Gewässern austreten kann und Bauten und Anlagen gefährdet. Deshalb sind Massnahmen an Gebäuden so wichtig für die Schadensreduktion. Damit ein Eigentümer sein Objekt optimal gegen Naturgefahren schützen kann, benötigt er umfassende Grundlagen zu allen schadenrelevanten Naturgefahrenprozessen. Und diese zur Verfügung zu stellen, ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand.

TEC21: Die Verantwortlichen in den Gemeinden geraten zunehmend unter Druck, wenn sie trotz vorhandenen Gefahrengrundlagen ihre Pflichten nicht wahrnehmen.

Hans Peter Willi: Zumindest können die Verantwortlichen nicht mehr sagen, sie hätten von nichts gewusst. Berücksichtigt eine Gemeinde die Gefahrenkarten nicht und plant später Verbauungen zum Schutz der neuen Bauten und Anlagen, können wir die Bundesbeiträge für diese Schutzmassnahmen verweigern. Die Gemeinde kann zudem auch für allfällige Schäden haftbar gemacht werden.

Arthur Sandri: Vor allem Ereignisse mit grossen Schäden machen betroffen. Folgt dann jedoch eine ereignisarme Periode, lässt der Elan oft wieder nach. In mehreren Kantonen sind jetzt aber gute Programme zur Umsetzung der Gefahrenkarten gestartet worden. Der Kanton Graubünden hat etwa alle Gemeinden beauftragt, sämtliche Risiken auf ihrem Territorium zu ermitteln und zu bewerten sowie Massnahmen zu formulieren, was sie dagegen tun wollen.

Roberto Loat: Bei diesen Prozessen ist nicht nur das Resultat wichtig, allein schon die Beschäftigung mit der Risikosituation trägt viel zur Bewusstseins­bildung bei.

TEC21: Die Luzerner Gemeinde Weggis hat vor zwei Jahren für Aufsehen gesorgt. Der Gemeinderat fällte einen mutigen Entscheid, liess fünf Liegenschaften aus Sicherheitsgründen evakuieren und verfügte deren Rückbau. Ein Eigentümer wehrte sich. Das Kantonsgericht und später auch das Bundesgericht gaben der Gemeinde recht (vgl. «Rückbau wird zur Option»). Welche Folgen hat dieser Entscheid?

Arthur Sandri: Im Grundsatz bestätigten beide Gerichte das Vorgehen des Integralen Naturgefahren-­Managements, das Bund und Kantone praktizieren. Zwei Aspekte sind wichtig: Erstens sind in konfliktträchtigen Situationen, wenn beispielsweise Eigentumsrechte massiv tangiert sind, die Entscheide nachvollziehbar herzuleiten und auch zu dokumentieren. In Weggis war dies der Fall. Und zweitens darf man einen solchen Entscheid nicht nur ökonomisch begründen. Ein Rückbau ist nur denkbar, wenn alle anderen Varianten geprüft wurden.

TEC21: Wird es zu weiteren solchen Fällen kommen?

Arthur Sandri: Wir gehen nicht von sehr vielen Fällen aus. Aber wir sind froh, dass die Möglichkeiten von Umsiedlung und Rückbau bestehen, denn so sind die Gemeinden und Kantone nicht zu völlig unverhältnismässigen und unökonomischen Schutzmassnahmen gezwungen. Weggis war der erste Fall, wo ein Rückbau unter Zwang angeordnet werden musste.

Meistens kann man sich aber einigen. So zum Beispiel in Preonzo zwischen Bellinzona und Biasca, wo kürzlich ein durch ein Bergsturz gefährdetes Industriegebiet umgesiedelt wurde. Es sind zwar noch nicht alle Firmen umgezogen, diejenigen, die noch dort sind, müssen aber mit einer Evakuierung rechnen, falls sich die Lage wieder zuspitzt. Das Eisstadion von ­Ambri-Piotta wird ebenfalls verlegt, sein bisheriger Standort ist lawinengefährdet.

TEC21: In Weggis hat die Gebäudeversicherung des Kantons Luzern mit drei Millionen Franken rund die Hälfte der gesamten Kosten übernommen.

Hans Peter Willi: Es ist wichtig, dass man in solchen Situationen den Betroffenen faire Lösungen anbieten kann, denn so findet man in der Regel einvernehm­liche Lösungen. Von Bedeutung ist diesbezüglich auch ein anderer Bundesgerichtsentscheid. In Brienz BE mussten nach dem Unwetter im Jahr 2005 Häuser zurückgebaut werden, um Schutzbauten erstellen zu können. Die Eigentümer sollten zwar für ihre Liegenschaft, nicht aber für das Bauland entschädigt werden. Das Bundesgericht urteilte jedoch, dass auch das Land zu seinem ursprünglichen Wert zu entschädigen ist.

In Sachseln OW konnte wegen der Naturgefahren ein neues Quartier nicht mehr realisiert wer­den. Die bereits erbrachten (baulichen) Vorleistungen der Privaten für die Erschliessung wurden entschädigt. Wird hingegen noch nicht überbautes Bauland wieder ausgezont, besteht kein Anspruch auf Entschädigung.

TEC21: Aktuell geben wir in der Schweiz insgesamt jährlich 2.9 Milliarden Franken oder knapp ein halbes Prozent des BIP für den Schutz vor Naturgefahren aus. Wird dieser Betrag steigen?

Hans Peter Willi: Ich bin überzeugt, dass wir, wenn wir künftig gleich viel Geld aufwenden und dieses sinnvoll einsetzen, sehr viel erreichen können und keine Abstriche bei der Sicherheit machen müssen. Die Kosten werden gemeinsam getragen. Die öffent­liche Hand steuert 1.2 Milliarden Franken bei, während die Privaten 1.7 Milliarden Franken aufbringen, wovon 830 Millionen Franken durch die Versiche­rungen übernommen werden.

Diesen Kosten steht ein enormer Nutzen gegenüber, der sich allerdings nicht genau beziffern lässt. In Einzelfällen ist eine Abschätzung aber möglich. So wurden an der Engel­berger Aa 26 Millionen Franken investiert. Beim Hochwasser 2005 verhinderten diese Investitionen Schäden in der Höhe von 160 Millionen Franken.

TEC21, Fr., 2016.03.18



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|12-13 Natur – Gefahr – Risiko

23. Oktober 2015Rudolf Heim
TEC21

Wie viel ist uns unser Leben wert?

Wir wollen uns so sicher fühlen wie möglich. Doch welchen Preis sind wir bereit dafür zu bezahlen? Wer soll diesen definieren und wie? Die SIA-Normen und die Richtlinien des Bundes liefern Antworten und Werkzeuge, um Kosten und Nutzen vergleichen zu können.

Wir wollen uns so sicher fühlen wie möglich. Doch welchen Preis sind wir bereit dafür zu bezahlen? Wer soll diesen definieren und wie? Die SIA-Normen und die Richtlinien des Bundes liefern Antworten und Werkzeuge, um Kosten und Nutzen vergleichen zu können.

Kosten-Nutzen-Überlegungen sind vor allem im geschäftlichen Bereich alltäglich. Niemand will am falschen Ort, am falschen Objekt oder mit der falschen Methode Geld und Zeit investieren. Auch bei Infrastrukturbauten führte die öffentliche Hand diese Überlegungen schon immer durch, Investitionen haben dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zu folgen. Die grossen Brandkatastrophen in den europäischen Tunneln (Mont Blanc [1999], Tauern [1999], Gotthard [2001]) lösten intensive Diskussionen über Sicherheitsvorschriften und die Finanzierung von Tunnelsanierungen aus. Neben der Sicherheit der Bauwerke wurden vor allem Investitionen für eine erhöhte Sicherheit der Benutzer verlangt.

2004 verabschiedete die EU die Richtlinie 2004/ 54/EG Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im Strassennetz und legte darin fest, dass «bei unverhältnismässig hohen Kosten risikomindernde Massnahmen als Alternativen akzeptiert werden können, wenn das Schutzniveau gleich oder höher ist als die minimal geforderten Ausbaustandards» – was nichts anderes bedeutet, als dass man Kosten-Nutzen-Analysen als Grundlage zur Entscheidung beiziehen darf.
Den verschiedenen Risiken, denen Bauwerke und deren Benutzer ausgesetzt sind, tragen Gesetze, Normen des SIA und die Richtlinien des Astra Rechnung. Eingetretene Schadenfälle und die daraus gewonnenen Erkenntnisse führen dazu, dass die neuen Regeln höhere Anforderungen enthalten. Als Folge davon stehen beim Sanieren bestehender Bauten oft umfangreiche und teure Investitionen an. Wenn man die Forderung einer Norm aber buchstabengetreu und ohne Kosten-Nutzen-Überlegungen anwendet, kann dies zu erheblichen Aufwendungen führen.

