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23. November 2012Jasmin Al-Kattib
Der Standard

Lehm: Altbewährt und wiederentdeckt

Franz Volhards Buch „Bauen mit Leichtlehm“ beschäftigt sich umfassend mit dem Baustoff der Vergangenheit und Zukunft

Franz Volhards Buch „Bauen mit Leichtlehm“ beschäftigt sich umfassend mit dem Baustoff der Vergangenheit und Zukunft

Lehm ist einer der ältesten Baustoffe des Menschen. Es gibt ganze Städte aus Lehm, dessen Formbarkeit einzigartige Architekturen hervorgebracht hat: Shibam im Jemen mit ihren vielstöckigen Lehmbauten, auch bekannt als das „Manhattan der Wüste“, ist eine der bekanntesten. Aber auch Djenné in Mali oder Yazd im Iran sind prominente Beispiele.

Der traditionelle Lehmbau ist aber nicht nur in Gegenden wie Nordafrika, auf der arabischen Halbinsel oder in Vorderasien zu finden. Besonders im ländlichen Raum wird weltweit oft mit Lehm gebaut. In der Vergangenheit wurde auch in Europa häufig Lehm als Baustoff eingesetzt. In Mitteleuropa, so wird angenommen, wurden Häuser bis zur Römerzeit vorwiegend aus Holz und Lehm konstruiert.

Im Gegensatz zu den massiven Lehmbauten in Afrika und Asien bezieht sich die europäsiche Geschichte des Lehmbaus eher auf den Lehm-Fachwerkbau, dessen Gebäude aus tragenden Gerüsten aus Holz bestehen - die Zwischenräume mit einem Holz-Lehm-Verbund gefüllt. Diese Bauweise war von der Antike bis ins 19. Jahrhundert eine der vorherrschenden in Mitteleuropa und dominiert in bestimmten Regionen nach wie vor das Erscheinungsbild historischer Stadtkerne.

Klimafreundliches Material

Das Buch „Bauen mit Leichtlehm“, dessen Erstausgabe bereits im Jahr 1983 veröffentlicht wurde, möchte dem neu entfachten Interesse am Baustoff Lehm entgegenkommen. Es sind besonders Gedanken zu Umweltbewusstsein, Ressoucenknappheit und Nachhaltigkeit, die den Lehmbau auch hierzulande wieder „salonfähig“ machen. Auch in Österreich wird Lehm als Baustoff zunehmend interessant, was nicht zuletzt eine Vielzahl an Lehmbaustoff-Anbietern in Österreich bezeugt.

Die Neuerscheinung befasst sich zunächst mit Lehm als Baustoff und seinen Einsatzmöglichkeiten, um sich danach der Herstellung des Leichtlehms zu widmen. Leichlehm ist ein Gemisch von Lehm und Stroh und anderen Leichtzuschlägen, die den Hauptbestandteil der Masse bilden - der Lehm ist nur das Bindemittel der Zuschläge.

Dieser Lehmbaustoff erweise sich wegen seiner guten Wärmedämmung als besonders klimafreundliches Material und habe eine bessere Festigkeit und Feuchtigkeitsresistenz als gemeinhin angenommen, so Autor und Architekt Franz Volhard, der seit Beginn der 1980er Jahre Wohnhäuser aus Leichtlehm baut und historische Lehmbau-Techniken erforscht, um deren Weiterentwicklung für zeitgemäßes Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen anzuwenden.

Fertigbaustoffe und Projektbeispiele

Verständlich, detailliert und mit vielen Abbildungen und Fotos erklärt Volhard den Leichtlehm-Einbau in feuchter und trockener Variante, schildert Planung und Kosten und beschreibt alle bauphysikalischen Eigenschaften des Baustoffs. Für die überarbeitete Neuauflage ergänzte er das Handbuch mit Informationen über Vereinfachungen in der Konstruktion und den Einsatz von Lehmfertigbaustoffen, und stellt neue internationale Projektbeispiele und Selbstbauprojekte vor.

Das Buch präsentiert den Baustoff Lehm als vielfältig einsetzbares, relativ kostengünstiges, umweltfreundliches und altbewährtes Material, das immer stärker von der modernen Architektur wiederentdeckt wird.

Der Standard, Fr., 2012.11.23

29. November 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

„Entfremden und neu definieren macht großen Spaß“

Das Architektinnen-Team Beluga & Töchter über die Kooperation mit Auftraggebern und das Einbezie­hen orientalischer Ornamente

Das Architektinnen-Team Beluga & Töchter über die Kooperation mit Auftraggebern und das Einbezie­hen orientalischer Ornamente

„Das Schönste ist, wenn die Auftraggeber einziehen und den neuen Wohnraum mit ihrem Charakter und ihren Eigenschaften beleben, das macht jedes Projekt sehr aufregend“, schwärmt Heide Schicht vom Architekturbüro Beluga & Töchter, das sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Astghik Der Sakarian im Jahr 2007 gründete. Sehr wichtig ist den beiden Architektinnen das Funktionale - egal, ob es sich um die Renovierung einer alten Villa, einen neuen Dachausbau oder Büroräume handelt: Die neu gestalteten Räume sollen nicht als „Museum“, sondern tatsächlich als maßgeschneiderter Lebensraum genutzt werden.

„Wichtig, dass die Chemie stimmt“

Derzeit arbeiten Schicht und Der Sakarian, von denen je ein Elternteil aus Österreich und der andere aus dem Iran stammt, unter anderem an zwei 200-Quadratmeter-Wohnungen in Wien, bei denen es nach dem Umbau vor allem um die Planung der Innenarchitektur geht. „Viele Auftraggeber haben den Wunsch, dass gleich ein Gesamtkonzept entworfen wird“, erklärt Heide Schicht. „Wir sind ja vor allem auf Villen spezialisiert, und daraus hat sich ergeben, dass wir sehr oft auch die komplette Inneneinrichtung gemacht haben.“

Bei so langer und intensiver Zusammenarbeit mit den Bauherren entstehen freilich nicht selten Freundschaften und berufliche Synergien. „Die Bauherrin einer unserer letzten Wohnungs-Projekte ist jetzt unsere Wirtschaftsbetreuerin geworden“, erzählt Astghik Der Sakarian.

Die aktive und intensive Auseinandersetzung sei klarerweise auch häufig mit Diskussionen verbunden, die aber immer sehr produktiv verlaufen, da sich beide Seiten wohlüberlegt aufeinander einlassen. „Fast immer machen wir vor Projektbeginn eine Studie, das heißt, wir setzen uns mit den Auftraggebern zusammen und machen eine Art Vorentwurf zu den bestehenden Wünschen und dem Budget“, so die Architektinnen. „Uns ist ganz wichtig, dass wir uns kennenlernen und sehen, ob die Chemie zwischen uns stimmt.“

Traditionelle und moderne Elemente mischen

Ob ihrer iranischen bzw. armenisch-iranischen Wurzeln fällt es den beiden Architektinnen nicht allzu schwer, auch Kontakte abseits der Wiener Architekturszene zu knüpfen. So befinden sich zwar ihre bisher verwirklichten Projekte noch in Österreich, die ersten internationalen Vorhaben sind aber bereits in Planung. Dabei handelt es sich um zwei orientalisch inspirierte Entwürfe, in denen sich traditionelle Muster mit modernen Elementen mischen. „In der Villa in Rio de Janeiro, deren Auftraggeberin aus dem Iran stammt, haben wir ein ganz altes persisches Ornament ins Moderne umgesetzt“, erzählt Heide Schicht. „Außerdem wurde auch das für den Iran typische Atrium übernommen, ein Innenhof mit einer Wasserfläche, die kühlend wirkt.“

Auch beim Luxus-Gebäude für einen armenischen Kunden spielt das Element Wasser eine große Rolle: Die Villa mit ornamentaler Fassade liegt an einem See und wird auf einer schwimmenden Hohlkörper-Konstruktion gelagert. „Es macht uns großen Spaß, alte Ornamente zu entfremden und neu zu definieren und somit auch unseren interkulturellen Background mit einbringen zu können“, so Astghik Der Sakarian.

