Übersicht

Alle 18 Bauwerke ansehen

Texte

16. März 2008Wolfgang Pöschl
zuschnitt

Gute Fügung

Glas und Holz sind in den letzten 20 Jahren von ausfachenden, sekundären Baustoffen zu eigenständigen, unverzichtbaren Stimmen im Konzert der Materialien...

Glas und Holz sind in den letzten 20 Jahren von ausfachenden, sekundären Baustoffen zu eigenständigen, unverzichtbaren Stimmen im Konzert der Materialien...

Glas und Holz sind in den letzten 20 Jahren von ausfachenden, sekundären Baustoffen zu eigenständigen, unverzichtbaren Stimmen im Konzert der Materialien geworden.

Die Architektur der Moderne hat nach dem Ersten Weltkrieg neben dem traditionellen Fenster, einem Loch in der Wand eines geschlossenen Raumes, die Vorstellung des »offenen« Raumes mit einem fließenden Übergang zwischen Innen und Außen formuliert; große Teile der Außenhülle sollten räumlich offen und klimatisch doch abschließbar sein. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnte die Glastechnologie diesen Wunsch auch in unseren Breiten erfüllen; Glas wurde vom Rahmenfüller zum vielschichtigen und vielseitigen Raumabschluss. Diese stürmische Entwicklung hat das Bauen revolutioniert und in vieler Hinsicht das konstruktive Denken überholt.

Holz war lange Zeit das einzig praktikable Rahmenmaterial für öffenbare Fenster. In bewitterten Fassaden verschwand es hinter dicken Farbschichten und wurde zuletzt immer mehr von Kunststoff und Metall verdrängt. Beim Aufkommen von Glasfassaden war das konstruktive Denken noch ganz in der Vorstellung des Fensters als Loch in der Wand verhaftet. Eine Glasfassade funktionierte wie ein riesiges, fast zur Gänze fix verglastes Stahl- oder Alu-Fenster. Die schwierige Bearbeitung und die mit dem Einsatz von Metallwerkstoffen verbundenen thermischen Probleme führten zu komplex geformten, sehr dünnwandigen Metallprofilen und hoch komplizierten Kunststoffverbindungen. So sank die statische Belastbarkeit und es entstanden extrem teure, plumpe Systeme, die selbst immer mehr zum Problem wurden.

Durch thermisch taugliche und uv-beständige Glasrandverbunde erübrigen sich Halte- und Deckleisten inzwischen weitgehend; das Glas wird zur idealen geschlossenen Außenhaut. Die statische Verbesserung des Randverbundes ermöglicht problemlos großflächige Verglasungen ohne jede Aussteifung. Den Traum der klassischen Moderne von einem optisch fast verschwindenden klimatischen Raumabschluss kann Glas längst rahmenlos erfüllen.

Auf der Seite des Holzes hat sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls sehr viel getan; die technische Holztrocknung und insbesondere die Verleimung von Brettlamellen zu Brettschicht- und Brettsperrholz haben Holz zu einem belast- und berechenbaren Konstruktionsmaterial gemacht, das gleichermaßen als Stab und Fläche zu verwenden ist. Eine vertikale Tragstruktur aus Holz macht eine eigene Tragstruktur für die Glasfassade meist überflüssig. Die Holzstützen können direkt verglast werden; bei der Verglasung liegt Randverbund an Randverbund und es entsteht die thermisch optimierte, geschlossene Außenhaut. Die Tragkonstruktion verschwindet von außen hinter der spiegelnden Glasfläche und ist vor Bewitterung auch ohne Oberflächenbehandlung des Holzes perfekt geschützt.

In einigermaßen wettergeschützten Lagen besteht auch die Möglichkeit, die Verglasung der einzelnen freien Felder zwischen den Stützen mit Deckbrettern in der Breite der Stütze zu halten, sodass die Tragstruktur optisch von der Glashaut durchdrungen wird und außen sichtbar bleibt; dabei kann die tragende Stütze je nach beabsichtigter Wirkung außen oder innen liegen. Durch die thermischen Eigenschaften von Holz können Dächer aus Brettschicht- oder Brettsperrholz einfach über die Glashülle hinweg von innen nach außen geführt werden, was eine elegante Wiedergeburt des Vordaches mit sich bringt.

Wo es eine statische Primärstruktur gibt, die entweder überhaupt nicht in der Nähe der Fassade liegt oder die für eine direkte Verglasung zu große Felder aufweist, eröffnet sich ein weiteres Einsatzgebiet für Holz-Glas-Fassaden. Holzwerkstoffe können als Stäbe oder Flächen genau im notwendigen Ausmaß und an den richtigen Stellen als Aussteifung dienen. Es gibt keinen Zwang, Rahmen zu formen, wobei die leichte Bearbeitbarkeit von Holz Anpassungen und einfachste Befestigungen ermöglicht. Durch die bauphysikalischen Eigenschaften des Holzes entfällt die Kondensationsproblematik, wie sie bei Metallen auftritt. Von dieser minimalen, exakt der Notwendigkeit angepassten Aussteifung einer Glashülle führt der Weg weiter zu einer vielfältigen Differenzierung und Gestaltung der Raumzone zwischen Innen und Außen. Jeder kennt vermutlich aus seiner Kindheit die Besonderheit dieses Platzes am Fenster. Der Über- gang von der Fassade(nkonstruktion) zum Möbel ist fließend. Das einfallende Licht wird durch ein »Fassadenmöbel« umgelenkt, abgeschattet, getönt und so in fast unerschöpflichen Variationen gestaltet. Ein eigenes Thema ist das öffenbare Fenster in einer Glasfassade. Da jede Art von Fensterflügel ihre Stabilität ausschließlich aus einer richtig verklotzten Verglasung bezieht, geht es beim Fensterrahmen eigentlich nur darum, die Dichtungen und Beschläge am Glas zu befestigen; eine Aufgabe, die im Idealfall auch der Glasrandverbund selbst übernehmen könnte. Viele Kunststoff- und Metallfenstersysteme erschweren bei aller Kompliziertheit einen simplen und direkten Einbau in eine Glasfassade, weil sie aus schließlich von den Anforderungen eines in einer massiven Wand eingeputzten Fensters ausgehen. In wettergeschützten Bereichen kann dagegen ein Holzfenster durch einfache, zusätzliche Fälze im Stock sehr gut in eine Glasfront integriert werden.

Auch eine Hebeschiebetür aus Holz kann durch Weglassen des umlaufenden Stocks als innen oder außen laufender Schiebeflügel funktionieren; statt des Stocks werden Leisten mit Dichtungen auf die vertikalen Kanten der angrenzenden Verglasung geklebt.

Holz ist als wertvolles Material mit natürlichen Hightechqualitäten dazu prädestiniert, in direkter Verbindung mit Glas die Lücke zwischen dem Glas als »Verschwindematerial« und dem Fenster als Loch in der Wand im wahrsten Sinne des Wortes »räumlich« zu schließen; nach vielversprechenden Anfängen liegt hier noch ein weites Feld vor uns.

zuschnitt, So., 2008.03.16



verknüpfte Zeitschriften
zuschnitt 29 Holz und Glas

15. September 2003Wolfgang Pöschl
zuschnitt

»When all else fails use bloody great nails«

An oben genannten Spruch dachte ich zum Thema Nägel und Schrauben zuallererst.
Bis vor kurzem war die Tatsache, dass normalerweise nur 1 - 5 Prozent der Kraft der chemischen Bindungen als Tragkraft eines konstruktiven Materials wirken, kaum von praktischer Bedeutung, weil die Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten einer Struktur so ineffizient waren, dass sogar die verbleibende Tragkraft eines Materials kaum genutzt wurde.

An oben genannten Spruch dachte ich zum Thema Nägel und Schrauben zuallererst.
Bis vor kurzem war die Tatsache, dass normalerweise nur 1 - 5 Prozent der Kraft der chemischen Bindungen als Tragkraft eines konstruktiven Materials wirken, kaum von praktischer Bedeutung, weil die Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten einer Struktur so ineffizient waren, dass sogar die verbleibende Tragkraft eines Materials kaum genutzt wurde.

»... Holzschrauben, die Lieblinge von Amateurzimmerleuten und Bootsbauern, sind das untauglichste Verbindungsmittel von allen. In der Zwischenkriegszeit forschten die Deutschen viel über genagelte Verbindungen und erfanden neue und schlaue mechanische Verbindungen. Diese Errungenschaften werden heute manchmal im Holzhausbau verwendet...«

Anders als englische Handwerker im vorangestellten Spruch englischer Handwerker hält J. E. Gordon also nicht viel von Nägeln. Trotzdem haben die Deutschen offensichtlich auch nach dem Krieg den Nagel weitererforscht mit einem auch in der kleinen Welt des bauenden Architekten wahrnehmbaren, respektablen Ergebnis.

