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Bauwerke

Artikel 12

01. März 2008Robert Jonathan Loher
db

Veränderung als Prozess

Die neuere Architektur Kroatiens ist mindestens so vielfältig wie seine unterschiedlichen Landschaften zwischen karstiger Küste, Gebirge und Tiefebene im Landesinneren. Den lokalen Bezügen kommt dabei, trotz internationaler Einflüsse, stets große Bedeutung zu.

Die neuere Architektur Kroatiens ist mindestens so vielfältig wie seine unterschiedlichen Landschaften zwischen karstiger Küste, Gebirge und Tiefebene im Landesinneren. Den lokalen Bezügen kommt dabei, trotz internationaler Einflüsse, stets große Bedeutung zu.

Eine kürzlich vom Architekturverein Zagreb und der Harvard University vorgestellte Publikation zeigt einen Querschnitt durch die historischen Entwicklungsphasen der kroatischen Hauptstadt und trägt den Titel »Projekt Zagreb – Transition als Zustand – Strategie – Praxis«. Tatsächlich ist Transition nicht etwas, das in den Ostblockstaaten erst mit dem Fall der Berliner Mauer begann, sondern ein andauernder Prozess. So befand sich Kroatien auch nach dem Zweiten Weltkrieg in Transitionsstimmung. Es galt, sich vom alten Ballast zu befreien und Neues zu wagen. Architekten wie Ibler, Galic, Strizic, Turina, Albini waren die Zugpferde einer Bewegung, die die ganze Architekturszene des Landes mit sich riss.
Der Enthusiasmus der damaligen Zeit wollte allerdings nach dem Ende des letzten Krieges nicht aufkommen. Der Zerfall Jugoslawiens riss tiefe Gräben auf und hinterließ eine verwüstete Kulturlandschaft. Beim Aufbruch in -einen neuen Staat war Architektur nachrangig. Der Wiederaufbau erfolgte planlos und hektisch, den Flüchtlingsströmen aus den Kriegsgebieten war man schlicht nicht gewachsen. So schossen in kürzester Zeit ganze Siedlungen aus dem Nichts empor und wucherten in die Städte hinein.

Der Wiederaufbau

Direkt nach dem Ende des Krieges 1995 wurde das sogenannte Radic-Programm aufgestellt, benannt nach Jure Radic, dem Minister für Wiederaufbau. Es war der erste Versuch einer Regelung des Bauwesens im neuen Staat. Familien in Kriegsgebieten bekamen günstige Kredite, um ihre zerstörten Häuser wieder aufzubauen. Die standardisierten Haustypen – drei Zimmer, Flur, Küche, Bad – entsprachen, ohne architektonischen Anspruch, rein dem funktionellen Bedarf. Ganze Landstriche wurden damit zugebaut. Der Schaden am Landschaftsbild ist enorm. Der Wiederaufbau in dieser ersten Zeit wurde zwar von korrupten Lokalpolitikern und Bauspekulanten weidlich ausgenutzt – immerhin wurden dabei aber die ersten Grundsteine für ein späteres, programmatisch gut durchdachtes Sozialbauprogramm gelegt.

Die erste Generation

Abseits der Spekulation regten sich auch neue Geister in der damals jungen Architekturszene. Es reifte eine Generation heran, die nicht im Sumpf der Machenschaften versinken wollte, sondern mit frischem Elan eine bessere Welt erträumte. Die Arbeit jener Architekten wie etwa Njiric und Njiric, Randic und Turato, Radonjic und Rako, Zarnic und Oluic bildet den Grundstock für die gegenwärtige Architektur. Der Geist der damaligen Projekte, jetzt immerhin schon 15 Jahre alt, ist in den heutigen Arbeiten immer noch zu spüren.
Es war ein Lichtblick für Kroatien, als Hrvoje und Helena Njiric zwei erste Preise für Europan 3 in Schwerin und Den Bosch gewannen. Aufsehen erregte auch ihr Baumarkt in Maribor. Heute betreiben beide jeweils eigene Büros und setzen mit diesen immer noch bedeutende Akzente. Bojan -Radonjic und Goran Rako verblüfften die internationale Architekturszene, als sie, vor Arata Izosaki, den ersten Preis für ihren Entwurf eines Kulturzentrums im japanischen Nara gewannen. Radonjic war Berlage-Schüler und bildete mit dem immer zu Experimenten aufgelegten Rako ein viel beachtetes Team. Rako wurde vor Kurzem zum Vorsitzenden der kroatischen Architekturvereinigung gewählt, deren Vorsitz die letzten vier Jahre Saša Randic, ebenfalls ein Berlage-Schüler, innehatte.
Das Berlage Institute in Rotterdam spielt auch eine wichtige Rolle in der Ausbildung der neueren Generation. Nicht zuletzt wegen des dortigen Studienleiters Vedran Mimica zieht es viele junge kroatische Architekten dorthin. So verwundert es nicht, dass sich dieser kulturelle Austausch auch im Architekturverständnis der hiesigen Szene festsetzt. In neueren Arbeiten wird oft eine gewisse Leichtigkeit und Unbeschwertheit bemerkbar, obwohl die latente Gefahr besteht, dass dieser Einfluss nur als Form und nicht als Inhalt verstanden und übernommen wird.