Traum, Yachten zu designen

Überhaupt zieht sich das Thema Wasser wie ein roter Faden durch den kreativen Output der Architektinnen. War es zur Zeit des Studiums noch ein Unterwasser-Hotel, das Der Sakarian als Diplomarbeit entwarf, liegt das heutige große Ziel zwar nicht unter, aber auf der Wasseroberfläche: „Unser absoluter Traum ist es, in Zukunft auch Yachten zu designen.“

Ob es gewisse Aufträge gibt, die die beiden nicht annehmen würden? „Als No-Go sehen wir Dinge, die wir sozial und politisch nicht vertreten können“, so Schicht. Was Design und Wünsche der Bauherren betrifft, könne man sich auf Vieles einlassen, wenn der Kontext stimme. „Wir haben beispielsweise schon oft und lange über Industrie-Architektur diskutiert - und irgendwie finden wir, alles hat seinen Reiz.“

Der Standard, Di., 2011.11.29



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18. August 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

„Keine Hi-Tech-Wohnmaschinen“

Die Kuratorinnen der Ausstellung „Wooden Boxes“ über innovative Sommerhaus- und Holz-Architek­tur in Österreich und Finnland

Die Kuratorinnen der Ausstellung „Wooden Boxes“ über innovative Sommerhaus- und Holz-Architek­tur in Österreich und Finnland

Das Institut für Architekturwissenschaften an der TU Wien präsentiert ab 18. August in seiner Ausstellung „Wooden Boxes“ je zehn aktuelle Arbeiten der österreichischen und finnischen Gegenwartsarchitektur, die mit Sommerhäusern aus Holz Einfachheit und Minimalismus zelebrieren. Jasmin Al-Kattib sprach mit den beiden Kuratorinnen Dörte Kuhlmann und Christina Simmel über den Trend zu kleineren, einfachen Bauten aus Holz und deren ausgetüftelte architektonische Lösungen.

derStandard.at: Warum wird in Ihrer Ausstellung „Wooden Boxes“ die Sommerhaus-Architektur aus Österreich der Bauweise aus Finnland gegenüber gestellt?

Kuhlmann: Wir wollen thematisieren, dass Sommerhäuser in Holzbauweise in Österreich oftmals einen übersehenen Teil der Baukultur darstellen. In Finnland haben sie eine sehr intensive Tradition, die auch im touristischen Blick sehr präsent sind. Länder wie Finnland und Schweden werden automatisch mit diesen Sommerhäusern verbunden. In Österreich glaubt man, es sei anders, aber eigentlich hat hier eine Parallelentwicklung stattgefunden.

Simmel: In Finnland sind es oft Sommerhäuser mit Saunahäusern, die zum Teil für den Gebrauch im Winter ausgelegt sind. In Österreich werden die Häuschen in der Regel ohne Sauna hauptsächlich für den Sommer gebaut - aber im Grunde ist es eine ähnliche Tradition.

derStandard.at: Wie hat sich diese Tradition entwickelt?

Kuhlmann: In Finnland, Österreich und anderen europäischen Ländern ist dieses Konzept nicht viel älter als etwa 100 Jahre. Als das Bürgertum versucht hat, es dem Adel gleichzutun, und nach der Industrialisierung die sommerliche Flucht aus der Stadt einsetzte, hatten die reichen Bürgerfamilien meistens ihre Villa am Land, nicht zu weit von der Stadt entfernt, um sie mit der Eisenbahn oder Pferdekutsche leicht zu erreichen. Erst mit dem Automobil wurde dann weiter weg von der Stadt gebaut, das sieht man an der finnischen Entwicklung ganz deutlich. Und mit dem Wegfall der Dienstboten und den veränderten Familienkonstellationen ging der Trend hin zu diesen typischen kleinen Sommerhäuschen.

Simmel: Erst da wurden die Sommerhäuser richtig „privat“ im heutigen Sinne. Sie hatten keine Dienstbotenräume mehr, sondern nur ein Schlafzimmer und einen Wohnbereich, und damit wollte man auskommen - so minimal wie möglich.

derStandard.at: In Finnland sind kleine Sommerhäuser aus Holz bis heute sehr präsent. Geht in Österreich der Trend auch dorthin?

Kuhlmann: Auf jeden Fall. Holz ist in der Architektur neu entdeckt worden, gerade hierzulande hat sich eine junge Architekturszene entwickelt, die sich mit Holzbau beschäftigt.

derStandard.at: Es hat ja viele Vorteile, wenn man kleiner baut. Man muss weniger heizen, man braucht weniger Material ...

Kuhlmann: Und vor allem sind die Grundstücke natürlich in manchen Lagen sehr teuer. Das alles ist sehr stark im Kommen, das sehen Sie auch am Bausektor in Wien, zum Beispiel bei den Kleingartenhäusern, die jetzt als normale Einfamilienhäuser gebaut werden. Aber es ist auch aus architektonischer Sicht spannend: Wenn ein Architekt oder eine Architektin auf so minimalem Raum bauen muss, dann muss viel präziser gearbeitet werden und es müssen viel mehr Ideen eingebracht werden, damit man diesen Raum optimal nutzen kann. Man muss flexibler sein, auch im Umgang mit den Baumaterialien.

derStandard.at: Die typischen finnischen Sommerhäuschen sehen oft sehr einfach aus. Sind sie leistbarer als in Österreich?

Kuhlmann: Der Eindruck täuscht. Sie sind wahrscheinlich vom Preisniveau her ähnlich teuer wie in Österreich. Viele finnische Häuser basieren zum Beispiel auf einschaliger Blockbohlenbauweise. Die massiven Blockbohlen sind sehr kostenintensiv, auch in Finnland. Und die Bauvorschriften sind sehr streng geworden.

Simmel: Der Aufbau ist zwar oft sehr einfach, aber die Ausführung ist meistens sehr speziell, weil man versucht, im Rahmen der minimalen Möglichkeiten alles so gut wie möglich zu gestalten, und da auch nach individuellen und innovativen Lösungen sucht, die nicht immer kostengünstig sind. Oft sieht man auf den ersten Blick nicht, wie viel Arbeit und Gedankengut dahinter steckt. Die Häuser sollen einfach wirken, denn man soll das Gefühl haben, dass man sich darin erholen kann und nicht in einer Hi-Tech-Wohnmaschine Urlaub macht. Zudem spielt der Naturschutz in Finnland eine wichtige Rolle. Deshalb greifen auch gerade junge Architekturbüros gerne auf traditionelle Methoden zurück, das Holz zu bearbeiten. Die Abbrand-Methode bei einem der finnischen Projekte zum Beispiel ist sehr arbeitsintensiv, aber das Haus wirkt trotzdem sehr natürlich und rau, so wie die raue Natur. Oft wird genau diese Verbindung zur Natur gesucht.

derStandard.at: Wie kam es zu den Kontakten zwischen der Technischen Universität Wien und den finnischen Projekten?

