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07. November 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Lebensraum mit Auwaldblick

Ein unprätentiöses Familiendomizil, in dem die Natur als Teil des Wohnerlebnisses präsent ist, gewann vor kurzem den Holzbaupreis Kärnten 2009. Der naheliegende Wald war mit gestaltgebend.

Ein unprätentiöses Familiendomizil, in dem die Natur als Teil des Wohnerlebnisses präsent ist, gewann vor kurzem den Holzbaupreis Kärnten 2009. Der naheliegende Wald war mit gestaltgebend.

An der südöstlichen Gemeindegrenze von Klagenfurt wurde Familie G. auf der Suche nach einem Grundstück mit unverbaubarem Blick fündig. In der Nähe des Bauplatzes mündet die Glanfurt, der einzige Abfluss des Wörthersees, in die Glan. Das Ufer ist von einer Aulandschaft, die als Ausblick schwer zu überbieten ist, gesäumt. Es lag für die Bauherren wie für den Planer nichts näher, als den Baustoff Holz zu verwenden. „Der Auwald hat gestaltgebende Qualität“, erklärt Architekt Dietger Wissounig. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand der Alltag der schwerstbehinderten zehnjährigen Toch-ter, und gleichzeitig die Lebensqualität der vierköpfigen Familie. Rollstuhltauglichkeit im und rund um das Haus war eines der Kriterien: Vom Carport, der mit dem Haupthaus verbunden ist, gelangt man über einen Steg zum verschlossen wirkenden Zugangsbereich an der Nordseite des Gebäudes. Im Empfangsbereich wurde Platz für einen Hausgarten, der durch eine Öffnung in der Decke mit Tageslicht und Regenwasser versorgt wird, geschaffen. Ein zweiter Eingang an der Nordseite führt in eine Einliegerwohnung, die derzeit als Gästeunterkunft und für Therapiezwecke genutzt wird und bei Bedarf vermietet werden könnte.

„Aus meiner beruflichen Tätigkeit weiß ich, dass oft nur eine einzige Treppe die gesamte Familie einer in der Mobilität eingeschränkten Person zur Verzweiflung bringt,“ erzählt der Bauherr. Die Übergänge auf die Terrassen, die Umfahrbarkeit des Hauses mit Rollstuhl sowie Details in Bad und WC zählen zu den Maßnahmen der Barrierefreiheit im Haus, die genauso unaufdringlich wie selbstverständlich in das Raumgefüge integriert wurden. Da sich das Mädchen viel auf dem Boden aufhält, war auch eine Fußbodenheizung logische Konsequenz in der Planung des Architekten, der bereits mit dem Bau von Pflege- und Altenheimen auf sich aufmerksam machte.

Im Zentrum des Gebäudes befindet sich ein großzügig angelegter Essbereich, der vom Architekten als „Sammel- und Verteilungsraum“ angedacht wurde. Gerade wenn Gäste im Haus sind, lassen sich von hier aus die reibungsfreien Bewegungsströme der Bewohner gut beobachten. Nach dem Prinzip des offenen Wohnens wandert der Blick durch das fließende Raumkontinuum, das Funktionen wie Kochen, Essen, Wohnen zuordnet und durch Sichtbeziehungen an den richtigen Stellen Offenheit und Überblick über das Geschehen verschafft. Durch die Einschnitte im baulichen Ensemble, die als Außenraum genutzt werden, fällt das Tageslicht regelrecht verschwenderisch in die Räume. Sogar der begehbare Schrank wird mittels Oberlichte mit natürlichem Licht versorgt.

Einer der gemeinsamen Lieblingsplätze ist die südseitige Terrasse, die als Erweiterung des Wohn- und Essraumes dient und selbst bei Regenwetter genutzt werden kann. Ein eigenes Sauna- häuschen und ein Schwimmteich davor steigern den Wohlfühlfaktor des behaglichen Zuhauses. Auf Sichtschutz vor der raumhohen Verglasung wurde konsequent verzichtet, da die Bewohner weder den Blick in die Landschaft noch auf den nächtlichen Sternenhimmel missen möchten.

In nur sieben Monaten Bauzeit wurde das preisgekrönte Domizil, das via Solaranlage und Erdwärme versorgt wird, errichtet. Ein Jahr nach dem Einziehen hat das Lärchenholz an der Westseite an Patina gewonnen und beginnt witterungsbedingt zu ergrauen. „In den überdachten Einschnitten wird das Holz seinen rötlichen Farbton behalten“, freut sich der Bauherr über das Nebeneinander unterschiedlicher Entwicklung.

Der Standard, Sa., 2009.11.07



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Haus Gunhold

03. Oktober 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Schokobox mit weißer Füllung

Hinter der rotbraunen Hülle des Wochenendhauses InSideOut des Wiener Büros arquitectos verbirgt sich ein offenes und lichtdurchflutetes Raumgefüge mit überraschenden Ein- und Ausblicken.

Hinter der rotbraunen Hülle des Wochenendhauses InSideOut des Wiener Büros arquitectos verbirgt sich ein offenes und lichtdurchflutetes Raumgefüge mit überraschenden Ein- und Ausblicken.

Schauplatz ist eine oststeirische Marktgemeinde, in der die hügelige Landschaft eine mehr als perfekte Kulisse darstellt. Die Architektur des Ortes ist ein Sammelsurium aus Einfamilienhäusern, alten Bauernhöfen und ganz profanen Nutzbauten. In unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Scheune führt die minimalistische Wochenend-Kiste InSideOut ein auffällig unauffälliges Komparsen-Dasein.

„Wir haben beschlossen, das Haus einzuwickeln“, sagt Architektin Heidi Pretterhofer über die dunkle, homogene Hülle des Gebäudes. Bei näherer Betrachtung tritt an der Fassade eine charakteristische Struktur hervor. Des Rätsels Lösung liegt auf dem flach geneigten Satteldach: Die schokofarbene Dachpappe mit ihrer überaus textilen Haptik wurde wie ein Kleid über den gesamten Holzbau nach unten gezogen. Die bestechend simple Entscheidung wirkte sich nicht nur auf die Optik aus, sondern auch aufs Baubudget. Vor sämtliche Türen und Fenster wurden zudem Metallverblendungen aus Bronzedraht angebracht. Der Low-Budget-Sonnenschutz hängt wie ein Bild an der Fassade.

Nach dem Betreten des Hauses ändert sich der Eindruck schlagartig. Was eben noch dunkel und introvertiert schien, entpuppt sich nun als helles, fließendes Raumgefüge aus Sichtbeton, Glas und weißen Wänden. Man wähnt sich im Freien. Der starke Außenbezug war einer der Hauptwünsche der Grazer Bauherren und somit bestimmendes Entwurfsthema.

Die Entscheidung, das Haus auf die Wiese zu setzen und das Raumprogramm horizontal unterzubringen, anstatt die angepeilten hundert Quadratmeter Wohnfläche auf zwei Ebenen aufzuteilen, war mindestens genauso schnell gefällt. In der Mitte des Wohnraumes, der viel Bewegungsfreiheit und Nutzungsflexibilität ermöglicht, wurde ein Kachelofen eingebaut. In der kälteren Jahreszeit wird er das Haus in zentraler Lage beheizen.

Die Schlafräume, die sich in den gegenüberliegenden Ecken des Gebäudes befinden, sind vom großflächigen Wohnraum durch filzbespannte Schiebetüren abgetrennt - ein Hauch materieller Wärme im sonst kühl gehaltenen Innenleben. An zwei Stellen ist der nahezu quadratische Grundriss eingestülpt. Die verglasten Einschnitte dienen nicht nur der natürlichen Belichtung, sondern werden auch als Patio genutzt. „Die zwei kleinen Höfe erlauben eine sehr intime Außenraumnutzung und sind die räumliche Schnittstelle zum Garten“, erklärt die Architektin.

Fußboden folgt Hanglage

Rechte Winkel sucht man vergeblich, denn das gesamte Gebäude ist von Schrägen und überaus subtilen Abweichungen geprägt. Der Holzbaumeister, der in der Ausführungsphase sehr genau arbeiten musste, sinnierte bereits, die Architektin nach Abschluss der Arbeiten mit einem Geodreieck auszustatten. Doch dazu kam es nicht, denn diese hatte eine plausible Erklärung parat: „Die schrägen Wände und die Treppung der Innenräume sind eine Reaktion auf die leichte Hanglage des Grundstücks“, so Pretterhofer, „daraus ergeben sich unterschiedliche Raumhöhen sowie die innere Gliederung des Hauses.“

Die dreiteilige Abstufung führt vom Eingangsbereich im Westen über in den mittleren Teil, wo sich die Infrastruktur des Hauses befindet, bis zum offenen Patio, der auf der Ostseite des Gebäudes als Essbereich im Freien genützt wird. Der schwebende Betonkranz entlang der Hausmauer fungiert übrigens nicht nur als Verbindungsweg zur Südseite, sondern kann gleichzeitig als Sitzbank für lauschige Abende genutzt werden.

Und dann war da noch das Bronzegitter. Allen Erwartungen zum Trotz wirkt der flächige Sonnenschutz keineswegs wie eine optische Barriere. Vielmehr wird der Raum dadurch in unterschiedliche Lichtstimmungen getaucht. Wie sich das spätherbstliche und winterliche Licht auf das Ambiente auswirkt, wird in der Schokobox heuer erstmals live erprobt.

Der Standard, Sa., 2009.10.03



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InSideOut

19. September 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Landschaft, erste Reihe fußfrei

Haus F. ist wie ein Fernseher mit Blick ins Murtal. Über eine elf Meter breite Front fließt die Natur in den Innenraum. Und das Schönste: Der Planungsprozess beflügelte die Bauherren zu ungeahnter Courage.

Haus F. ist wie ein Fernseher mit Blick ins Murtal. Über eine elf Meter breite Front fließt die Natur in den Innenraum. Und das Schönste: Der Planungsprozess beflügelte die Bauherren zu ungeahnter Courage.

Eigentlich waren die beiden ja auf der Suche nach einem anlagetauglichen Grundstück in der Nähe von Graz. Doch dann kam alles anders. Beeindruckt von der idyllisch bäuerlichen Landschaft und unterstützt vom inneren Eigenheimwunsch der Baufrau, wurde eine reine Geldanlage als absolute Verschwendung empfunden. Prompt wurde ein Fertighaus in Betracht gezogen. Als die beiden jedoch feststellten, dass sich die individuellen Wohnwünsche nicht in die vorgegebenen Strukturen eines Fertigteilbaus zwängen ließen, wurde auch dieser Plan verworfen.

Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Grazer Architekten Gerhard Mitterberger regte sich bei Herrn F. allmählich Begeisterung für die neue Materie. Ein gemeinsamer Besuch eines Hi-Fi-Shops als Startschuss für den Planungsprozess ließ den musikbegeisterten Bauherrn für die individuellen Möglichkeiten moderner Architektur hellhörig werden. Mittlerweile kennt er jede Ecke des Hauses und erzählt mit Hingabe von Proportionen, Konstruktionen und bautechnischen Details.

Ein starker Bezug zur Natur und der Einsatz natürlicher, heimischer Baustoffe war von Anfang an gewünscht. Über einen hangseitigen Carport, der gleichzeitig als erweiterter Lebensraum dient, betritt man das aus Massivholz errichtete Wohngeschoß. „Wir sitzen hier in der ersten Reihe fußfrei“, sagt Architekt Mitterberger, „diese einzigartige Situation musste auf jeden Fall genutzt werden.“ Nach Südwesten gibt es eine elf Meter lange Fensterfront, sieben Meter davon sind durchgehend öffenbar. „Das Kochen wird hier zum reinsten Vergnügen“, berichtet die Baufrau. Mit Aussicht in das Murtal wähnt man sich einem Gartenpavillon.

Mut zu neuen Lösungen

Die räumliche Abfolge ist einfach, direkt und transparent: Die zentrale Wohnküche geht in das Badezimmer mit dahinterliegender Sauna über. Im Anschluss daran liegt das Schlafzimmer. Unterschiedlich definierte Aussichtsbereiche ermöglichen den Blick in die Landschaft von Sofa, Bett und Badewanne gleichermaßen.

In einigen Bereichen des Hauses wurde den Bauherren viel Courage abverlangt - beispielsweise beim Bad im Gästebereich, das zur Gänze schwarz verfliest wurde. „Früher hätten wir uns das nie getraut“, erzählen Herr und Frau F., die durch die Arbeit mit dem Architekten mutiger wurden und nach wie vor zu ihren Entscheidungen stehen. Dazu zählt auch der durchgängige sonnengelbe Epoxyboden im Gartengeschoß. „Die kräftige Farbe ist ein Kontraktpunkt zu den Sichtbetonwänden“, erklärt Architekt Mitterberger.

Über die mit Holzstrukturschalung gefertigte Betonwand, die das Rückgrat des Hauses bildet, ist das Gebäude mit dem Hang verankert. Ansonsten ist von der Statik im Innenraum nicht viel zu sehen. Dafür gibt es zwei Feuerstellen, die durch eine zweigeschoßige Sonderkonstruktion des Architekten ermöglicht wurden. Oben funktioniert der Ofen wie ein Tablett, unten wärmt eine drehbare Kugel den Rücken. Gerne experimentieren die Bauherren mit den feinen Gerüchen unterschiedlicher Brennhölzer.

Draußen in der Wiese, unmittelbar vor dem Home-Office des Bauherrn, befindet sich ein Teich, der mit offener Dachentwässerung und Wasserfall für Ablenkung sorgt. „Wir bemühen uns, zu Hause zu arbeiten, aber manchmal ist das hier überaus schwierig“, gestehen die Bewohner. Der Blick der Baufrau schweift über Liegestühle in den Garten, wo sich ein Kraftplatz mit beachtlichen Energiewerten befindet. Und ja, still ist es hier. Das begehrte Hi-Fi-Sound-System hat bis zum heutigen Tag Funkstille.

Der Standard, Sa., 2009.09.19



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Haus F.

04. Juli 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Die hohe Kunst des Schattenspiels

Das Grazer Architekturbüro Balloon hat ein Haus mit verschiebbaren Sonnenschutzelementen geplant. Man blickt hinaus auf saftige Weiden - oder zieht sich hinter künstlerisch gestaltete Schattenspender zurück.

Das Grazer Architekturbüro Balloon hat ein Haus mit verschiebbaren Sonnenschutzelementen geplant. Man blickt hinaus auf saftige Weiden - oder zieht sich hinter künstlerisch gestaltete Schattenspender zurück.

Wer sich in der Gemeinde Passail niederlässt, der ist gut beraten, sich nicht in den eigenen vier Wänden zu verkriechen. Die schöne Landschaft, rund 50 Kilometer nördlich von Graz gelegen, lockt nämlich mit einer Besonderheit der Superlative: Es ist das größte zusammenhängende Almweidegebiet Mitteleuropas und dementsprechend saftig grün.

Doch die Gefahr des Sich-Verschanzens bestand bei den beiden sport- und naturbegeisterten Bauherren Gerald und Waltraud Novak keineswegs. Als sie sich zum Bauen entschlossen, waren die Wünsche an das neue Zuhause klar formuliert: Man wollte einen guten Übergang in die Natur, eine Sauna, offenes Feuer im Wohnraum sowie genügend Raum für Gäste, wenn die Familie zu Besuch ist.

Das Grazer Architekturbüro Balloon stellte sich als Glücksgriff heraus. „Die Architekten sind mit einem Modell angerückt. Das hat uns sofort überzeugt“, erzählt der Bauherr. Platziert wurde das Haus an der höchsten Stelle des leicht ansteigenden Hanggrundstücks. Seitlich verschwindet die Garage unauffällig in der Böschung.

„Wir haben uns bemüht, das Haus so kompakt wie möglich zu halten“, erklärt Architekt Johannes Wohofsky von Balloon. Das Untergeschoß mit seinem einladenden verglasten Eingang beherbergt neben dem Ordinationszimmer den Gästebereich sowie einen kleinen Keller. Im Geschoß darüber wird die Ausrichtung des Gebäudes ersichtlich: Nach Norden und Osten, wo sich die Nachbargebäude befinden, gibt sich der Bau geschlossen. Die Öffnung erfolgt nach Süden und Westen.

Durch eine 25 Meter lange Glasfassade fällt der 7000 Quadratmeter große Garten mitsamt Biotop, Nutzgarten und Meditationsplatz in den Raum. Direkt vor dem L-förmigen Wohnraum liegt die Terrasse. „Derartige Freiräume sind in unserem Klima eine kostengünstige Wohnzimmererweiterung“, befindet Wohofksy, „wir setzen diese Elemente in unseren Projekten häufig ein.“ Das Resultat kann sich sehenlassen: Das 240 Quadratmeter große Haus wirkt erheblich größer, als es ist.

Während die beiden unteren Geschoße in Sichtbeton gefertigt wurden, ist der oberste Stock als Holzständerkonstruktion ausgeführt und dementsprechend leicht und transparent. Über eine offene Holztreppe, die wie ein Möbelstück im Raum steht, gelangt man nach oben. Im Zentrum befindet sich die langersehnte Sauna. Vom Ruheraum, der direkt davor liegt, gelangt man ins Schlafzimmer und anschließend ins Bad. Über eine Outdoor-Wendeltreppe kann man nach dem Saunieren frische Luft schnappen: raus in den Garten und rein in den Pool, der mit schwimmtauglichen 12,50 Metern aufwartet.

Kunstwerk an der Fassade

Nicht zu vergessen das Kunstwerk an der Fassade: Um die Bewohner im Obergeschoß vor Sonne und Blicken zu schützen, wurden vor die Fenster Aluminiumrahmen mit einer Bespannung aus speziellem Sonnenschutzgewebe montiert. „Weil Glas allein in unseren Augen keine voll funktionstüchtige Außenhülle ist, haben wir eine doppelte Fassade entwickelt“, sagt der Architekt. Bedruckt wurden die cremefarbenen Screens übrigens mit den Visuals von Herwig Baumgartner, einem befreundeten Künstler. Mittels Fernbedienung können die Schiebeelemente je nach Stand der Sonne hin und her bewegt werden.

„Wir waren überrascht, wie gut der Sonnenschutz funktioniert“, sagen Gerald und Waltraud Novak. Das Hin- und Herbewegen haben die beiden Bauherren den bedruckten Screens längst nachgemacht. Ob der großen Auswahl an - wie sie sagen - „außergewöhnlichen Plätzen an der Sonne“ wandern sie, quer über den Tag verteilt, von einem Ende des Hauses zum anderen. Doch am liebsten sitzen sie, mit einem Gläschen Rotwein in der Hand, auf der Terrasse und blicken hinaus auf die Weiden.

Der Standard, Sa., 2009.07.04



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Haus N

20. Juni 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Manufaktur des Lebensglücks

Die Architekten lobmaierstockinger bewiesen, dass man auch auf einem Industrieareal still und zurückgezogen wohnen kann. Zwischen Lager- und Produktionshallen steht heute das Privathaus des ehemaligen Chefs.

Die Architekten lobmaierstockinger bewiesen, dass man auch auf einem Industrieareal still und zurückgezogen wohnen kann. Zwischen Lager- und Produktionshallen steht heute das Privathaus des ehemaligen Chefs.

Einen alten Baum verpflanzt man nicht", befand Firmengründer Karl Prillinger mit einem Hang zu großen Metaphern und beschloss kurzerhand, auch nach der Übergabe seiner Firma weiterhin auf dem Betriebsgelände zu wohnen. Ursprünglich war geplant, eine der Wohnungen im alten Vierkanter nebenan auszubauen. Doch das beauftragte Architekturbüro lobmaierstockinger schlug vor, stattdessen gleich ein Haus zu bauen - und zwar im ehemaligen Baumgarten direkt am Firmensitz.

„Wir waren der Meinung, dass trotz der räumlichen Nähe zum Betrieb eine gewisse Privatsphäre gewahrt bleiben sollte“, sagt Architektin Elisabeth Lobmaier. An den beiden Schmalseiten zur Straße und zum Betrieb hin ist das Gebäude daher abgeschottet. „Wir haben auch darauf geachtet, dass man das Gebäude von der Zufahrt aus kaum wahrnimmt“, ergänzt Markus Lobmaier und erklärt damit die Ausrichtung des Gebäudes. Großflächig öffnet sich der Bau lediglich nach Osten und Westen, wo der große Garten liegt.

Den Bauherren kommt die moderne Geisteshaltung, die hinter dem Projekt steckt, sehr entgegen. „Wir wollten ein Haus, das unserem Leben entspricht“, sagen sie, „wir waren sehr offen, nur eine Jodlerburg mit Satteldach und Balkon wollten wir auf keinen Fall.“

Die Sammelleidenschaft Prillingers, der seinen bewegten Lebensweg vom Müllergesellen zum Ersatzteilgroßhändler auch in einem Buch nacherzählt, machte eine Unterkellerung notwendig. Im Archiv befinden sich heute Landtechnikunterlagen mit mehr als 300.000 Belegen. Wer sich für historische Pferderechen oder die allerersten Traktoren interessiert, der wird hier sicher fündig.

Über Tag geht es kubischer zu. Inspiriert von den Arbeiten des britischen Künstlers Paul Noble arbeiteten die Architekten lobmaierstockinger mit ineinandergeschachtelten Würfeln, denen verschiedene Funktionen zugeordnet sind. „Durch die vielen Höhensprünge ergeben sich ganz unterschiedliche Raumqualitäten“, sagen die Architekten. Trotz der verschiedenen Höhen wirkt die Fassade vom Garten aus betrachtet allerdings ruhig.

