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14. September 2012Giorgio Aeberli
anthos

Terrassengarten im Luganese

Die Gestaltung von Hanggrundstücken ist komplex und kann – auch bei ausreichender Erfahrung – nur in enger Zusammenarbeit mit Spezialisten gelingen, die gemeinsam mit den Bauherren an einem Strang ziehen.

Die Gestaltung von Hanggrundstücken ist komplex und kann – auch bei ausreichender Erfahrung – nur in enger Zusammenarbeit mit Spezialisten gelingen, die gemeinsam mit den Bauherren an einem Strang ziehen.

Mitte der 1980er-Jahre entstand in den Bergen bei Lugano am steilen Südhang eine private Villa. Erhaben in einer Baumlichtung plaziert, umgeben vom allgegenwärtigen Tessiner Kastanienwald. Ausgeführt im damals typischen Stil mit runden Bauformen und einem horizontalen Gebäudevolumen mit flacher, Cerilanggezogener Dachlandschaft. Nur der Garten blieb vernachlässigt, und daran wollten oder konnten auch die folgenden Eigentümer wenig ändern. Anders jedoch die heutigen Besitzer: Sie hatten von Anfang an eine Vision. Als ich sie kennenlernte, erzählten sie mir von der zentralen Stellung, die Musik in ihrem Leben einnimmt – ja, dass sie eine Berufung, eine Quelle der Freude und Erholung sei. Beide sind erfolgreiche Berufsmusiker, und durch ihr internationales Wirken haben sie viele Erinnerungen an ferne Länder, Kulturen und schöne Gärten. Sie wollten nun die Anlage aus ihrem bald 30-jährigen Dornröschenschlaf erwecken.

Skulpturale Stützmauern

Bereits zu Beginn der Planungsphase zeigte sich die Schwierigkeit, dass das gesamte Gelände unterhalb der Villa unentwegt talwärts rutschte. Ein geologisches Gutachten war erforderlich, und es mussten Sondierungsbohrungen durchgeführt werden, um die Mächtigkeit der rutschenden Bodenschicht zu definieren und den darunterliegenden Felsen zu lokalisieren.

Teilweise waren Bohrungen bis auf eine Tiefe von fünf Metern notwendig! Das Gutachten bestätigte, dass eine Hangstabilisierung nur durch im Felsen verankerte Stützmauern erreicht werden konnte.

Dies bedeutete ein aufwändiges Verfahren mit Mikropfählen, die jeweils zwei Meter tief im Felsen verankert werden mussten. Die erschwerte Zugänglichkeit der Baustelle, Schlechtwetter, Hangrutschungen bei Aushubarbeiten und die schwierige Bodenschichtung verlangten immer wieder Flexibilität bei allen Beteiligten, nicht zuletzt auch vom Bauherrn. Nach dem Motto «Stützmauer wird zur Skulptur», entschied er sich für eine anspruchsvolle, der Gebäudeform folgende, schwungvolle Lösung. Dabei sollten die Stützmauern bis zur vollen Höhe von etwa 2,50 Metern aus dem Hang herauswachsen und vollständig wieder in ihn hineinlaufen. So formten wir sanfte, langgezogene Rampentreppen mit einem bequem begehbaren Steigungsverhältnis, das direkt vor Ort festgelegt wurde. Den Rampen folgen filigrane Metallgeländer, in Anlehnung an den Bestand. Beim Palmenplatz gibt es ein Geländer mit vertikaler Stabfüllung, stellenweise verziert mit Musiknoten. Im unteren Gartenbereich wird das Geländer einfacher: ein Handlauf, zum Beranken mit Schlingpflanzen mit Drahtseilen unterspannt.

Erwähnenswert ist auch die Beleuchtung: Der Gehbelag soll nur bodennah erhellt werden, das Licht vom Boden her reflektieren, analog einer weissen Wolke am blauen Himmel. Ziel war es, die schöne Abendstimmung mit dem Spiel der Lichter im Tal nicht zu beeinträchtigen. Dazu entwickelten wir einen schlichten Lampenkörper.