Kuhlmann: Wir haben eine relativ lange Tradition, uns mit Finnland auseinander zu setzen. „Wooden Boxes“ ist ein Nachfolgeprojekt der Ausstellung „Wood with a Difference“ aus dem Jahr 2008. Bei „Wood with a Difference“ wollten wir vor allem junge finnische Architektur nach Österreich bringen, weil es da höchst interessante Ansätze gibt, wie man mit Holz arbeiten kann, von rustikal bis minimalistisch. Und in der Auseinandersetzung mit diesen jungen Architekturbüros hat sich dieses Thema automatisch ergeben.

derStandard.at: Welche Aspekte finden Sie am Baustoff Holz besonders spannend?

Kuhlmann: Holz ist ein Baustoff, der lange Zeit etwas in Vergessenheit geraten ist, gerade in Österreich. Jetzt erfährt er aber wieder eine große Aufmerksamkeit, vor ein paar Jahren gab es in Wien dieses Projekt mit mehrgeschossigen Holzbauweisen - so etwas war früher noch undenkbar. Interessanterweise kam von Finnland dann auch der Einsatz von Holz im Bürobau aus Brandschutzgründen, weil die Massivholzbauweise brandschutztechnisch leichter zu berechnen und sicherer ist als zum Beispiel Stahlkonstruktionen. Dann interessieren mich auch die vielen neuen Umgangstechniken mit dem Werkstoff an sich, mit der Festigkeit, mit der Oberflächenbehandlung, auch die Ästhetik.

Simmel: Ich finde den traditionellen Umgang spannend - wie man das Material früher eingesetzt und behandelt hat und wie es jetzt mit den neuen technischen Möglichkeiten anders einsetzbar ist. Und den Versuch, diese beiden Dinge zusammen zu bringen. Also die Kombination der heutigen Möglichkeiten mit den traditionellen Methoden. Das ist sehr interessant, und daran wird sowohl in Finnland als auch in Österreich gearbeitet.

Kuhlmann: Es gibt in beiden Ländern eine junge Szene, die sich dieser Sache verschrieben hat, und die Ergebnisse sind wirklich toll. In Österreich finden sich etliche Büros, die sich auf die Holzbauweise spezialisiert haben und die sehr innovativ arbeiten - vielleicht viel innovativer als andere, die sich mit herkömmlichen Materialien wie Beton oder sonstwas beschäftigen.

Der Standard, Do., 2011.08.18

31. Juli 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

Materialien für die Zukunft

Das Lexikon „Materialrevolution“ informiert über derzeit verfügbare nachhaltige und multifunktionale Materialien und Werkstoffe

Das Lexikon „Materialrevolution“ informiert über derzeit verfügbare nachhaltige und multifunktionale Materialien und Werkstoffe

Fliesen aus recyceltem Glas, lichtdurchlässiger Beton, Papier aus organischen Abfällen oder Einweggeschirr aus Kartoffelstärke sind nur einige wenige Materialien, die in Sascha Peters Buch „Materialrevolution“ vorgestellt werden.

Beim ersten Hineinblättern wirkt das Lexikon über nachhaltige und multifunktionale Materialien für Design und Architektur etwas chaotisch - eher künstlerisch aufbereitet als überschaubar und geordnet. Doch nach der ersten Orientierung überzeugt man sich schnell vom Gegenteil, zumindest was die vermeintliche Unordnung anbelangt. Es entpuppt sich als interessantes Handbuch für alle, die an Design, Architektur, Kunst und vor allem an Nachhaltigkeit und Multifunktionalität von unterschiedlichsten Materialien interessiert sind.

Ressourcenschonende Alternativen

Längst weiß man, dass viele Ressourcen der Welt zur Neige gehen, viele Rohstoffe nur mehr begrenzt verfügbar sind, wie zum Beispiel Erdöl, dem eine Vielzahl an werkstofflichen Errungenschaften im 20. Jahrhundert zu verdanken ist. Jetzt muss an Alternativen gearbeitet werden, und diese Entwicklungen sind bereits voll im Gange. „Der bevorstehende Innovationssprung im Bereich der Materialien wird aber nicht mehr fokussiert sein auf die Entwicklung neuer Funktionalitäten“, schreibt Autor Sascha Peters in der Einleitung, die als eingerückter, aus dünnem Recycling-Papier bestehender Teil des Buches vor dem lexikalischen Teil aus dickerem Papier steht. „Es geht vielmehr um das Hervorbringen von Werkstoffen, die ressourcenschonend und materialeffizient eingesetzt werden können und keine Gefahren für den Menschen darstellen.“

Ökologischer Rucksack

Wichtig in diesem Zusammenhang ist das „Denken in Materialkreiskäufen“ - die Verwendung umweltverträglicher Materialien mit multifunktionalen Eigenschaften und die Nutzung nachhaltiger Produktionsverfahren werden dabei vorausgesetzt. Ein unentbehrliches Stichwort hierbei ist die Ökobilanz oder der „ökologische Rucksack“. Damit soll die Menge aller benötigten Ressourcen bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung eines Produkts dargestellt werden.

"Typische Werte für den „Ökologischen Rucksack“ von Materialien sind ein Faktor 5 für Polymerwerkstoffe, was bedeutet, dass für die Herstellung von einem Kilogramm Kunststoff rund fünf Kilogramm Ressourcen benötigt werden", so Peters. Demnach kann in Zukunft bei der Erzeugung von Aluminium, das rund 85 Kilogramm Ressourcen verbraucht, oder gar Kupfer, wofür 500 Kilogramm notwendig sind, nicht mehr auf Recycling verzichtet werden. Allerdings gibt es erst für wenige wichtige Werkstoffe gesicherte Daten für die Errechnung der gesamten Energie, die ein Material in seinem gesamten Lebenszyklus tatsächlich verschlingt. Auch die Frage, ob zum Beispiel biobasierte oder bioabbaubare Materialien tatsächlich klimaneutral sind, sei noch nicht abschließend geklärt, so der Autor.

Materialeffizienz und nachhaltige Produktionsverfahren

„Bis wir es mit Materialien zu tun haben, die keine negativen Auswirkungen mehr auf Klima und Umwelt haben, gilt es vor allem, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu verwenden und ideal auf den Einsatzzweck auszurichten,“ schreibt Peters weiter. Also sei die Steigerung der Materialeffizienz derzeit eines der wichtigsten Ziele. Schließlich beleuchtet der Autor auch die Bedeutung von professionellen Kreativen wie Architekten und Designern für technische Innovationsprozesse. Denn sie sind es, die meist entscheiden, ob nachhaltige Materialien zum Einsatz kommen oder nicht.

In dem auf den Einleitungsteil folgenden mit vielen Fotos bebilderten Lexikon kommentiert Peters in acht Kapiteln biobasierte, biologisch abbaubare sowie recycelte Materialien, Leicht-Baumaterialien und Dämmstoffe, formverändernde und multifunktionale Materialien sowie Energie erzeugende und Licht beeinflussende Materialien. Am Schluss stellt der Autor noch einige nachhaltige Produktionsverfahren vor, wie zum Beispiel Laserbearbeitungstechnologien, Wasserstrahlschneiden oder klebefreies Fügen von Holz.

„Materialrevolution“ bietet einen systematischen Überblick über die derzeit verfügbaren nachhaltigen Materialien auf dem Markt, und es ist sowohl für die Sinne der optischen als auch haptischen Wahrnehmung eine Freude, in diesem ökologisch designten Lexikon aus verschiedenen Recyclingpapieren zu schmökern.