Innen scheint es, als habe man mit Adolf Loos' Raumplan Schabernack getrieben: Der Wohnbereich ist niedrig, der Arbeitsraum des Hausherrn dagegen etwas höher. Und während die Küche mit wenig Raumhöhe auskommt, geht es im Essbereich wieder großzügiger zu. Den Übergang zum zweigeschoßigen Teil des Hauses bildet ein großzügiger Eingangsbereich mit offenem Luftraum über dem Foyer. Im ersten Stock, wo sich Schlafzimmer, Badbereich und Arbeitszimmer der Baufrau befinden, wird das Spiel mit den Raumhöhen konsequent fortgesetzt.

Lärmschutz gegen Autobahn

Ein wichtiges Thema bei der Planung des 210 Quadratmeter großen Domizils war außerdem der Lärmschutz, denn direkt an das Areal grenzt die Autobahn an. Auf Basis einer radiästhetischen Untersuchung des Grundstücks wurde das Gebäude quasi in den Windschatten des angrenzenden Vierkanters gestellt und mit Dreifachverglasung ausgestattet.

Die Maßnahmen zeigen Erfolg. Weder Autolärm noch die Betriebsamkeit des Betriebes stört in den Innenräumen die Ruhe. „Das Haus könnte funktional nicht besser sein“, freut sich der Bauherr über die gute Arbeit und die erstklassige Betreuung von lobmaierstockinger. Die Erkenntnis nach dem Bauprozess ist beachtlich: „Architekten sollten die Menschen das Wohnen lehren.“

Umgekehrt loben die Architekten die Aufgeschlossenheit ihrer Bauherren. Obwohl beispielsweise eine offene Küche anfangs gar nicht erst infrage kam, entschloss man sich nach einer Geschäftsreise in die USA letztendlich doch noch dafür. Heute zählt der Frühstücksplatz in der Wohnküche zu den Lieblingsplätzen von Karl und Theresia Prillinger. Lediglich eines bereuen die beiden: „Wir hätten früher bauen sollen. Man weiß ja gar nicht, was einem alles entgeht.“

Der Standard, Sa., 2009.06.20



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Wohnhaus Prillinger

13. Juni 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Grün über den Ohren

An der Einfahrt zum SOS-Kinderdorf Rechberg sticht eine überdimensionale Bautafel mit Logos und Firmennamen ins Auge. Sie alle waren am Bau der hügeligen Gebäude - zum Teil gratis - beteiligt.

An der Einfahrt zum SOS-Kinderdorf Rechberg sticht eine überdimensionale Bautafel mit Logos und Firmennamen ins Auge. Sie alle waren am Bau der hügeligen Gebäude - zum Teil gratis - beteiligt.

Aus der Idee, sich aus Imagegründen im Sinne der Corporate Social Responsibility zu betätigen, entwickelte sich im Laufe der Zeit ein soziales Großprojekt. 500 Wirtschaftsbetriebe in und rund um den Mühlviertler Bezirk Perg beteiligten sich am Bau, weitere 1300 Privatpersonen, Firmen und Vereine spendeten Geld oder Sach- und Arbeitsleistungen für das 2,5 Millionen Euro teure Kinderdorf.

Geplant wurde die SOS-Einrichtung von fünf regionalen Architektinnen und Architekten unter der Federführung von Bettina Brunner des in Linz und Wien tätigen Büros x architekten. Das Konzept, die einzelnen Gebäude in die hügelige Landschaft zu integrieren, teilten die Planer von Anfang an. „Die Landschaft ist wichtiger Bestandteil der Anlage“, erzählt Bettina Brunner, „unsere Idee war, Schichtenlinien als Abbild der Topografie anzuheben.“

Heuer, im ersten Frühling des im Oktober 2008 eröffneten Kinderdorfs, verschmelzen die Gründächer allmählich mit der umliegenden Wiese. Wie eine bewohnbare Hügellandschaft wirken die drei Häuser, die nicht nur symbolisch gut eingebettet sind: „Wir wurden von den Menschen sehr gut aufgenommen. Sie sind offen und herzlich, oft werden die Kinder sogar eingeladen“, erzählt SOS-Kinderdorfmutter Renate Gassl, die mit fünf Kindern im Alter zwischen vier und elf Jahren eine der vier Einheiten bezogen hat.

Im Untergeschoß liegen die Kinderzimmer - alle mit direktem Zugang in den Garten - und ein Gemeinschaftsbad. Dass es hier morgens ziemlich lebendig zugeht, kann man sich gut vorstellen. Das obere Geschoß dient dem Kochen, Essen und Wohnen, beherbergt aber auch den Privatbereich der Kinderdorfmutter. „Trotz des minimierten Raumangebotes haben wir ein eigens Bad und Platz für einen Schreibtisch untergebracht“, so Brunner. Das sei keineswegs selbstverständlich. Im Raumprogramm des SOS-Kinderdorfs war das nicht vorgesehen.

Durch die charakteristische Form der Dachbögen ergaben sich an den beiden Enden der 180 Quadratmeter großen Doppelhaushälften gedeckte Freibereiche, die vielfältig genutzt werden. Fahrräder und Bobbycars stehen herum, aber auch Kräuter und Tomatenstauden haben hier ihren Platz gefunden. Vor allem aber dient der zweigeschoßige Luftraum als eine Art Hof. „Die Kinder sind jeden Tag draußen und nutzen den geschützten Außenraum zum Toben, wenn es windig ist oder regnet“, erzählt Renate Gassl.

Hügel für die Gemeinschaft

Im obersten Hügel, der sich von seinen beiden Nachbarn ein wenig unterscheidet, ist das 300 Quadratmeter große Gemeinschaftshaus untergebracht. Hier liegen Seminar- und Besprechungsräume, hier werden die Besucher empfangen. Oft sind dies die eigenen Eltern, denn entgegen der weit verbreiteten Meinung sind mittlerweile 70 Prozent aller Kinder, die in SOS-Kinderdörfern leben, sogenannte Sozialwaisen. Im Kinderdorf Rechberg, das mittlerweile den Namen Dahoam trägt, konnte diesen 22 Kindern unter tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung ein neues Zuhause geschaffen werden.

Während der Planungs- und Bauphase zogen alle an einem Strang. Allein die zehn ausführenden Baufirmen investierten in das Projekt rund 5800 Gratis-Arbeitsstunden. Die große Anzahl der Sponsoren wiederum spiegelt sich in der Vielfalt der verwendeten Materialien. „Irgendwann hat sich das Projekt verselbstständigt“, berichtet Architektin Bettina Brunner. Anstatt dem Stildiktat der materiellen Askese zu frönen, herrscht im Inneren der energiebewussten Häuser aus Ziegel und Beton eine bunte Vielfalt an Oberflächen vor. Jeder hat seinen Beitrag geleistet.

Erst wenn die letzten Arbeiten abgeschlossen sein werden, wird in Rechberg jene Ruhe einkehren, die für einen Neustart unter schwierigen Bedingungen nötig ist. Beschlossene Sache: Zur Erinnerung an das Engagement der vielen Menschen, die an dem Projekt beteiligten waren, bleibt die Bautafel an der Einfahrt erhalten.

Der Standard, Sa., 2009.06.13



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SOS-Kinderdorf Rechberg

23. Mai 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Das Leben nach dem Bauernhof

Wohnen im Bauernhaus zählt zu den Wochenend-Träumen vieler Städter. Ein kompletter Umbau einer ehemaligen Landwirtschaft im Waldviertel machte modernes Wohnen auf alten Grundfesten möglich.

Wohnen im Bauernhaus zählt zu den Wochenend-Träumen vieler Städter. Ein kompletter Umbau einer ehemaligen Landwirtschaft im Waldviertel machte modernes Wohnen auf alten Grundfesten möglich.

Wald und Wiese so weit das Auge reicht. Mitten im Waldviertel, auf einem der unzähligen Hügel, steht schon seit 150 Jahren ein Bauernhaus, errichtet aus mächtigen Granitsteinen, die dereinst kreuz und quer in der Landschaft lagen. Um es vor dem Verfall zu bewahren, musste die Besitzerin rasch reagieren und entschloss sich, die ehemalige Landwirtschaft als Wochenenddomizil zu adaptieren.

„Für heutige Bedürfnisse stand das Bauernhaus völlig verkehrt“ erzählt Architekt Thomas Konrad, „die Kühe waren im Süden untergebracht, die Menschen wohnten im Norden.“ Aus diesem verzwickten Umstand heraus musste das Haus umgedreht und zur Landschaft hin geöffnet werden. Dass der fürs Waldviertel typische Granit als Baumaterial eine Hauptrolle spielen würde, war dem Architekten und der Baufrau, die früher ebenfalls Architektur studiert hatte, von Anfang an klar.

„Die bestehenden Granitmauern waren technisch nicht mehr in Ordnung“, resümiert Konrad, „im Endeffekt haben wir das Haus neu aufgestellt.“ Der Steinhaufen wurde sortiert und Schicht für Schicht wieder aufgetragen - ein mühseliges Unterfangen, das ohne den begeisterten Einsatz der Professionisten aus der näheren Umgebung niemals möglich gewesen wäre.

Mit viel Liebe zum Detail wurden im unteren Stockwerk Reminiszenzen an das alte Bauernhaus gesetzt: Die Kastenfenster wurden originalgetreu nachgebaut und erinnern an Zeiten, in denen jede Öffnung ein Verlust von ohnehin spärlich vorhandener Wärme bedeutete. In der Stube, wo man sich einst an einem runden Öfchen die Hände wärmte, heizt man sich heute bei einer Tischtennis-Partie auf. Auch Bad und Schlafzimmer haben im ursprünglichen Grundriss Platz gefunden.

Historisch wird der Spaziergang fortgesetzt: Aus technischen Gründen blieb die Mauerstärke erhalten. Ja selbst die Eingangstür wurde in der ursprünglichen Höhe von 1,70 Metern belassen, was schon so manch schmerzliche Beule verursachte. Halb so schlimm, denn der Haupteingang liegt heute ohnehin im ersten Stock, nah an den Baumkronen jener Birken, die einst der Urgroßvater gepflanzt hatte.

Da der alte Dachstuhl nicht für moderne Wohnbedürfnisse adaptierbar war, wurde er kurzerhand abgetragen. Der neue Holzleichtbau mit Flachdach wurde leicht versetzt aufs Bauernhaus platziert. Eine schöne Kubatur mit klarer Trennlinie zwischen Alt und Neu ist das Ergebnis.

Verlängertes Wohnzimmer

Durch die großflächige Eckverglasung auf der neu geschaffenen Wohnebene ist der Blick nach Osten und Süden hin frei. Die vorgelagerte Terrasse dient in der warmen Jahreszeit nicht nur als Sonnendeck, sondern auch als verlängertes Wohnzimmer. Der durch eine Holzwand geschützte Bereich war schon das Lieblingsplätzchen früherer Generationen: Am Sonntag nach dem Kirchengang hatte man hier - damals noch grüne Wiese - den Müßiggang genossen. Das Vogelgezwitscher und das leise Rauschen der Birken im Wind bilden bis heute die natürliche Geräuschkulisse.

Ruhe auch für das Auge: „Bei der Materialwahl haben wir darauf geachtet, möglichst wenig Baustoffe zu verwenden, diese dafür konsequent einzusetzen“, so Konrad. Zu den Mauern aus Granit gesellen sich heute Betonwände, in deren Oberfläche die Struktur der sägerauen Schalungsbretter für immer eingeprägt ist. Mahagonitüren runden das Potpourri stilvoll ab.

Bemerkenswert ist bei alledem die kurze Bauzeit von dreieinhalb Monaten. „Die einzige Schwierigkeit in der Planung war die Verbindung der beiden Geschoße und das Schaffen von Blickbezügen“, berichtet Konrad. Es ist geglückt: Von der roten Treppe blickt man nun auf eine nahe gelegene Ruine, der es offenbar weniger gut erging als diesem Bauernhaus.

Aufgestockt: Durch das neue Wohn-geschoß erhält der einstige Bauern-hof endlich Sonne aus Süden. Innen dominieren Sichtbeton und Granit.

Der Standard, Sa., 2009.05.23

09. Mai 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Ein Leben im Panoramaformat

Das Burgenland ist um ein Stück moderner Architektur reicher. Wie ein Cockpit ragt das Gebäude aus den Weinbergen. Bewohnt wird das preisgekrönte Haus von seinen Schöpfern: Andrea Dämon und Andreas Doser.

Das Burgenland ist um ein Stück moderner Architektur reicher. Wie ein Cockpit ragt das Gebäude aus den Weinbergen. Bewohnt wird das preisgekrönte Haus von seinen Schöpfern: Andrea Dämon und Andreas Doser.

Sesam öffnet sich. Wenn die Lamellen auf Knopfdruck beiseite fahren, taucht man ein in eine futuristische Welt, in der eine herkömmliche Haustür genauso fehl am Platz gewesen wäre wie ein kniehoher Holzlattenzaun um den Vorgarten. Und dennoch haben die beiden Architekten Andreas Doser und Andrea Dämon entgegen dem ersten Eindruck viel Lokalkolorit in ihr Haus gebracht. Inspiriert ist die Bauform nämlich von den klassischen burgenländischen Langstreckhöfen.

Von der urbanen Anonymität in Wien, wo die Nachbarn einander nicht einmal mehr grüßen, hatten sie die Nase voll. Die Begeisterung für Wasser, für das Schauspiel der Weinreben im Wechsel der Jahreszeiten und nicht zuletzt für die burgenländische Mentalität waren ausschlaggebend dafür, dass die Suche nach einem Bauplatz die beiden in die Gegend rund um den Neusiedlersee trieb. In Weiden am See wurde man fündig.

Die Bebauungsvorschriften gaben Dachneigung und Giebelrichtung vor. Außerdem war vorgeschrieben, dass Holz zu vermeiden und dass die Dachfarbe dunkel zu sein habe - strenge Vorgaben. Erst als die Pläne für das kompromisslose Gebäude von den Behörden genehmigt wurden, wechselte das 800 Quadratmeter große Grundstück die Besitzer.

Unter besonderer Berücksichtigung des Sonnenverlaufs und der Ausblicke in die Landschaft wurde das neue Zuhause in nur elf Monaten Bauzeit aus der Taufe gehoben. Die Fassade aus dunkelgrauem Eternit wirkt ruhig, die schrägen Glasflächen verleihen dem Haus eine besondere Dynamik. „Wenn man ständig mit Entwürfen vom ersten Konzept bis zum Möbelbau zu tun hat, dann will man das im eigenen Haus auch so haben“, erklärt Andrea Dämon. Unter dieser Prämisse war klar, dass man im Entwurf sämtliche innenarchitektonische Details mitplanen würde.

Der Wohnbereich ist im Obergeschoß angesiedelt und war eine Herausforderung an Planer und Statiker. Spannbeton ermöglichte es, dass das offene Raumkonzept mit Lounge-Charakter von keiner einzigen Stütze unterbrochen wird. „Wir sind puristische Menschen“, so Dämon, das spiegle sich auch in den Materialien wider. „Drei bis vier Materialien, die perfekt aufeinander abgestimmt sind, reichen vollkommen aus“, ergänzt Andreas Doser. Farblich dominieren Weiß, helle Cremetöne sowie das helle Grau des Sichtbetons.

Hauptdarsteller ist jedoch die Natur, die durch großflächige Glasflächen ins Haus dringt und so Teil des Raumkonzepts wird. Vom vorgelagerten Balkon hat man einen fantastischen Ausblick bis nach Mörbisch. Die unterschiedlichen Lichtstimmungen und Sonnenuntergänge bieten ein schier unendliches Repertoire an Himmelskulissen - von kitschig bis dramatisch.

Badewanne mit Gartenblick

Die mäandrierenden Trittstufen aus Stahl führen hinab ins Erdgeschoß. Schwarze Farbe und Metall geben in der Wohnküche den Ton an. Ums Eck liegt der Privatbereich. Nach der Badewanne können Neuankömmlinge lange suchen. Auch das klassische Bett hat ausgedient. Beide Möbelelemente sind nebeneinander in ein raumfüllendes Podest im Schlafzimmer integriert. Der Blick von Bett und Badewanne ist auf den Garten ausgerichtet.

Der konsequente Stil der beiden Architekten setzt sich draußen fort. Links und rechts wird der Garten von Betonwänden begrenzt. Dazwischen laden lauschige Nischen zum Chillen ein. „Wir wandern von einem Plätzchen zum nächsten“, sagen sie, „das hängt vor allem vom Wind ab, der hier ununterbrochen weht.“

Zum Erstaunen der Besucher haben hier selbst die an die Betonwand gestellten Solarzellen dekorativen Charakter. Einem guten Zweck dienen sie außerdem: Sie bereiten das Warmwasser für Haus und Pool auf. Einzige Beeinträchtigung der Lebensqualität stellen die burgenländischen Moskitos dar, die wie die Bewohner scheinbar auf puristische Architektur abfahren. An einer speziellen Netzkonstruktion wird bereits gearbeitet.

Letzte Woche erhielt das Projekt den Preis „Das beste Haus“ für das Bundesland Burgenland.

Der Standard, Sa., 2009.05.09



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Haus ad2

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Presseschau 12

07. November 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Lebensraum mit Auwaldblick

Ein unprätentiöses Familiendomizil, in dem die Natur als Teil des Wohnerlebnisses präsent ist, gewann vor kurzem den Holzbaupreis Kärnten 2009. Der naheliegende Wald war mit gestaltgebend.

Ein unprätentiöses Familiendomizil, in dem die Natur als Teil des Wohnerlebnisses präsent ist, gewann vor kurzem den Holzbaupreis Kärnten 2009. Der naheliegende Wald war mit gestaltgebend.

An der südöstlichen Gemeindegrenze von Klagenfurt wurde Familie G. auf der Suche nach einem Grundstück mit unverbaubarem Blick fündig. In der Nähe des Bauplatzes mündet die Glanfurt, der einzige Abfluss des Wörthersees, in die Glan. Das Ufer ist von einer Aulandschaft, die als Ausblick schwer zu überbieten ist, gesäumt. Es lag für die Bauherren wie für den Planer nichts näher, als den Baustoff Holz zu verwenden. „Der Auwald hat gestaltgebende Qualität“, erklärt Architekt Dietger Wissounig. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stand der Alltag der schwerstbehinderten zehnjährigen Toch-ter, und gleichzeitig die Lebensqualität der vierköpfigen Familie. Rollstuhltauglichkeit im und rund um das Haus war eines der Kriterien: Vom Carport, der mit dem Haupthaus verbunden ist, gelangt man über einen Steg zum verschlossen wirkenden Zugangsbereich an der Nordseite des Gebäudes. Im Empfangsbereich wurde Platz für einen Hausgarten, der durch eine Öffnung in der Decke mit Tageslicht und Regenwasser versorgt wird, geschaffen. Ein zweiter Eingang an der Nordseite führt in eine Einliegerwohnung, die derzeit als Gästeunterkunft und für Therapiezwecke genutzt wird und bei Bedarf vermietet werden könnte.

„Aus meiner beruflichen Tätigkeit weiß ich, dass oft nur eine einzige Treppe die gesamte Familie einer in der Mobilität eingeschränkten Person zur Verzweiflung bringt,“ erzählt der Bauherr. Die Übergänge auf die Terrassen, die Umfahrbarkeit des Hauses mit Rollstuhl sowie Details in Bad und WC zählen zu den Maßnahmen der Barrierefreiheit im Haus, die genauso unaufdringlich wie selbstverständlich in das Raumgefüge integriert wurden. Da sich das Mädchen viel auf dem Boden aufhält, war auch eine Fußbodenheizung logische Konsequenz in der Planung des Architekten, der bereits mit dem Bau von Pflege- und Altenheimen auf sich aufmerksam machte.

Im Zentrum des Gebäudes befindet sich ein großzügig angelegter Essbereich, der vom Architekten als „Sammel- und Verteilungsraum“ angedacht wurde. Gerade wenn Gäste im Haus sind, lassen sich von hier aus die reibungsfreien Bewegungsströme der Bewohner gut beobachten. Nach dem Prinzip des offenen Wohnens wandert der Blick durch das fließende Raumkontinuum, das Funktionen wie Kochen, Essen, Wohnen zuordnet und durch Sichtbeziehungen an den richtigen Stellen Offenheit und Überblick über das Geschehen verschafft. Durch die Einschnitte im baulichen Ensemble, die als Außenraum genutzt werden, fällt das Tageslicht regelrecht verschwenderisch in die Räume. Sogar der begehbare Schrank wird mittels Oberlichte mit natürlichem Licht versorgt.

Einer der gemeinsamen Lieblingsplätze ist die südseitige Terrasse, die als Erweiterung des Wohn- und Essraumes dient und selbst bei Regenwetter genutzt werden kann. Ein eigenes Sauna- häuschen und ein Schwimmteich davor steigern den Wohlfühlfaktor des behaglichen Zuhauses. Auf Sichtschutz vor der raumhohen Verglasung wurde konsequent verzichtet, da die Bewohner weder den Blick in die Landschaft noch auf den nächtlichen Sternenhimmel missen möchten.

In nur sieben Monaten Bauzeit wurde das preisgekrönte Domizil, das via Solaranlage und Erdwärme versorgt wird, errichtet. Ein Jahr nach dem Einziehen hat das Lärchenholz an der Westseite an Patina gewonnen und beginnt witterungsbedingt zu ergrauen. „In den überdachten Einschnitten wird das Holz seinen rötlichen Farbton behalten“, freut sich der Bauherr über das Nebeneinander unterschiedlicher Entwicklung.

Der Standard, Sa., 2009.11.07



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Haus Gunhold

03. Oktober 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Schokobox mit weißer Füllung

Hinter der rotbraunen Hülle des Wochenendhauses InSideOut des Wiener Büros arquitectos verbirgt sich ein offenes und lichtdurchflutetes Raumgefüge mit überraschenden Ein- und Ausblicken.