Maximallösungen: nicht immer zielführend

Das Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich hat in einer Untersuchung[1] zu verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zur Brandverhütung festgestellt, dass hohe Investitionen in den Brandschutz bei geringem «Gewinn» im Sinn von verhinderten Todesfällen kontraproduktiv wirken können, denn wenn an einem Objekt zu viel investiert wird, steht für ein nächstes Projekt weniger oder kein Geld mehr zur Verfügung. Beim Schutz vor Lawinen ist ein Umfahrungstunnel zwar viel sicherer, als es temporäre Strassensperrungen wären, aber das Beharren auf der Maximallösung «Umfahrungstunnel» (z. B. um potenzielle Verluste in Tourismusregionen zu verhindern) kann dazu führen, dass es wegen der fehlenden Finanzierung zu überhaupt keiner Verbesserung kommt.

Wirtschaftliche Betrachtungen, um die Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, sind also unabdingbar.

Den «Wert» eines Lebens beziffern

Die Kosten der Massnahmen, die die Sicherheit erhöhen, sind relativ einfach zu bestimmen: Es sind bauliche, technische und organisatorische Massnahmen, ergänzt mit den Kosten für Unterhalt und Finanzierung. Die Grenzen des betrachteten Perimeters lassen sich, je nach Wichtigkeit des Infrastrukturbauwerks, auch weiter ziehen: Bei signalisierten Geschwindigkeitsreduktionen zur Unfallverminderung entstehen längere Fahrzeiten[2], Unfälle führen zu Staus im weiteren Umfeld, beides mit Kostenfolgen.

Wie aber ist der Nutzen zu beziffern? Sachschäden sind bei Unfällen über Haftpflichtversicherun­gen Dritter gedeckt, doch bei Bränden gibt es auch Verletzte und Todesfälle, was zu Forderungen an den Betreiber einer Infra­strukturbaute führen kann. Der Nutzen von risikomindernden Massnahmen fällt hier in Form der Reduktion der Anzahl Unfallopfer an.

Wie hoch sind die «Kosten» eines Verletzten oder eines Todesopfers?[3] Zwei Herleitungsmethoden zum Monetarisieren von Todesfällen stehen im Vordergrund: die «Humankapitalmethode» und die «Zahlungsbereitschaftsmethode»[4] (vgl. «Wer bewertet ­Menschenleben?», S. 28).

Bei der Humankapitalmethode entspricht der «Wert» eines Todesfalls dem entgangenen Einkommen einer Person resp. dem Wert der Arbeit, die sie noch hätte erbringen können. Diesen Ansatz verwenden häufig Gerichte, z. B. wenn die Leistung eines verunglückten oder verstorbenen Elternteils festzulegen ist. Die Problematik des Ansatzes zeigt sich in eklatanter Weise dann, wenn der «Wert» eines Rentners festzulegen ist.

Bei der Zahlungsbereitschaftsmethode geht es nicht um einen einzelnen Menschen, sondern um die Bereitschaft der Gesellschaft, für die Verhinderung (d. h. die statistische Minderung des Risikos) eines ­Todesfalls Geld auszugeben. Verschiedene Ansätze, diese Bereitschaft zu ermitteln, stehen zur Verfügung.

Eine umfangreiche vergleichende Betrachtung führte zu Werten zwischen 3 und 10 Mio. Fr. pro verhinderten Todesfall.[4] In den schweizerischen und europäischen Richtlinien, die diesen Wert bei Kosten-Nutzen-Über­legungen verwenden, hat sich ein Wert von 5 Mio. Fr. eingebürgert.[5]

Bei der Beurteilung von Grossereignissen wichen diese Werte zum Teil stark nach oben ab. Ein Carunglück mit 50 Toten erfuhr eine viel höhere (mediale) Beachtung als 50 einzelne Verkehrstote und deshalb auch eine ­höhere Gewichtung. Dieser Aversionseffekt wurde oft in Kosten-Nutzen-Überlegungen mit einbezogen. Zum Beispiel erfuhren Todesfälle durch Brandfälle wesentlich höhere Bewertungen (10 Mio. Fr.) als «gewöhnliche» Unfalltote (5 Mio. Fr.) (vgl. «Normen missachten – mit Gewinn für alle», S. 30). Dieses Vorgehen ist ökonomisch betrachtet nicht nachvollziehbar, sodass der Aversionsfaktor in neuen Richtlinien nicht mehr auftaucht.

Nutzen kann auch in Bereichen generiert werden, die nicht primär monetarisierbar sind, zum Beispiel in der Ökologie mit dem Schutz von wertvollen Landschaften oder in der Raumplanung durch den Schutz von Bauzonen vor Naturgefahren. Unter allen Umständen sind aber implizite Bewertungen zu vermeiden, sie haben nicht nachvollziehbare Auswirkungen und sind häufig auch statistisch ungenügend erhärtet. Alle Bewertungen, die man in die Überlegungen mit einbezieht, sind finanziell zu quantifizieren und ihre Auswirkungen mit Sensitivitätsanalysen zu untersuchen. Politische oder föderalistische Priorisierungen führen zu Ver­zerrungen und zum ungerechten Verteilen der meist begrenzten finanziellen Ressourcen.

Ertrag mit Aufwand vergleichen

Die 2011 erschienene Norm SIA 269 verlangt eine Massnahmeneffizienz ME, die 2015 neu erschienene Richtlinie des Astra[6] (vgl. «Wie sicher ist sicher?», S. 33) definiert eine Massnahmenakzeptanz MAkt, beide mit einem minimal zu erzielenden Grenzwert von 1.0 (vgl. Formeln S. 29 links). Massnahmen, die eine Effizienz (SIA) resp. Akzeptanz (Astra) haben, die grösser als 1.0 sind, sind also empfeh­lenswert. Bei einer solch exakt definierten Grenze ist aber die Ungenauigkeit der Berechnung in Betracht zu ziehen: Die Risikominderung beruht auf der Annahme von 5 Mio. Fr. pro verhinderten Todesfall[5], 6, die Auswertung der verschiedenen Betrachtungen der ­Zahlungsbereitschaftsmethode ergab Grenzkosten von 3 bis 10 Mio. Fr.[4], und die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Todesfalls ist ebenfalls mit statistischen Unsicherheiten behaftet.

Ein anderer Ansatz zur ökonomischen Beurteilung von Massnahmen ging rechnerisch den umgekehrten Weg und verglich die Kosten zur Erhöhung der Sicherheit mit der verminderten Anzahl Todesfälle pro Jahr. Diese «Kosten-Wirksamkeit» (KW) war definiert als Kosten pro verhinderten Todesfall. In dieser heute nicht mehr angewendeten Betrachtung empfahl das Buwal Kostenwirksamkeiten zwischen 5 und 20 Mio. Fr. pro verhinderten Todesfall und Jahr.[7] Je kleiner der KW-Wert ist, umso eher empfahl sich die Massnahme (vgl. Abb. S. 29 links oben). Hinter dieser Beurteilungsbandbreite stand ein mittlerer Wert von 10 Mio. Fr. für das Verhindern eines statistischen Todesfalls.

Eine Bandbreite beim Bewerten der Wirksamkeit (Effizienz, Akzeptanz) trüge dem Umstand Rechnung, dass die Bewertungsansätze (die Wahrscheinlichkeit des Eintretens und die Zahl­ungsbereitschaft der Gesellschaft) nur bedingt genau sind. Die Höhe der Grenzkosten für einen verhinderten Todesfall ist mit Bedacht zu wählen, da so unter Umständen auch teure Massnahmen als effizient beurteilt werden.