Der Standard, So., 2011.07.31

06. Mai 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

Moderne Jurte mit Wollpullover

Vom österreichischen Studenten-Entwurf in die mongolische Steppe: Im Filzhaus mit Schafwolldämmung wird im Mai ein Kinderbetreuungszentrum eröffnet

Vom österreichischen Studenten-Entwurf in die mongolische Steppe: Im Filzhaus mit Schafwolldämmung wird im Mai ein Kinderbetreuungszentrum eröffnet

Ulan Bator gilt als kälteste Hauptstadt der Welt. Sie zählt etwa eine Million Einwohner, das sind rund 40 Prozent aller Bewohner der Mongolei. Wie vielerorts auf der Welt werden die Randzonen der Städte mit ihren armen Bevölkerungsschichten immer größer. „In Ulan Bator gibt es ein ziemlich großes Wohnproblem für Leute, die vom Land in die Stadt ziehen. Also haben wir im Jahr 2005 begonnen, Jurten für Obdachlose in den Slumvierteln von Ulan Bator aufzustellen“, erzählt Martin Summer vom Beginn seines Engagements in der mongolischen Hauptstadt.

„Dann wurde mir als Architekt aber bald klar, dass das natürlich keine Lösung ist. Die Jurten sind für die Nomaden toll, aber nicht für Leute, die fest ansässig sind.“ Die Jurte - das traditionelle Nomadenzelt aus Wollfilz - lässt sich an und für sich leicht beheizen. Am Land machen es die Nomaden mit Kamel-Dung, den gibt es aber in der Stadt nicht. Auch Holz ist im ganzen Land sehr knapp, und Braunkohle aus China ist sehr teuer. „Also heizen die Leute in den Vororten von Ulan Bator mit Müll und Autoreifen,“ schildert Summer. „Und das ergibt dann alle Lungenkrankheiten, die man sich vorstellen kann.“

Gleiche Materialien wie bei traditioneller Jurte

Also begann der österreichische Architekt über eine längerfristige Lösung für wärmere Behausungen in den Armenvierteln Ulan Bators nachzudenken. Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Entwerfen“ an der TU Wien, die Martin Summer gemeinsam mit Kollegin Karin Stieldorf im Wintersemester 2007/2008 durchführte, entwickelten StudentInnen verschiedene Ideen, die für das rauhe Klima und die dort lebenden Menschen sinnvoll sein könnten.

Ergebnis des Seminars war unter anderem das von Christoph Grabner und Sebastian Brandner entworfene Haus „GERald“ („ger“ ist das mongolische Wort für Jurte, „-ald“ steht für „advanced living design“) - ein System aus den gleichen Materialien wie der traditionellen Jurte, nämlich Holz und Schafwollfilz, das zunächst als Familienwohneinheit geplant wurde. Dicke, mit Schafwolle gefüllte Filzkissen sollen das Gebäude gut dämmen, mit seinem modularen Aufbau soll eine Basiseinheit bei Bedarf jederzeit erweitert werden können.

Vom Entwurf zum konkreten Projekt

Nachdem der Entwurf 2009 einen internationalen Studentenwettbewerb gewonnen hatte, kam es im Frühjahr 2010 zu einer konkreten Anfrage für den Bau des Gebäudes. Eine langjährige mongolische Projektpartnerin Summers hatte sich zum Ziel gesetzt, ein Zentrum zur Nachmittagsbetreuung von Kindern am Rande von Ulan Bator aufzubauen. „Also habe ich Christoph und Sebastian gefragt, ob sie Lust haben, aus der Idee etwas zu entwickeln, was schon im Sommer aufgebaut werden könnte. Die beiden hatten gerade fertig studiert, und wir haben gleich begonnen das Gebäude weiter zu entwickeln.“ Das ursprünglich als eher kleines Wohnhaus geplante Gebäude wurde dann zu einer etwa 100 Quadratmeter großen Bildungsstätte adaptiert.

Leichte Holzkonstruktion, Filz und Schafwolle

Die Grundidee, das Haus mit den Materialien der Jurte zu bauen, ergab sich aus den Ressourcen vor Ort. Aufgrund der Holzknappheit in der Mongolei sollte die tragende Holzkonstruktion möglichst schlank gehalten werden. Anstatt wie bei der Jurte nur den Filz auf die Holzkonstruktion zu befestigen, entwickelten Summer, Grabner und Brandner 32 Zentimeter starke Kissen aus Filz, die mit loser Schlafwolle gefüllt und dann zwischen die Träger der Wände gehängt wurden. „Filz ist ja komprimierte Schafwolle, wir wollten sie aber möglichst wenig komprimieren, damit der Wärmedämmwert einfach möglichst groß wird,“ so Summer. Die zweigeteilten Träger sollten nicht nur verhindern, unnötig viel Holz zu verwenden, sondern auch vor Wärmebrücken schützen. „Die Träger sind nur mit Leisten verbunden, und dazwischen haben wir Filz hineingeklemmt.“

Drei Wochen arbeiteten etwa zehn Personen daran, das neue Haus aus Holz, Filz und Schafwolle aufzubauen. Die Trägerteile wurden per Video-Anleitungen aus Österreich von einer Tischlerei-Firma vor Ort vorgefertigt, ebenso die Kissen, die Stück für Stück per Hand genäht und danach mit Schafwolle gefüllt wurden. Gegen Motten wurde Sägemehl aus Zedernholz unter die Wolle gemischt.

Schaf- statt Mineralwolle

Geheizt wird im „GERald“ mit einem Ofen, der in seiner Bauweise dem traditionellen Jurte-Ofen nachempfunden ist, aber mit Schamott verkleidet wurde. „Früher gab es in der Jurte ein offenes Feuer“, schildert Summer die Heizgewohnheiten der Nomaden, „der später entwickelte Jurteofen besteht nur aus ganz dünnem Blech und hat keine Speichermasse. Wenn es im Winter also minus 40 Grad hat, müssen die Leute in der Nacht öfters aufstehen und immer wieder heizen, damit sie nicht erfrieren.“ Im „GERald“ bleibt nicht nur der Ofen länger warm, sondern die Wärme aufgrund der dicken Schafwolldämmung auch länger im Raum.

„Wir wollten den Leuten in einem sehr armen Gebiet zeigen, dass man mit sehr einfachen Mitteln und den Materialien, die sie ohnehin verwenden und mit denen sie umgehen können, auch noch etwas anderes machen kann. Wie zum Beispiel die Schafwolle zum Dämmen zu verwenden. Wenn den Leuten unser Konzept gefällt und es sich bewährt, werden sie es kopieren,“ fasst Summer den Grundgedanken seines Jurte-Projekts zusammen. Auch in der Mongolei wird beim Thema Dämmen meist auf teure Mineralwolle gesetzt. - Und die heimische und erschwingliche Schafwolle wird zu billigen Preisen nach China verkauft. (Jasmin Al-Kattib, derStandard.at, 5. Mai 2011)

Noch im Mai wird es mit dem Bildungsangebot und der Nachmittagsbetreuung im „GERald“ losgehen. Kindern aus sehr armen Familien wird hier eine behagliche Freizeitunterkunft geboten, gekoppelt mit dem Zugang zu Bildung, Büchern und Computern. Organisiert wird die Betreuung von der NGO „Gerelt Mur“ mit Sitz in Ulan Bator.

