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10. September 2018Cordula Weber
anthos

Hitze in Städten

Die voranschreitende Klimaveränderung bewirkt eine zunehmende Hitzebelastung in Städten. Die Schweiz liegt bezüglich der weltweiten Erwärmung gar über dem Durchschnitt, steht in der Vorsorge aber mehrheitlich erst am Anfang. Die klimaangepasste Siedlungsentwicklung stellt eine grosse planerische Herausforderung dar und ist ein wichtiges Aufgabenfeld für unseren Berufsstand.

Die voranschreitende Klimaveränderung bewirkt eine zunehmende Hitzebelastung in Städten. Die Schweiz liegt bezüglich der weltweiten Erwärmung gar über dem Durchschnitt, steht in der Vorsorge aber mehrheitlich erst am Anfang. Die klimaangepasste Siedlungsentwicklung stellt eine grosse planerische Herausforderung dar und ist ein wichtiges Aufgabenfeld für unseren Berufsstand.

Das städtische Phänomen der städtischen Hitze­inseln belastet tagsüber die Aufenthalts- und Le­bensqualität. Tropennächte von über 20 Grad Celsius bergen gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung. Die Sterblichkeit war in den extrem heissen Sommermonaten der Jahre 2003 und 2015 nachweislich erhöht. Die Schweiz gehört weltweit zu den Re­gionen, in denen die Hitzetage über die letzten Jahrzehnte am meisten zugenommen haben. Die ­Klimaerwärmung wird die Anzahl der Hitzewellen weiter erhöhen: Modellrechnungen von MeteoSchweiz zeigen, dass Hitzewellen wie jene von 2003 und 2015 ab Mitte des Jahrhunderts je nach Region jährlich vorkommen können. Aktuell erarbeitet MeteoSchweiz gemein-sam mit Forschungsinstitu­tionen neue Klimaszenarien «CH2018», die Ende Jahr veröf­fentlicht werden.

Die Betroffenheit nimmt zu – wie reagiert der Bund?

Mit der Klimaerwärmung erhöht sich die Hitze im Siedlungsgebiet. Die bauliche Verdichtung führt zudem meist zu einem Verlust an Strukturen und ­Elementen, welche der Hitze entgegenwirken. Über 82 Prozent der Bevölkerung lebten 2015 bereits in ­Räumen mit städtischem Charakter, Tendenz steigend. Die Betroffenheit durch Hitze im Siedlungsraum wird also aufgrund der Entwicklungen weiter steigen. Der Bundesrat sieht gemäss seiner Strategie «An­passung an den Klimawandel» von 2012 daher die Hitzebelastung als eine der grössten sektorüber­greifenden Aufgaben in Städten und Agglomera­tionen. Massnahmen sind im Aktionsplan für die Pe­riode 2014 bis 2019 beschrieben. Das BAFU lancierte ein Pilotprogramm, um die Umsetzung der Strategie anzustossen. Von 2014 bis 2017 wurden zum Thema der klimaangepassten Stadt- und Siedlungsentwicklung folgende Projekte erarbeitet:

– ACCLIMATASION – eine klimaangepasste Stadtentwicklung für Sitten,
– Urban Green & Climate Bern − die Rolle und Be­wirtschaftung von Bäumen in einer klimaangepassten Stadtentwicklung,
– Effekt von Hitzeperioden auf die Sterblichkeit und mögliche Adaptionsmassnahmen.
Ausgewählte Projekte für die zweite Programmphase des Pilotprogramms von 2018 bis 2022 befinden sich momentan in Konkretisierung.

Mit dem Bericht «Hitze in Städten – Grundlage für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung» stellt das BAFU im Herbst 2018 den verantwortlichen Behörden und Planenden einen unterstützenden Leitfaden zur Verfügung, der in die Thematik einführt und Entscheidungshilfen bietet. Basierend auf Best-Practice-Analysen von ausgewählten Städten im Ausland werden Planungsgrundsätze, städtebauliche Leitsätze und lokale Massnahmen aufgezeigt sowie Erfolgsfaktoren der Hitzevorsorge benannt.