Abwechslungsreiches Pflanzkonzept

Die beiden grundlegenden Elemente der Neugestaltung sind Stein in Weiss und Metall in Schwarz, die wir mit der Vegetation verbanden. In Zusammenarbeit mit meiner fachkundigen Berufskollegin Maria Chiara Cerinotti Ponzio erarbeiteten wir eine ebenso dekorative wie spielerische Pflanzidee.

Entlang der Grundstücksgrenze sowie des Rundwegs am Bach wachsen grösstenteils einheimische immergrüne Pflanzen mit Wildheckencharakter wie Stechpalme, Eibe, Buchs, Liguster und Mäusedorn Ruscus aculeatus. Ein etwas abgelegener Ruheplatz direkt am Bach – dieser ist über den Rundgang im Garten erreichbar – weilt unter den ausladenden Baumkronen alter Kastanien des angrenzenden Waldes. Im Sommer ist es hier angenehm kühl, zu Füssen liegt ein Teppich aus weissblühenden Astilben. Einige Orte bieten eine ganz besondere Atmosphäre, wie die bestehende «tea time»-Terrasse vor dem Haus, die wir in Ableitung der Teepflanze Camellia sinensis durch grosse Exemplare der herbstblühenden Kamelien Camellia sasanqua bereichert haben.

Angrenzend an das Schwimmbad und das Parterre erweitert der neue, grosszügige Vorplatz im Travertin- Look den Innenraum nach aussen. Am Fuss der obersten Rampentreppe liegt ein kleiner Kiesplatz mit einer Zierkirsche. Hier steht eine Sitzbank vor der Mauer, die zu einem Zwischenhalt vor dem Erreichen der runden Pergola einlädt, die malerisch vor einer frühlingsblühenden Kameliengruppe Camellia japonica liegt. Besondere Akzente setzen auf der mittleren Ebene die im Rasen liegenden Lilieninseln aus Tagund Schwertlilien. Im Frühling präsentiert sich der steile, flächig bepflanzte Rhododendrenhang in abgestimmten Blütenfarben. Die Mauer ist hier grossflächig mit Wildem Wein Parthenocissus henryana und quinquefolia bepflanzt und soll im Herbst ein Farbenspektakel inszenieren. Über die unterste Rampentreppe erreicht man den Gemüse- und Kräutergarten mit dem unauffälligen Gärtnerlokal im Berg. Der Steilhang ist hier mit ausgesuchten Hortensien und dem immergrünen Storchschnabel Geranium cantabrigiense ‹Biokovo› als Bodendecker bepflanzt. Ansonsten ist der Hang überwiegend vom einheimischen Immergrün Vinca minor bedeckt, zu einem Drittel durch die weisse Sorte ‹Alba› aufgelockert.

Der Duft der Pflanzen war bei der Gestaltung ebenfalls ein wichtiges Thema. Entlang des Rundgangs finden sich Winterblüte Chimonanthus praecox, Duftblüte Osmanthus burkwoodii, Ölweide Elaeagnus angustifolia, Sternjasmin Trachelospermum jasminoides, Geissblatt Lonicera caprifolium, Lavendel Lavandula angustifolia und Orangenblume Choisya ternata.

Wenn ich an diesen Garten denke, dann fallen mir auch die bereichernden Gespräche mit den Auftraggebern ein. Und immer wieder kommt mir in der Erinnerung an die Stützmauern das Bibelgleichnis vom Hausbau auf dem Felsen in den Sinn.1 Ich bin sehr dankbar für die wertvollen Erfahrungen bei diesem ersten Projekt, das ich als freischaffender Landschaftsarchitekt realisiert habe.

anthos, Fr., 2012.09.14



verknüpfte Zeitschriften
anthos 2012/3 Privatgärten

Presseschau 12

14. September 2012Giorgio Aeberli
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Terrassengarten im Luganese

Die Gestaltung von Hanggrundstücken ist komplex und kann – auch bei ausreichender Erfahrung – nur in enger Zusammenarbeit mit Spezialisten gelingen, die gemeinsam mit den Bauherren an einem Strang ziehen.

