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Zeitweilig in Manhattan

In einer Baulücke an der Houston Street in Manhattan steht seit Anfang August 2011 ein Pavillon aus carbonfaserverstärktem Kunststoff. Die Begegnungsstätte, in der Veranstaltungen für die Öffentlichkeit stattfinden, wird Mitte Oktober rückgebaut und in Berlin aufgebaut, bis sie nach Mumbai umzieht. Dieses erste von drei «BMW Guggenheim Labs» wurde vom Architekturbüro Atelier Bow-Wow entworfen, und das Schweizer Unternehmen Nüssli setzte die architektonischen Ideen um. Unterstützung holten sie sich bei den Schweizer Bauingenieuren von Staubli, Kurath und Partner.

In einer Baulücke an der Houston Street in Manhattan steht seit Anfang August 2011 ein Pavillon aus carbonfaserverstärktem Kunststoff. Die Begegnungsstätte, in der Veranstaltungen für die Öffentlichkeit stattfinden, wird Mitte Oktober rückgebaut und in Berlin aufgebaut, bis sie nach Mumbai umzieht. Dieses erste von drei «BMW Guggenheim Labs» wurde vom Architekturbüro Atelier Bow-Wow entworfen, und das Schweizer Unternehmen Nüssli setzte die architektonischen Ideen um. Unterstützung holten sie sich bei den Schweizer Bauingenieuren von Staubli, Kurath und Partner.

Die Solomon-Guggenheim-Stiftung in New York – die Betreiberorganisation der Guggenheim- Museen – schickt in den nächsten sechs Jahren drei mobile Labore um die Welt. Jeder Pavillon ist nacheinander zwei Jahre lang unterwegs und in drei Städten stationiert (vgl. Kasten nebenan). Die temporären und mobilen Bauwerke sollen dabei der Gesellschaft einen Ort bieten, wo sie verschiedene Themen wie das Zusammenleben der Menschen in Städten diskutieren kann. Der erste Zweijahreszyklus findet zum Thema «Confronting Comfort » statt und widmet sich der Erforschung des individuellen und kollektiven Komforts sowie der dringenden Notwendigkeit ökologischer und sozialer Verantwortung.

Aufgeständerter Pavillon vielfältig nutzbar

Für diese Initiative mit dem Namen «BMW Guggenheim Lab» lud die Stiftung im Herbst 2010 die japanischen Architekten des Ateliers Bow-Wow ein, den ersten Pavillon zu entwickeln. Vorgabe des Auftraggebers an die Architekten war, dass der Pavillon eine anpassungsfähige Infrastruktur bietet, in der Workshops, Ausstellungen, Fachvorträge und Quartierfeste durchgeführt werden können. In einem interdisziplinären Team sollen ausserdem neue Technologien für die Bauindustrie diskutiert und Lösungen entwickelt werden.

Da sich der Pavillon am ersten Standort präzise in die schmale Baulücke zwischen alten Häusern einbettet (Abb. 1), entwarfen die Architekten ein Konzept für ein aufgeständertes mobiles Bauwerk, in dem – ähnlich einer Theaterbühne – die Requisiten hochgezogen und heruntergelassen werden können. Modulare Bühnen hängen an Seilen, und Stühle und Tische sind über den Köpfen der Besuchenden untergebracht. Die eingeschränkte Nutzfläche kann so vielfältig genutzt werden.

Tragelemente aus Carbonfaserverstärktem Kunststoff

Das Tragwerk wurde aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) hergestellt. Die Architekten setzten – unterstützt von der Bauherrschaft – bewusst auf dieses Material, das im Bauwesen erst als Verstärkungselement Fuss fasst, sonst aber noch kaum eingesetzt wird. Um die tragwerksspezifischen Aspekte zu analysieren und festlegen zu können, suchten Architekten und Bauherrschaft die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen Nüssli, das Erfahrungen mit temporären und modularen Bauten hat. Unterstützt von den Bauingenieuren von Staubli, Kurath und Partner aus Zürich, legte das Projektteam das statische Konzept fest – abgestimmt auf die Transport-, Montage- und Standortbedingungen.

Die Projektbeteiligten verglichen internationale Gesetzgebungen miteinander, eruierten die massgebenden Lasten und Lastfälle und bestimmten die Lieferanten für die Hauptgewerke, die in der Lage waren, innerhalb von drei Monaten projektspezifische Lösungen zu entwickeln und zu produzieren. In kurzer Zeit brachten sie die Ideen des Architekten mit dem Budget des Auftraggebers und den produktionsbedingten und montagetechnischen Randbedingungen in Einklang.

Tragwerk, Konstruktion und Details

Der Pavillon ist 8 m hoch und hat einen Grundriss von 30 m auf 6 m (Abb. 3). Das Tragwerk aus CFK besteht aus einem Raumfachwerk, das auf sechs Stützen steht (Abb. 4). Die Fachwerkstäbe sind nicht wie üblich nur in Längs-, sondern auch in Querrichtung belastet; um die Montage der Einbauelemente flexibel zu halten, sollten die Kräfte nicht nur über die Fachwerkknoten, sondern auch über die Profillängen eingeleitet werden. Die gekreuzten Verbände bestehen aus vorgespannten Stahlseilen und steifen die Gesamtkonstruktion flächenweise aus (Abb. 4). Die in Querrichtung mit Aufdopplungen biegesteif ausgeführten CFK-Stützen enthalten aus Brandschutzgründen und wegen ihrer Schlag- respektive Anprallempfindlichkeit einen Stahlkern. Das Stahlprofil dient im Brandfall als Rückfallebene, da Carbon zwar bei erhöhten Temperaturen seine Festigkeit behält, die Matrix des CFK aber verkohlt. In Längsrichtung sind die gelenkig gelagerten Stützen mit Stahlseilen zum Boden abgespannt (Abb. 5).

