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31. März 2025Martin Putschögl
Der Standard

Wasserturm wird Gastroturm

Früher wurden aus dem alten Wasserturm auf dem Nordbahnhof-Areal im zweiten Bezirk Dampfloks mit Wasser versorgt. Aus dem denkmalgeschützten letzten Rest des alten Nordbahnhofs wird nun ein Grätzl-Café.

Früher wurden aus dem alten Wasserturm auf dem Nordbahnhof-Areal im zweiten Bezirk Dampfloks mit Wasser versorgt. Aus dem denkmalgeschützten letzten Rest des alten Nordbahnhofs wird nun ein Grätzl-Café.

Noch steht er dunkel und verschlossen da, der alte Wasserturm am Nordbahnhofgelände. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt, die Fassade ist ziemlich verdreckt, und unterm Dach gibt es ein Taubenproblem.

Die Flugratten werden sich aber schon demnächst eine neue Bleibe suchen müssen, und die Fassade wird auch bald nicht mehr wiederzuerkennen sein, denn der denkmalgeschützte Turm, der letzte Rest des prächtigen alten Nordbahnhofs, der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde, wird nun endlich revitalisiert. Pläne dafür gibt es schon seit mehr als zehn Jahren, 2015 wurden einige davon in einer Ausstellung im Foyer des ÖBB-Gebäudes am Praterstern präsentiert. Studierende am Institut für Raumplanung an der Technischen Universität Wien hatten sich zuvor mit den Nutzungsmöglichkeiten des Areals rund um den Turm beschäftigt. Dass der Wasserturm „eine wichtige Rolle im Identitätsprozess des neuen Stadtteils spielen“ sollte und auch werde, wurde damals betont.

Raumhöhe zwölf Meter

Ein Kaffeehaus gehört zur Identität der Wienerstadt zweifellos dazu, dachte man sich nun bei den ÖBB, denen der Turm gehört. Seit einigen Monaten suchen sie nach einem Betreiber, der das alte Gemäuer nach dem in Kürze startenden Umbau mit Leben erfüllen soll. Man stellt sich ein Café-Bistro mit kleiner Küche vor, „Kaffee, Snacks, kleine Speisen“. Die Mindestmiete beläuft sich auf 5000 Euro im Monat, so steht es in der Ausschreibung.

Der Wasserturm wird dafür entkernt, sodass ein etwa 140 Quadratmeter großer freier Innenraum entsteht, wobei die Raumhöhe von bis zu zwölf Metern besonders beeindrucken dürfte. Die Fassade wird gereinigt, was an einer Stelle bereits getestet wurde. Je nachdem, ob man sich letztlich fürs Sand- oder Wasserstrahlen entscheidet, wird der Turm heller oder dunkler wirken. Außerdem werden auf einer Seite bei den Fenstern die Parapete entfernt und Türen eingebaut, durch die man dann auch in einen Schanigarten wird gehen können, wurde dem STANDARD bei einer Begehung des Objekts gemeinsam mit Verantwortlichen der ÖBB erklärt. Mit dem Denkmalamt ist das abgestimmt.

Beim Bau des Gebäudes war von einem späteren Denkmal eher noch keine Rede. Errichtet wurde der Wasserturm im Jahr 1890. In drei großen, runden Behältern im Obergeschoß, drei Meter hoch und rund sechs Meter im Durchmesser, wurde Grundwasser gespeichert, um Dampflokomotiven mit Wasser zu versorgen. Bis in die 1970er-Jahre war der Turm neben den Nordbahnhallen in Verwendung, so steht es auf einer Tafel beim Eingang geschrieben. „Vermutlich im Jahr 1975“ wurde er außer Dienst gestellt, „da zu diesem Zeitpunkt der Dampfbetrieb im Heizhaus Wien-Nord endete“. Jahrzehntelang stand er dann einsam und verlassen in der Gegend herum, inmitten der Gstättn des einstigen Nordbahnhofgeländes.

Im vergangenen Jahrzehnt aber rückte ihm die Stadt recht nahe: Das Nordbahnviertel wurde gebaut, mit ihm die zentrale Bruno-Marek-Allee, deren nördliches Ende nun der Wasserturm markiert. Die Wendeschleife der Straßenbahnlinie O verläuft unmittelbar neben dem Turm. Mehrere Wohnhäuser, auch Wohntürme, befinden sich nun in seiner Nachbarschaft.

Die Hochhäuser waren substanzieller Teil des städtebaulichen Leitbilds von StudioVlay aus 2012: Durch das Bauen in die Höhe konnte andernorts Freiraum geschaffen werden, der nun „Freie Mitte“ heißt und der Bevölkerung zur Erholung dient – ab etwa Mitte 2026 geplantermaßen auch mit einem Lokal zum Verweilen. Und als Reminiszenz an den gewesenen Bahnhof werden im Inneren des Turms die vier allegorischen Figuren aufgestellt, die für jene Städte standen, die der Nordbahnhof verband: Wien, Brünn, Olmütz und Krakau.

Der Standard, Mo., 2025.03.31

29. März 2025Martin Putschögl
Der Standard

Funkhaus soll geöffnet werden

Nach der Fertigstellung der ersten Eigentumswohnungen 2023 wird nun von der Rhomberg-Gruppe die große Umgestaltung des denkmalgeschützten Gebäudes in der Argentinierstraße gestartet.

Nach der Fertigstellung der ersten Eigentumswohnungen 2023 wird nun von der Rhomberg-Gruppe die große Umgestaltung des denkmalgeschützten Gebäudes in der Argentinierstraße gestartet.

Vor zweieinhalb Jahren gingen die letzten Sendungen im ORF-Funkhaus on air, seither wird das geschichtsträchtige Haus in der Argentinierstraße 30a im vierten Wiener Gemeindebezirk zwar teilweise zwischengenutzt, wartet aber auf seine angekündigte große Umgestaltung. Verkauft worden war es bereits 2016 – unter großen Protesten von ORF-Radiojournalisten und Kulturschaffenden – an die Rhomberg-Gruppe. Diese hat in den vergangenen Jahren bereits 22 Eigentumswohnungen im Bestandsgebäude Argentinierstraße 30 errichtet und 2023 übergeben.

Ab Anfang 2026 sollen nun die weiteren Pläne umgesetzt werden, gab die Rhomberg-Gruppe am Dienstag bekannt: 57 weitere Eigentumswohnungen werden errichtet, 35 davon in einem siebenstöckigen Holz-Hybrid-Wohnbau nach dem hauseigenen Cree-System, der auf einer bisher als Parkplatz genutzten Fläche gebaut wird, 22 im hinteren Teil des denkmalgeschützten Bestandsgebäudes.

Die Wohnungspreise pro Quadratmeter werden sich wohl jenseits der 10.000-Euro-Marke bewegen müssen, sagte Hubert Rhomberg dem STANDARD: Der Bau werde aus logistischen Gründen nicht ganz einfach werden, die Zufahrt kann nämlich nur über die Hofeinfahrt des Hauses Argentinierstraße 30 erfolgen, durch die man auch zu den historischen Sendesälen gelangt. Letztere gehören übrigens weiterhin dem ORF.

Im hinteren Teil des Areals wird ein Sondenfeld mit rund 80 Geothermiesonden die Wohnungen mit Wärme versorgen bzw. im Sommer kühlen, auf den Dachflächen werden Photovoltaikpaneele installiert.

„Culture Mall“

Das Haupthaus soll zu einer „Culture Mall“ und einem Hotel umgestaltet werden, sagte Rhomberg. Das Gebäude wurde von 1935 bis 1938 nach Plänen von Clemens Holzmeister sowie der Otto-Wagner-Schüler Heinrich Schmid und Hermann Aichinger erbaut, es diente dann jahrzehntelang als Sitz des Rundfunks, in den ersten Jahrzehnten noch für den ORF-Vorgänger Ravag. Das Hotel soll laut Rhomberg zumindest 70 Zimmer aufweisen, nach einem Betreiber wird noch gesucht.

Als „kritische Infrastruktur“ war das Funkhaus im austrofaschistischen Ständestaat entsprechend „verschlossen“ errichtet worden, erläuterte Erich Bernard, CEO und Gründer der BWM Designers & Architects, die von Rhomberg mit den Plänen für die Umbauten beauftragt wurden. Man wolle dies nun aufbrechen und das Haus „öffnen“, gleichzeitig das äußere Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Hauses nicht verändern. „Ziel ist es, das Funkhaus ursprünglichen Ideen folgend im Außenauftritt wiederherzustellen und dieses sowohl im Innenbereich als auch bei den neu entstehenden Gebäuden überlegt und stimmig zu ergänzen.“

Neben dem Hotel soll auf vier Stockwerken „ein bunter Mix aus Künstlern, Medien-Start-ups, Kultur- und Clubveranstaltern“ einziehen, diverse Räumlichkeiten sollen außerdem für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Und auch der Vorplatz, derzeit ein Parkplatz, soll ein lebendiger Treffpunkt werden, mit Grünflächen, Gastronomie und Platz für kulturellen Austausch.

Fertigstellung 2027

Sämtliche Umbaupläne sind bereits eingereicht, mit einer Baugenehmigung wird im Lauf des Jahres gerechnet. Baubeginn soll dann Anfang 2026 sein, die Fertigstellung der Wohnungen ist für 2027 geplant.

Der Standard, Sa., 2025.03.29

18. Oktober 2023Martin Putschögl
Der Standard

Die Suche nach der richtigen Melange

Die Verbindung von Wohnen und Gewerbe war das Thema des jüngsten STANDARD-Wohnsymposiums. Im Fokus stand dabei vor allem Wien, wo seit 2017 das Fachkonzept Produktive Stadt gewisse Linien vorgibt.

Die Verbindung von Wohnen und Gewerbe war das Thema des jüngsten STANDARD-Wohnsymposiums. Im Fokus stand dabei vor allem Wien, wo seit 2017 das Fachkonzept Produktive Stadt gewisse Linien vorgibt.

Wohnen und Gewerbe: Beides braucht seinen Platz im Stadtquartier von heute. „Denn es ist doch am Ende viel interessanter, in einem gemischten Stadtteil zu wohnen, als in einem reinen Wohngebiet“, sagte Dietmar Wiegand, Universitätsprofessor und Leiter des Forschungsbereichs Projektentwicklung und -management an der TU Wien, auf dem 77. Wohnsymposium des STANDARD und des Fachmagazins Wohnen Plus .
Hippies willkommen

Schauplatz war der Gewerbehof in der Seestadt, errichtet und betrieben von der Wirtschaftsagentur Wien als Pilotprojekt des Fachkonzepts Produktive Stadt, das 2017 beschlossen wurde. Es soll Mischnutzungen für gewisse Gebiete („rosa Zonen“) oder Einzelstandorte ermöglichen, bisher sind aber nur sehr wenige Projekte in Umsetzung. „Produktive Stadt“ war auch das Thema des Symposiums.

Woran hapert es?

Wiegand gab in seinem einführenden Statement ein paar Hinweise darauf, was es braucht, damit die Mischung gut funktioniert: „Wettbewerb und Offenheit statt Protektionismus und Vetternwirtschaft“, Vernetzung sei entscheidend für die Qualität eines Standorts, und Cluster seien anzustreben, denn direkte Konkurrenz fördere Innovation und Produktivität. Und es brauche auch jemanden, der sich vor Ort kümmert – um Kommunikation, die Organisation der Mehrfachnutzung von Räumen und Equipment, die Vernetzung der Unternehmen vor Ort, das Community-Building. Außerdem brach Wiegand eine Lanze für die Kreativwirtschaft. „Die Sprayer sind die Gründer:innen von morgen.“ In den USA sei die Bay Area wegen der Hippies so erfolgreich. „Dort sind alle Verrückten hingekommen.“

Claudia Thiesen, Architektin aus Zürich, lieferte einen nicht ganz so weiten Blick über den Tellerrand, diesfalls in die Schweiz. Sie war federführend an der Entwicklung des Hunziker-Areals im Norden Zürichs beteiligt. Dort entstand auf einem 41.000 Quadratmeter großen Gelände einer ehemaligen Betonfabrik ein durchmischter Stadtteil, in dem nun 1200 Menschen leben und 150 arbeiten. 6000 Quadratmeter an Nichtwohnflächen habe man in den Erdgeschoßen geschaffen, vermietet werden sie nach dem Prinzip der Kostenmiete. Diverse Cluster, etwa ein Musik-Cluster mit Tonstudio, hätten sich gebildet, „so wurde relativ schnell Vollvermietung erreicht“.

Angst vor dem Leerstand

Genau darüber – die Verwertung der Flächen – machen sich in Österreich aber die Gemeinnützigen Sorgen. „Wir Gemeinnützigen haben uns risikoavers zu verhalten“, darauf wies Gedesag-Chefin Doris Molnar in einer Wortmeldung aus dem Publikum hin. Und auch WBV-GPA-Geschäftsführer Michael Gehbauer meldete sich zu Wort. Grundsätzlich sei auch er „ein großer Fan von mixed use“, so Gehbauer. Doch Sorgen über „versickernde Kosten und jahrelangen Leerstand“ würden bestehen, deshalb sei mitunter „die Bereitschaft, in die Offensive zu gehen, vielleicht nicht so groß. Hier müsste man ansetzen.“

Aber wie? Nicht nur einmal an diesem Nachmittag wurde die Forderung nach einer Art Wohnbauförderung auch für gewerbliche Nutzungen erhoben. In den Tischgesprächen nach der Podiumsdiskussion fiel das mehrmals. In der „politischen Debatte“ des Symposiums, die diesmal Andrea Faast von der Wiener Wirtschaftskammer und SPÖ-Wien-Wohnbausprecher Kurt Stürzenbecher bestritten (siehe Seite W 2), war auch von fehlenden Verkehrsanbindungen und zu hohen Vorgaben, was den Anteil des leistbaren Wohnens betrifft, die Rede.

Auf die Wichtigkeit der Förderung von Gewerbeansiedlungen wies auch Wiegand hin. Das Fachkonzept Produktive Stadt sei möglicherweise „zu stark aus der Raumordnung heraus gedacht“, eventuell sollte es mehr mit der Wirtschaftsförderung vernetzt werden, sagte er.

Die Sicht der gewerblichen Bauträger brachte Thomas Drozda ein, Geschäftsführer der Arwag. Sein Unternehmen hat im Seebogen-Quartier der Seestadt, in dem sich auch der Gewerbehof befindet, mit dem „Gründer-:innen-Hof“ ein Projekt umgesetzt, das Arbeiten und Wohnen unter einem Dach ermöglichen soll. Im Erdgeschoß ist ein Produktionsbetrieb eingezogen, die „Kasnudl Stadtküche“. „Die Teigtascherlproduktion im Haus hat auch bei uns nicht nur Begeisterung ausgelöst, so ehrlich muss man sein“, bekannte Drozda auf dem Podium. „Aber man darf den Unternehmen nicht erklären, was sie zu unternehmen haben, weil das funktioniert nicht.“

Was ist Produktion?

Eine wichtige Frage sei dabei natürlich, was überhaupt unter „produktiv“ zu verstehen sei. „Gehört Wissensproduktion dazu?“ Denn an der Wohnnutzung habe sich in den letzten 30 Jahren wenig geändert, „an der Gewerbenutzung aber schon“, sagte Drozda. „Was heute ein Handelsbetrieb ist, ist morgen eine Ausbildungseinrichtung für Jugendliche.“

Rainer Holzer, Leiter der Immobilienabteilung in der Wirtschaftsagentur, wartete mit einer unorthodoxen Definition auf: „Produktion ist alles, wo kein Bett drinsteht.“ Die Frage, ob das alles dann auch „wohnverträglich“ ist, ist aber auch für Wiegand eine entscheidende.

Und generell ortet der TU-Professor noch viel Informationsbedarf in Sachen Mischnutzungen. Projektentwickler würden oft „nicht wissen, wo das Gewerbe herkommen soll, das da rein soll“. Einfach einen Makler zu beauftragen, das funktioniere nicht. Man müsse die Bedürfnisse der Unternehmen kennen und zwischen Frequenzbringern, die wenig Miete zahlen sollten, und Frequenznutzern, die hohe Mieten zahlen sollten, unterscheiden. Außerdem brauche es ein Quartiersmanagement.

„Wenn es Probleme gibt, muss man so schnell wie möglich in einen Dialog treten“, sagte auch Holzer. „Wenn die Menschen keinen Ansprechpartner haben, dann eskaliert etwas schnell.“ Mit den Wohnbaugesellschaften, die die Wohnungen neben dem Gewerbehof errichteten, habe man „einen Kommunikationsprozess in Gang gesetzt, mit kleineren Events mehrmals im Jahr“ .

„Experimentierlabor“

Lärm sei natürlich immer ein Thema, wenn es um die Verschmelzung von Nutzungen geht, sagte Wiegand. Gleichzeitig gelte auch: „Mehr ausprobieren. Wenn’s nicht funktioniert, was anderes probieren.“ Den Königsweg gebe es nicht. „Fehlerkultur ist wichtig.“

Grundsätzlich sei die Seestadt Aspern als „Experimentierlabor“ dafür da, Dinge auszuprobieren, betonte Robert Grüneis, Vorstand der Wien 3420 Aspern Development AG. Fast 5000 Arbeitsplätze gebe es hier mittlerweile, weitere kommen bald dazu; das Biopharma-Unternehmen Takeda baut ein neues Gebäude für Forschung und Entwicklung. „Die werden auch Leute mitbringen, die dann in der Umgebung wohnen wollen.“

In den anschließenden Tischgesprächen berieten die Teilnehmerinnen des Wohnsymposiums über notwendige Maßnahmen und Weichenstellungen. Identitätsbildung sei wichtig, ebenso Planungssicherheit, wurde betont. Manche forderten auch mehr Information seitens der Stadt darüber ein, was in den „rosa Zonen“ nun eigentlich gewünscht ist. Und das rechtliche Korsett sei mitunter zu eng. Generell müsse eine „Positivspirale“ in Gang kommen, sagte Gedesag-Chefin Molnar – und hatte auch gleich einen Slogan parat: „Die Wiener Melange – die richtige Mischung.“

Der Standard, Mi., 2023.10.18

18. März 2023Martin Putschögl
Der Standard

Stellplätze, Balkone, Begrünungen und der ganze Rest

Die kommende Bauordnungsnovelle wirft ihre Schatten voraus, eine Fachenquete fand Ende des Vorjahres statt. Planer und Bauträger haben kürzlich ein umfassendes Forderungspaket präsentiert – und hoffen darauf, dass möglichst viel umgesetzt wird.

Die kommende Bauordnungsnovelle wirft ihre Schatten voraus, eine Fachenquete fand Ende des Vorjahres statt. Planer und Bauträger haben kürzlich ein umfassendes Forderungspaket präsentiert – und hoffen darauf, dass möglichst viel umgesetzt wird.

Eine Novelle der Wiener Bauordnung steht bevor, und es soll nach 2014 und 2018 wieder eine „politische“ werden. Sie soll also nicht nur Änderungen rein technischer Natur, sondern politische Weichenstellungen beinhalten. So lautet der Plan.

Und diese Weichenstellungen sind aus Sicht der Planerinnen und Planer sowie der Bauträger und Entwickler auch dringend nötig, um die Bundeshauptstadt zu dekarbonisieren und an den Klimawandel anpassen zu können. Um in Sachen Novelle etwas Dampf zu machen, hielten Vertreterinnen und Vertreter der Architektenschaft kürzlich gemeinsam mit den Bauträgersprechern der WKÖ und des Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI) sowie der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) eine Pressekonferenz ab. Sie forderten schlankere Verfahren, eine Aufdröselung von Zielkonflikten wie dem leidigen Thema „Brandschutz versus Fassadenbegrünung“, mehr Flexibilität in Geschäftsvierteln und bei Dachgeschoßausbauten, diverse Klarstellungen und außerdem so scheinbar profane Dinge wie eine Reduktion mancher in der Bauordnung definierter Mindestabstände.

„Flut von Vorschriften“

Insbesondere bei Balkonen. Denn diese würden allzu häufig „an der Flut von Vorschriften und Zuständigkeiten“ scheitern, beklagte Sophie Ronaghi-Bolldorf, Vorstandsmitglied der Kammer der ZiviltechnikerInnen, Architekt:innen und Ingenieur:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Ausreichende Abstände nach unten, zur Grundgrenze und zu benachbarten Liegenschaften müssen bedacht werden, es gebe zudem Unvereinbarkeiten mit Bäumen, Laternenmasten etc.

Auch Fassadenbegrünungen seien in Wien oft nicht möglich, vor allem „aus dem Gehsteig heraus“ sei die Begrünung in Wien nicht erlaubt, „in vielen anderen Metropolen aber schon“, kritisierte Hans Jörg Ulreich, WKÖ-Bauträgersprecher. Und die Interessengemeinschaft aus Planern und Bauträgern macht auch ganz konkrete Vorschläge, wie viel mehr Feuermauern begrünt werden könnten: Es sollte eine gesetzliche Grundlage für das Hineinragen der Bepflanzung in das Nachbargrundstück geschaffen werden, samt einem „Beseitigungsanspruch“ des Eigentümers des „dienenden“ Grundstücks. Und andererseits sollte auch der Eigentümer jener Liegenschaft, zu der die Feuermauer gerichtet ist, das Recht bekommen, diese auf eigene Faust zu begrünen.

Dieser Vorschlag findet sich im sehr konkreten Forderungspapier des ÖVI, das Bauträgersprecher Klaus Wolfinger erarbeitet hat. Für ihn gehen die Probleme aber viel weiter. „Ein Großteil der Wiener Flächenwidmungs- und Bebauungspläne entspricht nicht den aktuellen Zielen der Stadtplanung und stammt teilweise noch aus dem vorigen Jahrhundert“, kritisierte er.
„Mobilitätsgesetz“

Sein Papier enthält auch Änderungsvorschläge für das Wiener Garagengesetz. In diesem ist die sogenannte Stellplatzverpflichtung festgeschrieben, die schon in der Novelle 2014 ein großes Thema war. Damals wurde noch die Regelung geschaffen, dass pro 100 Quadratmeter Wohnfläche ein Stellplatz errichtet werden muss.

Doch sowohl für die Bauträger als auch für die Planerinnen und Planer ist das ein Konzept von gestern. Sie schlagen die Umwandlung in ein „Mobilitätsgesetz“ und ein „bedarfsgerechtes Stellplatzregulativ“ anhand eines Zonenplans vor, wie es ihn etwa in Zürich gibt. Sebastian Beiglböck, Sprecher der VÖPE, erläutert dies näher: Ein Zonenplan für das gesamte Stadtgebiet, mit abgestuftem Pflichtstellplatzschlüssel je nach Lage und Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln, soll in zentralen, gut erschlossenen Lagen eine Reduktion bis auf nur noch zehn Prozent des geltenden Stellplatzregulativs ermöglichen.