Der Standard, Fr., 2011.05.06



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23. November 2012Jasmin Al-Kattib
Der Standard

Lehm: Altbewährt und wiederentdeckt

Franz Volhards Buch „Bauen mit Leichtlehm“ beschäftigt sich umfassend mit dem Baustoff der Vergangenheit und Zukunft

Franz Volhards Buch „Bauen mit Leichtlehm“ beschäftigt sich umfassend mit dem Baustoff der Vergangenheit und Zukunft

Lehm ist einer der ältesten Baustoffe des Menschen. Es gibt ganze Städte aus Lehm, dessen Formbarkeit einzigartige Architekturen hervorgebracht hat: Shibam im Jemen mit ihren vielstöckigen Lehmbauten, auch bekannt als das „Manhattan der Wüste“, ist eine der bekanntesten. Aber auch Djenné in Mali oder Yazd im Iran sind prominente Beispiele.

Der traditionelle Lehmbau ist aber nicht nur in Gegenden wie Nordafrika, auf der arabischen Halbinsel oder in Vorderasien zu finden. Besonders im ländlichen Raum wird weltweit oft mit Lehm gebaut. In der Vergangenheit wurde auch in Europa häufig Lehm als Baustoff eingesetzt. In Mitteleuropa, so wird angenommen, wurden Häuser bis zur Römerzeit vorwiegend aus Holz und Lehm konstruiert.

Im Gegensatz zu den massiven Lehmbauten in Afrika und Asien bezieht sich die europäsiche Geschichte des Lehmbaus eher auf den Lehm-Fachwerkbau, dessen Gebäude aus tragenden Gerüsten aus Holz bestehen - die Zwischenräume mit einem Holz-Lehm-Verbund gefüllt. Diese Bauweise war von der Antike bis ins 19. Jahrhundert eine der vorherrschenden in Mitteleuropa und dominiert in bestimmten Regionen nach wie vor das Erscheinungsbild historischer Stadtkerne.

Klimafreundliches Material

Das Buch „Bauen mit Leichtlehm“, dessen Erstausgabe bereits im Jahr 1983 veröffentlicht wurde, möchte dem neu entfachten Interesse am Baustoff Lehm entgegenkommen. Es sind besonders Gedanken zu Umweltbewusstsein, Ressoucenknappheit und Nachhaltigkeit, die den Lehmbau auch hierzulande wieder „salonfähig“ machen. Auch in Österreich wird Lehm als Baustoff zunehmend interessant, was nicht zuletzt eine Vielzahl an Lehmbaustoff-Anbietern in Österreich bezeugt.

Die Neuerscheinung befasst sich zunächst mit Lehm als Baustoff und seinen Einsatzmöglichkeiten, um sich danach der Herstellung des Leichtlehms zu widmen. Leichlehm ist ein Gemisch von Lehm und Stroh und anderen Leichtzuschlägen, die den Hauptbestandteil der Masse bilden - der Lehm ist nur das Bindemittel der Zuschläge.

Dieser Lehmbaustoff erweise sich wegen seiner guten Wärmedämmung als besonders klimafreundliches Material und habe eine bessere Festigkeit und Feuchtigkeitsresistenz als gemeinhin angenommen, so Autor und Architekt Franz Volhard, der seit Beginn der 1980er Jahre Wohnhäuser aus Leichtlehm baut und historische Lehmbau-Techniken erforscht, um deren Weiterentwicklung für zeitgemäßes Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen anzuwenden.

Fertigbaustoffe und Projektbeispiele

Verständlich, detailliert und mit vielen Abbildungen und Fotos erklärt Volhard den Leichtlehm-Einbau in feuchter und trockener Variante, schildert Planung und Kosten und beschreibt alle bauphysikalischen Eigenschaften des Baustoffs. Für die überarbeitete Neuauflage ergänzte er das Handbuch mit Informationen über Vereinfachungen in der Konstruktion und den Einsatz von Lehmfertigbaustoffen, und stellt neue internationale Projektbeispiele und Selbstbauprojekte vor.

Das Buch präsentiert den Baustoff Lehm als vielfältig einsetzbares, relativ kostengünstiges, umweltfreundliches und altbewährtes Material, das immer stärker von der modernen Architektur wiederentdeckt wird.

Der Standard, Fr., 2012.11.23

29. November 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

„Entfremden und neu definieren macht großen Spaß“

Das Architektinnen-Team Beluga & Töchter über die Kooperation mit Auftraggebern und das Einbezie­hen orientalischer Ornamente

Das Architektinnen-Team Beluga & Töchter über die Kooperation mit Auftraggebern und das Einbezie­hen orientalischer Ornamente

„Das Schönste ist, wenn die Auftraggeber einziehen und den neuen Wohnraum mit ihrem Charakter und ihren Eigenschaften beleben, das macht jedes Projekt sehr aufregend“, schwärmt Heide Schicht vom Architekturbüro Beluga & Töchter, das sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Astghik Der Sakarian im Jahr 2007 gründete. Sehr wichtig ist den beiden Architektinnen das Funktionale - egal, ob es sich um die Renovierung einer alten Villa, einen neuen Dachausbau oder Büroräume handelt: Die neu gestalteten Räume sollen nicht als „Museum“, sondern tatsächlich als maßgeschneiderter Lebensraum genutzt werden.

„Wichtig, dass die Chemie stimmt“

Derzeit arbeiten Schicht und Der Sakarian, von denen je ein Elternteil aus Österreich und der andere aus dem Iran stammt, unter anderem an zwei 200-Quadratmeter-Wohnungen in Wien, bei denen es nach dem Umbau vor allem um die Planung der Innenarchitektur geht. „Viele Auftraggeber haben den Wunsch, dass gleich ein Gesamtkonzept entworfen wird“, erklärt Heide Schicht. „Wir sind ja vor allem auf Villen spezialisiert, und daraus hat sich ergeben, dass wir sehr oft auch die komplette Inneneinrichtung gemacht haben.“

Bei so langer und intensiver Zusammenarbeit mit den Bauherren entstehen freilich nicht selten Freundschaften und berufliche Synergien. „Die Bauherrin einer unserer letzten Wohnungs-Projekte ist jetzt unsere Wirtschaftsbetreuerin geworden“, erzählt Astghik Der Sakarian.

Die aktive und intensive Auseinandersetzung sei klarerweise auch häufig mit Diskussionen verbunden, die aber immer sehr produktiv verlaufen, da sich beide Seiten wohlüberlegt aufeinander einlassen. „Fast immer machen wir vor Projektbeginn eine Studie, das heißt, wir setzen uns mit den Auftraggebern zusammen und machen eine Art Vorentwurf zu den bestehenden Wünschen und dem Budget“, so die Architektinnen. „Uns ist ganz wichtig, dass wir uns kennenlernen und sehen, ob die Chemie zwischen uns stimmt.“

Traditionelle und moderne Elemente mischen

Ob ihrer iranischen bzw. armenisch-iranischen Wurzeln fällt es den beiden Architektinnen nicht allzu schwer, auch Kontakte abseits der Wiener Architekturszene zu knüpfen. So befinden sich zwar ihre bisher verwirklichten Projekte noch in Österreich, die ersten internationalen Vorhaben sind aber bereits in Planung. Dabei handelt es sich um zwei orientalisch inspirierte Entwürfe, in denen sich traditionelle Muster mit modernen Elementen mischen. „In der Villa in Rio de Janeiro, deren Auftraggeberin aus dem Iran stammt, haben wir ein ganz altes persisches Ornament ins Moderne umgesetzt“, erzählt Heide Schicht. „Außerdem wurde auch das für den Iran typische Atrium übernommen, ein Innenhof mit einer Wasserfläche, die kühlend wirkt.“

Auch beim Luxus-Gebäude für einen armenischen Kunden spielt das Element Wasser eine große Rolle: Die Villa mit ornamentaler Fassade liegt an einem See und wird auf einer schwimmenden Hohlkörper-Konstruktion gelagert. „Es macht uns großen Spaß, alte Ornamente zu entfremden und neu zu definieren und somit auch unseren interkulturellen Background mit einbringen zu können“, so Astghik Der Sakarian.

