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28. Dezember 1999Sandy Lang
Der Standard

Im Lesehimmel über dem Gürtel

Der Spatenstich ist erfolgt, knapp zwei Jahre wird nun gebaut: Was Wiens neue Hauptbücherei dann bieten soll, verriet Alfred Pfoser, Direktor der Städtischen Büchereien, im Gespräch mit Sandy Lang.

Der Spatenstich ist erfolgt, knapp zwei Jahre wird nun gebaut: Was Wiens neue Hauptbücherei dann bieten soll, verriet Alfred Pfoser, Direktor der Städtischen Büchereien, im Gespräch mit Sandy Lang.

„Da gibt es dann ein Bibliothekscafé auf dem Dach, da schwebe ich über dem Gürtel auf einer Riesenterrasse mit Kahlenbergblick. Hier kann ich mich nach dem Lesen zurückziehen, entspannen. Der Gürtel hat Substanz.“ Wenn Alfred Pfoser, seit rund einem Jahr Direktor der Städtischen Büchereien Wien, von der neuen Hauptbibliothek am Neubaugürtel spricht, der er schon jetzt, vor Fertigstellung im Herbst 2001, ein besonderes Flair zuspricht, erinnert er vage an den Bürgermeister in Mira Lobes Städtchen Drumherum.

Nur dass Pfoser mit dem Bau der Hauptbibliothek nicht Grün retten will, wo keines mehr ist, sondern einem Ideal entgegenträumt: Dem Ideal vom kommunizierenden, wissbegierigen Bibliotheksbenutzer als Weltbürger. Dem soll die Neubaugürtel-Bibliothek ein zweites Zuhause werden. Dafür muss man freilich „erste Barrieren im Kopf“ überspringen: Zu weit von der Innenstadt entfernt? - „Mit den Öffis ideal erreichbar.“ Smog? - „Am Gürtel pfeift immer der Wind.“ - Lärmbelästigung? - „Schallschutz: Lesen auf einer Insel der Stille mitten im Lärm der Stadt!“

Ein Idyll mit realen Chancen: Das 360-Millionen-Schilling-Projekt der Stadt Wien stemmt sich „gegen die Verslumung der Gürtelzone“. Revitalisierung, durchaus auch im Sinn der Zusammenführung verfeindeter Städter „diesseits und jenseits der Bildungsdemarkationslinie Innere Stadt.“ Pfoser will aufräumen mit dem unliebsamen Image einer „Bücherei, die ausschließlich mit Kindern und älteren Leuten, die Unterhaltungsliteratur lesen, assoziiert wird.“ Was er anstrebt, ist eine Bibliothek als meditatives Lese- und Informations-Zentrum. Ein soziales Fortbildungswunder im grauen Drumherum.

Das von Architekt Ernst Mayr entworfene, 150 m langgestreckte Bibliotheksgebäude, (im Design nicht unähnlich einer etwas klobigen Fernbedienung), schließt an die Membranüberdachung des Urban-Loritz-Platzes an. Zu beiden Gürtelfahrbahnen weitgehend geschlossene Fassade, südseitig Glas und eine riesige Freitreppe („Büchertreppe“), über die man von außen die 2000m² Dachterrasse erklimmen kann.


Mailen bis in die Nacht

Ins Innere der zwei Bibliotheksgeschoße gelangt man bequemer über die U-Bahn-Lifthalle. Der zeitbewusste Bibliotheksbenützer wird sich verstanden fühlen: 50 Arbeitsplätze mit Internetanschluss, ein elektronischer Leseraum („Pressezentrum“) mit Links zu internationalen Zeitungen, die „Open Acces Area“ soll bis 23 Uhr geöffnet bleiben. Aus den 300.000 Titeln der „gläsernen Bibliothek“ kann der Benützer via PC aber auch daheim auswählen, bestellen, verlängern.

„Ein starkes Marketing der Büchereien ist verabsäumt worden“, erklärt sich der Direktor, dass bisher so vielen Literaturfreunden, wenn sie etwa bei Leseveranstaltungen vor verlockenden Büchertischen standen und ihre begrenzten Finanzmittel bedauerten, der Gedanke an Büchereien kaum aufkam.