„Weniger Pflichtstellplätze haben ökologische und ökonomische Vorteile“, wird argumentiert: weniger Ressourcenverbrauch, geringere Errichtungskosten, mehr Anreize zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr. Und es wäre vermutlich ohnehin nur ein Zwischenschritt hin zu jener Regelung, die es schon in manchen deutschen Städten gibt: gar kein Stellplatzregulativ mehr. In Hamburg ist das seit 2013 so, in Berlin mittlerweile ebenfalls.

Auf einer Fachenquete zur Bauordnungsnovelle im vergangenen November im Wiener Rathaus wurde das Stellplatzregulativ auch als eigener Punkt behandelt, es referierten dazu Michael Gehbauer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers WBV-GPA, sowie die beiden Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (sechster) und Gerald Bischof (23. Bezirk). Sie berichteten von „unterschiedlich gelagerten“ Stellplatzbedürfnissen in den Innen- und Außenbezirken, wie es in einer quasi amtlichen Zusammenfassung der Diskussion heißt. Im 23. Bezirk sei die derzeitige Stellplatzverpflichtung nur knapp ausreichend, während in dicht bebauten Innenstadtbezirken wie eben Mariahilf ein großer „Nutzungsdruck“ auf den öffentlichen Raum spürbar sei, u. a. in Form von Schanigärten, Radabstellanlagen oder E-Ladestellen. Trotz sinkender Kfz-Zahlen nehme der Parkplatzdruck im öffentlichen Bereich nicht merklich ab; als einer der Hauptgründe wurden die vielen leerstehenden privaten Parkplätze genannt, die oft zu teuer angeboten werden. Sammelgaragen oder mehrstöckige Garagen könnten ein Lösungsansatz sein, sagte Gehbauer. Eine Evaluierung sei nötig; in einer anschließenden Diskussion wurde das Züricher Modell als positives Beispiel genannt, die Anregung zur Abschaffung der Stellplatzverpflichtung nach Hamburger Vorbild hingegen „kritisch gesehen“, wie im Protokoll vermerkt wurde. Die Nutzung vorhandener leistbarer Garagen sollte forciert werden.

„Geförderter Wohnbau“

Die Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ war ein weiteres Thema der Enquete, hier berichtete der Leiter der MA 21A, Bernhard Steger, zunächst über erste Erfahrungen mit dem 2018 eingeführten Instrument. Die Widmungskategorie, die bei Neuwidmungen ab 5000 Quadratmetern einen Zwei-Drittel-Anteil des geförderten Wohnbaus vorschreibt, wurde demnach seither auf 14 Plandokumente angewandt, die Wohnbaufläche betrug 750.000 Quadratmeter.

Laut Steger hat sich die Widmungskategorie nach ersten Einschätzungen grundsätzlich bewährt, im Detail könnten aber „Nachschärfungen“ erforderlich sein. Im Gespräch ist hier beispielsweise eine Ausweitung auf die bisher ausgenommene Bauklasse I. Und bei Neufestsetzungen bei Betriebsbaugebieten hätten sich Diskrepanzen in der Handhabung ergeben, auf die Rücksicht zu nehmen sein werde. Auch die Anwendung auf gemischte Baugebiete („rosa Zone“) gemäß Fachkonzept „Produktive Stadt“ sollte präzisiert werden, „um zusätzlichen Wohnbau ohne Gefährdung der Betriebs- oder anderweitiger planerischer Anforderungen zu ermöglichen“. Ob die Widmungskategorie aber auch tatsächlich und nachweisbar dämpfend auf die Bodenpreise gewirkt habe, das konnte Steger nicht beantworten.

Für VÖPE-Geschäftsführer Beiglböck sind die gewünschten Wirkungen „bisher nicht nachweislich spürbar“, im Gegenteil werde sinnvolle Stadtentwicklung durch das Instrument eher eingeschränkt. Die Entwickler fordern eine Abkehr von der Zwei-Drittel-Regelung. Und im Zusammenspiel mit den „rosa Zonen“, in denen Wohnen und Gewerbe vermischt werden sollen, sei die Verpflichtung für gefördertes Wohnen (die hier auf 50 Prozent reduziert werden kann) „wirtschaftlich kaum darstellbar“. Die VÖPE fordert, dass „Leistbares Arbeiten“ in Form von leistbaren Gewerbeflächen als gleichwertiges Ziel innerhalb der rosa Zonen anerkannt wird.

Gar kein Thema in den bisherigen Diskussionen, jedenfalls in den von der Stadt initiierten, waren hingegen die städtebaulichen Verträge, die die Stadt mit der Bauordnungsnovelle 2014 ermöglichte. Die Neos, der kleine Koalitionspartner der SPÖ in Wien, traten noch im Wahlkampf vehement für mehr Transparenz und die Schaffung eines verbindlichen Katalogs bei der Anwendung dieses Instruments ein. Davon ist nun nichts mehr zu hören. DER STANDARD fragte bei den Chefverhandlerinnen der Koalitionsparteien, Waltraud Karner-Kremser (SPÖ) und Selma Arapovic (Neos), an, bekam bisher aber keine Antworten.

Der Standard, Sa., 2023.03.18

18. März 2023Martin Putschögl
Der Standard

Schöne Aussichten

Wohntürme werden in Wien zur Gewohnheit, gleich mehrere werden dieser Tage bezogen. So spektakulär wie ihre Erscheinung ist bisweilen auch ihr Bau, wie das Beispiel Danubeflats zeigt.

Wohntürme werden in Wien zur Gewohnheit, gleich mehrere werden dieser Tage bezogen. So spektakulär wie ihre Erscheinung ist bisweilen auch ihr Bau, wie das Beispiel Danubeflats zeigt.

Er nimmt Formen an, der wohl umstrittenste Wohnturm Wiens des vergangenen Jahrzehnts: Am nördlichen Ende der Reichsbrücke ragen die Danubeflats bereits 36 Stockwerke in den Donaustädter Himmel. Das Großprojekt von Soravia und S+B Gruppe wird mit geplanten 172 Metern das benachbarte Hochhaus Neue Donau von Harry Seidler (reine Bauhöhe 120 Meter) signifikant überragen und mit dem auch schon in Bau befindlichen DC Tower 2, den S+B für Investor Commerzreal baut, direkt vis-à-vis ein „Tor“ als nördliche Einfahrt zur Reichsbrücke schaffen.

Die Eigentumswohnungen in den Danubeflats mit stolzen Preisen um die 10.000 Euro je Quadratmeter sind zu 80 Prozent verkauft, berichtete Andrea Jarisch von der S+B Gruppe kürzlich bei einer Baustellenbesichtigung. Bei den Wohnungsgrößen sind 40 bis 500 Quadratmeter möglich, die Einrichtung ist in drei Varianten erhältlich, genannt „Classic“, „Style“ und „Elegant“. Die ersten Wohnungen werden dieser Tage auch schon fertig, müssen aber auf Bewohnerinnen und Bewohner noch bis 2025 warten, wenn der ganze Turm fertig sein wird.

Taborama und V22 fertig

Im Nordbahnviertel ist Bauträger Strabag Real Estate hingegen schon mit der Übergabe der 213 freifinanzierten Eigentumswohnungen beschäftigt; mit 19 Stockwerken ist der Turm aber auch wesentlich niedriger als die Danubeflats. Hier sind alle Wohnungen verkauft, berichtet Strabag-Kommunikatorin Martina Magnet.

Signa/ARE-Turm ist fertig

Und ebenfalls gerade fertiggestellt und bezogen wird der 110 Meter hohe Wohnturm von Signa und ARE in Wien-Kagran („Vienna TwentyTwo“ bzw. „V22“). Er hat keinen eigenen Namen, wird nur „Bauteil 6“ genannt; mehr als 100 der 300 Eigentumswohnungen wurden bereits übergeben, heißt es von den Entwicklern. 20 Einheiten sind noch verfügbar, der Rest ist verkauft.

Und auf demselben Bauplatz, einem ehemaligen Parkplatz neben der U1-Station Kagran, ist auch der größere Bruder des 110-Meter-Turms schon in Bau: Das 155-Meter-Hochhaus mit dem klingenden Namen „Bauteil 1“ ist schon bei Stockwerk acht angelangt. Er wird aber kein reiner Wohnturm, sondern bekommt eine Mischnutzung aus Büros, Geschäftsflächen und 350 Mietwohnungen. Wie DER STANDARD erfuhr, wurde der Turm außerdem bereits im Zuge eines Forward Deals an einen Investor verkauft. Wer ihn gekauft hat, wird noch nicht verraten.

Weitgehend fertiggestellt sind die drei „The Marks“-Türme (siehe nächste Seiten), wobei der Helio Tower der Buwog schon im Vorjahr fertig wurde und die beiden Türme von ÖSW, WBV-GPA und Neues Leben unmittelbar vor dem Abschluss stehen. Und beim Prater baut Value One schon seit fast einem Jahr an den Türmen „Grünblick“ und „Weitblick“, wobei Ersterer ein Wohn-, Zweiterer ein Gewerbeturm wird.

Baulich sind solche riesigen Gebäude natürlich immer eine Herausforderung. Bei den eingangs erwähnten Danubeflats ist aber auch das noch eine Untertreibung. Die untersten 15 Stockwerke werden Richtung Donau immer breiter, sie überspannen dort dann auch die überplattete Autobahn A22. Weil die Last des Turms nicht auf der Überplattung ruhen kann, sondern direkt neben der Autobahn zunächst auf die drei bis fünf Meter dicke Bodenplatte und dann über 800 Bohrpfähle weiter ins Erdreich abgetragen werden muss, hat man eine bauliche Lösung mit einem sogenannten „Rucksack“ erdacht, wie Bauleiter Hannes Zadrobilek erklärt: Also eine Auskragung Richtung Süden ab dem fünften Stockwerk, die mit dem Turm nicht gleich mitgebaut werden konnte, sondern nachträglich „drangehängt“ wurde. „Denn der Turm musste erst eine bestimme Höhe haben, um das Gewicht tragen zu können“, sagt Zadrobilek.

Warum ab dem fünften Stock? Weil auf der Autobahn-Überplattung aus statischen Gründen nur vier Etagen gebaut werden dürfen. Genau genommen handelt es sich also um zwei Bauwerke, die im fünften Stock aufeinanderstoßen. Man sollte später im Idealfall nichts davon bemerken.

Schief ist Trumpf

Aber das ist noch nicht alles an Komplexität, die hier gefordert ist. Im Zentrum des Turms befinden sich H-förmige Hauptstützen aus Stahlbeton, die auch die Stiegenhäuser und Lifte beinhalten werden. Die jedenfalls im unteren Bereich weit auskragenden „Flügel“ aus Stahlbeton hingegen werden dann nur von relativ dünnen Stützen getragen. Und weil sich diese anders setzen bzw. „stauchen“ werden als die Hauptträger (die sich noch zwischen sechs und acht Zentimeter senken dürften, das ergaben jedenfalls die Berechnungen), müssen diese unterschiedlichen Bewegungen schon beim Bau einkalkuliert werden. Das heißt: Die Betondecken sind nicht ganz eben, sondern neigen sich außen um ein paar Zentimeter nach oben. Auch der Estrich muss deshalb leicht abschüssig verlegt werden, Fugen beim Innenausbau werden eingeplant, und so manches Bad kann noch nicht ausgebaut werden, sondern erst kurz vor der Fertigstellung des ganzen Turms in zwei Jahren. Wenn die Berechnungen für die Setzungen stimmen, sollte schlussendlich alles eben sein. Die Nähe zur Reichsbrücke war eine zusätzliche Herausforderung.

Direkt auf der schon erwähnten meterdicken Bodenplatte hat man aus Kostengründen mehr als 70 Sattelschlepper-Ladungen an Trockenbauwänden eingebunkert, die nun nach und nach in den Wohnungen verbaut werden. Es war die einzige Möglichkeit für die Lagerung, die Platten wären sonst viel zu schwer. Und außerdem ist hier unten auch die Sprinklerzentrale mit zwei bis zu sechs Meter tiefen Wassertanks untergebracht. Sollte es im Turm brennen, geht die Sprinkleranlage los, und die Feuerwehr steht vor der Tür – denn manche Feuermelder sind direkt mit der Feuerwehr verbunden, wie das in Hochhäusern vorgeschrieben ist.

Geheizt und gekühlt wird über Betonkernaktivierung und Fernwärme, es gibt auch eine kontrollierte Wohnraumlüftung. Die Qualitätssicherung bzw. das Mängelmanagement am Bau erfolgt über die Software von Planradar, einem österreichischen Unternehmen, das mittlerweile global tätig ist. So sollte der extrem komplizierte Bau am Ende nahezu fehlerlos dastehen.

Der Standard, Sa., 2023.03.18

08. Oktober 2020Martin Putschögl
Der Standard

Schieflage beim Wohnbau

Der geförderte Wohnbau, auf den die Stadt Wien so stolz ist, verliert stark an Bedeutung, teure freifinanzierte Mietwohnungen beherrschen den Neubau. Auch undurchschaubare Fördermodelle machen es manchen Mietern schwer.

Der geförderte Wohnbau, auf den die Stadt Wien so stolz ist, verliert stark an Bedeutung, teure freifinanzierte Mietwohnungen beherrschen den Neubau. Auch undurchschaubare Fördermodelle machen es manchen Mietern schwer.

Vierzehn Euro netto pro Quadratmeter und Monat: Was klingt wie ein Wohnungsinserat aus München oder Hamburg, ist auch in Wien immer öfter Realität. Denn in der Stadt, die so oft als weltweites Vorbild in der Vermeidung ausufernder Mieten gilt, ist in den vergangenen Jahren etwas aus dem Ruder gelaufen. Investoren steigen sich auf die Zehen, freifinanziert errichtete Wohnanlagen werden den Bauträgern schon beim Spatenstich aus der Hand gerissen, landen später in Fonds und fallen nie mehr unter irgendeinen Preisdeckel.

An Letzterem ist die Stadt am wenigsten schuld. Das Mietrecht ist ein Bundesgesetz; dass im freifinanzierten Neubau keine Mietobergrenzen gelten, und zwar dauerhaft, würde die SPÖ seit langem gerne ändern. Bei diesem Punkt lehnte sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei allen Wahlduellen der letzten Wochen deshalb entspannt zurück.

Dass im höherpreisigen Segment dermaßen viel produziert wird, wäre halb so schlimm, würde der geförderte Wohnbau damit Schritt halten. Dann könnte der im Wahlkampf oft gehörte Ausspruch Ludwigs, dass „60 Prozent der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau leben“, auch weiterhin stimmen.

Doch die Anzahl der Förderzusicherungen, also der „auf den Weg gebrachten“ geförderten Wohnungen, sank im Vorjahr sogar auf nur noch etwas mehr als 5000 Einheiten. Damit geht die Schere zwischen gefördert und freifinanziert immer weiter auf (siehe Grafik). Wie Wohnbauforscher Wolfgang Amann erst kürzlich wieder dokumentierte, gehen nämlich auch in Wien (wie in anderen Bundesländern) die Ausgaben für Wohnbauförderung immer weiter zurück. 2019 lag man in der Bundeshauptstadt mit 399 Millionen Euro (für Neubau, Sanierung und Wohnbeihilfen) um 24 Prozent unter dem zehnjährigen Schnitt.

Zu viel oder zu wenig?

Dadurch entstand die paradoxe Situation, dass manche professionellen Beobachter wie Amann oder auch Vertreter der Immobilienbranche schon vor Überproduktion samt negativen Begleiterscheinungen (Leerstand) warnen – und dass sich Ludwig andererseits von der Opposition vorwerfen lassen muss, nicht für genug neue Wohnungen zu sorgen.

Allerdings hat er sich die Latte selbst hochgelegt. 2016 hat Ludwig – noch als Wohnbaustadtrat – angekündigt, die gesamte Neubauleistung auf jährlich 13.000 anheben zu wollen, im geförderten Bereich von 7000 auf 9000. Ersteres ist gelungen; für heuer wird ein sehr hoher Wert von 19.000 Baubewilligungen erwartet, 2021 dürfte es auf 13.000 zurückgehen. Die Förderzusicherungen übersprangen in den letzten zehn Jahren aber nur einmal die 9000er-Marke, nämlich schon 2014. Dies, obwohl seit 2013 auch die Wohnbauinitiative zur Wohnbauförderung dazugezählt wird. Die Idee dafür hatte man 2011, als es sehr wenige Förderzusicherungen gab. Mit dem Sonderprogramm wurden günstige Darlehen und günstige Grundstücke an Bauträger vergeben. Dauerhaft sozial gebunden sind die damit finanzierten Wohnungen aber nicht: Kommt es zehn Jahre nach Erstbezug zu einem Mieterwechsel, darf Marktmiete verlangt werden. Viele dieser Häuser sind mittlerweile auch bei Immobilienfonds gelandet.

Dauerhaft preisgedeckelt sind im Übrigen auch viele andere geförderte Mietwohnungen nicht: Wien vergibt seit den 1990er-Jahren Wohnbauförderung nicht nur an gemeinnützige, sondern auch an gewerbliche Bauträger. Diese sind aber nur für die Dauer der Förderung – maximal 25 Jahre – an die Vorgaben der Wohnbauförderung gebunden, später sind de facto Marktmieten möglich. Bei manchen Mietern kam es hier schon zu einem bösen Erwachen oder zumindest großer Verwirrung: Sie dachten, bei einer Genossenschaft zu mieten, dabei handelte es sich um einen geförderten Wohnbau eines gewerblichen Bauträgers. Zwei solcher Fälle wurden kürzlich an den Standard herangetragen, die Betroffenen wollen aber (noch) anonym bleiben. Rechtsstreitigkeiten mit Bauträgern zeichnen sich ab, wobei es teilweise auch um die Frage geht, ob eine Kaufoption besteht oder nicht. Auch die Arbeiterkammer überlegt derzeit Musterprozesse, sie will den Status der Wohnbauinitiativen-Wohnungen klären.

Wien baut nun zwar auch wieder selbst Gemeindewohnungen. Das 2015 gestartete Programm geht aber – wie berichtet – einerseits schleppend vonstatten, andererseits sind die 4300 Wohneinheiten, die bis 2033 auf Schiene sind, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Fraglich also, ob Ludwig auch in ein paar Jahren noch wird sagen können, dass die Mehrheit der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau lebt.

Streng genommen tun sie das auch jetzt schon nicht. 220.000 Gemeindewohnungen und knapp 200.000 geförderte Mietwohnungen ergeben 44 Prozent des Bestands an Hauptwohnsitzwohnungen. Um auf die 60 Prozent zu kommen, werden auch die gefördert sanierten privaten Zinshäuser mitgezählt.

Der Standard, Do., 2020.10.08

14. August 2020Martin Putschögl
Der Standard

Francis, Joseph und Sophie für den Julius

Der Julius-Tandler-Platz vor dem Franz-Josefs-Bahnhof am Alsergrund wird neu gestaltet, denn das Projekt Althanquartier wird demnächst umgesetzt – allerdings nicht so, wie es sich Stadt und Bezirk eigentlich gewünscht hätten.

Der Julius-Tandler-Platz vor dem Franz-Josefs-Bahnhof am Alsergrund wird neu gestaltet, denn das Projekt Althanquartier wird demnächst umgesetzt – allerdings nicht so, wie es sich Stadt und Bezirk eigentlich gewünscht hätten.

Ein modernes Bürogebäude mit 38.000 Quadratmeter Nutzfläche, zwei Wohnbauten mit 250 Eigentumswohnungen, ein Hotel, Gastronomie und Geschäfte: So lautet das aktuelle Nutzungskonzept für das Althanquartier. Dabei handelt es sich um die Neugestaltung der Überbauung des Franz-Josefs-Bahnhofs im neunten Bezirk (Alsergrund). Entwickler 6B47 ist in der „finalen Planungsphase“, sagt eine Sprecherin. Man erhofft die Baugenehmigung im Herbst. Baubeginn könnte dann noch dieses Jahr sein.

Dann werden am Ende eines zehnjährigen Nachdenkprozesses am vielfrequentierten Julius-Tandler-Platz Fakten geschaffen, mit denen die Stadt Wien einmal mehr nicht wirklich zufrieden sein kann. Doch der Reihe nach: Der unter anderem von Karl Schwanzer und Harry Glück entworfene Glaspalast wurde 2015 von 6B47 erworben. Die Bank Austria hatte das markante Gebäude zehn Jahre zuvor an ein deutsches Fondshaus veräußert, blieb bis 2018 als Mieter. 6B47 hatte sich davor auch schon das Objekt Nordbergstraße 15 (UZA 4, Universitätszentrum Althanstraße) nordöstlich des Bahnhofs gesichert und strebte eine Gesamtentwicklung an.

Bis März 2017 wurde an einem städtebaulichen Leitbild gearbeitet. Es sah eine Hochhausentwicklung mit Höhen bis 126 Meter im Nordteil vor, außerdem die Schaffung eines Hochparks auf der Überplattung der ÖBB-Gleise.

Gegen die Hochhäuser formierte sich Widerstand unter Anrainern, aber auch im Bezirk. Die Bezirksvertretung lehnte die von der MA 21 vorgeschlagene Flächenwidmung, die zuvor von der Stadtentwicklungskommission einstimmig angenommen worden war, im Frühjahr 2018 ebenso einstimmig ab.

Terrassenhaus als Sieger

Entwickler 6B47 lobte einen Realisierungswettbewerb aus, dessen Sieger im Juni 2018 präsentiert wurde. Fast alle der insgesamt 30 teilnehmenden Architekturbüros hatten die 126 Meter Höhe ausgenutzt; nicht so die siegreichen Artec Architekten, die ein Terrassenhaus vorschlugen, mit Maximalhöhen von 46 Metern an der Althanstraße und 55 Metern an der Nordbergstraße. Die höheren Gebäudeteile sollten durch die zurückspringenden Terrassen von der Straße aus nicht sichtbar sein. Das Projekt wurde einstimmig zum Sieger erkoren – und wird nun doch so nicht gebaut.

Denn selbst dafür wäre eine Umwidmung nötig gewesen. Und dafür sollte der Entwickler etwas „hergeben“: Stadt und Bezirk bestanden auf leistbarem Wohnbau, und zwar im Ausmaß der Hälfte des gesamten neu entstehenden Wohnraums von rund 60.000 m² Nutzfläche.

Im Dezember 2019 sprang der Entwickler ab, gab eine Bebauung innerhalb der bestehenden Widmung bekannt – ohne Sozialwohnungen, ohne Hochpark und mit nur 44 Meter Höhe am höchsten Punkt.