Meine ersten Erinnerungen an Nägel liegen weit zurück in der Kindheit. Einmal war es in diesen Zeiten noch üblich, alte Bretter „auszunageln“ und die gebrauchten Nägel auf einer Stein- oder Metallunterlage mit dem Hammer gerade zu klopfen, damals eine typische Arbeit für Kinder. Dann war es strikt verboten, Nägel mit in den Wald zu nehmen und etwa beim Bau von Baumhütten in Bäume zu schlagen; als Verbindungen waren maximal Schnüre erlaubt.

Der Nagel hatte (zumindest im Tischlerumfeld) etwas Anrüchiges, Unelegantes. Er war letztes Mittel in höchster Verzweiflung oder er wurde schamhaft verborgen. Seit es ihn gibt, werden damit schnell Kisten zusammen genagelt und dann mit imposanten Schnitzereien verblendet.

Anders in der Zimmerei: Ich wäre ein reicher Mann, wenn ich für jeden Nagel einen Cent bekommen hätte, den ich in Dachbekiesungen, Grünflächen oder sonst irgendwo auf Baustellen gefunden habe - verloren oder achtlos weggeworfen. Die Anwesenheit von Nägeln scheint in der Zimmerei mit abnehmender Qualifikation des Zimmerers tatsächlich zuzunehmen; von der traditionellen Zimmerei, die weitgehend ohne Nägel auskam, bis zu den Nagelorgien des amerikanischen Holzbaus (ich bin sicher, dass dort noch mehr Nägel herumliegen).
Das Nagelkonzert der Hämmer mit einem vielseitigen Echo ist schon lange abgelöst vom kurzen, trockenen Tackern der Nagelapparate. Der schnelle Nagel für Schalungen und Verkleidungen wird noch lange existieren.

Konstruktiv
Als konstruktives Verbindungsmittel über die grobe Sicherung von Holzverbindungen hinaus hatte der Nagel ein kurzes Revival in der Brettstapeldecke. Die unverleimt aneinandergenagelten Bretter als Decke hatten in ihrer Rauheit einen gewissen Reiz. Interessant fand ich vor allem die Möglichkeit, auf einfache Weise gewölbte Decken herzustellen. Aber schon beim Übergang der Holzfläche vom Innen- in den Außenraum machten die offenen Fugen Probleme. Und jedem Zimmermann, mit dem ich eine Brettstapeldecke realisierte, reichte die einmalige Erfahrung. Die Low Tech-Manufaktur wurde insgesamt als Idiotenarbeit und Rückschritt empfunden. Bei einigen mir bekannten Projekten wurde die Brettstapeltechnologie noch mit teilweiser Verleimung und Aufbeton weitergetrieben bis zu einem Punkt, wo offensichtlich wurde, dass es nur mehr mit Brettschichtholz- oder Brettsperrholzflächen, also mit Leim als Verbindungsmittel weitergehen konnte.

Konstruktiv führt der Weg tatsächlich vom Nagel zum Leim, nicht nur in der Zimmerei. Im Möbelbau ist der (versenkte oder wieder entfernte) Nagel manchmal die Schraubzwinge des armen Mannes oder Bastlers - für den dauerhaften Halt sorgt der Leim.

Auf der Baustelle bei der Montage scheint der Leim auch den schlechten Ruf des Nagels geerbt zu haben; dort wird in der Zimmerei kaum geleimt. Leimen gilt in den Zufällen einer Baustelle als unberechenbar und unzuverlässig. Liegt beim Nagel der Ursprung seiner Geringschätzung in seiner scheinbaren Banalität, so ist es beim Leim die undurchschaubare, fast mystische Wirkungsweise, die unser Misstrauen begründet; und beide sind nebenbei fast so alt wie die Technik selbst. Tatsächlich gehört der Leim ins präzise, kalkulierbare Umfeld der Werkhalle.

Die wahre Überraschung bei den Verbindungsmitteln, gemessen an meiner subjektiven Erfahrung, ist aber die Schraube. Während sie im Maschinen- und Stahlbau seit Anbeginn nicht wegzudenken war, hatte die Schraube im Holzbau wie auch im Möbelbau lange Zeit nur die Außenseiterrolle als Gestell- und Torbandschraube oder im Möbelbau als Schlitzschraube inne, die in ihrer mühsamen händischen Anwendung viel Geschick und das Training recht abgelegener Partien der Armmuskulatur erforderte.

Die Schraube
Die rasante Entwicklung der Schraube für den Holzbau in den letzten beiden Jahrzehnten wurde von zwei Seiten in Bewegung gesetzt. Die Technologie der Schraube wurde optimiert und auf die Eigenschaften und Vorteile des Holzes abgestimmt. Genauso wichtig wie die Entwicklung des Schafts der Schraube war der Fortschritt an ihrem Kopf. Der potentiell exzentrische Schlitz im Schraubenkopf wurde durch zentrische, maschinentaugliche Lösungen ersetzt. Das mehr oder weniger untaugliche Werkzeug des Schraubenziehers wurde durch den Akkuschrauber ersetzt. Damit begann die anhaltende Karriere der Schraube im Holzbau. In der Tischlerei, bei der Montage von Einbaumöbeln und in der Zimmerei bei Holzrosten, Unterbauten und Verkleidungen aller Art hat die Schraube ihren sicheren Platz und der Akkuschrauber ist unverzichtbarer Bestandteil der Standard-Werkzeugkiste. In diesen Bereichen hat die Schraube immer eine wichtige Rolle gespielt, doch nun ist ihre Anwendung weniger schweißtreibend. Die Schraube selbst erscheint im Vergleich zu früher ausgereift, endlich erwachsen.

zuschnitt, Mo., 2003.09.15



verknüpfte Zeitschriften
zuschnitt 11 Rein ins Holz - Schraube oder Nagel

15. September 2001Wolfgang Pöschl
zuschnitt

Die Freiheit ist immer dann grenzenlos, wenn ich materialkonform arbeite

Wir bringen Auszüge eines Gesprächs vom 16. Juli 2001, das Zuschnitt zum Thema »Neue Flächen in Holz« angeregt hat und das im Architekturforum Innsbruck stattfand.

Wir bringen Auszüge eines Gesprächs vom 16. Juli 2001, das Zuschnitt zum Thema »Neue Flächen in Holz« angeregt hat und das im Architekturforum Innsbruck stattfand.

Zuschnitt: Die Frage, der Zuschnitt in diesem Gespräch auf den Grund gehen will, ist, ob die neuen Holzwerkstoffe, die auch konstruktiv eingesetzt werden können, den Holzbau revolutionieren werden. Erst einmal, ob sich das Erscheinungsbild vom Holzbau dadurch verändern wird und ob damit eine breite Anwendung gegeben sein wird.

Schickhofer: Ganz sicher muss die Fläche neu gesehen werden, weil sie sich vom Schichtenaufbau des traditionellen Holzbaus wesentlich unterscheidet, genauer gesagt, vereinfacht. Nehmen Sie die massive Fläche, Sie haben einen kompakten tragenden Teil, eine Dämmschicht, sauber getrennt davon, oder die Dämmung im Kern und einen äußeren Schutz. Das ist schon das Wesentliche, es gibt keine Kältebrücken, die Fugen werden unterdrückt. Wo ich es brauche, schneide ich ein Fenster ein...

Pöschl: Ich kann ja auch die massive Fläche von der, wo ich verglasen will, ganz trennen.

Schickhofer: Ja, aber ich kann es machen, wenn ich will, ohne Risiko. Darum geht es ja, dass die Holzbauweise einfacher wird in der Anwendung.

Zuschnitt: Aber ist dann nicht die Gefahr einer Vereinheitlichung, einer wesentlichen Einschränkung gegeben?

Schickhofer: Also, das kann ja nur eine Erweiterung sein, wenn man seine Idee in einem System wiederfindet und damit agieren möchte. Um das geht es. Sie können nicht sagen, es reicht mir, wenn man eine Platte anbietet oder ein Material, Sie werden damit glücklicher werden, wenn man eine Decke anbietet, eine Wand usw., die gut zusammenzufügen sind. Wie der Raum dann ausschaut, das ist dann Architektur, das wird der Architekt bestimmen. Aber ich meine, das sollte man vielleicht in Zukunft woanders hin delegieren, wie die Decke von unten bis oben oder die Wand von innen bis außen auszusehen hat. Hier muss sich der Architekt nicht unbedingt mehr den Kopf zerbrechen. Das heißt, wenn hier Lösungen zur Verfügung gestellt werden, abgestimmt auf ganz bestimmte Produkte, Produktgruppen, dann ist das doch auch ein Vorteil für die Architektur. Eine große Hilfe, um überhaupt vernünftig, auch von den Planungskosten her, einen Holzbau betreiben zu können.

