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Texte

09. Dezember 2014Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Ohne städtebauliche Debatte

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wollte Wien seine einstige Position als Verkehrsdrehscheibe Mitteleuropas erneuern. Der ohne ausreichende Verkehrsanbindung an die Peripherie verbannte neue Hauptbahnhof kann diese Erwartungen nicht erfüllen. Der Bau ist eine Shoppingmall mit Haltestellenfunktion.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wollte Wien seine einstige Position als Verkehrsdrehscheibe Mitteleuropas erneuern. Der ohne ausreichende Verkehrsanbindung an die Peripherie verbannte neue Hauptbahnhof kann diese Erwartungen nicht erfüllen. Der Bau ist eine Shoppingmall mit Haltestellenfunktion.

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21. Februar 2014Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Bauten mit ideologischem Ausdruck

Während der Nazi-Okkupation entstanden in der Slowakei schwere Repräsentationsbauten. Erst das Tauwetter der 1960er Jahre führte zu einer interessanteren Architektur, wie eine Wiener Schau zeigt.

Während der Nazi-Okkupation entstanden in der Slowakei schwere Repräsentationsbauten. Erst das Tauwetter der 1960er Jahre führte zu einer interessanteren Architektur, wie eine Wiener Schau zeigt.

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04. Mai 2012Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Solid, üppig, extravagant

Die jüngsten politischen Entwicklungen und die bevorstehende Fussball-EM rücken die Ukraine ins Zentrum des Interesses. Nun widmet sich der Wiener Ringturm der baulichen Entwicklung des Landes vom Historismus bis heute.

Die jüngsten politischen Entwicklungen und die bevorstehende Fussball-EM rücken die Ukraine ins Zentrum des Interesses. Nun widmet sich der Wiener Ringturm der baulichen Entwicklung des Landes vom Historismus bis heute.

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04. März 2011Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Spracharchitektur

Vor bald einem halben Jahrhundert plante Friedrich Achleitner einen Architekturführer für Österreich. Nun liegt er vor. Entstanden ist ein Mammutwerk in fünf Bänden, das anhand von Bauten Fragen der Architektur beantworten will.

Vor bald einem halben Jahrhundert plante Friedrich Achleitner einen Architekturführer für Österreich. Nun liegt er vor. Entstanden ist ein Mammutwerk in fünf Bänden, das anhand von Bauten Fragen der Architektur beantworten will.

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24. Dezember 2010Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Regional und international

Bohuslav Fuchs zählt zu den bedeutendsten Architekten der klassischen Moderne in der Tschechoslowakei. Dennoch ist sein hauptsächlich in Brünn realisiertes Werk etwas in Vergessenheit geraten. Nun steht es im Zentrum einer Wiener Ausstellung.

Bohuslav Fuchs zählt zu den bedeutendsten Architekten der klassischen Moderne in der Tschechoslowakei. Dennoch ist sein hauptsächlich in Brünn realisiertes Werk etwas in Vergessenheit geraten. Nun steht es im Zentrum einer Wiener Ausstellung.

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28. April 2010Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Kultur als Luxus

Die Architekten der «Arbeitsgruppe 4» widersetzten sich mit einem umfassenden Kulturbegriff dem bisweilen architekturfeindlichen Geist der Wiederaufbauzeit. Ihre Bauten sind bereits zu einem Mythos der jüngeren österreichischen Architekturgeschichte geworden. Davon zeugt derzeit eine Ausstellungen in Wien.

Die Architekten der «Arbeitsgruppe 4» widersetzten sich mit einem umfassenden Kulturbegriff dem bisweilen architekturfeindlichen Geist der Wiederaufbauzeit. Ihre Bauten sind bereits zu einem Mythos der jüngeren österreichischen Architekturgeschichte geworden. Davon zeugt derzeit eine Ausstellungen in Wien.

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13. April 2004Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Atriumhaus und Stadthalle

Zum Tod des österreichischen Architekten Roland Rainer

Zum Tod des österreichischen Architekten Roland Rainer

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verknüpfte Akteure
Rainer Roland

05. Dezember 2003Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Minimalistische Tendenzen

Ein Blick auf die junge tschechische Architekturszene

Ein Blick auf die junge tschechische Architekturszene

Keine der tschechischen Tageszeitungen pflegt die Architekturkritik. Auch sonst hat Architektur in Tschechien kaum einen nennenswerten politisch-gesellschaftlichen Stellenwert - ganz im Gegensatz zu den zwanziger und dreissiger Jahren, als das Bauen heftig diskutierter Ausdruck des jungen, fortschrittlichen Industriestaates war, wie eine Fülle von Zeitschriften bezeugt. Umso bemerkenswerter ist es, dass nun schon zum dritten Mal das 2001 lancierte Jahrbuch zum tschechischen Architekturgeschehen erscheinen konnte - das einzige seiner Art in einem Land des ehemaligen Ostblocks. Der vom Architekten Michal Kohout herausgebrachte dritte Band wurde ausschliesslich durch Werbeeinnahmen finanziert, weshalb die Architekten für die Präsentation ihrer Bauten selber nichts bezahlen mussten. Vorgestellt werden Vertreter der jungen und jüngsten Generation von Baukünstlern, die nach dem Wendejahr 1989 ihre Ausbildung erfuhren.


Keine Stararchitekten

In seinem einleitenden Essay nimmt Kohout die 1989 neu gewonnene Freiheit im Bereich der Architektur unter die Lupe. Freilich gibt es jetzt einen Austausch über die Grenzen hinweg, doch an der Rolle des Architekten hat sich grundsätzlich wenig geändert: Im Gegensatz zu seinen westlichen Kollegen ist der Architekt in Tschechien lediglich ein Entwerfer, der bei der Bauausführung keinerlei Mitspracherecht hat - diese ist dort ausschliesslich den Bauingenieuren vorbehalten. Auch die Wettbewerbskultur ist noch nicht voll ausgebildet: So wurde nicht einmal bei der Neugestaltung der Räumlichkeiten für das Oberhaus des Parlamentes in Prag ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben. Es mag für die schwache Stellung der Architektur weiter bezeichnend sein, dass der Staat für die neuen demokratischen Einrichtungen keine Neubauten realisieren liess. Vielmehr wurden für die Verwaltung alte Adelsresidenzen im Viertel unter der Prager Burg umgebaut. Wenn Wettbewerbe ausgeschrieben werden, so sind es - wie im Falle der Restaurierung der Mies'schen Villa Tugendhat in Brünn - rein ökonomisch orientierte Wettbewerbe, bei denen es vor allem um das Kostenkonzept geht.

Die schwache gesellschaftliche Verankerung der Architektur schafft auch keine «Stararchitekten» - die Jungen haben keine Fixsterne. Ein gewisses Ansehen geniesst die Generation der heute über Siebzigjährigen - und hier wieder nur diejenigen, die in den späten fünfziger Jahren die Schranken des Stalinismus durchbrochen haben. Die Jungen unterliegen vor allem dem westlichen Einfluss und da - gemäss Kohout - oft den minimalistischen Tendenzen. Wo sich diese mit einem sehr schmalen Budget treffen, gibt es denn auch interessante Lösungen: Die jüngst von Milan Jirovec vom Prager Büro DUM Architekten errichtete «Umkleidebox» im Strahover Sportstadion, dem wohl grössten Ostmitteleuropas, ist eine schlichte, lediglich mit transparenten Kunststoffplatten verkleidete Stahlkonstruktion. Ebenfalls mit sehr beschränkten finanziellen Mitteln auszukommen hatte der Umbau der Kunstschule in Kuim von Roman Gale und Michal Palašák aus dem Brünner Atelier B9: Eine bestehende Skelettkonstruktion wurde da mit leichter Hand und sehr gewöhnlichen Materialien in einen multifunktionalen Bau umgestaltet. Erwähnt sei hier auch Václav Havels Abschiedsgeschenk an seine Mitbürger: Die Stiftung des ehemaligen Präsidenten finanzierte den an der Nordseite der Prager Burg gelegenen minimalistisch eiförmigen Fussgänger- und Wassertunnel des Ateliers AP, der dem Brusnice-Bach ebenso Durchlass gewährt wie den im Hirschengraben wandelnden Spaziergängern.


Interessantes aus der Provinz

Das Jahrbuch überrascht aber auch dadurch, dass Prag als Hauptstadt des streng zentralistisch verwalteten Landes nicht im Mittelpunkt steht: Kohout machte sich auf die Suche nach regionalen Eigenheiten und fand diese in Mähren, in der Umgebung der Stadt Brünn. Die Architekten folgen hier weniger als in Prag den internationalen Trends - wohl auch deswegen, weil es hier auch nur vereinzelt internationale Investoren gibt. An den vorgestellten Bauten lassen sich rurale Einflüsse ausmachen. Kohout spricht von «Vernacular Architecture», die im Gegensatz zur ungarischen Spielform eines Imre Makovecz jedoch in der Moderne beheimatet ist. Das Einfamilienhaus der Brünner Transat Architekten in Lipvka lässt an den Einfluss von Arbeiten Hans Scharouns aus den dreissiger Jahren denken. Beim Bau des Verwaltungsgebäudes des Naturreservates in d'ár nad Sázavou setzte das Atelier Tišnovka aus Brünn auf den lange vernachlässigten, einst aber für die Gegend typischen Baustoff Holz. Rurales wird - blickt man in die Vitrinen der ausgestellten Flora und Fauna - mit Urbanem konterkariert.

Die Distanz zur längst legendären tschechischen Moderne wird am Umbau der am Moldauufer gelegenen Prager Sova-Mühle zum Kampa- Museum für moderne tschechische Kunst durch das in Prag ansässige Team Cigler, Karel, Motyka und Špaek ablesbar. Für denselben Ort zwischen den Kulissen von Karlsbrücke und Burg hatte schon Josef Goár Ende der zwanziger Jahre einen flachen Baukörper mit Bandfenstern entworfen. Die nun realisierte Version berücksichtigt die Wünsche der Denkmalschutzbehörde sichtlich mehr als die Erfindungsgabe der Architekten. Das schwierige Verhältnis zur eigenen Geschichte und Vergangenheit wird auch daran erkennbar, dass Kohout lediglich zwei Bauten in den einst prosperierenden deutschsprachigen Randzonen finden konnte: Aus diesen heute von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Krisengebieten werden der Um- und Zubau an die bestehende Glasschule im nordböhmischen elezn Brod des Prager Büros Jiran & Kohout und eine Wohnanlage im nahe der österreichischen Grenze gelegenen Znojmo-Pímtice von Aleš Burian und Gustav Kivinka aus Brünn präsentiert.