Die CFK-Stäbe wurden in einem modifizierten Wickelverfahren hergestellt. Da die massgebende Tragrichtung auch quer zur Profilachse erfolgt, wurden die Fasern nicht nur längs in 2°-Richtung, sondern zusätzlich im 45°- und 85°-Winkel gewickelt (Abb. 7), womit die Bauingenieure die Profildimensionen optimieren konnten. Es sind Vierkantrohre mit Querschnitten von 200/140/11.6 mm bis 130/130/5.4 mm, an deren Enden Stahlanschlussteile platziert sind. Diese sind mittels Stahlstangen im Innern der CFK-Profile untereinander verspannt (Abb. 6). So können die verschweissten Laschen Zug-, Druck- und Querkräfte aufnehmen. Die gegenseitige Verspannung der Knoten ist eine einfache mechanische Verbindung.

Sie leitet keine zusätzlichen, ungünstigen Kräfte wie Zwängungen und Lochleibung in den CFK-Stab, die das Material an den heiklen Endbereichen zusätzlich belasten und schwächen würden. Der Spalt zwischen CFK-Rohr und Stahlinsert ist mit einem speziellen Kleber verfüllt, der örtliche Spannungsspitzen verhindert. Eine kraftübertragende Klebeverbindung war in diesem Fall nicht möglich, da sie in der Bauindustrie allgemein unüblich ist und es daher schwierig ist, eine Genehmigung dafür zu erhalten. In der gegebenen Zeit war es auch nicht möglich, solche Knoten ausreichend zu testen.

Montage in Manhattan

Nach der Herstellung der Profile in den Werken von Carbofibretec führte das Herstellerunternehmen Ende Mai 2011 einen Probeaufbau in der Halle in Friedrichshafen durch. Er gab dem Projektteam und der Montagecrew die Gewissheit, dass das geplante Montagekonzept tatsächlich umsetzbar ist. Nach einer sorgfältigen Verpackung der CFK-Profile in gepolsterte Transportkisten erfolgte die Verschiffung der fünf Seefrachtcontainer nach New York. Durch- schnittlich sechs Monteure bauten den Pavillon in knapp vier Wochen vor Ort auf. Zuerst wurde am Boden das Obergeschoss zusammen- und das wasserdichte Membrandach aufgesetzt. Danach wurde das 16 t schwere Skelett mit einem Kran angehoben und die Stützen darunter montiert (Abb. 8). Diese Phase war der kritischste Moment im Montageablauf, da aufgrund der engen Platzverhältnisse die Gefahr bestand, dass die auf Schlageinwirkung empfindlichen CFK-Profile ihre Tragwirkung infolge eines Anpralls verlieren könnten.

Das Potenzial ist da

Mit dem Einsatz von CFK in diesem – experimentellen – Bauwerk gewannen die Projektbeteiligten Bauingenieurinnen und Bauingenieure neue Erkenntnisse zum Tragverhalten des Materials, die die Forschung und Weiterentwicklung kanalisieren. Eine Erkenntnis sticht dabei heraus: Quer zur Faser ist CFK noch schwächer als befürchtet (Abb. 10 und Kasten oben). Die Umsetzung dieses Projektes zeigt aber auch, dass sich die Kosten der Carbonfasern stark reduziert haben. Das Potenzial für den Einsatz von CFK im Hochbau steigt damit an. Die Vorteile des Werkstoffes wie sein kleines spezifisches Gewicht, seine geringe Korrosions- und Ermüdungsanfälligkeit sowie seine positiven Eigenschaften bezüglich Nachhaltigkeit können so im Hochbau vermehrt genutzt werden – wenn auch nur für ganz spezifische Fälle, wo sie auch tatsächlich zum Tragen kommen.

TEC21, Fr., 2011.09.30



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2011|40 Konstruktion auf Zeit

12. November 2010Beat Plüss
Peter Henckel
Josef Kurath
TEC21

Schwimmende Strasse

Die Kantonsstrasse zwischen Hergiswil und Stansstad am Vierwaldstättersee ist seit Oktober 2009 infolge eines Felssturzes gesperrt. Bis mindestens im Frühjahr 2011 stehen Sanierungsarbeiten am felsigen Steilhang über der Strasse an. Während dieser Zeit dient eine 500 m lange, schwimmende und sich bewegende Strasse dem Regionalverkehr als Ausweichroute. Das Bauwerk, das in kurzer Zeit von Staubli, Kurath und Partner geplant wurde, war bautechnisch und statisch ein komplexes Unterfangen.

Die Kantonsstrasse zwischen Hergiswil und Stansstad am Vierwaldstättersee ist seit Oktober 2009 infolge eines Felssturzes gesperrt. Bis mindestens im Frühjahr 2011 stehen Sanierungsarbeiten am felsigen Steilhang über der Strasse an. Während dieser Zeit dient eine 500 m lange, schwimmende und sich bewegende Strasse dem Regionalverkehr als Ausweichroute. Das Bauwerk, das in kurzer Zeit von Staubli, Kurath und Partner geplant wurde, war bautechnisch und statisch ein komplexes Unterfangen.

Am 24. Dezember 2009 vergab das Astra den Totalunternehmerauftrag, die schwimmende Strasse zwischen Hergiswil und Stansstad bis zum 31. März 2010 zu bauen. Diese extrem kurze Planungs- und Bauzeit von knapp 3.5 Monaten – inklusive Weihnachtszeit – erforderte ein paralleles Vorgehen von Planung und Bau. Die notwendigen Bauteile mussten ausserdem möglichst frei verfügbar sein, und Unternehmung sowie Bauingenieure hatten dem zu wählenden System gegenüber ein grosses Vertrauen aufzubringen, da innerhalb von Tagen bestellt werden musste. Die Bestellung der Bauwerkselemente erfolgte vor der Dimensionierung der Brücke, sodass es nicht mehr möglich war, das System in einer späteren Planungsphase auszuwechseln. Eine unverhältnismässig aufwendige, nachträgliche Verstärkung hätte zu Zeitengpässen und hohen Mehrkosten geführt.

