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23. Juli 2014Christian Hlavac
Erik Meinharter
dérive

Die grüne Nachkriegsmoderne 1

Wer heute durch den großen Donaupark im Norden Wiens spaziert, wird an einigen wenigen Stellen an die erste international ausgerichtete Gartenschau in...

Wer heute durch den großen Donaupark im Norden Wiens spaziert, wird an einigen wenigen Stellen an die erste international ausgerichtete Gartenschau in...

Wer heute durch den großen Donaupark im Norden Wiens spaziert, wird an einigen wenigen Stellen an die erste international ausgerichtete Gartenschau in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Dieser Park ist – im Vorhinein geplant – der im positiven Sinne verstandene Rest der 1964 gezeigten Wiener Internationale Gartenschau, kurz »WIG 64«.

Die unterschiedliche Rezeption der WIG 64 bringt der Direktor des Wien Museums, Wolfgang Kos, treffend in seinem Vorwort auf den Punkt: »Als wir im Museum über dieses Projekt diskutierten, zeigte sich, dass das Kürzel ›WIG 64‹ sehr unterschiedliche Assoziationen auslöst – entweder starke oder gar keine. Das hängt mit unterschiedlichen Erinnerungen zusammen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht in Wien aufgewachsen sind, verbinden keine persönlichen Erinnerungen mit der Gartenschau im heutigen Donaupark oder wissen gar nicht, dass im heute eher diffusen Gelände zwischen Donauturm, UNO- Zentrum und Donau City ein für Wiens Nachkriegsgeschichte wichtiges Ereignis stattfand. Menschen aus Wiener Familien, die seit zwei oder drei Generationen hier leben, reagieren dagegen sehr unmittelbar auf die Nennung der WIG 64, hat diese ›Garten- Weltausstellung‹ doch einen Platz in ihrer Erinnerung – sei es, weil Eltern und Großeltern davon erzählt haben, sei es, weil sie als Kinder mit dem Sessellift über Blumenbeete geschwebt sind oder zum ersten Mal eine legendäre Hollywood-Schaukel mit eigenen Augen gesehen haben.«

Die WIG 64 gehört – hier ist Wolfgang Kos zu folgen – zu jenen Großveranstaltungen der Ära des Wiederaufbaus und der Modernisierung, die noch von einem ungebrochenen Fortschrittsdenken geprägt war: »vergleichbar der Wiedereröffnung der Staatsoper und der Eröffnung der Opernpassage im Jahr 1955.«

Zahlreiche Autorinnen und Autoren widmen sich im Ausstellungskatalog in unterschiedlichen, relativ kurzen Beiträgen der Gartenschau und dem Donaupark, wobei die weitgehend in Vergessenheit geratene und teils verdrängte Vorgeschichte des Areals nicht ausgeblendet wird.

Die Schweizerin Annemarie Bucher spannt im ersten Text einen kurzweiligen Bogen vom Beginn von Gartenausstellungen im 19. Jahrhundert zu den mitteleuropäischen Gartenschauen im 20. Jahrhundert und stellt damit die WIG 64 in einen planerischen und gartenhistorischen Kontext. Martina Nußbaumer geht in ihrem Beitrag auf die Wiener Stadtplanung in den 1950er- und 1960er-Jahren ein, die noch stark von einer Funktionstrennung bzw. großräumigen Entmischung von Funktionen geprägt war, und setzt die WIG 64 in Bezug zum damals weit verbreiteten »Begehren der Nachkriegszeit nach Ordnung, Planbarkeit und Kontrollierbarkeit«. Mit der Geschichte des WIG 64/Donaupark-Areals vor 1964 beschäftigt sich Ulrike Krippner. Zu nennen sind hier die damals so wahrgenommenen »Un-Orte« Militär-schießstätte, städtische Mülldeponie und informelle Siedlungen. In einem Interview mit drei (ehemaligen) BewohnerInnen der Siedlung Bruckhaufen, die auch heute noch am Rande des Donauparks liegt, kommt eine individuelle Note in den Ausstellungskatalog.

Ulrike Krippner gibt einen groben Überblick auf die handelnden Personen bei der Gestaltung und die wichtigsten Teile des WIG-Geländes. Auf die Spuren der Berichterstattung zur WIG 64 in den Medien begibt sich Nicole Theresa Raab. Die Autorin schafft es im Text, den enormen Werbeaufwand für die Gartenschau deutlich zu machen.

Im Beitrag »Der Donauturm als Attraktion und Attrappe« fokussiert Andreas Nierhaus auf die Kritik am Sinn, an den Kosten und der Ausführung des Aussichtsturmes, der in 150 Meter Höhe eine neue Sicht auf Wien ermöglichte. Just 50 Jahre nach Eröffnung des Turms verlor der Donauturm sein Alleinstellungsmerkmal: Nur wenige hundert Meter entfernt wurde Anfang 2014 im DC Tower (am Rande des einstigen WIG-Geländes) in 207 Metern Höhe eine Aussichtsterrasse eröffnet, von der aus man auf den degradierten Donauturm hinunterblicken kann.

