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15. Dezember 2010Kerstin Kuhnekath
zuschnitt

Natürlich wie Holz, kraftvoll wie Stahl

Holz steht für Natürlichkeit, Einfachheit und Freiheit, Stahl für Zivilisation, technischen Fortschritt und Kraft. Bis heute hat sich das Bild gehalten, obwohl beide Rohstoffe immense Veränderungen durchgemacht haben.

Holz steht für Natürlichkeit, Einfachheit und Freiheit, Stahl für Zivilisation, technischen Fortschritt und Kraft. Bis heute hat sich das Bild gehalten, obwohl beide Rohstoffe immense Veränderungen durchgemacht haben.

Der Philosoph Henry David Thoreau zog sich Mitte des 19. Jahrhunderts an den einsamen Waldensee zurück und baute sich eine Holzhütte. Zwei Jahre wollte er in den Wäldern von Massachusetts ein Leben im Einklang mit der Natur erproben. Zivilisation kam dabei nur noch als „ferner Klang einer vorbeifahrenden Eisenbahn“ vor. Eindeutiger als in diesem Bild lassen sich die gegensätzlichen Charakteristika von Holz und Stahl kaum einfangen: Holz steht für Natürlichkeit, Einfachheit und Freiheit, Stahl für Zivilisation, technischen Fortschritt und Kraft. Bis heute hat sich das Bild gehalten, obwohl beide Rohstoffe immense Veränderungen durchgemacht haben.

Den Handwerkern beider Materialien haften nicht weniger festgelegte Attribute an. Dem Schmied wurde als dem „Herrn des Feuers“ magische Bedeutung zugesprochen. Der Tischler galt als besonders kunstfertig und sensibel. Während der Schmied einen Werkstoff bearbeitet, dessen Eigenschaften durch die künstliche Zusammensetzung beeinflussbar sind, muss der Tischler ein Gefühl für die Natürlichkeit eines lebendigen Rohstoffes entwickeln und lernen, ihn zu domestizieren. Im Mittelalter avancierte das Tischlerhandwerk zur Kunst – streng organisiert in einer Zunft. Qualität und Sorgfalt standen im Vordergrund, man grenzte sich von Zimmerleuten mit ihren gröberen Arbeiten ab. Es entstanden eigene, fein differenzierte Berufszweige: Modell- und Bautischler, Stuhlmacher oder Treppenbauer.

Die Geschichte des Schmiedes liest sich etwas anders. Um ihn kreist seit je ein Mythos, der vom Dämonischen bis zum Göttlichen reicht. Im Mittelalter galt er als Universalhandwerker und genoss eine hohe gesellschaftliche Stellung. Sein Aufgabenfeld ging weit über das Schmieden hinaus, er hatte zum Beispiel das Recht, Asyl zu gewähren. Selbstverständlich fanden auch hier Differenzierungen statt zwischen dem Grobschmied, dem Hufschmied oder dem Messerschmied. Der Grund dafür lag in der hohen Nachfrage aufgrund der wachsenden Siedlungen, die Spezialisierungen stellten ein hohes Qualitätsniveau sicher. Heute heißt der Schmied etwas nüchtern Metallbauer der Fachrichtung Gestaltung, viele Spezialisierungen gelten quasi als ausgestorben. Dennoch vermag ein jüngst im Magazin der Süddeutschen Zeitung porträtierter Messerschmied noch die Stärke und den sprichwörtlichen „eisernen Willen“ in Wort und Bild auszudrücken: „Ich hasse Kompromisse!“, lautet sein Motto und das Foto zeigt ihn mit schwerer Schürze vor offener Flamme, neben ihm seine Werkzeuge – Hammer, Amboss, Wasserschleifstein.