Auf dem Wasser und an Seilen gehalten

Die Planenden griffen für die 500 m lange schwimmende Strasse auf ein Bausystem zurück, das sich normalerweise für provisorische Schwimmplattformen eignet. Diese Art von Systemen besteht aus Einzelschwimmkörpern, die zu kleinen Arbeitsplattformen in der Grösse von etwa 20 × 30 m zusammengestellt werden können (Abb. 2 sowie Abb. 2 in «Am hängenden Seil», S. 21). Je grösser die Einheiten sind, desto stärker werden die Belastungen auf die einzelnen Elemente – vor allem dann, wenn die Plattformen hauptsächlich nur in eine Richtung zusammengesetzt sind. Das eingesetzte System Flexifloat besteht aus einzelnen Schwimmkörpern der Grösse 3.05 × 12 m, wobei zwei kleinere Zwischengrössen verfügbar sind. Die Elemente sind über ein Bolzensystem koppelbar, ohne dass dafür Taucher zum Einsatz kommen müssten. Die rund 115 notwendigen Stahlkastenschwimmer mit je einem Gewicht von 18 t wurden eingemietet und aus verschiedenen Ländern in Europa nach Stansstad transportiert. Sie werden nach Gebrauch wieder in die Depots zurückgebracht. Die Verankerung der Pontonbrücke erforderte eine einfach und schnell ausführbare Konstruktion. Die Bauingenieure von Staubli, Kurath und Partner entschieden sich noch vor der Bemessung des Bauwerks für eine Seilverankerung mit eingehängten Gewichten – eine Ausführungsweise, die der Situation angemessen schien (Abb. 8). Im Bereich der schwimmenden Strasse beträgt die Wassertiefe etwa 40 m, und erst in 60 bis 70 m Tiefe wird der Seeboden eben. Über die Seegrundbeschaffenheit ist wenig bekannt. Einzig aufgrund ihrer Erfahrung konnten die Beteiligten die Verhältnisse am Seegrund abschätzen – spätere Versuche bestätigten die Annahmen. Ohne die Ankerkräfte ermittelt zu haben, definierten die Bauingenieure die Seile, die Seillängen und die Gewichte der Ankersteine. Dies war möglich, weil trotz den sich dadurch ergebenden Einschränkungen noch genügend Freiheit für die Dimensionierung des Bauwerkes und der Verankerung vorhanden war.

Bewegungen der Perlenkette

Für die Dimensionierung der provisorischen Pontonbrücke waren Einwirkungen wie Windund Wellenkräfte, verschiedene Wasserstände, Steinschlag und Nutzlasten massgebend. Da die Mole nicht mit festen Lagern verankert werden sollte, entstehen durch die meisten dieser Einwirkungen Bewegungen, die zu teilweise grossen Verschiebungen des 2000 t schweren Bauwerkes führen. Bei extremen Lasten treten horizontale Verschiebungen von bis zu 1.5 m auf. Diese Bewegung muss abgebremst werden. Wird dies nicht auf eine sinnvolle Art getan, entstehen auf die Anker wirkende Kräfte, die nicht zu halten sind. Ausserdem darf die Mole bei periodisch wiederkehrenden Wellenkräften nicht aufschwingen. Die Bauingenieure überprüften dies mit dreidimensionalen Berechnungen.

Um die in der Mole entstehenden Kräfte auf die vom System vorgegebenen Tragwiderstände zu reduzieren, trafen die Planenden entsprechende Massnahmen. Sie teilten die Mole im Grundriss in zwei separate Schwimmkörper – einen L- und einen stabförmigen Abschnitt. Örtlich hängte man Zusatzschwimmer an, zur Beruhigung bei Wellenbelastung respektive um die Verdrehung durch einseitige, grosse Einzellasten zu minimieren. Bei den erforderlichen Zugangsrampen und der Übergangsbrücke (Abb. 3 und 4) galt es zu beachten, dass die getrennten Grossbauteile sich im Gebrauchszustand unter Nutzlast und anderen Einwirkungen gegeneinander verdrehen, in Längs- und Querachse verschieben und gegenseitig verwinkeln – die einzelnen Teile sollten sich daher wie eine Perlenkette beweglich und flexibel aneinanderreihen. Die Zugangsrampen können zum Beispiel eine Eigenverdrehung unter Nutzlast von über 6 ° aufnehmen. Ausserdem dimensionierten die Bauingenieure die Seillängen und -stärken sowie die teilweise mittig an den Seilen angehängten Gewichte so, dass die Molenbewegungen stark abgedämpft werden und somit die Seilkräfte nicht zu gross werden (Abb. 7). Normalerweise variiert man bei der Dimensionierung einer schwimmenden Mole auch die Masse. Dies war hier jedoch nicht möglich, da ein Molentyp vorbestimmt war.

Zusammenspiel von Ankerkräften und Molenbewegungen

Verschiedene Modelle simulierten die Einwirkungen und das statische System der Mole respektive berechneten die Kräfte und Bewegungen. Bei der hier gebauten Mole ist der Lastfall einer starken Windböe massgebend für die auf die Anker wirkenden Kräfte, für die maximale Verschiebung der Gesamtmole und die maximalen Querbeschleunigungen, wel- che auf die Nutzenden wirken; nicht aber für die Krafteinwirkungen im Molenkörper – hierfür massgebend sind der gleichzeitige Ausfall von nebeneinanderliegenden, landseitigen Ankerseilen, Wind und Wellen von Westen sowie Bauzustände mit grossen Einzellasten von 40 t plus gleichzeitig Wind und Wellen. Auch eine Einzelwelle, die durch starke, gleichmässige und lang andauernde Winde ausgelöst und auf die seeseitig projizierte Länge von rund 400 m gleichmässig und gleichzeitig auftreffen würde, ergäbe ähnliche Auswirkungen auf die Mole wie die Windböe. Dies ist bei der tatsächlichen geografischen Lage der Mole aber extrem unwahrscheinlich und darum hauptsächlich ein nur für die Tragsicherheit zu prüfender Lastfall.