Das POS-Programm

POS ist ein Programm des geförderten Wohnbaus, das 2001 unter der Regierung von Ivica Racan und als Fortsetzung des vorhergehenden Programms für Kriegsveteranen aufgelegt wurde. Bestimmten Personenkreisen – Hochschulabgängern, jungen Familien – wurden unter günstigen Bedingungen Wohnungen verkauft. POS zielte hauptsächlich auf kleinere Orte, deren Verwaltungen Grundstücke für die Wohngebäude sicherten; der Staat übernahm die Baukosten und leitete den Verkauf. Durch dieses Programm kamen viele junge Büros zum Zug, und es entstanden einige hervorragende Gebäude, die mit höchsten nationalen Preisen und internationalen Anerkennungen ausgezeichnet wurden. Die Stadtverwaltungen und das Ministerium ließen den Architekten weitgehend freie Hand; allein der vorgegebene Preisrahmen von etwa 600 Euro pro Quadratmeter musste eingehalten werden.
Die neue konservative Regierung veränderte das POS-Programm mehr in Richtung Bauspekulation, das breite architektonische Feedback fehlt jetzt.
Zagreb bildet in dieser Hinsicht ein Spezifikum. Hier werden immer wieder neue Modellversuche gestartet, aber nur halbherzig ausgeführt. Am meisten investieren private Bauherren, die es besonders auf die attraktiven Nordhänge abgesehen haben. Das Planungsrecht sieht hier Gebäude mit höchstens drei Wohnungen und maximaler Bruttonutzfläche von rund 600 Quadratmetern vor. Es entstand ein spezifischer, eklektischer Bautypus: die »urbane Villa«. Viele Einzelversuche wurden gestartet, um dieser Bauaufgabe eine eigene Form zu geben. Erst Hrvoje Njiric gelang 2006 eine preisgekrönte Redefinition.
Ab 2006 wurde ein neues Modell der Bauherrschaft für Großprojekte verabschiedet. Es geht um eine öffentlich-private Partnerschaft, in Kroatien JPP genannt, bei der die Stadtverwaltung als Investor, der private Partner oft als Bauunternehmer auftritt. Der Bau wird dann auf bestimmte Zeit dem Bauherrn überlassen, so zum Beispiel die Sportstätten für die kommende Handball-WM 2009. Große Aufträge werden durch ein besonderes Auslosungsverfahren an Firmen vergeben, die mit einem Architekturbüro assoziiert sind.
Das kroatische Architekturschaffen konzentriert sich mittlerweile nicht mehr nur auf Zagreb allein, sondern verteilt sich auch auf Städte wie Rijeka, Zadar, Split und Dubrovnik an der Küste sowie in Osijek im Landesinneren, was eine gesunde Konkurrenz unter den Architekten fördert.
Bei allem Wollen und Können muss man sich aber hierzulande der Möglichkeiten bewusst bleiben. Der Markt bietet noch nicht die nötige Vielfalt an Materialien, und die Investoren verlangen in aller Regel kostengünstiges Bauen. Man hat es eben mit Kroatien zu tun – das betrifft die Mentalität der Menschen sowie auch die finanzielle Tatkraft. Mit dem nötigen Sinn für die Situation und deren Umsetzung in Architektur lässt sich in den kommenden Jahren noch ein ungeheures Potenzial erschließen.