Traum, Yachten zu designen

Überhaupt zieht sich das Thema Wasser wie ein roter Faden durch den kreativen Output der Architektinnen. War es zur Zeit des Studiums noch ein Unterwasser-Hotel, das Der Sakarian als Diplomarbeit entwarf, liegt das heutige große Ziel zwar nicht unter, aber auf der Wasseroberfläche: „Unser absoluter Traum ist es, in Zukunft auch Yachten zu designen.“

Ob es gewisse Aufträge gibt, die die beiden nicht annehmen würden? „Als No-Go sehen wir Dinge, die wir sozial und politisch nicht vertreten können“, so Schicht. Was Design und Wünsche der Bauherren betrifft, könne man sich auf Vieles einlassen, wenn der Kontext stimme. „Wir haben beispielsweise schon oft und lange über Industrie-Architektur diskutiert - und irgendwie finden wir, alles hat seinen Reiz.“

Der Standard, Di., 2011.11.29



verknüpfte Akteure
Beluga & Toechter

18. August 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

„Keine Hi-Tech-Wohnmaschinen“

Die Kuratorinnen der Ausstellung „Wooden Boxes“ über innovative Sommerhaus- und Holz-Architek­tur in Österreich und Finnland

Die Kuratorinnen der Ausstellung „Wooden Boxes“ über innovative Sommerhaus- und Holz-Architek­tur in Österreich und Finnland

Das Institut für Architekturwissenschaften an der TU Wien präsentiert ab 18. August in seiner Ausstellung „Wooden Boxes“ je zehn aktuelle Arbeiten der österreichischen und finnischen Gegenwartsarchitektur, die mit Sommerhäusern aus Holz Einfachheit und Minimalismus zelebrieren. Jasmin Al-Kattib sprach mit den beiden Kuratorinnen Dörte Kuhlmann und Christina Simmel über den Trend zu kleineren, einfachen Bauten aus Holz und deren ausgetüftelte architektonische Lösungen.

derStandard.at: Warum wird in Ihrer Ausstellung „Wooden Boxes“ die Sommerhaus-Architektur aus Österreich der Bauweise aus Finnland gegenüber gestellt?

Kuhlmann: Wir wollen thematisieren, dass Sommerhäuser in Holzbauweise in Österreich oftmals einen übersehenen Teil der Baukultur darstellen. In Finnland haben sie eine sehr intensive Tradition, die auch im touristischen Blick sehr präsent sind. Länder wie Finnland und Schweden werden automatisch mit diesen Sommerhäusern verbunden. In Österreich glaubt man, es sei anders, aber eigentlich hat hier eine Parallelentwicklung stattgefunden.

Simmel: In Finnland sind es oft Sommerhäuser mit Saunahäusern, die zum Teil für den Gebrauch im Winter ausgelegt sind. In Österreich werden die Häuschen in der Regel ohne Sauna hauptsächlich für den Sommer gebaut - aber im Grunde ist es eine ähnliche Tradition.

derStandard.at: Wie hat sich diese Tradition entwickelt?

Kuhlmann: In Finnland, Österreich und anderen europäischen Ländern ist dieses Konzept nicht viel älter als etwa 100 Jahre. Als das Bürgertum versucht hat, es dem Adel gleichzutun, und nach der Industrialisierung die sommerliche Flucht aus der Stadt einsetzte, hatten die reichen Bürgerfamilien meistens ihre Villa am Land, nicht zu weit von der Stadt entfernt, um sie mit der Eisenbahn oder Pferdekutsche leicht zu erreichen. Erst mit dem Automobil wurde dann weiter weg von der Stadt gebaut, das sieht man an der finnischen Entwicklung ganz deutlich. Und mit dem Wegfall der Dienstboten und den veränderten Familienkonstellationen ging der Trend hin zu diesen typischen kleinen Sommerhäuschen.

Simmel: Erst da wurden die Sommerhäuser richtig „privat“ im heutigen Sinne. Sie hatten keine Dienstbotenräume mehr, sondern nur ein Schlafzimmer und einen Wohnbereich, und damit wollte man auskommen - so minimal wie möglich.

derStandard.at: In Finnland sind kleine Sommerhäuser aus Holz bis heute sehr präsent. Geht in Österreich der Trend auch dorthin?

Kuhlmann: Auf jeden Fall. Holz ist in der Architektur neu entdeckt worden, gerade hierzulande hat sich eine junge Architekturszene entwickelt, die sich mit Holzbau beschäftigt.

derStandard.at: Es hat ja viele Vorteile, wenn man kleiner baut. Man muss weniger heizen, man braucht weniger Material ...

Kuhlmann: Und vor allem sind die Grundstücke natürlich in manchen Lagen sehr teuer. Das alles ist sehr stark im Kommen, das sehen Sie auch am Bausektor in Wien, zum Beispiel bei den Kleingartenhäusern, die jetzt als normale Einfamilienhäuser gebaut werden. Aber es ist auch aus architektonischer Sicht spannend: Wenn ein Architekt oder eine Architektin auf so minimalem Raum bauen muss, dann muss viel präziser gearbeitet werden und es müssen viel mehr Ideen eingebracht werden, damit man diesen Raum optimal nutzen kann. Man muss flexibler sein, auch im Umgang mit den Baumaterialien.

derStandard.at: Die typischen finnischen Sommerhäuschen sehen oft sehr einfach aus. Sind sie leistbarer als in Österreich?

Kuhlmann: Der Eindruck täuscht. Sie sind wahrscheinlich vom Preisniveau her ähnlich teuer wie in Österreich. Viele finnische Häuser basieren zum Beispiel auf einschaliger Blockbohlenbauweise. Die massiven Blockbohlen sind sehr kostenintensiv, auch in Finnland. Und die Bauvorschriften sind sehr streng geworden.

Simmel: Der Aufbau ist zwar oft sehr einfach, aber die Ausführung ist meistens sehr speziell, weil man versucht, im Rahmen der minimalen Möglichkeiten alles so gut wie möglich zu gestalten, und da auch nach individuellen und innovativen Lösungen sucht, die nicht immer kostengünstig sind. Oft sieht man auf den ersten Blick nicht, wie viel Arbeit und Gedankengut dahinter steckt. Die Häuser sollen einfach wirken, denn man soll das Gefühl haben, dass man sich darin erholen kann und nicht in einer Hi-Tech-Wohnmaschine Urlaub macht. Zudem spielt der Naturschutz in Finnland eine wichtige Rolle. Deshalb greifen auch gerade junge Architekturbüros gerne auf traditionelle Methoden zurück, das Holz zu bearbeiten. Die Abbrand-Methode bei einem der finnischen Projekte zum Beispiel ist sehr arbeitsintensiv, aber das Haus wirkt trotzdem sehr natürlich und rau, so wie die raue Natur. Oft wird genau diese Verbindung zur Natur gesucht.

derStandard.at: Wie kam es zu den Kontakten zwischen der Technischen Universität Wien und den finnischen Projekten?