Nicole Theresa Raab widmet sich im anschließenden Beitrag der Frage, wieweit die USA in den 1960er-Jahren Einfluss auf die österreichischen Gärtnerei-Großbetriebe und somit auf den Privatgarten hatten. Einen pointierten kulturhistorischen Beitrag über ?die Hollywood-Schaukel, die auf dem WIG 64 Gelände als Sitzmöbel weit verbreitet war, liefert Peter Payer. Lilli Lic ?ka skizziert in aller Kürze die Entwicklung des Geländes – als Donaupark – in der Zeit nach 1964. In einem Interview mit einer Landschaftsarchitektin und einem Landschaftsarchitekten, die beide in den letzten Jahren im Donaupark aktiv tätig waren, wird über die einstigen und heutigen Qualitäten des Donauparks sowie die Notwendigkeiten für die Zukunft diskutiert. Es folgt ein kurzer Text von Helmut Neundlinger zur gegenwärtigen Nutzung des Donauparks. Abgeschlossen wird die Publikation mit dem Katalogteil.

Die Ausstellung und der Katalog sollen – so die Einleitung – die Gartenschau in den Kontext der planerischen Utopien nach 1945 stellen und nach den Intentionen und den konkreten städtebaulichen und soziokulturellen Auswirkungen dieses Großprojekts fragen. Dies gelingt in weiten Teilen. Ein Wermutstropfen bleibt: Auf die Diskussion über das »Soll und Ist« bei den hard facts der WIG 64 – hier sind vor allem die Besucherzahlen und die massive Kostenüberschreitung zu nennen – wird nicht eingegangen. Sie hätte unter anderem gezeigt, dass massive Kostenüberschreitungen bei Gartenschauen kein junges Phänomen sind. Leider wird im Katalogteil die Mär übernommen, der nationale, extrem kurz angesetzte Ideenwettbewerb für österreichische Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten hätte für die Stadtverwaltung »kein zufriedenstellendes Ergebnis« gebracht. Das Studium des Juryprotokolls lässt erahnen, dass der damalige Wiener Stadtgartendirektor die Gesamtplanung eher aus Eigennutz übernahm. Erst relativ spät kam – wie Ulrike Krippner richtig festhält – Kritik am »Amtsprojekt« WIG 64 auf.

Hoch anzurechnen ist den HerausgeberInnen und AusstellungsmacherInnen, dass sie sich dem Thema der Grünflächen nach 1945 am Beispiel des Donauparks angenommen haben. Dass die Ausstellung und der Katalog nicht den Raum haben, um weitere Details zur Gartenschau zu präsentieren, ist ein Wermutstropfen. Hilfreich für die Forschung zur »grünen Nachkriegsmoderne« ist neben den zahlreichen Fotos jedenfalls die Auflistung aller beteiligten Gartenarchitektinnen (sic!) und Gartenarchitekten, ArchitektInnen sowie KünstlerInnen. Spätestens zum Jubiläum »50 Jahre Wiener Internationale Gartenschau 1974 [sic!]« wird man auf diese wieder zurückgreifen.


Die grüne Nachkriegsmoderne 2
Die Ausstellung

Ein Park, ein Raum. Aus Anlass ihres 50-jährigen Geburtstags wird der Wiener Internationalen Gartenschau 1964 eine Ausstellung im Wien Museum gewidmet. Die Geschichte und Gegenwart der WIG 64, welche mit dem Donaupark einen der größten Parks Wiens hinterlassen hat, wurde in einem Raum verdichtet. Aufgrund der Vielfältigkeit der Exponate und Medien erschließt sich jedoch selbst in diesem kleinen Raum die vielschichtige Vergangenheit eines der größten Freiräume Wiens. Die Runde im Uhrzeigersinn führt vom Gestern ins Heute. In einem Pult präsentierte Exponate aus dem Archiv des Wien Museums und des Gartenbaumuseums ergänzen die historischen Informationen mit sehr persönlichen Eindrücken. Originaldokumente – wie die Brettldorfer Zeitung – zeigen die Situation der BewohnerInnen des Brettldorfes, einer informellen Siedlung, welche sich nach 1945 in direkter Nachbarschaft einer Müllhalde befand. Das ausgestellte Typoskript der Ansprache des damaligen Bundespräsidenten Schärf zeigt, wie selbst diese für damalige Zeiten nüchterne Parkgestaltung auf einer Müllhalde für den Vergleich mit dem religiösen Ideal des Paradieses in Gebrauch genommen werden konnte. Die WIG 64-Bierdeckel und der Donauturmkugelschreiber vermitteln die bis heute angewandten Strategien der Vermarktung von Großprojekten. In der Mitte des Raumes geben Originalmöblierungen wie die Bogenleuchte von Carl Auböck einen Eindruck der durch diese Gartenschau vermittelten Modernität. Die bespannten Metallgartenmöbel, welche sich seit kurzem auch wieder in den Katalogen der Gartenmöbelhersteller präsentieren, verweisen auf die derzeitige Aktualisierung des Designs der 60er Jahre. Die gezeigten Filmdokumente verbinden auf intelligente Weise die Zeitabschnitte. Sie reichen von Werbefilmen über Found-Footage-Aufnahmen damaliger BesucherInnen bis zu einer extra für die Ausstellung produzierten Dokumentation der gegenwärtigen Nutzungen. Dieser Film bietet ausgewählte Einblicke in den Alltag im Park. Die nach 1964 vorgenommenen Adaptierungen, z.B. im Bereich der Sportangebote, werden so sichtbar. Deutlich wird, dass der bestehende Park aufgrund seiner Größe unterschiedlichste NutzerInnen, vom 90-jährigen Schachspieler bis zum mit Langzeitarbeitslosen Tennis spielenden Investmentbanker Raum zur Begegnung bietet. Welche Veränderungen der Park auch in den 50 Jahren seines Bestehens durchlaufen hat und noch werden wird, ob die zukünftigen Veränderungen geplant – wie mittels Parkpflegewerken in aktuelleren Beispielen der Bundesgartenschauen in Deutschland (München, Berlin, Potsdam) – oder als Stückwerk erfolgen werden, ist noch offen und wird den BesucherInnen als offen stehende Frage präsentiert. Die NutzerInnen werden ihren Raum im Park finden und die BesucherInnen der Ausstellung werden angeregt aus dem Raum im Museum auch wieder den Donaupark zu besuchen und dort selbst im Raum tätig zu werden.