Unterschiedliche Bezeichnungen bei den Bewertungsmethoden

Für die Sanierung der Tunnel Cholfirst und Fäsenstaub (vgl. «Normen missachten – mit Gewinn für alle», S. 30) wurde ein Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis mit einem Wert kleiner als 1.0 als positiv betrachtet (in Anlehnung an die damals verwendete, in Deutschland entwickelte Methode zur Bewertung der Sicherheit von Strassentunneln, Forschungsbericht FE 03.0378/2004/FRB). Im Gegensatz dazu sind in den neuen Richtlinien und Normen bei der Massnahmenakzeptanz (Astra) und der Massnahmeneffizienz (SIA) Werte grösser als 1.0 als positiv anzusehen. Und die oben beschriebene, mittlerweile aufgegebene Analyse der Kosten-Wirksamkeit des Buwal setzte die Aufwendungen in Relation zur Verhinderung von Todesfällen, was zu Ergebnissen mit Beträgen von Millionen Franken führte (vgl. Abb. oben links).

Es existieren somit verschiedene Begriffe und Bewertungsansätze, die oft gleich oder sehr ähnlich lauten, zum Teil anders definiert sind und die auch zu rechnerisch nicht direkt vergleichbaren Resultaten führen. Auch wenn schlussendlich die vorgesehenen Massnahmen zur Steigerung der Sicherheit eine posi­tive Beurteilung erfahren, ist diese Uneinheitlichkeit in der Begriffswahl verwirrend.

Die verwendeten Begriffe und Bewertungen zumindest auf nationaler Ebene zu vereinheitlichen, wäre anzustreben.

Gibt es ein Nullrisiko?

Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines wenn auch unwahrscheinlichen Ereignisses kann nie auf null reduziert werden, die zu seiner Verhinderung zu treffenden Massnahmen und deren Kosten würden unendlich gross. Da die finanziellen Mittel begrenzt sind, sind überall nachweisbare und optimale und nicht an wenigen Orten maximale Lösungen und Sicherheiten zu suchen. Die Werkzeuge dazu sind vorhanden.


Anmerkungen:
[01] Mario Fontana u. a.: Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz. Inst. für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich 2012.
[02] Das Astra setzt für Fahrtverzögerungen 21 Fr. pro Person und Stunde ein (Astra 89 005). Ein Ansatz
in dieser Höhe generiert relativ hohe Kosten. Massnahmen können so evtl. ineffizient werden.
[03] Ökonomisch werden Verletzte im Verhältnis von rund 1 zu 30 in Todesfälle umgerechnet.[6]
[04] Zürcher Hochschule Winterthur, Inst. für Ge­sund­heitsökono­mie: Wert des Lebens aus ökonomischer Sicht. 2006.
[05] Planat: Risikokonzept für Naturgefahren. 2009.
[06] Astra: RL 19 004, Risikoanalyse für Tunnel der Nationalstrassen; Dokumentation 89 005, Risiko­konzept für Tunnel der Nationalstrassen; Dokumen­ta­tion 89 007, Risikoanalyse für Tunnel der Nationalstrassen: Anwendungsbeispiel. Alle 2015 (vgl. auch «Wie sicher ist sicher?», S. 33).
[07] Christian Wilhelm: Kosten-Wirksamkeit von Lawinenschutzmassnahmen an Verkehrsachsen. Buwal, 1999.

TEC21, Fr., 2015.10.23



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2015|43 Kalkulierbare Sicherheit

Presseschau 12

18. März 2016Rudolf Heim
TEC21

Gefahren erkannt – und die Risiken?

Rund 95 % der Gefahrenkarten für die Schweiz sind erstellt – nun sind sie umzusetzen. Behörden und Liegenschaftenbesitzer müssen daraus Konsequenzen ziehen, denn hinter kleinen Gefahren können sich grosse Risiken verstecken. Risikokarten schärfen den Blick.

Rund 95 % der Gefahrenkarten für die Schweiz sind erstellt – nun sind sie umzusetzen. Behörden und Liegenschaftenbesitzer müssen daraus Konsequenzen ziehen, denn hinter kleinen Gefahren können sich grosse Risiken verstecken. Risikokarten schärfen den Blick.

Lange Jahre herrschte in der Schweiz die Meinung vor, dass mit entsprechend dimensionierten Schutzkonstruktionen die Gefahren, die durch die Natur drohen, abgewendet werden könnten. Als jedoch im August 1987 Dämme brachen, Flüsse und Seen über die Ufer traten wie noch kaum zuvor und enorme Schäden verursachten, platzte die Vorstellung der Beherrschbarkeit der Natur.

Ein Umdenken wurde unausweichlich; integrale Lösungen rückten ins Zentrum. Das Ziel lautete: «Von der reinen Gefahrenabwehr zur Risikokultur.» Um diesen Prozess zu fördern, erfolgte u. a. die Gründung einer ausserparlamentarischen Kommission, der PLANAT (Plattform Naturgefahren).[1] Der Bundesrat beschloss zudem, dass in der ganzen Schweiz dort, wo Naturgefahren die bebauten oder anderweitig genutzten Zonen bedrohen, die Naturgefahren zu erfassen und zu kartieren sind.

Im Bereich der Lawinengefahren gab es schon längere Zeit Gefahrenkarten. Die ersten erstellte man 1954 für Gadmen BE und 1960 für Wengen BE; weitere Gemeinden folgten. Doch bei den anderen Naturgefahren existierten kaum Grundlagen. Wie die Sektion Risikomanagement im Bundesamt für Umwelt (Bafu) erläutert, folgten die Grenzen der Gefahrenbereiche sehr oft mehr oder weniger den überbauten Zonen, und die Gefahrenzonen lagen meist ausserhalb der Überbauungen (vgl. «Mehr als ein Fünftel der Bauzonen sind gefährdet»).

Karten ergänzen – vor allem bei grossen Schadenspotenzialen

2005 waren erst 25 % der Gefahrenkarten realisiert. Heute – knapp 20 Jahre nach dem Startschuss – sind etwa 95 % der Gefahrenkarten von den dafür zuständigen Kantonen erstellt. Diese sind aber noch unvollständig. Vor allem beim Thema Hochwasser, die grosse Schäden verursachen, fehlen die Karten der Abflüsse an der Oberfläche, die nach starken Niederschlägen auftreten können.

Oberflächenabflüsse treten bei intensiven Regenfällen auf – aufgrund der schieren Menge können die Wassermassen nach dem Auftreffen auf der Geländeoberfläche nicht (mehr) vollständig in den Boden eindringen, sondern fliessen unkontrolliert an der Oberfläche über Wiesen und Strassen einem Gewässer zu. Die vorhandenen Gefahrenkarten zeigen nur mögliche Überschwemmungen, die von einem Bach, Fluss oder See ausgehen. Oberflächenabflüsse können aber auch bei überlasteten Kanalisationen auftreten – diese werden im Allgemeinen auf ein 10-jährliches Ereignis ­ausgelegt.

Bei grösseren Ereignissen fliessen die anfallenden Wassermengen dann wegen der ungenügenden Kanalkapazität oder der überlasteten Einlaufschächte unkontrolliert über Strassen und Wiesen ab. Solche Abflüsse können mit zum Teil verheerenden Aus­wirkungen in meist ungeschützte Liegenschaften eindringen – obwohl sich dies mit geringem planerischem und baulichem Aufwand verhindern liesse.

Die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (vif) im Departement Bau, Umwelt und Wirtschaft des Kantons Luzern liess (basierend auf Computersimulatio­nen) zusammen mit der Gebäudeversicherung Luzern im Jahr 2014 für den ganzen Kanton eine Oberflächenabflusskarte erstellen, um diese Lücke zu schliessen.

Ebenso er­stellte die Gemeinde Lyss BE zusammen mit dem Bafu nach etlichen schweren Überschwemmungen im Jahr 2007 eine Oberflächenabflusskarte, die nun kurz vor der definitiven Einführung auf Gemeindeebene steht und bei künftigen Baugesuchen zwingend zu berücksichtigen sein wird. Beide Karten entstanden aus der Erkenntnis heraus, dass sehr viele Schäden an und in Gebäuden in den letzten Jahren durch Oberflächenwasser entstanden sind.

Gefahrenkarten umsetzen – ein Prozess mit Haken und Ösen

In erster Linie dienen die Gefahrenkarten den kommunalen Behörden als Grundlage für die Richt-, Raum- und Nutzungsplanung, denn der Schutz vor Naturgefahren beginnt bereits mit diesen Planungsphasen. In zweiter Linie lassen sich dann anhand der Karten die (Um-)Bau- und (Um-)Nutzungsgesuche beurteilen.