Kuhlmann: Wir haben eine relativ lange Tradition, uns mit Finnland auseinander zu setzen. „Wooden Boxes“ ist ein Nachfolgeprojekt der Ausstellung „Wood with a Difference“ aus dem Jahr 2008. Bei „Wood with a Difference“ wollten wir vor allem junge finnische Architektur nach Österreich bringen, weil es da höchst interessante Ansätze gibt, wie man mit Holz arbeiten kann, von rustikal bis minimalistisch. Und in der Auseinandersetzung mit diesen jungen Architekturbüros hat sich dieses Thema automatisch ergeben.

derStandard.at: Welche Aspekte finden Sie am Baustoff Holz besonders spannend?

Kuhlmann: Holz ist ein Baustoff, der lange Zeit etwas in Vergessenheit geraten ist, gerade in Österreich. Jetzt erfährt er aber wieder eine große Aufmerksamkeit, vor ein paar Jahren gab es in Wien dieses Projekt mit mehrgeschossigen Holzbauweisen - so etwas war früher noch undenkbar. Interessanterweise kam von Finnland dann auch der Einsatz von Holz im Bürobau aus Brandschutzgründen, weil die Massivholzbauweise brandschutztechnisch leichter zu berechnen und sicherer ist als zum Beispiel Stahlkonstruktionen. Dann interessieren mich auch die vielen neuen Umgangstechniken mit dem Werkstoff an sich, mit der Festigkeit, mit der Oberflächenbehandlung, auch die Ästhetik.

Simmel: Ich finde den traditionellen Umgang spannend - wie man das Material früher eingesetzt und behandelt hat und wie es jetzt mit den neuen technischen Möglichkeiten anders einsetzbar ist. Und den Versuch, diese beiden Dinge zusammen zu bringen. Also die Kombination der heutigen Möglichkeiten mit den traditionellen Methoden. Das ist sehr interessant, und daran wird sowohl in Finnland als auch in Österreich gearbeitet.

Kuhlmann: Es gibt in beiden Ländern eine junge Szene, die sich dieser Sache verschrieben hat, und die Ergebnisse sind wirklich toll. In Österreich finden sich etliche Büros, die sich auf die Holzbauweise spezialisiert haben und die sehr innovativ arbeiten - vielleicht viel innovativer als andere, die sich mit herkömmlichen Materialien wie Beton oder sonstwas beschäftigen.

Der Standard, Do., 2011.08.18

31. Juli 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

Materialien für die Zukunft

Das Lexikon „Materialrevolution“ informiert über derzeit verfügbare nachhaltige und multifunktionale Materialien und Werkstoffe

Das Lexikon „Materialrevolution“ informiert über derzeit verfügbare nachhaltige und multifunktionale Materialien und Werkstoffe

Fliesen aus recyceltem Glas, lichtdurchlässiger Beton, Papier aus organischen Abfällen oder Einweggeschirr aus Kartoffelstärke sind nur einige wenige Materialien, die in Sascha Peters Buch „Materialrevolution“ vorgestellt werden.

Beim ersten Hineinblättern wirkt das Lexikon über nachhaltige und multifunktionale Materialien für Design und Architektur etwas chaotisch - eher künstlerisch aufbereitet als überschaubar und geordnet. Doch nach der ersten Orientierung überzeugt man sich schnell vom Gegenteil, zumindest was die vermeintliche Unordnung anbelangt. Es entpuppt sich als interessantes Handbuch für alle, die an Design, Architektur, Kunst und vor allem an Nachhaltigkeit und Multifunktionalität von unterschiedlichsten Materialien interessiert sind.

Ressourcenschonende Alternativen

Längst weiß man, dass viele Ressourcen der Welt zur Neige gehen, viele Rohstoffe nur mehr begrenzt verfügbar sind, wie zum Beispiel Erdöl, dem eine Vielzahl an werkstofflichen Errungenschaften im 20. Jahrhundert zu verdanken ist. Jetzt muss an Alternativen gearbeitet werden, und diese Entwicklungen sind bereits voll im Gange. „Der bevorstehende Innovationssprung im Bereich der Materialien wird aber nicht mehr fokussiert sein auf die Entwicklung neuer Funktionalitäten“, schreibt Autor Sascha Peters in der Einleitung, die als eingerückter, aus dünnem Recycling-Papier bestehender Teil des Buches vor dem lexikalischen Teil aus dickerem Papier steht. „Es geht vielmehr um das Hervorbringen von Werkstoffen, die ressourcenschonend und materialeffizient eingesetzt werden können und keine Gefahren für den Menschen darstellen.“

Ökologischer Rucksack

Wichtig in diesem Zusammenhang ist das „Denken in Materialkreiskäufen“ - die Verwendung umweltverträglicher Materialien mit multifunktionalen Eigenschaften und die Nutzung nachhaltiger Produktionsverfahren werden dabei vorausgesetzt. Ein unentbehrliches Stichwort hierbei ist die Ökobilanz oder der „ökologische Rucksack“. Damit soll die Menge aller benötigten Ressourcen bei der Herstellung, dem Gebrauch und der Entsorgung eines Produkts dargestellt werden.

"Typische Werte für den „Ökologischen Rucksack“ von Materialien sind ein Faktor 5 für Polymerwerkstoffe, was bedeutet, dass für die Herstellung von einem Kilogramm Kunststoff rund fünf Kilogramm Ressourcen benötigt werden", so Peters. Demnach kann in Zukunft bei der Erzeugung von Aluminium, das rund 85 Kilogramm Ressourcen verbraucht, oder gar Kupfer, wofür 500 Kilogramm notwendig sind, nicht mehr auf Recycling verzichtet werden. Allerdings gibt es erst für wenige wichtige Werkstoffe gesicherte Daten für die Errechnung der gesamten Energie, die ein Material in seinem gesamten Lebenszyklus tatsächlich verschlingt. Auch die Frage, ob zum Beispiel biobasierte oder bioabbaubare Materialien tatsächlich klimaneutral sind, sei noch nicht abschließend geklärt, so der Autor.

Materialeffizienz und nachhaltige Produktionsverfahren

„Bis wir es mit Materialien zu tun haben, die keine negativen Auswirkungen mehr auf Klima und Umwelt haben, gilt es vor allem, die vorhandenen Ressourcen bestmöglich zu verwenden und ideal auf den Einsatzzweck auszurichten,“ schreibt Peters weiter. Also sei die Steigerung der Materialeffizienz derzeit eines der wichtigsten Ziele. Schließlich beleuchtet der Autor auch die Bedeutung von professionellen Kreativen wie Architekten und Designern für technische Innovationsprozesse. Denn sie sind es, die meist entscheiden, ob nachhaltige Materialien zum Einsatz kommen oder nicht.

In dem auf den Einleitungsteil folgenden mit vielen Fotos bebilderten Lexikon kommentiert Peters in acht Kapiteln biobasierte, biologisch abbaubare sowie recycelte Materialien, Leicht-Baumaterialien und Dämmstoffe, formverändernde und multifunktionale Materialien sowie Energie erzeugende und Licht beeinflussende Materialien. Am Schluss stellt der Autor noch einige nachhaltige Produktionsverfahren vor, wie zum Beispiel Laserbearbeitungstechnologien, Wasserstrahlschneiden oder klebefreies Fügen von Holz.

„Materialrevolution“ bietet einen systematischen Überblick über die derzeit verfügbaren nachhaltigen Materialien auf dem Markt, und es ist sowohl für die Sinne der optischen als auch haptischen Wahrnehmung eine Freude, in diesem ökologisch designten Lexikon aus verschiedenen Recyclingpapieren zu schmökern.