Der Kopfbau am Julius-Tandler-Platz wird nun bloß „entfrachtet“, also bis auf das Stahlbetonskelett zurückgebaut, und dann innerhalb der bestehenden Kubatur zum Bürogebäude namens „Francis“ umgestaltet. Der Bürotrakt an der Nordbergstraße 13, in dem einst die IT der Bank Austria residierte, wird abgerissen, ebenso das Gebäude an der Nordbergstraße 9. Dort werden zwei Wohnhäuser mit insgesamt rund 250 Eigentumswohnungen errichtet. Diese Projekte heißen „Joseph“ und „Sophie“. Und an der Althanstraße wird ein Vier-Sterne-Hotel als Konferenz- und Businesshotel errichtet.

„Entwickler eingebunden“

Also nix mit leistbarem Wohnen, was Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ) sehr bedauert. Das Leitbild sei gemeinsam mit dem Entwickler erarbeitet worden, also schon ein Kompromiss gewesen, sagt sie heute kopfschüttelnd dazu. „Unser Zugang war: Wenn die Vorgaben dieses Leitbilds eingehalten werden, dann gibt es die höhere Widmung.“

Immerhin darf sie nun bald mit einem neuen, größeren Bahnhofsvorplatz rechnen, denn die derzeit abgesperrte Freitreppe wird abgerissen. „Aufenthaltsqualität schaffen für die Menschen, die hier leben, mit Beschattung und Begrünung“, wünscht sich Ahmad hier nun.

6B47 wird auch den Zugangsbereich zum Bahnhof neu gestalten. Die ÖBB werden ihrerseits die Gleishalle modernisieren und alles barrierefrei zugänglich machen, außerdem werden direkte Ausgänge zu Nordberg- und Althanstraße errichtet, womit ein öffentlicher Durchgang entsteht. Diese Arbeiten werden laut einem ÖBB-Sprecher im Herbst 2021 starten und insgesamt rund 18 Millionen Euro kosten.

Bleibt noch die Frage, wie attraktiv es überhaupt sein kann, über den Bahngleisen zu wohnen. 6B47 hat in der Nordbergstraße 15 (der ehemaligen Postdirektion) im Jahr 2018 den Althanpark mit 237 Eigentumswohnungen fertiggestellt. Ein paar davon sind noch verfügbar, ebenso Gewerbeflächen. Die Züge verkehren teilweise direkt unter den Wohnungen, was man doch einigermaßen gut hören können soll. Bezirksvorsteherin Ahmad ist das auch schon zu Ohren gekommen.

Der Standard, Fr., 2020.08.14

03. Dezember 2019Martin Putschögl
Der Standard

Heumarkt ist offiziell „baureif“

Der am Montag erfolgte Formalakt der Bauplatzschaffung ruft die Wiener Opposition auf den Plan. Sie befürchtet, dass der umstrittene Bau am Heumarkt nicht mehr zu verhindern ist. Martin Putschögl

Der am Montag erfolgte Formalakt der Bauplatzschaffung ruft die Wiener Opposition auf den Plan. Sie befürchtet, dass der umstrittene Bau am Heumarkt nicht mehr zu verhindern ist. Martin Putschögl

Rund 60 Quadratmeter der Liegenschaft Ecke Lothringerstraße/Johannesgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk werden an die Stadt Wien abgegeben, im Gegenzug erwirbt ein privater Entwickler 82 Quadratmeter von der Stadt. Den Preis dafür hat ein Gutachter festgelegt. Beschlossen wurde dieser Vorgang am Montag vom Wohnbauausschuss des Wiener Gemeinderats mit den Stimmen von SPÖ und Grünen. Bauplatzschaffung heißt der Vorgang im Fachjargon, dabei wird eine Liegenschaft durch Hinzufügen oder Abzwacken von ein paar wenigen Quadratmetern an den Rändern so umgestaltet, dass sie mit dem aktuellen Flächenwidmungsplan (wieder) übereinstimmt. Ein Formalakt, wie er regelmäßig vorkommt.

Im Vorfeld der jüngsten Ausschusssitzung hat es aber doch Aufregung gegeben. Bei der Liegenschaft handelt es sich nämlich um das mittlerweile wohl weltbekannte Heumarkt-Areal, und der Entwickler ist die Wertinvest von Investor Michael Tojner.

Umstrittene Türme

Die Opposition schlug deshalb Alarm. Dem Gesamtprojekt werde damit ein weiteres Puzzleteil hinzugefügt. Und das Gesamtprojekt heißt bekanntlich: Abriss des Hotels Intercontinental, Neubebauung des Areals, auf dem sich auch der Eislaufplatz des Wiener Eislaufvereins befindet, mit zwei neuen Hochhäusern, eines davon ein 68 Meter hoher Wohnturm mit Luxusresidenzen. Weitere Punkte regelt ein städtebaulicher Vertrag, der zwischen der Stadt und dem Entwickler abgeschlossen wurde.

Der Preis für die 82 Quadratmeter liegt bei 516.600 Euro bzw. 6300 Euro pro Quadratmeter Grundfläche. Es handelt sich dabei um Flächen beim derzeitigen Haupteingang zum Eislaufplatz.

Beschlossen wurde das alles mit den Stimmen der rot-grünen Rathausmehrheit im Ausschuss. Die Opposition hatte erfolglos versucht, den Beschluss zu verhindern. Denn schließlich hatte sogar Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) höchstselbst im März eine zweijährige „Nachdenkpause“ in Sachen Heumarkt verordnet. Für ÖVP-Klubobfrau und Planungssprecherin Elisabeth Olischar wäre das nun die Chance gewesen, diese Nachdenkpause auch einzuhalten. Denn wenn das Projekt wie geplant umgesetzt werde, drohe Wien die Aberkennung des Unesco-Welterbe-Status. Das hatte die Unesco unmissverständlich klargemacht. Auch die Wiener FPÖ sieht deshalb im jüngsten Beschluss einen neuerlichen „Anschlag auf Wiens Weltkulturerbe“, und die Neos wollen das ganze Flächenwidmungsverfahren nochmals neu aufrollen, denn da seien wichtige Dinge schlicht nicht berücksichtigt worden – wie der bedrohte Weltkulturerbe-Status oder auch eine mögliche Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht (UVP-Pflicht) für das Bauvorhaben.

Letzteres sieht auch die EU-Kommission mittlerweile als gegeben an. Sie unterstützt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für das Bauprojekt eine UVP durchzuführen sei, und kritisierte kürzlich in einem Aufforderungsschreiben an die Republik, dass die Grenzwerte für Prüfungen bei Städtebauvorhaben in Österreich zu hoch angesetzt seien.

Tojner kann Bau „erzwingen“

In der Stadtregierung weist man darauf hin, dass es schlicht einen Rechtsanspruch des Entwicklers auf den Formalakt der Bauplatzschaffung gebe. Ein erfahrener Wiener Bauträger erklärt dazu aber auch, dass der einmal beschlossenen Bauplatzschaffung zwingend die Baugenehmigung zu folgen habe. „Wenn der Bauplatz in seinen Grenzen festgelegt ist, gibt’s auch einen Rechtsanspruch auf die Baugenehmigung.“ Diese kann dann, falls die Behörde nicht aktiv wird, eingeklagt werden. Denn die Widmung sei ja längst vorhanden.

Genau so sieht das auch die Opposition, die sich nun die Frage stellt, wie der Bau noch verhindert werden kann. Den Rechtsanspruch betont nicht zuletzt auch Wertinvest-Sprecherin Daniela Enzi. Erst einmal gebe es seitens des Entwicklers aber einen Planungsstopp – ausgerufen im März. Dem Vernehmen nach laufen Gespräche mit der Stadt. Und auch im Gemeinderat wird demnächst nochmals über den Formalakt der Bauplatzschaffung diskutiert werden.

Der Standard, Di., 2019.12.03

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Presseschau 12

31. März 2025Martin Putschögl
Der Standard

Wasserturm wird Gastroturm

Früher wurden aus dem alten Wasserturm auf dem Nordbahnhof-Areal im zweiten Bezirk Dampfloks mit Wasser versorgt. Aus dem denkmalgeschützten letzten Rest des alten Nordbahnhofs wird nun ein Grätzl-Café.

Früher wurden aus dem alten Wasserturm auf dem Nordbahnhof-Areal im zweiten Bezirk Dampfloks mit Wasser versorgt. Aus dem denkmalgeschützten letzten Rest des alten Nordbahnhofs wird nun ein Grätzl-Café.

Noch steht er dunkel und verschlossen da, der alte Wasserturm am Nordbahnhofgelände. Die Fenster sind mit Brettern vernagelt, die Fassade ist ziemlich verdreckt, und unterm Dach gibt es ein Taubenproblem.

Die Flugratten werden sich aber schon demnächst eine neue Bleibe suchen müssen, und die Fassade wird auch bald nicht mehr wiederzuerkennen sein, denn der denkmalgeschützte Turm, der letzte Rest des prächtigen alten Nordbahnhofs, der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde, wird nun endlich revitalisiert. Pläne dafür gibt es schon seit mehr als zehn Jahren, 2015 wurden einige davon in einer Ausstellung im Foyer des ÖBB-Gebäudes am Praterstern präsentiert. Studierende am Institut für Raumplanung an der Technischen Universität Wien hatten sich zuvor mit den Nutzungsmöglichkeiten des Areals rund um den Turm beschäftigt. Dass der Wasserturm „eine wichtige Rolle im Identitätsprozess des neuen Stadtteils spielen“ sollte und auch werde, wurde damals betont.

Raumhöhe zwölf Meter

Ein Kaffeehaus gehört zur Identität der Wienerstadt zweifellos dazu, dachte man sich nun bei den ÖBB, denen der Turm gehört. Seit einigen Monaten suchen sie nach einem Betreiber, der das alte Gemäuer nach dem in Kürze startenden Umbau mit Leben erfüllen soll. Man stellt sich ein Café-Bistro mit kleiner Küche vor, „Kaffee, Snacks, kleine Speisen“. Die Mindestmiete beläuft sich auf 5000 Euro im Monat, so steht es in der Ausschreibung.

Der Wasserturm wird dafür entkernt, sodass ein etwa 140 Quadratmeter großer freier Innenraum entsteht, wobei die Raumhöhe von bis zu zwölf Metern besonders beeindrucken dürfte. Die Fassade wird gereinigt, was an einer Stelle bereits getestet wurde. Je nachdem, ob man sich letztlich fürs Sand- oder Wasserstrahlen entscheidet, wird der Turm heller oder dunkler wirken. Außerdem werden auf einer Seite bei den Fenstern die Parapete entfernt und Türen eingebaut, durch die man dann auch in einen Schanigarten wird gehen können, wurde dem STANDARD bei einer Begehung des Objekts gemeinsam mit Verantwortlichen der ÖBB erklärt. Mit dem Denkmalamt ist das abgestimmt.

Beim Bau des Gebäudes war von einem späteren Denkmal eher noch keine Rede. Errichtet wurde der Wasserturm im Jahr 1890. In drei großen, runden Behältern im Obergeschoß, drei Meter hoch und rund sechs Meter im Durchmesser, wurde Grundwasser gespeichert, um Dampflokomotiven mit Wasser zu versorgen. Bis in die 1970er-Jahre war der Turm neben den Nordbahnhallen in Verwendung, so steht es auf einer Tafel beim Eingang geschrieben. „Vermutlich im Jahr 1975“ wurde er außer Dienst gestellt, „da zu diesem Zeitpunkt der Dampfbetrieb im Heizhaus Wien-Nord endete“. Jahrzehntelang stand er dann einsam und verlassen in der Gegend herum, inmitten der Gstättn des einstigen Nordbahnhofgeländes.

Im vergangenen Jahrzehnt aber rückte ihm die Stadt recht nahe: Das Nordbahnviertel wurde gebaut, mit ihm die zentrale Bruno-Marek-Allee, deren nördliches Ende nun der Wasserturm markiert. Die Wendeschleife der Straßenbahnlinie O verläuft unmittelbar neben dem Turm. Mehrere Wohnhäuser, auch Wohntürme, befinden sich nun in seiner Nachbarschaft.

Die Hochhäuser waren substanzieller Teil des städtebaulichen Leitbilds von StudioVlay aus 2012: Durch das Bauen in die Höhe konnte andernorts Freiraum geschaffen werden, der nun „Freie Mitte“ heißt und der Bevölkerung zur Erholung dient – ab etwa Mitte 2026 geplantermaßen auch mit einem Lokal zum Verweilen. Und als Reminiszenz an den gewesenen Bahnhof werden im Inneren des Turms die vier allegorischen Figuren aufgestellt, die für jene Städte standen, die der Nordbahnhof verband: Wien, Brünn, Olmütz und Krakau.

Der Standard, Mo., 2025.03.31

29. März 2025Martin Putschögl
Der Standard

Funkhaus soll geöffnet werden

Nach der Fertigstellung der ersten Eigentumswohnungen 2023 wird nun von der Rhomberg-Gruppe die große Umgestaltung des denkmalgeschützten Gebäudes in der Argentinierstraße gestartet.

Nach der Fertigstellung der ersten Eigentumswohnungen 2023 wird nun von der Rhomberg-Gruppe die große Umgestaltung des denkmalgeschützten Gebäudes in der Argentinierstraße gestartet.

Vor zweieinhalb Jahren gingen die letzten Sendungen im ORF-Funkhaus on air, seither wird das geschichtsträchtige Haus in der Argentinierstraße 30a im vierten Wiener Gemeindebezirk zwar teilweise zwischengenutzt, wartet aber auf seine angekündigte große Umgestaltung. Verkauft worden war es bereits 2016 – unter großen Protesten von ORF-Radiojournalisten und Kulturschaffenden – an die Rhomberg-Gruppe. Diese hat in den vergangenen Jahren bereits 22 Eigentumswohnungen im Bestandsgebäude Argentinierstraße 30 errichtet und 2023 übergeben.

Ab Anfang 2026 sollen nun die weiteren Pläne umgesetzt werden, gab die Rhomberg-Gruppe am Dienstag bekannt: 57 weitere Eigentumswohnungen werden errichtet, 35 davon in einem siebenstöckigen Holz-Hybrid-Wohnbau nach dem hauseigenen Cree-System, der auf einer bisher als Parkplatz genutzten Fläche gebaut wird, 22 im hinteren Teil des denkmalgeschützten Bestandsgebäudes.

Die Wohnungspreise pro Quadratmeter werden sich wohl jenseits der 10.000-Euro-Marke bewegen müssen, sagte Hubert Rhomberg dem STANDARD: Der Bau werde aus logistischen Gründen nicht ganz einfach werden, die Zufahrt kann nämlich nur über die Hofeinfahrt des Hauses Argentinierstraße 30 erfolgen, durch die man auch zu den historischen Sendesälen gelangt. Letztere gehören übrigens weiterhin dem ORF.

Im hinteren Teil des Areals wird ein Sondenfeld mit rund 80 Geothermiesonden die Wohnungen mit Wärme versorgen bzw. im Sommer kühlen, auf den Dachflächen werden Photovoltaikpaneele installiert.

„Culture Mall“

Das Haupthaus soll zu einer „Culture Mall“ und einem Hotel umgestaltet werden, sagte Rhomberg. Das Gebäude wurde von 1935 bis 1938 nach Plänen von Clemens Holzmeister sowie der Otto-Wagner-Schüler Heinrich Schmid und Hermann Aichinger erbaut, es diente dann jahrzehntelang als Sitz des Rundfunks, in den ersten Jahrzehnten noch für den ORF-Vorgänger Ravag. Das Hotel soll laut Rhomberg zumindest 70 Zimmer aufweisen, nach einem Betreiber wird noch gesucht.

Als „kritische Infrastruktur“ war das Funkhaus im austrofaschistischen Ständestaat entsprechend „verschlossen“ errichtet worden, erläuterte Erich Bernard, CEO und Gründer der BWM Designers & Architects, die von Rhomberg mit den Plänen für die Umbauten beauftragt wurden. Man wolle dies nun aufbrechen und das Haus „öffnen“, gleichzeitig das äußere Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Hauses nicht verändern. „Ziel ist es, das Funkhaus ursprünglichen Ideen folgend im Außenauftritt wiederherzustellen und dieses sowohl im Innenbereich als auch bei den neu entstehenden Gebäuden überlegt und stimmig zu ergänzen.“

Neben dem Hotel soll auf vier Stockwerken „ein bunter Mix aus Künstlern, Medien-Start-ups, Kultur- und Clubveranstaltern“ einziehen, diverse Räumlichkeiten sollen außerdem für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Und auch der Vorplatz, derzeit ein Parkplatz, soll ein lebendiger Treffpunkt werden, mit Grünflächen, Gastronomie und Platz für kulturellen Austausch.

Fertigstellung 2027

Sämtliche Umbaupläne sind bereits eingereicht, mit einer Baugenehmigung wird im Lauf des Jahres gerechnet. Baubeginn soll dann Anfang 2026 sein, die Fertigstellung der Wohnungen ist für 2027 geplant.

Der Standard, Sa., 2025.03.29

18. Oktober 2023Martin Putschögl
Der Standard

Die Suche nach der richtigen Melange

Die Verbindung von Wohnen und Gewerbe war das Thema des jüngsten STANDARD-Wohnsymposiums. Im Fokus stand dabei vor allem Wien, wo seit 2017 das Fachkonzept Produktive Stadt gewisse Linien vorgibt.

Die Verbindung von Wohnen und Gewerbe war das Thema des jüngsten STANDARD-Wohnsymposiums. Im Fokus stand dabei vor allem Wien, wo seit 2017 das Fachkonzept Produktive Stadt gewisse Linien vorgibt.

Wohnen und Gewerbe: Beides braucht seinen Platz im Stadtquartier von heute. „Denn es ist doch am Ende viel interessanter, in einem gemischten Stadtteil zu wohnen, als in einem reinen Wohngebiet“, sagte Dietmar Wiegand, Universitätsprofessor und Leiter des Forschungsbereichs Projektentwicklung und -management an der TU Wien, auf dem 77. Wohnsymposium des STANDARD und des Fachmagazins Wohnen Plus .
Hippies willkommen

Schauplatz war der Gewerbehof in der Seestadt, errichtet und betrieben von der Wirtschaftsagentur Wien als Pilotprojekt des Fachkonzepts Produktive Stadt, das 2017 beschlossen wurde. Es soll Mischnutzungen für gewisse Gebiete („rosa Zonen“) oder Einzelstandorte ermöglichen, bisher sind aber nur sehr wenige Projekte in Umsetzung. „Produktive Stadt“ war auch das Thema des Symposiums.

Woran hapert es?

Wiegand gab in seinem einführenden Statement ein paar Hinweise darauf, was es braucht, damit die Mischung gut funktioniert: „Wettbewerb und Offenheit statt Protektionismus und Vetternwirtschaft“, Vernetzung sei entscheidend für die Qualität eines Standorts, und Cluster seien anzustreben, denn direkte Konkurrenz fördere Innovation und Produktivität. Und es brauche auch jemanden, der sich vor Ort kümmert – um Kommunikation, die Organisation der Mehrfachnutzung von Räumen und Equipment, die Vernetzung der Unternehmen vor Ort, das Community-Building. Außerdem brach Wiegand eine Lanze für die Kreativwirtschaft. „Die Sprayer sind die Gründer:innen von morgen.“ In den USA sei die Bay Area wegen der Hippies so erfolgreich. „Dort sind alle Verrückten hingekommen.“

Claudia Thiesen, Architektin aus Zürich, lieferte einen nicht ganz so weiten Blick über den Tellerrand, diesfalls in die Schweiz. Sie war federführend an der Entwicklung des Hunziker-Areals im Norden Zürichs beteiligt. Dort entstand auf einem 41.000 Quadratmeter großen Gelände einer ehemaligen Betonfabrik ein durchmischter Stadtteil, in dem nun 1200 Menschen leben und 150 arbeiten. 6000 Quadratmeter an Nichtwohnflächen habe man in den Erdgeschoßen geschaffen, vermietet werden sie nach dem Prinzip der Kostenmiete. Diverse Cluster, etwa ein Musik-Cluster mit Tonstudio, hätten sich gebildet, „so wurde relativ schnell Vollvermietung erreicht“.

Angst vor dem Leerstand

Genau darüber – die Verwertung der Flächen – machen sich in Österreich aber die Gemeinnützigen Sorgen. „Wir Gemeinnützigen haben uns risikoavers zu verhalten“, darauf wies Gedesag-Chefin Doris Molnar in einer Wortmeldung aus dem Publikum hin. Und auch WBV-GPA-Geschäftsführer Michael Gehbauer meldete sich zu Wort. Grundsätzlich sei auch er „ein großer Fan von mixed use“, so Gehbauer. Doch Sorgen über „versickernde Kosten und jahrelangen Leerstand“ würden bestehen, deshalb sei mitunter „die Bereitschaft, in die Offensive zu gehen, vielleicht nicht so groß. Hier müsste man ansetzen.“

Aber wie? Nicht nur einmal an diesem Nachmittag wurde die Forderung nach einer Art Wohnbauförderung auch für gewerbliche Nutzungen erhoben. In den Tischgesprächen nach der Podiumsdiskussion fiel das mehrmals. In der „politischen Debatte“ des Symposiums, die diesmal Andrea Faast von der Wiener Wirtschaftskammer und SPÖ-Wien-Wohnbausprecher Kurt Stürzenbecher bestritten (siehe Seite W 2), war auch von fehlenden Verkehrsanbindungen und zu hohen Vorgaben, was den Anteil des leistbaren Wohnens betrifft, die Rede.

Auf die Wichtigkeit der Förderung von Gewerbeansiedlungen wies auch Wiegand hin. Das Fachkonzept Produktive Stadt sei möglicherweise „zu stark aus der Raumordnung heraus gedacht“, eventuell sollte es mehr mit der Wirtschaftsförderung vernetzt werden, sagte er.

Die Sicht der gewerblichen Bauträger brachte Thomas Drozda ein, Geschäftsführer der Arwag. Sein Unternehmen hat im Seebogen-Quartier der Seestadt, in dem sich auch der Gewerbehof befindet, mit dem „Gründer-:innen-Hof“ ein Projekt umgesetzt, das Arbeiten und Wohnen unter einem Dach ermöglichen soll. Im Erdgeschoß ist ein Produktionsbetrieb eingezogen, die „Kasnudl Stadtküche“. „Die Teigtascherlproduktion im Haus hat auch bei uns nicht nur Begeisterung ausgelöst, so ehrlich muss man sein“, bekannte Drozda auf dem Podium. „Aber man darf den Unternehmen nicht erklären, was sie zu unternehmen haben, weil das funktioniert nicht.“

Was ist Produktion?