Die Erkenntnisse aus den Gefahrenkarten auf bestehende Bauzonen oder gar auf bereits bestehende Bauten und Nutzungen anzuwenden ist allerdings ­wesentlich komplexer. Unter Umständen werden Bauherren und Planer mit Gefahren konfrontiert, die sie bisher kaum zu beachten hatten, die im Lauf der Zeit zunahmen oder die gar ganz neu sind.

Bei bestehenden Bauten sind einfache (Schutz-)Massnahmen nur beschränkt möglich. Bei Umbau- oder Umnutzungs­ge­su­chen können jedoch Bewilligungen verweigert werden. Ist die Gefahr einfach zu hoch, muss schlimmsten­falls zu harten, aber nicht zu umgehenden Massnahmen wie Umsiedlungen und Rückbau gegriffen werden (vgl. «Rückbau wird zur Option»). In vielen Fällen allerdings lagen zu jener Zeit, als die ursprünglichen Bewilligungen für den Bau und die Nutzung erteilt wurden, noch gar keine Gefahrenkarten vor, oder die Gefahren haben sich seit damals erhöht.

Oft wurde früher dem ­Aspekt der Gebiets-und Ortsentwicklung ein grosses Gewicht beigemessen; man vertraute auf die technischen und organisatorischen Möglichkeiten zur Abwehr von Naturgefahren.

Wie soll man heute damit umgehen? In solchen Fällen sind alle Beteiligten gefordert: Bauherren, Planer, Facility-Manager, Versicherungen und der Staat. Je nach Gefahrenlage, den möglichen Schutzmassnahmen und den gefährdeten Objekten ist das wirksamste Vorgehen oft eine Kombination von mehreren Massnahmen an verschiedenen Orten.

Dabei sind die zu treffenden Massnahmen oft zu umfangreich, um von einem einzelnen betroffenen Besitzer getragen zu werden. Ausserdem können sie bei flächenhaften Eingriffen oder wenn die Ursachen ausserhalb der Reichweite des Grundstücksbesitzers liegen gar nicht von einem Einzelnen realisiert werden.

Als Verantwortliche für die Umsetzung der Gefahrenkarten stehen die Kantone und Gemeinden vor grossen Herausforderungen. Um sich ein Bild der Aufgaben und Probleme machen zu können, die mit dem Umsetzen der Gefahrenkarten verbunden sind, hat die PLANAT im Jahr 2014 anhand von fiktiven, aber typischen Beispielen Testplanungen mit unterschiedlichen Um- und Neubauten an verschiedenen Lagen durchgeführt.[2]

Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen, den raumplane­rischen und risikobasierten Abwägungen und Über­legungen (wie Vorwarnzeiten, Schadenspotenzialen, Handlungsspielräumen etc.) entstand ein Set von zentralen Fragen mit Checklisten, Entscheidungsbäumen und Hinweisen, die die betroffenen Behörden in ihrer Arbeit unterstützen sollen. Auch offene Fragen, die im Lauf von vertieften Studien künftig anzugehen sind, wurden erkannt.

Risiko nicht auf den ersten Blick erkennbar

Zunehmend rückt das Risiko – also die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses multipliziert mit dem potenziellen Schaden – in den Vordergrund, denn eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit multipliziert mit einem sehr hohen Schadenspotenzial kann zu hohen Risiken führen. Entscheidend ist, dass Grundstücks- oder Liegenschafts­besitzer erkennen, dass die Gefahren bei den in den Gefahrenkarten gelb oder gelb-weiss dargestellten ­Bereichen zwar klein sind, das Schadens­potenzial aber (abhängig von den Werten und Randbedingungen in den gefährdeten Gebäudeteilen) dennoch sehr hoch sein kann.

In den Gebieten, die die Gefahrenkarten mit «geringer Gefährdung» oder mit «Restgefährdung» ausweisen, sind die Gefahren klein und werden deshalb oft kaum beachtet; die Grösse eines Risikos ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Diese Risiken lassen sich auf Karten darstellen, die die von der Schwere der Gefahren oft abweichenden hohen Risiken zeigen – solche Risikokarten sind aber erst wenige vorhanden.

Das quantitative Schadenspotenzial auf einem Grundstück lässt sich auf verschiedene Arten ermitteln, z. B. pro Fläche, pro Grundstück, in Funktion des Zonenmittel­werts oder pro Raumeinheit. Je nach Darstellung sind der Interpretation aber Grenzen gesetzt, oft sind die Ab­weichungen in Funktion der gewählten Darstellung sehr gross.[3]

Um im Rahmen einer Übersicht die «Hot­spots» der Risiken zu erkennen und Prioritäten zu setzen, sind Risikokarten wichtig und informativ – sie sind die logische Weiterentwicklung der Gefahrenkarten. Risikokarten liefern nützliche Informationen, auch wenn die Risiken nur qualitativ erfasst und dargestellt werden (vgl. Kasten). Statt nur festzu­stellen, wo etwas wie häufig passieren kann, zeigen sie, welche Konsequenzen im Schadenfall zu erwarten sind.

Ein Sportplatz in einer Landgemeinde, der in einer «er­heblich gefährdeten» Zone liegt, hat ein vernachlässigbareres Risiko als ein Spital in einer «Restgefähr­dungszone», vor allem, wenn dort keine speziellen Schutzmassnahmen getroffen wurden. Bei Infrastrukturbauten ist zu fragen, welche Folgen zu erwarten sind, wenn diese ausfallen oder die in diesem Gebäude ausgeübte Tätigleit nicht mehr ausgeführt werden kann.

Risikokarten sind vor allem für die vorausschauende Planung von Interesse. Sie weisen darauf hin, wo bei Neubauten, Umnutzungen oder der Anpassung von Bauzonen Hotspots liegen und wo somit mit grosser Wahrscheinlichkeit neue oder grössere Risiken entstehen können. Mit diesen Grundlagen lassen sich auch die Auswirkungen von Verdichtungen abschätzen. Zudem sind sie ein Instrument für den partizipativen Dialog mit den Eigentümern.

Die Risiken lassen sich meistens einer Liegenschaft oder Parzelle zuordnen und damit in ein Geo­informationssystem integrieren. Der logischen Erweiterung der Gefahrenkarten zu Risikokarten im Hinblick auf Raum-, Orts- und Städteplanung steht nichts entgegen. Die Nutzniesser sind insbesondere Gemeinden, Kantone, Planer und Versicherungen.


Anmerkungen:
[01] PLANAT, «Plattform Naturgefahren», www.planat.ch
[02] www.planat.ch/fileadmin/PLANAT/planat_pdf/alle_2012/2011-2015/Camenzind__Loat_2015_-_Risikobasierte_Raumplanung.pdf, Dezember 2014
[03] Publikation «Agenda» der «Fachleute Naturgefahren Schweiz», 01/2015, Seite 11

TEC21, Fr., 2016.03.18



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|12-13 Natur – Gefahr – Risiko

18. März 2016Rudolf Heim
Lukas Denzler
TEC21

«Mehr als ein Fünftel der Bauzonen sind gefährdet»

Naturgefahren begleiten uns permanent. Die Vorstellung, die Natur lasse sich mit technischen Mittlen beherrschen, erwies sich als Illusion. Ein ganzheitlicher Ansatz ist nötig. Fachleute des Bundesamts für Umwelt erläutern die Leitlinien im Umgang mit den Naturgefahren.

Naturgefahren begleiten uns permanent. Die Vorstellung, die Natur lasse sich mit technischen Mittlen beherrschen, erwies sich als Illusion. Ein ganzheitlicher Ansatz ist nötig. Fachleute des Bundesamts für Umwelt erläutern die Leitlinien im Umgang mit den Naturgefahren.

TEC21: Wo steht die Schweiz aktuell bei der Umsetzung des Naturgefahren-Managements?

Hans Peter Willi: Wir sind auf gutem Weg und setzen das «Integrale Naturgefahren-Management» Schritt für Schritt um. Primär geht es darum, einen gesamtheitlichen Umgang mit Naturgefahren in den Köpfen zu verankern und in der Praxis umzusetzen. Dieser Prozess läuft schon seit einer Generation. Dabei sind Massnahmen zur Vorbeugung von Natur­ereignissen, deren Bewältigung sowie die Regenera­tion nach einem Schadenereignis sinnvoll zu kombinieren. Hier sind alle gefordert: Bauherren, Planer, Ingenieure, Architekten, Behörden, Versicherungen, Politiker und die Bevölkerung.