Beispiele aus der Schweiz

Nachfolgende ausgewählte Schweizer Beispiele zeigen den Umgang mit Luft in der klimaangepassten Siedlungsentwicklung auf. Das Lufthygieneamt beider Basel und die Planungsämter Basel-Stadt sowie Basel-Landschaft lösten im Jahr 1998 die Klima­analyse Basel KABA aus. Diese für raumplanerische Zwecke durchgeführte Analyse zeigt Gebiete mit starker Überwärmung und schlechter Durchlüftung auf. Sie diente als Grundlage für Planungsempfehlungen und zur Be­urteilung von Bebauungsplänen. Die Klima­analyse konnte die städtebauliche Entwicklung im Areal Erlenmatt erfolgreich beeinflussen, indem die Gebäudeausrichtung gezielt auf die Frischluftzufuhr aus dem Wiesental in Nord-Süd-Richtung Rücksicht nahm. Derzeit wird für das Kantonsgebiet Basel-Stadt eine Modellierung der mikroklimatischen Verhältnisse in einer 10-Meter-Rasterauflösung durch­geführt. Auf der Grundlage dieser Analyse soll eine Planungshinweiskarte erstellt werden, welche räumlich verortete Handlungsempfehlungen für eine klima­angepasste Siedlungsentwicklung liefert. Sie wird zudem auch die Grundlage für den strategischen «Rahmenplan Stadtklima» bilden, welcher wiederum in den kantonalen Richt- und in den Luftreinhalteplan einfliesst.

Die Stadt Zürich liess im Jahr 2010 eine Klima­analyse KLAZ erstellen. Dabei wurden unter anderem mesoskalige1 und lokale Windsysteme im Hinblick auf die thermische Situation, die Luftqualität und die Durchlüftung analysiert und bewertet. Die Erkenntnisse aus KLAZ sind als Handlungsanweisungen in übergeordnete Instrumente wie die «Räumliche Entwicklungsstrategie RES» oder die regionale Richt­planung eingeflossen. In «Planen und Bauen im Einklang mit dem Stadtklima» regen fünf Grundsätze die planerische Umsetzung an. Bei konkreten Projekten zeigt jedoch die Empfehlung wegen fehlender konkreter Vorgaben und Verbindlichkeit nicht immer die erzielte Wirkung: Die Vorgabe «Errichtung bedeut­samer Strömungshindernisse wie Gebäuderiegel vermeiden» wurde zum Beispiel in der Jurierung des qualitativen Verfahrens zur Überbauung an der Tièchestrasse in Zürich nicht gebührend berücksichtigt. Aktuell er­arbeitet die Verwaltung einen vom ­Parlament in Auftrag gegebenen «Masterplan Stadtklima», welcher sich auf die Grundlage der kantonalen Klimaanalyse abstützt. Er wird einen Leitplan, einen Massnahmenkatalog und eine Umsetzungsstrategie mit Kom­pensationsmassnahmen enthalten.

Der Kanton Zürich stellt seit Sommer 2018 eine mesoskalige Klimaanalyse in der Auflösung von 25 Metern zu Verfügung. Zentrales Ergebnis bilden die Planungshinweiskarten, welche räumlich kon­krete Informationen für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung liefern und Handlungsempfehlungen verorten. Die Gemeinden können auf beispielhafte und sehr präzise Analysen zu Lufttemperatur und Durchlüftung, Tag- und Nachtsituation sowie Bio­klimaindikatoren zugreifen, um ihre Anpassungsmassnahmen zu entwickeln.

Eine planerische Herausforderung

Forscher der ETH Zürich bezeichnen im Bericht «Brennpunkt Klima Schweiz» von 2016 die Hitze­entlastung und -vorsorge als grosse Herausforderung in der klimaangepassten Siedlungsentwicklung. Die Schweiz steht hier im internationalen Vergleich mehrheitlich erst am Anfang. Die Sicherung der grünen und blauen Infrastruktur, die Nutzung von Synergien und die Verankerung von wirkungsvollen Massnahmen bilden daher ein zentrales und gewichtiges Aufgabenfeld für die Fachdisziplin der Landschaftsarchitektur – sowohl in der konzeptionellen Planung, der Sensibilisierung und Beratung als auch in der baulichen Umsetzung von klimaangepassten Projekten im Siedlungsraum.

anthos, Mo., 2018.09.10



verknüpfte Zeitschriften
anthos 2018/03 Stadtklima & Frischluft

18. Dezember 2007Cordula Weber
anthos

Freiraumsicherung in Entwicklungsgebieten

Kooperative Entwicklungsplanung in der Stadt Zürich – drei unterschiedliche Ansätze zur städtebaulichen Sicherung und Bereitstellung von Freiräumen am Beispiel des Gebietes Leutschenbach.