Holz hat jahrtausendelang neben Stein die Geschichte der Baukonstruktion bestimmt. Doch im Zuge der Industrialisierung haftete ihm plötzlich der Hauch des Altbackenen an. Anfang des 19. Jahrhunderts hielt Eisen Einzug ins Bauwesen. Es eignete sich für die neuen Bahnhofs- und Ausstellungshallen mit ihren großen Spannweiten hervorragend. Das neue Material, der Fortschrittsglaube und die Entfremdung von der Natur drängten den natürlichen Werkstoff zurück. Zunächst dienten Holz-Konstruktionen allerdings noch als Vorbild. Die Kuppel der Halle au Blé in Paris, die Jacques-Guillaume Legrand und Jacques Molinos 1783 aus hölzernen Rippen entwickelt hatten und damit ganze 41 Meter überspannten – das vermochte bis dahin nur Stein –, brannte 1802 nieder und wurde von Francois-Joseph Bélanger und Francois Brunet durch eine gusseiserne Konstruktion ersetzt, die sich im Wesentlichen an den Konstruktionsprinzipien der alten Holzkuppel orientierte. Eisentragwerke und Konstruktionsdetails sprachen aber bald eine eigene Sprache. Neue Berechnungen ließen Materialquerschnitte fast bis zur Entmaterialisierung schrumpfen. Als Hauptwerk dieser neuen Eleganz ist der Kristallpalast von Joseph Paxton und Charles Fox 1851 zu nennen.

Holz verlor weiter an Bedeutung, als Eisen in so großen Mengen hergestellt werden konnte, dass es zu einem ebenbürtigen Baumaterial wurde. Ab 1900 galt Stahl als der modernste und flexibelste Baustoff. Seine Entwicklung war Grundlage für mehrgeschossige Skelettsysteme heutiger Prägung. Allerdings ist er nicht beliebig form- und bearbeitbar wie Holz und Holzwerkstoffe. Formen und Profile der stabförmigen Baustähle lassen sich an zwei Händen abzählen, und der rechte Winkel spielt die Hauptrolle bei den maßgenauen Einzelgeometrien. Formenfreiheit wurde erst durch Stahlbeton gewonnen, der innerhalb von zwei Jahrzehnten die Wertmaßstäbe beim Skelettbau veränderte. Stahl wurde dabei immer mehr zum dienenden Bestandteil: als Bewehrung in den einzelnen Bauteilen. Das entspricht nicht gerade seinem starken Charakter.

Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit am Holz stand in der Zwischenzeit nicht still. Der konventionelle Holzbau wandelte sich zum Ingenieur-Holzbau. Der stabförmige Baustoff wurde zum flächigen weiterentwickelt. Die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten vergrößerte sich.

Fest aber steht, dass keine Weiterentwicklung je so revolutionär sein kann, dass sich die grundlegenden Charakteristika der Werkstoffe Holz und Stahl ändern werden. Beide haben ihre eigene Logik, ihre eigenen Einsatzbereiche. Sie stehen heute gleichberechtigt nebeneinander und können gut miteinander. Vom einsamen Container im Wald wird wohl niemand träumen, vielleicht aber von der idealen Kombination von Natur und Zivilisation.

zuschnitt, Mi., 2010.12.15



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Zuschnitt 40 Holz und Stahl

14. Dezember 2009Kerstin Kuhnekath
zuschnitt

Nachhaltig helfen

Hilfsorganisationen operieren weltweit unter der Doktrin »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Spanne reicht von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen...

Hilfsorganisationen operieren weltweit unter der Doktrin »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Spanne reicht von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen...