[eská architektura - Czech Architecture. 2001-2002. Englisch und tschechisch. Hrsg. Michal Kohout. Verlag Prostor, Prag 2003. 189 S., Euro 20.-. Informationen: www.prostor.net]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.12.05

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Presseschau 12

09. Dezember 2014Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Ohne städtebauliche Debatte

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wollte Wien seine einstige Position als Verkehrsdrehscheibe Mitteleuropas erneuern. Der ohne ausreichende Verkehrsanbindung an die Peripherie verbannte neue Hauptbahnhof kann diese Erwartungen nicht erfüllen. Der Bau ist eine Shoppingmall mit Haltestellenfunktion.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wollte Wien seine einstige Position als Verkehrsdrehscheibe Mitteleuropas erneuern. Der ohne ausreichende Verkehrsanbindung an die Peripherie verbannte neue Hauptbahnhof kann diese Erwartungen nicht erfüllen. Der Bau ist eine Shoppingmall mit Haltestellenfunktion.

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21. Februar 2014Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Bauten mit ideologischem Ausdruck

Während der Nazi-Okkupation entstanden in der Slowakei schwere Repräsentationsbauten. Erst das Tauwetter der 1960er Jahre führte zu einer interessanteren Architektur, wie eine Wiener Schau zeigt.

Während der Nazi-Okkupation entstanden in der Slowakei schwere Repräsentationsbauten. Erst das Tauwetter der 1960er Jahre führte zu einer interessanteren Architektur, wie eine Wiener Schau zeigt.

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04. Mai 2012Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Solid, üppig, extravagant

Die jüngsten politischen Entwicklungen und die bevorstehende Fussball-EM rücken die Ukraine ins Zentrum des Interesses. Nun widmet sich der Wiener Ringturm der baulichen Entwicklung des Landes vom Historismus bis heute.

Die jüngsten politischen Entwicklungen und die bevorstehende Fussball-EM rücken die Ukraine ins Zentrum des Interesses. Nun widmet sich der Wiener Ringturm der baulichen Entwicklung des Landes vom Historismus bis heute.

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04. März 2011Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Spracharchitektur

Vor bald einem halben Jahrhundert plante Friedrich Achleitner einen Architekturführer für Österreich. Nun liegt er vor. Entstanden ist ein Mammutwerk in fünf Bänden, das anhand von Bauten Fragen der Architektur beantworten will.

Vor bald einem halben Jahrhundert plante Friedrich Achleitner einen Architekturführer für Österreich. Nun liegt er vor. Entstanden ist ein Mammutwerk in fünf Bänden, das anhand von Bauten Fragen der Architektur beantworten will.

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24. Dezember 2010Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Regional und international

Bohuslav Fuchs zählt zu den bedeutendsten Architekten der klassischen Moderne in der Tschechoslowakei. Dennoch ist sein hauptsächlich in Brünn realisiertes Werk etwas in Vergessenheit geraten. Nun steht es im Zentrum einer Wiener Ausstellung.

Bohuslav Fuchs zählt zu den bedeutendsten Architekten der klassischen Moderne in der Tschechoslowakei. Dennoch ist sein hauptsächlich in Brünn realisiertes Werk etwas in Vergessenheit geraten. Nun steht es im Zentrum einer Wiener Ausstellung.

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28. April 2010Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Kultur als Luxus

Die Architekten der «Arbeitsgruppe 4» widersetzten sich mit einem umfassenden Kulturbegriff dem bisweilen architekturfeindlichen Geist der Wiederaufbauzeit. Ihre Bauten sind bereits zu einem Mythos der jüngeren österreichischen Architekturgeschichte geworden. Davon zeugt derzeit eine Ausstellungen in Wien.

Die Architekten der «Arbeitsgruppe 4» widersetzten sich mit einem umfassenden Kulturbegriff dem bisweilen architekturfeindlichen Geist der Wiederaufbauzeit. Ihre Bauten sind bereits zu einem Mythos der jüngeren österreichischen Architekturgeschichte geworden. Davon zeugt derzeit eine Ausstellungen in Wien.

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13. April 2004Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Atriumhaus und Stadthalle

Zum Tod des österreichischen Architekten Roland Rainer

Zum Tod des österreichischen Architekten Roland Rainer

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verknüpfte Akteure
Rainer Roland

05. Dezember 2003Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Minimalistische Tendenzen

Ein Blick auf die junge tschechische Architekturszene

Ein Blick auf die junge tschechische Architekturszene

Keine der tschechischen Tageszeitungen pflegt die Architekturkritik. Auch sonst hat Architektur in Tschechien kaum einen nennenswerten politisch-gesellschaftlichen Stellenwert - ganz im Gegensatz zu den zwanziger und dreissiger Jahren, als das Bauen heftig diskutierter Ausdruck des jungen, fortschrittlichen Industriestaates war, wie eine Fülle von Zeitschriften bezeugt. Umso bemerkenswerter ist es, dass nun schon zum dritten Mal das 2001 lancierte Jahrbuch zum tschechischen Architekturgeschehen erscheinen konnte - das einzige seiner Art in einem Land des ehemaligen Ostblocks. Der vom Architekten Michal Kohout herausgebrachte dritte Band wurde ausschliesslich durch Werbeeinnahmen finanziert, weshalb die Architekten für die Präsentation ihrer Bauten selber nichts bezahlen mussten. Vorgestellt werden Vertreter der jungen und jüngsten Generation von Baukünstlern, die nach dem Wendejahr 1989 ihre Ausbildung erfuhren.


Keine Stararchitekten

In seinem einleitenden Essay nimmt Kohout die 1989 neu gewonnene Freiheit im Bereich der Architektur unter die Lupe. Freilich gibt es jetzt einen Austausch über die Grenzen hinweg, doch an der Rolle des Architekten hat sich grundsätzlich wenig geändert: Im Gegensatz zu seinen westlichen Kollegen ist der Architekt in Tschechien lediglich ein Entwerfer, der bei der Bauausführung keinerlei Mitspracherecht hat - diese ist dort ausschliesslich den Bauingenieuren vorbehalten. Auch die Wettbewerbskultur ist noch nicht voll ausgebildet: So wurde nicht einmal bei der Neugestaltung der Räumlichkeiten für das Oberhaus des Parlamentes in Prag ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben. Es mag für die schwache Stellung der Architektur weiter bezeichnend sein, dass der Staat für die neuen demokratischen Einrichtungen keine Neubauten realisieren liess. Vielmehr wurden für die Verwaltung alte Adelsresidenzen im Viertel unter der Prager Burg umgebaut. Wenn Wettbewerbe ausgeschrieben werden, so sind es - wie im Falle der Restaurierung der Mies'schen Villa Tugendhat in Brünn - rein ökonomisch orientierte Wettbewerbe, bei denen es vor allem um das Kostenkonzept geht.

Die schwache gesellschaftliche Verankerung der Architektur schafft auch keine «Stararchitekten» - die Jungen haben keine Fixsterne. Ein gewisses Ansehen geniesst die Generation der heute über Siebzigjährigen - und hier wieder nur diejenigen, die in den späten fünfziger Jahren die Schranken des Stalinismus durchbrochen haben. Die Jungen unterliegen vor allem dem westlichen Einfluss und da - gemäss Kohout - oft den minimalistischen Tendenzen. Wo sich diese mit einem sehr schmalen Budget treffen, gibt es denn auch interessante Lösungen: Die jüngst von Milan Jirovec vom Prager Büro DUM Architekten errichtete «Umkleidebox» im Strahover Sportstadion, dem wohl grössten Ostmitteleuropas, ist eine schlichte, lediglich mit transparenten Kunststoffplatten verkleidete Stahlkonstruktion. Ebenfalls mit sehr beschränkten finanziellen Mitteln auszukommen hatte der Umbau der Kunstschule in Kuim von Roman Gale und Michal Palašák aus dem Brünner Atelier B9: Eine bestehende Skelettkonstruktion wurde da mit leichter Hand und sehr gewöhnlichen Materialien in einen multifunktionalen Bau umgestaltet. Erwähnt sei hier auch Václav Havels Abschiedsgeschenk an seine Mitbürger: Die Stiftung des ehemaligen Präsidenten finanzierte den an der Nordseite der Prager Burg gelegenen minimalistisch eiförmigen Fussgänger- und Wassertunnel des Ateliers AP, der dem Brusnice-Bach ebenso Durchlass gewährt wie den im Hirschengraben wandelnden Spaziergängern.


Interessantes aus der Provinz

Das Jahrbuch überrascht aber auch dadurch, dass Prag als Hauptstadt des streng zentralistisch verwalteten Landes nicht im Mittelpunkt steht: Kohout machte sich auf die Suche nach regionalen Eigenheiten und fand diese in Mähren, in der Umgebung der Stadt Brünn. Die Architekten folgen hier weniger als in Prag den internationalen Trends - wohl auch deswegen, weil es hier auch nur vereinzelt internationale Investoren gibt. An den vorgestellten Bauten lassen sich rurale Einflüsse ausmachen. Kohout spricht von «Vernacular Architecture», die im Gegensatz zur ungarischen Spielform eines Imre Makovecz jedoch in der Moderne beheimatet ist. Das Einfamilienhaus der Brünner Transat Architekten in Lipvka lässt an den Einfluss von Arbeiten Hans Scharouns aus den dreissiger Jahren denken. Beim Bau des Verwaltungsgebäudes des Naturreservates in d'ár nad Sázavou setzte das Atelier Tišnovka aus Brünn auf den lange vernachlässigten, einst aber für die Gegend typischen Baustoff Holz. Rurales wird - blickt man in die Vitrinen der ausgestellten Flora und Fauna - mit Urbanem konterkariert.