Ulrike Krippner, Lilli Licka, Martina Nußbaumer (Hg.)
WIG 64. Die grüne Nachkriegsmoderne Wien
Metroverlag, 2014
160 Seiten, 24 Euro

dérive, Mi., 2014.07.23



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dérive 56 Smart Cities

14. September 2012Christian Hlavac
anthos

Der Wiener wollte selbst einen Garten

Im Herbst 2012 feiert der erste von Bürgern für Bürger errichtete Wiener Park sein 150-Jahre-Jubiläum. Der Stadtpark war der erste «Privatgarten» für das (Klein-)Bürgertum in der Residenzstadt Wien.

Im Herbst 2012 feiert der erste von Bürgern für Bürger errichtete Wiener Park sein 150-Jahre-Jubiläum. Der Stadtpark war der erste «Privatgarten» für das (Klein-)Bürgertum in der Residenzstadt Wien.

Unter Kaiser Joseph II. (1741–1790) wurden mit dem Prater und dem Augarten zwei kaiserliche Gartenanlagen für die Öffentlichkeit zugänglich. Weniger bekannt ist, dass einige wenige adelige und grossbürgerliche Gärten in Wien und dem Umland bereits ab den 1770er-Jahren geöffnet waren. Die aufgeklärten Besitzer erlaubten «distinguierten und reinlichen» Personen den Zutritt. Der Liechtensteinpark mit dem Palais Liechtenstein gilt noch heute als Beispiel für einen adeligen Garten, der – obwohl im Privatbesitz – unentgeltlich offen stand.

Wenn wir von diesen Fällen absehen, existierten bis in die 1860er-Jahre keine frei zugänglichen Gärten und Parks in der Haupt- und Residenzstadt. Es gab einerseits keinen Platz in der mittelalterlich geprägten Stadt, andererseits lagen die grossen spätbarocken Palaisgärten ausserhalb, am Rande des Glacis. Erst vor 150 Jahren änderte sich diese Situation mit der Errichtung des ersten öffentlichen Stadtparks. Obwohl – unausgesprochen – nur für das städtische Bürgertum geschaffen, stellte er den ersten Privatpark für den «einfachen Mann» (Kleinbürgertum) dar.

Stadtwachstum als Chance

Im Vergleich zu anderen Grossstädten Europas wurde Wien relativ spät entfestigt. Die räumliche Sprengung Mitte des 19. Jahrhunderts war nicht nur der Beginn der städtebaulichen Verbindung der Stadt mit den Vorstädten, sondern ermöglichte auch die Errichtung von grossen öffentlichen Park- und Gartenanlagen am Rande der dichtbebauten Stadt. Obwohl diese Anlagen am ehemaligen Befestigungsgürtel rechtlich-faktisch vom Kaiser initiiert wurden, stehen sie für das grösser werdende Selbstbewusstsein des Bürgertums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das sich auch in der Gartenanlage ausdrückte. 1857 forderte Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) grundlegende Vorschläge für eine Stadterweiterung auf Basis der Auflassung der Stadtbefestigung. Die zu errichtende Ringstrasse rund um die innere Stadt sollte «eine angemessene Einfassung von Gebäuden abwechselnd mit freien, zu Gartenanlagen bestimmten Plätzen» erhalten. Mit dem Beschluss der Schleifung der Befestigungsanlagen wurden neu zu planende Grünflächen als teilweiser Ersatz für das vor der Stadt liegende, unverbaute und von der Bevölkerung gut besuchte Glacis vorgesehen.

Die erste dieser neuen öffentlichen Grünanlagen war der Stadtpark auf der Fläche des ehemaligen «Wasserglacis». Wien erhielt das rund 94 000 Quadratmeter grosse Areal 1860 unter der Bedingung geschenkt, auf dieser Fläche auf eigene Kosten rasch einen öffentlichen Garten anzulegen, der «zu keiner Zeit seiner Widmung für die Bevölkerung entzogen werden» dürfe.

Der Entwurf

Im August 1861 lagen der Stadterweiterungskommission mehrere Entwürfe von eingeladenen Fachleuten für den Stadtpark vor. Man suchte einen «echten Communalgarten, einen allen Wienern gehörenden, einen wahren Volksgarten», wobei bereits im Vorfeld die Anlage eines Parks nach «englischer Manier» festgelegt worden war. Das Ergebnis der Beratung war, dass eine Planskizze des Landschaftsmalers (!) Joseph Selleny dem Gemeinderat zur Annahme empfohlen wurde. Die Bedenken gegen einzelne Details waren jedoch so gross, dass man die öffentliche Ausstellung der Skizze beschloss, um das «Urtheil des Publicums und der Journale zu hören», wie es in einem anonymen Zeitungsbericht Ende 1861 heisst.