Hilfsorganisationen operieren weltweit unter der Doktrin »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Spanne reicht von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen über privat organisierte Hilfe bis zu institutionellen Projekten, zum Beispiel von Universitäten. Die Arbeit bewegt sich zwischen wichtiger Soforthilfe bei akuten Katastrophenfällen wie einem Tsunami und baulichen Maßnahmen, die langfristig die Lebensumstände verbessern sollen. »Hilfe zur Selbsthilfe« bedeutet vor allem beim Bauen, die vorhandenen lokalen Ressourcen und Fähigkeiten wertzuschätzen und weiterzuentwickeln, um die Kultur des betreffenden Landes aufzuwerten. Kompetenzen sollten gefördert und Wissen vermittelt werden, damit der Weg in die Unabhängigkeit möglich wird. Wichtig ist auch, dass der heimische Markt nicht durch die Einfuhr von Fremdrohstoffen zerstört wird, sondern nur mit vorhandenen Rohstoffen gebaut wird. Deshalb spielt neben Lehm und Stroh der Werkstoff Holz eine wichtige Rolle.

Auf dem Feld der Hilfsprojekte nahm in den letzten Jahren die studentische Aktivität zu. An der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens gründeten die beiden Studenten Yashar Hanstad und Andreas G. Gjertsen im Jahr 2007 die Organisation tyin tegnestue. Die Gruppe, deren Kern aus fünf Studenten besteht, setzte seitdem vier Projekte in Thailand um. Ihr erstes waren die »Soe Ker Tie Houses« (Schmetterlingshäuser) in dem nahe der thailändisch-myanmarischen Grenze gelegenen Dorf Noh Bo, das größtenteils von Karen-Flüchtlingen bewohnt wird. Der Auftrag, ein Waisenhaus zu erweitern, kam 2008 vom Norweger Ole Jørgen Edna, der dieses zwei Jahre zuvor gegründet hatte. Innerhalb von sechs Monaten entwarf und errichtete tyin tegnestue zusammen mit den Einheimischen sechs kleine Gebäude als Schlafeinheiten und verdoppelte damit die Kapazität des Heimes von 24 auf 50 Wohnplätze. Man habe die Kinder bei den Zeichnungen und Modellen mitarbeiten lassen, erklärt Yashar Hanstad. So weisen Architektur und Bauweise lokale Elemente auf, gemischt mit dem Einfluss der europäischen Helfer. Den Namen »Schmetterlingshäuser« erhielt das Projekt aufgrund der Dachform, die an ein asymmetrisches umgekehrtes Satteldach erinnert, das schräg nach vorne und hinten weit auskragt. Die Form dient der Luftzirkulation und damit der Kühlung im Sommer sowie dem Sammeln des Regenwassers. Um der Bodenfeuchtigkeit zu entgehen, sind die Gebäude aufgeständert, die Lasten werden über Einzelfundamente aus alten Autoreifen in den Boden abgetragen.

Die Häuser sind so angeordnet, dass sie den Kindern soziale und nachbarschaftliche Interaktion ermöglichen, aber auch Räume zum Rückzug bieten.

Die Konstruktion besteht aus Bambus und Tropenholz, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Härte als Iron Wood bezeichnet wird. Aus dem Holz wurden die tragenden Wand- und Deckenelemente vorgefertigt. Die Hauptträger ruhen auf geteilten Stützen, die durch Bolzen miteinander verbunden und fixiert sind. Der Bambus dient der Ausfachung, die in den Seiten- und Rückfassaden in der lokalen Bambus-Webtechnik ausgeführt ist. Während der Bambus nur wenige Kilometer von der Baustelle entfernt günstig geerntet werden konnte, war man bei der Beschaffung des Holzes von der Unabhängigkeitsbewegung Karen National Union abhängig.

Der Einsatz von Bambus hat in der Region eine lange Tradition, seine Bearbeitung stellte für die Bewohner keinerlei Problem dar. Im Gegensatz dazu habe man alle Holzbretter einzeln justieren müssen, da sie krumm und schief zugeschnitten worden seien, erzählt Yashar Hanstad. Deshalb wurde ein Häuschen exemplarisch zusammen mit den Arbeitern gebaut, um zu zeigen, worauf es ankommt. Den Rest bauten die Dorfbewohner alleine, nachdem die tyin-Mitarbeiter bereits abgereist waren.