TEC21: Der Bericht «Naturgefahren Schweiz» soll demnächst veröffentlicht werden. Bringt er neue Erkenntnisse?

Hans Peter Willi: Wir sind in der Schlussphase und möchten den Bericht im nächsten Sommer dem Bundesrat präsentieren (vgl. Kasten). Ein grosses Potenzial zur Minimierung der Schäden sehen wir im «naturgefahrengerechten» Bauen – hier sind die Baufachleute angesprochen, insbesondere die Architekten, die oft die Gesamtverantwortung bei der Planung von Gebäuden innehaben. Zusammen mit dem SIA haben wir diesen Punkt aufgegriffen. Es geht darum, die bestehenden Normen zu überprüfen und allfällige Lücken bezüglich Naturgefahren bei der Planung von Gebäuden zu schliessen.

Ein weiterer Aspekt betrifft das «naturgefahrengerechte» Verhalten. Die Bevölkerung geht mit den Naturgefahren nicht immer adäquat um. Wir wollen die Menschen be­fähigen, im Ereignisfall besser zu reagieren. So ist es zum Beispiel keine gute Idee, bei einer Überflutung des Untergeschosses noch wertvolle Sachen aus dem Keller oder der Garage retten zu wollen. Ein schöner Erfolg ist, dass das Thema Naturgefahren im Lehrplan 21 der allgemeinen Schulbildung Eingang gefunden hat.

TEC21: Was steht beim Integralen Naturgefahren-Management im Zentrum?

Hans Peter Willi: Unser zentraler Auftrag lautet: Schutz von Menschenleben und erheblichen Sachwerten. Dies soll nachhaltig sichergestellt sein. Somit sind ökonomische, ökologische und soziale Aspekte zu be-
­rücksichtigen. Gemäss der Strategie des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommu­nikation Uvek sind die aufgrund der Gefahrenkarten erkannten Defizite bis 2030 weitgehend zu beheben. Wichtig ist dabei, dass wir durch neue bauliche Aktivitäten nicht wieder neue Probleme schaffen.

Arthur Sandri: Wenn wir etwas zurückschauen, so waren es die Unwetterereignisse im August 1987, die einen Wendepunkt markierten und zu einem Paradigmenwechsel führten. Damals waren die Innerschweiz, aber auch das Puschlav von Hoch­wasser, Murgängen und Rutschungen betroffen. Die enormen Schäden lösten die erste grosse wissenschaftliche Ereignisanalyse aus. Die wichtigsten Erkenntnisse: Absolute Sicherheit gibt es nicht, und allein mit technischen Massnahmen ist dem Problem nicht beizukommen. Zu den rund 1.8 Milliarden Franken Schäden trugen allein die Schäden an den Schutzbauwerken 300 Millionen Franken bei. Eine Kurskorrektur war unausweichlich.

TEC21: Wenn es keine absolute Sicherheit gibt – welche Schäden müssen wir denn in Kauf nehmen? Welche Risiken gelten als tragbar?

Arthur Sandri: Bei den individuellen Personenrisiken orientieren wir uns an der Gruppe der jungen Männer, die mit 10-4 die geringste durchschnittliche Todes­fallwahrscheinlichkeit aufweist – das heisst von 10 000 jungen Männern stirbt aus irgendwelchen Gründen einer pro Jahr. Das angestrebte Ziel ist, dass das durchschnittliche Todesfallrisiko von Personen durch Naturgefahren nicht erheblich erhöht wird.

Die nationale Plattform Naturgefahren PLANAT (vgl. Information auf S. 34) empfiehlt deshalb, das durch Naturgefahren bedingte Todesfallrisiko auf 10-5 zu senken. Dabei werden nur unfreiwillig eingegangene Risiken berücksichtigt, also etwa keine Lawinen­unfälle auf Skitouren. Eine andere Annäherung führt über die Lebensversicherungen, die 2.3 Millionen Franken für ein Menschenleben einsetzen.

Bei den Naturgefahren setzen wir in Kosten-Nutzen-Analysen fünf Millionen Franken ein, darin eingerechnet sind auch die Verletzten. Der Wert eines Menschenlebens ist aber nie in Geld zu fassen. Die Beträge bezeichnen lediglich die Bereitschaft der Gesellschaft, so viel Geld aufzuwenden, um einen Todesfall zu verhindern (vgl. «Wie viel ist uns unser Leben wert» und «Normen missachten – mit Gewinn für alle», TEC21 43/2015).

TEC21: Hat man hochgerechnet, wie viel Geld nötig ist, wenn dieser Standard schweizweit eingehalten werden soll?

Hans Peter Willi: Wir kennen diese Zahl zurzeit noch nicht, möchten die Kosten aber abschätzen, denn das interessiert die Politiker brennend. Auf jeden Fall wollen wir sicherstellen, dass die öffentlichen Mittel ökonomisch, ökologisch und sozial sinnvoll eingesetzt werden. Deshalb prüfen wir bei jedem Projekt das Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Werden etwa durch einen investierten Franken fünf Franken Schäden verhindert, rechnet sich das in jedem Fall. Bei dieser Betrachtung berücksichtigen wir die indirekten Kosten nicht – das sind Kosten, die in Zusammenhang mit Betriebsunterbrüchen und dergleichen entstehen. Wenn also beispielsweise in Zürich der Hauptbahnhof überschwemmt wird und einen Monat nicht benutzbar ist, dann sind die indirekten Schäden immens. Am Beispiel von Zürich hat man errechnet, dass die indirekten Kosten zehn Mal so hoch sind wie die direkten.

Arthur Sandri: Man darf aber nicht nur ökonomische Gründe für einen Entscheid heranziehen. Sind die Kosten für die Schutzmassnahmen jedoch höher als die vermiedenen Schäden, so braucht es gute Gründe. Ein aktuelles Beispiel dafür ist das Kloster Werthenstein im Kanton Luzern. Die Erosion der Kleinen Emme führt zu instabilen Böschungen und droht die Stützmauern zu beschädigen. In einem solchen Fall ist auch der immaterielle Wert eines Kulturguts zu berücksichtigen.

TEC21: Ist bekannt, welche Gefahrenprozesse wie viel Schadenskosten verursachen?

Arthur Sandri: Wir führen seit 1972 eine Schadenstatistik zu den gravitativen Naturgefahren: Hochwasser und Überflutungen machen 90 % aller Schäden aus. Bei den Todesopfern sieht es anders aus. Im langjährigen Durchschnitt sterben jedes Jahr zwei bis drei Menschen wegen Hochwasser. Bei den Sturzprozessen sind die Sachschäden weniger bedeutsam, obwohl es den Einzelnen hart treffen kann. Dort fallen aber die Todesfallrisiken ins Gewicht: Im langjährigen Durchschnitt sind es etwa sechs Todes­opfer bei Lawinen (ohne Freizeitaktivitäten) und je zwei Todesopfer bei Stein-/Blockschlag und Rutschungen.

TEC21: Der Klimawandel wird die Probleme noch verschärfen.

Arthur Sandri: Bezüglich der Naturgefahrenrisiken ist der Klimawandel zumindest bis 2050 von deutlich geringerer Bedeutung als beispielsweise die zunehmenden Frequenzen auf den Verkehrsachsen. Vor einigen Jahren fuhr der TGV von Bern nach Paris durch das Val de Travers. In der Areuseschlucht bestand ein erhebliches Steinschlagrisiko, und wegen der TGV-Verbindung waren plötzlich viel mehr Passagiere diesem Risiko ausgesetzt. Um dieses wieder auf ein vertretbares Ausmass zu reduzieren, errichtete man für zwei Millionen Franken Steinschlagnetze. Dumm nur, dass der TGV heute nicht mehr durchs Val de Travers fährt.

Ein anderes Beispiel: Die Bahnstrecke Zürich–Bern verläuft kurz nach Olten am Fuss des Born, eines Jura-Ausläufers. Durch die Frequenzsteigerung im Rahmen von Bahn 2000 wurde dieser Abschnitt zu einem Hotspot des SBB-Netzes bezüglich Naturgefahren. Der Zugverkehr war plötzlich so dicht, dass sich umgerechnet ständig 200 Personen im gefährdeten Gebiet aufhielten. Aus diesem Grund bauten die SBB Steinschlagschutz­wände. Auf der Gotthard-Bergstrecke hingegen wird nach der Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels infolge der geringeren Passagierfrequenzen das Risiko abnehmen.