Dass Ausborgen auch in Zeiten des forcierten Kaufzwangs nicht out sein muss, belegen die siebzig Prozent der derzeit eingeschriebenen 104.000 Bibliotheksbenutzer unter Dreißig. Pfosers neues Konzept für die Hauptbibliothek setzt nach Stuttgarter Vorbild neben der preisgünstigen Lesechance aber noch auf weitere Attraktionen:

Ein Spezialservice für Arbeitssuchende (Online-Arbeitsmarktinfos und Hilfen bei Bewerbungsschreiben) zählt dazu, ein „Sonderservice Bestenliste“, ein Kindermedienzentrum und nicht zuletzt literarische Aktivitäten: Poetry Slams im Net, auch Lesungen internationaler Autoren. Denn: „Das Literatur-Publikum hält sich nicht an nationale Grenzen. Was wir Einrichtungen wie dem Literaturhaus voraushaben: Wir verfügen über einen historischen wie international breitgestreuten Bestand an Büchern.“ Ein Aktivposten, der, wenn die „raffinierten Lichtführungen, der weite Blick zum Wienerwald“ den Direktor nicht selbst zu sehr ablenken, konsequent genutzt werden soll.

Der Standard, Di., 1999.12.28



verknüpfte Bauwerke
Hauptbücherei Wien

24. Juli 1999Sandy Lang
Der Standard

Der „Schwarze Diamant“ der Dänen

Kopenhagen beweist: Eine Bibliothek muß nicht protzig sein wie die neue Bibliothèque Nationale in Paris. Sie muß das „Gedächtnis der Nation“ nicht in einen Tiefspeicher versenken wie Österreichs Nationalbibliothek. Sie kann auch frisch sein, geräumig und einladend für jeden.

Kopenhagen beweist: Eine Bibliothek muß nicht protzig sein wie die neue Bibliothèque Nationale in Paris. Sie muß das „Gedächtnis der Nation“ nicht in einen Tiefspeicher versenken wie Österreichs Nationalbibliothek. Sie kann auch frisch sein, geräumig und einladend für jeden.

„Sie befinden sich in der rechten Herzkammer der Bibliothek, von hier geht es durch die Aorta in die große - Ausstellungshalle.“ Erland Kolding Nielsen, seit dreizehn Jahren Generaldirektor der Königlichen Bibliothek Dänemark, ist begeisterungsfähig. Momentan schlägt sein Herz (bei leichter Schwäche für alte Grönland-Expeditionsberichte) für 21.000 qm Beton, Glas und Stahl: Die Dänen nennen ihr soeben fertiggestelltes, Anfang September in Betrieb gehendes Bibliotheksgebäude, das architektonisch Rücken an Rücken mit der alten Königlichen Bibliothek steht, den „Schwarzen Diamanten“.

Von einem „Schmuckkästchen“ spricht etwas bescheidener Architekt Bjarne Hammer. Hochpolierter Granit aus Zimbabwe läßt die Fassade spiegeln. Monolithisch, rätselhaft thront der Bau, in dem bald zwei Millionen Bücher Einkehr halten, am Kopenhagener Hafen.

Er soll für intelligente Funktionalität stehen. Bei 250 PC-Arbeitsplätzen mit Internetanschluß, großräumigen Lesesälen mit indirektem Licht durch die verglaste Atriumshalle, fünf Ausstellungsräumen und einer 600 qm großen High-Tech-Mehrzweckhalle für Konzerte, Lesungen, Symposien etc. gewichtet die Bibliothek Forschung und kulturelle Vitalität gleichermaßen. Nicht vergessen hat Bjarne Hammer auf die Cafeteria, „in der man sich dann verlieben kann“, so Ex-Kulturministerin Jytte Hilden, die das Veranstaltungsprogramm im „Schwarzen Diamanten“ - die Namensgebung ist ihre Erfindung - leiten wird.

„Erstmals öffnet sich die Königliche Bibliothek der Arbeiterklasse“, konkretisiert Hilden den sozialen Anspruch der neuen Nationalbibliothek. Schon in den 80er Jahren hat das lutherische Dänemark den Kulturauftrag der nationalen Institutionen zeitgemäß umformuliert und mit der Modernisierung der Bibliotheken begonnen. Der Durchschnittsdäne entlehnt inzwischen 4,4 Bücher pro Jahr, der Durchschnittsösterreicher nur 2,2, also genau die Hälfte.


Europas Aufbruch

Europaweit besinnt man sich auf die Bibliothek als modernes Informationszentrum. Für viele Bürger bergen diese Einrichtungen die Chance einer ersten Begegnung mit dem Internet, Surf- und E-Mail-Erkundungen. Auch demokratiepolitisch sind die Bibliotheken, ihre Offenheit gegenüber einem vom jeweiligen Bildungsstand unabhängigen Publikum, unverzichtbar.