Hinter der rotbraunen Hülle des Wochenendhauses InSideOut des Wiener Büros arquitectos verbirgt sich ein offenes und lichtdurchflutetes Raumgefüge mit überraschenden Ein- und Ausblicken.

Schauplatz ist eine oststeirische Marktgemeinde, in der die hügelige Landschaft eine mehr als perfekte Kulisse darstellt. Die Architektur des Ortes ist ein Sammelsurium aus Einfamilienhäusern, alten Bauernhöfen und ganz profanen Nutzbauten. In unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Scheune führt die minimalistische Wochenend-Kiste InSideOut ein auffällig unauffälliges Komparsen-Dasein.

„Wir haben beschlossen, das Haus einzuwickeln“, sagt Architektin Heidi Pretterhofer über die dunkle, homogene Hülle des Gebäudes. Bei näherer Betrachtung tritt an der Fassade eine charakteristische Struktur hervor. Des Rätsels Lösung liegt auf dem flach geneigten Satteldach: Die schokofarbene Dachpappe mit ihrer überaus textilen Haptik wurde wie ein Kleid über den gesamten Holzbau nach unten gezogen. Die bestechend simple Entscheidung wirkte sich nicht nur auf die Optik aus, sondern auch aufs Baubudget. Vor sämtliche Türen und Fenster wurden zudem Metallverblendungen aus Bronzedraht angebracht. Der Low-Budget-Sonnenschutz hängt wie ein Bild an der Fassade.

Nach dem Betreten des Hauses ändert sich der Eindruck schlagartig. Was eben noch dunkel und introvertiert schien, entpuppt sich nun als helles, fließendes Raumgefüge aus Sichtbeton, Glas und weißen Wänden. Man wähnt sich im Freien. Der starke Außenbezug war einer der Hauptwünsche der Grazer Bauherren und somit bestimmendes Entwurfsthema.

Die Entscheidung, das Haus auf die Wiese zu setzen und das Raumprogramm horizontal unterzubringen, anstatt die angepeilten hundert Quadratmeter Wohnfläche auf zwei Ebenen aufzuteilen, war mindestens genauso schnell gefällt. In der Mitte des Wohnraumes, der viel Bewegungsfreiheit und Nutzungsflexibilität ermöglicht, wurde ein Kachelofen eingebaut. In der kälteren Jahreszeit wird er das Haus in zentraler Lage beheizen.

Die Schlafräume, die sich in den gegenüberliegenden Ecken des Gebäudes befinden, sind vom großflächigen Wohnraum durch filzbespannte Schiebetüren abgetrennt - ein Hauch materieller Wärme im sonst kühl gehaltenen Innenleben. An zwei Stellen ist der nahezu quadratische Grundriss eingestülpt. Die verglasten Einschnitte dienen nicht nur der natürlichen Belichtung, sondern werden auch als Patio genutzt. „Die zwei kleinen Höfe erlauben eine sehr intime Außenraumnutzung und sind die räumliche Schnittstelle zum Garten“, erklärt die Architektin.

Fußboden folgt Hanglage

Rechte Winkel sucht man vergeblich, denn das gesamte Gebäude ist von Schrägen und überaus subtilen Abweichungen geprägt. Der Holzbaumeister, der in der Ausführungsphase sehr genau arbeiten musste, sinnierte bereits, die Architektin nach Abschluss der Arbeiten mit einem Geodreieck auszustatten. Doch dazu kam es nicht, denn diese hatte eine plausible Erklärung parat: „Die schrägen Wände und die Treppung der Innenräume sind eine Reaktion auf die leichte Hanglage des Grundstücks“, so Pretterhofer, „daraus ergeben sich unterschiedliche Raumhöhen sowie die innere Gliederung des Hauses.“

Die dreiteilige Abstufung führt vom Eingangsbereich im Westen über in den mittleren Teil, wo sich die Infrastruktur des Hauses befindet, bis zum offenen Patio, der auf der Ostseite des Gebäudes als Essbereich im Freien genützt wird. Der schwebende Betonkranz entlang der Hausmauer fungiert übrigens nicht nur als Verbindungsweg zur Südseite, sondern kann gleichzeitig als Sitzbank für lauschige Abende genutzt werden.

Und dann war da noch das Bronzegitter. Allen Erwartungen zum Trotz wirkt der flächige Sonnenschutz keineswegs wie eine optische Barriere. Vielmehr wird der Raum dadurch in unterschiedliche Lichtstimmungen getaucht. Wie sich das spätherbstliche und winterliche Licht auf das Ambiente auswirkt, wird in der Schokobox heuer erstmals live erprobt.

Der Standard, Sa., 2009.10.03



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InSideOut

19. September 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Landschaft, erste Reihe fußfrei

Haus F. ist wie ein Fernseher mit Blick ins Murtal. Über eine elf Meter breite Front fließt die Natur in den Innenraum. Und das Schönste: Der Planungsprozess beflügelte die Bauherren zu ungeahnter Courage.

Haus F. ist wie ein Fernseher mit Blick ins Murtal. Über eine elf Meter breite Front fließt die Natur in den Innenraum. Und das Schönste: Der Planungsprozess beflügelte die Bauherren zu ungeahnter Courage.

Eigentlich waren die beiden ja auf der Suche nach einem anlagetauglichen Grundstück in der Nähe von Graz. Doch dann kam alles anders. Beeindruckt von der idyllisch bäuerlichen Landschaft und unterstützt vom inneren Eigenheimwunsch der Baufrau, wurde eine reine Geldanlage als absolute Verschwendung empfunden. Prompt wurde ein Fertighaus in Betracht gezogen. Als die beiden jedoch feststellten, dass sich die individuellen Wohnwünsche nicht in die vorgegebenen Strukturen eines Fertigteilbaus zwängen ließen, wurde auch dieser Plan verworfen.

Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Grazer Architekten Gerhard Mitterberger regte sich bei Herrn F. allmählich Begeisterung für die neue Materie. Ein gemeinsamer Besuch eines Hi-Fi-Shops als Startschuss für den Planungsprozess ließ den musikbegeisterten Bauherrn für die individuellen Möglichkeiten moderner Architektur hellhörig werden. Mittlerweile kennt er jede Ecke des Hauses und erzählt mit Hingabe von Proportionen, Konstruktionen und bautechnischen Details.

Ein starker Bezug zur Natur und der Einsatz natürlicher, heimischer Baustoffe war von Anfang an gewünscht. Über einen hangseitigen Carport, der gleichzeitig als erweiterter Lebensraum dient, betritt man das aus Massivholz errichtete Wohngeschoß. „Wir sitzen hier in der ersten Reihe fußfrei“, sagt Architekt Mitterberger, „diese einzigartige Situation musste auf jeden Fall genutzt werden.“ Nach Südwesten gibt es eine elf Meter lange Fensterfront, sieben Meter davon sind durchgehend öffenbar. „Das Kochen wird hier zum reinsten Vergnügen“, berichtet die Baufrau. Mit Aussicht in das Murtal wähnt man sich einem Gartenpavillon.

Mut zu neuen Lösungen

Die räumliche Abfolge ist einfach, direkt und transparent: Die zentrale Wohnküche geht in das Badezimmer mit dahinterliegender Sauna über. Im Anschluss daran liegt das Schlafzimmer. Unterschiedlich definierte Aussichtsbereiche ermöglichen den Blick in die Landschaft von Sofa, Bett und Badewanne gleichermaßen.

In einigen Bereichen des Hauses wurde den Bauherren viel Courage abverlangt - beispielsweise beim Bad im Gästebereich, das zur Gänze schwarz verfliest wurde. „Früher hätten wir uns das nie getraut“, erzählen Herr und Frau F., die durch die Arbeit mit dem Architekten mutiger wurden und nach wie vor zu ihren Entscheidungen stehen. Dazu zählt auch der durchgängige sonnengelbe Epoxyboden im Gartengeschoß. „Die kräftige Farbe ist ein Kontraktpunkt zu den Sichtbetonwänden“, erklärt Architekt Mitterberger.

Über die mit Holzstrukturschalung gefertigte Betonwand, die das Rückgrat des Hauses bildet, ist das Gebäude mit dem Hang verankert. Ansonsten ist von der Statik im Innenraum nicht viel zu sehen. Dafür gibt es zwei Feuerstellen, die durch eine zweigeschoßige Sonderkonstruktion des Architekten ermöglicht wurden. Oben funktioniert der Ofen wie ein Tablett, unten wärmt eine drehbare Kugel den Rücken. Gerne experimentieren die Bauherren mit den feinen Gerüchen unterschiedlicher Brennhölzer.

Draußen in der Wiese, unmittelbar vor dem Home-Office des Bauherrn, befindet sich ein Teich, der mit offener Dachentwässerung und Wasserfall für Ablenkung sorgt. „Wir bemühen uns, zu Hause zu arbeiten, aber manchmal ist das hier überaus schwierig“, gestehen die Bewohner. Der Blick der Baufrau schweift über Liegestühle in den Garten, wo sich ein Kraftplatz mit beachtlichen Energiewerten befindet. Und ja, still ist es hier. Das begehrte Hi-Fi-Sound-System hat bis zum heutigen Tag Funkstille.

Der Standard, Sa., 2009.09.19



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Haus F.

04. Juli 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Die hohe Kunst des Schattenspiels

Das Grazer Architekturbüro Balloon hat ein Haus mit verschiebbaren Sonnenschutzelementen geplant. Man blickt hinaus auf saftige Weiden - oder zieht sich hinter künstlerisch gestaltete Schattenspender zurück.

Das Grazer Architekturbüro Balloon hat ein Haus mit verschiebbaren Sonnenschutzelementen geplant. Man blickt hinaus auf saftige Weiden - oder zieht sich hinter künstlerisch gestaltete Schattenspender zurück.

Wer sich in der Gemeinde Passail niederlässt, der ist gut beraten, sich nicht in den eigenen vier Wänden zu verkriechen. Die schöne Landschaft, rund 50 Kilometer nördlich von Graz gelegen, lockt nämlich mit einer Besonderheit der Superlative: Es ist das größte zusammenhängende Almweidegebiet Mitteleuropas und dementsprechend saftig grün.

Doch die Gefahr des Sich-Verschanzens bestand bei den beiden sport- und naturbegeisterten Bauherren Gerald und Waltraud Novak keineswegs. Als sie sich zum Bauen entschlossen, waren die Wünsche an das neue Zuhause klar formuliert: Man wollte einen guten Übergang in die Natur, eine Sauna, offenes Feuer im Wohnraum sowie genügend Raum für Gäste, wenn die Familie zu Besuch ist.

Das Grazer Architekturbüro Balloon stellte sich als Glücksgriff heraus. „Die Architekten sind mit einem Modell angerückt. Das hat uns sofort überzeugt“, erzählt der Bauherr. Platziert wurde das Haus an der höchsten Stelle des leicht ansteigenden Hanggrundstücks. Seitlich verschwindet die Garage unauffällig in der Böschung.

„Wir haben uns bemüht, das Haus so kompakt wie möglich zu halten“, erklärt Architekt Johannes Wohofsky von Balloon. Das Untergeschoß mit seinem einladenden verglasten Eingang beherbergt neben dem Ordinationszimmer den Gästebereich sowie einen kleinen Keller. Im Geschoß darüber wird die Ausrichtung des Gebäudes ersichtlich: Nach Norden und Osten, wo sich die Nachbargebäude befinden, gibt sich der Bau geschlossen. Die Öffnung erfolgt nach Süden und Westen.

Durch eine 25 Meter lange Glasfassade fällt der 7000 Quadratmeter große Garten mitsamt Biotop, Nutzgarten und Meditationsplatz in den Raum. Direkt vor dem L-förmigen Wohnraum liegt die Terrasse. „Derartige Freiräume sind in unserem Klima eine kostengünstige Wohnzimmererweiterung“, befindet Wohofksy, „wir setzen diese Elemente in unseren Projekten häufig ein.“ Das Resultat kann sich sehenlassen: Das 240 Quadratmeter große Haus wirkt erheblich größer, als es ist.

Während die beiden unteren Geschoße in Sichtbeton gefertigt wurden, ist der oberste Stock als Holzständerkonstruktion ausgeführt und dementsprechend leicht und transparent. Über eine offene Holztreppe, die wie ein Möbelstück im Raum steht, gelangt man nach oben. Im Zentrum befindet sich die langersehnte Sauna. Vom Ruheraum, der direkt davor liegt, gelangt man ins Schlafzimmer und anschließend ins Bad. Über eine Outdoor-Wendeltreppe kann man nach dem Saunieren frische Luft schnappen: raus in den Garten und rein in den Pool, der mit schwimmtauglichen 12,50 Metern aufwartet.

Kunstwerk an der Fassade

Nicht zu vergessen das Kunstwerk an der Fassade: Um die Bewohner im Obergeschoß vor Sonne und Blicken zu schützen, wurden vor die Fenster Aluminiumrahmen mit einer Bespannung aus speziellem Sonnenschutzgewebe montiert. „Weil Glas allein in unseren Augen keine voll funktionstüchtige Außenhülle ist, haben wir eine doppelte Fassade entwickelt“, sagt der Architekt. Bedruckt wurden die cremefarbenen Screens übrigens mit den Visuals von Herwig Baumgartner, einem befreundeten Künstler. Mittels Fernbedienung können die Schiebeelemente je nach Stand der Sonne hin und her bewegt werden.

„Wir waren überrascht, wie gut der Sonnenschutz funktioniert“, sagen Gerald und Waltraud Novak. Das Hin- und Herbewegen haben die beiden Bauherren den bedruckten Screens längst nachgemacht. Ob der großen Auswahl an - wie sie sagen - „außergewöhnlichen Plätzen an der Sonne“ wandern sie, quer über den Tag verteilt, von einem Ende des Hauses zum anderen. Doch am liebsten sitzen sie, mit einem Gläschen Rotwein in der Hand, auf der Terrasse und blicken hinaus auf die Weiden.

Der Standard, Sa., 2009.07.04



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Haus N

20. Juni 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Manufaktur des Lebensglücks

Die Architekten lobmaierstockinger bewiesen, dass man auch auf einem Industrieareal still und zurückgezogen wohnen kann. Zwischen Lager- und Produktionshallen steht heute das Privathaus des ehemaligen Chefs.

Die Architekten lobmaierstockinger bewiesen, dass man auch auf einem Industrieareal still und zurückgezogen wohnen kann. Zwischen Lager- und Produktionshallen steht heute das Privathaus des ehemaligen Chefs.

Einen alten Baum verpflanzt man nicht", befand Firmengründer Karl Prillinger mit einem Hang zu großen Metaphern und beschloss kurzerhand, auch nach der Übergabe seiner Firma weiterhin auf dem Betriebsgelände zu wohnen. Ursprünglich war geplant, eine der Wohnungen im alten Vierkanter nebenan auszubauen. Doch das beauftragte Architekturbüro lobmaierstockinger schlug vor, stattdessen gleich ein Haus zu bauen - und zwar im ehemaligen Baumgarten direkt am Firmensitz.

„Wir waren der Meinung, dass trotz der räumlichen Nähe zum Betrieb eine gewisse Privatsphäre gewahrt bleiben sollte“, sagt Architektin Elisabeth Lobmaier. An den beiden Schmalseiten zur Straße und zum Betrieb hin ist das Gebäude daher abgeschottet. „Wir haben auch darauf geachtet, dass man das Gebäude von der Zufahrt aus kaum wahrnimmt“, ergänzt Markus Lobmaier und erklärt damit die Ausrichtung des Gebäudes. Großflächig öffnet sich der Bau lediglich nach Osten und Westen, wo der große Garten liegt.

Den Bauherren kommt die moderne Geisteshaltung, die hinter dem Projekt steckt, sehr entgegen. „Wir wollten ein Haus, das unserem Leben entspricht“, sagen sie, „wir waren sehr offen, nur eine Jodlerburg mit Satteldach und Balkon wollten wir auf keinen Fall.“

Die Sammelleidenschaft Prillingers, der seinen bewegten Lebensweg vom Müllergesellen zum Ersatzteilgroßhändler auch in einem Buch nacherzählt, machte eine Unterkellerung notwendig. Im Archiv befinden sich heute Landtechnikunterlagen mit mehr als 300.000 Belegen. Wer sich für historische Pferderechen oder die allerersten Traktoren interessiert, der wird hier sicher fündig.

Über Tag geht es kubischer zu. Inspiriert von den Arbeiten des britischen Künstlers Paul Noble arbeiteten die Architekten lobmaierstockinger mit ineinandergeschachtelten Würfeln, denen verschiedene Funktionen zugeordnet sind. „Durch die vielen Höhensprünge ergeben sich ganz unterschiedliche Raumqualitäten“, sagen die Architekten. Trotz der verschiedenen Höhen wirkt die Fassade vom Garten aus betrachtet allerdings ruhig.

Innen scheint es, als habe man mit Adolf Loos' Raumplan Schabernack getrieben: Der Wohnbereich ist niedrig, der Arbeitsraum des Hausherrn dagegen etwas höher. Und während die Küche mit wenig Raumhöhe auskommt, geht es im Essbereich wieder großzügiger zu. Den Übergang zum zweigeschoßigen Teil des Hauses bildet ein großzügiger Eingangsbereich mit offenem Luftraum über dem Foyer. Im ersten Stock, wo sich Schlafzimmer, Badbereich und Arbeitszimmer der Baufrau befinden, wird das Spiel mit den Raumhöhen konsequent fortgesetzt.

Lärmschutz gegen Autobahn

Ein wichtiges Thema bei der Planung des 210 Quadratmeter großen Domizils war außerdem der Lärmschutz, denn direkt an das Areal grenzt die Autobahn an. Auf Basis einer radiästhetischen Untersuchung des Grundstücks wurde das Gebäude quasi in den Windschatten des angrenzenden Vierkanters gestellt und mit Dreifachverglasung ausgestattet.

Die Maßnahmen zeigen Erfolg. Weder Autolärm noch die Betriebsamkeit des Betriebes stört in den Innenräumen die Ruhe. „Das Haus könnte funktional nicht besser sein“, freut sich der Bauherr über die gute Arbeit und die erstklassige Betreuung von lobmaierstockinger. Die Erkenntnis nach dem Bauprozess ist beachtlich: „Architekten sollten die Menschen das Wohnen lehren.“

Umgekehrt loben die Architekten die Aufgeschlossenheit ihrer Bauherren. Obwohl beispielsweise eine offene Küche anfangs gar nicht erst infrage kam, entschloss man sich nach einer Geschäftsreise in die USA letztendlich doch noch dafür. Heute zählt der Frühstücksplatz in der Wohnküche zu den Lieblingsplätzen von Karl und Theresia Prillinger. Lediglich eines bereuen die beiden: „Wir hätten früher bauen sollen. Man weiß ja gar nicht, was einem alles entgeht.“

Der Standard, Sa., 2009.06.20



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Wohnhaus Prillinger

13. Juni 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Grün über den Ohren

An der Einfahrt zum SOS-Kinderdorf Rechberg sticht eine überdimensionale Bautafel mit Logos und Firmennamen ins Auge. Sie alle waren am Bau der hügeligen Gebäude - zum Teil gratis - beteiligt.

An der Einfahrt zum SOS-Kinderdorf Rechberg sticht eine überdimensionale Bautafel mit Logos und Firmennamen ins Auge. Sie alle waren am Bau der hügeligen Gebäude - zum Teil gratis - beteiligt.

Aus der Idee, sich aus Imagegründen im Sinne der Corporate Social Responsibility zu betätigen, entwickelte sich im Laufe der Zeit ein soziales Großprojekt. 500 Wirtschaftsbetriebe in und rund um den Mühlviertler Bezirk Perg beteiligten sich am Bau, weitere 1300 Privatpersonen, Firmen und Vereine spendeten Geld oder Sach- und Arbeitsleistungen für das 2,5 Millionen Euro teure Kinderdorf.

Geplant wurde die SOS-Einrichtung von fünf regionalen Architektinnen und Architekten unter der Federführung von Bettina Brunner des in Linz und Wien tätigen Büros x architekten. Das Konzept, die einzelnen Gebäude in die hügelige Landschaft zu integrieren, teilten die Planer von Anfang an. „Die Landschaft ist wichtiger Bestandteil der Anlage“, erzählt Bettina Brunner, „unsere Idee war, Schichtenlinien als Abbild der Topografie anzuheben.“

Heuer, im ersten Frühling des im Oktober 2008 eröffneten Kinderdorfs, verschmelzen die Gründächer allmählich mit der umliegenden Wiese. Wie eine bewohnbare Hügellandschaft wirken die drei Häuser, die nicht nur symbolisch gut eingebettet sind: „Wir wurden von den Menschen sehr gut aufgenommen. Sie sind offen und herzlich, oft werden die Kinder sogar eingeladen“, erzählt SOS-Kinderdorfmutter Renate Gassl, die mit fünf Kindern im Alter zwischen vier und elf Jahren eine der vier Einheiten bezogen hat.

Im Untergeschoß liegen die Kinderzimmer - alle mit direktem Zugang in den Garten - und ein Gemeinschaftsbad. Dass es hier morgens ziemlich lebendig zugeht, kann man sich gut vorstellen. Das obere Geschoß dient dem Kochen, Essen und Wohnen, beherbergt aber auch den Privatbereich der Kinderdorfmutter. „Trotz des minimierten Raumangebotes haben wir ein eigens Bad und Platz für einen Schreibtisch untergebracht“, so Brunner. Das sei keineswegs selbstverständlich. Im Raumprogramm des SOS-Kinderdorfs war das nicht vorgesehen.

Durch die charakteristische Form der Dachbögen ergaben sich an den beiden Enden der 180 Quadratmeter großen Doppelhaushälften gedeckte Freibereiche, die vielfältig genutzt werden. Fahrräder und Bobbycars stehen herum, aber auch Kräuter und Tomatenstauden haben hier ihren Platz gefunden. Vor allem aber dient der zweigeschoßige Luftraum als eine Art Hof. „Die Kinder sind jeden Tag draußen und nutzen den geschützten Außenraum zum Toben, wenn es windig ist oder regnet“, erzählt Renate Gassl.