Die Distanz zur längst legendären tschechischen Moderne wird am Umbau der am Moldauufer gelegenen Prager Sova-Mühle zum Kampa- Museum für moderne tschechische Kunst durch das in Prag ansässige Team Cigler, Karel, Motyka und Špaek ablesbar. Für denselben Ort zwischen den Kulissen von Karlsbrücke und Burg hatte schon Josef Goár Ende der zwanziger Jahre einen flachen Baukörper mit Bandfenstern entworfen. Die nun realisierte Version berücksichtigt die Wünsche der Denkmalschutzbehörde sichtlich mehr als die Erfindungsgabe der Architekten. Das schwierige Verhältnis zur eigenen Geschichte und Vergangenheit wird auch daran erkennbar, dass Kohout lediglich zwei Bauten in den einst prosperierenden deutschsprachigen Randzonen finden konnte: Aus diesen heute von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Krisengebieten werden der Um- und Zubau an die bestehende Glasschule im nordböhmischen elezn Brod des Prager Büros Jiran & Kohout und eine Wohnanlage im nahe der österreichischen Grenze gelegenen Znojmo-Pímtice von Aleš Burian und Gustav Kivinka aus Brünn präsentiert.


[eská architektura - Czech Architecture. 2001-2002. Englisch und tschechisch. Hrsg. Michal Kohout. Verlag Prostor, Prag 2003. 189 S., Euro 20.-. Informationen: www.prostor.net]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.12.05

05. April 2003Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Moderne Architektur im Exil

Wien feiert den 100. Geburtstag von Ernst Plischke

Wien feiert den 100. Geburtstag von Ernst Plischke

In sein legendäres Buch «Gli elementi dell'architettura funzionale» nahm Alberto Sartoris gleich zwei Gebäude des jungen, 1903 in Klosterneuburg bei Wien geborenen Ernst Plischke auf. Wenigen Österreichern war das vergönnt. Schliesslich hatte die «Moderne» im wirtschaftlich schwachen Österreich der Zwischenkriegszeit nur eine Handvoll Auftraggeber, von denen die meisten nach 1938 vertrieben, wenn nicht gar ermordet wurden. Ernst Plischke selbst gelang mit seiner jüdischen Frau, der Gartenarchitektin Anna Lang-Plischke, die Flucht über die Weltmeere: Er landete in Neuseeland. Dank Sartoris kannte man dort seinen Namen, und es wurde ihm auch sogleich ein Posten im Ministerium für Wohnbau angeboten.

Plischke war einer der wenigen Exilanten, die ihren Erfolg in der Fremde fortsetzen konnten: Als 30-Jähriger schon baute der weit gereiste Behrens-Schüler, der bereits Frank Lloyd Wright und Le Corbusier getroffen hatte, die berühmt gewordene Villa am Attersee: Dieses erste moderne Landhaus Österreichs, ein weiss gestrichener, vom Boden abgehobener Holzbau mit Bandfenstern und schwebendem Dach, ist ein Werk, das sich heute noch wunderbar einfügt zwischen See und Waldrand. An frühen Bauten in Österreich sind ausserdem noch das Arbeitsamt in Liesing und das Doppelhaus in der Wiener Werkbundsiedlung zu nennen; und mit im Gepäck nach Neuseeland nahm Plischke Unrealisiertes: etwa den Entwurf für das Haus Peter, das sich - einem Einraumkonzept verpflichtet - über vier Etagen ausbreitet.

Das Klima Neuseelands sollte die luftigen Entwürfe noch beflügeln, etwa bei dem 1956 in Wellington vollendeten Haus Sutch. Die stumpfwinklig verzahnten, langgestreckten Baukörper der Sutch-Villa mögen manchem wie eine Mischung aus Entwürfen von Richard Neutra und Rudolf Schindler erscheinen. All diese Werke sind nun in der Retrospektive «Ernst Plischke - Das Neue Bauen und die Neue Welt» in der Akademie der bildenden Künste in Wien zu sehen. - Als 60-Jähriger fing Plischke noch einmal neu an: Roland Rainer hatte den 1963 vakant gewordenen Lehrstuhl Clemens Holzmeisters an der Akademie der bildenden Künste in Wien für Plischke erkämpft. Die Berufung eines Exilanten war damals etwas Aussergewöhnliches und hätte doch im Österreich der Wiederaufbau-Gemütlichkeit ein Signal von Offenheit bedeuten können. Mitnichten. Der im Exil erfolgreiche Rückkehrer bekam keinen wesentlichen öffentlichen Auftrag und musste sich daher auf seine Lehrtätigkeit beschränken. Doch die Zeiten haben sich geändert: Uneingeschränkt zollten jüngst in Wien ehemalige Schüler wie Walter Stamm, Hermann Czech oder Alessandro Alvera ihrem Meister und Mentor höchste Anerkennung. Alvera war es auch, der beim Umbau des Kaiserlichen Hofmobiliendepots den Schauraum für das erste Plischke-Werk überhaupt anregte: die 1928 für die Keramikerin Lucie Rie entworfene Wohnungseinrichtung. Das Kaiserliche Hofmobiliendepot würdigt nun in einer Zusatzausstellung Plischke auch als Möbeldesigner.


[ Bis 20. April in der Akademie der bildenden Künste und bis 29. Juni im Kaiserlichen Hofmobiliendepot. Katalog: Ernst Plischke. Das Neue Bauen und die Neue Welt. Das Gesamtwerk. Hrsg. Eva Ottillinger und August Sarnitz. Prestel-Verlag, München 2003. 352 S., Fr. 125.- (Euro 35.- in der Ausstellung). ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2003.04.05

15. November 2002Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Schauplatz Bratislava - Spätes Eingedenken

Bratislava war einst ein Zentrum der jüdischen Orthodoxie. Bis zum heutigen Tage ist das Grabmal des Jeschiwa-Gründers Chatam Sofer Ziel unzähliger Pilger. Seine Neugestaltung wird von manchen als Mahnmal für die ermordeten Juden aus der Slowakei verstanden. Tatsächlich hat die jüdische Gemeinde täglich mit der Deportationsgeschichte zu tun. Sie ist Gegenstand einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Bratislava war einst ein Zentrum der jüdischen Orthodoxie. Bis zum heutigen Tage ist das Grabmal des Jeschiwa-Gründers Chatam Sofer Ziel unzähliger Pilger. Seine Neugestaltung wird von manchen als Mahnmal für die ermordeten Juden aus der Slowakei verstanden. Tatsächlich hat die jüdische Gemeinde täglich mit der Deportationsgeschichte zu tun. Sie ist Gegenstand einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Viele Wunder und Legenden ranken sich um die Person Moses Schreibers - besser bekannt als Chatam Sofer. Ein wahres Wunder ist es jedenfalls, dass sein Grab bewahrt geblieben ist. Gerade als die Deportationen der Juden aus der Slowakei eingesetzt hatten, beschloss die Stadtverwaltung 1942, den alten jüdischen Friedhof zu schleifen, um einer neuen Strasse Platz zu machen. Die Vorfahren von Heinrich Heine und Karl Marx lagen hier beerdigt - Chatam Sofer liegt immer noch hier mit 22 anderen Rabbinern. Ein aufwendiger Betonsarkophag wurde in den Kriegsjahren um deren Gräber herum gebaut. Knapp 60 Jahre rollten der Schwerverkehr und Strassenbahnen darüber. Lediglich ein Schacht führte damals in diese Unterwelt der Gräber, das mochte das Geheimnis des Überlebens noch erhöhen. Das feuchte Klima jedenfalls hat den 23 Grabsteinen und vor allem der darüber befindlichen Betondecke schwer zugesetzt. Letzteres ist der ganz prosaische Grund, weshalb man die Erneuerung der Grabstätte nun in Angriff nahm. Die Stadtverwaltung Pressburg spricht von der überragenden Persönlichkeit Chatam Sofers, welche die Stadtväter stets und auch zur Zeit der Deportationen respektiert hätten, doch scheinen vielmehr Geldzahlungen im Jahre 1942 die 23 Grabmäler gerettet zu haben.


Nicht gerade zimperlich

In der Nachkriegszeit ging die Stadt Bratislava nicht gerade zimperlich mit ihrem jüdischen Erbe um: Die im Krieg nicht substanziell beschädigte grosse orthodoxe Synagoge in der Zamocká aus dem Jahre 1893 wurde in den fünfziger Jahren abgerissen, 1968 wurden dann Teile des ehemaligen Ghettos sowie der intakte neologische Tempel am Rybne namestí abgebrochen. Sie mussten der neuen Donaubrücke Platz machen. Selbst die Tauwetterstimmung jener Zeit hatte daran nichts zu ändern vermocht.

Die heute lediglich 800 Personen zählende Gemeinde war einst mit 15 000 Mitgliedern blühend gewesen. Pressburg war weit über seine Grenzen für die von Chatam Sofer gegründete Jeschiwa berühmt. Es war eine von der Orthodoxie geprägte Gemeinde. Hier gab es dank der Nähe zur einflussreichen Reichshaupt- und Residenzstadt Wien keinen Assimilationsdruck auf Juden wie in Budapest. Bezeichnenderweise unterhielt hier in Poszony (Pressburg) die orthodoxe Gemeinde elf Synagogen, sechs Bethäuser, sechs Schulen und elf Lehrhäuser, während die Reformierten (Neologen) nur zwei Synagogen und zwei Schulen hatten. Heute beten alle in der einzigen erhaltenen Synagoge Pressburgs, der orthodoxen in der Heydukova. Zum Slowakischen, Deutschen, Hebräischen und Ungarischen mischt sich nun auch das Englische: Denn viele reisen aus Amerika an, um das Grab Chatam Sofers zu sehen. Im Oktober, zum Jahrestag Chatam Sofers, sollen es mehrere tausend Menschen gewesen sein. Oft kommen die Pilger mit dem Taxi von den Flughäfen (Budapest, Bratislava und Wien-Schwechat) direkt zur Grabstätte, halten ihre Gebete ab und kehren gleich wieder zum Flugplatz zurück. Für sie ist das Grabmal das Zentrum Bratislavas. In die «äusseren Bezirke» kommen sie selten.