Weder in der Serviceleistung für junge Leute noch in der Präsentation von Kulturgut will Nielsen „Halbherzigkeiten“. Im neuen Gebäude, das knapp eine Milliarde Schilling kostete, ist „Verlebendigung“ das Motto: Die Bibliothek soll zum kulturellen Zentrum der Stadt werden. Architektonisch erhofft man sich vom „Schwarzen Diamanten“ zugleich ein Wahrzeichen für Kopenhagen „wie der Eiffelturm für Paris“.

In Dänemark beschwört man den Kulturauftrag nationaler Institutionen nicht nur in Reden, man tut auch einiges dafür. Unweit des Zentrums wurde am ehemaligen Schiffswerftgelände ein Universitätscampus errichtet, der mit einem Film-, Theater- und Architekturzentrum technisch wie inhaltlich alles bietet. Auch Regisseur Lars von Trier kehrt gerne an seine ehemalige Ausbildungsstätte zurück, um dort ein Filmprojekt zu realisieren.


Anschluß an Malmö

Im Jahr 2000 wird die acht Kilometer lange, zweistöckige „Øresund-Brücke“ Kopenhagen mit dem schwedischen Malmö verbinden. Dann sollen auch die schwedischen Studenten vermehrt den „Schwarzen Diamanten“ aufsuchen, um etwa die Originalmanuskripte von Inger Christensen, Hans Christian Andersen oder Søren Kierkegaard einzusehen. Oder gar Poma d'Ayalas Inka-Chronik von 1610. Stattliche Sammlungen (illegale Publikationen während der deutschen Besatzung '40-'45, eine Sammlung von mehr als 25.000 Kunstfotos seit 1839) stehen bereit. Tycho Brahes „großen Stahlquadranten von 1598“ kann man via Website (www.kb.dk) auch einfach so bewundern.

Bei einer Besichtigung pilgerte ein kleiner Trupp internationaler Journalisten staunend durch die lichtdurchflutete Atrium-Eingangshalle des „Schwarzen Diamanten“ über eine breite Rolltreppe zum Hauptlesesaal und begutachtete die Verbindungsbrücke, über die man vom neuen zum alten Gebäude setzt: Klein-Metropolis. Was äußerlich für manche vielleicht einem Sarkophag ähneln mag (Nielsen: „Das ist Geschmackssache.“), im Inneren ist es ein Ort der abenteuerlichen Muße.

Der Standard, Sa., 1999.07.24



verknüpfte Bauwerke
Königliche Bibliothek - Erweiterung

Presseschau 12

28. Dezember 1999Sandy Lang
Der Standard

Im Lesehimmel über dem Gürtel

Der Spatenstich ist erfolgt, knapp zwei Jahre wird nun gebaut: Was Wiens neue Hauptbücherei dann bieten soll, verriet Alfred Pfoser, Direktor der Städtischen Büchereien, im Gespräch mit Sandy Lang.

Der Spatenstich ist erfolgt, knapp zwei Jahre wird nun gebaut: Was Wiens neue Hauptbücherei dann bieten soll, verriet Alfred Pfoser, Direktor der Städtischen Büchereien, im Gespräch mit Sandy Lang.

„Da gibt es dann ein Bibliothekscafé auf dem Dach, da schwebe ich über dem Gürtel auf einer Riesenterrasse mit Kahlenbergblick. Hier kann ich mich nach dem Lesen zurückziehen, entspannen. Der Gürtel hat Substanz.“ Wenn Alfred Pfoser, seit rund einem Jahr Direktor der Städtischen Büchereien Wien, von der neuen Hauptbibliothek am Neubaugürtel spricht, der er schon jetzt, vor Fertigstellung im Herbst 2001, ein besonderes Flair zuspricht, erinnert er vage an den Bürgermeister in Mira Lobes Städtchen Drumherum.

Nur dass Pfoser mit dem Bau der Hauptbibliothek nicht Grün retten will, wo keines mehr ist, sondern einem Ideal entgegenträumt: Dem Ideal vom kommunizierenden, wissbegierigen Bibliotheksbenutzer als Weltbürger. Dem soll die Neubaugürtel-Bibliothek ein zweites Zuhause werden. Dafür muss man freilich „erste Barrieren im Kopf“ überspringen: Zu weit von der Innenstadt entfernt? - „Mit den Öffis ideal erreichbar.“ Smog? - „Am Gürtel pfeift immer der Wind.“ - Lärmbelästigung? - „Schallschutz: Lesen auf einer Insel der Stille mitten im Lärm der Stadt!“

Ein Idyll mit realen Chancen: Das 360-Millionen-Schilling-Projekt der Stadt Wien stemmt sich „gegen die Verslumung der Gürtelzone“. Revitalisierung, durchaus auch im Sinn der Zusammenführung verfeindeter Städter „diesseits und jenseits der Bildungsdemarkationslinie Innere Stadt.“ Pfoser will aufräumen mit dem unliebsamen Image einer „Bücherei, die ausschließlich mit Kindern und älteren Leuten, die Unterhaltungsliteratur lesen, assoziiert wird.“ Was er anstrebt, ist eine Bibliothek als meditatives Lese- und Informations-Zentrum. Ein soziales Fortbildungswunder im grauen Drumherum.