In Österreich und Deutschland arbeiten Verbände wie die Caritas und andere ngos verstärkt mit Universitäten zusammen. In Österreich wird seit fünf Jahren jährlich ein Projektsemester angeboten, das den Studenten den Anreiz geben soll, eigene Projekte in Südafrika selbst umzusetzen. Für die Logistik sorgt die österreichisch-südafrikanische ngo sarch (social sustainable architecture). Die Kontakte laufen über die Organisation Education Africa. Finanziert wird das Ganze mit Spendengeldern, die Reisekosten tragen die Studenten selbst. Elias Rubin, Lehrbeauftragter an der Kunstuniversität Linz, definiert die Arbeit der Studenten denn auch nicht als Entwicklungshilfe. Es würden zwar Gebäude erstellt, die benötigt würden, aber der Grad der Nachhaltigkeit spiele nicht für alle Beteiligten eine gleich große Rolle. Die Bauaufgabe stehe im Vordergrund und dementsprechend reiche die Spanne »von österreichischen Meisterwerken bis zu nachhaltigen Bauwerken in traditioneller Bauweise«. In den letzten Jahren habe man reichlich Erfahrungen sammeln können, worauf es ankomme. Zum Beispiel werde die Instandhaltung der Ge bäude vermittelt, damit sie nach Abreise der Studenten nicht gleich verfielen. Das Wort Nachhaltigkeit leidet heute daran, dass es ständig und für jeden Zweck genutzt wird. Ob ein Gebäude aber wirklich nachhaltig hilft, zeigt sich erst nach einiger Zeit. Es geht dabei nicht nur um die Materialien und die Baustruktur, sondern auch um Fragen wie: Was braucht der Ort? Wie entwickelt sich die Situation sowohl in politischer und sozialer als auch in geografischer Hinsicht? Wie können sich die Menschen selbst aus Notsituationen heraus helfen? Die sechs Einheiten für das Waisenhaus zum Beispiel funktionieren im bauphysikalischen Sinn einwandfrei: Sie sind trocken und kühl. Aber sie reichen jetzt schon nicht mehr aus. Die Zahl der Dorfbewohner steigt ständig. Wenn sie nun von selbst anfangen, Häuser zu bauen, die nach der neuen Technik gut klimatisiert, dicht und vor Feuchtigkeit geschützt sind, kann man sagen, dass nachhaltig geholfen wurde.

[ Kerstin Kuhnekath, geboren 1977, Tischlerlehre in Düsseldorf, danach ein Jahr auf Baustellen in Tansania, hauptsächlich für eine Tischlerei in Daressalaam beschäftigt. Architekturstudium in Köln und Valencia, seit einem Jahr freie Autorin in Berlin, schreibt u.a. für Bauwelt und Baunetz ]

zuschnitt, Mo., 2009.12.14



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zuschnitt 36 Schnelle Hilfe

13. Februar 2009Kerstin Kuhnekath
Bauwelt

2001 Räume für OMA

Rem Koolhaas arbeitet mit seinem Office for Metropolitan Architecture jetzt auch an der Modernisierung der Baufälligkeit. In der Eremitage in St. Petersburg steht ihm dafür ausreichend Raum zur Verfügung. Zum 250. Geburtstag eines der größten Museen der Welt im Jahr 2014 sollen die Konzepte für die Umstrukturierung umgesetzt sein.

Rem Koolhaas arbeitet mit seinem Office for Metropolitan Architecture jetzt auch an der Modernisierung der Baufälligkeit. In der Eremitage in St. Petersburg steht ihm dafür ausreichend Raum zur Verfügung. Zum 250. Geburtstag eines der größten Museen der Welt im Jahr 2014 sollen die Konzepte für die Umstrukturierung umgesetzt sein.

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Bauwelt 2009|07 Schlaglicht auf das Münchener Kunstareal

Presseschau 12

15. Dezember 2010Kerstin Kuhnekath
zuschnitt

Natürlich wie Holz, kraftvoll wie Stahl

Holz steht für Natürlichkeit, Einfachheit und Freiheit, Stahl für Zivilisation, technischen Fortschritt und Kraft. Bis heute hat sich das Bild gehalten, obwohl beide Rohstoffe immense Veränderungen durchgemacht haben.