TEC21: Und welche Probleme stellen sich im Siedlungsgebiet?

Arthur Sandri: lm Siedlungsgebiet machen uns vor allem zwei Entwicklungen Sorgen. Zum einen die Wertvermehrung in den bestehenden Bauten: Während man früher im Keller Äpfel und Kartoffeln lagerte, dient er heute als Aufbewahrungsort für wertvolle Gegenstände, und der Hobbyraum und die Haustechnik sind auch noch im Untergeschoss untergebracht. Läuft dann ein Keller voll, summieren sich die Schäden. Das andere Problem ist die Verdichtung des Siedlungsraums, was ebenfalls zu einer Wertvermehrung pro Fläche führt.

TEC21: Hier sollen primär die Gefahrenkarten helfen, Schäden zu vermeiden.

Roberto Loat: Die Gefahrenkarten sind sehr wichtige Grundlagen für die Gemeinden und Kantone. 95 % der Gefahrenkarten sind erstellt. Ein Fünftel bis ein Viertel der Bauzonen ist von Naturgefahren betroffen, bis jetzt sind erst zwei Drittel der Gefahrenkarten raumplanerisch in der Nutzungsplanung umgesetzt. Ich erwarte aber, dass es nun rasch vorwärts geht. Zudem müssen die Gemeinden die Gefahrenkarten im Rahmen der Baubewilligungen in jedem Fall berücksichtigen (vgl. «Gefahren erkannt – und die Risiken?»).

TEC21: Die eigentliche Arbeit beginnt also erst.

Roberto Loat: Das ist so. Nun folgt die anspruchsvolle Umsetzung. Allerdings sind bei den Gefahrenkarten die Oberflächenabflüsse noch nicht berücksichtigt. Diese treten bei Starkniederschlägen auf und sind nicht die Folge von Gewässern, die über die Ufer treten. Oberflächenabfluss kann auch zu einer Überlastung der Kanalisation führen. Schadenstatistiken zeigen, dass bis zu 50 % der Wasserschäden auf solche Oberflächenabflüsse zurückzuführen sind und dass ein beträchtlicher Teil davon gar nicht in den durch Gewässer direkt gefährdeten Zonen liegt.

Die Ge­meinde Lyss war 2007 drei Mal von solchen Schäden betroffen. Die Verantwortlichen haben die Konsequenzen gezogen. Lyss hat Grundlagen zu den Oberflächenabflüssen erarbeitet und will nun als erste Gemeinde der Schweiz diese bei Baubewilligungen künftig auch anwenden.

TEC21: Bei Neubauten können die Behörden Auf lagen machen, bei bestehenden Bauten ist das schwieriger.

Roberto Loat: Bei Neubauten lassen sich Objektschutzmassnahmen in den allermeisten Fällen leicht realisieren. Und das oft ohne oder nur mit geringen Mehrkosten, wenn die Naturgefahren bei der Planung von Anfang an berücksichtigt werden. Bei bestehenden Bauten haben die Behörden die Möglichkeit, bei grösseren Umbauten oder Erweiterungen Auf lagen zu machen. Stehen aber keine baulichen Veränderungen an, so können die Eigentümer lediglich animiert werden, Massnahmen in Eigenverantwortung zu treffen.

TEC21: Welche Möglichkeiten haben die Gebäudeversicherungen?

Hans Peter Willi: Bei den bestehenden Gebäuden spielen die Gebäudeversicherungen eine wichtige Rolle. Sie fördern etwa die Prävention durch Beratung und finanzielle Anreize. Passiert in einem Haus mehrfach derselbe Schaden, können sie Auf lagen machen oder auch die Versicherungsleistungen kürzen.

Lange Zeit waren die Brandschäden viel wichtiger als die durch Naturgefahren verursachten Elementarschäden. Doch die Naturgefahrenschäden nehmen laufend zu, die Versicherungen verfolgen diese Entwicklung mit Besorgnis. Ein anderer Aspekt ist wichtig: Zurzeit tragen alle Versicherten die Schäden solidarisch. Die Solidarität darf aber nicht überstrapaziert werden. Rund 10 Prozent aller Objekte machen 75 Prozent aller Risiken aus. Wir müssen aufpassen, dass Elementarschäden weiterhin versicherbar und für den Einzelnen tragbar bleiben.

TEC21: Was soll eigentlich Aufgabe der Privaten sein? Und wo steht der Staat in der Pflicht?

Arthur Sandri: Der Private kann sein Haus schützen und die Umgebung so gestalten, dass kein Wasser in sein Gebäude eindringen kann. Die öffentliche Hand ist verantwortlich für Schutzmassnahmen an den Gewässern, kann jedoch nicht verhindern, dass bei extremen Ereignissen Wasser aus Gewässern austreten kann und Bauten und Anlagen gefährdet. Deshalb sind Massnahmen an Gebäuden so wichtig für die Schadensreduktion. Damit ein Eigentümer sein Objekt optimal gegen Naturgefahren schützen kann, benötigt er umfassende Grundlagen zu allen schadenrelevanten Naturgefahrenprozessen. Und diese zur Verfügung zu stellen, ist eine Aufgabe der öffentlichen Hand.

TEC21: Die Verantwortlichen in den Gemeinden geraten zunehmend unter Druck, wenn sie trotz vorhandenen Gefahrengrundlagen ihre Pflichten nicht wahrnehmen.

Hans Peter Willi: Zumindest können die Verantwortlichen nicht mehr sagen, sie hätten von nichts gewusst. Berücksichtigt eine Gemeinde die Gefahrenkarten nicht und plant später Verbauungen zum Schutz der neuen Bauten und Anlagen, können wir die Bundesbeiträge für diese Schutzmassnahmen verweigern. Die Gemeinde kann zudem auch für allfällige Schäden haftbar gemacht werden.

Arthur Sandri: Vor allem Ereignisse mit grossen Schäden machen betroffen. Folgt dann jedoch eine ereignisarme Periode, lässt der Elan oft wieder nach. In mehreren Kantonen sind jetzt aber gute Programme zur Umsetzung der Gefahrenkarten gestartet worden. Der Kanton Graubünden hat etwa alle Gemeinden beauftragt, sämtliche Risiken auf ihrem Territorium zu ermitteln und zu bewerten sowie Massnahmen zu formulieren, was sie dagegen tun wollen.

Roberto Loat: Bei diesen Prozessen ist nicht nur das Resultat wichtig, allein schon die Beschäftigung mit der Risikosituation trägt viel zur Bewusstseins­bildung bei.

TEC21: Die Luzerner Gemeinde Weggis hat vor zwei Jahren für Aufsehen gesorgt. Der Gemeinderat fällte einen mutigen Entscheid, liess fünf Liegenschaften aus Sicherheitsgründen evakuieren und verfügte deren Rückbau. Ein Eigentümer wehrte sich. Das Kantonsgericht und später auch das Bundesgericht gaben der Gemeinde recht (vgl. «Rückbau wird zur Option»). Welche Folgen hat dieser Entscheid?

Arthur Sandri: Im Grundsatz bestätigten beide Gerichte das Vorgehen des Integralen Naturgefahren-­Managements, das Bund und Kantone praktizieren. Zwei Aspekte sind wichtig: Erstens sind in konfliktträchtigen Situationen, wenn beispielsweise Eigentumsrechte massiv tangiert sind, die Entscheide nachvollziehbar herzuleiten und auch zu dokumentieren. In Weggis war dies der Fall. Und zweitens darf man einen solchen Entscheid nicht nur ökonomisch begründen. Ein Rückbau ist nur denkbar, wenn alle anderen Varianten geprüft wurden.

TEC21: Wird es zu weiteren solchen Fällen kommen?

Arthur Sandri: Wir gehen nicht von sehr vielen Fällen aus. Aber wir sind froh, dass die Möglichkeiten von Umsiedlung und Rückbau bestehen, denn so sind die Gemeinden und Kantone nicht zu völlig unverhältnismässigen und unökonomischen Schutzmassnahmen gezwungen. Weggis war der erste Fall, wo ein Rückbau unter Zwang angeordnet werden musste.