Der Planentwurf von Selleny wurde von den Kommentatoren ebenso gelobt wie kritisiert. So hiess es anonym in der Wiener Zeitung: «Was die Wiener verlangen, ist, dass der freie Raum (…) mit breiten schattigen Alleen oder Laubgängen bepflanzt, mit frischen, sorgfältig zu pflegenden Rasen belegt und mit einem grossen Tummelplatz für Kinder ausgestattet werde. Alles Übrige ist unpassende Spielerei, die in einen Privat-Park gehört, wo der Besitzer seinen Launen freien Lauf lassen kann.» Nach intensiven Debatten akzeptierte der Wiener Gemeinderat den Entwurf Sellenys unter der Bedingung, einige Änderungen vorzunehmen.

Der Leipziger Rudolph Siebeck, der eigens für den Stadtpark provisorisch als «Stadtgärtner» eingestellt wurde, erstellte auf Sellenys Grundlage neue Pläne. Siebeck hielt am grundsätzlichen Entwurf fest, reduzierte jedoch den kleinteiligen, zu dicht mit Bäumen und Sträuchern gefüllten und von Dutzenden Nebenwegen durchschnittenen Landschaftsgarten. Die Bauarbeiten im Stadtpark liefen 1862 an, der Grossteil der Anlage war Ende August der Öffentlichkeit zugänglich.

Die zeitgenössische Kritik

Trotz der heftigen Diskussionen im Vorfeld der Planung wurde die Grünanlage in den folgenden Jahren positiv rezipiert. Einschränkend gilt – wie in jeder Rezeptionsgeschichte –, dass wir von Angehörigen mancher Besucherschichten keine schriftlichen Äusserungen besitzen. So sind wir vor allem auf die Texte in Zeitungen und Aussagen von Bildungsbürgern angewiesen.

Drei Jahre nach Übergabe der Grünanlage meinte beispielsweise Karl Weiss: «Die Anlage ist ein vielbesuchter Ort der Wiener geworden, welche sich aus allen Stadtteilen dahin flüchten, um den Park als erquickenden Erholungsort zu geniessen.» Für ihn war beim Stadtpark «die Idee vorherrschend, der Anlage den freundlichen Charakter eines Ziergartens zu geben». In der Allgemeinen Bauzeitung hiess es 1872: «Immer mehr gestaltet sich durch das Heranwachsen der Bäume und Gesträuche (…) diese wohlthätige grüne Oase in der steinigen Umgebung zu einem gesuchten Erholungsplatze der Bevölkerung.» Wie sich bei diesen und anderen Texten zeigt, wurde der Stadtpark als Erholungsort, als Natursanatorium für die Menschen gesehen, obwohl der Stadtpark auch als Sportfläche genutzt wurde: Im Winter 1867 gab man den Teich als Eislaufplatz frei. Arthur Roessler beschrieb 1909 die fortschreitende gesellschaftliche Durchmischung des Publikums im Stadtpark: «Dieser ist der bevorzugte Garten der Wiener Plutokratie. Auf dem erhöhten Plateau vor dem Kursalon (…) pflegen während der schönen Jahreszeit die Frauen der Bankdirektoren, Grossindustriellen, Verwaltungsräte und erfolgreichen Börseaner mit ihren Kindern die ‹Jause› einzunehmen. (…) Hier ruhen aber auch während der Mittagsstunden die ‹Stellenlosen› ein wenig von den Strapazen aus, die ihnen das stundenlange Stehen und bange Warten auf dem improvisierten ‹Stellenmarkt› in der Schulerstrasse und den umliegenden Gässchen verursachen. Hierher kommen die alten Pensionisten und Rentner von der Landstrasse, die jungen Kunstgewerbeschüler von dem nahen Museum am Stubenring, postenlose Gouvernanten und Hauslehrer.»

Die Weckung der Sehnsucht

In Kontinentaleuropa war in vielen Fällen der zentrale Anlass für die Errichtung von neuen Grünanlagen in Städten die fehlende, weil überflüssige Nutzung und spätere Abtragung der mittelalterlichen Befestigungssysteme. Diese neu gewonnenen Freiräume für die «gesitteten» bürgerlichen Schichten wurden vom Herrscher «verschönert». Die Volksgärten dienten nicht mehr ausschliesslich dem Amüsement, sondern bezweckten auch die Erziehung des Volkes. Der nächste Schritt war ein nach der Revolution von 1848 naheliegender: Das Bürgertum schuf sich auf eigene Kosten seine eigene Parkanlage. Der Wiener Stadtpark sollte diese aufstrebende Gesellschaftsschicht repräsentieren. Er steht am Beginn der Errichtung von Stadtparks und Stadtteilparks durch die Bürgervertreter für die Bürger. Schliesslich ist er ein bedeutender Vorläufer des mittelständischen Privatgartens: Der Stadtpark sowie jene adeligen und kaiserlichen Gärten, die für die breite Öffentlichkeit schon im 18. und 19. Jahrhundert geöffnet wurden, weckten in der Mittelschicht die Sehnsucht nach einem eigenen Garten in der rasch wachsenden Stadt Wien.


Literatur: Berger, Eva; Gälzer, Ralph: Parkpflegekonzept Stadtpark Wien. TU Wien, 1989. Hlavac, Christian: 150 Jahre Wiener Stadtpark. In: Wiener Geschichtsblätter. 66. Jg., Heft 2 / 2012 (in Druck).

anthos, Fr., 2012.09.14



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anthos 2012/3 Privatgärten

Presseschau 12

23. Juli 2014Christian Hlavac
Erik Meinharter
dérive

Die grüne Nachkriegsmoderne 1

Wer heute durch den großen Donaupark im Norden Wiens spaziert, wird an einigen wenigen Stellen an die erste international ausgerichtete Gartenschau in...