Holz steht für Natürlichkeit, Einfachheit und Freiheit, Stahl für Zivilisation, technischen Fortschritt und Kraft. Bis heute hat sich das Bild gehalten, obwohl beide Rohstoffe immense Veränderungen durchgemacht haben.

Der Philosoph Henry David Thoreau zog sich Mitte des 19. Jahrhunderts an den einsamen Waldensee zurück und baute sich eine Holzhütte. Zwei Jahre wollte er in den Wäldern von Massachusetts ein Leben im Einklang mit der Natur erproben. Zivilisation kam dabei nur noch als „ferner Klang einer vorbeifahrenden Eisenbahn“ vor. Eindeutiger als in diesem Bild lassen sich die gegensätzlichen Charakteristika von Holz und Stahl kaum einfangen: Holz steht für Natürlichkeit, Einfachheit und Freiheit, Stahl für Zivilisation, technischen Fortschritt und Kraft. Bis heute hat sich das Bild gehalten, obwohl beide Rohstoffe immense Veränderungen durchgemacht haben.

Den Handwerkern beider Materialien haften nicht weniger festgelegte Attribute an. Dem Schmied wurde als dem „Herrn des Feuers“ magische Bedeutung zugesprochen. Der Tischler galt als besonders kunstfertig und sensibel. Während der Schmied einen Werkstoff bearbeitet, dessen Eigenschaften durch die künstliche Zusammensetzung beeinflussbar sind, muss der Tischler ein Gefühl für die Natürlichkeit eines lebendigen Rohstoffes entwickeln und lernen, ihn zu domestizieren. Im Mittelalter avancierte das Tischlerhandwerk zur Kunst – streng organisiert in einer Zunft. Qualität und Sorgfalt standen im Vordergrund, man grenzte sich von Zimmerleuten mit ihren gröberen Arbeiten ab. Es entstanden eigene, fein differenzierte Berufszweige: Modell- und Bautischler, Stuhlmacher oder Treppenbauer.

Die Geschichte des Schmiedes liest sich etwas anders. Um ihn kreist seit je ein Mythos, der vom Dämonischen bis zum Göttlichen reicht. Im Mittelalter galt er als Universalhandwerker und genoss eine hohe gesellschaftliche Stellung. Sein Aufgabenfeld ging weit über das Schmieden hinaus, er hatte zum Beispiel das Recht, Asyl zu gewähren. Selbstverständlich fanden auch hier Differenzierungen statt zwischen dem Grobschmied, dem Hufschmied oder dem Messerschmied. Der Grund dafür lag in der hohen Nachfrage aufgrund der wachsenden Siedlungen, die Spezialisierungen stellten ein hohes Qualitätsniveau sicher. Heute heißt der Schmied etwas nüchtern Metallbauer der Fachrichtung Gestaltung, viele Spezialisierungen gelten quasi als ausgestorben. Dennoch vermag ein jüngst im Magazin der Süddeutschen Zeitung porträtierter Messerschmied noch die Stärke und den sprichwörtlichen „eisernen Willen“ in Wort und Bild auszudrücken: „Ich hasse Kompromisse!“, lautet sein Motto und das Foto zeigt ihn mit schwerer Schürze vor offener Flamme, neben ihm seine Werkzeuge – Hammer, Amboss, Wasserschleifstein.