Meistens kann man sich aber einigen. So zum Beispiel in Preonzo zwischen Bellinzona und Biasca, wo kürzlich ein durch ein Bergsturz gefährdetes Industriegebiet umgesiedelt wurde. Es sind zwar noch nicht alle Firmen umgezogen, diejenigen, die noch dort sind, müssen aber mit einer Evakuierung rechnen, falls sich die Lage wieder zuspitzt. Das Eisstadion von ­Ambri-Piotta wird ebenfalls verlegt, sein bisheriger Standort ist lawinengefährdet.

TEC21: In Weggis hat die Gebäudeversicherung des Kantons Luzern mit drei Millionen Franken rund die Hälfte der gesamten Kosten übernommen.

Hans Peter Willi: Es ist wichtig, dass man in solchen Situationen den Betroffenen faire Lösungen anbieten kann, denn so findet man in der Regel einvernehm­liche Lösungen. Von Bedeutung ist diesbezüglich auch ein anderer Bundesgerichtsentscheid. In Brienz BE mussten nach dem Unwetter im Jahr 2005 Häuser zurückgebaut werden, um Schutzbauten erstellen zu können. Die Eigentümer sollten zwar für ihre Liegenschaft, nicht aber für das Bauland entschädigt werden. Das Bundesgericht urteilte jedoch, dass auch das Land zu seinem ursprünglichen Wert zu entschädigen ist.

In Sachseln OW konnte wegen der Naturgefahren ein neues Quartier nicht mehr realisiert wer­den. Die bereits erbrachten (baulichen) Vorleistungen der Privaten für die Erschliessung wurden entschädigt. Wird hingegen noch nicht überbautes Bauland wieder ausgezont, besteht kein Anspruch auf Entschädigung.

TEC21: Aktuell geben wir in der Schweiz insgesamt jährlich 2.9 Milliarden Franken oder knapp ein halbes Prozent des BIP für den Schutz vor Naturgefahren aus. Wird dieser Betrag steigen?

Hans Peter Willi: Ich bin überzeugt, dass wir, wenn wir künftig gleich viel Geld aufwenden und dieses sinnvoll einsetzen, sehr viel erreichen können und keine Abstriche bei der Sicherheit machen müssen. Die Kosten werden gemeinsam getragen. Die öffent­liche Hand steuert 1.2 Milliarden Franken bei, während die Privaten 1.7 Milliarden Franken aufbringen, wovon 830 Millionen Franken durch die Versiche­rungen übernommen werden.

Diesen Kosten steht ein enormer Nutzen gegenüber, der sich allerdings nicht genau beziffern lässt. In Einzelfällen ist eine Abschätzung aber möglich. So wurden an der Engel­berger Aa 26 Millionen Franken investiert. Beim Hochwasser 2005 verhinderten diese Investitionen Schäden in der Höhe von 160 Millionen Franken.

TEC21, Fr., 2016.03.18



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|12-13 Natur – Gefahr – Risiko

23. Oktober 2015Rudolf Heim
TEC21

Wie viel ist uns unser Leben wert?

Wir wollen uns so sicher fühlen wie möglich. Doch welchen Preis sind wir bereit dafür zu bezahlen? Wer soll diesen definieren und wie? Die SIA-Normen und die Richtlinien des Bundes liefern Antworten und Werkzeuge, um Kosten und Nutzen vergleichen zu können.

Wir wollen uns so sicher fühlen wie möglich. Doch welchen Preis sind wir bereit dafür zu bezahlen? Wer soll diesen definieren und wie? Die SIA-Normen und die Richtlinien des Bundes liefern Antworten und Werkzeuge, um Kosten und Nutzen vergleichen zu können.

Kosten-Nutzen-Überlegungen sind vor allem im geschäftlichen Bereich alltäglich. Niemand will am falschen Ort, am falschen Objekt oder mit der falschen Methode Geld und Zeit investieren. Auch bei Infrastrukturbauten führte die öffentliche Hand diese Überlegungen schon immer durch, Investitionen haben dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zu folgen. Die grossen Brandkatastrophen in den europäischen Tunneln (Mont Blanc [1999], Tauern [1999], Gotthard [2001]) lösten intensive Diskussionen über Sicherheitsvorschriften und die Finanzierung von Tunnelsanierungen aus. Neben der Sicherheit der Bauwerke wurden vor allem Investitionen für eine erhöhte Sicherheit der Benutzer verlangt.

2004 verabschiedete die EU die Richtlinie 2004/ 54/EG Mindestanforderungen an die Sicherheit von Tunneln im Strassennetz und legte darin fest, dass «bei unverhältnismässig hohen Kosten risikomindernde Massnahmen als Alternativen akzeptiert werden können, wenn das Schutzniveau gleich oder höher ist als die minimal geforderten Ausbaustandards» – was nichts anderes bedeutet, als dass man Kosten-Nutzen-Analysen als Grundlage zur Entscheidung beiziehen darf.
Den verschiedenen Risiken, denen Bauwerke und deren Benutzer ausgesetzt sind, tragen Gesetze, Normen des SIA und die Richtlinien des Astra Rechnung. Eingetretene Schadenfälle und die daraus gewonnenen Erkenntnisse führen dazu, dass die neuen Regeln höhere Anforderungen enthalten. Als Folge davon stehen beim Sanieren bestehender Bauten oft umfangreiche und teure Investitionen an. Wenn man die Forderung einer Norm aber buchstabengetreu und ohne Kosten-Nutzen-Überlegungen anwendet, kann dies zu erheblichen Aufwendungen führen.

Maximallösungen: nicht immer zielführend

Das Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich hat in einer Untersuchung[1] zu verschiedenen Lösungsmöglichkeiten zur Brandverhütung festgestellt, dass hohe Investitionen in den Brandschutz bei geringem «Gewinn» im Sinn von verhinderten Todesfällen kontraproduktiv wirken können, denn wenn an einem Objekt zu viel investiert wird, steht für ein nächstes Projekt weniger oder kein Geld mehr zur Verfügung. Beim Schutz vor Lawinen ist ein Umfahrungstunnel zwar viel sicherer, als es temporäre Strassensperrungen wären, aber das Beharren auf der Maximallösung «Umfahrungstunnel» (z. B. um potenzielle Verluste in Tourismusregionen zu verhindern) kann dazu führen, dass es wegen der fehlenden Finanzierung zu überhaupt keiner Verbesserung kommt.

Wirtschaftliche Betrachtungen, um die Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, sind also unabdingbar.

Den «Wert» eines Lebens beziffern

Die Kosten der Massnahmen, die die Sicherheit erhöhen, sind relativ einfach zu bestimmen: Es sind bauliche, technische und organisatorische Massnahmen, ergänzt mit den Kosten für Unterhalt und Finanzierung. Die Grenzen des betrachteten Perimeters lassen sich, je nach Wichtigkeit des Infrastrukturbauwerks, auch weiter ziehen: Bei signalisierten Geschwindigkeitsreduktionen zur Unfallverminderung entstehen längere Fahrzeiten[2], Unfälle führen zu Staus im weiteren Umfeld, beides mit Kostenfolgen.

Wie aber ist der Nutzen zu beziffern? Sachschäden sind bei Unfällen über Haftpflichtversicherun­gen Dritter gedeckt, doch bei Bränden gibt es auch Verletzte und Todesfälle, was zu Forderungen an den Betreiber einer Infra­strukturbaute führen kann. Der Nutzen von risikomindernden Massnahmen fällt hier in Form der Reduktion der Anzahl Unfallopfer an.

Wie hoch sind die «Kosten» eines Verletzten oder eines Todesopfers?[3] Zwei Herleitungsmethoden zum Monetarisieren von Todesfällen stehen im Vordergrund: die «Humankapitalmethode» und die «Zahlungsbereitschaftsmethode»[4] (vgl. «Wer bewertet ­Menschenleben?», S. 28).

Bei der Humankapitalmethode entspricht der «Wert» eines Todesfalls dem entgangenen Einkommen einer Person resp. dem Wert der Arbeit, die sie noch hätte erbringen können. Diesen Ansatz verwenden häufig Gerichte, z. B. wenn die Leistung eines verunglückten oder verstorbenen Elternteils festzulegen ist. Die Problematik des Ansatzes zeigt sich in eklatanter Weise dann, wenn der «Wert» eines Rentners festzulegen ist.