Die Gestaltung von Hanggrundstücken ist komplex und kann – auch bei ausreichender Erfahrung – nur in enger Zusammenarbeit mit Spezialisten gelingen, die gemeinsam mit den Bauherren an einem Strang ziehen.

Mitte der 1980er-Jahre entstand in den Bergen bei Lugano am steilen Südhang eine private Villa. Erhaben in einer Baumlichtung plaziert, umgeben vom allgegenwärtigen Tessiner Kastanienwald. Ausgeführt im damals typischen Stil mit runden Bauformen und einem horizontalen Gebäudevolumen mit flacher, Cerilanggezogener Dachlandschaft. Nur der Garten blieb vernachlässigt, und daran wollten oder konnten auch die folgenden Eigentümer wenig ändern. Anders jedoch die heutigen Besitzer: Sie hatten von Anfang an eine Vision. Als ich sie kennenlernte, erzählten sie mir von der zentralen Stellung, die Musik in ihrem Leben einnimmt – ja, dass sie eine Berufung, eine Quelle der Freude und Erholung sei. Beide sind erfolgreiche Berufsmusiker, und durch ihr internationales Wirken haben sie viele Erinnerungen an ferne Länder, Kulturen und schöne Gärten. Sie wollten nun die Anlage aus ihrem bald 30-jährigen Dornröschenschlaf erwecken.

Skulpturale Stützmauern

Bereits zu Beginn der Planungsphase zeigte sich die Schwierigkeit, dass das gesamte Gelände unterhalb der Villa unentwegt talwärts rutschte. Ein geologisches Gutachten war erforderlich, und es mussten Sondierungsbohrungen durchgeführt werden, um die Mächtigkeit der rutschenden Bodenschicht zu definieren und den darunterliegenden Felsen zu lokalisieren.

Teilweise waren Bohrungen bis auf eine Tiefe von fünf Metern notwendig! Das Gutachten bestätigte, dass eine Hangstabilisierung nur durch im Felsen verankerte Stützmauern erreicht werden konnte.

Dies bedeutete ein aufwändiges Verfahren mit Mikropfählen, die jeweils zwei Meter tief im Felsen verankert werden mussten. Die erschwerte Zugänglichkeit der Baustelle, Schlechtwetter, Hangrutschungen bei Aushubarbeiten und die schwierige Bodenschichtung verlangten immer wieder Flexibilität bei allen Beteiligten, nicht zuletzt auch vom Bauherrn. Nach dem Motto «Stützmauer wird zur Skulptur», entschied er sich für eine anspruchsvolle, der Gebäudeform folgende, schwungvolle Lösung. Dabei sollten die Stützmauern bis zur vollen Höhe von etwa 2,50 Metern aus dem Hang herauswachsen und vollständig wieder in ihn hineinlaufen. So formten wir sanfte, langgezogene Rampentreppen mit einem bequem begehbaren Steigungsverhältnis, das direkt vor Ort festgelegt wurde. Den Rampen folgen filigrane Metallgeländer, in Anlehnung an den Bestand. Beim Palmenplatz gibt es ein Geländer mit vertikaler Stabfüllung, stellenweise verziert mit Musiknoten. Im unteren Gartenbereich wird das Geländer einfacher: ein Handlauf, zum Beranken mit Schlingpflanzen mit Drahtseilen unterspannt.