Die Berechnung der Ankerkräfte gibt einen Einblick in die komplexe Problematik der statischen und dynamischen Ein- und Auswirkungen auf das Bauwerk: Bei den dynamischen Modellberechnungen für die Verankerungen wurden die Seile mit Theorie dritter Ordnung berechnet. Bemisst man nicht nach ihr, kommt man auf ungenaue Resultate und unter- oder überschätzt die entstehenden Kräfte teilweise wesentlich. Dies kann zu einem Versagen des Bauwerks führen. Die Berechnungen berücksichtigen die Seilverlängerung und die Seilform infolge von Eigengewicht, Zusatzlast und Seilspannung. Auch zusätzliche Kräfte infolge von Beschleunigung sowie die Wasserwiderstände der Seile und der Mole flossen in die Dimensionierung ein. Letztere Effekte sind gerade bei den Seilverankerungen wesentlich, da bei der Seilstreckung – nicht aber beim Erschlaffen – teilweise relativ hohe Seilgeschwindigkeiten entstehen. Der Widerstand und der Ablauf der Bewegung des Seiles im Wasser sind nicht genau bekannt. Sie sind zu komplex, als dass man sie präzise erfassen könnte, und aufschlussreiche Versuche wären zu zeitintensiv gewesen – Kosteneinsparungen wären ausserdem klein. Mit der Grundlage der Theorie für schlanke Bauteile in Fliessgewässern legten die Ingenieure Konstanten für untere und obere Grenzwerte fest, um diese Effekte in die Berechnung mit einzubeziehen. Bei jedem Zeitschritt suchten sie ein Gleichgewicht für die Kombination aller Einflüsse.

Für die Bestimmung der Querschnittswerte wie Steifigkeit und Widerstand der Mole spielen die Verhältnisse in den Schwimmelementkupplungen eine Rolle. Deren Steifigkeit und vor allem auch deren Spiel bestimmen die Werte des Gesamtbauwerks, und sie sind schliesslich die entscheidenden Versagensgrössen. Je weicher die Kupplungen in den Berechnungen definiert sind, desto kleiner fällt der Tragwiderstand der Mole aus. Dass die Schwimmkörper versetzt angeordnet sind, erhöht zwar die Tragfähigkeit, es entstehen aber infolge normaler Biegemomente Torsionskräfte, die nicht zu vernachlässigen sind. Die ausgeführte Architektur der Verankerungen und die Teilung der Mole in zwei Hälften reduzieren die auf den Molenkörper einwirkenden Momente und Querkräfte, sodass die Normal- und Querkräfte in den Kupplungsnocken genügend klein ausfallen.

Um schliesslich die Querschnittkräfte zu bestimmen, wurde das aus den Detailanalysen ermittelte Kraft-/Verformungsverhalten der Mole in ein dreidimensionales Modell integriert. Dabei flossen die grossen Nichtlinearitäten aus der Verankerung und das dynamische Spiel der Wellen im Verhältnis zur Trägheit der Mole in das an sich linearelastische Berechnungshilfsmittel schrittweise ein. Die Seilkräfte verhalten sich nicht proportional zur Molenverschiebung (Abb. 5). Wie entscheidend eine genaue Simulation der Verankerung ist, zeigt die Vergleichsrechnung mit reduzierten Gewichten im Seil. Reduziert man die im Seil eingehängten Gewichte auf etwa einen Drittel – von 540 auf 170 kg –, so vergrössert sich die Seilkraft markant (Abb. 6). Nachdem die Windböe abgeklungen ist, vergrössert sich die Seilkraft aufgrund der Streckung der Verankerungsseile sprunghaft von rund 2 auf 50 kN. Verglichen mit optimierten Gewichten beträgt die Kraftsteigerung im Seil zum selben Zeitpunkt rund 300 %. Auch die Querbeschleunigung steigt auf das Doppelte des maximalen Wertes an. Reduziert man das eingehängte Gewicht noch mehr, verringert sich zwar die Querbeschleunigung wieder, aber es zerreisst die Ankerseile, und das Gesamtsystem versagt.

Die detaillierte Dimensionierung der Seilverankerung ermöglichte eine genügend grosse Dämpfung und verhinderte, dass die Mole mit den Wellenbelastungen in Resonanz kommt. Die Kräfte und Verschiebungen infolge von regelmässig ankommenden Wellen bleiben so relativ klein.

Bauwerk wird ständig Überwacht

Die Planung und Realisierung des Sicherheits- und Überwachungskonzeptes forderte alle Planenden heraus, weil sich bei dieser schwimmenden Brücke nicht nur die Nutzlasten bewegen, sondern in einem erheblichen Masse auch das Bauwerk selbst. Der 2000 t schwere Ponton kann sich bei Wellengang und Sturm bis zu 1.5 m in alle Richtungen bewegen. Gerade bei den Zugängen zum und vom Ponton erforderten diese Umstände kreative Lösungen, denn auch unter Betrieb müssen grosse Bewegungen des Bauwerkes möglich sein. Spezielle Probleme wie die auf Radfahrer wirkende Querbeschleunigung durch das Bauwerk, das Verhalten bei Steinschlag durch Sprengungen in der Felswand oder die Frage, wie die Brücke bei zu hohem Wellengang in der Nacht zu sperren sei und wann die Gebrauchstauglichkeit des Pontons nicht mehr gewährleistet ist, mussten überlegt und Lösungen dafür gefunden werden.

Das Bauwerk wird mit automatischen geodätischen Messungen in seiner Lage und Höhe überwacht, ein schwimmendes Wellenmessgerät und ein Windmesser kontrollieren automatisch die äusseren Einflüsse. Sobald vorgegebene Grenzwerte überschritten werden, startet das vorbereitete Alarmdispositiv. Es regelt die Interventions- und Alarmgrenzwerte. Die Messwerte werden permanent in der Zentrale der Kantonspolizei Nidwalden überwacht. Bei einer Überschreitung des Alarmgrenzwertes sperrt die Kantonspolizei nach Rücksprache mit den Projektverantwortlichen unverzüglich die Brücke. Ein eingerichteter Sicherheitsdienst sorgt ausserdem für die Sperrung der Brücke während Sprengarbeiten. Diese gilt für jeglichen Verkehr und dauert maximal zehn Minuten.