Pöschl: Da gebe ich Ihnen Recht, insofern, als ich im Möbelbau ja auch eine Methode brauche, um zu verbinden. Ich kann alles zusammennageln oder schrauben, aber es gibt auch Dübel, es gibt Scharniere und genau das braucht es im massiven Holzbau auch. Aber es würde mir nicht einfallen, von einem Möbelbausystem zu reden, sondern ich habe ein Plattenmaterial, das kann Bestimmtes, das eine muss ich umleimen, das andere furnieren. Fügetechnik braucht es, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Aber ich würde das nicht als System bezeichnen.

Zuschnitt: Sie haben auch als Tischler ein enormes Vorwissen, viele Architekten haben aber Berührungsängste mit Holzbau. Es gibt eine bauphysikalische Komplexität, wenn man das nicht wirklich beherrscht, kommt man in des Teufels Küche. Dann kommt der vergleichsweise große Planungsaufwand dazu, beides Dinge, die die Leute davon abhalten, in Holz zu bauen. Wenn es jetzt verbindliche Systeme gibt, die mich in meiner Gestaltung als Architekt nicht einschränken, sondern soviel Flexibilität und Anwendungsmöglichkeiten erlauben, dass ich Freiheit habe in meiner Gestaltung, dann wird wahrscheinlich jeder Architekt gerne auf Leitdetails zurückgreifen. Eine Einengung darf es natürlich nicht sein.

Pöschl: Vor 20 Jahren hat der Architekt noch nicht gewusst, wie ein Spanplattenmöbel funktioniert. Da sind an den unmöglichsten Stellen massive Teile vorgekommen. Jetzt weiß das eigentlich jeder, er hat Spanplatten und braucht sie nur zusammenstellen und der Tischler nimmt das richtige Verbindungsmittel. So einfach sollte Holzbau werden in der Anwendung.

Merz: Richtig, nehmen Sie den Betonbau, wenn Sie den Anschluss Decke-Wand haben, dann machen Sie zwei Striche, wieviele Eisen er da hineinlegt, das interessiert sie nicht. Aber im Holzbau müssen Sie sich schon überlegen, geht die Wand durch die Decke, oder liegt die Decke auf, ist sie zwischendrin, geht die Wand außen hoch, wie schließe ich es an…

Schickhofer: Warum muss ich mir das überlegen, wenn die Lösungen da sind?

Pöschl: Beim massiven Holzbau kann das irgendwann einmal so primitiv werden wie bei einem Möbel. Aber was ich verhindern will, ist, dass man wieder in Elementen denkt, in zu komplizierten Einheiten. Man denkt in Materialien, Plattengrößen selbstverständlich, im Möbelbau mache ich das auch, im Hochbau ist es noch ein bisserl strenger, aber es muss im Prinzip so funktionieren. Das Bauen muss auf einem ganz niedrigen Level gehalten werden. Einfach, aber auch ohne die hohen Arbeitsanteile, die die Amerikaner an ihren Systemen haben.

Scheran: Das ist genau der Punkt, dann sind wir bei einer Massenanwendung. Bis jetzt haben Hersteller irgend ein System gemacht, das dann kein Massenartikel geworden ist und wieder irgendwo individuell war. Und ich glaube, die Plattenindustrie muss die Materialien zur Verfügung stellen und die verschiedenen Verbindungen und Anwendungen zeigen, man kann sie für jedes System einsetzen, es funktioniert immer mit den Platten, die wir anbieten.

Schickhofer: Genau, das Problem, das wir jetzt haben, warum der Prozentsatz im Holzbau so niedrig ist, ist eben, dass alle kleinen Unternehmen glauben, sie müssen etwas neu erfinden und dann bleibt das Ganze immer nur regional hängen. Das heißt, wirklich groß wird man, wenn man, wie die Ziegelindustrie, genau nach Strategien vorgeht, einheitlich. Dann habe ich die Möglichkeit, den Prozentsatz zu heben, aber sicherlich nicht von der Breite nach oben, also, das glaube ich nicht. Ich möchte das einmal einwerfen, es muss ein gewisses Diktat kommen.

Merz: Im Moment hat keine Firma oder keine Industrie die Marktmacht, das zu diktieren. Schickhofer Richtig, das wird aber kommen müssen. Andererseits sollte der Architekt gerade bei der Entwicklung dieser Elemente Mitspracherecht haben, mitentwickeln, mitdiskutieren, weil damit auch schlussendlich Architektur gemacht wird.

Pöschl: Ich habe überhaupt kein Problem mit den unterschiedlichen Plattenstärken, Breiten oder Plattengrößen, da ist von einem halben Meter an alles, was man noch heben kann, akzeptabel. Ich glaube, da liegen keine Einschränkungen und da wehren sich die Architekten auch nicht dagegen.

Scheran: Das Wesentliche im Handwerk ist doch das Know how, mit diesen Produkten umzugehen. In Wirklichkeit ist es doch so, der Architekt, der einen Handwerker neben sich hat oder 2 bis 3 Zimmereibetriebe, von denen er weiß, die können mit dem Material umgehen, der setzt alles ein - der hat die Sicherheit und baut auch mit Holz.

Pöschl: Ich sage jetzt einmal ganz polemisch, außer den Platten und langen Schrauben brauche ich nichts. Das ist jetzt übertrieben, aber im Prinzip ist die Tendenz dahingehend.

Schickhofer: Die Zukunft des Holzbaus liegt in einer vernünftigen Reduktion. Welche Materialien sich letztlich durchsetzen werden, ist vielleicht noch nicht bekannt - welche Flächen und Konstruktionssysteme es sein werden. Beide Bauweisen, der Holzleichtbau und der Holzmassivbau haben irgendwie Berechtigung, beide werden eine Schiene fahren, aber beide müssen Reduktion sowohl in den Systemen, den Materialien und den Produkten haben. Wir haben also für den Holzmassivbau jetzt einmal Leitdetails verfasst und ich glaube, das muss sein. Der Architekt, der Ingenieur und auch der Ausführende, die brauchen im Prinzip Lösungen.

Merz: Wobei - das gibt's, das hat jedes Produkt. Wir wenden das nur nicht an, weil wir zu individualistisch sind. Der Architekt, der etwas auf sich hält, will noch etwas Besseres erfinden.

Pöschl: Da gibt es schon auch inhaltliche Überlegungen dazu. Ich will nicht in einem amerikanischen Systemhaus wohnen, ich will einen anderen Raum.

Merz: Es könnten sich 20, 30 Leitdetails beim Holzbau durchsetzen, die jetzt nichts zu tun haben mit dem, was in Nordamerika gemacht wird, die erlauben, Ihre Räume zu bauen.

Schickhofer: Machen wir das doch. Versuchen wir doch, ein produktunabhängiges System aufzubauen.

Merz: Es gibt Bücher vom Bund deutscher Zimmerer - Holzrahmenbau. Die setzen sich nicht als Standard durch.

Scheran: Sie haben absolut recht, Herr Merz, es ist im Grunde unser Problem, dass wir so viele verschiedene Systeme haben, weil jeder Hersteller glaubt, er muss ein System haben. Und wir haben jetzt mit Baudas in eine andere Richtung gedacht. Wir haben gesagt, Baudas ist kein System, sondern wir stellen mehrere Plattenwerkstoffe und Zubehörprodukte zur Verfügung. Wir prüfen diese Bauteile und Konstruktionen und die kann dann jeder einsetzen, wo er sie braucht. Da muss die Industrie hinkommen, wir haben einen sehr hohen Maschinenaufwand, um wirklich industriell und nicht in Einzelstücken zu fertigen.

Merz Für mich ist jede neue Platte, die auf den Markt kommt, eine Bereicherung und erweitert die Palette.

Schickhofer: Jetzt haben wir gerade etwas von Reduktion gehört…

Merz: Wenn ich jetzt zurückdenke 10 Jahre, dann haben wir heute schon viel größere Möglichkeiten. Ich habe Platten, wo ich sogar die Holzart auswählen kann. Das Schöne an diesen Plattenwerkstoffen, sie können ja wirklich auf einen gewissen Zweck hin getrimmt werden. Also wenn Sie versprechen, dass Sie morgen 3 Millionen m² von 70-mm Platten kaufen, dann können Sie Ihre 10.000 Newton pro mm² eben fordern, das ist das Schöne an diesen Produkten, ich habe nicht mehr einfach das Brett, das irgendwo in der Geometrie vorgegeben ist und in seinen Werten, sondern ich kann sagen, trimmt mir ein Produkt auf den Zweck hin.