Hügel für die Gemeinschaft

Im obersten Hügel, der sich von seinen beiden Nachbarn ein wenig unterscheidet, ist das 300 Quadratmeter große Gemeinschaftshaus untergebracht. Hier liegen Seminar- und Besprechungsräume, hier werden die Besucher empfangen. Oft sind dies die eigenen Eltern, denn entgegen der weit verbreiteten Meinung sind mittlerweile 70 Prozent aller Kinder, die in SOS-Kinderdörfern leben, sogenannte Sozialwaisen. Im Kinderdorf Rechberg, das mittlerweile den Namen Dahoam trägt, konnte diesen 22 Kindern unter tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung ein neues Zuhause geschaffen werden.

Während der Planungs- und Bauphase zogen alle an einem Strang. Allein die zehn ausführenden Baufirmen investierten in das Projekt rund 5800 Gratis-Arbeitsstunden. Die große Anzahl der Sponsoren wiederum spiegelt sich in der Vielfalt der verwendeten Materialien. „Irgendwann hat sich das Projekt verselbstständigt“, berichtet Architektin Bettina Brunner. Anstatt dem Stildiktat der materiellen Askese zu frönen, herrscht im Inneren der energiebewussten Häuser aus Ziegel und Beton eine bunte Vielfalt an Oberflächen vor. Jeder hat seinen Beitrag geleistet.

Erst wenn die letzten Arbeiten abgeschlossen sein werden, wird in Rechberg jene Ruhe einkehren, die für einen Neustart unter schwierigen Bedingungen nötig ist. Beschlossene Sache: Zur Erinnerung an das Engagement der vielen Menschen, die an dem Projekt beteiligten waren, bleibt die Bautafel an der Einfahrt erhalten.

Der Standard, Sa., 2009.06.13



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SOS-Kinderdorf Rechberg

23. Mai 2009Sabine Lintschinger
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Das Leben nach dem Bauernhof

Wohnen im Bauernhaus zählt zu den Wochenend-Träumen vieler Städter. Ein kompletter Umbau einer ehemaligen Landwirtschaft im Waldviertel machte modernes Wohnen auf alten Grundfesten möglich.

Wohnen im Bauernhaus zählt zu den Wochenend-Träumen vieler Städter. Ein kompletter Umbau einer ehemaligen Landwirtschaft im Waldviertel machte modernes Wohnen auf alten Grundfesten möglich.

Wald und Wiese so weit das Auge reicht. Mitten im Waldviertel, auf einem der unzähligen Hügel, steht schon seit 150 Jahren ein Bauernhaus, errichtet aus mächtigen Granitsteinen, die dereinst kreuz und quer in der Landschaft lagen. Um es vor dem Verfall zu bewahren, musste die Besitzerin rasch reagieren und entschloss sich, die ehemalige Landwirtschaft als Wochenenddomizil zu adaptieren.

„Für heutige Bedürfnisse stand das Bauernhaus völlig verkehrt“ erzählt Architekt Thomas Konrad, „die Kühe waren im Süden untergebracht, die Menschen wohnten im Norden.“ Aus diesem verzwickten Umstand heraus musste das Haus umgedreht und zur Landschaft hin geöffnet werden. Dass der fürs Waldviertel typische Granit als Baumaterial eine Hauptrolle spielen würde, war dem Architekten und der Baufrau, die früher ebenfalls Architektur studiert hatte, von Anfang an klar.

„Die bestehenden Granitmauern waren technisch nicht mehr in Ordnung“, resümiert Konrad, „im Endeffekt haben wir das Haus neu aufgestellt.“ Der Steinhaufen wurde sortiert und Schicht für Schicht wieder aufgetragen - ein mühseliges Unterfangen, das ohne den begeisterten Einsatz der Professionisten aus der näheren Umgebung niemals möglich gewesen wäre.

Mit viel Liebe zum Detail wurden im unteren Stockwerk Reminiszenzen an das alte Bauernhaus gesetzt: Die Kastenfenster wurden originalgetreu nachgebaut und erinnern an Zeiten, in denen jede Öffnung ein Verlust von ohnehin spärlich vorhandener Wärme bedeutete. In der Stube, wo man sich einst an einem runden Öfchen die Hände wärmte, heizt man sich heute bei einer Tischtennis-Partie auf. Auch Bad und Schlafzimmer haben im ursprünglichen Grundriss Platz gefunden.

Historisch wird der Spaziergang fortgesetzt: Aus technischen Gründen blieb die Mauerstärke erhalten. Ja selbst die Eingangstür wurde in der ursprünglichen Höhe von 1,70 Metern belassen, was schon so manch schmerzliche Beule verursachte. Halb so schlimm, denn der Haupteingang liegt heute ohnehin im ersten Stock, nah an den Baumkronen jener Birken, die einst der Urgroßvater gepflanzt hatte.

Da der alte Dachstuhl nicht für moderne Wohnbedürfnisse adaptierbar war, wurde er kurzerhand abgetragen. Der neue Holzleichtbau mit Flachdach wurde leicht versetzt aufs Bauernhaus platziert. Eine schöne Kubatur mit klarer Trennlinie zwischen Alt und Neu ist das Ergebnis.

Verlängertes Wohnzimmer

Durch die großflächige Eckverglasung auf der neu geschaffenen Wohnebene ist der Blick nach Osten und Süden hin frei. Die vorgelagerte Terrasse dient in der warmen Jahreszeit nicht nur als Sonnendeck, sondern auch als verlängertes Wohnzimmer. Der durch eine Holzwand geschützte Bereich war schon das Lieblingsplätzchen früherer Generationen: Am Sonntag nach dem Kirchengang hatte man hier - damals noch grüne Wiese - den Müßiggang genossen. Das Vogelgezwitscher und das leise Rauschen der Birken im Wind bilden bis heute die natürliche Geräuschkulisse.

Ruhe auch für das Auge: „Bei der Materialwahl haben wir darauf geachtet, möglichst wenig Baustoffe zu verwenden, diese dafür konsequent einzusetzen“, so Konrad. Zu den Mauern aus Granit gesellen sich heute Betonwände, in deren Oberfläche die Struktur der sägerauen Schalungsbretter für immer eingeprägt ist. Mahagonitüren runden das Potpourri stilvoll ab.

Bemerkenswert ist bei alledem die kurze Bauzeit von dreieinhalb Monaten. „Die einzige Schwierigkeit in der Planung war die Verbindung der beiden Geschoße und das Schaffen von Blickbezügen“, berichtet Konrad. Es ist geglückt: Von der roten Treppe blickt man nun auf eine nahe gelegene Ruine, der es offenbar weniger gut erging als diesem Bauernhaus.

Aufgestockt: Durch das neue Wohn-geschoß erhält der einstige Bauern-hof endlich Sonne aus Süden. Innen dominieren Sichtbeton und Granit.

Der Standard, Sa., 2009.05.23

09. Mai 2009Sabine Lintschinger
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Ein Leben im Panoramaformat

Das Burgenland ist um ein Stück moderner Architektur reicher. Wie ein Cockpit ragt das Gebäude aus den Weinbergen. Bewohnt wird das preisgekrönte Haus von seinen Schöpfern: Andrea Dämon und Andreas Doser.

Das Burgenland ist um ein Stück moderner Architektur reicher. Wie ein Cockpit ragt das Gebäude aus den Weinbergen. Bewohnt wird das preisgekrönte Haus von seinen Schöpfern: Andrea Dämon und Andreas Doser.

Sesam öffnet sich. Wenn die Lamellen auf Knopfdruck beiseite fahren, taucht man ein in eine futuristische Welt, in der eine herkömmliche Haustür genauso fehl am Platz gewesen wäre wie ein kniehoher Holzlattenzaun um den Vorgarten. Und dennoch haben die beiden Architekten Andreas Doser und Andrea Dämon entgegen dem ersten Eindruck viel Lokalkolorit in ihr Haus gebracht. Inspiriert ist die Bauform nämlich von den klassischen burgenländischen Langstreckhöfen.

Von der urbanen Anonymität in Wien, wo die Nachbarn einander nicht einmal mehr grüßen, hatten sie die Nase voll. Die Begeisterung für Wasser, für das Schauspiel der Weinreben im Wechsel der Jahreszeiten und nicht zuletzt für die burgenländische Mentalität waren ausschlaggebend dafür, dass die Suche nach einem Bauplatz die beiden in die Gegend rund um den Neusiedlersee trieb. In Weiden am See wurde man fündig.

Die Bebauungsvorschriften gaben Dachneigung und Giebelrichtung vor. Außerdem war vorgeschrieben, dass Holz zu vermeiden und dass die Dachfarbe dunkel zu sein habe - strenge Vorgaben. Erst als die Pläne für das kompromisslose Gebäude von den Behörden genehmigt wurden, wechselte das 800 Quadratmeter große Grundstück die Besitzer.

Unter besonderer Berücksichtigung des Sonnenverlaufs und der Ausblicke in die Landschaft wurde das neue Zuhause in nur elf Monaten Bauzeit aus der Taufe gehoben. Die Fassade aus dunkelgrauem Eternit wirkt ruhig, die schrägen Glasflächen verleihen dem Haus eine besondere Dynamik. „Wenn man ständig mit Entwürfen vom ersten Konzept bis zum Möbelbau zu tun hat, dann will man das im eigenen Haus auch so haben“, erklärt Andrea Dämon. Unter dieser Prämisse war klar, dass man im Entwurf sämtliche innenarchitektonische Details mitplanen würde.

Der Wohnbereich ist im Obergeschoß angesiedelt und war eine Herausforderung an Planer und Statiker. Spannbeton ermöglichte es, dass das offene Raumkonzept mit Lounge-Charakter von keiner einzigen Stütze unterbrochen wird. „Wir sind puristische Menschen“, so Dämon, das spiegle sich auch in den Materialien wider. „Drei bis vier Materialien, die perfekt aufeinander abgestimmt sind, reichen vollkommen aus“, ergänzt Andreas Doser. Farblich dominieren Weiß, helle Cremetöne sowie das helle Grau des Sichtbetons.

Hauptdarsteller ist jedoch die Natur, die durch großflächige Glasflächen ins Haus dringt und so Teil des Raumkonzepts wird. Vom vorgelagerten Balkon hat man einen fantastischen Ausblick bis nach Mörbisch. Die unterschiedlichen Lichtstimmungen und Sonnenuntergänge bieten ein schier unendliches Repertoire an Himmelskulissen - von kitschig bis dramatisch.

Badewanne mit Gartenblick

Die mäandrierenden Trittstufen aus Stahl führen hinab ins Erdgeschoß. Schwarze Farbe und Metall geben in der Wohnküche den Ton an. Ums Eck liegt der Privatbereich. Nach der Badewanne können Neuankömmlinge lange suchen. Auch das klassische Bett hat ausgedient. Beide Möbelelemente sind nebeneinander in ein raumfüllendes Podest im Schlafzimmer integriert. Der Blick von Bett und Badewanne ist auf den Garten ausgerichtet.

Der konsequente Stil der beiden Architekten setzt sich draußen fort. Links und rechts wird der Garten von Betonwänden begrenzt. Dazwischen laden lauschige Nischen zum Chillen ein. „Wir wandern von einem Plätzchen zum nächsten“, sagen sie, „das hängt vor allem vom Wind ab, der hier ununterbrochen weht.“

Zum Erstaunen der Besucher haben hier selbst die an die Betonwand gestellten Solarzellen dekorativen Charakter. Einem guten Zweck dienen sie außerdem: Sie bereiten das Warmwasser für Haus und Pool auf. Einzige Beeinträchtigung der Lebensqualität stellen die burgenländischen Moskitos dar, die wie die Bewohner scheinbar auf puristische Architektur abfahren. An einer speziellen Netzkonstruktion wird bereits gearbeitet.

Letzte Woche erhielt das Projekt den Preis „Das beste Haus“ für das Bundesland Burgenland.

Der Standard, Sa., 2009.05.09



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Haus ad2

02. Mai 2009Sabine Lintschinger
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Schiefwinkelig in See gestochen

Mit einem unkonventionellen Zubau in Wien-Mauer haben die novarc architekten einer Familie mehr Raum verschafft. Echt schräg ist nicht nur die Außenwand, sondern auch die Kombination als Alt und Neu.

Mit einem unkonventionellen Zubau in Wien-Mauer haben die novarc architekten einer Familie mehr Raum verschafft. Echt schräg ist nicht nur die Außenwand, sondern auch die Kombination als Alt und Neu.

Allmählich wurde es eng im Hause Marold. Der Zugang in das schlanke Gebäude aus den Dreißigerjahren, das in seinen dunklen Jahren sogar als Lazarett genutzt wurde, verlangte seinen Bewohnern schon einige Verrenkungskünste ab: Der Eingang führte nämlich direkt in das enge Wendeltreppenhaus. Und dann fehlte auch noch ein zweites Zimmer für die Kinder - ganz zu schweigen vom Wunsch nach einem offenen Wohnkonzept und nach einem direkten Zugang in den Garten.

„Wir haben jahrelang nach dem passenden Architekten gesucht“, erzählt die Baufrau. Die Entwürfe, die das Haus - auch das gab es - in eine Art Schloss umfunktioniert hätten, gefielen nicht. Schließlich landete man durch Zufall bei den novarc architekten. Schnell gab es das erste Kartonmodell. „Die Schrägen haben mir auf Anhieb gefallen“, sagt sich der Bauherr, der den Spitznamen Nautilus trägt und dessen Segelvorliebe sich im Zubau, wenn auch nicht vordergründig, widerspiegelt.

Zur Straße hin wirkt der Baukörper verschlossen und abweisend wie der Rumpf eines Schiffes. Besonders polarisierend ist die Fassade aus Titanzinkblech. Die Aussagen von Nachbarn und Spaziergängern sind vielfältig. „Man gewöhnt sich langsam daran“, sagen die eigenen, „da kann man nichts machen“, die anderen. Der unschlagbare Vorteil jedoch: „Das Material eignet gleichermaßen fürs Dach, für die Fassade sowie für Dachrinnen und Fallrohre. Dadurch ergibt sich das Bild einer homogenen Haut“, beschreibt Architekt Matthias Schmid das Konzept.

Bizarre Lieblingsecken

Über einen Steg, der die Brücke zwischen Alt und Neu symbolisiert, gelangt man ebenerdig ins Hochparterre. Die geplante, innenarchitektonische Abtrennung des Eingangsbereichs wurde bis dato noch nicht in Angriff genommen. Die schiefen Wände und Winkel abseits der Norm sind der Familie ans Herz gewachsen. Besonders bizarr treffen die Schrägen im Schlafzimmer aufeinander. Hier ist sie, die Lieblingsecke von Nautilus, der sich unter den flatternden Segeln eines Schiffes wähnt.

In welchem Raum auch immer man sich gerade befindet: Man schaut direkt ins Grüne. „Die Schräge im Zubau gibt die Blickrichtung vor, denn der Raum öffnet sich konisch zum Garten hin“, erläutert der Architekt. Vor der großflächigen Verglasung auf der Südseite liegt ein Balkon, von dem es über ein paar Stufen erst auf die Terrasse, dann weiter auf die Wiese geht. Die vorgezogene Außenwand an der Westseite schützt vor neugierigen Blicken sowie vor Witterung und Sonnenlicht.

Ziel der novarc architeken war es, den Außenbezug zu stärken, da der Garten von der Familie früher nur wenig genutzt wurde. Erst mit einiger Distanz erkennt man die schwebende Konstruktion des Zubaus, der auf einem sogenannten Tisch aus Stahlbeton steht. Die Fläche darunter dient als überdachter Abstellraum.

Während der Umbauarbeiten im Sommer 2007 musste Familie Marold nur für zwei Monate auswandern und zog ins Nachbarhaus, wo die Eltern der Baufrau wohnen. Die Rückkehr in das vergrößerte Gebäude wurde von der ganzen Familie wie der Einzug in ein neues Haus empfunden: „Für uns ist das ein deutliches Mehr an Lebensqualität“, sagen sie. Das sah auch die MA 19 (Magistratsabteilung für Architektur und Stadtgestaltung) so - im Zuge der Ausstellung Gebaut 2007 wurde der Umbau sogar mit einer Auszeichnung beehrt.

Noch ist das Projekt nicht abgeschlossen, denn der Entwurf der Architekten sieht auf der Gartenseite riesige Sonnensegel zur Beschattung vor. In Bälde könnten also die Segel gehisst werden.

Der Standard, Sa., 2009.05.02



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Einfamilienhauszubau Maur

04. April 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Seemann, deine Heimat

Beim Umbau einer in die Jahre gekommenen Villa in Wien-Mauer haben die Architekten Najjar & Najjar die Yacht ins Haus geholt.

Beim Umbau einer in die Jahre gekommenen Villa in Wien-Mauer haben die Architekten Najjar & Najjar die Yacht ins Haus geholt.

Von der Straße aus ist der Villa F. vom Umbau im vergangenen Jahr kaum etwas anzusehen. Die Farben wurden auf Schwarz und Weiß reduziert, dem Eingang wurde ein Glaskobel vorgelagert, darüber zieht sich - wie Al Capones Hut - ein Satteldach in die Fassade hinein.

Die Lage im Süden Wiens, die tolle Aussicht und der großzügige Garten mit altem Baumbestand waren für den Bauherrn Kaufargumente genug. Da er aber modern und ungewöhnlich wohnen wollte, machte er sich im Internet auf die Suche nach dem passenden Architekten. Ein kleiner Wettbewerb folgte: „Der Entwurf von Najjar war mit Abstand der beste“, erzählt der Bauherr im Rückblick.

„Die Entwurfsidee zielte darauf ab, den Bestand aufzuwerten und die Blickbeziehungen zu verbessern“, sagt indes Architekt Rames Najjar, der dem ursprünglichen Stil des Hauses nicht viel abgewinnen konnte und die Bauaufgabe als schwierig bezeichnet. Um großzügige, zusammenhängende Räume zu schaffen, wurden Wände entfernt und Teile der Fassade abgetragen, bis nur noch der Rohbau stehenblieb.

Beim Betreten des High-End-Luxusdomizils offenbart sich bereits die innere Wandlung des Gebäudes - vom düsteren Wienerwald-Stil zum coolen Yachtdesign. Hell und klar ist das Entree mit seiner farbigen Hinterleuchtung im Eingangsgeschoß, wo auch Gäste untergebracht werden können. Über eine Marmortreppe gelangt man auf die Wohnebene der Villa F. Man staunt nicht schlecht: Eine Welle geht durch den Raum, der Blick folgt ihr unweigerlich.

„Die Welle ist eine Verbindungsmöglichkeit“, erklärt Najjar, „von der Formensprache her ist der Umbau vom Bootsbau inspiriert.“ Daher sind auch die unterschiedlichen Funktionen unauffällig in die Wände integriert. Die mit Corian verkleidetete Möbelwand dient als Stauraum für die Dinge des Alltags. Selbst die technischen Spielereien wie Video-Beamer und die Leinwand für das Home-Cinema sowie die LED-Beleuchtung verschwinden dezent in der Decke. Nichts stört, nichts liegt herum.

Versteckt und weggeräumt

Die Lebensbereiche Essen, Kochen, Wohnen und Arbeiten gehen nahtlos ineinander über. Blickfänger ist das Aquarium, das wie ein lebendiges Bild die Wand ziert und mit dem hinterleuchteten, computergenerierten Glas verschmilzt. Rund eine halbe Stunde täglich braucht das Salzwasseraquarium an Aufmerksamkeit, so der Hausherr. Sinn der lebendigen Wasserlandschaft war es, dem Raum mehr Tiefe zu geben und den Yachtcharakter zu verstärken.

Die Küche ist ein weiteres Highlight des Hauses. Das übliche Sammelsurium an Töpfen und Küchengeräten lässt sich hier nicht einmal erahnen. Wer will denn schon in einem 500 Quadratmeter großen Refugium des Jetsets Kochtöpfe und Karotten herumliegen sehen? Sämtliche Funktionen verschwinden in den Wänden. Sogar die unscheinbaren Ecken haben es in sich und bergen so manches Regal.

Am Ende der Welle liegt eine integrierte Bar, die flächenwirksam hinter einem creme- und gelbfarbenen Wandkunstwerk verschwindet. Ansonsten dominiert die Lieblingsfarbe des jungen Bauherrn: Weiß schätze er eben nicht nur beim sommerlichen Outfit und beim Sportwagen, meint er, sondern auch im Haus.

Durch eine Glaswand gelangt man schließlich in den Spa-Bereich mit Sauna und Pool. Gegenstromanlage, Wasserfall, Massagedüsen, Poolbeleuchtung - alles da. Wenn man in den chilligen Liegen Platz nimmt, wähnt man sich auf einem Schiffsdeck. Hinter der Reeling gleitet der Blick statt aufs Meer hinaus in den Garten. Der maritime Gedanke wurde auch im Obergeschoß weitergeführt. Wie eine Kommandobrücke thront auf dem Haus eine riesige Gaupe aus Glas. Hier liegt einem Wien zu Füßen - oder aber das Fernsehprogramm im aufklappbaren Flatscreen.

Der Standard, Sa., 2009.04.04



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Villa F.

21. März 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Landleben im Stadtleben

Einfamilienhaus mitten in der Stadt? Das Wiener Architekturbüro Froetscher Lichtenwagner rüstete ein altes Hofhaus im dicht besiedelten Bezirk Mariahilf zu Wohnzwecken um.