TEC21, Fr., 2010.11.12



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2010|46 Sturzgefahr am Lopper

Presseschau 12

Zeitweilig in Manhattan

In einer Baulücke an der Houston Street in Manhattan steht seit Anfang August 2011 ein Pavillon aus carbonfaserverstärktem Kunststoff. Die Begegnungsstätte, in der Veranstaltungen für die Öffentlichkeit stattfinden, wird Mitte Oktober rückgebaut und in Berlin aufgebaut, bis sie nach Mumbai umzieht. Dieses erste von drei «BMW Guggenheim Labs» wurde vom Architekturbüro Atelier Bow-Wow entworfen, und das Schweizer Unternehmen Nüssli setzte die architektonischen Ideen um. Unterstützung holten sie sich bei den Schweizer Bauingenieuren von Staubli, Kurath und Partner.

In einer Baulücke an der Houston Street in Manhattan steht seit Anfang August 2011 ein Pavillon aus carbonfaserverstärktem Kunststoff. Die Begegnungsstätte, in der Veranstaltungen für die Öffentlichkeit stattfinden, wird Mitte Oktober rückgebaut und in Berlin aufgebaut, bis sie nach Mumbai umzieht. Dieses erste von drei «BMW Guggenheim Labs» wurde vom Architekturbüro Atelier Bow-Wow entworfen, und das Schweizer Unternehmen Nüssli setzte die architektonischen Ideen um. Unterstützung holten sie sich bei den Schweizer Bauingenieuren von Staubli, Kurath und Partner.

Die Solomon-Guggenheim-Stiftung in New York – die Betreiberorganisation der Guggenheim- Museen – schickt in den nächsten sechs Jahren drei mobile Labore um die Welt. Jeder Pavillon ist nacheinander zwei Jahre lang unterwegs und in drei Städten stationiert (vgl. Kasten nebenan). Die temporären und mobilen Bauwerke sollen dabei der Gesellschaft einen Ort bieten, wo sie verschiedene Themen wie das Zusammenleben der Menschen in Städten diskutieren kann. Der erste Zweijahreszyklus findet zum Thema «Confronting Comfort » statt und widmet sich der Erforschung des individuellen und kollektiven Komforts sowie der dringenden Notwendigkeit ökologischer und sozialer Verantwortung.

Aufgeständerter Pavillon vielfältig nutzbar

Für diese Initiative mit dem Namen «BMW Guggenheim Lab» lud die Stiftung im Herbst 2010 die japanischen Architekten des Ateliers Bow-Wow ein, den ersten Pavillon zu entwickeln. Vorgabe des Auftraggebers an die Architekten war, dass der Pavillon eine anpassungsfähige Infrastruktur bietet, in der Workshops, Ausstellungen, Fachvorträge und Quartierfeste durchgeführt werden können. In einem interdisziplinären Team sollen ausserdem neue Technologien für die Bauindustrie diskutiert und Lösungen entwickelt werden.

Da sich der Pavillon am ersten Standort präzise in die schmale Baulücke zwischen alten Häusern einbettet (Abb. 1), entwarfen die Architekten ein Konzept für ein aufgeständertes mobiles Bauwerk, in dem – ähnlich einer Theaterbühne – die Requisiten hochgezogen und heruntergelassen werden können. Modulare Bühnen hängen an Seilen, und Stühle und Tische sind über den Köpfen der Besuchenden untergebracht. Die eingeschränkte Nutzfläche kann so vielfältig genutzt werden.

Tragelemente aus Carbonfaserverstärktem Kunststoff

Das Tragwerk wurde aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) hergestellt. Die Architekten setzten – unterstützt von der Bauherrschaft – bewusst auf dieses Material, das im Bauwesen erst als Verstärkungselement Fuss fasst, sonst aber noch kaum eingesetzt wird. Um die tragwerksspezifischen Aspekte zu analysieren und festlegen zu können, suchten Architekten und Bauherrschaft die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen Nüssli, das Erfahrungen mit temporären und modularen Bauten hat. Unterstützt von den Bauingenieuren von Staubli, Kurath und Partner aus Zürich, legte das Projektteam das statische Konzept fest – abgestimmt auf die Transport-, Montage- und Standortbedingungen.

Die Projektbeteiligten verglichen internationale Gesetzgebungen miteinander, eruierten die massgebenden Lasten und Lastfälle und bestimmten die Lieferanten für die Hauptgewerke, die in der Lage waren, innerhalb von drei Monaten projektspezifische Lösungen zu entwickeln und zu produzieren. In kurzer Zeit brachten sie die Ideen des Architekten mit dem Budget des Auftraggebers und den produktionsbedingten und montagetechnischen Randbedingungen in Einklang.

Tragwerk, Konstruktion und Details

Der Pavillon ist 8 m hoch und hat einen Grundriss von 30 m auf 6 m (Abb. 3). Das Tragwerk aus CFK besteht aus einem Raumfachwerk, das auf sechs Stützen steht (Abb. 4). Die Fachwerkstäbe sind nicht wie üblich nur in Längs-, sondern auch in Querrichtung belastet; um die Montage der Einbauelemente flexibel zu halten, sollten die Kräfte nicht nur über die Fachwerkknoten, sondern auch über die Profillängen eingeleitet werden. Die gekreuzten Verbände bestehen aus vorgespannten Stahlseilen und steifen die Gesamtkonstruktion flächenweise aus (Abb. 4). Die in Querrichtung mit Aufdopplungen biegesteif ausgeführten CFK-Stützen enthalten aus Brandschutzgründen und wegen ihrer Schlag- respektive Anprallempfindlichkeit einen Stahlkern. Das Stahlprofil dient im Brandfall als Rückfallebene, da Carbon zwar bei erhöhten Temperaturen seine Festigkeit behält, die Matrix des CFK aber verkohlt. In Längsrichtung sind die gelenkig gelagerten Stützen mit Stahlseilen zum Boden abgespannt (Abb. 5).