Eine wichtige Frage sei dabei natürlich, was überhaupt unter „produktiv“ zu verstehen sei. „Gehört Wissensproduktion dazu?“ Denn an der Wohnnutzung habe sich in den letzten 30 Jahren wenig geändert, „an der Gewerbenutzung aber schon“, sagte Drozda. „Was heute ein Handelsbetrieb ist, ist morgen eine Ausbildungseinrichtung für Jugendliche.“

Rainer Holzer, Leiter der Immobilienabteilung in der Wirtschaftsagentur, wartete mit einer unorthodoxen Definition auf: „Produktion ist alles, wo kein Bett drinsteht.“ Die Frage, ob das alles dann auch „wohnverträglich“ ist, ist aber auch für Wiegand eine entscheidende.

Und generell ortet der TU-Professor noch viel Informationsbedarf in Sachen Mischnutzungen. Projektentwickler würden oft „nicht wissen, wo das Gewerbe herkommen soll, das da rein soll“. Einfach einen Makler zu beauftragen, das funktioniere nicht. Man müsse die Bedürfnisse der Unternehmen kennen und zwischen Frequenzbringern, die wenig Miete zahlen sollten, und Frequenznutzern, die hohe Mieten zahlen sollten, unterscheiden. Außerdem brauche es ein Quartiersmanagement.

„Wenn es Probleme gibt, muss man so schnell wie möglich in einen Dialog treten“, sagte auch Holzer. „Wenn die Menschen keinen Ansprechpartner haben, dann eskaliert etwas schnell.“ Mit den Wohnbaugesellschaften, die die Wohnungen neben dem Gewerbehof errichteten, habe man „einen Kommunikationsprozess in Gang gesetzt, mit kleineren Events mehrmals im Jahr“ .

„Experimentierlabor“

Lärm sei natürlich immer ein Thema, wenn es um die Verschmelzung von Nutzungen geht, sagte Wiegand. Gleichzeitig gelte auch: „Mehr ausprobieren. Wenn’s nicht funktioniert, was anderes probieren.“ Den Königsweg gebe es nicht. „Fehlerkultur ist wichtig.“

Grundsätzlich sei die Seestadt Aspern als „Experimentierlabor“ dafür da, Dinge auszuprobieren, betonte Robert Grüneis, Vorstand der Wien 3420 Aspern Development AG. Fast 5000 Arbeitsplätze gebe es hier mittlerweile, weitere kommen bald dazu; das Biopharma-Unternehmen Takeda baut ein neues Gebäude für Forschung und Entwicklung. „Die werden auch Leute mitbringen, die dann in der Umgebung wohnen wollen.“

In den anschließenden Tischgesprächen berieten die Teilnehmerinnen des Wohnsymposiums über notwendige Maßnahmen und Weichenstellungen. Identitätsbildung sei wichtig, ebenso Planungssicherheit, wurde betont. Manche forderten auch mehr Information seitens der Stadt darüber ein, was in den „rosa Zonen“ nun eigentlich gewünscht ist. Und das rechtliche Korsett sei mitunter zu eng. Generell müsse eine „Positivspirale“ in Gang kommen, sagte Gedesag-Chefin Molnar – und hatte auch gleich einen Slogan parat: „Die Wiener Melange – die richtige Mischung.“

Der Standard, Mi., 2023.10.18

18. März 2023Martin Putschögl
Der Standard

Stellplätze, Balkone, Begrünungen und der ganze Rest

Die kommende Bauordnungsnovelle wirft ihre Schatten voraus, eine Fachenquete fand Ende des Vorjahres statt. Planer und Bauträger haben kürzlich ein umfassendes Forderungspaket präsentiert – und hoffen darauf, dass möglichst viel umgesetzt wird.

Die kommende Bauordnungsnovelle wirft ihre Schatten voraus, eine Fachenquete fand Ende des Vorjahres statt. Planer und Bauträger haben kürzlich ein umfassendes Forderungspaket präsentiert – und hoffen darauf, dass möglichst viel umgesetzt wird.

Eine Novelle der Wiener Bauordnung steht bevor, und es soll nach 2014 und 2018 wieder eine „politische“ werden. Sie soll also nicht nur Änderungen rein technischer Natur, sondern politische Weichenstellungen beinhalten. So lautet der Plan.

Und diese Weichenstellungen sind aus Sicht der Planerinnen und Planer sowie der Bauträger und Entwickler auch dringend nötig, um die Bundeshauptstadt zu dekarbonisieren und an den Klimawandel anpassen zu können. Um in Sachen Novelle etwas Dampf zu machen, hielten Vertreterinnen und Vertreter der Architektenschaft kürzlich gemeinsam mit den Bauträgersprechern der WKÖ und des Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI) sowie der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) eine Pressekonferenz ab. Sie forderten schlankere Verfahren, eine Aufdröselung von Zielkonflikten wie dem leidigen Thema „Brandschutz versus Fassadenbegrünung“, mehr Flexibilität in Geschäftsvierteln und bei Dachgeschoßausbauten, diverse Klarstellungen und außerdem so scheinbar profane Dinge wie eine Reduktion mancher in der Bauordnung definierter Mindestabstände.

„Flut von Vorschriften“

Insbesondere bei Balkonen. Denn diese würden allzu häufig „an der Flut von Vorschriften und Zuständigkeiten“ scheitern, beklagte Sophie Ronaghi-Bolldorf, Vorstandsmitglied der Kammer der ZiviltechnikerInnen, Architekt:innen und Ingenieur:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Ausreichende Abstände nach unten, zur Grundgrenze und zu benachbarten Liegenschaften müssen bedacht werden, es gebe zudem Unvereinbarkeiten mit Bäumen, Laternenmasten etc.

Auch Fassadenbegrünungen seien in Wien oft nicht möglich, vor allem „aus dem Gehsteig heraus“ sei die Begrünung in Wien nicht erlaubt, „in vielen anderen Metropolen aber schon“, kritisierte Hans Jörg Ulreich, WKÖ-Bauträgersprecher. Und die Interessengemeinschaft aus Planern und Bauträgern macht auch ganz konkrete Vorschläge, wie viel mehr Feuermauern begrünt werden könnten: Es sollte eine gesetzliche Grundlage für das Hineinragen der Bepflanzung in das Nachbargrundstück geschaffen werden, samt einem „Beseitigungsanspruch“ des Eigentümers des „dienenden“ Grundstücks. Und andererseits sollte auch der Eigentümer jener Liegenschaft, zu der die Feuermauer gerichtet ist, das Recht bekommen, diese auf eigene Faust zu begrünen.

Dieser Vorschlag findet sich im sehr konkreten Forderungspapier des ÖVI, das Bauträgersprecher Klaus Wolfinger erarbeitet hat. Für ihn gehen die Probleme aber viel weiter. „Ein Großteil der Wiener Flächenwidmungs- und Bebauungspläne entspricht nicht den aktuellen Zielen der Stadtplanung und stammt teilweise noch aus dem vorigen Jahrhundert“, kritisierte er.
„Mobilitätsgesetz“

Sein Papier enthält auch Änderungsvorschläge für das Wiener Garagengesetz. In diesem ist die sogenannte Stellplatzverpflichtung festgeschrieben, die schon in der Novelle 2014 ein großes Thema war. Damals wurde noch die Regelung geschaffen, dass pro 100 Quadratmeter Wohnfläche ein Stellplatz errichtet werden muss.

Doch sowohl für die Bauträger als auch für die Planerinnen und Planer ist das ein Konzept von gestern. Sie schlagen die Umwandlung in ein „Mobilitätsgesetz“ und ein „bedarfsgerechtes Stellplatzregulativ“ anhand eines Zonenplans vor, wie es ihn etwa in Zürich gibt. Sebastian Beiglböck, Sprecher der VÖPE, erläutert dies näher: Ein Zonenplan für das gesamte Stadtgebiet, mit abgestuftem Pflichtstellplatzschlüssel je nach Lage und Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln, soll in zentralen, gut erschlossenen Lagen eine Reduktion bis auf nur noch zehn Prozent des geltenden Stellplatzregulativs ermöglichen.

„Weniger Pflichtstellplätze haben ökologische und ökonomische Vorteile“, wird argumentiert: weniger Ressourcenverbrauch, geringere Errichtungskosten, mehr Anreize zum Umstieg auf den öffentlichen Verkehr. Und es wäre vermutlich ohnehin nur ein Zwischenschritt hin zu jener Regelung, die es schon in manchen deutschen Städten gibt: gar kein Stellplatzregulativ mehr. In Hamburg ist das seit 2013 so, in Berlin mittlerweile ebenfalls.

Auf einer Fachenquete zur Bauordnungsnovelle im vergangenen November im Wiener Rathaus wurde das Stellplatzregulativ auch als eigener Punkt behandelt, es referierten dazu Michael Gehbauer, Geschäftsführer des gemeinnützigen Bauträgers WBV-GPA, sowie die beiden Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (sechster) und Gerald Bischof (23. Bezirk). Sie berichteten von „unterschiedlich gelagerten“ Stellplatzbedürfnissen in den Innen- und Außenbezirken, wie es in einer quasi amtlichen Zusammenfassung der Diskussion heißt. Im 23. Bezirk sei die derzeitige Stellplatzverpflichtung nur knapp ausreichend, während in dicht bebauten Innenstadtbezirken wie eben Mariahilf ein großer „Nutzungsdruck“ auf den öffentlichen Raum spürbar sei, u. a. in Form von Schanigärten, Radabstellanlagen oder E-Ladestellen. Trotz sinkender Kfz-Zahlen nehme der Parkplatzdruck im öffentlichen Bereich nicht merklich ab; als einer der Hauptgründe wurden die vielen leerstehenden privaten Parkplätze genannt, die oft zu teuer angeboten werden. Sammelgaragen oder mehrstöckige Garagen könnten ein Lösungsansatz sein, sagte Gehbauer. Eine Evaluierung sei nötig; in einer anschließenden Diskussion wurde das Züricher Modell als positives Beispiel genannt, die Anregung zur Abschaffung der Stellplatzverpflichtung nach Hamburger Vorbild hingegen „kritisch gesehen“, wie im Protokoll vermerkt wurde. Die Nutzung vorhandener leistbarer Garagen sollte forciert werden.

„Geförderter Wohnbau“

Die Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ war ein weiteres Thema der Enquete, hier berichtete der Leiter der MA 21A, Bernhard Steger, zunächst über erste Erfahrungen mit dem 2018 eingeführten Instrument. Die Widmungskategorie, die bei Neuwidmungen ab 5000 Quadratmetern einen Zwei-Drittel-Anteil des geförderten Wohnbaus vorschreibt, wurde demnach seither auf 14 Plandokumente angewandt, die Wohnbaufläche betrug 750.000 Quadratmeter.

Laut Steger hat sich die Widmungskategorie nach ersten Einschätzungen grundsätzlich bewährt, im Detail könnten aber „Nachschärfungen“ erforderlich sein. Im Gespräch ist hier beispielsweise eine Ausweitung auf die bisher ausgenommene Bauklasse I. Und bei Neufestsetzungen bei Betriebsbaugebieten hätten sich Diskrepanzen in der Handhabung ergeben, auf die Rücksicht zu nehmen sein werde. Auch die Anwendung auf gemischte Baugebiete („rosa Zone“) gemäß Fachkonzept „Produktive Stadt“ sollte präzisiert werden, „um zusätzlichen Wohnbau ohne Gefährdung der Betriebs- oder anderweitiger planerischer Anforderungen zu ermöglichen“. Ob die Widmungskategorie aber auch tatsächlich und nachweisbar dämpfend auf die Bodenpreise gewirkt habe, das konnte Steger nicht beantworten.

Für VÖPE-Geschäftsführer Beiglböck sind die gewünschten Wirkungen „bisher nicht nachweislich spürbar“, im Gegenteil werde sinnvolle Stadtentwicklung durch das Instrument eher eingeschränkt. Die Entwickler fordern eine Abkehr von der Zwei-Drittel-Regelung. Und im Zusammenspiel mit den „rosa Zonen“, in denen Wohnen und Gewerbe vermischt werden sollen, sei die Verpflichtung für gefördertes Wohnen (die hier auf 50 Prozent reduziert werden kann) „wirtschaftlich kaum darstellbar“. Die VÖPE fordert, dass „Leistbares Arbeiten“ in Form von leistbaren Gewerbeflächen als gleichwertiges Ziel innerhalb der rosa Zonen anerkannt wird.

Gar kein Thema in den bisherigen Diskussionen, jedenfalls in den von der Stadt initiierten, waren hingegen die städtebaulichen Verträge, die die Stadt mit der Bauordnungsnovelle 2014 ermöglichte. Die Neos, der kleine Koalitionspartner der SPÖ in Wien, traten noch im Wahlkampf vehement für mehr Transparenz und die Schaffung eines verbindlichen Katalogs bei der Anwendung dieses Instruments ein. Davon ist nun nichts mehr zu hören. DER STANDARD fragte bei den Chefverhandlerinnen der Koalitionsparteien, Waltraud Karner-Kremser (SPÖ) und Selma Arapovic (Neos), an, bekam bisher aber keine Antworten.

Der Standard, Sa., 2023.03.18

18. März 2023Martin Putschögl
Der Standard

Schöne Aussichten

Wohntürme werden in Wien zur Gewohnheit, gleich mehrere werden dieser Tage bezogen. So spektakulär wie ihre Erscheinung ist bisweilen auch ihr Bau, wie das Beispiel Danubeflats zeigt.

Wohntürme werden in Wien zur Gewohnheit, gleich mehrere werden dieser Tage bezogen. So spektakulär wie ihre Erscheinung ist bisweilen auch ihr Bau, wie das Beispiel Danubeflats zeigt.

Er nimmt Formen an, der wohl umstrittenste Wohnturm Wiens des vergangenen Jahrzehnts: Am nördlichen Ende der Reichsbrücke ragen die Danubeflats bereits 36 Stockwerke in den Donaustädter Himmel. Das Großprojekt von Soravia und S+B Gruppe wird mit geplanten 172 Metern das benachbarte Hochhaus Neue Donau von Harry Seidler (reine Bauhöhe 120 Meter) signifikant überragen und mit dem auch schon in Bau befindlichen DC Tower 2, den S+B für Investor Commerzreal baut, direkt vis-à-vis ein „Tor“ als nördliche Einfahrt zur Reichsbrücke schaffen.

Die Eigentumswohnungen in den Danubeflats mit stolzen Preisen um die 10.000 Euro je Quadratmeter sind zu 80 Prozent verkauft, berichtete Andrea Jarisch von der S+B Gruppe kürzlich bei einer Baustellenbesichtigung. Bei den Wohnungsgrößen sind 40 bis 500 Quadratmeter möglich, die Einrichtung ist in drei Varianten erhältlich, genannt „Classic“, „Style“ und „Elegant“. Die ersten Wohnungen werden dieser Tage auch schon fertig, müssen aber auf Bewohnerinnen und Bewohner noch bis 2025 warten, wenn der ganze Turm fertig sein wird.

Taborama und V22 fertig

Im Nordbahnviertel ist Bauträger Strabag Real Estate hingegen schon mit der Übergabe der 213 freifinanzierten Eigentumswohnungen beschäftigt; mit 19 Stockwerken ist der Turm aber auch wesentlich niedriger als die Danubeflats. Hier sind alle Wohnungen verkauft, berichtet Strabag-Kommunikatorin Martina Magnet.

Signa/ARE-Turm ist fertig

Und ebenfalls gerade fertiggestellt und bezogen wird der 110 Meter hohe Wohnturm von Signa und ARE in Wien-Kagran („Vienna TwentyTwo“ bzw. „V22“). Er hat keinen eigenen Namen, wird nur „Bauteil 6“ genannt; mehr als 100 der 300 Eigentumswohnungen wurden bereits übergeben, heißt es von den Entwicklern. 20 Einheiten sind noch verfügbar, der Rest ist verkauft.

Und auf demselben Bauplatz, einem ehemaligen Parkplatz neben der U1-Station Kagran, ist auch der größere Bruder des 110-Meter-Turms schon in Bau: Das 155-Meter-Hochhaus mit dem klingenden Namen „Bauteil 1“ ist schon bei Stockwerk acht angelangt. Er wird aber kein reiner Wohnturm, sondern bekommt eine Mischnutzung aus Büros, Geschäftsflächen und 350 Mietwohnungen. Wie DER STANDARD erfuhr, wurde der Turm außerdem bereits im Zuge eines Forward Deals an einen Investor verkauft. Wer ihn gekauft hat, wird noch nicht verraten.

Weitgehend fertiggestellt sind die drei „The Marks“-Türme (siehe nächste Seiten), wobei der Helio Tower der Buwog schon im Vorjahr fertig wurde und die beiden Türme von ÖSW, WBV-GPA und Neues Leben unmittelbar vor dem Abschluss stehen. Und beim Prater baut Value One schon seit fast einem Jahr an den Türmen „Grünblick“ und „Weitblick“, wobei Ersterer ein Wohn-, Zweiterer ein Gewerbeturm wird.

Baulich sind solche riesigen Gebäude natürlich immer eine Herausforderung. Bei den eingangs erwähnten Danubeflats ist aber auch das noch eine Untertreibung. Die untersten 15 Stockwerke werden Richtung Donau immer breiter, sie überspannen dort dann auch die überplattete Autobahn A22. Weil die Last des Turms nicht auf der Überplattung ruhen kann, sondern direkt neben der Autobahn zunächst auf die drei bis fünf Meter dicke Bodenplatte und dann über 800 Bohrpfähle weiter ins Erdreich abgetragen werden muss, hat man eine bauliche Lösung mit einem sogenannten „Rucksack“ erdacht, wie Bauleiter Hannes Zadrobilek erklärt: Also eine Auskragung Richtung Süden ab dem fünften Stockwerk, die mit dem Turm nicht gleich mitgebaut werden konnte, sondern nachträglich „drangehängt“ wurde. „Denn der Turm musste erst eine bestimme Höhe haben, um das Gewicht tragen zu können“, sagt Zadrobilek.

Warum ab dem fünften Stock? Weil auf der Autobahn-Überplattung aus statischen Gründen nur vier Etagen gebaut werden dürfen. Genau genommen handelt es sich also um zwei Bauwerke, die im fünften Stock aufeinanderstoßen. Man sollte später im Idealfall nichts davon bemerken.

Schief ist Trumpf

Aber das ist noch nicht alles an Komplexität, die hier gefordert ist. Im Zentrum des Turms befinden sich H-förmige Hauptstützen aus Stahlbeton, die auch die Stiegenhäuser und Lifte beinhalten werden. Die jedenfalls im unteren Bereich weit auskragenden „Flügel“ aus Stahlbeton hingegen werden dann nur von relativ dünnen Stützen getragen. Und weil sich diese anders setzen bzw. „stauchen“ werden als die Hauptträger (die sich noch zwischen sechs und acht Zentimeter senken dürften, das ergaben jedenfalls die Berechnungen), müssen diese unterschiedlichen Bewegungen schon beim Bau einkalkuliert werden. Das heißt: Die Betondecken sind nicht ganz eben, sondern neigen sich außen um ein paar Zentimeter nach oben. Auch der Estrich muss deshalb leicht abschüssig verlegt werden, Fugen beim Innenausbau werden eingeplant, und so manches Bad kann noch nicht ausgebaut werden, sondern erst kurz vor der Fertigstellung des ganzen Turms in zwei Jahren. Wenn die Berechnungen für die Setzungen stimmen, sollte schlussendlich alles eben sein. Die Nähe zur Reichsbrücke war eine zusätzliche Herausforderung.

Direkt auf der schon erwähnten meterdicken Bodenplatte hat man aus Kostengründen mehr als 70 Sattelschlepper-Ladungen an Trockenbauwänden eingebunkert, die nun nach und nach in den Wohnungen verbaut werden. Es war die einzige Möglichkeit für die Lagerung, die Platten wären sonst viel zu schwer. Und außerdem ist hier unten auch die Sprinklerzentrale mit zwei bis zu sechs Meter tiefen Wassertanks untergebracht. Sollte es im Turm brennen, geht die Sprinkleranlage los, und die Feuerwehr steht vor der Tür – denn manche Feuermelder sind direkt mit der Feuerwehr verbunden, wie das in Hochhäusern vorgeschrieben ist.

Geheizt und gekühlt wird über Betonkernaktivierung und Fernwärme, es gibt auch eine kontrollierte Wohnraumlüftung. Die Qualitätssicherung bzw. das Mängelmanagement am Bau erfolgt über die Software von Planradar, einem österreichischen Unternehmen, das mittlerweile global tätig ist. So sollte der extrem komplizierte Bau am Ende nahezu fehlerlos dastehen.

Der Standard, Sa., 2023.03.18

08. Oktober 2020Martin Putschögl
Der Standard

Schieflage beim Wohnbau

Der geförderte Wohnbau, auf den die Stadt Wien so stolz ist, verliert stark an Bedeutung, teure freifinanzierte Mietwohnungen beherrschen den Neubau. Auch undurchschaubare Fördermodelle machen es manchen Mietern schwer.

Der geförderte Wohnbau, auf den die Stadt Wien so stolz ist, verliert stark an Bedeutung, teure freifinanzierte Mietwohnungen beherrschen den Neubau. Auch undurchschaubare Fördermodelle machen es manchen Mietern schwer.

Vierzehn Euro netto pro Quadratmeter und Monat: Was klingt wie ein Wohnungsinserat aus München oder Hamburg, ist auch in Wien immer öfter Realität. Denn in der Stadt, die so oft als weltweites Vorbild in der Vermeidung ausufernder Mieten gilt, ist in den vergangenen Jahren etwas aus dem Ruder gelaufen. Investoren steigen sich auf die Zehen, freifinanziert errichtete Wohnanlagen werden den Bauträgern schon beim Spatenstich aus der Hand gerissen, landen später in Fonds und fallen nie mehr unter irgendeinen Preisdeckel.

An Letzterem ist die Stadt am wenigsten schuld. Das Mietrecht ist ein Bundesgesetz; dass im freifinanzierten Neubau keine Mietobergrenzen gelten, und zwar dauerhaft, würde die SPÖ seit langem gerne ändern. Bei diesem Punkt lehnte sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei allen Wahlduellen der letzten Wochen deshalb entspannt zurück.

Dass im höherpreisigen Segment dermaßen viel produziert wird, wäre halb so schlimm, würde der geförderte Wohnbau damit Schritt halten. Dann könnte der im Wahlkampf oft gehörte Ausspruch Ludwigs, dass „60 Prozent der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau leben“, auch weiterhin stimmen.