Holz hat jahrtausendelang neben Stein die Geschichte der Baukonstruktion bestimmt. Doch im Zuge der Industrialisierung haftete ihm plötzlich der Hauch des Altbackenen an. Anfang des 19. Jahrhunderts hielt Eisen Einzug ins Bauwesen. Es eignete sich für die neuen Bahnhofs- und Ausstellungshallen mit ihren großen Spannweiten hervorragend. Das neue Material, der Fortschrittsglaube und die Entfremdung von der Natur drängten den natürlichen Werkstoff zurück. Zunächst dienten Holz-Konstruktionen allerdings noch als Vorbild. Die Kuppel der Halle au Blé in Paris, die Jacques-Guillaume Legrand und Jacques Molinos 1783 aus hölzernen Rippen entwickelt hatten und damit ganze 41 Meter überspannten – das vermochte bis dahin nur Stein –, brannte 1802 nieder und wurde von Francois-Joseph Bélanger und Francois Brunet durch eine gusseiserne Konstruktion ersetzt, die sich im Wesentlichen an den Konstruktionsprinzipien der alten Holzkuppel orientierte. Eisentragwerke und Konstruktionsdetails sprachen aber bald eine eigene Sprache. Neue Berechnungen ließen Materialquerschnitte fast bis zur Entmaterialisierung schrumpfen. Als Hauptwerk dieser neuen Eleganz ist der Kristallpalast von Joseph Paxton und Charles Fox 1851 zu nennen.

Holz verlor weiter an Bedeutung, als Eisen in so großen Mengen hergestellt werden konnte, dass es zu einem ebenbürtigen Baumaterial wurde. Ab 1900 galt Stahl als der modernste und flexibelste Baustoff. Seine Entwicklung war Grundlage für mehrgeschossige Skelettsysteme heutiger Prägung. Allerdings ist er nicht beliebig form- und bearbeitbar wie Holz und Holzwerkstoffe. Formen und Profile der stabförmigen Baustähle lassen sich an zwei Händen abzählen, und der rechte Winkel spielt die Hauptrolle bei den maßgenauen Einzelgeometrien. Formenfreiheit wurde erst durch Stahlbeton gewonnen, der innerhalb von zwei Jahrzehnten die Wertmaßstäbe beim Skelettbau veränderte. Stahl wurde dabei immer mehr zum dienenden Bestandteil: als Bewehrung in den einzelnen Bauteilen. Das entspricht nicht gerade seinem starken Charakter.

Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit am Holz stand in der Zwischenzeit nicht still. Der konventionelle Holzbau wandelte sich zum Ingenieur-Holzbau. Der stabförmige Baustoff wurde zum flächigen weiterentwickelt. Die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten vergrößerte sich.

Fest aber steht, dass keine Weiterentwicklung je so revolutionär sein kann, dass sich die grundlegenden Charakteristika der Werkstoffe Holz und Stahl ändern werden. Beide haben ihre eigene Logik, ihre eigenen Einsatzbereiche. Sie stehen heute gleichberechtigt nebeneinander und können gut miteinander. Vom einsamen Container im Wald wird wohl niemand träumen, vielleicht aber von der idealen Kombination von Natur und Zivilisation.

zuschnitt, Mi., 2010.12.15



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14. Dezember 2009Kerstin Kuhnekath
zuschnitt

Nachhaltig helfen

Hilfsorganisationen operieren weltweit unter der Doktrin »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Spanne reicht von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen...

Hilfsorganisationen operieren weltweit unter der Doktrin »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Spanne reicht von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen...

Hilfsorganisationen operieren weltweit unter der Doktrin »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Spanne reicht von staatlichen und nicht staatlichen Organisationen über privat organisierte Hilfe bis zu institutionellen Projekten, zum Beispiel von Universitäten. Die Arbeit bewegt sich zwischen wichtiger Soforthilfe bei akuten Katastrophenfällen wie einem Tsunami und baulichen Maßnahmen, die langfristig die Lebensumstände verbessern sollen. »Hilfe zur Selbsthilfe« bedeutet vor allem beim Bauen, die vorhandenen lokalen Ressourcen und Fähigkeiten wertzuschätzen und weiterzuentwickeln, um die Kultur des betreffenden Landes aufzuwerten. Kompetenzen sollten gefördert und Wissen vermittelt werden, damit der Weg in die Unabhängigkeit möglich wird. Wichtig ist auch, dass der heimische Markt nicht durch die Einfuhr von Fremdrohstoffen zerstört wird, sondern nur mit vorhandenen Rohstoffen gebaut wird. Deshalb spielt neben Lehm und Stroh der Werkstoff Holz eine wichtige Rolle.