Einfamilienhaus mitten in der Stadt? Das Wiener Architekturbüro Froetscher Lichtenwagner rüstete ein altes Hofhaus im dicht besiedelten Bezirk Mariahilf zu Wohnzwecken um.

Ursprünglich war die Familie auf der Suche nach einem Rohdachboden. Doch angesichts der Probleme, die sich beim Ausbau von Dächern meistens auftun, legten befreundete Architekten der Baufrau nahe, auch nach bodennahen Alternativen zu suchen. Als sie im Internet ein Objekt in Wien Mariahilf fand, staunte sie nicht schlecht. „Es sah hübsch aus mit der Steinmauer und den Bäumen dahinter“, erzählt die Baufrau, die vom verfallenen Charme der Baracke auf Anhieb angetan war,

Anders die beiden Architekten Willi Froetscher und Christian Lichtenwagner. Sie wussten sofort, dass man in das vorgefundene Kleinod nicht so rasch mit Sack und Pack einziehen könne. Frohen Mutes nahmen sie die Bauaufgabe an. Die größte Einschränkung bei der Sanierung der Bausubstanz aus den Fünfzigerjahren war die Flächenwidmung. Zuletzt als Fotostudio genutzt, galt der Baugrund laut Magistrat der Stadt Wien als sogenannte „gärtnerisch auszugestaltende Fläche“. Neu- und Zubauten waren daher ausgeschlossen, eine Veränderung war nur innerhalb der bestehenden Hülle möglich.

Im ersten Schritt wurde das 140 Quadratmeter große Hofhaus komplett ausgehöhlt. Im Anschluss daran wurde eine Fundamentsanierung durchgeführt. Von 17 Firmen, die um ein Anbot für Holzfertigbauteile angefragt worden waren, stellten aufgrund der schwierigen Bedingungen auf der beengten städtischen Parzelle lediglich fünf ein Angebot.

Doch glückliche Zufälle begleiteten das Bauvorhaben: Auf der anderen Seite der Mauer war zeitgleich eine Baustelle und damit auch ein Kran vorhanden, mit dem die Holzelemente auf spektakuläre Weise einschwebten. Stück für Stück wurden die maroden Fünfzigerjahre-Wände durch neue Fertigteile ersetzt. Nach nur fünf Monaten Bauzeit war das schlichte Hofhaus mit begrüntem Dach fertig.

Wohnen zwischen den Boxen

„Bei den Raumboxen, die jeweils als Küche, Bad und Schlafzimmer genutzt werden, haben wir uns für Lärchenholz entschieden“, erklärt Architekt Willi Froetscher das räumliche Konzept, „die vertikale Leistenstruktur der Fassade zieht sich in den Innenräumen fort und verwischt auf diese Weise die Grenze zwischen innen und außen.“ Der übrig gebliebene Wohnbereich dazwischen wurde verglast und kann im Sommer großflächig geöffnet werden.

Die natürliche Materialwahl war ein Wunsch der Baufrau. Auch der Fußbodenbelag - im ganzen Haus wurde einheitlich Estrich verlegt - war ein gekonnter Schachzug. Aufgrund dieser Maßnahmen wirkt der Garten rundherum nun wie eine Verlängerung des Wohnzimmers. Der graue Betonboden geht unmittelbar in die befestigten Außenflächen aus Naturstein über. Die liebevoll aufgemauerte Steinmauer auf der einen Seite und der schattenspendende alte Kastanienbaum auf der anderen Seite machen aus dem Garten einen gemütlich abgegrenzten Freiraum.

„Im Winter ist der Schnee liegen- geblieben“, schwärmt die Baufrau, die bereits ihre ersten Gärtnerambitionen hegt. Bambus, Tulpen, Magnolien und sogar eine Hortensie sollen werden spätestens im kommenden Jahr das Haus zieren. Und, wer weiß, vielleicht auch eine Auszeichnung? Das Hofhaus M. ist ein heißer Anwärter für den Architekturpreis „Das beste Haus 2009“, der Ende April verliehen wird.

Der Standard, Sa., 2009.03.21



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Hofhaus Millergasse

14. März 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Die Wohnung als Schautribüne

Eine Wohnung ist zum Wohnen da. Sie kann aber genauso gut als Büro genutzt werden - oder als Schauraum. Das Wohn-Schau-Büro in Linz Urfahr ist ein Prototyp des Innenarchitektur- und Designbüros destilat.

Eine Wohnung ist zum Wohnen da. Sie kann aber genauso gut als Büro genutzt werden - oder als Schauraum. Das Wohn-Schau-Büro in Linz Urfahr ist ein Prototyp des Innenarchitektur- und Designbüros destilat.

Hinter dem geheimnisvollen Label destilat stecken Thomas Neuber, Henning Weimer und Harald Hatschenberger. Die drei Designer sind nicht nur Profis auf ihrem Gebiet, sondern auch langjährige Freunde, die ihre Kräfte im gemeinsamen Unternehmen gebündelt haben. „Es muss in erster Linie Spaß machen“, erklärt Henning Weimer das oberste Prinzip im Team. Das ist vermutlich auch der Grund dafür ist, dass die Linzer Dependance nicht over- styled ist, sondern richtiggehend einladend und wohnlich wirkt.

Am Anfang stand die Idee, die eigenen Kreationen statt in einem kühlen Schauraum in einem lebendigen Ambiente zu präsentieren. Dazu brauchte die 140 Quadratmeter große Altbauwohnung im Stadtteil Linz Urfahr erst einmal ein ordentliches Refurbishing. Die Deckenmalerei musste freigelegt, die alten Eichenböden und Flügeltüren behutsam saniert werden. Entstanden ist eine charmante Kombination aus Alt und Neu: Gleich im Vorzimmer wird man vor dem Rundgang durch die Wohnung von churchill, einer Neuinterpreation des klassischen Fauteuils, höchstpersönlich begrüßt.

Wohn- und Arbeitsatelier

Da weiß man auf Anhieb, dass einem hier keine Dinge von der Stange geboten werden, sondern selbst- entworfene Designerstücke. So wie etwa der Küchentisch: Auf den Korpus aus massiver Weißbuche wurde dunkles Linoleum aufgezogen und der Boden quasi auf Tischhöhe angehoben. Der Prototyp dafür wurde in einer kleinen Manufaktur im Mühlviertel hergestellt, wo die Entwürfe von destilat regelmäßig zum Leben erweckt werden.

Das vierbeinige Möbel ist Arbeits- und Esstisch in einem. „Wir kochen bei der einen oder anderen Präsentationen auf und machen eine Flasche Wein auf“, sagen die Designer. Dass Leute in sein privates Domizil zu Besprechungsterminen kommen, scheint Harald Hatschenberger nicht zu stören: „Ich zeige gerne her, wie ich wohne.“ Und tatsächlich: Ein Blick in den Kühlschrank beweist, dass hier tatsächlich jemand wohnen muss.

Das Büro nebenan beherbergt Stoffmuster, Kataloge, Ordner und all das, was ein klassisches Home-Office sonst noch braucht. Das Wohlfühlen wird in diesen vier Wänden jedenfalls großgeschrieben: „Unsere Devise ist: Geht es dem Designer gut, geht es allen gut.“ - Ein Motto übrigens, das im Umgang mit Kreativen üblicherweise viel zu wenig beherzigt wird.

Ein Zuhause mit Möbeln, die von Zeit zu Zeit ausgetauscht werden, mit schönen Teppichen, Lampen und Kunstfotografien an der Wand kann der Kreativität nur zuträglich sein. Und dann das Feuer: Im Wohnzimmer wurde ein offener Kamin eingebaut. Schon als Kind hatte der Designer eine Affinität zum Feuer. Der riesige Teppich davor wirkt wie eine Liegewiese, lädt zum Wohnen auf dem Boden und zum Betrachten der Flammen ein.

Weiterer Blickfang sind die beiden Spiegelkuben grandma und grandpa. Wenn das Licht angeht, kommen in den puristischen Möbeln unverwechselbare Konturen zum Vorschein. Der große Couchtisch offenbart sein barockes Innenleben, auf dem kleinen Beistelltisch erscheint plötzlich ein Häkeldeckchen. Das Spiel mit den Gegensätzen zwischen absolutem Minimalismus und großer Opulenz sorgte selbst auf der Designmesse in Tokio für Überraschung. Das Interesse galt nicht zuletzt der innovativen Technologie.

Besucher des bewohnten Schauraums dürfen auch ins Privatgemach eintreten. Schlafzimmer und Bad wurden beim Umbau loftig miteinander verbunden. „Dadurch vergrößert sich die Raumwirkung“, erklärt Hatschenberger. „Eine Lösung für jeden eingefleischten Single.“ Und selbst die Badewanne wird multifunktional genutzt. Bei Firmenfeiern und besonderen Veranstaltungen wird sie bis obenhin mit Crushed Ice angefüllt.

Der Standard, Sa., 2009.03.14



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Apartment D

07. März 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Den Wald ins Haus holen

Haus H. erinnert daran, was ein gutes Zuhause können muss. Auf unprätentiöse Weise bauten Bruno Sand-bichler und Feria Gharakhanzadeh ein Haus zum Leben und schlossen Freundschaft mit ihren Auftraggebern.

Haus H. erinnert daran, was ein gutes Zuhause können muss. Auf unprätentiöse Weise bauten Bruno Sand-bichler und Feria Gharakhanzadeh ein Haus zum Leben und schlossen Freundschaft mit ihren Auftraggebern.

Frau und Herr H. wünschten sich ein eigenes Haus in der Umgebung des Hörndlwaldes, einem attraktiven Naherholungsgebiet in Wien. Nach viereinhalb Jahren Suche kannten die beiden schon jedes freie Grundstück. Bis auf das eine! Aufgrund der Kaufsumme hatten sie es erst gar nicht besichtigt. Kurz davor aufzugeben, entdeckten sie eines Tages plötzlich ein neues Preisschild, und schon rückte die Parzelle in den Bereich des Möglichen. Eine glückliche Fügung des Schicksals - man kann sie auch Internet nennen - führte die persisch-österreichische Familie schließlich mit einem ebensolchen Architekturbüro zusammen.

„Man muss den Wald ins Haus reinholen, hat die Architektin beim ersten Treffen gesagt“, erinnert sich die Baufrau. Doch wie kann das funktionieren, wenn es zwischen der Häuserzeile an der Straße und dem Wald am anderen Ende des Grundstücks eine ziemliche Distanz zu überwinden gilt? „Solche Bedingungen sind für uns in jedem Fall ein Ansporn“, sagt Architektin Feria Gharakhanzadeh.

Prompt bekam die Nordseite des Hauses, die sich zum Garten und zum Wald hin orientiert, eine Glasfassade verpasst, während die südseitige Straßenseite bis auf ein Lichtband zur Gänze geschlossen wurde. Eine ungewöhnliche Lösung. Betritt man jedoch das Gebäude, wird man angenehm überrascht: Der Raum ist nicht nur großzügig und offen, sondern auch erstaunlich hell.

„Noch vor Planungsbeginn haben wir die Bauherrn gebeten, die Sonne auf dem Grundstück genau zu beobachten“, sagt Gharakhanzadeh. „Wir wollten wissen, wann und wo das Licht auf den Bauplatz fällt.“ Diese haben die Aufgabe offenbar ernst genommen. Die Architekten ließen die Daten in ihren Entwurf einfließen und legten in der Mitte des Hauses einen Patio an, der den Kochbereich nach außen erweitert und an die Höfe persischer Häuser erinnert. „Der Patio speichert die Wärme und kann daher länger, als es das Klima in unseren Breitengraden erlaubt, benützt werden.“ Kein Wunder, dass dies einer der Lieblingsplätze der Familie wurde.

Licht und Leichtigkeit

Der eigentliche Wohn- und Essbereich ist etwas abgesetzt und trotz des offenen Raumkonzeptes gut gegliedert. Das Waldpanorama samt Wildlife-Attraktionen - sogar ein Fuchs wurde im Garten schon gesichtet - lässt sich von hier aus wunderbar betrachten.

Die Mitte des Hauses ist in mehrfacher Hinsicht interessant: Sie ist als zweigeschoßiger Luftraum mit Galerie konzipiert und verleiht dem Haus eine beschwingte Leichtigkeit. Licht und Sonne werden auf diese Weise eingefangen und im ganzen Haus verteilt. Der dunkle Schieferboden gibt als Kontrast zu den weißen Wänden Halt und Festigkeit. „Der zentrale Ofen kann mehr als Feuer zeigen“, erklärt die Architektin - was er bei einem Heizungsausfall bereits unter Beweis stellen konnte.

Während der untere Stock der Kommunikation dient, ist der erste Stock als Rückzugsbereich gedacht. Die drei Schlafräume werden wahlweise auch als Fernseh- oder Gästezimmer genutzt. Zwei Bäder sorgen für die nötige Privatheit. Auf besonderen Wunsch des Bauherrn thront an der rechten Seite des Hauses ein Turm, der zur Straße und zum Garten hin verglast ist. „Von hier aus können wir den Nachbarn zuwinken“, erzählt die Baufrau lachend.

Der kurzen Bauzeit von nur sieben Monaten ging ein intensiver Planungsprozess voraus, den sowohl Bauherrn als auch die Architekten in angenehmer Erinnerung haben. Aus der respekt- und vertrauensvollen Bauherren-Architekten-Beziehung hat sich schließlich eine Freundschaft entwickelt.

Der Standard, Sa., 2009.03.07



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Haus Familie H.

27. Februar 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Tür an Tür mit dem Drahtesel

Auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs leben in Wiens erster Bike-City rund 300 Fahrräder samt ihren Besitzerinnen und Besitzern in friedlicher Koexistenz. Das Angebot ist spezifisch auf die Nutzer abgestimmt.

Auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs leben in Wiens erster Bike-City rund 300 Fahrräder samt ihren Besitzerinnen und Besitzern in friedlicher Koexistenz. Das Angebot ist spezifisch auf die Nutzer abgestimmt.

Mühsames Schleppen über viel zu enge Stufen, Anketten ans Stiegenhaus-Geländer oder unbewachtes Abstellen irgendwo im Hof. Wer kennt das nicht? Für die Bewohner der sogenannten Bike-City in Wien Leopoldstadt gehört derart anstrengender Umgang mit dem Drahtesel der Vergangenheit an.

„Die Herausforderung lag darin, die spezifischen Bedürfnisse von Menschen, die sich mit dem Fahrrad durchs Haus bewegen, zu berücksichtigen“, erklärt Claudia König vom Wiener Architekturbüro königlarch. Wenn sie bei diesem Thema erst einmal richtig in Fahrt kommt, kann man nur noch darüber staunen, wie bisherige Wohnbauten in ganz Österreich offenbar fehlgeplant wurden. Die Bike-City ist ein Paradies für Radfahrer und ihre Gefährte. Die Planung umfasst unterschiedliche Unterbringungsmöglichkeiten in tageslichthellen Fahrradräumen, Nischen in den Laubengängen und vor den Wohnungstüren, aber auch versperrbare Abstellboxen im Keller für besonders wertvolle Exemplare. Ja sogar die Lifte wurden übergroß ausgeführt, damit Rad und Fahrer mühelos darin Platz finden.

Abstellräume für Dreiräder

An den Nachwuchs der radbegeisterten Bewohner wurde in der Bike-City freilich auch gedacht: Es gibt einen eigenen Abstellraum für Kinderfahrzeuge, in dem zwischen alle den Dreirädern, Rollern und Laufrädern ein halbwegs geordnetes Chaos herrscht.

Die Bemühungen um die Bedürfnisse der Radfahrer blieben nicht unbemerkt: Die Wohnhausanlage des gemeinnützigen Bauträgers Gesiba wurden vom Verkehrsclub Österreich mit dem Mobilitätspreis ausgezeichnet: Die Bike-City sei als genanntes Verkehrssparhaus - ja, dieses Wort gibt es wirklich - so konzipiert, dass die Bewohner kein eigenes Auto besitzen müssten, um mobil zu sein. Die Lage an der U-Bahn und in unmittelbarer Nähe zur Donau kommt dem entgegen. Eine Autoverzichtserklärung wurde den Bewohnern jedoch nicht abverlangt. Ganz im Gegenteil: Es gibt 49 Autoabstellplätze in der Tiefgarage sowie die Möglichkeit zum Car-Sharing.

Doch es ist nicht nur die Fahrradfreundlichkeit, die aus der Anlage einen attraktiven Wohnort macht. Im Erdgeschoß des L-förmigen Baukörpers steht den Bewohnern ein Wellnessbereich mit Sauna, Fitness, Kneippanlage, Solarium und Ruheraum zur Verfügung. Von vereinsamten Mehrzweckräumen keine Spur. Die Wellnessoase fand derart regen Zustrom, dass die Bewohner selbst an einem System mitarbeiteten, um den Run auf die Sauna in den Griff zu kriegen.

Alle 99 Wohnungen, die zwischen 60 und 120 Quadratmetern liegen, werden über weiträumige Laubengänge erschlossen. Hofseitig haben die Maisonette- und Geschoßwohnungen Loggia oder Balkon. Die verschiebbaren Holzschiebeläden davor können je nach Lust und Laune bewegt werden und dienen als Schutz vor Sonneneinstrahlung und fremden Blicken. „Das lebendige Spiel der Fassade drückt die Befindlichkeit der Bewohner aus“, beschreibt Claudia König das Bild.

Außen sorgen großzügige Spiel- und Bewegungsflächen für den nötigen Freiraum - mit einer kleinen Hügellandschaft und Spielgeräten mittendrin. Kein Wunder, dass die Kinder hier gerne in die Pedale treten. Falls es einmal einen Patschen gibt, können die Räder direkt vor dem Haus gewartet werden. Der Outdoor-Werkplatz ist mit Wasseranschluss, Luftpumpe und speziellem Bodenbelag ausgestattet. Wenige Monate nach Fertigstellung ist die Bike-City bereits zum Leben erweckt. Architektin König: „In so einem Haus wohnen gleichgesinnte Menschen, die den Kontakt zueinander suchen - und finden.“

Der Standard, Fr., 2009.02.27



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WHA Bike City / WHA time2live

21. Februar 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Auf dem Dach der eigenen Welt

Die lakonis architekten erfüllten sich einen Traum, von dem viele nicht einmal zu denken wagen. Aus dem anfänglichen Wunsch nach einer Terrasse wurde gleich ein ganzes Haus mit neuem Dachgeschoß.

Die lakonis architekten erfüllten sich einen Traum, von dem viele nicht einmal zu denken wagen. Aus dem anfänglichen Wunsch nach einer Terrasse wurde gleich ein ganzes Haus mit neuem Dachgeschoß.

Auf dem kleinen Klopfbalkon ihrer Mietwohnung sinnierte das Architektenpaar Mira Thal und Michael Buchleitner einst darüber, wie schön doch das Leben mit eigener Terrasse wäre. Am besten im Dachgeschoß mit Blick auf Wien. Jahrelang suchten die beiden nach dem perfekten Rohdachboden. Doch vergebens.

Und so hatten sie eines Tages die Idee geboren, statt eines Dachbodens gleich ein ganzes Haus zu kaufen. Auch hier dauerte die Suche nach einem passenden und leistbaren Objekt ganze zwei Jahre. Im 18. Bezirk wurde man schließlich fündig.

Die Arbeit fing im Keller an. Eine neue Fundamentplatte musste eingebaut werden. „Es war sehr viel zu tun“, erinnert sich Michael Buchleitner. An die 10.000 Arbeitsstunden investierten die beiden lakonis architekten ins eigene Haus. Das Büro, das im Erdgeschoß angesiedelt werden sollte, bekam einen hofseitigen Zubau. Zudem wurden einige der bestehenden Wohnungen komplett saniert. „Das Alte mit Respekt zu behandeln war uns sehr wichtig“, sagen die beiden Architekten. Zur Rundum-Erneuerung zählte daher auch die Restaurierung der Stuckfassade sowie der Einbau neuer Fenster.

Krönung des aufwändigen Projekts ist das neue expressive Dach, das dem geschichtsträchtigen Eckhaus aufgesetzt wurde. Vier Wohneinheiten wurden eingeplant, eine davon bewohnen nun Mira Thal und Michael Buchleitner mit ihren beiden Kindern.

Penible Raumgliederung

Im Zentrum der Dachwohnung steht ein massiver Esstisch, der gleich nach dem Betreten zum Hinsetzen einlädt. Der Platz lässt zahlreiche Einblicke zu, ohne gleich die ganze Wohnung preiszugeben. Statt der sonst üblichen offenen Wohnküche, in der man vom Sofa aus meist schon die Suppe am Herd umrühren kann, hat jeder Raum einen eigenen Charakter. Die unterschiedlichen Wohnbereiche sind gegliedert, und es gibt Wege, die das Konzept interessant und reizvoll machen.

„Die Wohnung wird im Gehen erlebt“, erklärt der Architekt. Auf dem Weg in den Wohnbereich wandert man vorbei an einem integrierten Bücherregal, in dem der gute alte Hemingway fast schon im First verschwindet. Auf der anderen Seite gibt es eine schwebende Wand, die die lang ersehnte Terrasse vom Ess- und Wohnbereich trennt.

Die Materialwahl ist puristisch, wie es sich für Architekten gehört: Beton, Stahlblech und ein wenig Holz zur Herzerwärmung. Die natürliche Belichtung ist der jeweiligen Nutzung angepasst. Während die straßenseitigen Wohnräume mittels eines Fensterbandes entlang der Traufe belichtet werden, nimmt die Helligkeit in den Privaträumen stark ab. Im Schlafzimmer fällt die Sonne von oben in den Raum, im überaus luxuriösen Badezimmer aus Kalkstein gibt es nur noch künstliche Beleuchtung: Eine Lichtdecke öffnet den zweieinhalb Meter hohen Baderaum und vermittelt einem das Gefühl von Unendlichkeit.