Die ob ihrer wenig demokratischen Traditionen bekannte Slowakei muss mittlerweile dringender denn je für die Beitrittsverhandlungen mit der EU Zeichen setzen. Was liegt da aus Sicht der Regierung näher, als sich auf der «jüdischen» Karte Europas einzuzeichnen? Die Stadtverwaltung beteiligt sich daher mit etwa einer Million Euro am Zustandekommen der Chatam-Sofer-Gedenkstätte. Der Verkehrsweg direkt über den 23 Grabmälern wird verlegt, die einstige Betondecke aufgeschnitten und der Halacha gemäss für alle Zeiten an der Grundstücksgrenze aufbewahrt, denn die Decke könnte mit den Überresten eines Toten in Verbindung gekommen sein. - Die Halacha zwingt den planenden Architekten Martin Kvasnica zu technischer Meisterschaft: Auf dem Friedhof durfte nicht gegraben werden, und so hat er, beginnend mit dem Zugangsweg über die nach oben offene Eingangshalle bis schliesslich zum unterirdischen Mausoleum, alle Bauteile auf bestehendes Erdreich legen müssen. Wahrlich nicht einfach in dem bisweilen feucht-frostigen Klima direkt am Donaustrom. Die Gestaltung musste stets mit dem Hauptsponsor, dem Internationalen Komitee von Geonai, einem in New York angesiedelten Verein zur Erhaltung jüdischer Grabsteine, abgesprochen werden. So musste ein eigener, durch eine Glaswand von den Grabsteinen getrennter Raum für die Priesterkaste der Kohanim geschaffen werden, die bekanntlich mit den Toten - Unreinem - nicht in Berührung kommen dürfen.

Die sehr abstrakte Raumgestaltung kommt sicher dem Gebot der Bildnislosigkeit entgegen. Lediglich das aus Stahldrähten geflochtene Eingangstor und das Lavavium sind etwas narrativ ausgefallen. Einige der Pilger üben Kritik, dass es sich hier um keine Grabstätte mehr handle, sondern um eine Inszenierung, ein Museum, ja gar um das Mahnmal für die ermordeten Juden der Slowakei. Das auf dem Nachbargrundstück in Planung befindliche turmartige Gebäude, das neben einer Mikwe (rituelles Bad) auch einen Informationsraum zur Geschichte des Ortes und der Pressburger Judengemeinde haben soll, deutet darauf hin. Zweifellos handelt es sich um einen zentralen Ort: Selbst von den vorbeiziehenden Touristendampfern aus kann man das direkt unter der Burg gelegene Mausoleum sehen.


«Deportationskosten»

Die Pressburger Gemeinde selbst hat tagtäglich mit der Vergangenheit und dem Überleben zu kämpfen. Da gilt es, ein Altersheim zu erhalten, eine rituelle Küche für die Gemeindemitglieder, und dann ist da eben noch die bauliche Erhaltung der Friedhöfe. Für das nach 1939 enteignete Vermögen, welches dem damaligen slowakischen Staat zufloss, zeichnet sich eine Entschädigungszahlung seitens der slowakischen Regierung von 20 Millionen Euro ab. Gegen die Bundesrepublik Deutschland läuft seit etwas mehr als einem Jahr eine Klage wegen Rückstellung der 1943 durch den faschistischen Staat an Berlin gezahlten Deportationskosten von 500 Reichsmark pro Person.

Nicht der heutige slowakische Staat klagt - er sieht sich nicht als Rechtsnachfolger des damals faschistischen -, sondern Fero Alexander, der Vorsitzende des Zentralverbands der jüdischen Gemeinden in der Slowakei, brachte die Klage ein. Schliesslich stammten die mehr als 17 Millionen Reichsmark, welche nach der Ermordung der Deportierten von den NS-Behörden kassiert wurden, aus dem beschlagnahmten Vermögen der Umgebrachten. Ein erstinstanzliches Urteil ist bereits erfolgt: Die Klage wird zurückgewiesen, denn der Zentralverband könne «kein Testament oder Erbvertrag» der Ermordeten vorlegen - als wären auf der Deportationsrampe derlei Verträge abgeschlossen worden. Mit dieser Begründung kann sich die Bundesrepublik wahrscheinlich jeder Verpflichtung entschlagen. Denn die Nachkommen der Umgekommenen werden bei Ansprüchen ebenso abgewiesen werden: Wie sollen sie nachweisen, dass die 500 Reichsmark genau vom beschlagnahmten Vermögen ihrer Verwandten gezahlt wurden? Im Januar kommenden Jahres wird es zur Berufungsverhandlung kommen. Die Aussichten auf Erfolg sind nicht sehr gross.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.11.15



verknüpfte Bauwerke
Chatam-Sofer-Gedenkstätte

19. August 2002Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Bauen mit Kompromissen

Ernst Epstein im Jüdischen Museum Wien

Ernst Epstein im Jüdischen Museum Wien

Der Architekt Ernst Epstein ist in Wien gründlich verdrängt worden. So verdrängt, dass die Kuratoren der Epstein-Ausstellung im Jüdischen Museum nicht einmal ein Bildnis des Architekten finden konnten. Mehr als hundert Bauten entwarf er für Wien. Viele davon führte er mit seiner eigenen Baufirma aus. Ernst Epstein (1881-1938) war für die Qualität seiner Bauwerke bekannt - nicht zufällig ernannte ihn Adolf Loos zum Bauleiter seines berühmten Hauses am Michaelerplatz. Dass dieses Projekt überhaupt gegen den Willen des Kaisers und breiter Kreise fertig gestellt werden konnte, war sicher dem Verhandlungsgeschick Epsteins zu verdanken. Sein eigenes Schaffen zeigt auch diese Kompromissbereitschaft. Der grossindustriellen Klientel baute er Villen im neobarocken Stil, während seine Arbeiterwohnhäuser einer kühlen funktionalen Sachlichkeit verpflichtet sind. Sein letzter bedeutender Bau aus dem Jahre 1933 in der Wiener Traungasse überraschte durch die raffinierte Beherrschung der grossen glatten Flächen, die mit Steinleisten à la Josef Hoffmann eingefasst sind. Der markante, zeichenhafte Bau stellt manch namhafte Ikone der Moderne in den Schatten. Es wäre sicher spannend gewesen, die Genesis einiger ausgewählter Bauten darzustellen.

Es war Epsteins Schicksal, dass er an keinem der prominenten Plätze der Stadt bauen konnte. Doch der wesentliche Grund für das Ausbleiben seines Werkes in der heutigen Rezeption hängt mit dem Anschluss des Jahres 1938 zusammen: Epstein konnte sich nicht vorstellen, aus der Stadt, mit der er so verbunden war, zu flüchten. 57-jährig nahm er sich das Leben. Seine privaten Bauherren gelangten meist in das rettende Ausland. Zurückgekehrt sind sie nicht. Einige ihrer einstigen Domizile dienen heute als Botschaften fremder Länder.


[Bis zum 29. September im Jüdischen Museum Wien. Der im Verlag Holzhausen erschienene Katalog kostet Euro 26.50.]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2002.08.19

19. Februar 2002Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Wegbereiter der tschechischen Moderne

Während eines halben Jahrhunderts war der einstige «Ostblock» aus der westlichen Architekturgeschichtsschreibung weitgehend verbannt. Dabei lässt sich gerade in Tschechien anhand erhaltener Bauten die Entwicklung der Moderne besonders gut nachvollziehen, die mit dem Werk von Jan Kotra (1871-1923) einsetzte. Diesem bedeutenden Architekten widmet Prag nun eine breit angelegte Ausstellung.

Während eines halben Jahrhunderts war der einstige «Ostblock» aus der westlichen Architekturgeschichtsschreibung weitgehend verbannt. Dabei lässt sich gerade in Tschechien anhand erhaltener Bauten die Entwicklung der Moderne besonders gut nachvollziehen, die mit dem Werk von Jan Kotra (1871-1923) einsetzte. Diesem bedeutenden Architekten widmet Prag nun eine breit angelegte Ausstellung.

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09. Januar 2001Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Rückbesinnung auf Rom

Ausstellung im Architekturzentrum Wien

Ausstellung im Architekturzentrum Wien

Ornament und Verbrechen hört man noch immer Adolf Loos sagen, wenn man in Wiens «fortschrittlich» gesinnten Architekturkreisen an das «Decorum» nur zu denken wagt. Thomas Gronegger, Bildhauer und Architekt aus München mit langjähriger Italienerfahrung, hat eben deshalb zu diesem Thema im Wiener Architekturzentrum eine Schau, um nicht zu sagen ein Labor, eingerichtet. Loos entdeckte einst sein Amerika - Gronegger nun sein Rom. In nahezu kriminalistischer Tätigkeit hat er dort die Profilierungen und das Baudekor der Renaissance- und Barockarchitektur ausgemessen, die Vorlagen anschliessend in Gips nachmodelliert und Fotosequenzen erstellt: Kurz, er legte das Ornament bloss, er entdeckte es wieder als Mittel des Gestaltungsprozesses, sei es um das Gebäude zu entmaterialisieren oder zu dynamisieren, sei es um Baukörper verschiedenen Massstabs zu verbinden. In der mit «Körper, Bild und Bau» betitelten Schau beeindrucken vor allem die Modelle, welche geradezu mit Plecnik'scher oder Scarpa'scher Präzision ausgeführt sind.