Doch die Anzahl der Förderzusicherungen, also der „auf den Weg gebrachten“ geförderten Wohnungen, sank im Vorjahr sogar auf nur noch etwas mehr als 5000 Einheiten. Damit geht die Schere zwischen gefördert und freifinanziert immer weiter auf (siehe Grafik). Wie Wohnbauforscher Wolfgang Amann erst kürzlich wieder dokumentierte, gehen nämlich auch in Wien (wie in anderen Bundesländern) die Ausgaben für Wohnbauförderung immer weiter zurück. 2019 lag man in der Bundeshauptstadt mit 399 Millionen Euro (für Neubau, Sanierung und Wohnbeihilfen) um 24 Prozent unter dem zehnjährigen Schnitt.

Zu viel oder zu wenig?

Dadurch entstand die paradoxe Situation, dass manche professionellen Beobachter wie Amann oder auch Vertreter der Immobilienbranche schon vor Überproduktion samt negativen Begleiterscheinungen (Leerstand) warnen – und dass sich Ludwig andererseits von der Opposition vorwerfen lassen muss, nicht für genug neue Wohnungen zu sorgen.

Allerdings hat er sich die Latte selbst hochgelegt. 2016 hat Ludwig – noch als Wohnbaustadtrat – angekündigt, die gesamte Neubauleistung auf jährlich 13.000 anheben zu wollen, im geförderten Bereich von 7000 auf 9000. Ersteres ist gelungen; für heuer wird ein sehr hoher Wert von 19.000 Baubewilligungen erwartet, 2021 dürfte es auf 13.000 zurückgehen. Die Förderzusicherungen übersprangen in den letzten zehn Jahren aber nur einmal die 9000er-Marke, nämlich schon 2014. Dies, obwohl seit 2013 auch die Wohnbauinitiative zur Wohnbauförderung dazugezählt wird. Die Idee dafür hatte man 2011, als es sehr wenige Förderzusicherungen gab. Mit dem Sonderprogramm wurden günstige Darlehen und günstige Grundstücke an Bauträger vergeben. Dauerhaft sozial gebunden sind die damit finanzierten Wohnungen aber nicht: Kommt es zehn Jahre nach Erstbezug zu einem Mieterwechsel, darf Marktmiete verlangt werden. Viele dieser Häuser sind mittlerweile auch bei Immobilienfonds gelandet.

Dauerhaft preisgedeckelt sind im Übrigen auch viele andere geförderte Mietwohnungen nicht: Wien vergibt seit den 1990er-Jahren Wohnbauförderung nicht nur an gemeinnützige, sondern auch an gewerbliche Bauträger. Diese sind aber nur für die Dauer der Förderung – maximal 25 Jahre – an die Vorgaben der Wohnbauförderung gebunden, später sind de facto Marktmieten möglich. Bei manchen Mietern kam es hier schon zu einem bösen Erwachen oder zumindest großer Verwirrung: Sie dachten, bei einer Genossenschaft zu mieten, dabei handelte es sich um einen geförderten Wohnbau eines gewerblichen Bauträgers. Zwei solcher Fälle wurden kürzlich an den Standard herangetragen, die Betroffenen wollen aber (noch) anonym bleiben. Rechtsstreitigkeiten mit Bauträgern zeichnen sich ab, wobei es teilweise auch um die Frage geht, ob eine Kaufoption besteht oder nicht. Auch die Arbeiterkammer überlegt derzeit Musterprozesse, sie will den Status der Wohnbauinitiativen-Wohnungen klären.

Wien baut nun zwar auch wieder selbst Gemeindewohnungen. Das 2015 gestartete Programm geht aber – wie berichtet – einerseits schleppend vonstatten, andererseits sind die 4300 Wohneinheiten, die bis 2033 auf Schiene sind, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Fraglich also, ob Ludwig auch in ein paar Jahren noch wird sagen können, dass die Mehrheit der Wienerinnen und Wiener im geförderten Wohnbau lebt.

Streng genommen tun sie das auch jetzt schon nicht. 220.000 Gemeindewohnungen und knapp 200.000 geförderte Mietwohnungen ergeben 44 Prozent des Bestands an Hauptwohnsitzwohnungen. Um auf die 60 Prozent zu kommen, werden auch die gefördert sanierten privaten Zinshäuser mitgezählt.

Der Standard, Do., 2020.10.08

14. August 2020Martin Putschögl
Der Standard

Francis, Joseph und Sophie für den Julius

Der Julius-Tandler-Platz vor dem Franz-Josefs-Bahnhof am Alsergrund wird neu gestaltet, denn das Projekt Althanquartier wird demnächst umgesetzt – allerdings nicht so, wie es sich Stadt und Bezirk eigentlich gewünscht hätten.

Der Julius-Tandler-Platz vor dem Franz-Josefs-Bahnhof am Alsergrund wird neu gestaltet, denn das Projekt Althanquartier wird demnächst umgesetzt – allerdings nicht so, wie es sich Stadt und Bezirk eigentlich gewünscht hätten.

Ein modernes Bürogebäude mit 38.000 Quadratmeter Nutzfläche, zwei Wohnbauten mit 250 Eigentumswohnungen, ein Hotel, Gastronomie und Geschäfte: So lautet das aktuelle Nutzungskonzept für das Althanquartier. Dabei handelt es sich um die Neugestaltung der Überbauung des Franz-Josefs-Bahnhofs im neunten Bezirk (Alsergrund). Entwickler 6B47 ist in der „finalen Planungsphase“, sagt eine Sprecherin. Man erhofft die Baugenehmigung im Herbst. Baubeginn könnte dann noch dieses Jahr sein.

Dann werden am Ende eines zehnjährigen Nachdenkprozesses am vielfrequentierten Julius-Tandler-Platz Fakten geschaffen, mit denen die Stadt Wien einmal mehr nicht wirklich zufrieden sein kann. Doch der Reihe nach: Der unter anderem von Karl Schwanzer und Harry Glück entworfene Glaspalast wurde 2015 von 6B47 erworben. Die Bank Austria hatte das markante Gebäude zehn Jahre zuvor an ein deutsches Fondshaus veräußert, blieb bis 2018 als Mieter. 6B47 hatte sich davor auch schon das Objekt Nordbergstraße 15 (UZA 4, Universitätszentrum Althanstraße) nordöstlich des Bahnhofs gesichert und strebte eine Gesamtentwicklung an.

Bis März 2017 wurde an einem städtebaulichen Leitbild gearbeitet. Es sah eine Hochhausentwicklung mit Höhen bis 126 Meter im Nordteil vor, außerdem die Schaffung eines Hochparks auf der Überplattung der ÖBB-Gleise.

Gegen die Hochhäuser formierte sich Widerstand unter Anrainern, aber auch im Bezirk. Die Bezirksvertretung lehnte die von der MA 21 vorgeschlagene Flächenwidmung, die zuvor von der Stadtentwicklungskommission einstimmig angenommen worden war, im Frühjahr 2018 ebenso einstimmig ab.

Terrassenhaus als Sieger

Entwickler 6B47 lobte einen Realisierungswettbewerb aus, dessen Sieger im Juni 2018 präsentiert wurde. Fast alle der insgesamt 30 teilnehmenden Architekturbüros hatten die 126 Meter Höhe ausgenutzt; nicht so die siegreichen Artec Architekten, die ein Terrassenhaus vorschlugen, mit Maximalhöhen von 46 Metern an der Althanstraße und 55 Metern an der Nordbergstraße. Die höheren Gebäudeteile sollten durch die zurückspringenden Terrassen von der Straße aus nicht sichtbar sein. Das Projekt wurde einstimmig zum Sieger erkoren – und wird nun doch so nicht gebaut.

Denn selbst dafür wäre eine Umwidmung nötig gewesen. Und dafür sollte der Entwickler etwas „hergeben“: Stadt und Bezirk bestanden auf leistbarem Wohnbau, und zwar im Ausmaß der Hälfte des gesamten neu entstehenden Wohnraums von rund 60.000 m² Nutzfläche.

Im Dezember 2019 sprang der Entwickler ab, gab eine Bebauung innerhalb der bestehenden Widmung bekannt – ohne Sozialwohnungen, ohne Hochpark und mit nur 44 Meter Höhe am höchsten Punkt.

Der Kopfbau am Julius-Tandler-Platz wird nun bloß „entfrachtet“, also bis auf das Stahlbetonskelett zurückgebaut, und dann innerhalb der bestehenden Kubatur zum Bürogebäude namens „Francis“ umgestaltet. Der Bürotrakt an der Nordbergstraße 13, in dem einst die IT der Bank Austria residierte, wird abgerissen, ebenso das Gebäude an der Nordbergstraße 9. Dort werden zwei Wohnhäuser mit insgesamt rund 250 Eigentumswohnungen errichtet. Diese Projekte heißen „Joseph“ und „Sophie“. Und an der Althanstraße wird ein Vier-Sterne-Hotel als Konferenz- und Businesshotel errichtet.

„Entwickler eingebunden“

Also nix mit leistbarem Wohnen, was Bezirksvorsteherin Saya Ahmad (SPÖ) sehr bedauert. Das Leitbild sei gemeinsam mit dem Entwickler erarbeitet worden, also schon ein Kompromiss gewesen, sagt sie heute kopfschüttelnd dazu. „Unser Zugang war: Wenn die Vorgaben dieses Leitbilds eingehalten werden, dann gibt es die höhere Widmung.“

Immerhin darf sie nun bald mit einem neuen, größeren Bahnhofsvorplatz rechnen, denn die derzeit abgesperrte Freitreppe wird abgerissen. „Aufenthaltsqualität schaffen für die Menschen, die hier leben, mit Beschattung und Begrünung“, wünscht sich Ahmad hier nun.

6B47 wird auch den Zugangsbereich zum Bahnhof neu gestalten. Die ÖBB werden ihrerseits die Gleishalle modernisieren und alles barrierefrei zugänglich machen, außerdem werden direkte Ausgänge zu Nordberg- und Althanstraße errichtet, womit ein öffentlicher Durchgang entsteht. Diese Arbeiten werden laut einem ÖBB-Sprecher im Herbst 2021 starten und insgesamt rund 18 Millionen Euro kosten.

Bleibt noch die Frage, wie attraktiv es überhaupt sein kann, über den Bahngleisen zu wohnen. 6B47 hat in der Nordbergstraße 15 (der ehemaligen Postdirektion) im Jahr 2018 den Althanpark mit 237 Eigentumswohnungen fertiggestellt. Ein paar davon sind noch verfügbar, ebenso Gewerbeflächen. Die Züge verkehren teilweise direkt unter den Wohnungen, was man doch einigermaßen gut hören können soll. Bezirksvorsteherin Ahmad ist das auch schon zu Ohren gekommen.

Der Standard, Fr., 2020.08.14

03. Dezember 2019Martin Putschögl
Der Standard

Heumarkt ist offiziell „baureif“

Der am Montag erfolgte Formalakt der Bauplatzschaffung ruft die Wiener Opposition auf den Plan. Sie befürchtet, dass der umstrittene Bau am Heumarkt nicht mehr zu verhindern ist. Martin Putschögl

Der am Montag erfolgte Formalakt der Bauplatzschaffung ruft die Wiener Opposition auf den Plan. Sie befürchtet, dass der umstrittene Bau am Heumarkt nicht mehr zu verhindern ist. Martin Putschögl

Rund 60 Quadratmeter der Liegenschaft Ecke Lothringerstraße/Johannesgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk werden an die Stadt Wien abgegeben, im Gegenzug erwirbt ein privater Entwickler 82 Quadratmeter von der Stadt. Den Preis dafür hat ein Gutachter festgelegt. Beschlossen wurde dieser Vorgang am Montag vom Wohnbauausschuss des Wiener Gemeinderats mit den Stimmen von SPÖ und Grünen. Bauplatzschaffung heißt der Vorgang im Fachjargon, dabei wird eine Liegenschaft durch Hinzufügen oder Abzwacken von ein paar wenigen Quadratmetern an den Rändern so umgestaltet, dass sie mit dem aktuellen Flächenwidmungsplan (wieder) übereinstimmt. Ein Formalakt, wie er regelmäßig vorkommt.

Im Vorfeld der jüngsten Ausschusssitzung hat es aber doch Aufregung gegeben. Bei der Liegenschaft handelt es sich nämlich um das mittlerweile wohl weltbekannte Heumarkt-Areal, und der Entwickler ist die Wertinvest von Investor Michael Tojner.

Umstrittene Türme

Die Opposition schlug deshalb Alarm. Dem Gesamtprojekt werde damit ein weiteres Puzzleteil hinzugefügt. Und das Gesamtprojekt heißt bekanntlich: Abriss des Hotels Intercontinental, Neubebauung des Areals, auf dem sich auch der Eislaufplatz des Wiener Eislaufvereins befindet, mit zwei neuen Hochhäusern, eines davon ein 68 Meter hoher Wohnturm mit Luxusresidenzen. Weitere Punkte regelt ein städtebaulicher Vertrag, der zwischen der Stadt und dem Entwickler abgeschlossen wurde.

Der Preis für die 82 Quadratmeter liegt bei 516.600 Euro bzw. 6300 Euro pro Quadratmeter Grundfläche. Es handelt sich dabei um Flächen beim derzeitigen Haupteingang zum Eislaufplatz.

Beschlossen wurde das alles mit den Stimmen der rot-grünen Rathausmehrheit im Ausschuss. Die Opposition hatte erfolglos versucht, den Beschluss zu verhindern. Denn schließlich hatte sogar Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) höchstselbst im März eine zweijährige „Nachdenkpause“ in Sachen Heumarkt verordnet. Für ÖVP-Klubobfrau und Planungssprecherin Elisabeth Olischar wäre das nun die Chance gewesen, diese Nachdenkpause auch einzuhalten. Denn wenn das Projekt wie geplant umgesetzt werde, drohe Wien die Aberkennung des Unesco-Welterbe-Status. Das hatte die Unesco unmissverständlich klargemacht. Auch die Wiener FPÖ sieht deshalb im jüngsten Beschluss einen neuerlichen „Anschlag auf Wiens Weltkulturerbe“, und die Neos wollen das ganze Flächenwidmungsverfahren nochmals neu aufrollen, denn da seien wichtige Dinge schlicht nicht berücksichtigt worden – wie der bedrohte Weltkulturerbe-Status oder auch eine mögliche Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht (UVP-Pflicht) für das Bauvorhaben.

Letzteres sieht auch die EU-Kommission mittlerweile als gegeben an. Sie unterstützt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für das Bauprojekt eine UVP durchzuführen sei, und kritisierte kürzlich in einem Aufforderungsschreiben an die Republik, dass die Grenzwerte für Prüfungen bei Städtebauvorhaben in Österreich zu hoch angesetzt seien.

Tojner kann Bau „erzwingen“

In der Stadtregierung weist man darauf hin, dass es schlicht einen Rechtsanspruch des Entwicklers auf den Formalakt der Bauplatzschaffung gebe. Ein erfahrener Wiener Bauträger erklärt dazu aber auch, dass der einmal beschlossenen Bauplatzschaffung zwingend die Baugenehmigung zu folgen habe. „Wenn der Bauplatz in seinen Grenzen festgelegt ist, gibt’s auch einen Rechtsanspruch auf die Baugenehmigung.“ Diese kann dann, falls die Behörde nicht aktiv wird, eingeklagt werden. Denn die Widmung sei ja längst vorhanden.

Genau so sieht das auch die Opposition, die sich nun die Frage stellt, wie der Bau noch verhindert werden kann. Den Rechtsanspruch betont nicht zuletzt auch Wertinvest-Sprecherin Daniela Enzi. Erst einmal gebe es seitens des Entwicklers aber einen Planungsstopp – ausgerufen im März. Dem Vernehmen nach laufen Gespräche mit der Stadt. Und auch im Gemeinderat wird demnächst nochmals über den Formalakt der Bauplatzschaffung diskutiert werden.

Der Standard, Di., 2019.12.03

04. November 2019Martin Putschögl
Franziska Zoidl
Der Standard

Eine neue Ära im Wiener Wohnbau

15 Jahre war Pause, am Dienstag ist sie zu Ende: Dann werden in Oberlaa die ersten „neuen“ Gemeindewohnungen der Stadt Wien übergeben. Gebaut wird von der Stadt aber nicht mehr selbst. Sie lässt jetzt bauen.

15 Jahre war Pause, am Dienstag ist sie zu Ende: Dann werden in Oberlaa die ersten „neuen“ Gemeindewohnungen der Stadt Wien übergeben. Gebaut wird von der Stadt aber nicht mehr selbst. Sie lässt jetzt bauen.

Wer von der U1-Endstation Oberlaa nach Osten marschiert, steht nach wenigen Minuten vor einer neuen Wohnanlage. Auf den ersten Blick sieht sie nicht wesentlich anders aus als viele andere geförderte Neubauten in Wien. Bei genauerer Betrachtung überrascht an dem in sehr zartem Hellblau gehaltenen Bau aber doch die verspielte Anordnung der Fenster und der Umgang mit den Freiflächen: Balkone bis zum 3. Stock, darüber nur noch Loggien; dies sowie die beiden Einschnitte im vorderen, direkt an der Fontanastraße gelegenen Baukörper verleihen der Anlage den Anschein einer Burg.

Vielleicht ist das kein Zufall. „Arbeiterburgen“ wurden die Wiener Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit oft genannt. Vor 100 Jahren begann ihre – auch international vielbeachtete – Erfolgsgeschichte, die Stadt Wien ließ das heuer ordentlich feiern.

Dass der Erfolgsgeschichte seit 15 Jahren keine neuen Seiten hinzugefügt wurden, blieb dabei unerwähnt. Am 1. Mai 2004 war der bisher letzte Gemeindebau übergeben worden, 74 Einheiten in der Rößlergasse 15 in Liesing. Werner Faymann hatte als Wohnbaustadtrat ab 2000 das Bauprogramm auslaufen lassen, auch sein Nachfolger Michael Ludwig (beide SPÖ) war überzeugt davon, dass es besser sei, mit Geld der Stadt den gemeinnützigen Wohnbau zu unterstützen, als selbst zu bauen. Letzteres sei „unter den jetzigen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen nicht sinnvoll“, sagte Ludwig noch 2014 dem STANDARD. Unter anderem wären für die Stadt als Auftraggeber europaweite Ausschreibungen nötig, die Nachverhandlungen ausschließen würden.

Das innerparteiliche Aufbegehren gegen diese Haltung wurde aber immer größer. 2015 dann der Knalleffekt: Bürgermeister Michael Häupl verkündete im anlaufenden Wiener Wahlkampf, dass wieder Gemeindewohnungen gebaut werden.

Und so wird sein Nachfolger Michael Ludwig nun am Dienstag die ersten „neuen“ Gemeindewohnungen in der Fontanastraße 3, auf der Liegenschaft der ehemaligen AUA-Zentrale, übergeben. Mit ihrer „Neuinterpretation der charakteristischen Wiener Blockrandbebauung“ hatten sich die NMPB Architekten im Wettbewerb durchgesetzt. Mit dem Bau setzt die Stadt der 2014 verstorbenen früheren Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ein Denkmal, ihr Name steht bereits in großen Lettern an der südseitigen Fassade. Darunter befindet sich die Beifügung „Wohnhaus der Gemeinde Wien, errichtet in den Jahren 2018–2019“. Auch diese Tradition der früheren Gemeindebauten wird hier also fortgesetzt.

Anders als bisher ist die Stadt aber nicht mehr direkte Eigentümerin der Wohnungen, sondern indirekt über eine Tochter- (bzw.: Enkel-)firma des stadteigenen Bauträgers Gesiba (51 Prozent) und der städtischen Gemeindebauverwaltung Wiener Wohnen (49 Prozent). Diese „Wiener Gemeindewohnungs Baugesellschaft“, kurz Wigeba, ist Bauherrin und Vermieterin, hat aber laut Firmenbuch keine eigenen Mitarbeiter. Operativ wickelte die Gesiba den Bau ab und verwaltet die Anlage auch.

Keine Eigenmittel, keine Kaution

Vermietet wird von Wiener Wohnen, als Inhaber eines „Wiener Wohn-Tickets“ (siehe Kasten) konnte man sich für eine der 120 Wohnungen bewerben. Die Miete ist bei 7,50 Euro brutto pro Quadratmeter gedeckelt, das war eine der Vorgaben der Stadt. Zu diesem Preis werden sie nun auch vergeben, versichert man bei Wiener Wohnen. Außerdem müssen Mieter keine Eigenmittel aufbringen, keine Kaution, und sie bekommen einen unbefristeten Mietvertrag.

Obwohl mehrheitliche Tochter des gemeinnützigen Bauträgers Gesiba, ist die Wigeba selbst keine gemeinnützige Gesellschaft. Rechtlich betrachtet handelt es sich bei den „neuen“ Gemeindewohnungen also um einen geförderten Wohnbau eines gewerblichen Bauträgers (die Stadt förderte mit 6,7 Millionen Euro). Die Wohnungen unterliegen damit nicht dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG), sondern „nur“ dem Mietrechtsgesetz (MRG) in der Teilanwendung (weil es ein Neubau ist).

Selbst Vertreter der Gemeinnützigen konstatieren der Stadt mit der komplizierten Konstruktion aber einen „pragmatischen Zugang“. Denn dass die Stadt, so wie früher, eine eigene Bauabteilung in Form eines „Riesenapparats“ aufbaut, hätte viel zu lange gedauert. So aber verfüge die Gemeinde mit der Wigeba über das jahrzehntelange Know-how der Gesiba und habe gleichzeitig ihren Einfluss auf die neuen Wohnbauten sichergestellt.

Die Bruttomiete von 7,50 Euro ist damit aber rein rechtlich betrachtet nur bis zum Ablauf der Förderung verpflichtend (meist nach 30 Jahren), danach wäre ein „angemessener“ Mietzins zulässig, also de facto Marktmiete. Ein Hinweis darauf findet sich auch im Muster-Mietvertrag der Wigeba.

Das heißt: Wie bei allen Nachkriegs-Gemeindebauten hängt es vom „Goodwill“ der amtierenden Stadtregierung ab, zu welchen Konditionen die Wohnungen vergeben werden. „Eine künftige Regierung könnte das jederzeit ändern“, darauf weist etwa AK-Wohnrechtsexperte Walter Rosifka hin. Wäre die Wigeba eine gemeinnützige Gesellschaft, wäre das ausgeschlossen.

Und auf noch etwas weist Rosifka hin: „Sämtliche ältere Gemeindewohnungen sind bei aktueller Neuvermietung teurer als die Fontanastraße.“ Seit 2012 vergibt die Stadt Gemeindewohnungen nämlich zum Wiener Richtwert von (aktuell) 5,81 Euro, mit Betriebskosten und Umsatzsteuer komme man jedenfalls auf rund 8,50 Euro.

Der Fontanastraße sollen aber ohnehin zahlreiche weitere „neue“ Gemeindebauten folgen, nämlich rund 3700. Bis die nächsten fertig werden, wird es aber dauern. In der Engerthstraße steht man kurz vor Baubeginn, es folgen Projekte in der Seestadt Aspern und am Handelskai.