Wer heute durch den großen Donaupark im Norden Wiens spaziert, wird an einigen wenigen Stellen an die erste international ausgerichtete Gartenschau in...

Wer heute durch den großen Donaupark im Norden Wiens spaziert, wird an einigen wenigen Stellen an die erste international ausgerichtete Gartenschau in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Dieser Park ist – im Vorhinein geplant – der im positiven Sinne verstandene Rest der 1964 gezeigten Wiener Internationale Gartenschau, kurz »WIG 64«.

Die unterschiedliche Rezeption der WIG 64 bringt der Direktor des Wien Museums, Wolfgang Kos, treffend in seinem Vorwort auf den Punkt: »Als wir im Museum über dieses Projekt diskutierten, zeigte sich, dass das Kürzel ›WIG 64‹ sehr unterschiedliche Assoziationen auslöst – entweder starke oder gar keine. Das hängt mit unterschiedlichen Erinnerungen zusammen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht in Wien aufgewachsen sind, verbinden keine persönlichen Erinnerungen mit der Gartenschau im heutigen Donaupark oder wissen gar nicht, dass im heute eher diffusen Gelände zwischen Donauturm, UNO- Zentrum und Donau City ein für Wiens Nachkriegsgeschichte wichtiges Ereignis stattfand. Menschen aus Wiener Familien, die seit zwei oder drei Generationen hier leben, reagieren dagegen sehr unmittelbar auf die Nennung der WIG 64, hat diese ›Garten- Weltausstellung‹ doch einen Platz in ihrer Erinnerung – sei es, weil Eltern und Großeltern davon erzählt haben, sei es, weil sie als Kinder mit dem Sessellift über Blumenbeete geschwebt sind oder zum ersten Mal eine legendäre Hollywood-Schaukel mit eigenen Augen gesehen haben.«

Die WIG 64 gehört – hier ist Wolfgang Kos zu folgen – zu jenen Großveranstaltungen der Ära des Wiederaufbaus und der Modernisierung, die noch von einem ungebrochenen Fortschrittsdenken geprägt war: »vergleichbar der Wiedereröffnung der Staatsoper und der Eröffnung der Opernpassage im Jahr 1955.«

Zahlreiche Autorinnen und Autoren widmen sich im Ausstellungskatalog in unterschiedlichen, relativ kurzen Beiträgen der Gartenschau und dem Donaupark, wobei die weitgehend in Vergessenheit geratene und teils verdrängte Vorgeschichte des Areals nicht ausgeblendet wird.

Die Schweizerin Annemarie Bucher spannt im ersten Text einen kurzweiligen Bogen vom Beginn von Gartenausstellungen im 19. Jahrhundert zu den mitteleuropäischen Gartenschauen im 20. Jahrhundert und stellt damit die WIG 64 in einen planerischen und gartenhistorischen Kontext. Martina Nußbaumer geht in ihrem Beitrag auf die Wiener Stadtplanung in den 1950er- und 1960er-Jahren ein, die noch stark von einer Funktionstrennung bzw. großräumigen Entmischung von Funktionen geprägt war, und setzt die WIG 64 in Bezug zum damals weit verbreiteten »Begehren der Nachkriegszeit nach Ordnung, Planbarkeit und Kontrollierbarkeit«. Mit der Geschichte des WIG 64/Donaupark-Areals vor 1964 beschäftigt sich Ulrike Krippner. Zu nennen sind hier die damals so wahrgenommenen »Un-Orte« Militär-schießstätte, städtische Mülldeponie und informelle Siedlungen. In einem Interview mit drei (ehemaligen) BewohnerInnen der Siedlung Bruckhaufen, die auch heute noch am Rande des Donauparks liegt, kommt eine individuelle Note in den Ausstellungskatalog.

Ulrike Krippner gibt einen groben Überblick auf die handelnden Personen bei der Gestaltung und die wichtigsten Teile des WIG-Geländes. Auf die Spuren der Berichterstattung zur WIG 64 in den Medien begibt sich Nicole Theresa Raab. Die Autorin schafft es im Text, den enormen Werbeaufwand für die Gartenschau deutlich zu machen.

Im Beitrag »Der Donauturm als Attraktion und Attrappe« fokussiert Andreas Nierhaus auf die Kritik am Sinn, an den Kosten und der Ausführung des Aussichtsturmes, der in 150 Meter Höhe eine neue Sicht auf Wien ermöglichte. Just 50 Jahre nach Eröffnung des Turms verlor der Donauturm sein Alleinstellungsmerkmal: Nur wenige hundert Meter entfernt wurde Anfang 2014 im DC Tower (am Rande des einstigen WIG-Geländes) in 207 Metern Höhe eine Aussichtsterrasse eröffnet, von der aus man auf den degradierten Donauturm hinunterblicken kann.