Scheran: Da müssen wir jetzt unterscheiden zwischen Massenfertigung und Einzelfertigung.

Schickhofer: Für mich sind hier zwei Wege, die gedacht werden müssen, einerseits die Industrie als Lieferant von »Massenprodukten«. Dementsprechend muss man die Märkte definieren und das geht meines Erachtens über diese Reduktion, die wir besprochen haben und über fertige Lösungen. Andererseits natürlich die innovativen Formen des Einsatzes von Holzwerkstoffen, wobei man das auch so sehen muss, diese Innovationen im Bau bringen natürlich auch wiederum den anderen Bereich weiter.

Pöschl: Ich bin der Überzeugung, dass man eigenständige Wege suchen muss für Holz. Nehmen Sie De Stijl und diese Häuser, die aus abstrakten Flächen bestehen. Das kann ich mit Holz viel besser machen als mit Ziegel und mit Beton. Wenn ich z.B. die vertikale Struktur minimiere, nur in dem Maß tragende Flächen nehme, in dem ich sie wirklich brauche, indem ich die allseitige Tragfähigkeit von Brettsperrholz nütze, komme ich zu Lösungen, die wirklich unverwechselbar sind. Das wäre interessant.

Zuschnitt: Es muss also ein Bestreben sein, die Holzfläche autonom werden zu lassen, etwa als massive Fläche, die dann eben auch diese Tragfunktion übernehmen kann?

Pöschl: Man braucht sich nur ein Haus von Mies van der Rohe vorstellen. Mit diesen vertikalen Scheiben, die einen Raum definieren, offenes Haus mit Punktstützen, Flächen. Er macht das mit Stahlrahmen, die er dann verkleidet. Am Schluss erscheint das alles wie eine Fläche. Aber es war keine Fläche, es war eine relativ komplizierte Konstruktion. Wenn man sich so eine Struktur vorstellt, die in Holzflächen, dann kann man durchaus Materialien wechseln. Ich kann jetzt z.B. die horizontalen in OSB nehmen und die vertikalen in Brettsperrholz. Also ich kann innerhalb des Holzes noch differenzieren, dann wären wir, glaube ich, konstruktiv wie räumlich auf einem interessanten Weg. Wenn ich mir ein gemauertes Haus vorstelle mit Lochfassade und das in Holz baue, da kämpft man gegen einen übermächtigen Gegner, denn das kann der Ziegel einfach.

Zuschnitt: Aber ist das nicht genau das, was Herr Dr. Schickhofer als Vorteil behauptet, dass die Fläche im Holzbau mit diesen kompakten Platten vergleichbar einer Lochfassade werden kann, wo man dann eigentlich aus der Fläche nur mehr die Öffnungen ausschneidet? Das ist, soweit ich verstehe, Ihr Ansatz.

Schickhofer: Nein, nein, hier von einem Massivbau eins zu eins auf einen Holzbau umzumünzen, wäre falsch und sicherlich nicht der Weg. Bei zahlreichen Projekten in der Steiermark, die vom Wohnbauträger ursprünglich als Ziegelbau vorgesehen waren, hat das im Holzbau große Probleme gegeben. Ich kann natürlich keine Öffnungen brauchen mit einer Größe über 20%, da habe ich dann definitiv Probleme mit der Wirtschaftlichkeit.

Pöschl: Ich glaube, dass derzeit das Denken in Flächen in massivem Holz einfach nicht vorhanden ist, nicht im Denken von Zimmerleuten. Sie sehen den liegenden Leimbinder, aber sie verstehen nicht, was das ist. Ich glaube, wenn das einmal ins Bewusstsein rückt, auch beim Architekten, dann muss denen ja ein Licht aufgehen. Die Moderne hat das Formale vorgezeigt, aber wie ich dorthinkomme, das haben sie verdrängen müssen. Das brauchen wir jetzt nicht. Ich komme mir immer vor wie einer, der Altbekanntes ausgrabt und jetzt konstruktiv elegant umsetzt, genau so, wie ich jetzt eine Glasfassade machen kann, von der der Gropius nur träumen hat können. Genauso kann man jetzt eben Dächer wirklich genauso dünn schweben lassen. Das hat auch ökonomische Seiten, wenn ich da einen direkten Weg der Konstruktion finde, muss das auch à la longue billiger sein.

Zuschnitt: Aber da geht es jetzt wieder um die Autonomie von Flächen ...

Pöschl: Genau, dass man die Fläche als Fläche behandelt. Wo man natürlich im Widerspruch zur klassischen Moderne kommt, ist in der Materialbehandlung, weil die Moderne eine Abstraktion betrieben hat, die auch das Material neutralisiert hat. Hier sehe ich eigentlich eine Weiterentwicklung, denn diese abstrakten Häuser kriegen mit Holz plötzlich etwas ganz Berührbares. Ich habe viele Leute, die mir gern räumlich folgen, aber die sagen, ich will da nicht so eine coole Bude haben. Ich kann mit so einem Dach leben, ich kann mit dem offenen Raum leben, ich kann mit dem vielen Glas leben, aber ich will nicht in einer Betonstruktur wohnen. Da, finde ich, ist eben Holz ganz etwas Archaisches.

Zuschnitt: Es erstaunt mich immer, dass die Fertighausindustrie dieses Potenzial überhaupt nicht nützt. Dort wird das Holz ja weitgehend versteckt im Leichtbau und so getan, als wäre es ein Massivbau.

Pöschl: Das ist in ganz Amerika so.

Merz: Es entspricht dem Geschmack der Kundschaft, die halt mit dem Massiven das Dauerhafte verbindet.

Scheran: Wenn ich heute das Gleiche, was ich in Massiv baue, als Holzrahmenbau nachbauen müsste, dann bin ich automatisch vergleichbar. Deswegen glaube ich, muss die erste Entscheidung schon eine für eine Holzkonstruktion sein ...

Pöschl: Etwas, das anders ist als das Übliche, das kostet mehr - das funktioniert knallhart. Es denkt keiner nach, wieviel Arbeit ist jetzt das, sondern grundsätzlich, wenn es anders ist, stellt jeder die Haare auf.

Merz: Ich glaube nicht, dass die Preise künstlich hochgehalten werden, eher, dass sie für den Produzenten an der Schmerzgrenze sind. Wieso der Holzbau teurer ist? Weil jeder Holzbau ein Unikat ist. Ein Problem des Holzbaus hier in Mitteleuropa ist die Vielfalt der Systeme. In den USA wird ein Einfamilienhaus im Staat New York so zusammengezimmert wie in Kalifornien.

Pöschl: Die Holzfläche ist der Weg aus dem heraus, ich habe keine Details. Was ich mir wünsche, ist vor allem dieses Bewusstsein, wie einfach das eigentlich sein kann. Momentan hängen wir an komplizierten Vorstellungen vom Holzbau. Es gibt ja eine Methode, um ein Material ins Bewusstsein zu bringen, dass man gezielt Wettbewerbe macht oder Themen stellt. Man sagt, es gibt das Material, mach etwas daraus.

Zuschnitt: So, wie das heute geklungen hat, ist ja der Verbreitung des Holzbaus und einem größeren Marktanteil im Bauen überhaupt keine Grenze gesetzt. Die Frage ist nur, wieso sich das Segment des Holzbaus noch auf diese wenigen Prozente beschränkt?

Pöschl: Weil im Holzbau noch zu traditionell gedacht wird und weil die Massivfläche noch nicht im allgemeinen Bewusstsein ist.

Zuschnitt: Ist es also eine Frage der Zeit?

Scheran: Ja, es ist eine Frage der Zeit.

zuschnitt, Sa., 2001.09.15



verknüpfte Akteure
Schickhofer Gerhard
Merz Konrad
Scheran Walter



verknüpfte Zeitschriften
zuschnitt 03 Flächige Vielfalt

Bauwerke

Presseschau 12

16. März 2008Wolfgang Pöschl
zuschnitt

Gute Fügung

Glas und Holz sind in den letzten 20 Jahren von ausfachenden, sekundären Baustoffen zu eigenständigen, unverzichtbaren Stimmen im Konzert der Materialien...

Glas und Holz sind in den letzten 20 Jahren von ausfachenden, sekundären Baustoffen zu eigenständigen, unverzichtbaren Stimmen im Konzert der Materialien...