[Bis 22. Januar. Begleitpublikation: Thomas Gronegger: Roma Decorum. Gestaltungsprozesse im Baukörper. Pustet-Verlag, Salzburg 2000. 3 Bde., Fr 129.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2001.01.09

25. September 2000Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Neue tschechische Bauten

Eine Ausstellung in Prag

Eine Ausstellung in Prag

Der Titel der gegenwärtigen Ausstellung zur zeitgenössischen tschechischen Architektur auf der Prager Burg lautet lapidar: «Nur Bauten». Damit erinnert er an Le Corbusiers Urteil über die Prager Messehalle. Obwohl von deren Dimensionen und Modernität beeindruckt, bemerkte der wohl etwas eifersüchtige Meister im Jahre 1928: «. . . es ist ein interessanter Bau, aber noch nicht Architektur.» Anders als Le Corbusier beehren die heutigen «Stararchitekten» die Stadt nicht mehr mit geschriebenen, sondern mit gebauten Kommentaren: Jean Nouvel veredelt gerade mit Bürobauten das Arbeiterviertel Smichov, während die Fenster von Gehrys «Ginger und Fred»-Haus bis in die Ausstellungsräume der Prager Burg blinken.

Grossinvestoren haben diese Schau ermöglicht, und so verwundert es auch nicht, dass hauptsächlich die von ihnen in Auftrag gegebenen Bauten zu sehen sind. Es handelt sich um Banken- und Versicherungspaläste, die sich bald postmodern, bald dekonstruktivistisch, immer aber auffällig kleiden. Die Bauten der Neofunktionalisten Jiran/Kohout, ADNS oder Burian & Krivinka werden nur am Rand erwähnt, da sie bereits 1997 in der von Vladimír Slapeta gezeigten Wanderausstellung «Baustelle Tschechische Republik» ausführlich zur Sprache kamen. Ganz verzichtet hat man hingegen auf die damals präsentierten Kleinaufträge privater Bauherren. Das ist bedauerlich, denn gerade diese sind in der postrevolutionären Zeit förderungsbedürftig. Eine nach vier Jahrzehnten Staatsarchitektur verständliche Skepsis gegenüber Utopien aller Art erschwert sichtlich eine kritische Haltung gegenüber dem westlichen Formenkanon.


[Die Ausstellung «Nur Bauten. Die tschechische Gegenwartsarchitektur» ist noch bis zum 29. Oktober im Theresianischen Flügel der Prager Burg zu sehen. Der im Verlag Prostor tschechisch/englisch erschienene Katalog kostet rund Fr. 25.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2000.09.25

10. Juni 2000Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Gegen «Geschichtsvernichtung» in der Baukunst

Dank dem Wiener Architekten und Literaten Friedrich Achleitner besitzt Österreich eine einzigartige Dokumentation des modernen Bauens. Obwohl ein Archiv naturgemäss eher einen abstrakten Charakter hat, gelang es dem Architekturzentrum Wien, mit seiner gegenwärtigen Ausstellung einen lebendigen Einblick in die Methodik dieses besonderen Universums zu geben.

Dank dem Wiener Architekten und Literaten Friedrich Achleitner besitzt Österreich eine einzigartige Dokumentation des modernen Bauens. Obwohl ein Archiv naturgemäss eher einen abstrakten Charakter hat, gelang es dem Architekturzentrum Wien, mit seiner gegenwärtigen Ausstellung einen lebendigen Einblick in die Methodik dieses besonderen Universums zu geben.

Bereits 35 Jahre, also die Hälfte seines Lebens, arbeitet Friedrich Achleitner an seinem Hauptwerk: einer topographischen Dokumentation der österreichischen Moderne. Ursprünglich hatte er geglaubt, diese innerhalb von drei Jahren abschliessen zu können, doch jedes Mal, wenn der Architekt und Literat einen neuen Bau entdeckt, dann weiss er: Die Aufarbeitung wird noch Jahre dauern. Denn Achleitner ist nicht nur von Bauten besessen, er ist überdies auch noch ein Pedant: Jedes der besprochenen Häuser muss er selbst begehen. Und gelingt ihm das nicht, so ist das auch in der Beschreibung angemerkt, wie zum Beispiel beim Haus Mühlbauer von Ernst Plischke: «Das geschändete Haus hat durch den Abbruch der Pergola-Loggia nicht nur sein kubisches Volumen, sondern auch seine räumliche Schichtung verloren. Das Haus darf im heutigen Zustand weder von aussen besichtigt noch photographiert werden. Dies ist auch nicht nötig.» Achleitner nähert sich den «verlorenen Paradiesen» in der ihm eigenen Art an. Erst wenn er von den Bewohnern empfangen wird, löst sich die Spannung, dann vermischt sich das Äussere mit dem Inneren, Architektur mit Literatur. Er beginnt dann pointiert und mit Wortwitz die nicht selten verblüfften Bewohner über die Bedeutung ihrer Behausungen und Gehäuse aufzuklären - viel Geschichte, welche die Moderne doch einst über Bord hatte werfen wollen.

Achleitner selbst wohnt in einem der ältesten Häuser Wiens, wo sich bis vor kurzem auch das nun an die Stadt Wien verkaufte, knapp 30 000 Objekte umfassende Archiv der österreichischen Moderne befunden hat. Jede Baubiographie enthält Plandarstellungen, Fotos aus verschiedenen Zeitabschnitten und vor allem eine unübertreffliche Beschreibung, deren Assoziationskette den Geschmack blossen Anhäufens weit hinter sich lässt. Achleitner ist wahrlich kein snobistischer Ikonensammler. Er ist geprägt von einer Zeit, als man im Nachkriegswien Otto Wagners Stadtbahnstationen abriss - «Geschichtsvernichtung» nennt dies Achleitner. Er relativiert den Absolutheitsanspruch der Moderne, die Hochsprache, und sucht den Dialekt. Ihm geht es nicht bloss um die Nutzung, sondern um die geistige Bewohnbarkeit von Architektur. Um die Veränderungen, welche ein Bauwerk durch die Benützung erfährt, um die Brüche, die auf Spannungen und Konflikte verweisen und somit Geschichte spürbar machen.

Das Achleitner-Archiv selbst unterliegt ebenso sehr diesen Geschichtsbrüchen. Das war bei der Eröffnung der von Otto Kapfinger kuratierten Ausstellung im Architekturzentrum Wien spürbar: Die eingeschworene Achleitner-Gemeinde, die seine Gedankenkonstruktionen aus Sprache und Architektur seit mehr als zwei Jahrzehnten in Teilen kennt («Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert»), scharte sich gleich um die ausgestellten Fahrten-, Begehungs- und Notizbücher und die grossformatigen Text- und Bildtafeln. Sie zeigen 30 Objekte aus dem Archivbestand: die Bauten um das Architekturzentrum, also dem siebenten Wiener Gemeindebezirk, die Häuser Gamerith und Eichmann am Attersee und Bauten der Industriestadt Dornbirn. Die haptische, «antiquierte» Ausstellungsart lässt den Betrachter den politischen Charakter von Achleitners Geschichts- und Kulturbegriff nachvollziehen, ebenso seine Methodik.

Andere wieder scharten sich um die digitalisierte Version der ausgestellten Beispiele. In Sekundenschnelle kann man sich nach Belieben - anscheinend «entideologisiert» - einen ganzen Berg an Rohdaten heranschaffen, die dank einem übersichtlichen Layout auch zueinander in Beziehung gesetzt werden können. Sie werden jedoch schwerlich Bausteine zum «Achleitner» sein. In drei Jahren will das Architekturzentrum, dem die Stadt Wien die wissenschaftliche Bearbeitung des Archivs anvertraut hat, das gesamte Material digital erfassen und öffentlich zugänglich machen. Friedrich Achleitner, der vor wenigen Tagen seinen 70. Geburtstag hat feiern können, bleibt indes in «seinem» 20. Jahrhundert. Nichts kann da mehr gebaut, aber eine Menge entdeckt werden. In Kürze erwarten wir seine Ergänzungen zu den Wiener Bezirken 19 bis 23 sowie zum Bundesland Niederösterreich.


[ Die Ausstellung «Achleitners Österreich» (Das Archiv der Architektur des 20. Jahrhunderts) wird bis zum 7. August im Architekturzentrum Wien und danach im Architekturzentrum Dornbirn gezeigt. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2000.06.10

07. Juni 2000Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Die «Arisierung» der Wiener Moderne

Nach dem «Anschluss» wurden in Österreich nicht nur politische Bauten wie das revolutionäre Arbeitsamt Liesing von Ernst Pliscke verstümmelt. Auch viele Privathäuser von Loos, Hoffmann und Frank wurden zuerst geplündert, dann enteignet und nicht selten durch die «Ariseure» ihrer architektonischen Qualitäten beraubt. Jetzt werden diese Vorgänge öffentlich diskutiert.

Nach dem «Anschluss» wurden in Österreich nicht nur politische Bauten wie das revolutionäre Arbeitsamt Liesing von Ernst Pliscke verstümmelt. Auch viele Privathäuser von Loos, Hoffmann und Frank wurden zuerst geplündert, dann enteignet und nicht selten durch die «Ariseure» ihrer architektonischen Qualitäten beraubt. Jetzt werden diese Vorgänge öffentlich diskutiert.

Die Wiener Werkbundsiedlung entstand 1932, zu einer Zeit, als die Fundamente der österreichischen Demokratie bereits wacklig waren. Deshalb konnte diese bedeutende Bauausstellung kaum mehr Einfluss auf das Architekturgeschehen in Österreich nehmen. Ihr Organisator, Josef Frank, wanderte schon bald nach Schweden aus, andere beteiligte Architekten (Ernst Lichtblau, Oskar Wlach, Jacques Groag, Heinrich Kulka, Felix Augenfeld) taten dies nach 1938. Zu diesem Zeitpunkt waren die jüdischen Bewohner bereits «delogiert» - auf Anordnung jenes Mannes, der die Realisierung der Werkbundsiedlung einst betreut hatte: Hermann Neubacher, der Direktor der ausführenden Baufirma Gesiba, tauschte 1934 das sozialistische mit dem nationalsozialistischen Parteibuch und wurde 1938 Oberbürgermeister von Wien. Einige Bewohner der Werkbundsiedlung verbesserten ebenso ihre Lage. Sie zogen aus den minimalistischen Bauten in Villen um, die durch die Umsiedlung der jüdischen Mitbürger «frei geworden» waren.