verknüpfte Akteure
3LHD
Studio UP



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db 2008|01 Slowenien und Kroatien

Profil

1979 – 1986 studies in Architecture at the Architectural Faculty, University of Zagreb
1990 – 2001 partnership with Helena Njirić („njiric+njiric arhitekti“) in Zagreb and Graz
since 2001 principal of njiric+ arhitekti in Zagreb
1998 – 1999 visiting professor at the TU Graz, Austria
2000 visiting professor at the AF Ljubljana, Slovenia
2000 visiting professor at the Facolta di Architettura, Ferrara, Italy
2000 – 2005 professor and head of the Institute for Architectural Typologies and Housing at the TU Graz (successor of Guenther Domenig)
2005 guest professor at the Arkitektskolen Aarhus, Denmark
2006 guest professor at the Facolta d’Architettura di Trieste, Italy
since 2007 professor at the GAF Split since 2008 regular visiting professor at the ETSAM Madrid Visiting critic at the HAB Weimar, the ETSAB Barcelona, the TU Wien, the AA School of Architecture London, the ETH Zuerich, the Strathclyde University of Glasgow, Politecnico di Milano and the Southeast University of Nanjing, ETSAM Madrid and the William Lyon Somerville Visiting Lectureship at the University of Calgary. Unit master of international workshops in Zagreb, Merano, Maribor, Gorizia, Barcelona, Brescia, Unije, Santiago de Chile, La Coruna, Aarhus, Trieste, Kriva Palanka, Rijeka and Calgary. Jury member for the competitions in Croatia, Austria, Spain, Slovenia, Germany and Romania.

Veranstaltungen

Work of the practice has been the subject of various collective exhibitions – in Graz, Berlin, Rotterdam (3), Vienna, Leeds, Rome, Sofia, Ljubljana (2), Weimar, Maribor, Madrid, Copenhagen, Oslo, Piran, Orléans, Castellón, Zagreb, Tokyo, Torino, Belgrade, Boston-Harvard and Basel.

Solo shows include „colours“ (Architectural Association - London, Strathclyde University - Glasgow, „Manifesto“ - Edinburgh, University of Newcastle - Newcastle) exhibited from January to December 1998., „kalvarienguertel“ (deSingel Kunstcentrum - Antwerpen) exhibited February - March 2001. and „mogu sto hocu“ - an urban dyptich (Krizic-Roban Gallery - Zagreb) exhibited in June 2001.

Auszeichnungen

2007 „Drago Galic“ - annual UHA AWARD for the best Croatian residential building in 2006. (for Gracani Housing)
2007 „Piranesi“ AWARD, international collective exhibition, Piran, Slovenia (for Kindergarten MB)
2006 41. Zagreb Salon, Zagreb – GRAND PRIX ex aequo (for „superdalmatia“ and „race house“)¸
2003 38. Zagreb Salon, Zagreb – GRAND PRIX ex aequo (for „share.or.die.com“ – Nanjing, China)
2000 35. Zagreb Salon, Zagreb - AWARD (for „Baumaxx Hypermarket“)
2000 „Piranesi“ HONOURABLE MENTION - international collective exhibition, Piran, Slovenia (for Baumaxx Hypermarket)
2000 „Viktor Kovacic“ - annual UHA AWARD for the best Croatian building in 1999. (for Baumaxx Hypermarket)
1999 „Viktor Kovacic“ - annual UHA AWARD for the best Croatian building in 1999. (for Baumaxx Hypermarket)
1994 29. Zagreb Salon, MGC Gradec, Zagreb HONOURABLE MENTION (for „Les lieux magiques“)
1987 „7 sekretara SKOJ-a“ AWARD – best young architect in Yugoslavia