Bei der Zahlungsbereitschaftsmethode geht es nicht um einen einzelnen Menschen, sondern um die Bereitschaft der Gesellschaft, für die Verhinderung (d. h. die statistische Minderung des Risikos) eines ­Todesfalls Geld auszugeben. Verschiedene Ansätze, diese Bereitschaft zu ermitteln, stehen zur Verfügung.

Eine umfangreiche vergleichende Betrachtung führte zu Werten zwischen 3 und 10 Mio. Fr. pro verhinderten Todesfall.[4] In den schweizerischen und europäischen Richtlinien, die diesen Wert bei Kosten-Nutzen-Über­legungen verwenden, hat sich ein Wert von 5 Mio. Fr. eingebürgert.[5]

Bei der Beurteilung von Grossereignissen wichen diese Werte zum Teil stark nach oben ab. Ein Carunglück mit 50 Toten erfuhr eine viel höhere (mediale) Beachtung als 50 einzelne Verkehrstote und deshalb auch eine ­höhere Gewichtung. Dieser Aversionseffekt wurde oft in Kosten-Nutzen-Überlegungen mit einbezogen. Zum Beispiel erfuhren Todesfälle durch Brandfälle wesentlich höhere Bewertungen (10 Mio. Fr.) als «gewöhnliche» Unfalltote (5 Mio. Fr.) (vgl. «Normen missachten – mit Gewinn für alle», S. 30). Dieses Vorgehen ist ökonomisch betrachtet nicht nachvollziehbar, sodass der Aversionsfaktor in neuen Richtlinien nicht mehr auftaucht.

Nutzen kann auch in Bereichen generiert werden, die nicht primär monetarisierbar sind, zum Beispiel in der Ökologie mit dem Schutz von wertvollen Landschaften oder in der Raumplanung durch den Schutz von Bauzonen vor Naturgefahren. Unter allen Umständen sind aber implizite Bewertungen zu vermeiden, sie haben nicht nachvollziehbare Auswirkungen und sind häufig auch statistisch ungenügend erhärtet. Alle Bewertungen, die man in die Überlegungen mit einbezieht, sind finanziell zu quantifizieren und ihre Auswirkungen mit Sensitivitätsanalysen zu untersuchen. Politische oder föderalistische Priorisierungen führen zu Ver­zerrungen und zum ungerechten Verteilen der meist begrenzten finanziellen Ressourcen.

Ertrag mit Aufwand vergleichen

Die 2011 erschienene Norm SIA 269 verlangt eine Massnahmeneffizienz ME, die 2015 neu erschienene Richtlinie des Astra[6] (vgl. «Wie sicher ist sicher?», S. 33) definiert eine Massnahmenakzeptanz MAkt, beide mit einem minimal zu erzielenden Grenzwert von 1.0 (vgl. Formeln S. 29 links). Massnahmen, die eine Effizienz (SIA) resp. Akzeptanz (Astra) haben, die grösser als 1.0 sind, sind also empfeh­lenswert. Bei einer solch exakt definierten Grenze ist aber die Ungenauigkeit der Berechnung in Betracht zu ziehen: Die Risikominderung beruht auf der Annahme von 5 Mio. Fr. pro verhinderten Todesfall[5], 6, die Auswertung der verschiedenen Betrachtungen der ­Zahlungsbereitschaftsmethode ergab Grenzkosten von 3 bis 10 Mio. Fr.[4], und die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Todesfalls ist ebenfalls mit statistischen Unsicherheiten behaftet.

Ein anderer Ansatz zur ökonomischen Beurteilung von Massnahmen ging rechnerisch den umgekehrten Weg und verglich die Kosten zur Erhöhung der Sicherheit mit der verminderten Anzahl Todesfälle pro Jahr. Diese «Kosten-Wirksamkeit» (KW) war definiert als Kosten pro verhinderten Todesfall. In dieser heute nicht mehr angewendeten Betrachtung empfahl das Buwal Kostenwirksamkeiten zwischen 5 und 20 Mio. Fr. pro verhinderten Todesfall und Jahr.[7] Je kleiner der KW-Wert ist, umso eher empfahl sich die Massnahme (vgl. Abb. S. 29 links oben). Hinter dieser Beurteilungsbandbreite stand ein mittlerer Wert von 10 Mio. Fr. für das Verhindern eines statistischen Todesfalls.

Eine Bandbreite beim Bewerten der Wirksamkeit (Effizienz, Akzeptanz) trüge dem Umstand Rechnung, dass die Bewertungsansätze (die Wahrscheinlichkeit des Eintretens und die Zahl­ungsbereitschaft der Gesellschaft) nur bedingt genau sind. Die Höhe der Grenzkosten für einen verhinderten Todesfall ist mit Bedacht zu wählen, da so unter Umständen auch teure Massnahmen als effizient beurteilt werden.

Unterschiedliche Bezeichnungen bei den Bewertungsmethoden

Für die Sanierung der Tunnel Cholfirst und Fäsenstaub (vgl. «Normen missachten – mit Gewinn für alle», S. 30) wurde ein Kosten-Wirksamkeits-Verhältnis mit einem Wert kleiner als 1.0 als positiv betrachtet (in Anlehnung an die damals verwendete, in Deutschland entwickelte Methode zur Bewertung der Sicherheit von Strassentunneln, Forschungsbericht FE 03.0378/2004/FRB). Im Gegensatz dazu sind in den neuen Richtlinien und Normen bei der Massnahmenakzeptanz (Astra) und der Massnahmeneffizienz (SIA) Werte grösser als 1.0 als positiv anzusehen. Und die oben beschriebene, mittlerweile aufgegebene Analyse der Kosten-Wirksamkeit des Buwal setzte die Aufwendungen in Relation zur Verhinderung von Todesfällen, was zu Ergebnissen mit Beträgen von Millionen Franken führte (vgl. Abb. oben links).

Es existieren somit verschiedene Begriffe und Bewertungsansätze, die oft gleich oder sehr ähnlich lauten, zum Teil anders definiert sind und die auch zu rechnerisch nicht direkt vergleichbaren Resultaten führen. Auch wenn schlussendlich die vorgesehenen Massnahmen zur Steigerung der Sicherheit eine posi­tive Beurteilung erfahren, ist diese Uneinheitlichkeit in der Begriffswahl verwirrend.

Die verwendeten Begriffe und Bewertungen zumindest auf nationaler Ebene zu vereinheitlichen, wäre anzustreben.

Gibt es ein Nullrisiko?

Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines wenn auch unwahrscheinlichen Ereignisses kann nie auf null reduziert werden, die zu seiner Verhinderung zu treffenden Massnahmen und deren Kosten würden unendlich gross. Da die finanziellen Mittel begrenzt sind, sind überall nachweisbare und optimale und nicht an wenigen Orten maximale Lösungen und Sicherheiten zu suchen. Die Werkzeuge dazu sind vorhanden.


Anmerkungen:
[01] Mario Fontana u. a.: Wirtschaftliche Optimierung im vorbeugenden Brandschutz. Inst. für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich 2012.
[02] Das Astra setzt für Fahrtverzögerungen 21 Fr. pro Person und Stunde ein (Astra 89 005). Ein Ansatz
in dieser Höhe generiert relativ hohe Kosten. Massnahmen können so evtl. ineffizient werden.
[03] Ökonomisch werden Verletzte im Verhältnis von rund 1 zu 30 in Todesfälle umgerechnet.[6]
[04] Zürcher Hochschule Winterthur, Inst. für Ge­sund­heitsökono­mie: Wert des Lebens aus ökonomischer Sicht. 2006.
[05] Planat: Risikokonzept für Naturgefahren. 2009.
[06] Astra: RL 19 004, Risikoanalyse für Tunnel der Nationalstrassen; Dokumentation 89 005, Risiko­konzept für Tunnel der Nationalstrassen; Dokumen­ta­tion 89 007, Risikoanalyse für Tunnel der Nationalstrassen: Anwendungsbeispiel. Alle 2015 (vgl. auch «Wie sicher ist sicher?», S. 33).
[07] Christian Wilhelm: Kosten-Wirksamkeit von Lawinenschutzmassnahmen an Verkehrsachsen. Buwal, 1999.

TEC21, Fr., 2015.10.23



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