Die meisten blieben nach 1945 in «ihren» Häusern wohnen. Denn die Zweite Republik mit ihren politischen Parteien sorgte sich um die Stimmen der «Ariseure» und schränkte in der Restitutionsgesetzgebung den Kreis der jüdischen Anspruchsberechtigten auf die direkten Erben ein. In diesem weiterhin latent judenfeindlichen Klima fand man auch nichts dabei, dass ein ehemals hoher nationalsozialistischer Jurist die Restitutionsgesetze verfasste: Walter Kastner, der 1938 für die «Arisierung» der Industrie zuständig gewesen war. Ein geplantes Gesetz zur Rückstellung der Mietwohnungen konnte er mit anderen Gesinnungsgenossen vereiteln: Er selbst hatte 1938 eine Wohnung in Bestlage «arisiert». Der jüngst vom österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel designierte Fachmann für Restitutionsfragen, Ernst Sucharipa, machte bereits klar, dass man sich mit derartigen Einzelfällen nicht werde beschäftigen können. - Während die 1985 vorbildlich restaurierte Werkbundsiedlung in Wien als Dokument internationalen Bauens (Lurçat, Rietveld, Neutra, Häring) hochgehalten wird, soll die Geschichte ihrer Bewohner und Architekten weiterhin nicht erhellt werden. So erhielt etwa Frank keinen Bauauftrag mehr im Nachkriegsösterreich, während einstige Nationalsozialisten ihre Tätigkeit problemlos wieder aufnehmen konnten. Die Zweite Republik hat die Opfer des Nazi-Regimes abermals bestohlen: So brüstet sie sich mit Sigmund Freud. Dessen Familie aber hat ihr geraubtes Eigentum nie zurückbekommen: weder seine Tochter Anna ihren weitläufigen Landsitz noch der Bruder sein Vermögen. Hingegen erhielten die «Ariseure» von Freuds Mietwohnung in der Berggasse 1986 von der Republik eine Ablösesumme von eineinhalb Millionen Schilling. Bei der Familie von Karl Kraus sieht es nicht anders aus, wie die Historikerin Tina Walzer nachgewiesen hat. Sein Bruder Rudolf, Vizepräsident der Julius Meinl AG, liess sich sein Haus in der Nibelungengasse von Adolf Loos umbauen. 1938 «erwarb» es die Firma Siemens-Schuckert. Sie zerstörte daraufhin die kostbaren Interieurs. Der Bauherr und seine Frau wurden in Auschwitz ermordet. Ein anderer Bruder von Karl Kraus, der Industrielle Alfred Kraus, liess sich ebenfalls von Loos die Wohnung entwerfen. Auch hier schlugen die «Ariseure» zu.

Die neuen «Besitzer» zerstörten nahezu alle Loos-Wohnungen in Wien: so auch die der Familien Löwenbach, Schwarzwald und Friedmann. Auch hier wurden die Bauherren ermordet oder vertrieben. Die Bürokraten der Zweiten Republik sorgten dann dafür, dass sie nicht wiederkamen. Sie scheuten nicht davor zurück, selbst 1949 noch auf die Legalität der Nazigesetze zu pochen. Die Rückgabe des Moller-Hauses von Adolf Loos an den Auftraggeber, den Fabrikanten Hans Moller, wurde 1949 an die Bedingung geknüpft, die seit 1938 fällige «Vermögensabgabe für Juden» an die Republik Österreich zu zahlen! Nicht nur das: Da die Villa 1938 «lediglich» beschlagnahmt und der Verwaltung des Reichsfiskus unterstellt worden war, blieb der nach Palästina emigrierte Hans Moller de facto stets grundbuchamtlicher Eigentümer. So verrechnete man ihm auch die Grundsteuer für die Jahre 1938 bis 1945. Die in dieser Zeit durch den Reichsfiskus eingenommenen Mieten hingegen behielt die Republik Österreich für sich. Diese wird noch eine Antwort darauf finden müssen, warum Adel und Kirche ihre durch die Nationalsozialisten konfiszierten Güter nach Kriegsende sofort und bedingungslos zurückbekamen, die jüdischen Besitzer aber nicht.


[ Am heutigen 7. Juni findet um 19 Uhr im Wiener Architektur-Zentrum zu ebendiesem Thema die Podiumsdiskussion «Geraubte Gärten - die arisierte Moderne» statt. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2000.06.07

01. Februar 2000Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Interdisziplinärer Architekt

Glaubte man der Selbstbeschreibung des aus Olmütz stammenden Architekten Paul Engelmann (1891-1965), so wäre die gegenwärtig im Lapidarium unter der Bethlehemskapelle...

Glaubte man der Selbstbeschreibung des aus Olmütz stammenden Architekten Paul Engelmann (1891-1965), so wäre die gegenwärtig im Lapidarium unter der Bethlehemskapelle...

Glaubte man der Selbstbeschreibung des aus Olmütz stammenden Architekten Paul Engelmann (1891-1965), so wäre die gegenwärtig im Lapidarium unter der Bethlehemskapelle in Prag zu sehende Ausstellung wohl nicht zustande gekommen: «Von Kraus lernte ich nicht zu schreiben; von Wittgenstein nicht zu reden; von Loos nicht zu bauen.» Obwohl während der Nazizeit wichtige Dokumente verlorengingen, konnte das Brenner-Archiv in Innsbruck eine instruktive, aber - auf Grund fehlender Geldmittel - eher spartanisch gestaltete Schau zusammenstellen. Neben der Präsentation der Pläne für das Haus Wittgenstein und der Arbeiten im ehemaligen Palästina (Haus Yadlin und mehrere Interieurs) ging es den Kuratoren Judith Bakacsy und Allen Janik vor allem darum, den «interdisziplinären» Engelmann vorzustellen: als Privatsekretär von Karl Kraus, Mitarbeiter von Adolf Loos und Gesprächspartner von Ludwig Wittgenstein («Wenn ich einen Satz nicht herausbringe, kommt der Engelmann und reisst ihn mir mit der Zange heraus»). Engelmann beschrieb seine Erinnerung an dieses Wiener Dreigestirn in mehreren kleinen Büchern, die nach dem Jahre 1946 in Tel Aviv erschienen sind.


[ Bis 28. Februar im Lapidarium unter der Bethlehemskapelle in Prag. Katalog: Paul Engelmann und das mitteleuropäische Erbe. Hrsg. Judith Bakacsy. Folio-Verlag, Bozen und Wien 1999. 96 S., Fr. 38.-. - Ausserdem: Paul Engelmann. Architektur, Judentum, Wiener Moderne. Hrsg. Ursula A. Schneider. Folio-Verlag, Bozen und Wien 1999. 208 S., Fr. 32.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2000.02.01

09. November 1999Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Wenn Vergangenheit Zukunft bedeutet

In Österreich, ihrem Geburtsland, ist Friedl Dicker noch immer eine Unbekannte. Dabei weist ihr Werk sie als eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Ersten Republik aus. Eine Wanderausstellung, die gegenwärtig in Wien zu sehen ist, beleuchtet nun ihr Schaffen. Allerdings kommt in dieser Schau ein wichtiger Tätigkeitsbereich, die Architektur, entschieden zu kurz.

In Österreich, ihrem Geburtsland, ist Friedl Dicker noch immer eine Unbekannte. Dabei weist ihr Werk sie als eine der bedeutendsten Künstlerinnen der Ersten Republik aus. Eine Wanderausstellung, die gegenwärtig in Wien zu sehen ist, beleuchtet nun ihr Schaffen. Allerdings kommt in dieser Schau ein wichtiger Tätigkeitsbereich, die Architektur, entschieden zu kurz.

Das Schaffen der in Auschwitz ermordeten Wiener Künstlerin und Architektin Friedl Dicker wird in keinem österreichischen Museum permanent gewürdigt. Um so wünschenswerter wäre daher eine gültige Retrospektive. Doch als solche kann man die von Elena Makarova im Auftrag des Simon Wiesenthal Center / Museum of Tolerance in Los Angeles zusammengestellte erste Werkschau dieser bedeutenden Bauhausschülerin leider nicht bezeichnen. Denn die Wanderausstellung, die gegenwärtig auf ihrer ersten Station im Palais Harrach in Wien zu sehen ist, muss sich allzusehr den Interessen der amerikanischen Veranstalter beugen. Die betonte Fokussierung auf die letzten beiden Lebensjahre von Friedl Dicker als Zeichenlehrerin im Konzentrationslager Theresienstadt wird ihrem vielfältigen Werk nur teilweise gerecht. - Obwohl die 1900 geborene, politisch wache Künstlerin unter Johannes Itten am Bauhaus studierte, blieb ihr alles Doktrinäre fremd. Mit der zunehmenden Verdüsterung Europas entfernte sie sich immer mehr von der Abstraktion ihres Lehrers, ja wandte sich ab 1934 in der Prager Emigration gar der Gegenständlichkeit zu. Gleichwohl hinterliess die Avantgarde, namentlich der Surrealismus, Spuren in ihrem Werk.

Nach Zerschlagung der liberalen Tschechoslowakei zog sie sich in die Bergwelt Ostböhmens zurück und flüchtete in die Landschaftsmalerei, in dichte, verinnerlichte Bilder. Briefe bildeten den einzigen Kontakt zur Aussenwelt. Sie litt so sehr unter der Isolation, dass sie die Deportation nach Theresienstadt fast schon als Befreiung empfand. Die psychoanalytisch gebildete Künstlerin konnte in diesem Vorzeigelager der Nazis Kinderzeichenkurse halten, die sie als kunsttherapeutische Arbeit betrachtete. - In ihrer Ausstellung geht es Makarova weniger um eine kunsthistorische als um eine emotionale Betrachtung. So wundert es auch nicht, dass das architektonische Schaffen Friedl Dickers in den Hintergrund tritt.

Dabei gehören die vom Gemeinschaftsbüro Friedl Dicker und Franz Singer entworfenen Raumkonzepte zu den aussergewöhnlichsten künstlerischen Leistungen der Ersten Republik, aussergewöhnlich unter anderem deshalb, weil sie wenig gemeinsam haben mit der «Wiener Moderne» eines Adolf Loos oder eines Josef Frank - und schon gar nichts mit dem expressiven Pathos der Wiener Gemeindebauten. Mit ihren genialen Möbeln zum Stapeln und Klappen wird der Raum zum wandelbaren Ambiente, sei es zur Unterhaltung eines exzentrischen Bauherrn (Gästehaus Heriot) oder aus sozialökonomischer Notwendigkeit (Siedlungen in Palästina).