Nicole Theresa Raab widmet sich im anschließenden Beitrag der Frage, wieweit die USA in den 1960er-Jahren Einfluss auf die österreichischen Gärtnerei-Großbetriebe und somit auf den Privatgarten hatten. Einen pointierten kulturhistorischen Beitrag über ?die Hollywood-Schaukel, die auf dem WIG 64 Gelände als Sitzmöbel weit verbreitet war, liefert Peter Payer. Lilli Lic ?ka skizziert in aller Kürze die Entwicklung des Geländes – als Donaupark – in der Zeit nach 1964. In einem Interview mit einer Landschaftsarchitektin und einem Landschaftsarchitekten, die beide in den letzten Jahren im Donaupark aktiv tätig waren, wird über die einstigen und heutigen Qualitäten des Donauparks sowie die Notwendigkeiten für die Zukunft diskutiert. Es folgt ein kurzer Text von Helmut Neundlinger zur gegenwärtigen Nutzung des Donauparks. Abgeschlossen wird die Publikation mit dem Katalogteil.

Die Ausstellung und der Katalog sollen – so die Einleitung – die Gartenschau in den Kontext der planerischen Utopien nach 1945 stellen und nach den Intentionen und den konkreten städtebaulichen und soziokulturellen Auswirkungen dieses Großprojekts fragen. Dies gelingt in weiten Teilen. Ein Wermutstropfen bleibt: Auf die Diskussion über das »Soll und Ist« bei den hard facts der WIG 64 – hier sind vor allem die Besucherzahlen und die massive Kostenüberschreitung zu nennen – wird nicht eingegangen. Sie hätte unter anderem gezeigt, dass massive Kostenüberschreitungen bei Gartenschauen kein junges Phänomen sind. Leider wird im Katalogteil die Mär übernommen, der nationale, extrem kurz angesetzte Ideenwettbewerb für österreichische Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten hätte für die Stadtverwaltung »kein zufriedenstellendes Ergebnis« gebracht. Das Studium des Juryprotokolls lässt erahnen, dass der damalige Wiener Stadtgartendirektor die Gesamtplanung eher aus Eigennutz übernahm. Erst relativ spät kam – wie Ulrike Krippner richtig festhält – Kritik am »Amtsprojekt« WIG 64 auf.

Hoch anzurechnen ist den HerausgeberInnen und AusstellungsmacherInnen, dass sie sich dem Thema der Grünflächen nach 1945 am Beispiel des Donauparks angenommen haben. Dass die Ausstellung und der Katalog nicht den Raum haben, um weitere Details zur Gartenschau zu präsentieren, ist ein Wermutstropfen. Hilfreich für die Forschung zur »grünen Nachkriegsmoderne« ist neben den zahlreichen Fotos jedenfalls die Auflistung aller beteiligten Gartenarchitektinnen (sic!) und Gartenarchitekten, ArchitektInnen sowie KünstlerInnen. Spätestens zum Jubiläum »50 Jahre Wiener Internationale Gartenschau 1974 [sic!]« wird man auf diese wieder zurückgreifen.


Die grüne Nachkriegsmoderne 2
Die Ausstellung

Ein Park, ein Raum. Aus Anlass ihres 50-jährigen Geburtstags wird der Wiener Internationalen Gartenschau 1964 eine Ausstellung im Wien Museum gewidmet. Die Geschichte und Gegenwart der WIG 64, welche mit dem Donaupark einen der größten Parks Wiens hinterlassen hat, wurde in einem Raum verdichtet. Aufgrund der Vielfältigkeit der Exponate und Medien erschließt sich jedoch selbst in diesem kleinen Raum die vielschichtige Vergangenheit eines der größten Freiräume Wiens. Die Runde im Uhrzeigersinn führt vom Gestern ins Heute. In einem Pult präsentierte Exponate aus dem Archiv des Wien Museums und des Gartenbaumuseums ergänzen die historischen Informationen mit sehr persönlichen Eindrücken. Originaldokumente – wie die Brettldorfer Zeitung – zeigen die Situation der BewohnerInnen des Brettldorfes, einer informellen Siedlung, welche sich nach 1945 in direkter Nachbarschaft einer Müllhalde befand. Das ausgestellte Typoskript der Ansprache des damaligen Bundespräsidenten Schärf zeigt, wie selbst diese für damalige Zeiten nüchterne Parkgestaltung auf einer Müllhalde für den Vergleich mit dem religiösen Ideal des Paradieses in Gebrauch genommen werden konnte. Die WIG 64-Bierdeckel und der Donauturmkugelschreiber vermitteln die bis heute angewandten Strategien der Vermarktung von Großprojekten. In der Mitte des Raumes geben Originalmöblierungen wie die Bogenleuchte von Carl Auböck einen Eindruck der durch diese Gartenschau vermittelten Modernität. Die bespannten Metallgartenmöbel, welche sich seit kurzem auch wieder in den Katalogen der Gartenmöbelhersteller präsentieren, verweisen auf die derzeitige Aktualisierung des Designs der 60er Jahre. Die gezeigten Filmdokumente verbinden auf intelligente Weise die Zeitabschnitte. Sie reichen von Werbefilmen über Found-Footage-Aufnahmen damaliger BesucherInnen bis zu einer extra für die Ausstellung produzierten Dokumentation der gegenwärtigen Nutzungen. Dieser Film bietet ausgewählte Einblicke in den Alltag im Park. Die nach 1964 vorgenommenen Adaptierungen, z.B. im Bereich der Sportangebote, werden so sichtbar. Deutlich wird, dass der bestehende Park aufgrund seiner Größe unterschiedlichste NutzerInnen, vom 90-jährigen Schachspieler bis zum mit Langzeitarbeitslosen Tennis spielenden Investmentbanker Raum zur Begegnung bietet. Welche Veränderungen der Park auch in den 50 Jahren seines Bestehens durchlaufen hat und noch werden wird, ob die zukünftigen Veränderungen geplant – wie mittels Parkpflegewerken in aktuelleren Beispielen der Bundesgartenschauen in Deutschland (München, Berlin, Potsdam) – oder als Stückwerk erfolgen werden, ist noch offen und wird den BesucherInnen als offen stehende Frage präsentiert. Die NutzerInnen werden ihren Raum im Park finden und die BesucherInnen der Ausstellung werden angeregt aus dem Raum im Museum auch wieder den Donaupark zu besuchen und dort selbst im Raum tätig zu werden.