Wettbewerbe

2009 „downscale“ – Samobor, invited competition, 1st prize
2008 House T, Drnis, commission, in planning
2008 Microshopping – Samobor, commission, in planning
2008 House I, Kostrena, commission, in planning
2008 The Stadium – Zagreb, invited competition, 1st prize
2008 „Palazzo Bolognese“ - Law Faculty, Split, 1st prize
2008 maxmat - a kindergarten/school campus – Zagreb, competition, 3rd prize
2008 Palace B, conversion, Zagreb, commission, in planning
2007 zg.rom - Gypsies’ Hybrid Structure, Zagreb, competition honourable mention
2007 „Monkey Space“ – subsidized housing (120 units), Zagreb, invited competition, 1st prize
2007 G Mass Housing - 1600 units, Zagreb, commission aborted
2006 „Spar“ Retail Prototype, Flosslendplatz, Graz, Austria, commission, in planning
2006 Kindergarten Z, Zagreb, competition, 1st prize, in planning
2006 Suburban School, Ivanja Reka, competition, 2nd prize
2006 ESH 06 – experimental school Horvati, Zagreb, competition, 1st prize, in planning
2006 (R)urban Clusters, Zagreb, urban planning competition honourable mention
2005 Kindergarten MB, Zagreb – Retkovec, competition, 1st prize, completed
2005 Kindergarten C, Zagreb – Laniste, competition, honourable mention
2005 „Tonci&Mare“, office conglomerate – Split, competition, 2nd prize
2005 Rural Mat, Markusevac - Zagreb, commission completed
2005 „GKR 05 – Supermarket of Knowledge“, Rijeka, competition, 1st prize, commission, in planning
2004 „…this familiar feeling”, Gracani Housing, Zagreb, invited competition, 1st prize, commission completed
2004 „superdalmatia“ - A Mini Hotel, Ciovo, commission, in construction
2004 Race House – A Logistic Tower for Ski World Cup Series, Zagreb, commission aborted
2004 Kaptol mixed-use, Zagreb, invited competition, 1st prize, commission aborted
2003 ESK_03, experimental school and sports’ hall, Koprivnica, competition – 2nd prize
2003 Hypo AlpeAdria Bank – Sisak branch office, commission completed
2003 „CIPEA Villa“, Nanjing, China, commission, in construction
2003 „City Campus“, Rijeka, invited competition, 3rd prize
2002 „Ø med“ – a mediterranean hospital for the generation Ø, Split, competition, 1st prize, commission aborted
2002 vrtic.si.hr („turopoljski vrtic“), Sisak, competition 3rd prize
1999 Church / Fortress, Aljmas – competition 2nd prize
1999 „Twisted Schinkel“ – a museum for contemporary art, Zagreb - competition, 2nd prize
1998 „ultraNOLLI“ - urban redevelopment, Rijeka - competition 3rd prize
1998-2000 McDonald's Drive-In, Maribor III, commission completed
1997 „Hortus sanitatis“ – Pharmaceutical Faculty, Zagreb – competition, 3rd prize
1997-1999 baumaxx hypermarket, Maribor commission completed (1st stage)
1997 Fair Complex, Maribor – feasibility study completed
1997-1998 Regulation Planning, Viskovo commission completed
1996 „Atom Heart Mother“, Glasgow (Europan 4) – competition 1st prize
1996 „Terrain Vague“ - City Center Redevelopment, Maribor, Slovenia, invited competition, 1st prize
1996 Viskovo - urban planning, competition, 1st prize
1995 „z - 900“ (An Urban Sign), Zagreb – invited competition 3rd prize ex aequo
1994 Church - Trnje, Zagreb - competition 2nd prize ex aequo
1994 „Stadtwälder“ (South-east Axis), Graz – limited competition 3rd prize
1993 „Structural Dyke“, Den Bosch (Europan 3) – competition 1st prize
1993 „Stadtfelder“, Schwerin (Europan 3) – competition - 1st prize
1992 „Les lieux magiques“ (Central Metropolitan Axis), Zagreb – competition – 1st prize
1991 Church - Utrina, Zagreb – competition, honourable mention
1990 Zelengaj Row Housing, Zagreb – competition, honourable mention
1989 „Kleinhaus“, Zagreb – competition, 1st prize ex aequo
1988 War Victims' Memorial, Krk - competition (with D.Antic, P.Puljiz, N.Vorih), honourable mention
1988-1990 „Intourist“ Headquarters, Moscow – limited competition completed in May 1990.
1985 Bunic' Palace Regeneration, Dubrovnik – competition 1st prize

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