Interessant wäre freilich gewesen, anknüpfend an die 1989 in Basel gezeigte Ausstellung «Franz Singer / Friedl Dicker 2× Bauhaus in Wien», herauszufinden, ob nun tatsächlich das rational- funktionale Element von Singer und das offene unorthodoxe Formprinzip von Dicker komme. Die Gestalter der Wiener Schau, die Architekten Georg Schrom und Marcin Gregorowicz, versuchen diese beide Aspekte zu vereinen. Sie versachlichen die Ausstellung, obwohl man auf Wunsch des Veranstalters Eisenbahnschwellen - Symbol der Deportation - als Sockel verwendet.

Die gebauten Zeugnisse von Singer/Dicker wurden zerstört - bis in die sechziger Jahre hinein, wie der Architekturhistoriker Friedrich Achleitner schreibt: «So gehört es zur tragischen Ironie dieses Werkes, dass alles, was mit einem Ort verbunden war, zerstört wurde, ausgerottet mit dem unbestechlichen Instinkt für jene Qualitäten, die das eigene Denken in Frage stellen könnten. Wer als junger Mensch in den fünfziger Jahren noch die Ruine des Gästehauses Heriot gesehen hat, glaubte aber nicht einer Vergangenheit, sondern der Zukunft begegnet zu sein.» (Bis 28. November)


[ Zur Ausstellung, die anschliessend noch im Johanneum Graz, im Egon-Schiele-Museum Ceský Krumlov und im Jüdischen Museum Paris gezeigt wird, liegt ein im Verlag Christian Brandstätter, Wien, erschienener Katalog vor (390 Schilling). ]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 1999.11.09

09. Oktober 1999Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Wohnhäuser von Adolf Loos

Die dem «Raumplan» verpflichteten Bauten von Adolf Loos sind durch Grundrisse, Aufrisse und Schnitte nicht so leicht fassbar. Deshalb hat sich Friedrich...

Die dem «Raumplan» verpflichteten Bauten von Adolf Loos sind durch Grundrisse, Aufrisse und Schnitte nicht so leicht fassbar. Deshalb hat sich Friedrich...

Die dem «Raumplan» verpflichteten Bauten von Adolf Loos sind durch Grundrisse, Aufrisse und Schnitte nicht so leicht fassbar. Deshalb hat sich Friedrich Kurrent entschlossen, zusammen mit seinen Studenten eine grossformatige Mappe mit 40 Wohnhäusern zusammenzustellen, in der jeder Bau ausser mit Grundrissen und Aufrissen mit Innen- und Aussenraummodellen dargestellt ist. Erst hier begreift man das Loossche Durchbrechen der Stockwerksebenen. Dadurch kann jedem Raum seine eigene notwendige Höhe gegeben werden: Räume greifen und schneiden ineinander, kurze Treppen verbinden die Höhenschichten. Das bewegte Innenleben wird dann meisterhaft in eine strenge, geradezu physiognomische Fassade gefasst. Kurrent zeichnet im einleitenden Essay dieser bibliophilen Ausgabe die historische Entwicklung des Raumplanes nach und zitiert - Loos geziemend - vor allem Beispiele aus der angelsächsischen Welt.


[ Adolf Loos: 40 Wohnhäuser - 40 Houses. Texte dt. und engl. Hrsg. Friedrich Kurrent. Verlag Anton Pustet, Salzburg 1998. 116 Einzelblätter in Leinenkassette, Fr. 156.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1999.10.09

12. August 1999Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Geist und Handwerk

In der legendären «International Style»-Ausstellung von 1932 im Museum of Modern Art in New York wurde Brünn zu einer der Kapitalen der Moderne ernannt;...

In der legendären «International Style»-Ausstellung von 1932 im Museum of Modern Art in New York wurde Brünn zu einer der Kapitalen der Moderne ernannt;...

In der legendären «International Style»-Ausstellung von 1932 im Museum of Modern Art in New York wurde Brünn zu einer der Kapitalen der Moderne ernannt; und im Begleitbuch finden wir das einstige «Manchester der Monarchie» gleich mit fünf Bauten vorgestellt, von denen Mies van der Rohes Villa Tugendhat wohl die berühmteste ist. Brünn war damals international. Der in Prag kreierte tschechische Nationalstil konnte in der mährischen Hauptstadt nicht Fuss fassen. Hier legten dieethnischen Gruppen ein fortschrittliches Credo ab: Sie bauten modern, ja sie fanden in der Moderne zueinander. So repräsentieren die drei Architekten der 1937 vollendeten Mährischen Sparkasse die Brünner Gesellschaft: Josef Polášek steht für die tschechische, Jindrich Blum für die jüdische und Otokar Oplatek für die deutsche Seite.

Im Spirituellen verhielt es sich nicht viel anders. Die zaristischen Flüchtlinge bauten ihre Kirche im modernen Geist, Jan Višek entwarf ein modernes Gotteshaus für die Hussiten, Karel Fišer eines für die Katholiken, und Otto Eisler plante für die aus Polen eingewanderte Gemeinde «Agudas Achim» eine streng funktionalistische Synagoge, die letzte ihrer Art in Mitteleuropa. Nachdem sie 1940 von Alfred Roth in seinem Werk «Neue Architektur» der Schweizer Leserschaft vorgestellt wurde, ist sie nun - nach sechs Jahrzehnten - zum zweitenmal publiziert: in dem gerade erschienenen Buch zum Werk von Otto Eisler (1893-1968), einem führenden Architekten im Brünn der dreissiger Jahre. Eisler, 1893 im mährischen Bystrice nad Pernstejnem geboren, studierte an der Deutschen Technischen Hochschule in Brünn und absolvierte seine Praktiken bei Heinrich Tessenow und Walter Gropius.

Diese Erfahrungen sollten für sein Werk wegweisend werden. Bei seinem eigenen Haus (1930) finden wir das Loossche Spiel von Symmetrie und Asymmetrie. Die ungleichmässig gesetzten Stahlfenster der Südfassade mit ihrer auskragenden Terrasse bilden den freien Fassadenplan, der durch den strengen, dunkelroten, an Gropius erinnernden Baukörper zusammengehalten wird. An den übrigen Fassaden setzte der Architekt ganz pragmatisch Holzkastenfenster ein, die in Brünn «Wiener Fenster» genannt werden. Das Lapidare seiner Bauten ist stets mit feinsten Details garniert; zarte Travertinplatten umrahmen Fenster und Türen, feine, schwungvolle Terrassengeländer erwecken selbst die trockenste Fassade zum Leben.

Eisler gehörte zu einer ganz eigenen Spezies Architekt. Eine Spezies, die sich nicht nur mit dem Planen auseinandersetzte. Mit seinen Brüdern Moric und Arthur unterhielt er eine Baufirma, die unter anderem das Haus Tugendhat errichtet hat. Diese Verbindung von Geist und Handwerk war in Brünn nicht aussergewöhnlich. Erinnert sei an die Architekturfirmen Kuba und Dvorak, welche die eleganten Wohnbauten der dreissiger Jahre bauten. Diese interdisziplinäre Kultur fand im Jahr 1939 ihr Ende, um dann nach 1948 endgültig zu Grabe getragen zu werden.

Eisler selbst wurde im April 1939 durch die Gestapo sechs Wochen lang arrestiert; einige Jahre zuvor hatte er Verfolgten aus Nazideutschland Unterschlupf gewährt. Einer von ihnen, der Maler und Karikaturist Thomas Theodor Heine, verhalf ihm nun zu einem Visum für Norwegen. Nach dem Einfall der Nazitruppen versuchte Eisler nach Schweden zu entkommen, wurde aber verhaftet und deportiert. Er überlebte Auschwitz und Buchenwald. Nach Brünn zurückgekehrt, entwirft er noch einige Wohnbauten. 1948, als es zur zwangsweisen Auflösung der privaten Architekturbüros kommt, besinnt er sich auf seine alte Leidenschaft - die Flora und Fauna. Er gestaltet die Zoos von Brünn und Zlin, entwirft den Garten der Kinderklinik von Rozehnal. Dieser ist, wie viele seiner Villengärten, noch heute erhalten. Eislers Rolle als Gestalter mit Pflanzen geht in der vorliegenden Publikation etwas unter; auch sind die Pläne oft allzu klein wiedergegeben. Dennoch ist das Buch ein wichtiges Dokument; denn im Zuge der tschechischen Privatisierungswelle ist Eislers Archiv 1991 auf dem Müll gelandet.

Neue Zürcher Zeitung, Do., 1999.08.12

08. Februar 1999Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Ökologische Architektur ohne grüne Dogmen

Jan Kaplicky von «Future Systems» ist wohl der bekannteste tschechische Architekt. Als leidenschaftlicher Forscher in Sachen Baumethoden fühlt er sich der organischen Form verpflichtet. Der Aussenseiter konnte im letzten Jahrzehnt mehrere Bauten realisieren. Seine Heimat Böhmen blieb ihm bisher allerdings verschlossen. Nun widmet ihm Prag eine grosse Ausstellung.

Jan Kaplicky von «Future Systems» ist wohl der bekannteste tschechische Architekt. Als leidenschaftlicher Forscher in Sachen Baumethoden fühlt er sich der organischen Form verpflichtet. Der Aussenseiter konnte im letzten Jahrzehnt mehrere Bauten realisieren. Seine Heimat Böhmen blieb ihm bisher allerdings verschlossen. Nun widmet ihm Prag eine grosse Ausstellung.