Kooperative Entwicklungsplanung in der Stadt Zürich – drei unterschiedliche Ansätze zur städtebaulichen Sicherung und Bereitstellung von Freiräumen am Beispiel des Gebietes Leutschenbach.

Auf verschiedenen ehemaligen Industrie und Gewerbearealen entstehen derzeit analog zur Bau- und Zonenordnung Mischnutzungen aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur. Diese grössten Umnutzungsgebiete innerhalb der bebauten Stadt koordiniert die Verwaltung über das so genannte Gebietsmanagement mit interdisziplinären Kernteams und entwickelt sie in kooperativer Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern. Wo bereits vorhanden, wird auch die Wohnbevölkerung einbezogen. Die monatlich tagende Delegation für stadträumliche Fragen mit einer starken Vertretung des Stadtrates sowie den im öffentlichen Raum tätigen Dienstchefs definiert die Strategie, steuert die Prozesse und greift bei Zielkonflikten ein.

In Zürich ist die Mehrwertabschöpfung nicht rechtlich verankert. Finanzielle und materielle Beteiligungen der Grundeigentümer an gebietsaufwertenden Infrastrukturmassnahmen sind daher freiwillig, sie werden über kooperative Prozesse ausgehandelt. Grün Stadt Zürich hat das Ziel, der Wohn- und Arbeitsbevölkerung ausreichend Erholungsraum in Fusswegdistanz zur Verfügung zu stellen. Hierfür gelten die Richtwerte von acht Quadratmetern öffentlichem, multifunktionalem Freiraum pro Einwohner und fünf Quadratmetern pro Arbeitsplatz. Diese Flächensicherung bildet die quantitative Grundlage zur Entwicklung einer hohen Nutzungs- und Gestaltungsqualität. Am Beispiel der Entwicklungsplanung Leutschenbach werden im Folgenden unterschiedliche Ansätze zur Bereitstellung von öffentlichem Freiraum dargelegt.

Entwicklungsplanung Leutschenbach

Das im Norden Zürichs gelegene, durch zwei Bahndämme begrenzte Gebiet Leutschenbach mit einer Fläche von rund 600 000 Quadratmetern wies bisher erhebliche städtebauliche und freiraumplanerische Defizite auf. Es ist mit der neuen Glattalbahn, dem Bahnhof Oerlikon, mit Autobahn und Flughafen sehr gut erschlossen. Gemäss Richtplan ist es ein Zentrumsgebiet von kantonaler Bedeutung. Hier besteht ein Potenzial von rund 20 000 Arbeitsplätzen und bis zu 3000 Einwohnern.

Der Druck zur Revision der Zonierung, Aufwertung und Entwicklung entstand Mitte der 1990er-Jahre seitens der privaten Grundeigentümer. Aufgrund der anspruchsvollen Ausgangslage und der vielfältigen Fragestellungen entschied sich die Stadt Zürich für ein offenes Planungsverfahren unter Mitwirkung von Planungsteams, Grundeigentümern sowie Planungsexperten. In der daraus resultierenden «Vision Leutschenbach» kam insbesondere der Erstellung eines vernetzten Freiraumsystems als imagebildendem Element vorrangige Bedeutung zu. Die Vision sowie das nachfolgende «Entwicklungskonzept Leutschenbach» mit Aussagen zu Nutzung, Freiraum und Verkehr sowie eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Finanzierung bildeten die Grundlage für die 2001 erfolgte Zonierung des Gebietes. Diese sieht mehrheitlich Zentrumszonen mit Freiflächenziffern von 20 bis 30 Prozent und mit einem Wohnanteil im Zentrum und an den Rändern vor. Neben den drei nachfolgend aufgeführten öffentlichen Parks prägen und vernetzen zukünftig verschiedene aufgewertete lineare Freiräume wie Strassen mit Alleen oder renaturierte Bachläufe das Gebiet.

Grubenackerpark – Freihaltezone in städtischem Besitz

Ein heute zu grossen Teilen als Familiengärten genutztes Areal nördlich der Thurgauerstrasse ist in städtischem Besitz. Diese Freihaltezone wurde in einer Teilzonenplanänderung im Jahr 2001 von 27 000 auf rund 12 000 Quadratmeter reduziert. Die verbleibende Freihaltezone soll als Grubenackerpark den angrenzenden Wohn- und Dienstleistungsgebäuden zur Verfügung stehen. Das gesamte Areal wird in den kommenden Jahren über einen Gestaltungsplan entwickelt. Die erfolgte Umzonung führte zu einem Planungsmehrwert von 21 Millionen Franken.