Die CFK-Stäbe wurden in einem modifizierten Wickelverfahren hergestellt. Da die massgebende Tragrichtung auch quer zur Profilachse erfolgt, wurden die Fasern nicht nur längs in 2°-Richtung, sondern zusätzlich im 45°- und 85°-Winkel gewickelt (Abb. 7), womit die Bauingenieure die Profildimensionen optimieren konnten. Es sind Vierkantrohre mit Querschnitten von 200/140/11.6 mm bis 130/130/5.4 mm, an deren Enden Stahlanschlussteile platziert sind. Diese sind mittels Stahlstangen im Innern der CFK-Profile untereinander verspannt (Abb. 6). So können die verschweissten Laschen Zug-, Druck- und Querkräfte aufnehmen. Die gegenseitige Verspannung der Knoten ist eine einfache mechanische Verbindung.

Sie leitet keine zusätzlichen, ungünstigen Kräfte wie Zwängungen und Lochleibung in den CFK-Stab, die das Material an den heiklen Endbereichen zusätzlich belasten und schwächen würden. Der Spalt zwischen CFK-Rohr und Stahlinsert ist mit einem speziellen Kleber verfüllt, der örtliche Spannungsspitzen verhindert. Eine kraftübertragende Klebeverbindung war in diesem Fall nicht möglich, da sie in der Bauindustrie allgemein unüblich ist und es daher schwierig ist, eine Genehmigung dafür zu erhalten. In der gegebenen Zeit war es auch nicht möglich, solche Knoten ausreichend zu testen.

Montage in Manhattan

Nach der Herstellung der Profile in den Werken von Carbofibretec führte das Herstellerunternehmen Ende Mai 2011 einen Probeaufbau in der Halle in Friedrichshafen durch. Er gab dem Projektteam und der Montagecrew die Gewissheit, dass das geplante Montagekonzept tatsächlich umsetzbar ist. Nach einer sorgfältigen Verpackung der CFK-Profile in gepolsterte Transportkisten erfolgte die Verschiffung der fünf Seefrachtcontainer nach New York. Durch- schnittlich sechs Monteure bauten den Pavillon in knapp vier Wochen vor Ort auf. Zuerst wurde am Boden das Obergeschoss zusammen- und das wasserdichte Membrandach aufgesetzt. Danach wurde das 16 t schwere Skelett mit einem Kran angehoben und die Stützen darunter montiert (Abb. 8). Diese Phase war der kritischste Moment im Montageablauf, da aufgrund der engen Platzverhältnisse die Gefahr bestand, dass die auf Schlageinwirkung empfindlichen CFK-Profile ihre Tragwirkung infolge eines Anpralls verlieren könnten.

Das Potenzial ist da

Mit dem Einsatz von CFK in diesem – experimentellen – Bauwerk gewannen die Projektbeteiligten Bauingenieurinnen und Bauingenieure neue Erkenntnisse zum Tragverhalten des Materials, die die Forschung und Weiterentwicklung kanalisieren. Eine Erkenntnis sticht dabei heraus: Quer zur Faser ist CFK noch schwächer als befürchtet (Abb. 10 und Kasten oben). Die Umsetzung dieses Projektes zeigt aber auch, dass sich die Kosten der Carbonfasern stark reduziert haben. Das Potenzial für den Einsatz von CFK im Hochbau steigt damit an. Die Vorteile des Werkstoffes wie sein kleines spezifisches Gewicht, seine geringe Korrosions- und Ermüdungsanfälligkeit sowie seine positiven Eigenschaften bezüglich Nachhaltigkeit können so im Hochbau vermehrt genutzt werden – wenn auch nur für ganz spezifische Fälle, wo sie auch tatsächlich zum Tragen kommen.

TEC21, Fr., 2011.09.30



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2011|40 Konstruktion auf Zeit

12. November 2010Beat Plüss
Peter Henckel
Josef Kurath
TEC21

Schwimmende Strasse

Die Kantonsstrasse zwischen Hergiswil und Stansstad am Vierwaldstättersee ist seit Oktober 2009 infolge eines Felssturzes gesperrt. Bis mindestens im Frühjahr 2011 stehen Sanierungsarbeiten am felsigen Steilhang über der Strasse an. Während dieser Zeit dient eine 500 m lange, schwimmende und sich bewegende Strasse dem Regionalverkehr als Ausweichroute. Das Bauwerk, das in kurzer Zeit von Staubli, Kurath und Partner geplant wurde, war bautechnisch und statisch ein komplexes Unterfangen.

Die Kantonsstrasse zwischen Hergiswil und Stansstad am Vierwaldstättersee ist seit Oktober 2009 infolge eines Felssturzes gesperrt. Bis mindestens im Frühjahr 2011 stehen Sanierungsarbeiten am felsigen Steilhang über der Strasse an. Während dieser Zeit dient eine 500 m lange, schwimmende und sich bewegende Strasse dem Regionalverkehr als Ausweichroute. Das Bauwerk, das in kurzer Zeit von Staubli, Kurath und Partner geplant wurde, war bautechnisch und statisch ein komplexes Unterfangen.

Am 24. Dezember 2009 vergab das Astra den Totalunternehmerauftrag, die schwimmende Strasse zwischen Hergiswil und Stansstad bis zum 31. März 2010 zu bauen. Diese extrem kurze Planungs- und Bauzeit von knapp 3.5 Monaten – inklusive Weihnachtszeit – erforderte ein paralleles Vorgehen von Planung und Bau. Die notwendigen Bauteile mussten ausserdem möglichst frei verfügbar sein, und Unternehmung sowie Bauingenieure hatten dem zu wählenden System gegenüber ein grosses Vertrauen aufzubringen, da innerhalb von Tagen bestellt werden musste. Die Bestellung der Bauwerkselemente erfolgte vor der Dimensionierung der Brücke, sodass es nicht mehr möglich war, das System in einer späteren Planungsphase auszuwechseln. Eine unverhältnismässig aufwendige, nachträgliche Verstärkung hätte zu Zeitengpässen und hohen Mehrkosten geführt.