Glas und Holz sind in den letzten 20 Jahren von ausfachenden, sekundären Baustoffen zu eigenständigen, unverzichtbaren Stimmen im Konzert der Materialien geworden.

Die Architektur der Moderne hat nach dem Ersten Weltkrieg neben dem traditionellen Fenster, einem Loch in der Wand eines geschlossenen Raumes, die Vorstellung des »offenen« Raumes mit einem fließenden Übergang zwischen Innen und Außen formuliert; große Teile der Außenhülle sollten räumlich offen und klimatisch doch abschließbar sein. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts konnte die Glastechnologie diesen Wunsch auch in unseren Breiten erfüllen; Glas wurde vom Rahmenfüller zum vielschichtigen und vielseitigen Raumabschluss. Diese stürmische Entwicklung hat das Bauen revolutioniert und in vieler Hinsicht das konstruktive Denken überholt.

Holz war lange Zeit das einzig praktikable Rahmenmaterial für öffenbare Fenster. In bewitterten Fassaden verschwand es hinter dicken Farbschichten und wurde zuletzt immer mehr von Kunststoff und Metall verdrängt. Beim Aufkommen von Glasfassaden war das konstruktive Denken noch ganz in der Vorstellung des Fensters als Loch in der Wand verhaftet. Eine Glasfassade funktionierte wie ein riesiges, fast zur Gänze fix verglastes Stahl- oder Alu-Fenster. Die schwierige Bearbeitung und die mit dem Einsatz von Metallwerkstoffen verbundenen thermischen Probleme führten zu komplex geformten, sehr dünnwandigen Metallprofilen und hoch komplizierten Kunststoffverbindungen. So sank die statische Belastbarkeit und es entstanden extrem teure, plumpe Systeme, die selbst immer mehr zum Problem wurden.

Durch thermisch taugliche und uv-beständige Glasrandverbunde erübrigen sich Halte- und Deckleisten inzwischen weitgehend; das Glas wird zur idealen geschlossenen Außenhaut. Die statische Verbesserung des Randverbundes ermöglicht problemlos großflächige Verglasungen ohne jede Aussteifung. Den Traum der klassischen Moderne von einem optisch fast verschwindenden klimatischen Raumabschluss kann Glas längst rahmenlos erfüllen.

Auf der Seite des Holzes hat sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls sehr viel getan; die technische Holztrocknung und insbesondere die Verleimung von Brettlamellen zu Brettschicht- und Brettsperrholz haben Holz zu einem belast- und berechenbaren Konstruktionsmaterial gemacht, das gleichermaßen als Stab und Fläche zu verwenden ist. Eine vertikale Tragstruktur aus Holz macht eine eigene Tragstruktur für die Glasfassade meist überflüssig. Die Holzstützen können direkt verglast werden; bei der Verglasung liegt Randverbund an Randverbund und es entsteht die thermisch optimierte, geschlossene Außenhaut. Die Tragkonstruktion verschwindet von außen hinter der spiegelnden Glasfläche und ist vor Bewitterung auch ohne Oberflächenbehandlung des Holzes perfekt geschützt.

In einigermaßen wettergeschützten Lagen besteht auch die Möglichkeit, die Verglasung der einzelnen freien Felder zwischen den Stützen mit Deckbrettern in der Breite der Stütze zu halten, sodass die Tragstruktur optisch von der Glashaut durchdrungen wird und außen sichtbar bleibt; dabei kann die tragende Stütze je nach beabsichtigter Wirkung außen oder innen liegen. Durch die thermischen Eigenschaften von Holz können Dächer aus Brettschicht- oder Brettsperrholz einfach über die Glashülle hinweg von innen nach außen geführt werden, was eine elegante Wiedergeburt des Vordaches mit sich bringt.

Wo es eine statische Primärstruktur gibt, die entweder überhaupt nicht in der Nähe der Fassade liegt oder die für eine direkte Verglasung zu große Felder aufweist, eröffnet sich ein weiteres Einsatzgebiet für Holz-Glas-Fassaden. Holzwerkstoffe können als Stäbe oder Flächen genau im notwendigen Ausmaß und an den richtigen Stellen als Aussteifung dienen. Es gibt keinen Zwang, Rahmen zu formen, wobei die leichte Bearbeitbarkeit von Holz Anpassungen und einfachste Befestigungen ermöglicht. Durch die bauphysikalischen Eigenschaften des Holzes entfällt die Kondensationsproblematik, wie sie bei Metallen auftritt. Von dieser minimalen, exakt der Notwendigkeit angepassten Aussteifung einer Glashülle führt der Weg weiter zu einer vielfältigen Differenzierung und Gestaltung der Raumzone zwischen Innen und Außen. Jeder kennt vermutlich aus seiner Kindheit die Besonderheit dieses Platzes am Fenster. Der Über- gang von der Fassade(nkonstruktion) zum Möbel ist fließend. Das einfallende Licht wird durch ein »Fassadenmöbel« umgelenkt, abgeschattet, getönt und so in fast unerschöpflichen Variationen gestaltet. Ein eigenes Thema ist das öffenbare Fenster in einer Glasfassade. Da jede Art von Fensterflügel ihre Stabilität ausschließlich aus einer richtig verklotzten Verglasung bezieht, geht es beim Fensterrahmen eigentlich nur darum, die Dichtungen und Beschläge am Glas zu befestigen; eine Aufgabe, die im Idealfall auch der Glasrandverbund selbst übernehmen könnte. Viele Kunststoff- und Metallfenstersysteme erschweren bei aller Kompliziertheit einen simplen und direkten Einbau in eine Glasfassade, weil sie aus schließlich von den Anforderungen eines in einer massiven Wand eingeputzten Fensters ausgehen. In wettergeschützten Bereichen kann dagegen ein Holzfenster durch einfache, zusätzliche Fälze im Stock sehr gut in eine Glasfront integriert werden.

Auch eine Hebeschiebetür aus Holz kann durch Weglassen des umlaufenden Stocks als innen oder außen laufender Schiebeflügel funktionieren; statt des Stocks werden Leisten mit Dichtungen auf die vertikalen Kanten der angrenzenden Verglasung geklebt.

Holz ist als wertvolles Material mit natürlichen Hightechqualitäten dazu prädestiniert, in direkter Verbindung mit Glas die Lücke zwischen dem Glas als »Verschwindematerial« und dem Fenster als Loch in der Wand im wahrsten Sinne des Wortes »räumlich« zu schließen; nach vielversprechenden Anfängen liegt hier noch ein weites Feld vor uns.

zuschnitt, So., 2008.03.16



verknüpfte Zeitschriften
zuschnitt 29 Holz und Glas

15. September 2003Wolfgang Pöschl
zuschnitt

»When all else fails use bloody great nails«

An oben genannten Spruch dachte ich zum Thema Nägel und Schrauben zuallererst.
Bis vor kurzem war die Tatsache, dass normalerweise nur 1 - 5 Prozent der Kraft der chemischen Bindungen als Tragkraft eines konstruktiven Materials wirken, kaum von praktischer Bedeutung, weil die Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten einer Struktur so ineffizient waren, dass sogar die verbleibende Tragkraft eines Materials kaum genutzt wurde.

An oben genannten Spruch dachte ich zum Thema Nägel und Schrauben zuallererst.
Bis vor kurzem war die Tatsache, dass normalerweise nur 1 - 5 Prozent der Kraft der chemischen Bindungen als Tragkraft eines konstruktiven Materials wirken, kaum von praktischer Bedeutung, weil die Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten einer Struktur so ineffizient waren, dass sogar die verbleibende Tragkraft eines Materials kaum genutzt wurde.

»... Holzschrauben, die Lieblinge von Amateurzimmerleuten und Bootsbauern, sind das untauglichste Verbindungsmittel von allen. In der Zwischenkriegszeit forschten die Deutschen viel über genagelte Verbindungen und erfanden neue und schlaue mechanische Verbindungen. Diese Errungenschaften werden heute manchmal im Holzhausbau verwendet...«

Anders als englische Handwerker im vorangestellten Spruch englischer Handwerker hält J. E. Gordon also nicht viel von Nägeln. Trotzdem haben die Deutschen offensichtlich auch nach dem Krieg den Nagel weitererforscht mit einem auch in der kleinen Welt des bauenden Architekten wahrnehmbaren, respektablen Ergebnis.

Meine ersten Erinnerungen an Nägel liegen weit zurück in der Kindheit. Einmal war es in diesen Zeiten noch üblich, alte Bretter „auszunageln“ und die gebrauchten Nägel auf einer Stein- oder Metallunterlage mit dem Hammer gerade zu klopfen, damals eine typische Arbeit für Kinder. Dann war es strikt verboten, Nägel mit in den Wald zu nehmen und etwa beim Bau von Baumhütten in Bäume zu schlagen; als Verbindungen waren maximal Schnüre erlaubt.