Auf dem Feld der Hilfsprojekte nahm in den letzten Jahren die studentische Aktivität zu. An der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens gründeten die beiden Studenten Yashar Hanstad und Andreas G. Gjertsen im Jahr 2007 die Organisation tyin tegnestue. Die Gruppe, deren Kern aus fünf Studenten besteht, setzte seitdem vier Projekte in Thailand um. Ihr erstes waren die »Soe Ker Tie Houses« (Schmetterlingshäuser) in dem nahe der thailändisch-myanmarischen Grenze gelegenen Dorf Noh Bo, das größtenteils von Karen-Flüchtlingen bewohnt wird. Der Auftrag, ein Waisenhaus zu erweitern, kam 2008 vom Norweger Ole Jørgen Edna, der dieses zwei Jahre zuvor gegründet hatte. Innerhalb von sechs Monaten entwarf und errichtete tyin tegnestue zusammen mit den Einheimischen sechs kleine Gebäude als Schlafeinheiten und verdoppelte damit die Kapazität des Heimes von 24 auf 50 Wohnplätze. Man habe die Kinder bei den Zeichnungen und Modellen mitarbeiten lassen, erklärt Yashar Hanstad. So weisen Architektur und Bauweise lokale Elemente auf, gemischt mit dem Einfluss der europäischen Helfer. Den Namen »Schmetterlingshäuser« erhielt das Projekt aufgrund der Dachform, die an ein asymmetrisches umgekehrtes Satteldach erinnert, das schräg nach vorne und hinten weit auskragt. Die Form dient der Luftzirkulation und damit der Kühlung im Sommer sowie dem Sammeln des Regenwassers. Um der Bodenfeuchtigkeit zu entgehen, sind die Gebäude aufgeständert, die Lasten werden über Einzelfundamente aus alten Autoreifen in den Boden abgetragen.

Die Häuser sind so angeordnet, dass sie den Kindern soziale und nachbarschaftliche Interaktion ermöglichen, aber auch Räume zum Rückzug bieten.

Die Konstruktion besteht aus Bambus und Tropenholz, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Härte als Iron Wood bezeichnet wird. Aus dem Holz wurden die tragenden Wand- und Deckenelemente vorgefertigt. Die Hauptträger ruhen auf geteilten Stützen, die durch Bolzen miteinander verbunden und fixiert sind. Der Bambus dient der Ausfachung, die in den Seiten- und Rückfassaden in der lokalen Bambus-Webtechnik ausgeführt ist. Während der Bambus nur wenige Kilometer von der Baustelle entfernt günstig geerntet werden konnte, war man bei der Beschaffung des Holzes von der Unabhängigkeitsbewegung Karen National Union abhängig.

Der Einsatz von Bambus hat in der Region eine lange Tradition, seine Bearbeitung stellte für die Bewohner keinerlei Problem dar. Im Gegensatz dazu habe man alle Holzbretter einzeln justieren müssen, da sie krumm und schief zugeschnitten worden seien, erzählt Yashar Hanstad. Deshalb wurde ein Häuschen exemplarisch zusammen mit den Arbeitern gebaut, um zu zeigen, worauf es ankommt. Den Rest bauten die Dorfbewohner alleine, nachdem die tyin-Mitarbeiter bereits abgereist waren.