Zurück ins Zentrum, von dem alle Wege starten. Von der halboffenen Küche, wo ein frei stehender Küchenblock aus Aluminium auf seinen Einsatz wartet, führt eine Stahltreppe ins Freie. Dank des Luftraums über der Kochstelle erübrigt sich ein Dunstabzug.

Im Sommer, wenn die Terrassentüren offenstehen, entweichen die Kochdämpfe direkt in den Garten. Derzeit im Winterschlaf und unter einer frostigen Schneedecke verborgen, wird das kleine Arkadien in ein paar Monaten die Küche wieder mit Tomaten, Salbei und Basilikum versorgen. Auf der anderen Seite des hochgelegenen Freibereichs offenbart eine sorgfältig platzierte Sitzgelegenheit den Blick bis zum Wienerwald.

Von hier aus führt der Weg wieder hinab auf die untere Wohnterrasse. An der Ecke des Hauses öffnet sich die aluminiumverkleidete Struktur schließlich mit zwei schattenspendenden Flügeln, die von der Straße aus deutlich sichtbar über die Traufe ragen. Nach einem großen Spaziergang durch die Wohnung schließt sich der Kreis hier wieder.

Der Standard, Sa., 2009.02.21



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Dachausbau Klostergasse

13. Februar 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Grün grüßt der Frühling

Was ursprünglich ein einfaches Wochenendhaus hätte werden sollen, ist nun ein voll funktionsfähiges Domizil. Die Stadtgut-Architekten verhalfen dem Bau mit Bambus und Farbe zur eigenständigen Atmosphäre.

Was ursprünglich ein einfaches Wochenendhaus hätte werden sollen, ist nun ein voll funktionsfähiges Domizil. Die Stadtgut-Architekten verhalfen dem Bau mit Bambus und Farbe zur eigenständigen Atmosphäre.

Gewünscht war ein einfaches Haus, das man in den ruhigen Stunden am Wochenende nutzen wollte. Nicht irgendwo auf dem Land, wie dies meist der Fall ist, sondern in einer Siedlung in Wien-Donaustadt, wo der Bauherr einst aufgewachsen war.

Von gar so einfachen Rahmenbedingungen konnte allerdings bald nicht mehr die Rede sein. Die Baufrau sehnte sich nach einer heimeligen Höhle ohne direktes Sonnenlicht, er hingegen nach lichtdurchfluteten Räumen. Der größte gemeinsame Nenner war der Wunsch nach einem modernen und zeitgenössischen Haus. Doch auch hier gab es ein Problem, nachdem dieses wiederum an ein pseudorustikales Fertigteilhaus aus dem Katalog gekuppelt werden musste.

Skulptur neben Skulptur - so lautete der Grundgedanke im Wiener Architekturbüro Stadtgut, mit dem sich das Haus K. selbst neben einem derart dominanten Nachbargebäude in Zukunft behaupten sollte.

Über einen Vorgarten führt der Weg vorbei am Auto-Abstellplatz, bis zum Eingang des Hauses. Deutlicher als mit diesem saftigen Grün kann man einen Zugang nicht machen. „Das matte farbige Glas lässt mehr oder weniger starke Durchsichten zu und ermöglicht unterschiedliche Licht- und Raumwahrnehmungen“, erklären die Architekten Valerie Aschauer und Nikolaus Westhauser.

Durch eine Karusselltüre gelangt man vom überdachten Bereich direkt in den Windfang. Das Glas der beschwingten Tür hatte bereits mehrmals Risse - so gesehen ist der spannende wie spannungsgeladene Übergang wie eine Metapher zu sehen: Ob des zeit- und energiezehrenden Bauprozesses waren nach Ansicht der sichtlich geknickten Architekten Schwierigkeiten zu überwinden, die weit über das übliche Ausmaß hinausgingen.

Einmal standen ungebetene Baustellenbesucher da, mit denen sich Architekten und Baufirmen abquälen mussten, dann gab es wieder langwierige Probleme mit Großlieferanten. Und am Ende spielte sogar die Klospülung verrückt.

Letztendlich hat das Haus von alledem nichts abbekommen. Heute betritt man es mit Freude, Neugier und Erleichterung. „Es ist schon eine Meisterleistung, was die Architekten hier geschafft haben“, lobt der Bauherr das Raumkonzept und die Fassadengestaltung in höchsten Tönen. Die Elfenbeinfarbe der Faserzementplatten an der Fassade setzt sich im Inneren des Hauses fort.

Ein Haus mit Lichtstimmungen

Ahorn für Böden und Möbel gesellen sich zum zarten und warmen Erscheinungsbild des Interieurs. Der offene Wohn- und Essbereich sowie Elternschlafzimmer und Bad sind rund um den atriumähnlichen Patio aufgefädelt. Die von Architektenhand geplante Küche wurde räumlich etwas abgesetzt, der Stauraum unauffällig unter dem Treppenaufgang sowie in den Eingangsbereich verfrachtet. Ein Keller war daher gar nicht erst nötig.

Entlang der Treppe in den oberen Stock wird man von einem Fensterband begleitet. „Vielfältige Sichtbeziehungen und wechselnde Lichtstimmungen spielen im Alltag eine wichtige Rolle“, sagen die Architekten. Nicht zuletzt dadurch wirke das Haus mit 130 Quadratmeter Wohnfläche größer, als es ist.

Durch den vielfältigen Einsatz von Glas ergeben sich interessante Spiegelungen und Blicke. Selbst der Bambus, der in der grünen Oberfläche deutlich zu erkennen ist, gibt Rätsel auf. Die Lösung dazu liegt im Garten: Hinter einer großformatigen Schiebetür liegt der Patio. Sogar als Vierkanthof oder als asiatischer Meditationsgarten wurde die uneinsehbare Grünoase schon bezeichnet. Und so wurde aus dem anfänglichen Wunsch nach einem einfachen Wochenendhaus ein alltagstaugliches Domizil mit Frühlingsgefühlen. Die im Wind rauschenden Bambusstauden tun ihr Übriges.

Der Standard, Fr., 2009.02.13



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Haus K.

06. Februar 2009Sabine Lintschinger
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Wohnfabrik in kleinem Rot

Im 15. Wiener Gemeindebezirk wurde eine ehemalige Textilfabrik zum auffälligen Lofthaus umfunktioniert. Das Projekt von the sopht loft verkörpert den Mut zu Individualität: außen rosa, innen weiß, darüber grün.

Im 15. Wiener Gemeindebezirk wurde eine ehemalige Textilfabrik zum auffälligen Lofthaus umfunktioniert. Das Projekt von the sopht loft verkörpert den Mut zu Individualität: außen rosa, innen weiß, darüber grün.

Rudolfsheim-Fünfhaus. Nicht gerade das, was man als Gegend zum Herzeigen bezeichnen würde. Auf den zweiten Blick entfaltet sich zwischen den Gründerzeithäusern und Gemeindebauten allerdings bunt durchmischtes Leben, voll von Wiener Originalen und Kindern aus aller Welt. Mittendrin, genauer gesagt in der Dreihausgasse 9, steht der rosarote Bau „3hausg9“, mit eigenwilligem Namen und eigenwilligem Charme.

An ihre Vergangenheit als britische Textilfabrik erinnern noch die weißen Kugeln mit der Aufschrift „Englisch Dekor“. An der Feuermauer prangt das aufgemalte Emblem der Firma. Nachdem einige Jahrzehnte lang zu wenig auf das Äußere des Gebäudes aus den bautechnisch überaus wilden Sechzigerjahren geachtet wurde, brauchte es zur Instandsetzung mehr als nur ein Facelifting.

„Das war die erste Vollwärmeschutzfassade meines Lebens“, erinnert sich Architektin Doris Kutscher vom Büro the sopht loft und lacht dabei. Und es ist das Beste, was man einem Bau aus dieser Zeit verpassen kann. Danach wurde ordentlich Farbe aufgetragen. Die Wahl zwischen Hellblau und Rosa fiel auf das „kleine Rot“, wie die Architektin sagt.

„Nein, die Farbe trifft bestimmt nicht den Allgemeingeschmack“, doch selbst die Professionisten auf der Baustelle, die anfangs noch Ressentiments gegen Rosa hegten, freundeten sich mehr und mehr damit an. Selbst der neue Panoramalift, in dem man nun mit Blick ins Grüne bis in den vierten Stock zischen kann, erstrahlt pinkfarben. Wenn schon, denn schon.

Auffallend sind die vielen Geländer. Sie umrunden das Penthouse am Dach, begrenzen die Balkone und verbinden die Wohnungen mit der Grünfläche. Die Fläche auf dem Dach ist ebenfalls unterteilt. Kutscher: „Wir waren der Meinung, dass von diesem Grün in der Stadt mehrere Leute profitieren sollten.“

Dem Bauherrn ging es vor allem darum, die Kommunikation im Haus zu fördern. Die einen gehen vom Hofgebäude über eine Brücke hoch, die anderen spazieren im zweiten Stock hin und her, wieder andere steigen vom dritten Stock hinab - und alle treffen einander auf der gleichen Dachterrasse, wo eine automatische Bewässerung den Gartenschlauch ersetzt und wo wahrscheinlich schon bald ein Mäh-Roboter seinen Dienst tun wird. Barfuß-Pausen in der Wiese kann man sich allemal gönnen, denn die Sonne meint es gut mit dem grünen Fleckchen im Fünfzehnten und bescheint es quasi den ganzen Tag über.

Viele Möglichkeiten im Loft

Das 300 Quadratmeter große Hofgebäude auf zwei Ebenen kann je nach Wunsch der künftigen Bewohner geteilt werden. Die Nutzugsmöglichkeiten reichen von Wohnung über Büro bis Atelier. Die Einheiten sind groß genug, um auch einer gemischten Nutzung zugeführt zu werden.

Innen herrscht nach wie vor Fabriksflair. Die weißen Wände, Decken und Böden können je nach Veranlagung überfordern oder zu ungebremster Kreativität anregen. Die Rippendecke unterstreicht den Industriecharakter, die Fabriks-Heizkörper tun ihr Übriges.

Das Dachgeschoß ist von einer umlaufenden Terrasse umgeben. Durch die vielen Glastüren fällt viel Licht und Sonne in die vier Wände. Mehr sind es in der Tat nicht, denn die Objekte werden im Rohbau, also ohne Innenleben, verkauft. Eine Klimaanlage bewahrt vor dem Schlimmsten. „Es ging darum, das Haus auf den heutigen Stand der Technik und des Komforts zu bringen und dabei den ursprünglichen Charakter beizubehalten“, sagt Kutscher. Was nicht mehr zu verwenden war, wie etwa die schönen, alten Fenster, wurde unerbittlich ersetzt. „Auch wenn einem dabei das Herz blutet.“

Der Standard, Fr., 2009.02.06



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Lofthaus „3hausg9“

24. Januar 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Kommt Zeit, kommt Patina

Nach außen hin verschlossen wie eine Festung, nach innen offen wie ein Glaspalast. Architekt Thomas Lechner schuf ein Haus im Kupferkleid, das sich perfekt ins Ortsbild und ins Gelände fügt.

Nach außen hin verschlossen wie eine Festung, nach innen offen wie ein Glaspalast. Architekt Thomas Lechner schuf ein Haus im Kupferkleid, das sich perfekt ins Ortsbild und ins Gelände fügt.

In der Architektur ist es wie im Leben. Der zweite Anlauf ist oft der bessere: Der erste Entwurf für das Haus Pi landete prompt in der Schublade. „Die Erhaltung des Altbestandes war zu kostspielig“, erinnert sich Architekt Thomas Lechner und zückte sodann den zweiten Plan, der vorsah, das Haus der Vorbesitzer abzureißen. Lediglich Keller und Garagentrakt blieben auf dem Grundstück, einem Neuentwurf stand also nichts mehr im Wege.

„Nachdem das Haus von der formalen Haltung her ohnehin schon polarisiert“, dachte sich der Architekt in weiser Voraussicht, „sollte keinesfalls eine schreiende Architektur entstehen.“ Bei der Wahl der Fassadenmaterialien ordnete er sich daher dem Ortsbild unter, was von der Bevölkerung allerdings anders verstanden wurde. Das anfangs strahlende Kupferkleid des Hauses brachte die Nachbarschaft, die wilde Assoziationen anstellte und sich an eine Moschee oder Trafo-Übergangsstation erinnert sah, rasch in Aufruhr.

Der Wissensstand um das der Menschheit am längsten bekannte Metall bedarf der Nachhilfe: Kupfer legt schnell eine Patina an und ist durch seine Langlebigkeit eine exzellente und zeitlose Wahl. Auch die Kuppeln barocker Kirchen hatten einst kupfern geglänzt. Beim Haus Pi erzeugt der gestalterische Wechsel mit dem neutralen weißen Eternit ein stimmiges, unverwechselbares Gesamtbild.

Den Wunsch des Bauherrn nach einem Domizil mit größtmöglicher Flexibilität erfüllten die Architekten durch die Wahl der L-förmigen Grundrisses. Dem Begehr nach einem Bezug zwischen Innen- und Außenraum wurde mit viel Glas und einem spielerischen Umgang mit dem Gelände Rechnung getragen: „Wir haben die abgeschrägte Fläche einfach ins Haus gezogen“, erklärt Lechner das Konzept.

Die Schräge teilt den Raum in die oben liegende Küche mit angrenzendem Essbereich und in den unten situierten Wohnbereich, in den die sechsjährige Tochter des Hauses bis dato noch nie über die Stufen gelangt sein soll. Sie nutzt die Schräge als Rutsche. Trotz der Größe des Wohnzimmers und trotz der raumhohen, nahtlosen Verglasung mit Schiebetüren nach außen fühlt man sich im Herzstück des Hauses niemals verloren.

„Architektur muss funktionieren“, sagt Lechner. Dazu gehöre unter anderem auch, dass man eine Terrasse über einen längeren Zeitraum hinweg benutzen kann. Die bauliche Lösung: Das obere Geschoß kragt aus und dient der vorgelagerten Terrasse als Dach. Es beherbergt ein Schlafzimmer mit begehbarem Schrank, Fernblick inklusive.

Zähneputzen im Freien

Das Badezimmer daneben erhielt eine Loggia, die es ermöglicht, das Ritual des morgendlichen Zähneputzens im Freien zu vollführen. Auch zum Auslüften der Kleidung wird die Loggia genutzt. Vorbei am Kinderzimmer gelangt man über die Galerie wieder nach unten oder kann weiter in den Westflügel des Hauses marschieren.

Auffallend ist nicht nur die stilsichere Wahl der Materialien, sondern auch die Ausführung. Der Bauherr schmunzelt verräterisch: „Tja ...“ Der in der Baubranche tätige Unternehmer hat nämlich vieles von den eigenen Leuten anfertigen lassen. Sogar Bügelbrett und Waschmaschine fügen sich in das gestalterische Ensemble und verschwinden in eigens dafür vorgesehenen Räumen - bei 460 Quadratmeter Wohnfläche kein Problem.

Eine kleinen Wellnessbereich gibt es auch, doch entgegen allen Vermutungen befindet sich dieser nicht im Keller, sondern im Obergeschoß. „Wer über Kartoffelsäcke und Bierkisten in die Sauna stolpern muss, wird sie kaum benützen“, erklärt Thomas Lechner den Grund, weshalb die lang ersehnte Dampfkammer so oft zur Rumpelkammer verkommt. Der Bauherr meinte es ernst mit dem täglichen Schwitzgang. Vom Ruheraum aus gibt es einen direkten Zugang nach außen. Dann wird geduscht und in den Pool gehüpft, sofern dies die Temperaturen eines Tages wieder zulassen.

Der Standard, Sa., 2009.01.24



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Haus Pi

17. Januar 2009Sabine Lintschinger
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Nie wieder Einsamkeit

Doppelhäuser sind in Österreich ungefähr so selten wie Doppelhochzeiten. Dabei sind Zweifamilienhäuser eine sinnvolle Kombination von Eigenheim-Wunsch und Antizersiedelungsstrategie. Ein Fallbeispiel aus Tirol.

Doppelhäuser sind in Österreich ungefähr so selten wie Doppelhochzeiten. Dabei sind Zweifamilienhäuser eine sinnvolle Kombination von Eigenheim-Wunsch und Antizersiedelungsstrategie. Ein Fallbeispiel aus Tirol.

Nur ein paar Kurven von Zaha Hadids Bergiselschanze entfernt hat das junge Architektenduo triendl und fessler ein unübersehbare architektonisches Zeichen gesetzt, das von den Bergen gegenüber als weiße Kiste ins Auge sticht. Mitten in einer Siedlung, die sich über einen terrassierten Hang zieht, steht ein elegantes und modernes - und das ist ungewöhnlich fürs Tiroler Bundesland - Zweifamilienhaus.

„Wir wollten nicht so viel Rasen mähen“, scherzen die Bauherren über ihre Beweggründe. Jedenfalls war das Grundstück mit 1500 Quadratmetern groß genug, um das Vorhaben zu verwirklichen. Darüber hinaus gab es den Wunsch nach nachbarlicher Nähe, was in Zeiten der Häuslbauer-Solisten ein ebenso seltener wie sympathischer Charakterzug ist.

Bevor man die Kooperation mit weiteren Bauherren suchte, wurde das gesamte Projekt jedoch den beiden Architekten anvertraut. Sie dachten und planten von Anfang an für zwei Familien mit: „Das Grundstück ist lang und schmal“, erklären Karin Triendl und Patrick Fessler, „bald war klar, dass wir das Gebäude wie eine Kette auffädeln und es nach Süden ausrichten.“

Entstanden ist ein schlichter Baukörper, der sich entlang einer Mauer am nördlichen Grundstücksrand erstreckt. Der Entwurf ist klar strukturiert und gut durchdacht. Ja nicht einmal der Zugang zum Haus tanzt aus der geometrischen Ordnung. Die umlaufende Auskragung des oberen Geschoßes verleiht dem Gebäude einerseits mehr Körper und dient als wertvoller Schattenspender, andererseits ermöglicht sie es, zu den beiden Wohnungstüren zu gelangen, ohne dabei nass zu werden.

Hinter der durchgängigen Mauer zwischen Carport und Haus verbirgt sich ein windgeschützter Patio - ein privater Außenraum für die zweite Familie. Die Schlichtheit und Geradlinigkeit des Konzeptes setzt sich in den Innenräumen fort. Beide Haushälften sind im Erdgeschoß um einen rechteckigen Funktionskern aus Sichtbeton angelegt, der alle Stückerln spielt. Er birgt in sich den Treppenaufgang ins Obergeschoß, den Abgang in den Keller, ein Gäste-WC sowie eine Garderobe. Wohnzimmerseitig sind im Betonkern Küchenzeile, Kamin, Bücherregal und Sitzbank integriert - alles wie aus einem Guss. „Der Kern ist ein Gestaltungsmittel, das den Raum teilt und bereits die Aufteilung des oberen Stockwerks bestimmt“, erklärt Architektin Karin Triendl.

Puristische Materialwahl

Die Wahl der Holzart für die Einbauten war eines der wenigen Details, bei denen sich die Bauherren sehr intensiv einbrachten. „Die sibirische Lärche, die normalerweise verkauft wird, verfärbt sich mit der Zeit gelblich“, so der Bauherr, „einheimische Lärche jedoch nimmt nach einiger Zeit eine Rottönung an.“ Das war durchaus erwünscht. Kirschholz und Schieferböden sowie Putz an der Wand ergänzen die puristische Materialwahl im Niedrigenergiehaus, dessen wichtigste Zusatzheizung die Sonne ist.

Einen Stock höher liegen die Privaträume von Eltern und Kind, ein Gästezimmer mit eigenem Bad und ein Arbeitsraum. Durch großzügi-ge Fenster bricht die Abendsonne herein. „Mit den Schiebefenstern wollten wir den Blick zu rahmen“, erklärt Patrick Fessler. Das Aufhängen von Landschaftsbildern erübrigt sich damit."

Den Bauherren ist das nur recht. „Das Haus ist minimalistisch. Wir haben daher nicht viele Möbel, und das finde ich gut so“, sagt die Baufrau. Nicht einmal ein Kasten musste angeschafft werden - sämtliches Hab und Gut verschwindet in begehbaren Schränken und Nischen verschwinden. Was bleibt, ist mehr Raum zum Leben.

In die andere Haushälfte ist übrigens keine Familie eingezogen, sondern ein fröhlicher Single, der nach eigener Auskunft „diese Lebensphase bereits hinter sich“ habe. Im Zweifamilienhaus findet er nun die lang ersehnte Wohnqualität mit ausreichend Raum.

Der Standard, Sa., 2009.01.17



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Zweifamilienhaus in Tirol

10. Januar 2009Sabine Lintschinger
Der Standard

Penthouse mit Alpenpanorama

Die Berge im Blickfeld, die Innenstadt zu Füßen. Das Haus historisch, die Wohnung modern. Die Kombination mag zwar selten sein, aber sie ist möglich. Ein Dachgeschoß in Innsbruck.

Die Berge im Blickfeld, die Innenstadt zu Füßen. Das Haus historisch, die Wohnung modern. Die Kombination mag zwar selten sein, aber sie ist möglich. Ein Dachgeschoß in Innsbruck.

An klaren Wintertagen ist der Ausblick vom Sonnendeck sensationell. In Augenhöhe mit den Kirchtürmen der Stadt schweift der Blick über die schneebedeckten Gipfel der Nordkette bis weit hinein ins Unterinntal. Wenn es hier oben zu kalt wird, führen Stufen auf einer Rampe, die übrigens als Wiesenstreifen für den Sommer und nicht für Rodelaktivitäten angelegt wurde, auf eine südseitige Terrasse, von der aus man hinter die Glasschiebetür direkt ins Warme schlüpfen kann.