Der Nagel hatte (zumindest im Tischlerumfeld) etwas Anrüchiges, Unelegantes. Er war letztes Mittel in höchster Verzweiflung oder er wurde schamhaft verborgen. Seit es ihn gibt, werden damit schnell Kisten zusammen genagelt und dann mit imposanten Schnitzereien verblendet.

Anders in der Zimmerei: Ich wäre ein reicher Mann, wenn ich für jeden Nagel einen Cent bekommen hätte, den ich in Dachbekiesungen, Grünflächen oder sonst irgendwo auf Baustellen gefunden habe - verloren oder achtlos weggeworfen. Die Anwesenheit von Nägeln scheint in der Zimmerei mit abnehmender Qualifikation des Zimmerers tatsächlich zuzunehmen; von der traditionellen Zimmerei, die weitgehend ohne Nägel auskam, bis zu den Nagelorgien des amerikanischen Holzbaus (ich bin sicher, dass dort noch mehr Nägel herumliegen).
Das Nagelkonzert der Hämmer mit einem vielseitigen Echo ist schon lange abgelöst vom kurzen, trockenen Tackern der Nagelapparate. Der schnelle Nagel für Schalungen und Verkleidungen wird noch lange existieren.

Konstruktiv
Als konstruktives Verbindungsmittel über die grobe Sicherung von Holzverbindungen hinaus hatte der Nagel ein kurzes Revival in der Brettstapeldecke. Die unverleimt aneinandergenagelten Bretter als Decke hatten in ihrer Rauheit einen gewissen Reiz. Interessant fand ich vor allem die Möglichkeit, auf einfache Weise gewölbte Decken herzustellen. Aber schon beim Übergang der Holzfläche vom Innen- in den Außenraum machten die offenen Fugen Probleme. Und jedem Zimmermann, mit dem ich eine Brettstapeldecke realisierte, reichte die einmalige Erfahrung. Die Low Tech-Manufaktur wurde insgesamt als Idiotenarbeit und Rückschritt empfunden. Bei einigen mir bekannten Projekten wurde die Brettstapeltechnologie noch mit teilweiser Verleimung und Aufbeton weitergetrieben bis zu einem Punkt, wo offensichtlich wurde, dass es nur mehr mit Brettschichtholz- oder Brettsperrholzflächen, also mit Leim als Verbindungsmittel weitergehen konnte.

Konstruktiv führt der Weg tatsächlich vom Nagel zum Leim, nicht nur in der Zimmerei. Im Möbelbau ist der (versenkte oder wieder entfernte) Nagel manchmal die Schraubzwinge des armen Mannes oder Bastlers - für den dauerhaften Halt sorgt der Leim.

Auf der Baustelle bei der Montage scheint der Leim auch den schlechten Ruf des Nagels geerbt zu haben; dort wird in der Zimmerei kaum geleimt. Leimen gilt in den Zufällen einer Baustelle als unberechenbar und unzuverlässig. Liegt beim Nagel der Ursprung seiner Geringschätzung in seiner scheinbaren Banalität, so ist es beim Leim die undurchschaubare, fast mystische Wirkungsweise, die unser Misstrauen begründet; und beide sind nebenbei fast so alt wie die Technik selbst. Tatsächlich gehört der Leim ins präzise, kalkulierbare Umfeld der Werkhalle.

Die wahre Überraschung bei den Verbindungsmitteln, gemessen an meiner subjektiven Erfahrung, ist aber die Schraube. Während sie im Maschinen- und Stahlbau seit Anbeginn nicht wegzudenken war, hatte die Schraube im Holzbau wie auch im Möbelbau lange Zeit nur die Außenseiterrolle als Gestell- und Torbandschraube oder im Möbelbau als Schlitzschraube inne, die in ihrer mühsamen händischen Anwendung viel Geschick und das Training recht abgelegener Partien der Armmuskulatur erforderte.

Die Schraube
Die rasante Entwicklung der Schraube für den Holzbau in den letzten beiden Jahrzehnten wurde von zwei Seiten in Bewegung gesetzt. Die Technologie der Schraube wurde optimiert und auf die Eigenschaften und Vorteile des Holzes abgestimmt. Genauso wichtig wie die Entwicklung des Schafts der Schraube war der Fortschritt an ihrem Kopf. Der potentiell exzentrische Schlitz im Schraubenkopf wurde durch zentrische, maschinentaugliche Lösungen ersetzt. Das mehr oder weniger untaugliche Werkzeug des Schraubenziehers wurde durch den Akkuschrauber ersetzt. Damit begann die anhaltende Karriere der Schraube im Holzbau. In der Tischlerei, bei der Montage von Einbaumöbeln und in der Zimmerei bei Holzrosten, Unterbauten und Verkleidungen aller Art hat die Schraube ihren sicheren Platz und der Akkuschrauber ist unverzichtbarer Bestandteil der Standard-Werkzeugkiste. In diesen Bereichen hat die Schraube immer eine wichtige Rolle gespielt, doch nun ist ihre Anwendung weniger schweißtreibend. Die Schraube selbst erscheint im Vergleich zu früher ausgereift, endlich erwachsen.

zuschnitt, Mo., 2003.09.15



verknüpfte Zeitschriften
zuschnitt 11 Rein ins Holz - Schraube oder Nagel

15. September 2001Wolfgang Pöschl
zuschnitt

Die Freiheit ist immer dann grenzenlos, wenn ich materialkonform arbeite

Wir bringen Auszüge eines Gesprächs vom 16. Juli 2001, das Zuschnitt zum Thema »Neue Flächen in Holz« angeregt hat und das im Architekturforum Innsbruck stattfand.

Wir bringen Auszüge eines Gesprächs vom 16. Juli 2001, das Zuschnitt zum Thema »Neue Flächen in Holz« angeregt hat und das im Architekturforum Innsbruck stattfand.

Zuschnitt: Die Frage, der Zuschnitt in diesem Gespräch auf den Grund gehen will, ist, ob die neuen Holzwerkstoffe, die auch konstruktiv eingesetzt werden können, den Holzbau revolutionieren werden. Erst einmal, ob sich das Erscheinungsbild vom Holzbau dadurch verändern wird und ob damit eine breite Anwendung gegeben sein wird.

Schickhofer: Ganz sicher muss die Fläche neu gesehen werden, weil sie sich vom Schichtenaufbau des traditionellen Holzbaus wesentlich unterscheidet, genauer gesagt, vereinfacht. Nehmen Sie die massive Fläche, Sie haben einen kompakten tragenden Teil, eine Dämmschicht, sauber getrennt davon, oder die Dämmung im Kern und einen äußeren Schutz. Das ist schon das Wesentliche, es gibt keine Kältebrücken, die Fugen werden unterdrückt. Wo ich es brauche, schneide ich ein Fenster ein...

Pöschl: Ich kann ja auch die massive Fläche von der, wo ich verglasen will, ganz trennen.

Schickhofer: Ja, aber ich kann es machen, wenn ich will, ohne Risiko. Darum geht es ja, dass die Holzbauweise einfacher wird in der Anwendung.

Zuschnitt: Aber ist dann nicht die Gefahr einer Vereinheitlichung, einer wesentlichen Einschränkung gegeben?

Schickhofer: Also, das kann ja nur eine Erweiterung sein, wenn man seine Idee in einem System wiederfindet und damit agieren möchte. Um das geht es. Sie können nicht sagen, es reicht mir, wenn man eine Platte anbietet oder ein Material, Sie werden damit glücklicher werden, wenn man eine Decke anbietet, eine Wand usw., die gut zusammenzufügen sind. Wie der Raum dann ausschaut, das ist dann Architektur, das wird der Architekt bestimmen. Aber ich meine, das sollte man vielleicht in Zukunft woanders hin delegieren, wie die Decke von unten bis oben oder die Wand von innen bis außen auszusehen hat. Hier muss sich der Architekt nicht unbedingt mehr den Kopf zerbrechen. Das heißt, wenn hier Lösungen zur Verfügung gestellt werden, abgestimmt auf ganz bestimmte Produkte, Produktgruppen, dann ist das doch auch ein Vorteil für die Architektur. Eine große Hilfe, um überhaupt vernünftig, auch von den Planungskosten her, einen Holzbau betreiben zu können.