Der Standard, Mo., 2019.11.04

21. September 2019Martin Putschögl
Der Standard

Neuer Typ für die Eigenheimsiedlung

Die Wien-Süd-Gruppe versucht sich in Theresienfeld an einer Alternative zum Einfamilienhaus. Für eine Umsetzung über das Pilotprojekt hinaus müssen sich aber Wohnbauförderung und Raumordnung ändern.

Die Wien-Süd-Gruppe versucht sich in Theresienfeld an einer Alternative zum Einfamilienhaus. Für eine Umsetzung über das Pilotprojekt hinaus müssen sich aber Wohnbauförderung und Raumordnung ändern.

Vier Viertelhäuser mit Garten, darüber zwei Dachgeschoßwohnungen: Schlicht und ergreifend „nur das, was die Leute wollen“, baue man hier, inmitten von Einfamilienhäusern und wenigen kleinen Wohnbauten in der niederösterreichischen Gemeinde Theresienfeld, preist Gerald Batelka vom gemeinnützigen Bauträger Wien Süd. Und das noch dazu in einer – zumindest für den geförderten Wohnbau – „völlig neuen“ Gebäudetypologie. Auf den ersten beiden Etagen befinden sich jeweils vier rund 100 Quadratmeter große Familienwohnungen. Im Dachgeschoß gibt es dann noch zwei je 70 m² große Einheiten mit großzügigen Terrassen.

„Viertel hoch zwei“ heißt das Projekt folglich auch, das Batelka gemeinsam mit dem Wohnbauforscher Wolfgang Amann (IIBW) und weiteren Kooperationspartnern gerade umsetzt. Wien Süd, genauer deren Tochter Arthur Krupp, errichtet es bis zum Frühjahr in der Tonpfeifengasse in Theresienfeld. 28 Wohneinheiten entstehen, allerdings nur zwölf – zwei Bauteile – als „Viertel hoch zwei“.

Was das Konzept so interessant macht, ist zum einen die Teilbarkeit der größeren Familienwohnungen, die als Maisonetten angelegt sind. Deren Bewohner werden bei Bedarf die Wohnfläche im Obergeschoß sozusagen „abzwacken“ und entweder als eigene Wohneinheit innerhalb der Familie (für Kinder) verwenden oder auch an Dritte untervermieten können. Sowohl Nasszellen als auch Wohnungseingangstüren gibt es unten wie oben, und die innenliegenden Stiegen können so umgebaut werden, dass im Obergeschoß ein Abstellraum entsteht.

Wohnungen mit Kaufoption

Mit einer etwaigen Untervermietung darf dann freilich kein großer Gewinn gemacht werden, das verbietet das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz. Eine Untervermietung mit geringem Aufschlag auf die Eigenkosten ist aber möglich. Da die Wohneinheiten mit Kaufoption ausgestattet sind, ist eine völlige rechtliche Trennung der Einheiten nicht vorgesehen, erklärt Batelka. Die spätere Verwendung der Kleinwohnung im ersten Stock als Vorsorgewohnung ist aber denkbar.

Zum anderen hat man hier auch energetisch versucht, aus dem engen Kostenkorsett des geförderten Wohnbaus das Optimum herauszuholen. Gemeinsam mit dem Energieinstitut Vorarlberg wurden 20.000 Varianten auf einen Lebenszyklus von 50 Jahren durchgerechnet. Heraus kam eine Gebäudehülle in Passivhausqualität, allerdings ohne kontrollierte Wohnraumlüftung. Gebaut wird mit 25 Zentimeter starken Ytong-Ziegeln, gedämmt wird – darauf ist Batelka weniger stolz – mit 20 cm dickem Vollwärmeschutz aus Styropor. Die bei 1650 Euro gedeckelten förderbaren Baukosten in der Wohnbauförderung hätten hier nichts anderes zugelassen. Generell müsse die niederösterreichische Wohnbauförderung erst für solche Projekte tauglich gemacht werden, meint der Projektleiter. Die 100 m² großen Wohneinheiten, die man als leistbare und wesentlich nachhaltigere Alternative zum Einfamilienhaus sieht, zählen förderrechtlich zum mehrgeschoßigen Wohnbau, weshalb nur 80 m² förderbar sind. Batelka wünscht sich eine Gleichbehandlung mit Reihenhäusern. Und auch in der Raumordnung brauche es Änderungen, um das Konzept zu „skalieren“, also im großen Rahmen umzusetzen.

Sehr viele Stellplätze nötig

Wünschenswert wäre das durchaus. Der Flächenverbrauch ist wesentlich geringer als bei vier bis sechs Einfamilienhäusern, und die Kombination aus Bauteilaktivierung, Photovoltaik, zentraler Luftwärmepumpe und dezentralen Mikrowärmepumpen wird auch dafür sorgen, dass die späteren Bewohner nicht mehr als 60 Euro für Energie im Monat zahlen müssen, versprechen Amann und Batelka – und zwar inklusive Haushaltsstrom.

Die Häuser haben keine Lifte und sind nicht unterkellert, weshalb die 2,1 Stellplätze pro Wohnung, die ein Gemeinderatsbeschluss vorsieht, im Freien entstehen müssen. Bürgermeisterin Ingrid Klauninger signalisiert hier aber Gesprächsbereitschaft. Ein Abtausch gegen Bäume auf dem Areal scheint möglich.

Der Standard, Sa., 2019.09.21

14. September 2019Martin Putschögl
Der Standard

Wer hoch oben wohnen will, hat immer mehr Auswahl

Danube Flats, Triiiple, Marina Tower, The Marks: Gleich vier mehr als 100 Meter hohe Wohnprojekte sind derzeit in Wien in Bau. Es werden noch ein paar folgen. Und auch in Linz tut sich in puncto Wohntürmen etwas.

Danube Flats, Triiiple, Marina Tower, The Marks: Gleich vier mehr als 100 Meter hohe Wohnprojekte sind derzeit in Wien in Bau. Es werden noch ein paar folgen. Und auch in Linz tut sich in puncto Wohntürmen etwas.

Seit einigen Wochen ist in der Modecenterstraße im 3. Wiener Bezirk auf einem ehemaligen Parkplatz Bautätigkeit zu beobachten, in zwei Wochen gibt es den offiziellen Spatenstich: Dann ist es quasi amtlich, dass die drei Türme des „The Marks“-Projekts in die Höhe wachsen. Vier Bauträger werden dann gemeinschaftlich an dem Hochhaus-Ensemble bauen, was insbesondere natürlich für das Sockelbauwerk mit u. a. Geschäften und Lokalen zutrifft, auf das die Türme aufgesetzt werden. Die Türme selbst werden dann von Buwog, ÖSW, Neues Leben und WBV-GPA errichtet, wobei sich die beiden Letztgenannten einen Turm „teilen“.

Die Hochhäuser am Erdberger Mais werden freifinanziert errichtet, die Bauträger verpflichteten sich per städtebaulichem Vertrag aber dazu, die Hälfte der Wohnungen zu „leistbaren“ Konditionen anzubieten (konkret: zu den Bedingungen der Wiener Wohnbauinitiative). Die Planungen basierten auf dem Siegerprojekt eines Realisierungswettbewerbs von StudioVlayStreeruwitz gemeinsam mit den zweit- und drittplatzierten Büros Rüdiger Lainer + Partner und BEHF Architekten.

Die Buwog, die soeben den SeeSee Tower in der Seestadt fertiggestellt hat (von den 105 freifinanzierten Mietwohnungen ist aktuell rund ein Viertel vermietet), baut aber auch anderswo in Wien schon wieder an einem Wohnturm. Bei der U2-Station Donaumarina ist vom Marina Tower schon ein bisschen was zu sehen, die Fertigstellung ist für Anfang 2022 geplant. Von den rund 500 Wohnungen sind derzeit etwa 25 Prozent reserviert, teilt die Buwog auf Anfrage mit. Den Vertrieb machen Buwog und Projektpartner IES Immobilien selbst. Eine 54 m² große Wohnung mit zwei Zimmern im 25. Stock kommt beispielsweise auf 388.000 Euro.

Und ein halbes Dutzend weitere Wohntürme sind in Wien ebenfalls in Bau. Am Donaukanal im 3. Bezirk errichten Soravia Group und ARE das Hochhaus-Trio Triiiple, von dem ein Turm allerdings Apartments für Kurzzeitwohnen beherbergen wird und damit streng betrachtet ein Gewerbeturm ist. In den anderen beiden entstehen Eigentumswohnungen.

Und Soravia arbeitet im 22. Bezirk bei der Reichsbrücke (gemeinsam mit S+B) seit Monaten auch schon an Österreichs höchstem Wohnturm, nämlich den Danube Flats. Sie entstehen direkt vor dem von Harry Seidler geplanten Hochhaus Neue Donau, das mit 150 Metern derzeit noch als höchstes Wiener Wohngebäude gilt. Die Danube Flats werden es nach Fertigstellung mit fast 160 Metern um einige Meter überragen. Der Vertrieb der Wohnungen war für Sommer 2019 angekündigt, wird nun aber erst gegen Jahresende starten, heißt es vonseiten der Soravia Group.

Und die ARE hat in Kagran (hier gemeinsam mit Signa) das Projekt Vienna TwentyTwo in Bau, wo der kleinere von zwei Türmen (110 m) ein reiner Wohnturm wird und im größeren (155 m) Wohnungen und Büros entstehen.

Weitere Wohntürme in Wien werden folgen, unter anderem am Nordbahnhof-Areal und im Viertel Zwei. Dort wird einer der beiden geplanten 90- bzw. 120-Meter-Bauten ein Wohnturm.

Und auch in Linz tut sich seit einigen Jahren etwas. In Urfahr ragen schon ein paar Stockwerke des 98 Meter hohen Bruckner Towers aus der Erde. 54 m² im 25. Stock gibt es hier für Eigennutzer um 314.000 Euro. Entwickler ist die City Wohnbau Letzbor GmbH, die auch schon den Lux Tower beim Hauptbahnhof baute.

Der Standard, Sa., 2019.09.14

16. August 2019Martin Putschögl
Der Standard

Die Mär von den fehlenden Wohnungen in Wien

Entgegen den Aussagen von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprechen Fachleute davon, dass es in Wien inzwischen genug Wohnungen gebe. Was eigentlich fehle, seien günstige Angebote im geförderten Wohnbau.

Entgegen den Aussagen von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprechen Fachleute davon, dass es in Wien inzwischen genug Wohnungen gebe. Was eigentlich fehle, seien günstige Angebote im geförderten Wohnbau.

Wir brauchen mehr Angebot“, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Montag im ORF-Sommergespräch zum Wohnbau. „Wenn wir mehr Angebot haben, dann sinken auch die Preise“, so die Neo-Chefin mit eindringlichem Blick. „Massiv“ müsse man das Angebot ausweiten.

Wird aber wirklich zu wenig gebaut in Österreich, speziell in Wien, von dem im Sommergespräch meist die Rede war? Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Laut den aktuellen Wohnbaustatistiken ist es vielmehr so, dass in der Bundeshauptstadt in der gesamten Zweiten Republik überhaupt noch nie so viel gebaut wurde wie derzeit. Meinl-Reisingers Forderung nach „mehr Angebot“ würden deshalb wohl viele baustellenlärmgeplagte Bewohner insbesondere der Wiener Flächenbezirke als gefährliche Drohung auffassen. Mehr zu bauen ist dort nämlich gelinde gesagt kaum vorstellbar. Wohnbauforscher Wolfgang Amann warnte vor einem Jahr vor einer Überhitzung der Baukonjunktur, und seither ist es kaum besser geworden.

Das ist ganz leicht mit Zahlen zu belegen: Laut Statistik Austria machten die Baubewilligungen in Wien 2017 einen Riesensprung von rund 15.700 (2016) auf fast 23.000 Wohneinheiten, davon knapp 22.000 im mehrgeschoßigen Segment. 2018 ging die Zahl zwar wieder auf 15.000 zurück – doch die meisten Bewilligungen des Boomjahres 2017 werden ja erst heuer und in den nächsten Jahren fertig. Zum Vergleich: 2015 gab es in Wien Baubewilligungen für „nur“ 10.760 Wohneinheiten.

Nicht nur der Wohnbauforscher Amann, sondern auch zahlreiche weitere professionelle Beobachter gehen davon aus, dass es langsam genug ist. Was das Bevölkerungswachstum betrifft, so hat sich dieses nach den überaus starken Zuwanderungsjahren 2015 und 2016 mit jeweils deutlich mehr als 20.000 Menschen wieder deutlich abgeschwächt. 2018 betrug das Bevölkerungsplus wieder weniger als 10.000 Personen in Wien, mit diesem Niveau wird auch für heuer gerechnet. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von zwei Personen wären das also 5000 benötigte neue Wohnungen heuer. Laut dem Dienstleister EHL wurden aber schon im ersten Halbjahr 2019 in Wien rund 6000 Wohneinheiten fertiggestellt.

„In Wien nähern wir uns dem Punkt, wo wir genug Wohnungen haben“, sagt deshalb auch Michael Pisecky, Chef des Maklerunternehmens s Real und Obmann der Wiener Immobilientreuhänder. Nachsatz: Genug Wohnungen, ja – „aber nicht von denen, die gesucht werden“. Soll heißen: Im höher- bis hochpreisigen Segment ist der Plafond wohl erreicht. Nicht aber im „leistbaren“ Segment. Dazu gehört der geförderte Wohnbau, für den seit Jahren immer weniger Geld zur Verfügung steht.

Welche Anreize?

Weil damit der freifinanzierte gewerbliche Wohnbau in den vergangenen Jahren einen deutlichen Überhang bekam, müssen viele Mieter nun tief in die Tasche greifen. Im boomenden freifinanzierten Mietwohnbau kosten Zwei-Zimmer-Wohnungen mit rund 50 m² schon mehr als 800 Euro. Gesucht werden aber hauptsächlich Wohnungen bis maximal 700 Euro Gesamtmiete. Immobilienprofis wissen deshalb, dass es die günstigen Wohnungen im Altbausegment gibt. Eine 50-m²-Altbauwohnung in einem Gründerzeitviertel darf auch bei einer Neuvermietung im Regelfall höchstens rund 500 Euro kosten, inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer. Und je länger man schon in einer Altbauwohnung wohnt, desto weniger zahlt man pro Quadratmeter – das belegen auch die Zahlen der Statistik Austria in schöner Regelmäßigkeit.

Darauf wies auch Meinl-Reisinger im Sommergespräch hin. Und häufig hätten diese Leute dann auch mehr Wohnraum zur Verfügung, als sie eigentlich benötigen würden – weil sie nach einem Todesfall oder einer Trennung allein leben oder weil die Kinder schon ausgezogen sind. In solchen Situationen müsste es Anreize zum Übersiedeln geben, sagte die Neos-Chefin, denn diesen Wohnraum würden Jungfamilien eher brauchen.

Welche das sein sollten (Barrierefreiheit?), führte sie aber nicht aus. Warum das nicht wirklich funktionieren wird, ahnt sie wohl selbst: Denn die Frage sei, ob man etwas Vergleichbares angeboten bekomme – das dann aber billiger sein müsste als die alte Wohnung.

Teilweise gemacht wird das schon im geförderten Wohnbau. Dort gibt es immer wieder Tauschangebote, innerhalb einzelner Wohnbauten oder – wie etwa bei Wiener Wohnen, also in den Wiener Gemeindebauten – auch bezirksübergreifend. Und dort ist es auch finanziell fast immer eine Verbesserung, wenn man von einer größeren in eine kleinere Wohnung übersiedelt. Auch dort ist aber oft die Motivation, in eine kleinere Wohnung umzuziehen, wenn man sich die größere noch gut leisten kann, nicht vorhanden.

Der Standard, Fr., 2019.08.16

13. Juni 2019Martin Putschögl
Der Standard

Hochgarage als sozialer Treffpunkt

Seit einem Jahr ist in der Seestadt Aspern der erste „Raum für Nachbarschaft“ in Betrieb, einige weitere sollen folgen. Auch das „Nachbarschaftsbudget“ soll Initiativen in der Seestadt fördern.

Seit einem Jahr ist in der Seestadt Aspern der erste „Raum für Nachbarschaft“ in Betrieb, einige weitere sollen folgen. Auch das „Nachbarschaftsbudget“ soll Initiativen in der Seestadt fördern.

Einen alten Flugzeughangar hätte man gerne gehabt. Den hätte man zum urbanen Zentrum umgestalten können, zum Raum für Veranstaltungen aller Art, meint Alexander Kopecek, einer der Vorstände der Entwicklungsgesellschaft der Seestadt Aspern.

Hangar war auf dem alten Flugfeld in Wien-Donaustadt aber keiner mehr vorhanden, als kurz nach der Jahrtausendwende die Planungen für die Entwicklung der Seestadt begannen. Auch nicht irgendein anderes Bestandsgebäude. Der alte Asperner Flughafen, 1912 eröffnet, wurde 1977 aufgelassen, das Flughafengebäude und der Kontrollturm wurden kurz danach abgebrochen. An ihrer Stelle wurde Anfang der 1980er-Jahre das General-Motors-Werk errichtet.

Was also tun? „Wir wussten, dass wir so etwas brauchen“, so Kopecek. „So etwas“, damit meint er nutzungsoffene Räume, die „flexibel und vielfältig bespielbar“ sein und so dem langsam in der Seestadt einziehenden Leben ermöglichen sollten, sich zu entfalten. Kurz: „Soziale Treffpunkte“ in der Nachbarschaft waren gefragt.

Kopecek und seine damalige Vorstandskollegin Claudia Nutz hatten dann die Idee, sogenannte „Impulsräume“ in den Hochgaragen vorzusehen. Dabei setzt man auf eine Win-win-Situation: Die Errichter bauen die Stellplätze nicht im Untergrund, sondern nach oben, ersparen sich dadurch erhebliche Kosten, die der Tiefbau in der Seestadt mit dem dortigen hohen Grundwasserspiegel mit sich gebracht hätte. „Im Gegenzug müssen sie uns Räume im Erdgeschoß günstig zur Verfügung stellen.“ Günstig, das heißt: nur zu den Betriebskosten. Ein großer Ausbau ist nicht nötig, die Entwicklungsgesellschaft übernimmt die Räume im Edelrohbau.

Keine kommerzielle Nutzung

Der erste „Raum für Nachbarschaft“ ging im vergangenen Sommer in Betrieb. Initiativen und Vereine aus der Seestadt können sich in diesen Räumen seither kostenlos einmieten. Allerdings gilt es dabei etwas zu beachten: Kommerziell ausgerichtete Nutzungen sind untersagt, ebenso dürfe niemand ausgegrenzt werden. Und als Grundprinzip gilt ferner: „Alle Vereine und Initiativen, die diese Räume nutzen, müssen auch irgendetwas für die Nachbarschaft, für die Gemeinschaft machen“, erklärt Kopecek.

Die Nutzer verpflichten sich zur Einhaltung der Vorgaben, indem sie eine Nutzungsvereinbarung unterschreiben müssen, sagt Pia-Maria Sengelin vom Stadtteilmanagement. Und natürlich beobachte man auch selbst aktiv, was sich in den Räumen abspielt. Abgelehnt wurde laut Sengelin bisher aber ohnehin noch niemand.

Ein Blick in den Online-Kalender des Raums zeigt, dass er tatsächlich recht häufig genutzt wird. Beispielsweise bietet der Verein „Selbermacherei“ hier ein „offenes Werken“ an, am Sonntagvormittag auch für Kinder. Ein „Sprachcafé“ nutzt den Raum ebenso regelmäßig wie ein Square-Dance-Club, der Verein Kultur.vernetzt.Seestadt, ein Kräuterstammtisch und ein paar weitere Initiativen.

Verwaltet wird der Raum derzeit noch vom Stadtteilmanagement (in dem es übrigens ebenfalls einen Raum für Treffen von Vereinen gibt). Laut Sengelin soll er später aber einmal von den Initiativen selbstverwaltet werden. Wann das passieren wird, steht noch nicht fest.

Ganz friktionsfrei lief die bisherige Nutzung des Raumes übrigens auch nicht ab. Veranstaltungen mit Kleinkindern in einem Raum, in dem regelmäßig auch Tischlerarbeiten stattfinden, sind für viele Eltern nicht gerade der Inbegriff eines entspannten Nachmittags. Laut Sengelin wird das nun so gelöst, dass der Selbermacher-Verein einen eigenen Raum als Lagerfläche bekommt.

Rund ein Dutzend weiterer solcher „Räume für Nachbarschaft“ sind in weiteren Hochgaragen in der Seestadt jedenfalls noch geplant, sagt Kopecek. Einen sogar noch etwas größeren Veranstaltungsraum für das Stadtteilmanagement wird es zudem im Gebäude mit den „neuen“ Gemeindewohnungen geben, an dem Gesiba und Wiener Wohnen demnächst zu bauen beginnen.

Temporäre Räume gab es allerdings auch schon vor dem Einzug der ersten Bewohner, nämlich die „Fabrik“ und das „Flederhaus“. Beide haben mittlerweile ihren Standort innerhalb der Seestadt gewechselt und befinden sich nun unweit der U2-Endstation.

Geld für Ideen

Um Initiativen für die Nachbarschaft in der Seestadt zu fördern, gibt es außerdem heuer bereits zum zweiten Mal das „Nachbarschaftsbudget“, das konkret aus einem mit 3000 Euro dotierten Fördertopf besteht. Bei der Erstauflage 2018 wurden 21 Ideen eingereicht und 14 gefördert. Darunter befanden sich beispielsweise ein chinesischer Kulturabend, das Erntedankfest eines Gemeinschaftsgartens, zwei Ausstellungen im Gemeinschaftsraum „Yella! Yella!“ oder der Verein „Seestadt Piraten“ für Eltern mit Kindern von null bis sieben Jahren.

Der Standard, Do., 2019.06.13

23. Februar 2019Martin Putschögl
Der Standard

HoHo Wien füllt sich langsam mit Mietern

Ein neues Fitnesskonzept, eine Bäckereifiliale und der Bauherr, die Kerbler Holding, werden ab Juni die ersten Mieter im Holz-Hybrid-Hochhaus in der Seestadt Aspern sein. Mit dem Betonkern hat man die endgültige Höhe von 84 Metern erreicht, sechs Geschoße fehlen noch.

Ein neues Fitnesskonzept, eine Bäckereifiliale und der Bauherr, die Kerbler Holding, werden ab Juni die ersten Mieter im Holz-Hybrid-Hochhaus in der Seestadt Aspern sein. Mit dem Betonkern hat man die endgültige Höhe von 84 Metern erreicht, sechs Geschoße fehlen noch.