Im Zentrum des mehr als 70 Quadratmeter großen Wohnbereiches gibt es ein freistehendes Küchenmöbel mit integrierter Garderobe, das den offenen Raum etwas strukturiert. Der Essbereich wird mit Lamellen unter der verglasten Decke optisch unterstrichen. Fast hat man das Gefühl, unter einer Laube zu sitzen. Umgekehrt strahlt das Licht abends vom Wohnraum nach oben zwischen Flachdach und First.

„Wir haben Lamellen in verschiedenen Varianten eingesetzt“, sagt Jörg Schneider, Architekt im hübsch klingenden Büro Beaufort, über die Licht- und Schattenspiele in der Wohnung. Verschiebbare Lamellenrahmen dienen als Sonnen- und Sichtschutz, durch einen Lamelleneinschnitt im auskragenden Flachdach fällt Licht auf die Terrasse. Über Lichtmangel muss man sich hier jedenfalls nicht beklagen. Den Sonnenuntergang kann man sogar von der Badewanne aus beobachten.

Das 170 Quadratmeter große Penthouse bietet Platz für zwei Schlafzimmer und ein Gästezimmer mit eigenem Bad. Dabei hatte der Bauherr ursprünglich vor, unter dem Dach zwei kleinere Wohnungen unterzubringen. Durch die komplizierte Lage des Stiegenhauses wäre dies allerdings mit dem Verlust wertvoller Flächen für die interne Erschließung einhergegangen. Außerdem hätte sich ungerechterweise eine nord- und eine südseitige Wohnung ergeben.

„Alles sollte vom Feinsten sein“, freuten sich die Beaufort Architekten schließlich über das Okay zu ihrem Vorschlag einer einzigen Wohnung. Wenn schon Penthouse, dann exklusiv, lautete die Devise. Böden und Möbel wurden in heimischer Akazie ausgeführt und mit weißen Schichtstoffplatten kombiniert. Im Außenbereich, wo für die Fassadenverkleidung der Verbundwerkstoff Alucobond zum Einsatz kam, setzt sich der Holzboden fort.

Altes Zitat im neuen Haus

Ein stilvoller Kachelofen aus dem Bestand des Stadthauses wurde im Wohnzimmer eingebaut. Das ist aber auch schon das Einzige, das in der modernen Wohnung an das denkmalgeschützte Haus erinnert. Modern ist vor allem die Erschließung: Man betritt das Penthouse über einen Luft, der von der Tiefgarage schnurstracks in die Wohnung fährt.

Der Entscheidung für den Liftturm, der außerdem einen behindertengerechter Zugang zu den Büros und Ordinationen im Haus ermöglicht, ging eine verzweifelte Suche nach dem idealen Platz voraus - keine leichte Aufgabe angesichts der Tatsache, dass das Gebäude nicht nur unter Denkmalschutz steht, sondern auch noch mitten in der Innsbrucker Schutzzone. Dem Bundesdenkmalamt lag besonders die Erhaltung des außergewöhnlichen Stiegenhauses am Herzen. Die Sanierung wurde mit viel Liebe zum Detail in Angriff genommen: Kaputte Fliesen wurden von einem Ofensetzer in unterschiedlichen Grünschattierungen nachgebaut und ersetzt.

„Es steht oft in keiner Relation, sich mit jedem einzelnen Detail herumzuplagen“, findet Architekt Jörg Schneider, der sich an die schwierigen Rahmenbedingungen nur allzu lebhaft erinnert. Allein um einen Platz für den Kran in der Burggasse zu finden, um weder Fußgängerwege, noch Straßenbahnverkehr zu beeinträchtigen, waren drei Verhandlungen notwendig. „Wir hatten das Glück, einen aufgeschlossenen Bauherren zu haben“, sagt der Architekt.

Unten fällt die schwere Holztür ins Schloss. Das Penthouse mit Rundumblick lässt sich von der Straße aus nicht einmal erahnen.

Der Standard, Sa., 2009.01.10



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Penthouse

20. Dezember 2008Sabine Lintschinger
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Alternative zum Christbaum

In der Nähe von Amstetten bauten die MAGK Architekten ein Wohn- und Ordinationshaus. Im November wurde das Projekt mit dem Niederösterreichischen Holzbaupreis ausgezeichnet.

In der Nähe von Amstetten bauten die MAGK Architekten ein Wohn- und Ordinationshaus. Im November wurde das Projekt mit dem Niederösterreichischen Holzbaupreis ausgezeichnet.

Dieser Tage denkt man kaum daran, dass man die unzähligen Weihnachtsbäume, die bald auf den Sammelstellen landen werden, genauso gut einer höheren Bestimmung hätte zuführen können - beispielsweise als Werkstoff für moderne Häuser. „Fichte und Tanne sind unsere Standardbauhölzer, was die Konstruktion betrifft“, erklärt Martin Aichholzer von MAGK Architektur.

Für Familie Walter war klar, dass auf dem Grundstück in Schönbichl bei Amstetten ein Holzhaus stehen wird - und zwar eines, das flexibel in der Nutzung sein sollte und mit ausreichend Platz für die Ordination und eine Wohnung für die Tochter mitsamt ihrer Familie. Die übrigen Familienmitglieder leben in einem alten, romantischen Haus in der Nähe und kommen ins neue Domizil der Tochter zum Arbeiten beziehungsweise auf Besuch.

Aus der Vogelperspektive ähnelt der Grundriss des langgestreckten Hauses einem Schiff, das gut verankert auf dem schmalen Grundstück liegt. Inspiriert von der Kombination aus Wohnen und Arbeiten haben die Architekten zwei skulpturale Baukörper konzipiert, die den privaten und öffentlichen Raum klar voneinander trennen.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: „Das Haus ist zu hundert Prozent aus Holz“, so Aichholzer. Beim unteren Bauteil, in dem die Ordination untergebracht ist, wurde die Holzkonstruktion lediglich verputzt.

Hinter dem Nebeneingang führt ein geradliniger Treppenaufgang in die Wohnung der Tochter. Äußerlich ist dieser Bereich durch eine Holzfassade abgesetzt. „Wir haben die Wohnung sehr kompakt geplant“, erklärt das MAGK-Team. Ein sieben Meter langes, südseitiges Panoramafenster, bringt Licht und Wärme in den zentralem Wohn-, Koch- und Essbereich des Vier-Zimmer-Zuhauses. Im Kinderzimmer bieten L-förmige, nach unten versetzte Fenster gute Ausblicke für die Kleinen, ohne dass sie dabei auf einen Sessel steigen müssen.

Will man beim Bild des Schiffes bleiben, so betreten die Patienten die Ordination durch den verglasten Bug. Vorbei an der Rezeption sowie einem Ruheraum offenbart sich das Raumkonzept der Praxis mit ihrem Wohlfühlcharakter: Eine Leitwand aus Stahlbeton, die als Wärmespeicher für das Holzhaus dient, führt den Besucher in einen zentralen Raum, der als Wartezimmer genutzt wird.

Kunst verkürzt Wartezeit

„Demnächst wird es hier Ausstellungen geben“, erzählt Baufrau Ulrike Walter, die als ehemalige Galeristin gute Kontakte zu Künstlern hat. Den Eingangsbereich ziert bereits ein Wandrelief der Mühlviertler Künstlerin Elfriede Rup-recht-Porod. Für Vorträge ist der Warteraum ebenfalls ausgerüstet.

„Die Architekten waren großartig. Ich muss sie einfach loben“, betont die Baufrau die gute Zusammenarbeit mit dem gesamten MAGK-Team sowie mit der projektleitenden Architektin Sabrina Peters, die für dieses Projekt kürzlich den Niederösterreichischen Holzbaupreis entgegennahm.

Einzig mit der Idee, in den Innenräumen Sichtbeton einzusetzen, konnten die Architekten nicht landen. Der Baufrau schwebten nämlich warme Farben vor. So bekam die Leitwand, die das statische Rückgrat bildet, einen safrangelben Anstrich. Dazu gesellen sich Sitzmöbel, Accessoires, Teppiche und Bilder in Gewürzfarben und warmen Brauntönen.

Durch die versetzten, kreisförmigen Oberlichten und runden Deckenleuchten in unterschiedlichen Größen erhält der Raum eine verspielte Note. Fast vergisst man, dass sich hinter den Türen aus Akazienholz Behandlungs- und Therapieräume befinden. Es sieht nicht nach Arztbesuch aus - und es riecht auch nicht danach. Mitverantwortlich für die gute Luft ist eine kontrollierte Wohnraumbelüftung mit Wärmerückgewinnung, die dem Gebäude beinahe Passivhausqualität verschafft.

Der Standard, Sa., 2008.12.20



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Ordinationsgebäude und Wohnen Dr. Walter

13. Dezember 2008Sabine Lintschinger
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Wohnhaus mit buntem Akzent

In der aufstrebenden Leopoldstadt in Wien gibt eine Wohnhausanlage ein kräftiges Lebenszeichen der Erneuerung von sich. Ein Vorher-Nachher-Beispiel des Wohnbauträgers at home.

In der aufstrebenden Leopoldstadt in Wien gibt eine Wohnhausanlage ein kräftiges Lebenszeichen der Erneuerung von sich. Ein Vorher-Nachher-Beispiel des Wohnbauträgers at home.

Abends ist das Haus in der Großen Stadtgutgasse unter den vielen neutralen und gesichtslosen Bauten der Stadt eine leuchtende Erscheinung: Das verglaste Stiegenhaus des orangefarbenen Gebäudes strahlt im frischen Grün nach außen. „Die kräftigen Farben geben dem Haus Charakter und setzen einen Akzent der Erneuerung“, sagt Architekt Martin Wurnig über sein jüngstes Werk im zweiten Wiener Gemeindebezirk.

Vor einigen Jahren sah es hier noch ganz anders aus: Auf der Liegenschaft stand ein sogenannter H-Trakter, eine ideale Form der Wohnungsausbeute im doppelten Sinne. Mehr Fläche, mehr Geld, lautete damals die Devise der Vermieter. Schlechte Lichtverhältnisse waren die Konsequenzen für die Mieter. Das heruntergekommene Spekulationsobjekt bereitete dem Bezirk und der Gebietsbetreuung 15 Jahre lang Sorgen, bis es im Jahr 2003 von der Wohnbaugenossenschaft at home, einer Tochter der Wohnbaugruppe Gewog - Neue Heimat gekauft wurde.

2,9 Millionen Euro machten die Gesamtbaukosten aus. Das Ergebnis der Bemühungen um das Initialprojekt zur Grätzelaufwertung kann sich sehen lassen. Zu den Besonderheiten der neuen Wohnhausanlage mit ihren 28 Wohnungen - allesamt im Niedrigenergiestandard - zählt Transparenz: Von der Straße aus sieht man nicht nur ins grüne Treppenhaus, sondern auch in den Innenhof und in den Fahrradkäfig über der Garage.

Die Lichtverhältnisse zu verbessern war eines der vorrangigen Ziele von Martin Wurnig. „Auch im ersten Stock zu wohnen ist hier ein Traum. Wir haben hier so viel Licht wie andere im fünften Stock“, freut sich eine Bewohnerin. Neben der guten Lage schätzt sie die Ruhe in den Wohnungen, die individuellen, offenen Grundrisse und die Atmosphäre unter den Nachbarn.

Blog statt Bassena

„Es hat sich eine Gemeinschaft gebildet, und wir machen viel miteinander“, erzählt die Bewohnerin. Beliebtes Kommunikationsmittel ist ein Internet-Blog, in dem man den Unmut über anfällige Haustechnik oder über die Hausverwaltung äußern kann, in dem man gemeinsam nach Lösungen sucht oder einfach zum nächsten Hoffest zusammentrommelt. Der Gemeinschaftsgarten im Hinterhof bietet sich dafür bestens an.

Die Reduktion der Nutzfläche von 4000 auf 2800 Quadratmeter auf dem Grundstück hat eine Ruheoase mitten in der Stadt ermöglicht, von der viele nur träumen können. Im Hinterhof des für die Gegend außergewöhnlich großen Hofes befindet sich ein Spielplatz, doch in eigentliches Erstaunen versetzen die vier Reihenhäuser mit ihren eigenen Mietergärten.

Licht und Luft im Innenhof

„Wegen der Niveauunterschiede befindet sich das Erdgeschoß halb in der Erde, aber man hat nicht den Eindruck, im Keller zu sein“, erklärt Wurnig den Trick bei der Planung. Auf diese Weise ist es gelungen, dem Haupthaus den Lichteinfall nicht zu nehmen. Wer von den Balkonen, Loggien, Terrassen oder französischen Fenstern auf das begrünte Dach der Innenhofbebauung schaut, kann sich glücklich schätzen, denn gerade im geförderten Wohnbau sind Licht und Luft eine Ausnahmeerscheinung.

„Geförderter Wohnbau ist ein ganz großes Rechenspiel“, erklärt der Architekt aus reichlicher Erfahrung in diesem Bereich. Um jede Leuchte im Stiegenhaus, um jedes Fenster wird eisern gekämpft. Kompromisse stehen auf der Tagesordnung.

Glück hatte man letztlich auch in der Anlegung vermietbarer Geschäftsflächen im Erdgeschoß. Für die Passanten mehr als ein Hingucker: „Der allgemeinen Verödung der Erdgeschoßflächen habe ich ein zweistöckiges Loft mit ganz guter Raumhöhe entgegengesetzt“, beschreibt Wurnig die Idee zur Belebung der Straßenfront. Schon bald wird hinter der großzügigen Verglasung einiges in Bewegung kommen. Das perfekte Funktionsprogramm für das jugendlich anmutende Haus: Ein Fitnesscenter zieht ein.

Der Standard, Sa., 2008.12.13



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Wohnhaus in der Großen Stadtgutgasse

29. November 2008Sabine Lintschinger
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Jung und Alt im Alumantel

Der an den Kirschblütenpark in Wien Donaustadt angrenzende Wohnbau Attemsgasse überrascht mit einem innovativen Bewohnerkonzept und einer ebenso außergewöhnlichen Fassade

Der an den Kirschblütenpark in Wien Donaustadt angrenzende Wohnbau Attemsgasse überrascht mit einem innovativen Bewohnerkonzept und einer ebenso außergewöhnlichen Fassade

Für romantische Naturen ist die Gegend hinter dem Donauzentrum kein geeigneter Platz zum Leben: Auf den Durchzugsstraßen nichts als Autos, der Wind pfeift einem um die Ohren, und aus der Albert-Schultz-Eishalle, die für regen Zustrom sorgt, tobt regelmäßig der Lärm. Die Motivation der Menschen, die hier leben, ist eher eine pragmatische: Sie schätzen die nahe Anbindung an die U-Bahn, die guten Einkaufsmöglichkeiten und die Nähe zur Alten Donau und zum Donaupark, wo sie ihren Freizeitaktivitäten nachgehen können.

Viele neue Blickwinkel ermöglicht das Wohnhaus von Elsa Prochazka und Baumschlager Eberle für das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW). Bei den beiden Bauteilen, die unmittelbar hinter der Eissporthalle liegen, wurden erstmals im mehrgeschoßigen sozialen Wohnbau Leichtbau-Außenwände mitsamt einer innovativen Verkleidung verwendet.

„Das Haus hat eine lebendige Fassade“, sagt Architektin Elsa Prochazka. Die Aluminium-Verkleidung altert langsamer als andere Fassaden, ist selbstreinigend, reflektiert das Licht und sieht auch noch verdammt gut aus. Für diese nachhaltige Idee wurde der Kubus mit seinen Loggien und charakteristischen französischen Fenstern mit dem Aluminium-Architektur-Preis 2008 ausgezeichnet.

Es zahlt sich aus, auch hinter die Fassade der schmucken Wohnanlage zu blicken. 101 Wohnungen gibt es insgesamt, 42 davon haben Loftcharakter. Zwischen den beiden Bauteilen (siehe Foto) wurden Gemeinschaftsräume angelegt. Das wissen die im Frühjahr eingezogenen Bewohner der Attemsgasse jedenfalls zu schätzen: „Wir fühlen uns sehr wohl in diesem Haus.“

Auch die vielfältigen Anforderungen an das moderne Bauen wurden erfüllt: Holz-Alu-Fenster liefern beste thermische Werte, sodass durch große Glasflächen die Sonnenenergie genutzt wird. Unterm Strich erreicht das Haus Niedrigenergie-Standard. Auch Barrierefreiheit ist in der Attemsgasse kein Fremdwort: Der Lift ist behindertengerecht, und die Stufen sind auch für Menschen mit einem Handicap überwindbar.

Wohnen für Jung und 50plus

Hier offenbart sich das Konzept des Gebäudes: Die Wohnanlage ist als Brücke zwischen der älteren und der jüngeren Generation konzipiert. Das straßenseitige Gebäude für die sogenannten „Senior Citizens“ ist für eine reifere, aber mobile Generation gedacht, der Solitär im Hof ist für die Zielgruppe der sogenannten „Urban Professionals“, die gerne Wohnen und Arbeiten miteinander verbinden.

Das spiegelt sich auch in den Grundrissen der Wohnungen wieder: offene Räume mit vielfältigen Möglichkeiten im kompakten Quader, klassische Wohnungen mit weniger Raumbedarf für die jungen Alten. Loggien oder Terrassen haben alle. „Durch die eingeschnittenen Loggien ist der Freiraum jeder einzelnen Wohnung geschützt“, erklärt Prochazka, die hier auch auf den frischen Kagraner Wind Rücksicht genommen hat.

Die Realität sieht anders aus, die Zielgruppen sind schön durchmischt. Jungfamilien sind umgeben von „Senior Citizens“, Pensionisten wohnen im urbanen Loft. Und die Gemeinschaftsräume im verglasten Verbindungstrakt? Bis jetzt gibt es erst eine Aerobic-Gruppe, schon bald soll es in den hellen Räumlichkeiten Kinderfeste, Gymnastikstunden und Hausversammlungen geben. Auch die Gemeinschaftsterrasse auf dem Dach könnte schon bald dem Miteinander förderlich sein, hofft ein Mieter. Silvester steht vor der Tür.

Der Standard, Sa., 2008.11.29



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Wohnbau Attemsgasse

22. November 2008Sabine Lintschinger
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Eine Vitrine fürs Pferdchen

Wie setzt man einen Ferrari in Szene? Keine geringere Frage beschäftigte die SPS-Architekten, die mit einem Projekt am Mondsee zum Vorreiter in der PS-Architektur wurden. Sie schufen eine Vitrine fürs rote Gefährt.

Wie setzt man einen Ferrari in Szene? Keine geringere Frage beschäftigte die SPS-Architekten, die mit einem Projekt am Mondsee zum Vorreiter in der PS-Architektur wurden. Sie schufen eine Vitrine fürs rote Gefährt.

Hanglage, Seeblick und viel Sonnenschein: Die Lage des Grundstücks am Mondsee ist einmalig und hatte einen Geschäftsmann zum Kauf der Liegenschaft bewegt. Nur für das schwarze Pferdchen, das auf seinen Hinterbeinen steht und die knallrote Karosserie ziert, gab es noch kein passendes Zuhause.

„Wir wollten nicht, dass vor dem Haus ein Kasten steht“, erzählt der Bauherr, der über seinen Gärtner erst einmal die passenden Architekten für sein Vorhaben finden musste. Außerdem sollte zum bestehenden Haus ein moderner Kontrast gesetzt werden.

„Einen Ferrari hatte ich immer schon“, erzählt der Bauherr. Aus versicherungstechnischen Gründen gehöre das Auto nachts in einen versperrten Raum. Bis das Fahrzeug eine standesgemäße Unterkunft bekam, brauchte es jedoch mehrere Startversuche. Der erste Entwurf, ein ellipsenförmiger Baukörper, der sich mangels Umkehrmöglichkeit um 180 Grad drehen sollte, wurde von der Naturschutz-Behörde abgelehnt.

Der zweite Entwurf erlitt dasselbe Schicksal. Doch die dritte Einreichung - mittlerweile hatten die Architekten auf den Entwürfen den Ferrari gegen ein Allerweltsauto ausgetauscht - ging durch. Vom Ufer aus betrachtet ist die Grünfläche jetzt nur durch zwei rostfarbene Querstreifen unterbrochen.

Von den schmucken Giebeln, Balkönchen und verzierten Fassaden im Ort ließen sich die Architekten jedenfalls nicht inspirieren. „Wir haben auf das Gelände reagiert und nicht so sehr auf die Umgebung“, sagt der SPS-Architekt Simon Speigner über die architektonische Bereicherung für die „Beverly Hills von Mondsee“, wie er das Wohnviertel nennt.

Mit den Schwierigkeiten wuchs auch die Bauaufgabe: Einige Quadratmeter Grund wurden dazugekauft, die Garage näher an den Hang verlegt. Die Frage des Ein- und Ausparkens war damit gelöst. Hinzu gesellte sich die Idee, im selben Aufwasch die Pool-Landschaft zu verschönern und dem vinophilen Hausherrn mehr Raum für seine Flaschen zu geben.

Beleuchtung fürs rote Auto

Die Garage mit Abstellraum befindet sich auf der oberen Ebene des schicken Ensembles. In der versetzten Glasfront spiegelt sich das Panorama aus Drachenwand, Schober und Schafberg. Dahinter schlummert der Ferrari, der bei Dunkelheit ins rechte Licht gerückt werden kann. Geschickt gelöst: Die Lamellen aus verrostetem Cortenstahl sind so gesetzt, dass man den Wagen nur vom Haus aus sieht. Für die Passanten auf der Straße bleibt die Garage uneinsichtig.

„Je unedler die Vitrine, desto besser kommt das darin befindliche Objekt zur Geltung“, erklärt der Architekt den Grundgedanken. Insgesamt ergibt sich aus dem Materialmix aus Sandstein, schwarzem Beton und Cortenstahl sehr wohl ein edles Ensemble. Eine rostige Grillschale aus dem Fundus der Bewohner gab den Anstoß für die Wahl des Materials, das sich je nach Sonneneinstrahlung verändert. „Da war der Stahlpreis zum Glück noch geringer als jetzt“, meint der Bauherr, der sich die Umgestaltung einiges kosten ließ.