Pöschl: Da gebe ich Ihnen Recht, insofern, als ich im Möbelbau ja auch eine Methode brauche, um zu verbinden. Ich kann alles zusammennageln oder schrauben, aber es gibt auch Dübel, es gibt Scharniere und genau das braucht es im massiven Holzbau auch. Aber es würde mir nicht einfallen, von einem Möbelbausystem zu reden, sondern ich habe ein Plattenmaterial, das kann Bestimmtes, das eine muss ich umleimen, das andere furnieren. Fügetechnik braucht es, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Aber ich würde das nicht als System bezeichnen.

Zuschnitt: Sie haben auch als Tischler ein enormes Vorwissen, viele Architekten haben aber Berührungsängste mit Holzbau. Es gibt eine bauphysikalische Komplexität, wenn man das nicht wirklich beherrscht, kommt man in des Teufels Küche. Dann kommt der vergleichsweise große Planungsaufwand dazu, beides Dinge, die die Leute davon abhalten, in Holz zu bauen. Wenn es jetzt verbindliche Systeme gibt, die mich in meiner Gestaltung als Architekt nicht einschränken, sondern soviel Flexibilität und Anwendungsmöglichkeiten erlauben, dass ich Freiheit habe in meiner Gestaltung, dann wird wahrscheinlich jeder Architekt gerne auf Leitdetails zurückgreifen. Eine Einengung darf es natürlich nicht sein.

Pöschl: Vor 20 Jahren hat der Architekt noch nicht gewusst, wie ein Spanplattenmöbel funktioniert. Da sind an den unmöglichsten Stellen massive Teile vorgekommen. Jetzt weiß das eigentlich jeder, er hat Spanplatten und braucht sie nur zusammenstellen und der Tischler nimmt das richtige Verbindungsmittel. So einfach sollte Holzbau werden in der Anwendung.

Merz: Richtig, nehmen Sie den Betonbau, wenn Sie den Anschluss Decke-Wand haben, dann machen Sie zwei Striche, wieviele Eisen er da hineinlegt, das interessiert sie nicht. Aber im Holzbau müssen Sie sich schon überlegen, geht die Wand durch die Decke, oder liegt die Decke auf, ist sie zwischendrin, geht die Wand außen hoch, wie schließe ich es an…

Schickhofer: Warum muss ich mir das überlegen, wenn die Lösungen da sind?

Pöschl: Beim massiven Holzbau kann das irgendwann einmal so primitiv werden wie bei einem Möbel. Aber was ich verhindern will, ist, dass man wieder in Elementen denkt, in zu komplizierten Einheiten. Man denkt in Materialien, Plattengrößen selbstverständlich, im Möbelbau mache ich das auch, im Hochbau ist es noch ein bisserl strenger, aber es muss im Prinzip so funktionieren. Das Bauen muss auf einem ganz niedrigen Level gehalten werden. Einfach, aber auch ohne die hohen Arbeitsanteile, die die Amerikaner an ihren Systemen haben.

Scheran: Das ist genau der Punkt, dann sind wir bei einer Massenanwendung. Bis jetzt haben Hersteller irgend ein System gemacht, das dann kein Massenartikel geworden ist und wieder irgendwo individuell war. Und ich glaube, die Plattenindustrie muss die Materialien zur Verfügung stellen und die verschiedenen Verbindungen und Anwendungen zeigen, man kann sie für jedes System einsetzen, es funktioniert immer mit den Platten, die wir anbieten.

Schickhofer: Genau, das Problem, das wir jetzt haben, warum der Prozentsatz im Holzbau so niedrig ist, ist eben, dass alle kleinen Unternehmen glauben, sie müssen etwas neu erfinden und dann bleibt das Ganze immer nur regional hängen. Das heißt, wirklich groß wird man, wenn man, wie die Ziegelindustrie, genau nach Strategien vorgeht, einheitlich. Dann habe ich die Möglichkeit, den Prozentsatz zu heben, aber sicherlich nicht von der Breite nach oben, also, das glaube ich nicht. Ich möchte das einmal einwerfen, es muss ein gewisses Diktat kommen.

Merz: Im Moment hat keine Firma oder keine Industrie die Marktmacht, das zu diktieren. Schickhofer Richtig, das wird aber kommen müssen. Andererseits sollte der Architekt gerade bei der Entwicklung dieser Elemente Mitspracherecht haben, mitentwickeln, mitdiskutieren, weil damit auch schlussendlich Architektur gemacht wird.

Pöschl: Ich habe überhaupt kein Problem mit den unterschiedlichen Plattenstärken, Breiten oder Plattengrößen, da ist von einem halben Meter an alles, was man noch heben kann, akzeptabel. Ich glaube, da liegen keine Einschränkungen und da wehren sich die Architekten auch nicht dagegen.

Scheran: Das Wesentliche im Handwerk ist doch das Know how, mit diesen Produkten umzugehen. In Wirklichkeit ist es doch so, der Architekt, der einen Handwerker neben sich hat oder 2 bis 3 Zimmereibetriebe, von denen er weiß, die können mit dem Material umgehen, der setzt alles ein - der hat die Sicherheit und baut auch mit Holz.

Pöschl: Ich sage jetzt einmal ganz polemisch, außer den Platten und langen Schrauben brauche ich nichts. Das ist jetzt übertrieben, aber im Prinzip ist die Tendenz dahingehend.

Schickhofer: Die Zukunft des Holzbaus liegt in einer vernünftigen Reduktion. Welche Materialien sich letztlich durchsetzen werden, ist vielleicht noch nicht bekannt - welche Flächen und Konstruktionssysteme es sein werden. Beide Bauweisen, der Holzleichtbau und der Holzmassivbau haben irgendwie Berechtigung, beide werden eine Schiene fahren, aber beide müssen Reduktion sowohl in den Systemen, den Materialien und den Produkten haben. Wir haben also für den Holzmassivbau jetzt einmal Leitdetails verfasst und ich glaube, das muss sein. Der Architekt, der Ingenieur und auch der Ausführende, die brauchen im Prinzip Lösungen.

Merz: Wobei - das gibt's, das hat jedes Produkt. Wir wenden das nur nicht an, weil wir zu individualistisch sind. Der Architekt, der etwas auf sich hält, will noch etwas Besseres erfinden.

Pöschl: Da gibt es schon auch inhaltliche Überlegungen dazu. Ich will nicht in einem amerikanischen Systemhaus wohnen, ich will einen anderen Raum.

Merz: Es könnten sich 20, 30 Leitdetails beim Holzbau durchsetzen, die jetzt nichts zu tun haben mit dem, was in Nordamerika gemacht wird, die erlauben, Ihre Räume zu bauen.

Schickhofer: Machen wir das doch. Versuchen wir doch, ein produktunabhängiges System aufzubauen.

Merz: Es gibt Bücher vom Bund deutscher Zimmerer - Holzrahmenbau. Die setzen sich nicht als Standard durch.

Scheran: Sie haben absolut recht, Herr Merz, es ist im Grunde unser Problem, dass wir so viele verschiedene Systeme haben, weil jeder Hersteller glaubt, er muss ein System haben. Und wir haben jetzt mit Baudas in eine andere Richtung gedacht. Wir haben gesagt, Baudas ist kein System, sondern wir stellen mehrere Plattenwerkstoffe und Zubehörprodukte zur Verfügung. Wir prüfen diese Bauteile und Konstruktionen und die kann dann jeder einsetzen, wo er sie braucht. Da muss die Industrie hinkommen, wir haben einen sehr hohen Maschinenaufwand, um wirklich industriell und nicht in Einzelstücken zu fertigen.

Merz Für mich ist jede neue Platte, die auf den Markt kommt, eine Bereicherung und erweitert die Palette.

Schickhofer: Jetzt haben wir gerade etwas von Reduktion gehört…

Merz: Wenn ich jetzt zurückdenke 10 Jahre, dann haben wir heute schon viel größere Möglichkeiten. Ich habe Platten, wo ich sogar die Holzart auswählen kann. Das Schöne an diesen Plattenwerkstoffen, sie können ja wirklich auf einen gewissen Zweck hin getrimmt werden. Also wenn Sie versprechen, dass Sie morgen 3 Millionen m² von 70-mm Platten kaufen, dann können Sie Ihre 10.000 Newton pro mm² eben fordern, das ist das Schöne an diesen Produkten, ich habe nicht mehr einfach das Brett, das irgendwo in der Geometrie vorgegeben ist und in seinen Werten, sondern ich kann sagen, trimmt mir ein Produkt auf den Zweck hin.

Scheran: Da müssen wir jetzt unterscheiden zwischen Massenfertigung und Einzelfertigung.