Leutschenpark – Freiflächenziffertransfer in eine Bauzone

Eine städtische Bauparzelle in der Mitte von Leutschenbach wurde bis 1955 als Schiessanlage, danach als Autoparkplatz und Standplatz für Fahrende genutzt. Diese Fläche von gut 15 000 Quadratmetern wird als Leutschenpark zum Herzstück des neuen Zentrumsgebietes. Die Gestaltungen des Leutschenparks und der Leutschenbachstrasse wurden über einen gemeinsamen öffentlichen Wettbewerb entwickelt.
Das Instrument des Freiflächenziffertransfers ermöglicht die finanzielle Beteiligung der Grundeigentümer an den Aufwertungsinvestitionen der Stadt. Gemäss Bau- und Zonenordnung Art. 18 Abs. 2 kann die Übertragung von maximal der Hälfte der Freiflächenziffer vom eigenen Grundstück in eine andere Bauzone innerhalb eines definierten Gebietes erfolgen. Dieses Finanzierungshilfsmittel ist für den Leutschenpark vorgesehen. Das Parkareal muss daher weiterhin eine Bauparzelle sein, um den Transfer zu ermöglichen. Diese Zonierung bedingte jedoch eine aussergewöhnliche Höhe des Objektkredits. Neben 13 Millionen Franken für Bau und Altlastensanierung standen 22 Millionen für die formale Abschreibung des Landwertes durch Übertrag vom städtischen Finanzzins Verwaltungsvermögen zu Buche und machten 2006 eine Gemeindeabstimmung notwendig. Private Grundeigentümer beteiligen sich mit fünf Millionen Franken über Freiflächenziffertransfers sowie mit freiwilligen Beiträgen von 374 000 Franken an den Gesamtkosten. Das Siegerprojekt des öffentlichen Wettbewerbes befindet sich nach erfolgreicher Abstimmung bei Grün Stadt Zürich im Bau.

Andreaspark – öffentlicher Park in privater Überbauung

Das rund 100 000 Quadratmeter grosse Steiner/ Hunziker-Areal entlang des südlichen Bahndamms (zur Hälfte in städtischem Besitz) wurde über ein gemeinsames zweistufiges städtebauliches Verfahren entwickelt. Der Andreaspark zieht sich als öffentlicher Freiraum entlang der neu erstellten Wohn- und Dienstleistungsbauten und des Riedgrabens bis zum geplanten Schulhaus Leutschenbach einschliesslich dessen Aussenraum. Gebaut wird der Andreaspark auf eigene Kosten von denjenigen Grundeigentümern, auf deren Grundstück der jeweilige Parkteil zu liegen kommt. Zudem entrichten sie einen Beitrag zur Aufwertung der Andreasstrasse sowie zur Offenlegung des Baches. Im Gegenzug übernimmt die Stadt den Unterhalt des öffentlichen Andreasparks. Die finanziellen Vereinbarungen, die öffentlichen Benutzungsrechte für den Park sowie den Fuss- und Radweg auf privatem Grund sind vertraglich geregelt.

Einige Empfehlungen aus den bisherigen Erfahrungen

Die frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung zur Entwicklung der grossen Areale hat sich bewährt. Hierfür sind im Vorfeld klare Rollen- und Aufgabendefinitionen nötig. Wichtig ist die enge Anbindung an politische Entscheidungsträger. Die Planungsbehörden der Stadtverwaltung müssen einhellig und mit abgestimmten Zielen agieren. Dies stellt bei grossen Verwaltungen hohe Anforderung an Koordination und Abstimmung der Kommunikation gegenüber den Grundeigentümern. Das Gebietsmanagement ist hierfür eine sehr hilfreiche Einrichtung.