Ein Fenster für die Kulisse

Aus der unteren Ebene, die entweder über eine Außentreppe oder vom Esszimmer aus erreichbar ist, wurde ein erweiterter Wohnraum - zumindest im Sommer. Auf der Naturstein-Terrasse unter dem Cortenstahl-Dach kann man trotz eingerollten Sonnensegels und verstauter Gartenmöbel die Poolstimmung erahnen. Dahinter liegt das Weinreich: Als Ergänzung zum traditionellen Weinkeller im Haupthaus wurde ein moderner Keller angedacht. Auch ein Verkostungsraum musste her.

Innenwände und Decken beider Zubauten sind aus schwarz eingefärbtem Sichtbeton, auch der Fußboden ist schwarz. Die prächtige Kulisse wird - für den Fall, dass man im Verkostungsraum einmal länger sitzen sollte - durch ein längliches Fensterelement auf Sitzhöhe nach innen geholt. „Die SPS-Architekten haben sich hier wahrlich verwirklichen können“, sagt der Bauherr während der Besichtigung, „es ist wirklich gelungen.“

In der Gestaltung wurde nichts dem Zufall überlassen: Von den Armaturen, den Nirosta-Wannen im Duschraum und den Ankerlöchern im Beton bis hin zum durchdachten Lichtkonzept blieb kein Detail unbedacht.

„Der Aufwand, um etwas Schönes zu schaffen, war für alle Beteiligten sehr groß“, sagt Architekt Simon Speigner. Aber es habe Spaß gemacht. Sogar die Ferrari-roten Rosen im Garten passen perfekt in die Inszenierung.

Der Standard, Sa., 2008.11.22



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Ferrari-Vitrine mit Weinkeller

15. November 2008Sabine Lintschinger
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Mikrokosmos in Matrei

Eine Stadt kann auch ein Dorf sein. Aber umgekehrt? Die Apartmentanlage Sun II ist ein geglücktes Beispiel von Urbanität im ländlichen Raum. Das Projekt wurde mit dem Bauherrenpreis 2008 ausgezeichnet.

Eine Stadt kann auch ein Dorf sein. Aber umgekehrt? Die Apartmentanlage Sun II ist ein geglücktes Beispiel von Urbanität im ländlichen Raum. Das Projekt wurde mit dem Bauherrenpreis 2008 ausgezeichnet.

Mit nur 5000 Einwohnern kommt die kleine Osttiroler Gemeinde Matrei auf jährlich 300.000 Gäste, die wahlweise als Wanderer, Fliegenfischer oder Skifahrer in Erscheinung treten. Als Erweiterung der bestehenden Ferienanlage Sun I wollte Friedl Ganzer seinen Gästen aus nah und fern ein neues Wohnkonzept bieten: „Es ist toll geworden“, freut sich der Bauherr und Vermieter über den Zuwachs in der aus den Siebzigerjahren stammenden Siedlung namens Sonnenhang.

Dabei galt das Grundstück ursprünglich als nahezu unbebaubar, weil zu steil. Bis sich schließlich das Wiener Architekturbüro Squid frohen Mutes der markanten Lage am Ortsrand näherte und - wie Architekt Gundolf Leitner ausführt - „ein, zumindest für diese Gegend, futuristisch anmutendes Gebäude“ plante. Warum solle alles so aussehen wie es immer schon ausgesehen hat? Darüber zermarterte sich auch der Bauherr den Kopf und beschloss kurzerhand, neue Bauformen zuzulassen und moderne Materialien zu verwenden.

Die Form von Sun II ergibt sich aus der Hanglage: Der aus drei Blöcken bestehende Baukörper zieht sich die Böschung entlang, staffelt sich, steht hervor und nimmt sich am Ende wieder zurück. Aus technischer Sicht besteht der neue Bau aus Stahlbeton in Skelettbauweise mit einer hinterlüfteten Fassade aus Funderplatten.

Überraschend kommen die abgerundeten Ecken daher - ein Novum für Matrei. „Um die moderne Form zu unterstreichen, haben wir uns von natürlichen Holzfarben distanziert“, erklärt der Architekt. Die Holzoptik ist lediglich aufgedruckt, und zwar in einem kräftigen Rotbraun.

Die Erschließungsebene ist abgesenkt. Die Schlucht zwischen den einzelnen Bauteilen ist oben verglast und wird so zu einem Atrium, das auch im Winter thermisch angenehm ist. Das Tageslicht fällt bis ins Untergeschoß, wo sich Lounge, Büros und Seminarräume befinden, die den Gästen und Bewohnern zur Verfügung stehen.

„Man fühlt sich ein bisschen wie in der Stadt“, beschreibt Ganzer das urbane Wohngefühl von seinem Büro aus. Darüber stapeln sich die Wohnungen. Man gelangt zu ihnen über die verglaste „Piazza“, wie die halb öffentlichen Freibereiche genannt werden. Jede Wohnung hat eine südwestlich-orientierte Terrasse, manche davon auch noch eine Pergola.

Planung bis zum letzten Möbel

Das gesamte Mobiliar - ob Küchen, Betten, Sofas oder Kästen - wurde von den Architekten gleich mitgeplant. „Lampen, die irgendwie herumhängen, gibt es hier nicht“, beschreibt Gundolf Leitner das Lichtkonzept, bei dem die komplette Beleuchtung in die Möbel und Bauteile integriert wurde.

„Das Gebäude bietet jedem Gast das Seine“, erklärt Bauherr Ganzer. Manche Leute hielten sich lieber im ursprünglichen, traditionellen Teil des Hauses mit viel Holz auf. Andere wiederum schätzten die neuen Wohnungen ohne Lampenschirm und Landhausstil.

Die Wohnungen kann man kaufen oder mieten. Manche bleiben nur für eine Woche, andere schließen den Mietvertrag für ein ganzes Jahr ab. Dass sich in Sun II gerne Menschen aus der Architektur- und Designerszene einquartieren, ist kein Geheimnis.

Die Tatsache, dass sich der Bauherr in der Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Squid „in besonderer Weise verdient gemacht hat“ (so das Juryprotokoll), blieb nicht unentdeckt. Gestern, Freitag, bekam Friedl Ganzer eine würfelförmige Auszeichnung aus Plexiglas: Den Bauherrenpreis 2008.

Der Standard, Sa., 2008.11.15



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Appartementanlage SUN II

31. Oktober 2008Sabine Lintschinger
Der Standard

Kofferfisch mit Betonkiemen

In Klosterneuburg zieht eine bewohnte Betonskulptur neugierige Blicke auf sich. Aus Sichtbeton und viel Glas haben die Caramel-Architekten ein Haus gebaut, das sich gut schützt und zugleich Vieles offenlässt.

In Klosterneuburg zieht eine bewohnte Betonskulptur neugierige Blicke auf sich. Aus Sichtbeton und viel Glas haben die Caramel-Architekten ein Haus gebaut, das sich gut schützt und zugleich Vieles offenlässt.

Wenn ein Autofahrer anhält und die Handykamera aufs Haus richtet, dann winke ich immer hinaus", erzählt der Bauherr Anekdoten aus dem Innenleben des vielbestaunten Bauwerks. In den kubischen Formen der Fassade sieht er ein Gemälde von Picasso - freilich ohne entsprechende Farbgestaltung. Man will ja puristisch sein. Als „unbekanntes Tier“, das talwärts blickt, wurde Haus P. bereits bezeichnet. Und Caramel-Architekt Günther Katherl erkennt in der Form des Hauses gar einen Kofferfisch.

Will man das Bild vom geschuppten Meeresbewohner beibehalten, so betritt man den lang gestreckten Bau über die Schwanzflosse. Was bei den Fischen als Hauptantriebsorgan dient, ist hier der Sitz der Garage. Über eine offene Terrasse, die auf drei Seiten geschützt und nach oben hin offen ist, gelangt man direkt in den Rumpf: in den 150 Quadratmeter großen Wohnbereich auf zwei Ebenen.

Da das Haus nahe am Nachbargrundstück steht, haben sich die Architekten entlang der Ostseite dreieckige Glasflächen ausgedacht. Von außen sehen diese Öffnungen wie Kiemen aus, die das Haus mit Licht und Sauerstoff versorgen, gleichzeitig jedoch vor Blicken schützen - eine Idee, die im Bauprozess lange diskutiert wurde.

„Der Blick der Vorbeigehenden soll gelenkt werden“, sagen die Architekten, „durch die Glaseinschnitte wollten wir Vorfreude auf den fantastischen Ausblick im vorderen Wohnbereich wecken.“ Die Kulisse in Form der hügeligen Landschaft des Wienerwaldes und der Donau-Auen wird mit freiem Blick bis in den Himmel präsentiert. Ermöglicht wird dies durch ein verglastes Eck, das die gesamte Raumhöhe ausschöpft und sich in Form einer Überkopfverglasung bis ins Dach hochzieht.

Style zwischen Satteldächern

Atemberaubender Blick hin oder her: In der Praxis hat sich herausgestellt, dass Gäste vorzugsweise gleich nach dem Eintreten links in Richtung Küche abbiegen, denn auch dort ist der Blick nicht schlecht. Irritierend wirken nur die braven Satteldächer rundherum, die wie Zeitzeugen aus einem vergangenen Jahrhundert in der Landschaft stehen, während Haus P. mit Stolz die Bezeichnung „stylish“ trägt.

Die Sichtbetonwände sind weiß gestrichen, die geradlinige Küchenzeile ist ebenfalls in Weiß gehalten, ein anthrazitfarbener Geräteblock mit integrierter Feuerstelle erfreut das Auge. Die unregelmäßigen Grau- und Braunschattierungen des Fußbodens - geschliffener Estrich, der mit Kunstharz versiegelt wurde - geben den Wohnräumen im ganzen Haus eine natürliche Grundlage.

So lässt Haus P. insgesamt viel Spielraum für die Wohnraumgestaltung zu: Man kann sich das Haus mit poppigen Designermöbeln genauso vorstellen wie mit Interieur in warmen Farbtönen oder eben einem Mix aus beidem. „Unser Ziel war es, bei der Einrichtung ungebunden zu sein“, sagt der junge Bauherr, der mit der Planung sehr zufrieden ist - unter anderem auch, weil jeder Zentimeter gut genützt wurde und bisher keine Mängel aufgetreten sind.

Katzen, Partys und Musik

Im Gartengeschoß sind alle herkömmlichen Gebäudeecken einer Eckverglasung gewichen, was das Haus größer und offen erscheinen lässt. Ziemlich ungewöhnlich ist die Kombination aus Schlaf- und Badezimmer: „Das ist fein“, sagt der Bauherr, „man kann in der Badewanne liegen und fernsehen und hat es nicht weit ins Bett.“ Vom Atelier, das derzeit von drei Katzen bewohnt wird, gibt es einen Ausgang auf die Terrasse. Vom Gang geht es direkt in den Garten.

Den Partycharakter des Hauses schätzt der Bauherr jedenfalls sehr: Die Küche ist darauf ausgerichtet, Gäste im Stile von Jamie Oliver zu bekochen. Auf der in die Mauer integrierten Bank beim Pool haben sogar schon mal 25 Leute Platz genommen. Im Sommer diente der Garten nämlich als Übertragungsort des EM-Finales.

Bei aller Leichtigkeit steckt hinter all dem viel Berechnung und Logistik. In Wahrheit ist Haus P. nämlich keine Skulptur, sondern ein aus Fertigbetonteilen in Sandwich-Bauweise zusammengesetztes Haus. „In der Planung ist das ein sehr aufwändiges System“, erklärt Architekt Günther Katherl. Auch die Installation und Verkabelung musste bereits im Vorhinein exakt berücksichtigt werden. Dank dieser Überlegungen kann das ganze Haus von einem zentralen Technikraum aus über acht Boxen mit chilligen Klängen beschallt werden. Spätestens dann rockt der Fisch durch die Landschaft.

Der Standard, Fr., 2008.10.31



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Haus P.

25. Oktober 2008Sabine Lintschinger
Der Standard

Altes Haus in neuer Rüstung

Eigentlich wollte man das alte Haus abreißen, doch die Bausubstanz war besser als gedacht. Die Linzer x-architekten entwarfen einen Zubau aus verwittertem Cortenstahl.

Eigentlich wollte man das alte Haus abreißen, doch die Bausubstanz war besser als gedacht. Die Linzer x-architekten entwarfen einen Zubau aus verwittertem Cortenstahl.

Genau so stellten sich die Bauherren ihren Platz für die Zukunft vor: Am südlichen Stadtrand von Linz erspähten sie ein Grundstück in sonniger Hanglage mit großem Garten und alten Bäumen.

Der Standort war ideal. Zu Fuß war's nicht weit ins Gelände, mit den Öffis nur ein Katzensprung ins Zentrum und dank der verkehrsmäßig günstigen Anbindung überaus praktisch, um rasch aus der Stadt zu gelangen. Hätten sich die beiden Zaungäste nicht irgendwann zum Kauf entschlossen, wäre die Geschichte jetzt zu Ende.

Zwei Jahre später erwarben sie das idyllische Anwesen und nahmen es genau unter die Lupe . An dem Haus aus den Fünfzigerjahren hatte der Zahn der Zeit genagt. Auch die Wünsche nach einem zeitgemäßen Energiestandard und einem offenen Raumkonzept konnte das räumlich kleinteilige Haus nicht erfüllen. Ganz zu schweigen von den Bedürfnissen nach Sport- und Arbeitsräumen.

Abreißen schien auf den ersten Blick das Beste. Doch die Bausubstanz ließ Erstaunliches zu Tage treten: Der Erbauer war seiner Zeit weit voraus und hatte das Haus schon damals mit einem Stahlträger versehen, der sich für die künftige Wohnraumgestaltung als Segen erweisen sollte, weil problemlos Wände entfernt werden konnten. Man disponierte um und entschied sich, das Haus zu erhalten.

Erster Schock aus Stahl

Ein Jahr lang wurde mit dem Linzer Büro x-architekten geplant, getüftelt und heftig diskutiert. Das alte Haus wurde von Grund auf saniert, umgebaut und erweitert. Während die Architekten für das Bestandsgebäude eine klassische Wärmedämmung mit Putzfassade wählten, schlugen sie für die Fassade des Zubaus rostigen Cortenstahl vor. Nach einem ersten Schock und einigen besichtigten Cortenstahl-Häusern freundeten sich die künftigen Bewohner mit dem Material an. Schließlich passt es gut zur Stahlstadt Linz.

Auf Neuankömmlinge wirkt das Gebäude wie eine Festung. „Anfangs war der Stahl grau und glatt“, erzählt der Bauherr, doch durch die Oxidation entwickelte das Material eine eigenwillige Patina. „Bei Regen ist es dunkel-auberginefarben, in der Herbstsonne schimmert es rötlich“, erfreut sich die Baufrau an der Farbgebung. „Ja wenn es erst einmal weiß gestrichen ist“, sagten einige Bekannte in Anfangszeiten. Über die arglosen Bemerkungen von damals kann man heute nur noch schmunzeln.

Beschattung ohne Jalousien

„Unser Leitgedanke war ein roter Teppich, der sich vom rötlich eingefärbten Beton der Einfahrt über die Fassade hinauf und über das Dach des Zubaus zieht“, erklärt Max Nirnberger die Idee aus architektonischer Sicht. „Das Cortenband faltet sich und läuft als offenes Terrassenband aus.“

Ein Fitnessraum samt Saunabereich und ein abgeteiltes Home- Office haben unter der Terrasse Platz gefunden. Trotz der kompletten Verglasung zum Garten hin wird es im Sommer nicht allzu heiß. „Die natürliche Beschattung ist sehr gut. Wir brauchen keine Jalousien“, lobt der Bauherr die Arbeit der Architekten. Man geht vom Zubau direkt in den Garten oder in den Altbau mit seinem großräumigen Wohn-Ess-Bereich und offener Küche. Der Kachelofen blieb als Reminiszenz an die Geschichte des Hauses erhalten. Vor den ehemaligen Eingang wurde ein Glaskubus angebaut - ein idealer Platz zur Überwinterung der Pflanzen.

„Das Spannungsfeld zwischen Alt und Neu gibt dem Haus seinen Charme“, befindet der Architekt. So wurde auch nicht einfach „drangebaut“, sondern nach einer Lösung gesucht, die den Zubau vom alten Kern gestalterisch trennen, aber baulich verbinden sollte. Eine in die Decke eingeschnittene gläserne Zäsur, die sich vom neuen Eingang bis zur Terrasse zieht, war des Rätsels Lösung.

Der Standard, Sa., 2008.10.25



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Corten Falthaus

18. Oktober 2008Sabine Lintschinger
Der Standard

Mit dem Pinsel in den Himmel

Wie wohnt man in einem Haus, das nur vier Meter breit, aber 16 Meter lang ist? Steile Hang-lage noch dazu? Die Architekten junger beer warten mit farbenfrohen Überraschungen auf.

Wie wohnt man in einem Haus, das nur vier Meter breit, aber 16 Meter lang ist? Steile Hang-lage noch dazu? Die Architekten junger beer warten mit farbenfrohen Überraschungen auf.

„Auch wenn sich hier oben kaum jemand eine Zukunft für ein gemütliches Zuhause vorstellen konnte - wir haben es uns einfach in den Kopf gesetzt“, erläutert Baufrau Nora Ita ihren Entschluss, am oberen Ende des elterlichen Grundstücks in Pötzleinsdorf bauen zu wollen. Die Parzelle liegt am steilen Nordhang, ist keine sieben Meter breit und kann ausschließlich über einen schmalen Fußweg erreicht werden. Der perfekte Bauplatz sieht anders aus.

Da keine Baumaschinen zufahren konnten, dauerte der Aushub eine ganze Woche. Bis zu sechsmal musste jeder Ziegel in die Hand genommen werden, ehe er auf dem richtigen Platz landete. Einen Kran bekam man in der ganzen Zeit nie zu Gesicht.

Auf die Architekten Martin Junger und Stefan Beer stieß man über einen Artikel zum Thema Farbe. „Wir haben uns darauf konzentriert, sehr kompakt zu bauen und dennoch jedes Geschoß als fließenden Wohnraum zu betrachten“, erklärt Stefan Beer. Schmal, aber lang, lautete des Rätsels Lösung, damit hier eine Familie mit drei Kindern auf 150 Quadratmetern leben kann. Aufgrund der Bauvorschriften ist das Haus gerade mal so breit wie ein Zimmer. Von Spaziergängern erntet man dafür nicht nur verwunderte Blicke, sondern auch neugierige Fragen.

Erst der zweite Blick gehört den Farben: Umringt von einer natürlichen Kulisse aus Sträuchern und Bäumen, passt sich das Haus von Nora Ita und Klaus Krenn farblich an die Umgebung an - gerade im Herbst. Für die Fassade wurde ein ruhiger Gelbton gewählt, der weder Sonntagsspazierer noch Nachbarn aus dem seelischen Gleichgewicht bringt.

Im Inneren war das familiengeschichtliche Faible für Afrika Ausgangspunkt für die farbenprächtige Wandgestaltung. Ihrerseits inspiriert von den farbenfrohen afrikanischen Gewändern, machten sich die Architekten ans Werk. Im Vorraum erwartet einen ein kräftiges Pink. Später trifft man auf dunkles Aubergine und Mittelblau, das der Bibliothek in der Nische als Hintergrund dient.

Sattes Türkis und Orangerot im Obergeschoß sowie ein farbintensiver Gelbanstrich für die Decke im Wirtschaftsraum schaffen einen fröhlichen Lebensraum. „Im Inneren tut sich eine Weite auf, die man von außen nicht erahnt“, sagt Stefan Beer. „Wenn man die Farbe wie Accessoires einsetzt, bleibt außerdem noch Platz zur persönlichen Entfaltung.“

Maritimes Flair

Die Auseinandersetzung mit der weiten Entfernung zum schwarzen Kontinent lieferte so manche Inspiration fürs Treppenhaus. Nicht von ungefähr erinnert das weißgestrichene Geländer aus Stahl mit seiner Bespannung aus Stoffnetz an ein Schiff. Dem Herz des Hauses verleiht das jedenfalls Leichtigkeit und Eleganz.

„Die Offenheit und Klarheit des Planes hat uns auf Anhieb gefallen“, erinnert sich die Bauherrin und freut sich über die 2,80 Meter hohen Räume im mittleren Geschoß, der Beletage des Hauses. Von der Küche aus geht man direkt auf die geschützte Terrasse. Vom Balkon auf der gegenüberliegenden Seite hat man einen wunderbaren Blick in die Landschaft, nachts sieht man zu den Sternen.

Ein gutes Jahr nach dem Einzug ins Niedrigenergiehaus haben sich Nora Ita und Klaus Krenn bestens eingelebt. Nur die „überaus inspirierten Wandbemalungen der Kinder“ habe man seither ausgebessert, sagen sie.

Der Standard, Sa., 2008.10.18



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Haus Ita-Krenn

Profil

Freiberufliche Journalistin und Autorin. Publikationen in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften: Architektur (derzeit: DerStandard), Karriere und kulinarische Themen. Mitarbeit bei Büchern von Klaus Egle: „Lust auf Wein“ (Konzeption), Steirisches Weinland (Konzeption & Text). Seit 2006 Kulm40 (Konzeption & Text).

Publikationen

2006 Schokolade. Die süßen Seiten des Lebens, Pichler Verlag (mit Sepp Zotter)
1999 Karrierehandbuch für Frauen. Frauennetzwerke in Österreich, Verlag Ueberreuter

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