Der Standard, So., 2011.07.31

06. Mai 2011Jasmin Al-Kattib
Der Standard

Moderne Jurte mit Wollpullover

Vom österreichischen Studenten-Entwurf in die mongolische Steppe: Im Filzhaus mit Schafwolldämmung wird im Mai ein Kinderbetreuungszentrum eröffnet

Vom österreichischen Studenten-Entwurf in die mongolische Steppe: Im Filzhaus mit Schafwolldämmung wird im Mai ein Kinderbetreuungszentrum eröffnet

Ulan Bator gilt als kälteste Hauptstadt der Welt. Sie zählt etwa eine Million Einwohner, das sind rund 40 Prozent aller Bewohner der Mongolei. Wie vielerorts auf der Welt werden die Randzonen der Städte mit ihren armen Bevölkerungsschichten immer größer. „In Ulan Bator gibt es ein ziemlich großes Wohnproblem für Leute, die vom Land in die Stadt ziehen. Also haben wir im Jahr 2005 begonnen, Jurten für Obdachlose in den Slumvierteln von Ulan Bator aufzustellen“, erzählt Martin Summer vom Beginn seines Engagements in der mongolischen Hauptstadt.

„Dann wurde mir als Architekt aber bald klar, dass das natürlich keine Lösung ist. Die Jurten sind für die Nomaden toll, aber nicht für Leute, die fest ansässig sind.“ Die Jurte - das traditionelle Nomadenzelt aus Wollfilz - lässt sich an und für sich leicht beheizen. Am Land machen es die Nomaden mit Kamel-Dung, den gibt es aber in der Stadt nicht. Auch Holz ist im ganzen Land sehr knapp, und Braunkohle aus China ist sehr teuer. „Also heizen die Leute in den Vororten von Ulan Bator mit Müll und Autoreifen,“ schildert Summer. „Und das ergibt dann alle Lungenkrankheiten, die man sich vorstellen kann.“

Gleiche Materialien wie bei traditioneller Jurte

Also begann der österreichische Architekt über eine längerfristige Lösung für wärmere Behausungen in den Armenvierteln Ulan Bators nachzudenken. Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Entwerfen“ an der TU Wien, die Martin Summer gemeinsam mit Kollegin Karin Stieldorf im Wintersemester 2007/2008 durchführte, entwickelten StudentInnen verschiedene Ideen, die für das rauhe Klima und die dort lebenden Menschen sinnvoll sein könnten.

Ergebnis des Seminars war unter anderem das von Christoph Grabner und Sebastian Brandner entworfene Haus „GERald“ („ger“ ist das mongolische Wort für Jurte, „-ald“ steht für „advanced living design“) - ein System aus den gleichen Materialien wie der traditionellen Jurte, nämlich Holz und Schafwollfilz, das zunächst als Familienwohneinheit geplant wurde. Dicke, mit Schafwolle gefüllte Filzkissen sollen das Gebäude gut dämmen, mit seinem modularen Aufbau soll eine Basiseinheit bei Bedarf jederzeit erweitert werden können.

Vom Entwurf zum konkreten Projekt

Nachdem der Entwurf 2009 einen internationalen Studentenwettbewerb gewonnen hatte, kam es im Frühjahr 2010 zu einer konkreten Anfrage für den Bau des Gebäudes. Eine langjährige mongolische Projektpartnerin Summers hatte sich zum Ziel gesetzt, ein Zentrum zur Nachmittagsbetreuung von Kindern am Rande von Ulan Bator aufzubauen. „Also habe ich Christoph und Sebastian gefragt, ob sie Lust haben, aus der Idee etwas zu entwickeln, was schon im Sommer aufgebaut werden könnte. Die beiden hatten gerade fertig studiert, und wir haben gleich begonnen das Gebäude weiter zu entwickeln.“ Das ursprünglich als eher kleines Wohnhaus geplante Gebäude wurde dann zu einer etwa 100 Quadratmeter großen Bildungsstätte adaptiert.

Leichte Holzkonstruktion, Filz und Schafwolle

Die Grundidee, das Haus mit den Materialien der Jurte zu bauen, ergab sich aus den Ressourcen vor Ort. Aufgrund der Holzknappheit in der Mongolei sollte die tragende Holzkonstruktion möglichst schlank gehalten werden. Anstatt wie bei der Jurte nur den Filz auf die Holzkonstruktion zu befestigen, entwickelten Summer, Grabner und Brandner 32 Zentimeter starke Kissen aus Filz, die mit loser Schlafwolle gefüllt und dann zwischen die Träger der Wände gehängt wurden. „Filz ist ja komprimierte Schafwolle, wir wollten sie aber möglichst wenig komprimieren, damit der Wärmedämmwert einfach möglichst groß wird,“ so Summer. Die zweigeteilten Träger sollten nicht nur verhindern, unnötig viel Holz zu verwenden, sondern auch vor Wärmebrücken schützen. „Die Träger sind nur mit Leisten verbunden, und dazwischen haben wir Filz hineingeklemmt.“

Drei Wochen arbeiteten etwa zehn Personen daran, das neue Haus aus Holz, Filz und Schafwolle aufzubauen. Die Trägerteile wurden per Video-Anleitungen aus Österreich von einer Tischlerei-Firma vor Ort vorgefertigt, ebenso die Kissen, die Stück für Stück per Hand genäht und danach mit Schafwolle gefüllt wurden. Gegen Motten wurde Sägemehl aus Zedernholz unter die Wolle gemischt.

Schaf- statt Mineralwolle

Geheizt wird im „GERald“ mit einem Ofen, der in seiner Bauweise dem traditionellen Jurte-Ofen nachempfunden ist, aber mit Schamott verkleidet wurde. „Früher gab es in der Jurte ein offenes Feuer“, schildert Summer die Heizgewohnheiten der Nomaden, „der später entwickelte Jurteofen besteht nur aus ganz dünnem Blech und hat keine Speichermasse. Wenn es im Winter also minus 40 Grad hat, müssen die Leute in der Nacht öfters aufstehen und immer wieder heizen, damit sie nicht erfrieren.“ Im „GERald“ bleibt nicht nur der Ofen länger warm, sondern die Wärme aufgrund der dicken Schafwolldämmung auch länger im Raum.

„Wir wollten den Leuten in einem sehr armen Gebiet zeigen, dass man mit sehr einfachen Mitteln und den Materialien, die sie ohnehin verwenden und mit denen sie umgehen können, auch noch etwas anderes machen kann. Wie zum Beispiel die Schafwolle zum Dämmen zu verwenden. Wenn den Leuten unser Konzept gefällt und es sich bewährt, werden sie es kopieren,“ fasst Summer den Grundgedanken seines Jurte-Projekts zusammen. Auch in der Mongolei wird beim Thema Dämmen meist auf teure Mineralwolle gesetzt. - Und die heimische und erschwingliche Schafwolle wird zu billigen Preisen nach China verkauft. (Jasmin Al-Kattib, derStandard.at, 5. Mai 2011)

Noch im Mai wird es mit dem Bildungsangebot und der Nachmittagsbetreuung im „GERald“ losgehen. Kindern aus sehr armen Familien wird hier eine behagliche Freizeitunterkunft geboten, gekoppelt mit dem Zugang zu Bildung, Büchern und Computern. Organisiert wird die Betreuung von der NGO „Gerelt Mur“ mit Sitz in Ulan Bator.

Der Standard, Fr., 2011.05.06



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