Erwähnenswert ist auch die Beleuchtung: Der Gehbelag soll nur bodennah erhellt werden, das Licht vom Boden her reflektieren, analog einer weissen Wolke am blauen Himmel. Ziel war es, die schöne Abendstimmung mit dem Spiel der Lichter im Tal nicht zu beeinträchtigen. Dazu entwickelten wir einen schlichten Lampenkörper.

Abwechslungsreiches Pflanzkonzept

Die beiden grundlegenden Elemente der Neugestaltung sind Stein in Weiss und Metall in Schwarz, die wir mit der Vegetation verbanden. In Zusammenarbeit mit meiner fachkundigen Berufskollegin Maria Chiara Cerinotti Ponzio erarbeiteten wir eine ebenso dekorative wie spielerische Pflanzidee.

Entlang der Grundstücksgrenze sowie des Rundwegs am Bach wachsen grösstenteils einheimische immergrüne Pflanzen mit Wildheckencharakter wie Stechpalme, Eibe, Buchs, Liguster und Mäusedorn Ruscus aculeatus. Ein etwas abgelegener Ruheplatz direkt am Bach – dieser ist über den Rundgang im Garten erreichbar – weilt unter den ausladenden Baumkronen alter Kastanien des angrenzenden Waldes. Im Sommer ist es hier angenehm kühl, zu Füssen liegt ein Teppich aus weissblühenden Astilben. Einige Orte bieten eine ganz besondere Atmosphäre, wie die bestehende «tea time»-Terrasse vor dem Haus, die wir in Ableitung der Teepflanze Camellia sinensis durch grosse Exemplare der herbstblühenden Kamelien Camellia sasanqua bereichert haben.

Angrenzend an das Schwimmbad und das Parterre erweitert der neue, grosszügige Vorplatz im Travertin- Look den Innenraum nach aussen. Am Fuss der obersten Rampentreppe liegt ein kleiner Kiesplatz mit einer Zierkirsche. Hier steht eine Sitzbank vor der Mauer, die zu einem Zwischenhalt vor dem Erreichen der runden Pergola einlädt, die malerisch vor einer frühlingsblühenden Kameliengruppe Camellia japonica liegt. Besondere Akzente setzen auf der mittleren Ebene die im Rasen liegenden Lilieninseln aus Tagund Schwertlilien. Im Frühling präsentiert sich der steile, flächig bepflanzte Rhododendrenhang in abgestimmten Blütenfarben. Die Mauer ist hier grossflächig mit Wildem Wein Parthenocissus henryana und quinquefolia bepflanzt und soll im Herbst ein Farbenspektakel inszenieren. Über die unterste Rampentreppe erreicht man den Gemüse- und Kräutergarten mit dem unauffälligen Gärtnerlokal im Berg. Der Steilhang ist hier mit ausgesuchten Hortensien und dem immergrünen Storchschnabel Geranium cantabrigiense ‹Biokovo› als Bodendecker bepflanzt. Ansonsten ist der Hang überwiegend vom einheimischen Immergrün Vinca minor bedeckt, zu einem Drittel durch die weisse Sorte ‹Alba› aufgelockert.

Der Duft der Pflanzen war bei der Gestaltung ebenfalls ein wichtiges Thema. Entlang des Rundgangs finden sich Winterblüte Chimonanthus praecox, Duftblüte Osmanthus burkwoodii, Ölweide Elaeagnus angustifolia, Sternjasmin Trachelospermum jasminoides, Geissblatt Lonicera caprifolium, Lavendel Lavandula angustifolia und Orangenblume Choisya ternata.

Wenn ich an diesen Garten denke, dann fallen mir auch die bereichernden Gespräche mit den Auftraggebern ein. Und immer wieder kommt mir in der Erinnerung an die Stützmauern das Bibelgleichnis vom Hausbau auf dem Felsen in den Sinn.1 Ich bin sehr dankbar für die wertvollen Erfahrungen bei diesem ersten Projekt, das ich als freischaffender Landschaftsarchitekt realisiert habe.

anthos, Fr., 2012.09.14



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