Auf dem Wasser und an Seilen gehalten

Die Planenden griffen für die 500 m lange schwimmende Strasse auf ein Bausystem zurück, das sich normalerweise für provisorische Schwimmplattformen eignet. Diese Art von Systemen besteht aus Einzelschwimmkörpern, die zu kleinen Arbeitsplattformen in der Grösse von etwa 20 × 30 m zusammengestellt werden können (Abb. 2 sowie Abb. 2 in «Am hängenden Seil», S. 21). Je grösser die Einheiten sind, desto stärker werden die Belastungen auf die einzelnen Elemente – vor allem dann, wenn die Plattformen hauptsächlich nur in eine Richtung zusammengesetzt sind. Das eingesetzte System Flexifloat besteht aus einzelnen Schwimmkörpern der Grösse 3.05 × 12 m, wobei zwei kleinere Zwischengrössen verfügbar sind. Die Elemente sind über ein Bolzensystem koppelbar, ohne dass dafür Taucher zum Einsatz kommen müssten. Die rund 115 notwendigen Stahlkastenschwimmer mit je einem Gewicht von 18 t wurden eingemietet und aus verschiedenen Ländern in Europa nach Stansstad transportiert. Sie werden nach Gebrauch wieder in die Depots zurückgebracht. Die Verankerung der Pontonbrücke erforderte eine einfach und schnell ausführbare Konstruktion. Die Bauingenieure von Staubli, Kurath und Partner entschieden sich noch vor der Bemessung des Bauwerks für eine Seilverankerung mit eingehängten Gewichten – eine Ausführungsweise, die der Situation angemessen schien (Abb. 8). Im Bereich der schwimmenden Strasse beträgt die Wassertiefe etwa 40 m, und erst in 60 bis 70 m Tiefe wird der Seeboden eben. Über die Seegrundbeschaffenheit ist wenig bekannt. Einzig aufgrund ihrer Erfahrung konnten die Beteiligten die Verhältnisse am Seegrund abschätzen – spätere Versuche bestätigten die Annahmen. Ohne die Ankerkräfte ermittelt zu haben, definierten die Bauingenieure die Seile, die Seillängen und die Gewichte der Ankersteine. Dies war möglich, weil trotz den sich dadurch ergebenden Einschränkungen noch genügend Freiheit für die Dimensionierung des Bauwerkes und der Verankerung vorhanden war.

Bewegungen der Perlenkette

Für die Dimensionierung der provisorischen Pontonbrücke waren Einwirkungen wie Windund Wellenkräfte, verschiedene Wasserstände, Steinschlag und Nutzlasten massgebend. Da die Mole nicht mit festen Lagern verankert werden sollte, entstehen durch die meisten dieser Einwirkungen Bewegungen, die zu teilweise grossen Verschiebungen des 2000 t schweren Bauwerkes führen. Bei extremen Lasten treten horizontale Verschiebungen von bis zu 1.5 m auf. Diese Bewegung muss abgebremst werden. Wird dies nicht auf eine sinnvolle Art getan, entstehen auf die Anker wirkende Kräfte, die nicht zu halten sind. Ausserdem darf die Mole bei periodisch wiederkehrenden Wellenkräften nicht aufschwingen. Die Bauingenieure überprüften dies mit dreidimensionalen Berechnungen.

Um die in der Mole entstehenden Kräfte auf die vom System vorgegebenen Tragwiderstände zu reduzieren, trafen die Planenden entsprechende Massnahmen. Sie teilten die Mole im Grundriss in zwei separate Schwimmkörper – einen L- und einen stabförmigen Abschnitt. Örtlich hängte man Zusatzschwimmer an, zur Beruhigung bei Wellenbelastung respektive um die Verdrehung durch einseitige, grosse Einzellasten zu minimieren. Bei den erforderlichen Zugangsrampen und der Übergangsbrücke (Abb. 3 und 4) galt es zu beachten, dass die getrennten Grossbauteile sich im Gebrauchszustand unter Nutzlast und anderen Einwirkungen gegeneinander verdrehen, in Längs- und Querachse verschieben und gegenseitig verwinkeln – die einzelnen Teile sollten sich daher wie eine Perlenkette beweglich und flexibel aneinanderreihen. Die Zugangsrampen können zum Beispiel eine Eigenverdrehung unter Nutzlast von über 6 ° aufnehmen. Ausserdem dimensionierten die Bauingenieure die Seillängen und -stärken sowie die teilweise mittig an den Seilen angehängten Gewichte so, dass die Molenbewegungen stark abgedämpft werden und somit die Seilkräfte nicht zu gross werden (Abb. 7). Normalerweise variiert man bei der Dimensionierung einer schwimmenden Mole auch die Masse. Dies war hier jedoch nicht möglich, da ein Molentyp vorbestimmt war.

Zusammenspiel von Ankerkräften und Molenbewegungen

Verschiedene Modelle simulierten die Einwirkungen und das statische System der Mole respektive berechneten die Kräfte und Bewegungen. Bei der hier gebauten Mole ist der Lastfall einer starken Windböe massgebend für die auf die Anker wirkenden Kräfte, für die maximale Verschiebung der Gesamtmole und die maximalen Querbeschleunigungen, wel- che auf die Nutzenden wirken; nicht aber für die Krafteinwirkungen im Molenkörper – hierfür massgebend sind der gleichzeitige Ausfall von nebeneinanderliegenden, landseitigen Ankerseilen, Wind und Wellen von Westen sowie Bauzustände mit grossen Einzellasten von 40 t plus gleichzeitig Wind und Wellen. Auch eine Einzelwelle, die durch starke, gleichmässige und lang andauernde Winde ausgelöst und auf die seeseitig projizierte Länge von rund 400 m gleichmässig und gleichzeitig auftreffen würde, ergäbe ähnliche Auswirkungen auf die Mole wie die Windböe. Dies ist bei der tatsächlichen geografischen Lage der Mole aber extrem unwahrscheinlich und darum hauptsächlich ein nur für die Tragsicherheit zu prüfender Lastfall.