Schickhofer: Für mich sind hier zwei Wege, die gedacht werden müssen, einerseits die Industrie als Lieferant von »Massenprodukten«. Dementsprechend muss man die Märkte definieren und das geht meines Erachtens über diese Reduktion, die wir besprochen haben und über fertige Lösungen. Andererseits natürlich die innovativen Formen des Einsatzes von Holzwerkstoffen, wobei man das auch so sehen muss, diese Innovationen im Bau bringen natürlich auch wiederum den anderen Bereich weiter.

Pöschl: Ich bin der Überzeugung, dass man eigenständige Wege suchen muss für Holz. Nehmen Sie De Stijl und diese Häuser, die aus abstrakten Flächen bestehen. Das kann ich mit Holz viel besser machen als mit Ziegel und mit Beton. Wenn ich z.B. die vertikale Struktur minimiere, nur in dem Maß tragende Flächen nehme, in dem ich sie wirklich brauche, indem ich die allseitige Tragfähigkeit von Brettsperrholz nütze, komme ich zu Lösungen, die wirklich unverwechselbar sind. Das wäre interessant.

Zuschnitt: Es muss also ein Bestreben sein, die Holzfläche autonom werden zu lassen, etwa als massive Fläche, die dann eben auch diese Tragfunktion übernehmen kann?

Pöschl: Man braucht sich nur ein Haus von Mies van der Rohe vorstellen. Mit diesen vertikalen Scheiben, die einen Raum definieren, offenes Haus mit Punktstützen, Flächen. Er macht das mit Stahlrahmen, die er dann verkleidet. Am Schluss erscheint das alles wie eine Fläche. Aber es war keine Fläche, es war eine relativ komplizierte Konstruktion. Wenn man sich so eine Struktur vorstellt, die in Holzflächen, dann kann man durchaus Materialien wechseln. Ich kann jetzt z.B. die horizontalen in OSB nehmen und die vertikalen in Brettsperrholz. Also ich kann innerhalb des Holzes noch differenzieren, dann wären wir, glaube ich, konstruktiv wie räumlich auf einem interessanten Weg. Wenn ich mir ein gemauertes Haus vorstelle mit Lochfassade und das in Holz baue, da kämpft man gegen einen übermächtigen Gegner, denn das kann der Ziegel einfach.

Zuschnitt: Aber ist das nicht genau das, was Herr Dr. Schickhofer als Vorteil behauptet, dass die Fläche im Holzbau mit diesen kompakten Platten vergleichbar einer Lochfassade werden kann, wo man dann eigentlich aus der Fläche nur mehr die Öffnungen ausschneidet? Das ist, soweit ich verstehe, Ihr Ansatz.

Schickhofer: Nein, nein, hier von einem Massivbau eins zu eins auf einen Holzbau umzumünzen, wäre falsch und sicherlich nicht der Weg. Bei zahlreichen Projekten in der Steiermark, die vom Wohnbauträger ursprünglich als Ziegelbau vorgesehen waren, hat das im Holzbau große Probleme gegeben. Ich kann natürlich keine Öffnungen brauchen mit einer Größe über 20%, da habe ich dann definitiv Probleme mit der Wirtschaftlichkeit.

Pöschl: Ich glaube, dass derzeit das Denken in Flächen in massivem Holz einfach nicht vorhanden ist, nicht im Denken von Zimmerleuten. Sie sehen den liegenden Leimbinder, aber sie verstehen nicht, was das ist. Ich glaube, wenn das einmal ins Bewusstsein rückt, auch beim Architekten, dann muss denen ja ein Licht aufgehen. Die Moderne hat das Formale vorgezeigt, aber wie ich dorthinkomme, das haben sie verdrängen müssen. Das brauchen wir jetzt nicht. Ich komme mir immer vor wie einer, der Altbekanntes ausgrabt und jetzt konstruktiv elegant umsetzt, genau so, wie ich jetzt eine Glasfassade machen kann, von der der Gropius nur träumen hat können. Genauso kann man jetzt eben Dächer wirklich genauso dünn schweben lassen. Das hat auch ökonomische Seiten, wenn ich da einen direkten Weg der Konstruktion finde, muss das auch à la longue billiger sein.

Zuschnitt: Aber da geht es jetzt wieder um die Autonomie von Flächen ...

Pöschl: Genau, dass man die Fläche als Fläche behandelt. Wo man natürlich im Widerspruch zur klassischen Moderne kommt, ist in der Materialbehandlung, weil die Moderne eine Abstraktion betrieben hat, die auch das Material neutralisiert hat. Hier sehe ich eigentlich eine Weiterentwicklung, denn diese abstrakten Häuser kriegen mit Holz plötzlich etwas ganz Berührbares. Ich habe viele Leute, die mir gern räumlich folgen, aber die sagen, ich will da nicht so eine coole Bude haben. Ich kann mit so einem Dach leben, ich kann mit dem offenen Raum leben, ich kann mit dem vielen Glas leben, aber ich will nicht in einer Betonstruktur wohnen. Da, finde ich, ist eben Holz ganz etwas Archaisches.

Zuschnitt: Es erstaunt mich immer, dass die Fertighausindustrie dieses Potenzial überhaupt nicht nützt. Dort wird das Holz ja weitgehend versteckt im Leichtbau und so getan, als wäre es ein Massivbau.

Pöschl: Das ist in ganz Amerika so.

Merz: Es entspricht dem Geschmack der Kundschaft, die halt mit dem Massiven das Dauerhafte verbindet.

Scheran: Wenn ich heute das Gleiche, was ich in Massiv baue, als Holzrahmenbau nachbauen müsste, dann bin ich automatisch vergleichbar. Deswegen glaube ich, muss die erste Entscheidung schon eine für eine Holzkonstruktion sein ...

Pöschl: Etwas, das anders ist als das Übliche, das kostet mehr - das funktioniert knallhart. Es denkt keiner nach, wieviel Arbeit ist jetzt das, sondern grundsätzlich, wenn es anders ist, stellt jeder die Haare auf.

Merz: Ich glaube nicht, dass die Preise künstlich hochgehalten werden, eher, dass sie für den Produzenten an der Schmerzgrenze sind. Wieso der Holzbau teurer ist? Weil jeder Holzbau ein Unikat ist. Ein Problem des Holzbaus hier in Mitteleuropa ist die Vielfalt der Systeme. In den USA wird ein Einfamilienhaus im Staat New York so zusammengezimmert wie in Kalifornien.

Pöschl: Die Holzfläche ist der Weg aus dem heraus, ich habe keine Details. Was ich mir wünsche, ist vor allem dieses Bewusstsein, wie einfach das eigentlich sein kann. Momentan hängen wir an komplizierten Vorstellungen vom Holzbau. Es gibt ja eine Methode, um ein Material ins Bewusstsein zu bringen, dass man gezielt Wettbewerbe macht oder Themen stellt. Man sagt, es gibt das Material, mach etwas daraus.

Zuschnitt: So, wie das heute geklungen hat, ist ja der Verbreitung des Holzbaus und einem größeren Marktanteil im Bauen überhaupt keine Grenze gesetzt. Die Frage ist nur, wieso sich das Segment des Holzbaus noch auf diese wenigen Prozente beschränkt?

Pöschl: Weil im Holzbau noch zu traditionell gedacht wird und weil die Massivfläche noch nicht im allgemeinen Bewusstsein ist.

Zuschnitt: Ist es also eine Frage der Zeit?

Scheran: Ja, es ist eine Frage der Zeit.

zuschnitt, Sa., 2001.09.15



verknüpfte Akteure
Schickhofer Gerhard
Merz Konrad
Scheran Walter



verknüpfte Zeitschriften
zuschnitt 03 Flächige Vielfalt

Profil

1972 – 1976 Leitung der väterlichen Tischlerei (1974 Tischlermeister)
Studium an der TU Innsbruck (Diplom 1980)
1979 – 1985 Mitarbeit bei Heinz-Mathoi-Streli,
1985 – 1988 Zusammenarbeit mit Reinhardt Honold
2001 Gründung der „tatanka ideenvertriebsgesmbh“ gemeinsam mit Joseph Bleser und Thomas Thum

Auszeichnungen

Staatspreis für Architektur 2010, Preisträger, Transformation Swarovski Optik KG
Staatspreis Architektur 2008 für Tourismus und Freizeit, Preisträger, Hotel Schwarzer Adler
BTV-Bauherrenpreis für Tirol 2005, Anerkennung, Sporthaus Okay
BTV-Bauherrenpreis für Tirol 2001, Preisträger, Hotel Anton
Holzbaupreis Tirol 2001, Anerkennung, Motorradwerkstatt, Verkauf und Museum

7 | 6 | 5 | 4 | 3 | 2 | 1