Der Tag der offiziellen Eröffnung ist bereits bekannt, er ist im kommenden Juni. Dann werden im HoHo Wien in der Seestadt Aspern die ersten Mieter einziehen. Allzu viele davon sind vier Monate vor der Fertigstellung und 27 Monate nach Baubeginn des weithin sichtbaren Hochhauses in Holz-Hybrid-Bauweise direkt bei der U2-Endstation Seestadt aber noch nicht bekannt.

Konkret nannte Bauherrin Caroline Palfy, Geschäftsführerin des Entwicklers Cetus Baudevelopment Gmbh (einem Unternehmen der Kerbler Holding), bei einem Pressegespräch am vergangenen Dienstag drei erste Mieter. Einer davon ist die Kerbler Holding selbst, die mit knapp 40 Mitarbeitern die Innere Stadt verlassen und sich in einem Stockwerk im HoHo ansiedeln wird.

Der zweite bekanntgegebene Mieter ist ein neuartiges Fitnesscenter-Konzept namens Gate 9 Health Club. Es wurde von den beiden Schweizern Robel Tesfai und Alessandro Palermo entwickelt und will kein reiner Fitnesstempel sein, sondern hat die „ganzheitliche Gesundheitsförderung“ im Blick, inklusive Ernährung und mentale Fitness. „Holistic Health – Not Just Fitness“, diesem Motto folgt das Konzept, mit dem Tesfai und Palermo Entwicklerin Palfy schließlich überzeugen konnten. Sie hat eigenen Angaben zufolge mit sehr vielen Fitnesscenterbetreibern gesprochen, das Konzept der beiden Schweizer habe sie überzeugt. Sie werden sich auf 1500 Quadratmetern in den ersten beiden Regelgeschoßen des HoHo einmieten.

Bäckerei und Coworking

Darunter, im Erdgeschoß, soll im Juni auch eine Bäckereifiliale aufgesperrt werden. Laut Palfy ist man in finalen Gesprächen mit der Firma Ströck.

Fix ist, dass es im Turm-Bauteil des HoHo (es gibt auch ein bereits fertiges Nebengebäude namens „HoHo Next“) Coworking-Flächen geben wird, und zwar im Ausmaß von ein bis zwei ganzen Geschoßen (mit jeweils knapp 900 m²).

Neues über den Betreiber des geplanten Hotels (9. bis 17. Obergeschoß) bzw. der darüber befindlichen Serviced Apartments (18. bis 22. Obergeschoß) wurde bei dem Medientermin nicht verraten. Palfy versicherte auf Nachfrage des STANDARD lediglich, dass es intensive Verhandlungen gebe. Der Hotelbetreiber sollte idealerweise auch das im Erdgeschoß vorgesehene Restaurant bespielen.

Baustellenlogistik machte Probleme

Etwas mehr als drei Monate ist man mit dem Bau in Verzug, laut der Bauherrin sind die Gründe dafür hauptsächlich in baustellenlogistischen Abläufen zu suchen. Der Betonkern, der die Stiegenhäuser und Aufzugsschächte beinhaltet, sei extrem schmal, was die Bauarbeiter vor Probleme stellte. Einen dritten Baukran habe man wegen der U-Bahn-Nähe nicht aufstellen können, und das „Einhängen“ der vorgefertigten Holzelemente in den Betonkern sei in den vergangenen Winterwochen nur verzögert vonstattengegangen. Vier Tage benötige man pro Stockwerk; „wenn man damit witterungsbedingt aber nicht spätestens am Dienstag anfangen kann, ist die Arbeitswoche auch schon wieder vorbei“. Die restlichen sechs Geschoße werde man nun aber hoffentlich zügig anbringen können, gab sich Palfy optimistisch.

Der schon seit fast einem Jahr fertige Bauteil „HoHo Next“, in dem im März 2018 ein Musterbüro eingerichtet wurde, stellt die Entwickler auch bei der Vermietung vor Herausforderungen. Man wartet derzeit nämlich noch, ob sich nicht noch ein Großmieter für sämtliche 4250 Quadratmeter an Büroflächen findet. Falls der bis Herbst nicht auftaucht, wird man die Stockwerke einzeln vermieten, Interessenten gebe es genug, so Palfy.

Sie selbst wird voraussichtlich im siebenten Stock des HoHo ihr neues Büro beziehen. „Wir sind vom Standort Seestadt überzeugt, wollen ihn mit unserem eigenen Einzug hier weiter unterstützen“.

„Viele werden mir nicht glauben, dass ich die Innenstadt verlasse und in die Peripherie Wiens ziehe“, wird auch Investor Günter Kerbler, der über die K 5 Privatstiftung 75 Prozent an der Cetus Baudevelopment Gmbh hält (die restlichen 25 Prozent gehören Palfy), in einer Pressemitteilung zitiert. Ab und zu solle aber „ein Perspektivenwechsel nicht schaden“.

Der Standard, Sa., 2019.02.23



verknüpfte Bauwerke
HoHo Wien

15. Mai 2018Martin Putschögl
Der Standard

Erste „temporäre“ Wohnungen in Wien werden übergeben

241 Wohneinheiten auf einem Betriebsbaugebiet in Floridsdorf sind fertig. Bauherr Kallinger rechnet mit einer Umwidmung auf Wohnen nach spätestens 15 Jahren

241 Wohneinheiten auf einem Betriebsbaugebiet in Floridsdorf sind fertig. Bauherr Kallinger rechnet mit einer Umwidmung auf Wohnen nach spätestens 15 Jahren

Baukosten von 1.200 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche – davon können viele Wiener Bauträger nur träumen. Winfried Kallinger hat in der Siemensstraße 142 in Wien-Floridsdorf zu diesem Quadratmeterpreis eine Wohnanlage mit 241 Wohneinheiten errichtet. Es handelt sich dabei um das größere der beiden Projekte, die im Rahmen eines „Sofortprogramms“ der Stadt Wien initiiert wurden. Gesucht wurden Lösungen für mobile und temporäre Wohneinheiten, die auf für Gewerbe gewidmeten Grundstücken rasch realisiert werden konnten. Das Programm war kein großer Renner, insgesamt wurden nur zwei Projekte gestartet (DER STANDARD berichtete).

Kallinger, einst Sprecher der Bauträger in der Wirtschaftskammer, hat sich mit seinem „Slim Building“-Verfahren mit dem als Gewerbegebiet (Betriebsbaugebiet) ausgewiesenen Areal in der Siemensstraße beworben und bekam den Zuschlag. In nicht einmal eineinhalb Jahren wurde die Anlage mit einer gesamten Wohnfläche von 11.624 Quadratmetern (dazu kommen noch einige Flächen für Gewerbe oder Beratungseinrichtungen) errichtet. Die Stadt förderte das Vorhaben mit 7,2 Millionen Euro in Form eines günstigen Darlehens, das nach 15 Jahren vollständig zurückgezahlt werden muss, erklärt Kallinger dem STANDARD. Insgesamt kostete das Projekt 16,1 Millionen Euro.

Caritas und „Obdach Wien“ im Boot

Die Vergabe der Wohnungen, viele davon sehr klein gehalten, läuft seit kurzem. Zwei Drittel der Einheiten werden über das Wohnservice Wien vergeben, die restlichen rund 80 von den Organisationen „Obdach Wien“ (einer Einrichtung des Fonds Soziales Wien) und der Caritas. Für Letztere stehen hier einige Mutter-Kind-Wohneinheiten sowie Wohneinheiten für ältere Behinderte zur Verfügung.

Die Wohnungen kosten brutto 8,30 Euro pro Quadratmeter im Monat, inklusive der Hausbetriebskosten (Strom und Heizung sind extra zu zahlen), einer Möbelmiete von 0,80 Euro je Quadratmeter (fast alle Wohnungen sind möbliert) und dem Bauzins. Bei dem Projekt handelt es sich nämlich um eine Baurechtskonstruktion: Grundeigentümerin ist die Kallinger Bauträger GmbH, Errichterin und Eigentümerin des Gebäudes ist die Kallinger Grundverkehrs GmbH. Das Baurecht wurde zunächst auf etwas mehr als 15 Jahre abgeschlossen, also im Wesentlichen für die Laufzeit der Förderung.

Die temporär gewährte Wohn-Widmung läuft allerdings nur zehn Jahre. Findet in diesem Zeitraum keine Umwidmung des Grundstücks auf Wohnnutzung statt, muss Kallinger das gesamte Gebäude zu einem Gewerbeobjekt umbauen – was die Bauweise grundsätzlich ermöglichen sollte: Sämtliche Innenwände sind in Leichtbauweise errichtet (Gipskarton), aus Schallschutzgründen mitunter auch mit mehrschaligen Leichtbauplatten ausgeführt, betont Kallinger. Der Umbau zu einem offenen Raumkonzept ist dadurch kein Problem, und auch die lichte Raumhöhe von 2,80 Metern in den Wohnungen ist auf einen etwaigen Umbau ausgelegt.

Sonderkündigungsgrund „Widmungsablauf“

Kallinger rechnet freilich nicht damit, dass er nochmal umbauen muss. Die Anlage befinde sich eigentlich schon jetzt „in einer reinen Wohngegend“, und er geht davon aus, dass man auch nach zehn Jahren hier noch Wohnungen brauchen werde. Zudem läuft die Förderung, wie erwähnt, über 15 Jahre; dass zumindest auch so lange die Wohnungen bestehen werden, davon geht er aus.

Ob es danach noch ein Wohn- oder bereits ein Gewerbeobjekt sein wird, spielt für Kallinger keine große Rolle, wie er sagt. Nach Ablauf dieser Zeit werde die Immobilie jedenfalls „wirtschaftlich betrachtet auf Null sein“. Denkbar wäre auch ein Umbau auf ein Studentenheim oder ein Hotel; auch dafür bräuchte es aber eine Anpassung der Widmung. „Mit diesen Varianten beschäftigen wir uns derzeit nicht“, so Kallinger.

Die Wohnungen werden übrigens trotz der unsicheren Widmungslage allesamt unbefristet vermietet. In den Mietverträgen ist aber der Widmungsablauf als Sonderkündigungsgrund vermerkt. Eigenmittel sind von den Bewohnern keine zu zahlen.

Keine Parkettböden

Neben der kostensparenden „Slim Building“-Bauweise und dem Verzicht auf Parkettböden (es wurde stattdessen Linoleum) waren die niedrigen Baukosten auch dem Umstand geschuldet, dass keine Tiefgarage errichtet wurde. Die nötigen Stellplätze hat man im Freien bzw. in den Erdgeschoßzonen untergebracht; „wir haben aber auch auf einige Stellplätze verzichtet und dafür die vorgeschriebene Ablöse gezahlt“, so Kallinger.

Geheizt wird mit Fernwärme, die Fenster sind aus lasiertem Holz, und trotz des Vorhandenseins von Waschküchen wurde auch jede Wohnung mit Waschmaschinenanschluss versehen. Jede Wohnung hat eine Freifläche, meist in Form von Balkonen (leider in einer an Wohnbauten der 60er- und 70er-Jahre erinnernden Wellblech-Optik), die von einem außenliegenden Stahlgerüst getragen werden. Gedämmt werden die insgesamt zwei Bauteile nicht mit Styropor, sondern mit Mineralwolle – was dem Projekt dann auch eine Klimaaktiv-Auszeichnung in Gold eingebracht hat.

Der Standard, Di., 2018.05.15



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SIE - Nutzungsneutrales Bauen in der Siemensstraße

14. Oktober 2017Martin Putschögl
Der Standard

Turmbau zu Wien: Der Systembruch als Prinzip

Ließe sich der Bau von Hochhäusern besser planen, als man das in Wien tut? Ja, lautet die kaum überraschende Conclusio einer Fachdebatte der Architektenkammer zu diesem Thema. Fachlichen Input holte man sich aus Zürich, manch Rüffel galt aber auch den Planern selbst.

Ließe sich der Bau von Hochhäusern besser planen, als man das in Wien tut? Ja, lautet die kaum überraschende Conclusio einer Fachdebatte der Architektenkammer zu diesem Thema. Fachlichen Input holte man sich aus Zürich, manch Rüffel galt aber auch den Planern selbst.

In Wien gibt es schon jetzt rund 250 Hochhäuser mit Höhen von mehr als 36 Metern. Einige Dutzend, vielleicht sogar an die hundert, wären noch möglich beziehungsweise sind bereits in Bau, Widmung oder Planung – sowohl Wohn- als auch Gewerbetürme (Büros, Hotels).

Eine städteplanerische Debatte darüber findet laut Christoph Mayrhofer, Vorsitzender der Sektion Architekten in der Architektenkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland, aber nicht statt. „Stell dir vor, Wien wird Frankfurt und keiner merkt es“, begann Mayrhofer etwas provokant sein Eingangsstatement der jüngsten Fachdebatte der Kammer mit dem Titel „Strategien der Verdichtung. Ist das Hochhaus die Antwort?“.

Bodenpolitik nicht vorhanden

Für Reinhard Seiß stellt sich die Frage allerdings gar nicht – oder zumindest nicht in der Form. Um mit dem starken Zuzug fertigzuwerden, bräuchte Wien nämlich jedenfalls keine Hochhäuser, ist sich Seiß, studierter Stadtplaner und als solcher heute vielbeachteter Vortragender und Publizist, einigermaßen sicher. Er verwies auf krasse Unterschiede in der Bebauungsdichte mancher Gegenden der Stadt, etwa am Wienerberg, wo sich neben Wohntürmen eine Kleingartensiedlung „mit jeweils 500 Quadratmeter Grund für zwei Bewohner“ befinde. Dass viele dieser Kleingartenareale, die früher meist nur von der Stadt gepachtet waren, unter der Ära eines Wohnbaustadtrats Faymann an die Nutzer verkauft wurden, ist für Seiß ohnehin eine der größten Katastrophen der „nicht vorhandenen“ Wiener Bodenpolitik.

Dabei hätte die Stadt Wien eben genau aus dem Grund, dass sie – jedenfalls seiner Ansicht nach – gar keine Hochhäuser bräuchte, im Umgang mit potenziellen Turmbauherren eine sehr gute Verhandlungsbasis. Sie könnte also die Bedingungen diktieren. Dass sie das nicht bzw. viel zu selten tut, wurde nicht nur in Seiß’ Ausführungen (nachzulesen auch in seinem uneingeschränkt empfehlenswerten Buch Wer baut Wien? ) klar, sondern auch in manchem Statement aus dem Publikum der Fachdebatte. Viel zu leicht sei es Entwicklern in der Stadt möglich, umgekehrt dieser ihren Willen aufzuzwingen, mit dem Argument, dass man eine bestimmte Höhe brauche, um mit den Kosten durchzukommen. Dass sich manche Entwicklung also anders nicht rechnen würde.

Auch der Stadtforscher Rudolf Kohoutek, der mit Mayrhofer, Seiß und dem Schweizer Architekten Patrick Gmür das Podium der Fachdebatte im ORF-Radiokulturhaus bildete, unterstützte diese Ansicht. „Wien hat immer gleich die Panik, dass Investoren abspringen, sobald man ihnen klare Regeln gibt.“ Spätere Abänderungen von einmal beschlossenen Bebauungsplänen, wie etwa beim DC Tower passiert, seien zwar nicht per se schlecht, bedürften aber besserer Argumente.

Kohoutek gab zu, dass er den von Dominique Perrault geplanten DC Tower auf der Donauplatte ebenso wie den Sofitel-Turm von Jean Nouvel am Donaukanal zumindest ästhetisch für gelungen erachtet. Für Seiß änderte das nichts daran, dass man „mit neuen Bürotürmen nur Büroleerstand“ produziere.

Der Schweizer Gmür gab Einblicke, wie der Turmbau in Zürich abläuft. Seine Ausführungen ließen manche Wiener im Publikum neidisch werden: zwingende Architekturwettbewerbe, transparente Mehrwertabschöpfung im Falle von Aufzonungen (also wenn höher gewidmet wird) von mindestens 20 Prozent (in Zürich wünscht man sich sogar 50 Prozent, eine Debatte darüber findet aktuell statt) und generell eine Verwaltung, die nicht unhinterfragt umsetzt, was die Politik ihr vorschreibt. Die Politik denke nämlich grundsätzlich „nur in Legislaturperioden“, da sei eine starke Stadtverwaltung sehr wichtig, betonte Gmür.

„Urbane Anreicherung“

In Wien experimentiert man seit 2014 mit städtebaulichen Verträgen; klare Vorgaben, wie viel Prozent vom Mehrwert durch die Aufzonung abgeführt werden müssen, fehlen aber bzw. sind rechtlich nicht möglich. Ebenso vage sind für Seiß die Vorgaben aus dem „Fachkonzept Hochhäuser“, das ebenfalls 2014 überarbeitet wurde. Hochhäuser sind darin nämlich auch innerhalb der sogenannten konsolidierten Stadt, also etwa im Gründerzeitviertel, als „punktuelle Schwerpunktsetzungen“, als „das Umfeld belebende Systembrüche“ oder auch als „urbane Anreicherung“ vielerorts möglich, zählte Seiß ein paar der dort zu findenden Formulierungen auf. So sei die Wiener Hochhausplanung „plan- und konzeptlos“, und sie folge einer „standörtlichen Beliebigkeit“. Auch für Architekt Mayrhofer macht das Hochhauskonzept zwar durchaus diverse Vorgaben zu Prozessabläufen, „bleibt aber bezüglich Standorten völlig unverbindlich“.

Was könnte man nun also besser machen in Wien oder vielleicht sogar lernen von Zürich?

„Je höher gebaut werden soll, desto strenger müssen die Bedingungen sein“, umriss Gmür ein in der Schweiz geltendes Dogma. Vor allem aber müssten sich auch die Architekten mehr engagieren, so Gmür. Und auch Mayrhofer nahm seine Zunft in die Pflicht: „Wir haben sehr gute Planer in der Stadt. Wenn wir vereint auftreten, haben wir gute Chancen, dass die Stadtplanung besser wird.“

Ob das Hochhaus freilich ob der höheren Kosten von zumindest zehn bis 15 Prozent gegenüber einem Wohngebäude einer niedrigeren Bauklasse jemals mehr sein kann als ein Minderheitenprogramm für finanziell Bessergestellte, ist fraglich. Gesichtslose Schlafstädte aus „Wohnsilos“, wie man sie vor allem aus Osteuropa kennt, will niemand haben. Vom anderen Extrem, einer klugen, umsichtigen, transparenten Hochhausplanung, ist Wien aus Sicht der Planer aber auch weit entfernt.

Die nächste Fachdebatte der Reihe „Stadt finden“ der Architektenkammer findet am 13. November statt.

Der Standard, Sa., 2017.10.14

09. September 2017Martin Putschögl
Der Standard

Städtebauliche Verträge: „Sinnvolles Instrument“

In Wien werden seit drei Jahren städtebauliche Verträge mit Entwicklern geschlossen. der Standard lud drei Expertinnen und Experten zum Gespräch über erste Erfahrungen mit dem relativ neuen Instrument – und was aus ihrer Sicht vonseiten der Politik noch nötig ist.

In Wien werden seit drei Jahren städtebauliche Verträge mit Entwicklern geschlossen. der Standard lud drei Expertinnen und Experten zum Gespräch über erste Erfahrungen mit dem relativ neuen Instrument – und was aus ihrer Sicht vonseiten der Politik noch nötig ist.

Gemeinden haben die Möglichkeit, zur Erreichung ihrer Raumordnungsziele mit Immobilienentwicklern privatrechtliche Vereinbarungen zu schließen. Diese sogenannte „Vertragsraumordnung“ gibt es in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich lange; Salzburg war vor 25 Jahren Vorreiter (dort gab es allerdings dann ein folgenschweres Urteil des Verfassungsgerichtshofs, der die Regelungen als verfassungswidrig erkannte), die Steiermark folgte beispielsweise erst 2010. In Graz hat man mittlerweile aber eine gewisse Routine mit dem Abschluss städtebaulicher Verträge entwickelt (siehe dazu auch Artikel auf der rechten Seite) .

In der Bundeshauptstadt Wien, für Developer und Immo-Investoren bei weitem die attraktivste Stadt Österreichs, wurde erst mit der Bauordnungsnovelle im Juli 2014 die Möglichkeit für städtebauliche Verträge geschaffen. Immerhin wurden seither auch hier etwa ein Dutzend Verträge verhandelt, eine Handvoll davon auch bereits abgeschlossen. Die bekanntesten davon sind jene für die Großprojekte „Danube Flats“ und „Triiiple“ sowie das umstrittene Heumarkt-Projekt.

„Katalog“ dringend gesucht

Generell sei man in Wien diesbezüglich aber noch klar in einer „Lernphase“, so der Tenor mehrerer Expertinnen und Experten, die der Standard zu einem Gespräch über städtebauliche Verträge bat. „Jetzt gibt’s das Modell gerade einmal drei Jahre. Das Werkzeug ist ein sehr sinnvolles, und es wird sicher eine Best Practice entwickelt werden. Das ist im Fluss“, meint etwa Michael Hecht, Rechtsanwalt bei fwp Fellner Wratzfeld & Partner, der an der Erstellung fast aller bisher in Wien abgeschlossenen städtebaulichen Verträge maßgeblich beteiligt war.

Dass die Volksanwaltschaft Anfang Juni die städtebaulichen Verträge bei den Danube Flats und beim Heumarkt-Projekt als „Gefälligkeitswidmungen für Investoren“ kritisiert hatte, stößt bei ihm auf ziemliches Unverständnis. „Alleine der Umstand, wie lange schon an diesen Danube Flats gewerkt wird, wie lange diese Projekthistorie geht, ist das beste Indiz dafür, dass das nicht der Fall war“, so der Anwalt. „Das kann man schon rein empirisch messen. Auch die Intensität der Vertragsverhandlungen belegt, dass es nicht so war.“

Hecht räumt ein, dass gerade im urbanen Raum die Bebauungsbestimmungen oft „hochgradig“ auf ein Projekt zugeschnitten seien. Er sieht darin aber auch „nichts Böses. Es gibt EU-rechtliche Bestimmungen, etwa im Bereich der strategischen Umweltprüfung, die das geradezu gebieten.“

Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung (ÖIR) hält die Danube Flats, den von S+B und Soravia geplanten 150-Meter-Turm am Standort des ehemaligen Cineplexx Reichsbrücke, sogar „für die Sanierung eines städtebaulichen Missstands: Man hat dort ein Kinomonster stehen, das vor sich hin bröckelt. Die Frage ist, wie ich einen Investor finde, der mir dort etwas Sinnvolles hinbaut.“

Ob das nicht auch mit weniger Stockwerken gegangen wäre, sei eine andere Frage. „Es hätte ja auch die Stadt das Risiko übernehmen können oder die Wirtschaftsagentur und selbst was daraus machen können.“

Raumplanerin und Entwicklerin Evelyn Susanne Ernst-Kirchmayr erinnert daran, dass sich Entwickler für ihre Chancen- und Risikoanalysen „insbesondere auch schon im Vorfeld von Ankaufsbewertungen“ einen bestimmten Katalog an potenziellen Maßnahmen „samt Kosten- und Zeitrahmen“ wünschen würden. Dass ein solcher gerade erarbeitet oder sogar in Kürze vorliegen wird, können die Experten freilich nicht bestätigen.