Das von Architekt Ernst Mayr entworfene, 150 m langgestreckte Bibliotheksgebäude, (im Design nicht unähnlich einer etwas klobigen Fernbedienung), schließt an die Membranüberdachung des Urban-Loritz-Platzes an. Zu beiden Gürtelfahrbahnen weitgehend geschlossene Fassade, südseitig Glas und eine riesige Freitreppe („Büchertreppe“), über die man von außen die 2000m² Dachterrasse erklimmen kann.


Mailen bis in die Nacht

Ins Innere der zwei Bibliotheksgeschoße gelangt man bequemer über die U-Bahn-Lifthalle. Der zeitbewusste Bibliotheksbenützer wird sich verstanden fühlen: 50 Arbeitsplätze mit Internetanschluss, ein elektronischer Leseraum („Pressezentrum“) mit Links zu internationalen Zeitungen, die „Open Acces Area“ soll bis 23 Uhr geöffnet bleiben. Aus den 300.000 Titeln der „gläsernen Bibliothek“ kann der Benützer via PC aber auch daheim auswählen, bestellen, verlängern.

„Ein starkes Marketing der Büchereien ist verabsäumt worden“, erklärt sich der Direktor, dass bisher so vielen Literaturfreunden, wenn sie etwa bei Leseveranstaltungen vor verlockenden Büchertischen standen und ihre begrenzten Finanzmittel bedauerten, der Gedanke an Büchereien kaum aufkam.

Dass Ausborgen auch in Zeiten des forcierten Kaufzwangs nicht out sein muss, belegen die siebzig Prozent der derzeit eingeschriebenen 104.000 Bibliotheksbenutzer unter Dreißig. Pfosers neues Konzept für die Hauptbibliothek setzt nach Stuttgarter Vorbild neben der preisgünstigen Lesechance aber noch auf weitere Attraktionen:

Ein Spezialservice für Arbeitssuchende (Online-Arbeitsmarktinfos und Hilfen bei Bewerbungsschreiben) zählt dazu, ein „Sonderservice Bestenliste“, ein Kindermedienzentrum und nicht zuletzt literarische Aktivitäten: Poetry Slams im Net, auch Lesungen internationaler Autoren. Denn: „Das Literatur-Publikum hält sich nicht an nationale Grenzen. Was wir Einrichtungen wie dem Literaturhaus voraushaben: Wir verfügen über einen historischen wie international breitgestreuten Bestand an Büchern.“ Ein Aktivposten, der, wenn die „raffinierten Lichtführungen, der weite Blick zum Wienerwald“ den Direktor nicht selbst zu sehr ablenken, konsequent genutzt werden soll.

Der Standard, Di., 1999.12.28



verknüpfte Bauwerke
Hauptbücherei Wien

24. Juli 1999Sandy Lang
Der Standard

Der „Schwarze Diamant“ der Dänen

Kopenhagen beweist: Eine Bibliothek muß nicht protzig sein wie die neue Bibliothèque Nationale in Paris. Sie muß das „Gedächtnis der Nation“ nicht in einen Tiefspeicher versenken wie Österreichs Nationalbibliothek. Sie kann auch frisch sein, geräumig und einladend für jeden.

Kopenhagen beweist: Eine Bibliothek muß nicht protzig sein wie die neue Bibliothèque Nationale in Paris. Sie muß das „Gedächtnis der Nation“ nicht in einen Tiefspeicher versenken wie Österreichs Nationalbibliothek. Sie kann auch frisch sein, geräumig und einladend für jeden.

„Sie befinden sich in der rechten Herzkammer der Bibliothek, von hier geht es durch die Aorta in die große - Ausstellungshalle.“ Erland Kolding Nielsen, seit dreizehn Jahren Generaldirektor der Königlichen Bibliothek Dänemark, ist begeisterungsfähig. Momentan schlägt sein Herz (bei leichter Schwäche für alte Grönland-Expeditionsberichte) für 21.000 qm Beton, Glas und Stahl: Die Dänen nennen ihr soeben fertiggestelltes, Anfang September in Betrieb gehendes Bibliotheksgebäude, das architektonisch Rücken an Rücken mit der alten Königlichen Bibliothek steht, den „Schwarzen Diamanten“.