Ulrike Krippner, Lilli Licka, Martina Nußbaumer (Hg.)
WIG 64. Die grüne Nachkriegsmoderne Wien
Metroverlag, 2014
160 Seiten, 24 Euro

dérive, Mi., 2014.07.23



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14. September 2012Christian Hlavac
anthos

Der Wiener wollte selbst einen Garten

Im Herbst 2012 feiert der erste von Bürgern für Bürger errichtete Wiener Park sein 150-Jahre-Jubiläum. Der Stadtpark war der erste «Privatgarten» für das (Klein-)Bürgertum in der Residenzstadt Wien.

Im Herbst 2012 feiert der erste von Bürgern für Bürger errichtete Wiener Park sein 150-Jahre-Jubiläum. Der Stadtpark war der erste «Privatgarten» für das (Klein-)Bürgertum in der Residenzstadt Wien.

Unter Kaiser Joseph II. (1741–1790) wurden mit dem Prater und dem Augarten zwei kaiserliche Gartenanlagen für die Öffentlichkeit zugänglich. Weniger bekannt ist, dass einige wenige adelige und grossbürgerliche Gärten in Wien und dem Umland bereits ab den 1770er-Jahren geöffnet waren. Die aufgeklärten Besitzer erlaubten «distinguierten und reinlichen» Personen den Zutritt. Der Liechtensteinpark mit dem Palais Liechtenstein gilt noch heute als Beispiel für einen adeligen Garten, der – obwohl im Privatbesitz – unentgeltlich offen stand.

Wenn wir von diesen Fällen absehen, existierten bis in die 1860er-Jahre keine frei zugänglichen Gärten und Parks in der Haupt- und Residenzstadt. Es gab einerseits keinen Platz in der mittelalterlich geprägten Stadt, andererseits lagen die grossen spätbarocken Palaisgärten ausserhalb, am Rande des Glacis. Erst vor 150 Jahren änderte sich diese Situation mit der Errichtung des ersten öffentlichen Stadtparks. Obwohl – unausgesprochen – nur für das städtische Bürgertum geschaffen, stellte er den ersten Privatpark für den «einfachen Mann» (Kleinbürgertum) dar.

Stadtwachstum als Chance

Im Vergleich zu anderen Grossstädten Europas wurde Wien relativ spät entfestigt. Die räumliche Sprengung Mitte des 19. Jahrhunderts war nicht nur der Beginn der städtebaulichen Verbindung der Stadt mit den Vorstädten, sondern ermöglichte auch die Errichtung von grossen öffentlichen Park- und Gartenanlagen am Rande der dichtbebauten Stadt. Obwohl diese Anlagen am ehemaligen Befestigungsgürtel rechtlich-faktisch vom Kaiser initiiert wurden, stehen sie für das grösser werdende Selbstbewusstsein des Bürgertums in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das sich auch in der Gartenanlage ausdrückte. 1857 forderte Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) grundlegende Vorschläge für eine Stadterweiterung auf Basis der Auflassung der Stadtbefestigung. Die zu errichtende Ringstrasse rund um die innere Stadt sollte «eine angemessene Einfassung von Gebäuden abwechselnd mit freien, zu Gartenanlagen bestimmten Plätzen» erhalten. Mit dem Beschluss der Schleifung der Befestigungsanlagen wurden neu zu planende Grünflächen als teilweiser Ersatz für das vor der Stadt liegende, unverbaute und von der Bevölkerung gut besuchte Glacis vorgesehen.

Die erste dieser neuen öffentlichen Grünanlagen war der Stadtpark auf der Fläche des ehemaligen «Wasserglacis». Wien erhielt das rund 94 000 Quadratmeter grosse Areal 1860 unter der Bedingung geschenkt, auf dieser Fläche auf eigene Kosten rasch einen öffentlichen Garten anzulegen, der «zu keiner Zeit seiner Widmung für die Bevölkerung entzogen werden» dürfe.

Der Entwurf

Im August 1861 lagen der Stadterweiterungskommission mehrere Entwürfe von eingeladenen Fachleuten für den Stadtpark vor. Man suchte einen «echten Communalgarten, einen allen Wienern gehörenden, einen wahren Volksgarten», wobei bereits im Vorfeld die Anlage eines Parks nach «englischer Manier» festgelegt worden war. Das Ergebnis der Beratung war, dass eine Planskizze des Landschaftsmalers (!) Joseph Selleny dem Gemeinderat zur Annahme empfohlen wurde. Die Bedenken gegen einzelne Details waren jedoch so gross, dass man die öffentliche Ausstellung der Skizze beschloss, um das «Urtheil des Publicums und der Journale zu hören», wie es in einem anonymen Zeitungsbericht Ende 1861 heisst.