In Österreich und Deutschland arbeiten Verbände wie die Caritas und andere ngos verstärkt mit Universitäten zusammen. In Österreich wird seit fünf Jahren jährlich ein Projektsemester angeboten, das den Studenten den Anreiz geben soll, eigene Projekte in Südafrika selbst umzusetzen. Für die Logistik sorgt die österreichisch-südafrikanische ngo sarch (social sustainable architecture). Die Kontakte laufen über die Organisation Education Africa. Finanziert wird das Ganze mit Spendengeldern, die Reisekosten tragen die Studenten selbst. Elias Rubin, Lehrbeauftragter an der Kunstuniversität Linz, definiert die Arbeit der Studenten denn auch nicht als Entwicklungshilfe. Es würden zwar Gebäude erstellt, die benötigt würden, aber der Grad der Nachhaltigkeit spiele nicht für alle Beteiligten eine gleich große Rolle. Die Bauaufgabe stehe im Vordergrund und dementsprechend reiche die Spanne »von österreichischen Meisterwerken bis zu nachhaltigen Bauwerken in traditioneller Bauweise«. In den letzten Jahren habe man reichlich Erfahrungen sammeln können, worauf es ankomme. Zum Beispiel werde die Instandhaltung der Ge bäude vermittelt, damit sie nach Abreise der Studenten nicht gleich verfielen. Das Wort Nachhaltigkeit leidet heute daran, dass es ständig und für jeden Zweck genutzt wird. Ob ein Gebäude aber wirklich nachhaltig hilft, zeigt sich erst nach einiger Zeit. Es geht dabei nicht nur um die Materialien und die Baustruktur, sondern auch um Fragen wie: Was braucht der Ort? Wie entwickelt sich die Situation sowohl in politischer und sozialer als auch in geografischer Hinsicht? Wie können sich die Menschen selbst aus Notsituationen heraus helfen? Die sechs Einheiten für das Waisenhaus zum Beispiel funktionieren im bauphysikalischen Sinn einwandfrei: Sie sind trocken und kühl. Aber sie reichen jetzt schon nicht mehr aus. Die Zahl der Dorfbewohner steigt ständig. Wenn sie nun von selbst anfangen, Häuser zu bauen, die nach der neuen Technik gut klimatisiert, dicht und vor Feuchtigkeit geschützt sind, kann man sagen, dass nachhaltig geholfen wurde.

[ Kerstin Kuhnekath, geboren 1977, Tischlerlehre in Düsseldorf, danach ein Jahr auf Baustellen in Tansania, hauptsächlich für eine Tischlerei in Daressalaam beschäftigt. Architekturstudium in Köln und Valencia, seit einem Jahr freie Autorin in Berlin, schreibt u.a. für Bauwelt und Baunetz ]

zuschnitt, Mo., 2009.12.14



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13. Februar 2009Kerstin Kuhnekath
Bauwelt

2001 Räume für OMA

Rem Koolhaas arbeitet mit seinem Office for Metropolitan Architecture jetzt auch an der Modernisierung der Baufälligkeit. In der Eremitage in St. Petersburg steht ihm dafür ausreichend Raum zur Verfügung. Zum 250. Geburtstag eines der größten Museen der Welt im Jahr 2014 sollen die Konzepte für die Umstrukturierung umgesetzt sein.

Rem Koolhaas arbeitet mit seinem Office for Metropolitan Architecture jetzt auch an der Modernisierung der Baufälligkeit. In der Eremitage in St. Petersburg steht ihm dafür ausreichend Raum zur Verfügung. Zum 250. Geburtstag eines der größten Museen der Welt im Jahr 2014 sollen die Konzepte für die Umstrukturierung umgesetzt sein.

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Bauwelt 2009|07 Schlaglicht auf das Münchener Kunstareal

Profil

Tischlerlehre in Düsseldorf, danach ein Jahr auf Baustellen in Tansania, hauptsächlich für eine Tischlerei in Daressalaam beschäftigt. Architekturstudium in Köln und Valencia, seit einem Jahr freie Autorin in Berlin, schreibt u.a. für Bauwelt und Baunetz. Arbeitet bei Heinle, Wischer und Partner in Berlin.

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