Von einem „Schmuckkästchen“ spricht etwas bescheidener Architekt Bjarne Hammer. Hochpolierter Granit aus Zimbabwe läßt die Fassade spiegeln. Monolithisch, rätselhaft thront der Bau, in dem bald zwei Millionen Bücher Einkehr halten, am Kopenhagener Hafen.

Er soll für intelligente Funktionalität stehen. Bei 250 PC-Arbeitsplätzen mit Internetanschluß, großräumigen Lesesälen mit indirektem Licht durch die verglaste Atriumshalle, fünf Ausstellungsräumen und einer 600 qm großen High-Tech-Mehrzweckhalle für Konzerte, Lesungen, Symposien etc. gewichtet die Bibliothek Forschung und kulturelle Vitalität gleichermaßen. Nicht vergessen hat Bjarne Hammer auf die Cafeteria, „in der man sich dann verlieben kann“, so Ex-Kulturministerin Jytte Hilden, die das Veranstaltungsprogramm im „Schwarzen Diamanten“ - die Namensgebung ist ihre Erfindung - leiten wird.

„Erstmals öffnet sich die Königliche Bibliothek der Arbeiterklasse“, konkretisiert Hilden den sozialen Anspruch der neuen Nationalbibliothek. Schon in den 80er Jahren hat das lutherische Dänemark den Kulturauftrag der nationalen Institutionen zeitgemäß umformuliert und mit der Modernisierung der Bibliotheken begonnen. Der Durchschnittsdäne entlehnt inzwischen 4,4 Bücher pro Jahr, der Durchschnittsösterreicher nur 2,2, also genau die Hälfte.


Europas Aufbruch

Europaweit besinnt man sich auf die Bibliothek als modernes Informationszentrum. Für viele Bürger bergen diese Einrichtungen die Chance einer ersten Begegnung mit dem Internet, Surf- und E-Mail-Erkundungen. Auch demokratiepolitisch sind die Bibliotheken, ihre Offenheit gegenüber einem vom jeweiligen Bildungsstand unabhängigen Publikum, unverzichtbar.

Weder in der Serviceleistung für junge Leute noch in der Präsentation von Kulturgut will Nielsen „Halbherzigkeiten“. Im neuen Gebäude, das knapp eine Milliarde Schilling kostete, ist „Verlebendigung“ das Motto: Die Bibliothek soll zum kulturellen Zentrum der Stadt werden. Architektonisch erhofft man sich vom „Schwarzen Diamanten“ zugleich ein Wahrzeichen für Kopenhagen „wie der Eiffelturm für Paris“.

In Dänemark beschwört man den Kulturauftrag nationaler Institutionen nicht nur in Reden, man tut auch einiges dafür. Unweit des Zentrums wurde am ehemaligen Schiffswerftgelände ein Universitätscampus errichtet, der mit einem Film-, Theater- und Architekturzentrum technisch wie inhaltlich alles bietet. Auch Regisseur Lars von Trier kehrt gerne an seine ehemalige Ausbildungsstätte zurück, um dort ein Filmprojekt zu realisieren.


Anschluß an Malmö

Im Jahr 2000 wird die acht Kilometer lange, zweistöckige „Øresund-Brücke“ Kopenhagen mit dem schwedischen Malmö verbinden. Dann sollen auch die schwedischen Studenten vermehrt den „Schwarzen Diamanten“ aufsuchen, um etwa die Originalmanuskripte von Inger Christensen, Hans Christian Andersen oder Søren Kierkegaard einzusehen. Oder gar Poma d'Ayalas Inka-Chronik von 1610. Stattliche Sammlungen (illegale Publikationen während der deutschen Besatzung '40-'45, eine Sammlung von mehr als 25.000 Kunstfotos seit 1839) stehen bereit. Tycho Brahes „großen Stahlquadranten von 1598“ kann man via Website (www.kb.dk) auch einfach so bewundern.

Bei einer Besichtigung pilgerte ein kleiner Trupp internationaler Journalisten staunend durch die lichtdurchflutete Atrium-Eingangshalle des „Schwarzen Diamanten“ über eine breite Rolltreppe zum Hauptlesesaal und begutachtete die Verbindungsbrücke, über die man vom neuen zum alten Gebäude setzt: Klein-Metropolis. Was äußerlich für manche vielleicht einem Sarkophag ähneln mag (Nielsen: „Das ist Geschmackssache.“), im Inneren ist es ein Ort der abenteuerlichen Muße.

Der Standard, Sa., 1999.07.24



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