Der Planentwurf von Selleny wurde von den Kommentatoren ebenso gelobt wie kritisiert. So hiess es anonym in der Wiener Zeitung: «Was die Wiener verlangen, ist, dass der freie Raum (…) mit breiten schattigen Alleen oder Laubgängen bepflanzt, mit frischen, sorgfältig zu pflegenden Rasen belegt und mit einem grossen Tummelplatz für Kinder ausgestattet werde. Alles Übrige ist unpassende Spielerei, die in einen Privat-Park gehört, wo der Besitzer seinen Launen freien Lauf lassen kann.» Nach intensiven Debatten akzeptierte der Wiener Gemeinderat den Entwurf Sellenys unter der Bedingung, einige Änderungen vorzunehmen.

Der Leipziger Rudolph Siebeck, der eigens für den Stadtpark provisorisch als «Stadtgärtner» eingestellt wurde, erstellte auf Sellenys Grundlage neue Pläne. Siebeck hielt am grundsätzlichen Entwurf fest, reduzierte jedoch den kleinteiligen, zu dicht mit Bäumen und Sträuchern gefüllten und von Dutzenden Nebenwegen durchschnittenen Landschaftsgarten. Die Bauarbeiten im Stadtpark liefen 1862 an, der Grossteil der Anlage war Ende August der Öffentlichkeit zugänglich.

Die zeitgenössische Kritik

Trotz der heftigen Diskussionen im Vorfeld der Planung wurde die Grünanlage in den folgenden Jahren positiv rezipiert. Einschränkend gilt – wie in jeder Rezeptionsgeschichte –, dass wir von Angehörigen mancher Besucherschichten keine schriftlichen Äusserungen besitzen. So sind wir vor allem auf die Texte in Zeitungen und Aussagen von Bildungsbürgern angewiesen.

Drei Jahre nach Übergabe der Grünanlage meinte beispielsweise Karl Weiss: «Die Anlage ist ein vielbesuchter Ort der Wiener geworden, welche sich aus allen Stadtteilen dahin flüchten, um den Park als erquickenden Erholungsort zu geniessen.» Für ihn war beim Stadtpark «die Idee vorherrschend, der Anlage den freundlichen Charakter eines Ziergartens zu geben». In der Allgemeinen Bauzeitung hiess es 1872: «Immer mehr gestaltet sich durch das Heranwachsen der Bäume und Gesträuche (…) diese wohlthätige grüne Oase in der steinigen Umgebung zu einem gesuchten Erholungsplatze der Bevölkerung.» Wie sich bei diesen und anderen Texten zeigt, wurde der Stadtpark als Erholungsort, als Natursanatorium für die Menschen gesehen, obwohl der Stadtpark auch als Sportfläche genutzt wurde: Im Winter 1867 gab man den Teich als Eislaufplatz frei. Arthur Roessler beschrieb 1909 die fortschreitende gesellschaftliche Durchmischung des Publikums im Stadtpark: «Dieser ist der bevorzugte Garten der Wiener Plutokratie. Auf dem erhöhten Plateau vor dem Kursalon (…) pflegen während der schönen Jahreszeit die Frauen der Bankdirektoren, Grossindustriellen, Verwaltungsräte und erfolgreichen Börseaner mit ihren Kindern die ‹Jause› einzunehmen. (…) Hier ruhen aber auch während der Mittagsstunden die ‹Stellenlosen› ein wenig von den Strapazen aus, die ihnen das stundenlange Stehen und bange Warten auf dem improvisierten ‹Stellenmarkt› in der Schulerstrasse und den umliegenden Gässchen verursachen. Hierher kommen die alten Pensionisten und Rentner von der Landstrasse, die jungen Kunstgewerbeschüler von dem nahen Museum am Stubenring, postenlose Gouvernanten und Hauslehrer.»

Die Weckung der Sehnsucht

In Kontinentaleuropa war in vielen Fällen der zentrale Anlass für die Errichtung von neuen Grünanlagen in Städten die fehlende, weil überflüssige Nutzung und spätere Abtragung der mittelalterlichen Befestigungssysteme. Diese neu gewonnenen Freiräume für die «gesitteten» bürgerlichen Schichten wurden vom Herrscher «verschönert». Die Volksgärten dienten nicht mehr ausschliesslich dem Amüsement, sondern bezweckten auch die Erziehung des Volkes. Der nächste Schritt war ein nach der Revolution von 1848 naheliegender: Das Bürgertum schuf sich auf eigene Kosten seine eigene Parkanlage. Der Wiener Stadtpark sollte diese aufstrebende Gesellschaftsschicht repräsentieren. Er steht am Beginn der Errichtung von Stadtparks und Stadtteilparks durch die Bürgervertreter für die Bürger. Schliesslich ist er ein bedeutender Vorläufer des mittelständischen Privatgartens: Der Stadtpark sowie jene adeligen und kaiserlichen Gärten, die für die breite Öffentlichkeit schon im 18. und 19. Jahrhundert geöffnet wurden, weckten in der Mittelschicht die Sehnsucht nach einem eigenen Garten in der rasch wachsenden Stadt Wien.


Literatur: Berger, Eva; Gälzer, Ralph: Parkpflegekonzept Stadtpark Wien. TU Wien, 1989. Hlavac, Christian: 150 Jahre Wiener Stadtpark. In: Wiener Geschichtsblätter. 66. Jg., Heft 2 / 2012 (in Druck).

anthos, Fr., 2012.09.14



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