Der in London tätige tschechische Architekt Jan Kaplicky zeigt in Prag sein Œuvre im Museum Moderner Kunst, dem einstigen Messepalast, der zur Zeit seiner Entstehung als einer der ersten Grossbauten des Funktionalismus gleichermassen irritierte und provozierte - selbst Le Corbusier. Das Grosse blieb Kaplicky zwar lange verwehrt, und trotzdem passt der Ort: hier waren in den zwanziger und dreissiger Jahren die neuesten Erfindungen der hochindustrialisierten Tschechoslowakei zu bewundern, von schweren Maschinen bis zu feinsten optischen Geräten. Als es klar war, dass diese Welt 1968 für immer verschwand, da verliess auch der technikbegeisterte Kaplicky Prag. Während seine daheimgebliebenen Kollegen statt zu planen Fenster der Plattenbauten putzten, arbeitete Kaplicky bei Foster und Rogers in London. Im Jahre 1979 gründete er dann zusammen mit David Nixon das Büro «Future Systems». Die nächsten zehn Jahre widmet es sich der Erforschung neuer Bau- und Denkmethoden, Flugzeug- und Autobau werden genau studiert. Die Wende kommt im Jahre 1989. Da stösst die Architektin Amanda Levete zur Gruppe. Man erhält den zweiten Preis für den Wettbewerbsentwurf der Pariser Bibliothèque nationale; und im Londoner Vorort Islington entsteht zwischen Patrizierbauten ein Glashaus als Villa, welche die wesentlichen Axiome von Future Systems klar formuliert: fern der kontinentalen Holzeuphorie wird hier ökologisch durchdachte Architektur in Stahl, Aluminium und Glas ausgeführt, möglichst nach dem Prinzip der Präfabrikation. Die Methode erwies sich auch bei weiteren Projekten als erfolgreich. So bei der muschelförmigen VIP-Lounge des Marylebone Cricket Club - gefertigt in einer Bootswerft - und bei einer Fussgängerbrücke in den Londoner Docklands.

Kaplicky schreckt nicht zurück, sich ganz wörtlich auf die Fauna zu beziehen. Wie ein Insekt setzt sich die Brücke auf die Wasseroberfläche. Im «ökologischen Erlebnispark» Earth Center im englischen Dearne-Tal ruht ein Schmetterling in einer postindustriellen Mondlandschaft aus stillgelegten Stahlkochereien, Schutthalden und Kohlegruben. Die Flügel des Tieres sind mit bunten Schuppen übersät, Solarpanele, welche die sich darunter ausdehnende 10 000 m² grosse Ausstellungsfläche mit Energie versorgen. Nicht nur hier sprengt Kaplicky mit Material- und Massstabwahl grüne Dogmen: Im Auftrag der Europäischen Union entwickelt er für Berlin und London Niedrigenergiebauten. Das englische Modell zeigt einen dreiundzwanziggeschossigen eiförmigen Körper, dessen Mitte von einer riesigen Windturbine durchbrochen ist. Die Grammatik dieser zwischen High-Tech und Lyrik oszillierenden Sprache glaubt der Emigrant immer in seinem Gepäck gehabt zu haben. Im Katalogheft zeigt er, was ihn einst beeinflusste: der stromlinienförmige Tatra 603 von 1937, Jaromír Krejcars Pariser Messepavillon aus demselben Jahr, Giovanni Santinis Wallfahrtskapelle in Zd'ár nad Sázavou, der Wenzelssaal auf der Prager Burg und immer wieder Ladislav Zák, der Prager Architekt, der bereits in den dreissiger Jahren Ökologie und Bauen zum Thema erhob.

Wundert es da noch, dass Kaplicky gerade hier in Böhmen bauen möchte? Bis dato liess sich nichts realisieren. Ein Wettbewerbsentwurf zur Neugestaltung der Prager Burgfasanerie wurde von der Jury als undurchführbar abgelehnt. Kaplicky legte durch den einmalig gelegenen Landstrich einen gläsernen vergoldeten Pfad, in Gedanken an Plecník und in der Hoffnung auf die Wiedergeburt einer innovativen Glasindustrie in Böhmen. Nicht viel anders erging es dem politisch brisanten Entwurf eines Memorials für die Opfer des Kommunismus: eine Stahltreppe mit 42 Stufen (die Anzahl Jahre kommunistischer Herrschaft symbolisierend) verbindet die Moldau mit jenem Ort, wo in den Jahren 1955-1963 das weltweit grösste Stalinmonument stand. Die Treppe mag hier in Prag viel mehr als lediglich eine Verbindung zwischen dem Fluss und dem geschichtsträchtigen Hügel sein: denn viele Tschechen liessen ihr Leben an der Todesstiege im Mauthausner Steinbruch. So wäre es ein Memorial der beiden Diktaturen, auch wenn in den gläsernen schwarzen Treppenwangen nur die Opfer der roten geschrieben wären. - Der 61jährige Kaplicky lebt seit nunmehr drei Jahrzehnten in England. Hier hat er ungeachtet aller Moden an seinem Weg festgehalten, hat beinahe ein böhmisches Dissidentendasein geführt. Prag, so meint er, wird er auch weiterhin von der Ferne betrachten. Er kann dort nichts mehr finden, wovon er geträumt hat.

[Die Ausstellung «Future Systems» ist bis zum 28. Februar im Veletrzní palác (Museum Moderner Kunst) zu sehen. Der Katalog, als Sondernummer des Architekturmagazins «zlatý rez» erschienen, kostet Fr. 12.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 1999.02.08



verknüpfte Akteure
Kaplický Jan

04. Dezember 1998Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Architektonische Blütenlese

In den kommenden Wochen wird in Wien die Aufrichte des 202 Meter hohen Millenniumtowers gefeiert. Damit ist hier das Hochhaus wieder Diskussionsthema,...

In den kommenden Wochen wird in Wien die Aufrichte des 202 Meter hohen Millenniumtowers gefeiert. Damit ist hier das Hochhaus wieder Diskussionsthema,...

In den kommenden Wochen wird in Wien die Aufrichte des 202 Meter hohen Millenniumtowers gefeiert. Damit ist hier das Hochhaus wieder Diskussionsthema, aber auch Diskussionsort für Architektur geworden. Im Ringturm, dem ältesten Bürohochhaus der Stadt, das – 1955, im Jahr des Staatsvertrages, fertiggestellt – zum Symbol des Aufbruchs wurde, hat die Wiener Städtische Versicherung nämlich einen grossen Schauraum der Baukunst gewidmet. Aus Anlass der EU-Präsidentschaft Österreichs werden dort zurzeit 36 Bauten in Bild und Plan präsentiert, die für den alle zwei Jahre vergebenen «Mies-van- der-Rohe-Pavillon-Preis» für europäische Architektur eingereicht wurden.

Fünf Projekte, die für die Auszeichnung in die engste Wahl kamen, sind ausführlich dokumentiert: das River and Rowing Museum von David Chipperfield in Grossbritannien, Pierre-Louis Falocis europäisches Archäologiezentrum in Mont Beuvray, das norwegische Aukrust-Zentrum von Sverre Fehn, das Thermalbad in Vals von Peter Zumthor und das Siegerprojekt: die Bibliothèque nationale de France von Dominique Perrault in Paris. Erstmals waren auch Nichtmitgliedstaaten der Europäischen Union wie die Schweiz (diese allein mit fünf Beispielen), Tschechien und Zypern zugelassen.

[Bis 15. Januar. Der im Verlag Anton Pustet, Salzburg, erschienene, 168seitige Katalog kostet 290 Schilling.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1998.12.04

02. Dezember 1998Stephan Templ
Neue Zürcher Zeitung

Ein vergessener Vertreter der weissen Moderne

Die Ausstellung zu Leben und Werk des steirischen Architekten Herbert Eichholzer im Haus Wittgenstein in Wien macht erneut eines klar: das Fehlen einer...

Die Ausstellung zu Leben und Werk des steirischen Architekten Herbert Eichholzer im Haus Wittgenstein in Wien macht erneut eines klar: das Fehlen einer...

Die Ausstellung zu Leben und Werk des steirischen Architekten Herbert Eichholzer im Haus Wittgenstein in Wien macht erneut eines klar: das Fehlen einer Rezeptionsgeschichte der Moderne. So werden wertvolle Themen nach tagespolitischen Grundsätzen abgehandelt, eine Vorgangsweise, die gerade dem etwas in Vergessenheit geratenen Herbert Eichholzer nicht gerecht werden kann. 1929 ging dieser als 26jähriger nach Paris, um für ein halbes Jahr bei Le Corbusier zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr in die Steiermark baute er – meist in Zusammenarbeit mit anderen Architekten – Einfamilienhäuser im Geiste der weissen Moderne. 1938 emigrierte er über Paris in die Türkei und arbeitete dort gemeinsam mit der etwas älteren Margarete Schütte-Lihotzky bei seinem Landsmann Clemens Holzmeister. Gleich Schütte-Lihotzky verliess Eichholzer im Jahre 1940 den «sicheren» Hafen Istanbul, um in seiner Heimat für die Freiheit zu kämpfen. Er sollte das Engagement 1943 mit dem Tode bezahlen. Leben und Aufrichtigkeit zeichnen diesen Architekten vor anderen aus. Sein Œuvre hingegen umfasst nur wenige, wenn auch aussergewöhnliche Bauten. Gerade deswegen verwundert es, dass er, Schütte-Lihotzky und Ernst Plischke im Katalog als einzige Repräsentanten der «Österreichischen Internationalen Moderne» bezeichnet werden.

Auch wenn es eine internationale Moderne in Österreich höchstens ansatzweise gab, findet sich eine beachtenswerte Anzahl von avantgardistischen Entwürfen bereits aus den frühen zwanziger Jahren (die 1926 im Kunstgewerbemuseum Zürich ausgestellt und von Siegfried Giedion aufs allerhöchste gelobt wurden). Obwohl zur Moderne in Österreich ein hervorragender mehrbändiger Architekturführer vorliegt, sind die verstreut liegenden Studien und Diplomarbeiten zu den einzelnen Architekten noch nicht aufgearbeitet. Wie wertvoll einzelne von ihnen sind, zeigt die Arbeit des Schweizers Lorenzo Gerster zum Werke Eichholzers: Neben umfangreichen Analysen findet sich dort auch reiches Planmaterial, das in der Ausstellung gänzlich fehlt.

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 1998.12.02

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