„Derzeit schwirren Dimensionen von zehn Millionen für Infrastrukturbeiträge durch diverse Medien“, sagt Ernst-Kirchmayr. In etwa diese Summe mussten die Entwickler bei den Danube Flats und bei Triiiple jeweils für Infrastruktur bereitstellen.

Daraus würden professionelle Beobachter nun schließen, dass dies die Messlatte für alle weiteren städtebaulichen Verträge wäre. Worum es sich bei diesen zehn Millionen Euro aber eigentlich handle, sei oft nicht klar.

„Tatsächlich beruhen die zu den bisher abgeschlossenen Verträgen kolportierten „Beträge“ auf Sicherstellungen“, erklärt Anwalt Hecht; meist in Form von Bankgarantien. „Es wird also nicht etwa geregelt, dass ein privater Entwickler eine Summe von X zahlen muss, sondern da werden Überplattungen, Fahrradwege etc. vereinbart.“

Die Zahlen, die in die Verträge Eingang fanden, würden also ganz überwiegend „auf einer gemeinsamen Vorstellung darüber beruhen, was die vorgesehenen Infrastrukturbeiträge sind und wie viel sie in etwa kosten“.

„Veröffentlichung wäre gut“

Die bisher mit der Stadt Wien abgeschlossenen städtebaulichen Verträge wurden meist nicht veröffentlicht, mit Ausnahme des Vertrags für das umstrittene Heumarkt-Projekt. Wurde damit aber nicht eine „Büchse der Pandora“ geöffnet, ist die Stadt nun nicht mehr oder weniger gezwungen, auch die weiteren Verträge zu veröffentlichen?

„Rechtlich nein“, sagt Hecht. „Politisch kann ich das nicht beurteilen. In den bisherigen Verträgen steht jedenfalls, dass beide Seiten in die Veröffentlichung einwilligen müssen.“

„Aus Sicht der Öffentlichkeit wäre eine Veröffentlichung gut“, meint dazu aber Schremmer. „Einerseits wegen der Vergleichbarkeit für die Entwickler, aber auch, weil die Öffentlichkeit ein Anrecht darauf hat, zu erfahren, ob es fair zuging oder ob es erhebliche Vergünstigungen gab.“

Hecht lehnt die Veröffentlichung nicht grundsätzlich ab, ist aber der Meinung, dass Verträge „prinzipiell die etwas angehen, die sie abschließen“. Mit zunehmender Transparenz würden nämlich auch „Einfallstore“ für Streitigkeiten durch Dritte entstehen, „die das durch alle möglichen Überlegungen heraus zum Spielball machen“.

Auch Hecht sieht es jedenfalls als eine ganz wesentliche Aufgabe der öffentlichen Hand an, einen „nachvollziehbaren, berechenbaren“ Katalog an Maßnahmen zu schaffen – unabhängig davon, ob man das Ergebnis dann öffentlich mache oder nicht, denn das seien zwei verschiedene Dinge.

Ernst-Kirchmayr schlägt – nicht zuletzt im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Bauwerber – die Entwicklung eines vordefinierten Prozederes, eines „Wiener Modells“, vor und plädiert dafür, dass städtebauliche Verträge inhaltlich jedenfalls so gestaltet sein müssen, dass sie für Entwickler verschiedene Szenarien ermöglichen, „insbesondere auch in der Spätphase der baulichen Umsetzung“. Denn Entwickler müssten auf Veränderungen am Nachfragemarkt adäquat und rasch reagieren können – auch wenn die Vertragsverhandlungen bereits Jahre her sind.

Hecht weist darauf hin, dass ein Bewertungskatalog außerdem nicht nur dem Investor mehr Planbarkeit verschaffen, sondern auch für die öffentliche Hand eine Argumentation liefern würde, dass sie das Richtige getan hat. Denn derzeit könne niemand sagen, ob nicht auch die Hälfte oder gar das Doppelte des Vereinbarten gerechtfertigt gewesen wäre, wenn sich die Stadt mit Entwicklern auf bestimmte Leistungen einigt.

„Es gibt keinen Maßstab, deshalb weiß die Stadt derzeit selber nicht, ob sie gut verhandelt hat“, bringt es Schremmer auf den Punkt.

Konkretere Vorgaben

Einig sind sich die Experten auch darin, dass es nähere Bestimmungen für einen bestimmten Bauplatz brauchte. „Je konkreter die Vorgaben im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, desto unangefochtener der Gleichheitsgrundsatz und desto kalkulierbarer und definierter die Projektideen“, sagt Ernst-Kirchmayr. Auch Schremmer ist der Meinung, dass die näheren Bebauungsbestimmungen zu ergänzen wären – etwa um infrastrukturelle Voraussetzungen, aber auch was den Mix betrifft, also etwa den Anteil des leistbaren Wohnbaus.

Die Wiener Bauordnung sei eben leider ein „End-of-Pipe-Instrument“, pflichtet Hecht bei: Am Anfang stünden vage, nicht rechtsverbindliche Instrumente wie der Stadtentwicklungs- plan (STEP) oder städtebauliche Leitbilder, rechtsverbindlich ist erst der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, am Schluss die Baugenehmigung im Gemeinderat – es fehle aber eine viel frü- her zu gebende „verbindliche Zwischenstufe zur Projektdefinition“, und das würden viele kritisieren.

„Bauträger und Investoren hätten gerne mehr und viel früher gewusst. Das ist auch in der Fachdiskussion der Raumplanung eine jahrzehntelange Kritik, dass das Wiener Instrumentarium keine Zwischenstufe hat.“ Ein potenzielles Instrument sei das schon erwähnte städtebauliche Leitbild, das fallweise auch angewandt werde, so Schremmer, aber zu wenig normiert sei.

Eine Widmungs- bzw. „Mehrwertabschöpfungsabgabe“, wie es sie in der Schweiz gibt, halten die Experten in Österreich nicht für durchführbar – unter anderem aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ernst-Kirchmayr führt beispielsweise an, dass z. B. im Kanton Aargau der geschätzte Mehrwert schon vor der Aufzonung (Umwidmung, Anm.) einer Liegenschaft festgelegt werden muss, dieser auch bei unbebautem Verkauf zu entrichten ist und auch die Aufteilung der Beträge an Kanton und Gemeinde im jeweiligen kantonalen Richtplan geregelt ist.

In der Schweiz können Beiträge an Gemeinden im Gegensatz zu den kantonalen Zahlungen aber auch in Form von Sachleistungen, etwa Infrastrukturmaßnahmen, erbracht werden. „Das wird bewertet und dann auf den Betrag angerechnet. Ein durchaus diffiziles System.“

Im österreichischen System sei dafür kein Platz, meint Hecht. „Schon deshalb nicht, weil Werterhöhungen von Immobilien mit anderen Steuern belegt sind. Aber vor allem, weil unser Rechtssystem auf eine solche Vorgangsweise nicht zugeschnitten ist. Wir haben einen verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsschutz, und da trifft Nutzen bzw. Risiko und somit Werterhöhung oder -reduktion grundsätzlich den Eigentümer.“

Schremmer plädiert für „maßgeschneiderte Lösungen“, denn die Projekte und auch deren Auswirkungen seien eben sehr unterschiedlich. „Um sie gerecht behandeln zu können, muss man sehr unterschiedliche Auflagen geben. Der Katalog ist eine Richtschnur, was man in ein Bewertungsverfahren hereinnehmen muss: Was sind ausgelöste Folgekosten, ist das gravierend, oder ist das zu vernachlässigen? Ist das ein Projekt, das gewaltigen Mehrwert erwirtschaften wird?“

„Gemeinnützige ausnehmen“

Der geförderte Wohnbau könne jedenfalls keinen solchen Mehrwert generieren, deshalb müsse es für ihn zwingend Ausnahmen geben, so der Raumplanungsexperte weiter. „Wenn man in Wien in Zukunft noch gemeinnützigen Wohnbau haben will, kann man nicht zusätzlich zu den dort schon existierenden Kostenrahmen auch noch Aufgaben im Rahmen der städtebaulichen Verträge verordnen. Die kommen mit den Kosten haarscharf durch. Da kann man nix abschöpfen – denn sonst bringt man den geförderten Wohnbau um.“

Der Standard, Sa., 2017.09.09

09. September 2017Martin Putschögl
Der Standard

Reininghaus ist nicht Smart City

Graz wendet zwei unterschiedliche Modelle an

Graz wendet zwei unterschiedliche Modelle an

Städtebauliche Verträge mit Investoren werden auch in Graz mittlerweile regelmäßig abgeschlossen. Grundlage dafür ist dort ein seit 2010 existierender Passus im steirischen Raumordnungsgesetz. Seit mehreren Jahren wende man diese Möglichkeit nun an, sagt Stadtbaudirektor Bertram Werle zum Standard .

Rund zehn Verträge seien bisher abgeschlossen worden, konkret bei den großen Entwicklungen Reininghaus und Smart City. Bei diesen Projekten würden nämlich die Rahmenbedingungen passen, sagt Werle: flächenmäßig sehr große ehemalige Gewerbegebiete, relativ zentral gelegen und punkto öffentlichen Verkehrs schon versorgt bzw. gut ausbaubar. Außerdem wolle man möglichst wenige Ansprechpartner haben, was bei beiden Projekten – zumindest zu Beginn der Entwicklungen – zugetroffen habe.

Die Stadt Graz wende im Zuge von städtebaulichen Verträgen grundsätzlich zwei Modelle an, erklärt Werle. Beim Smart-City-Projekt habe man mit den Entwicklern direkt vereinbart, welche Infrastruktur sie erbringen und nach Fertigstellung an die Stadt übertragen müssen. Da sei es auch vorgekommen, dass ein Teil des Baulands wieder in Grünland rückgewidmet und in einen Park umgestaltet wurde. „So etwas kann der Projektwerber gut einpreisen, er weiß also genau, was auf ihn zukommt.“

Bei Reininghaus habe man ein anderes Modell angewendet, denn dieses Areal sei einerseits deutlich größer als die Smart City, andererseits gebe es dort mehrere Eigentümer, die zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten bauen. „Das ergäbe einen Fleckerlteppich, das funktioniert nicht.“ Deshalb wurden dort Infrastrukturkostenbeiträge verlangt.

„Wir setzen uns also mit den Investoren und Entwicklern an einen Tisch und handeln aus, wie wir die Voraussetzungen für die Umwidmung erfüllen können.“ Dabei gebe es einen „roten Faden“ an Themen, die abgehandelt werden: Mobilität, soziale Infrastruktur, Grünräume, öffentlicher Raum, samt Kunst im öffentlichen Raum.

Beim Thema öffentlicher Verkehr sei der Stadt etwa sehr wichtig, dass die künftigen Wohnungsbesitzer einen etwa gleich langen Weg zur Straßenbahn wie zum Tiefgaragenplatz bewältigen müssen. „Außerdem sollten sie beim Eingang ihres Wohnhauses überdachte Fahrradabstellplätze vorfinden. Das alles kostet Geld.“

„Nur Bruchteil der Kosten“

Ohnehin könnten die Beiträge der Entwickler nur einen Bruchteil dessen abdecken, was die Stadt in die Hand nehmen müsse, sagt Werle. Er spricht von rund 15 Prozent der Infrastrukturkosten, die beim Projekt Reininghaus von privater Seite erbracht wurden.

Ganz alleine wolle und könne die Stadt das aber jedenfalls nicht leisten. Von einer „Wunschliste der Stadt“ zu sprechen, dagegen verwahrt sich der Stadtbaudirektor allerdings entschieden. „Das sind gutachterlich ermittelte Auflagen, die raumordnungsrechtlich notwendig sind, damit die Widmung überhaupt funktionieren kann.“ Dank einer begleitenden Studie wisse man mittlerweile relativ genau darüber Bescheid, welche Aufwertung ein Areal durch eine Umwidmung per Gemeinderatsbeschluss erfahre, so Werle. „Dieser Aufwertungsgewinn soll dann maßvoll teilweise investiert werden.“

Veröffentlicht werden die Verträge auch in Graz nicht. „Nein, denn das sind zivilrecht- liche Verträge zwischen Bauträger und Stadt, für Themen, die sich hoheitsrechtlich nicht regeln lassen.“

Der Standard, Sa., 2017.09.09

06. September 2011Martin Putschögl
Der Standard

„Lobby“ für den Wohnbau formiert sich

Initiative „Umwelt + Bauen“ stellt Experten-Beirat vor - „Masterminds“ Muchitsch, Amann, Czerny: „Wohnkosten dürfen nicht zum Risiko werden“

Initiative „Umwelt + Bauen“ stellt Experten-Beirat vor - „Masterminds“ Muchitsch, Amann, Czerny: „Wohnkosten dürfen nicht zum Risiko werden“

Der soziale Wohnbau in Österreich ist ernsthaft bedroht - weil durch die verringerten Wohnbaufördermitteln in den Bundesländern zuwenige neue Wohnungen gebaut werden. 2010 wurden um 23 Prozent weniger geförderte Wohnungen zugesichert (=baubewilligt) als im Jahr davor, was einen Rückgang von 33.000 auf 26.000 Wohneinheiten bedeutete. Für heuer erwartet der Bau-Holz-Gewerkschafter und SPÖ-Nationalratsabgeordnete Josef Muchitsch einen weiteren Rückgang um 15 bis 20 Prozent.

Muchitsch ist auch Sprecher der im Vorjahr gegründeten Initiative „Umwelt + Bauen“, die sich als überparteiliche Plattform versteht und für die Sicherstellung des „leistbaren Wohnens“ in Österreich kämpft. Dieses sei nämlich ein Grundbedürfnis der Menschen und sei von entsprechender Bedeutung für den sozialen Zusammenhalt in diesem Land.

Wider das „Trantscherlgeld“

Mit dem laufenden Finanzausgleich (seit 2009) wurde die Zweckwidmung der Wohnbaufördergelder aufgehoben; die Bundesländer müssen das unter diesem Verwendungszweck vom Bund überwiesene Geld also nicht mehr zwingend in den Wohnbau stecken („Trantscherlgeld“ nannte Muchitsch kürzlich in einer Aussendung die Mittel, die anderweitig verwendet wurden und werden). Die Verhandlungen für den nächsten Finanzausgleich ab 2014 beginnen schon bald, und Ziel der Plattform ist es, sich dafür zu „rüsten“ - mit Zahlenmaterial, vor allem aber mit einem akkordierten Auftritt, was die Forderungen gegenüber der Politik betrifft. „Es gilt, jetzt schon Lobbying zu machen, damit sich nicht Wissenschafter und andere Experten widersprechen“, so Muchitsch.

Die Initiative stellte am Dienstag dazu einen 24-köpfigen wissenschaftlichen Beirat vor, dem unter anderen Ökonomen und Wohnbauforscher sowie Vertreter der gemeinnützigen Bauvereinigungen angehören. Schon am heutigen Dienstag findet die bereits dritte Sitzung des Beirats statt, und zwar im Parlament mit anschließender Führung durch Präsidentin Barbara Prammer. Geleitet wird der Beirat von Margarete Czerny, Bauexpertin an der Donau-Uni Krems (siehe dazu auch Interview vom 17. August).

„57 Prozent der Österreicher in geförderten Wohnungen“

Wohnbauforscher Wolfgang Amann, der dem Beirat ebenfalls angehört, hielt fest, dass es eine der besten Strategien gegen künftige Wirtschaftskrisen sei, „die Leistbarkeit des Wohnens sicherzustellen“. Österreich sei mit durchschnittlichen Wohnkosten von 22,4 Prozent der Konsumausgaben eines Haushalts international noch gut dran (der EU-Schnitt liegt bei 22,9 Prozent), doch es habe zuletzt eine besonders starke Zunahme gegeben. „Wir müssen aufpassen, dass Österreich den strategischen Vorteil moderater Wohnkosten nicht verspielt.“

57 Prozent der heimischen Bevölkerung von rund 8,4 Millionen Menschen wohne in Wohneinheiten, die gefördert errichtet wurden; die Wohnbauförderung sei deshalb die wichtigste Säule für leistbare Wohnversorgung in Österreich, so Muchitsch. Die Rückgänge im geförderten Wohnbau müssen zunehmend vom frei finanzierten Wohnbau ausgeglichen werden, so der SPÖ-Abgeordnete und Gewerkschafter - „und unser Ziel ist es, dass diese Schere zwischen dem frei finanzierten und dem geförderten Wohnbau nicht noch weiter aufgeht“. Dies auch den politisch Verantwortlichen zu vermitteln, hat sich die Initiative ebenfalls auf ihre Fahnen geheftet.

Der Standard, Di., 2011.09.06

09. Juni 2010Martin Putschögl
Der Standard

IG Architektur hat neues Zuhause

Neue Räumlichkeiten in der Gumpendorfer Straße werden dieser Tage eröffnet

Neue Räumlichkeiten in der Gumpendorfer Straße werden dieser Tage eröffnet

Begonnen hat alles mit einer Mailingliste. Ab 2001 vernetzten sich damit junge, kritische, österreichische Architekturschaffende übers Internet. Schon ein Jahr später wurde die IG Architektur (IGA) dann als Verein eingetragen, erzählt ihr heutiger Sprecher Bruno Sandbichler, der damals „noch gar nicht dabei“ war. Im „Depot“ fand die Gruppe eine erste Heimat, aber nicht für lange: Die Rückkehr zur ohnehin „gut zur Organisation passenden nomadischen Existenzform“ folgte recht bald. Die jungen, mit Architekturpolitik und Standesvertretung unzufriedenen Architektinnen und Architekten trafen sich in diversen Mitglieds-Büros, die Debatten wurden wieder hauptsächlich über die Mailingliste geführt. Die hatte dann schon weit über 1.500 Subskribenten.

Bald war ein fixes Sekretariat wieder regelmäßiges Thema. "Die Frage lautete: Sollen wir uns „verorten“, oder nicht?", berichtet Co-Sprecher Michael Anhammer.

Umzugsoption im eigenen Haus

Man sollte: 2004 wurde ein Büro in der Gumpendorfer Straße Nr. 63B eingerichtet. Nach zwei Jahren begab man sich aber wieder auf die Suche nach geeigneteren Räumlichkeiten, gemeinsam mit anderen Organisationen aus dem Architekturumfeld, zur gemeinsamen Nutzung. „Schließlich blieb die IG Architektur als Einzelgängerin übrig. Durch Zufall fanden wir im eigenen Haus die ersehnte Umzugsoption“, erzählt der organisatorische Leiter, Matthias Finkentey.

In den vergangenen sechs Monaten wurde nun ein ehemaliges Lager und eine Hausmeisterwohnung im Erdgeschoß des Hauses in der Gumpendorfer Straße 63B zu einem 240 Quadratmeter großen, hellen Lokal umgebaut. „Wir zahlen hier eine sehr günstige Miete“, freut sich Finkentey über das Entgegenkommen der Hausbesitzer, „und die Hausverwaltung stimmte dem Umbau auch ohne Probleme zu.“

Finanzierung über Mikrokredite

Finanziert wurde die letztlich 250.000 Euro teure Adaption (inklusive Möbeln und Beleuchtung) äußerst unkonventionell: Die Stadt Wien habe bis jetzt keinen Baukostenzuschuss gewährt, und „von den Banken hätten wir als Verein gar keinen Kredit bekommen“, so Finkentey. Deshalb erging „an Freunde und Mitglieder der Aufruf, den Umbau mit privaten Mikrokrediten bis max. 5.000 Euro und einem Zinssatz von vier Prozent oder zinsfrei zu unterstützen. Der Erfolg war überwältigend“, so Finkentey. Von 28 Privatpersonen seien so 90.000 Euro zusammengekommen, „weitere ca. 130.000 Euro an Geld- und Sachwerten konnten wir von insgesamt 21 Sponsoren lukrieren.“ 30.000 Euro habe man selbst an Eigenmitteln gehabt.

Die Rückzahlung der Mikrokredite soll aus dem laufenden Budget finanziert werden. Dieses beträgt zwischen 100.000 und 120.000 Euro jährlich (30.000 davon stammen vom Kulturministerium) und habe bisher immer Überschüsse produziert, so Finkentey. „Ohne diese Überschüsse wären wir auch gar nicht auf die Idee gekommen, den Umbau in Angriff zu nehmen.“ Maximal zehn Prozent eines Jahresbudgets sollen künftig für die Rückzahlung der Kredite verwendet werden.

Diskussion und Beratung

Offiziell werden die neuen Räumlichkeiten morgen, Donnerstag, eröffnet. In Zukunft sollen hier regelmäßig an Montagen eine Vielzahl an Diskussions- und Vernetzungstreffen stattfinden, es wird aber auch einen Beratungsservice für Auftraggeber von Bauleistungen geben, sowie die Möglichkeit für andere Vereine und Organisationen, die Räume für eigene Veranstaltungen zu mieten. Das Interesse sei bereits sehr groß, nicht zuletzt von Seiten der Bürogemeinschaft mehrerer Kulturorganisationen, der die IG Architektur voraussichtlich noch bis Juli angehört und die sich nur eine Etage über dem neuen Raum befindet.

Bei der IG Architektur freut man sich aber nicht nur darüber, dass alles in letzter Minute fertig geworden ist, sondern auch über die Ergebnisse der jüngsten Kammerwahlen (derStandard.at berichtete). Die IGA trat zum ersten Mal als Liste an, mit Christian Aulinger stellt man einen Vertreter in der Bundessektion. In den Wahlen zur Länderkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland erreichte die IGA auf Anhieb 20,2 Prozent der Stimmen und drei von 15 Mandaten.

„Radikalreform der Kammerstrukturen“

Aulinger war schon in den vergangenen vier Jahren - zwar als „Einzelperson“, aber doch als Vertreter der IGA - Mandatar in der Bundeskammer. „Unsere grundsätzliche kritische und skeptische Haltung zur Kammer hat sich nicht geändert“, so Aulinger am Mittwoch, „wir haben nur eine differenziertere Sichtweise gewonnen. Wir Architekten brauchen zwar eine Berufsvertretung, wie die heißt, sei aber dahingestellt.“ Es sei jedenfalls „eine Radikalreform der Kammerstrukturen“ notwendig.

Der Standard, Mi., 2010.06.09

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