Die Berechnung der Ankerkräfte gibt einen Einblick in die komplexe Problematik der statischen und dynamischen Ein- und Auswirkungen auf das Bauwerk: Bei den dynamischen Modellberechnungen für die Verankerungen wurden die Seile mit Theorie dritter Ordnung berechnet. Bemisst man nicht nach ihr, kommt man auf ungenaue Resultate und unter- oder überschätzt die entstehenden Kräfte teilweise wesentlich. Dies kann zu einem Versagen des Bauwerks führen. Die Berechnungen berücksichtigen die Seilverlängerung und die Seilform infolge von Eigengewicht, Zusatzlast und Seilspannung. Auch zusätzliche Kräfte infolge von Beschleunigung sowie die Wasserwiderstände der Seile und der Mole flossen in die Dimensionierung ein. Letztere Effekte sind gerade bei den Seilverankerungen wesentlich, da bei der Seilstreckung – nicht aber beim Erschlaffen – teilweise relativ hohe Seilgeschwindigkeiten entstehen. Der Widerstand und der Ablauf der Bewegung des Seiles im Wasser sind nicht genau bekannt. Sie sind zu komplex, als dass man sie präzise erfassen könnte, und aufschlussreiche Versuche wären zu zeitintensiv gewesen – Kosteneinsparungen wären ausserdem klein. Mit der Grundlage der Theorie für schlanke Bauteile in Fliessgewässern legten die Ingenieure Konstanten für untere und obere Grenzwerte fest, um diese Effekte in die Berechnung mit einzubeziehen. Bei jedem Zeitschritt suchten sie ein Gleichgewicht für die Kombination aller Einflüsse.

Für die Bestimmung der Querschnittswerte wie Steifigkeit und Widerstand der Mole spielen die Verhältnisse in den Schwimmelementkupplungen eine Rolle. Deren Steifigkeit und vor allem auch deren Spiel bestimmen die Werte des Gesamtbauwerks, und sie sind schliesslich die entscheidenden Versagensgrössen. Je weicher die Kupplungen in den Berechnungen definiert sind, desto kleiner fällt der Tragwiderstand der Mole aus. Dass die Schwimmkörper versetzt angeordnet sind, erhöht zwar die Tragfähigkeit, es entstehen aber infolge normaler Biegemomente Torsionskräfte, die nicht zu vernachlässigen sind. Die ausgeführte Architektur der Verankerungen und die Teilung der Mole in zwei Hälften reduzieren die auf den Molenkörper einwirkenden Momente und Querkräfte, sodass die Normal- und Querkräfte in den Kupplungsnocken genügend klein ausfallen.

Um schliesslich die Querschnittkräfte zu bestimmen, wurde das aus den Detailanalysen ermittelte Kraft-/Verformungsverhalten der Mole in ein dreidimensionales Modell integriert. Dabei flossen die grossen Nichtlinearitäten aus der Verankerung und das dynamische Spiel der Wellen im Verhältnis zur Trägheit der Mole in das an sich linearelastische Berechnungshilfsmittel schrittweise ein. Die Seilkräfte verhalten sich nicht proportional zur Molenverschiebung (Abb. 5). Wie entscheidend eine genaue Simulation der Verankerung ist, zeigt die Vergleichsrechnung mit reduzierten Gewichten im Seil. Reduziert man die im Seil eingehängten Gewichte auf etwa einen Drittel – von 540 auf 170 kg –, so vergrössert sich die Seilkraft markant (Abb. 6). Nachdem die Windböe abgeklungen ist, vergrössert sich die Seilkraft aufgrund der Streckung der Verankerungsseile sprunghaft von rund 2 auf 50 kN. Verglichen mit optimierten Gewichten beträgt die Kraftsteigerung im Seil zum selben Zeitpunkt rund 300 %. Auch die Querbeschleunigung steigt auf das Doppelte des maximalen Wertes an. Reduziert man das eingehängte Gewicht noch mehr, verringert sich zwar die Querbeschleunigung wieder, aber es zerreisst die Ankerseile, und das Gesamtsystem versagt.

Die detaillierte Dimensionierung der Seilverankerung ermöglichte eine genügend grosse Dämpfung und verhinderte, dass die Mole mit den Wellenbelastungen in Resonanz kommt. Die Kräfte und Verschiebungen infolge von regelmässig ankommenden Wellen bleiben so relativ klein.

Bauwerk wird ständig Überwacht

Die Planung und Realisierung des Sicherheits- und Überwachungskonzeptes forderte alle Planenden heraus, weil sich bei dieser schwimmenden Brücke nicht nur die Nutzlasten bewegen, sondern in einem erheblichen Masse auch das Bauwerk selbst. Der 2000 t schwere Ponton kann sich bei Wellengang und Sturm bis zu 1.5 m in alle Richtungen bewegen. Gerade bei den Zugängen zum und vom Ponton erforderten diese Umstände kreative Lösungen, denn auch unter Betrieb müssen grosse Bewegungen des Bauwerkes möglich sein. Spezielle Probleme wie die auf Radfahrer wirkende Querbeschleunigung durch das Bauwerk, das Verhalten bei Steinschlag durch Sprengungen in der Felswand oder die Frage, wie die Brücke bei zu hohem Wellengang in der Nacht zu sperren sei und wann die Gebrauchstauglichkeit des Pontons nicht mehr gewährleistet ist, mussten überlegt und Lösungen dafür gefunden werden.

Das Bauwerk wird mit automatischen geodätischen Messungen in seiner Lage und Höhe überwacht, ein schwimmendes Wellenmessgerät und ein Windmesser kontrollieren automatisch die äusseren Einflüsse. Sobald vorgegebene Grenzwerte überschritten werden, startet das vorbereitete Alarmdispositiv. Es regelt die Interventions- und Alarmgrenzwerte. Die Messwerte werden permanent in der Zentrale der Kantonspolizei Nidwalden überwacht. Bei einer Überschreitung des Alarmgrenzwertes sperrt die Kantonspolizei nach Rücksprache mit den Projektverantwortlichen unverzüglich die Brücke. Ein eingerichteter Sicherheitsdienst sorgt ausserdem für die Sperrung der Brücke während Sprengarbeiten. Diese gilt für jeglichen Verkehr und dauert maximal zehn Minuten.

TEC21, Fr., 2010.11.12



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