Zur Klärung der für das jeweilige Projektvorhaben geeigneten Strategie zur Freiflächensicherung und -entwicklung gilt es, vorgängig folgende Fragen zu beantworten: Ist das Projekt vorwiegend ein öffentlicher Auftrag der Verwaltung, oder geht es darüber hinaus und rechtfertigt eine Beteiligung der Grundeigentümer? Welches sind dann die Anreize, die die Stadt bieten kann? Was sind die Konsequenzen einer Nichtbeteiligung?
Ohne eine gesetzlich festgelegte Mehrwertabschöpfung ist eine gute Verhandlungsposition der Stadt zur Beteiligung privater Grundeigentümer vor allem im Rahmen von Sondernutzungsplanungen oder vor einer Zonenplanrevision gegeben. Beitragsverhandlungen bei Bauvorhaben in der Regelbauweise gemäss rechtskräftiger Bau- und Zonenordnung sind oft sehr aufwändig und langwierig. Die effektive Bereitschaft der Grundeigentümer zur finanziellen Beteiligung oder zum Freiflächenziffertransfer erweist sich als sehr unterschiedlich.

[Cordula Weber, Dipl.-Ing. FH, Landschaftsarchitektin, Leiterin des Fachbereichs Freiraumplanung, Grün Stadt Zürich]

anthos, Di., 2007.12.18



verknüpfte Zeitschriften
anthos 2007/4 Entwicklungsgebiete

Presseschau 12

10. September 2018Cordula Weber
anthos

Hitze in Städten

Die voranschreitende Klimaveränderung bewirkt eine zunehmende Hitzebelastung in Städten. Die Schweiz liegt bezüglich der weltweiten Erwärmung gar über dem Durchschnitt, steht in der Vorsorge aber mehrheitlich erst am Anfang. Die klimaangepasste Siedlungsentwicklung stellt eine grosse planerische Herausforderung dar und ist ein wichtiges Aufgabenfeld für unseren Berufsstand.

Die voranschreitende Klimaveränderung bewirkt eine zunehmende Hitzebelastung in Städten. Die Schweiz liegt bezüglich der weltweiten Erwärmung gar über dem Durchschnitt, steht in der Vorsorge aber mehrheitlich erst am Anfang. Die klimaangepasste Siedlungsentwicklung stellt eine grosse planerische Herausforderung dar und ist ein wichtiges Aufgabenfeld für unseren Berufsstand.

Das städtische Phänomen der städtischen Hitze­inseln belastet tagsüber die Aufenthalts- und Le­bensqualität. Tropennächte von über 20 Grad Celsius bergen gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung. Die Sterblichkeit war in den extrem heissen Sommermonaten der Jahre 2003 und 2015 nachweislich erhöht. Die Schweiz gehört weltweit zu den Re­gionen, in denen die Hitzetage über die letzten Jahrzehnte am meisten zugenommen haben. Die ­Klimaerwärmung wird die Anzahl der Hitzewellen weiter erhöhen: Modellrechnungen von MeteoSchweiz zeigen, dass Hitzewellen wie jene von 2003 und 2015 ab Mitte des Jahrhunderts je nach Region jährlich vorkommen können. Aktuell erarbeitet MeteoSchweiz gemein-sam mit Forschungsinstitu­tionen neue Klimaszenarien «CH2018», die Ende Jahr veröf­fentlicht werden.

Die Betroffenheit nimmt zu – wie reagiert der Bund?

Mit der Klimaerwärmung erhöht sich die Hitze im Siedlungsgebiet. Die bauliche Verdichtung führt zudem meist zu einem Verlust an Strukturen und ­Elementen, welche der Hitze entgegenwirken. Über 82 Prozent der Bevölkerung lebten 2015 bereits in ­Räumen mit städtischem Charakter, Tendenz steigend. Die Betroffenheit durch Hitze im Siedlungsraum wird also aufgrund der Entwicklungen weiter steigen. Der Bundesrat sieht gemäss seiner Strategie «An­passung an den Klimawandel» von 2012 daher die Hitzebelastung als eine der grössten sektorüber­greifenden Aufgaben in Städten und Agglomera­tionen. Massnahmen sind im Aktionsplan für die Pe­riode 2014 bis 2019 beschrieben. Das BAFU lancierte ein Pilotprogramm, um die Umsetzung der Strategie anzustossen. Von 2014 bis 2017 wurden zum Thema der klimaangepassten Stadt- und Siedlungsentwicklung folgende Projekte erarbeitet:

– ACCLIMATASION – eine klimaangepasste Stadtentwicklung für Sitten,
– Urban Green & Climate Bern − die Rolle und Be­wirtschaftung von Bäumen in einer klimaangepassten Stadtentwicklung,
– Effekt von Hitzeperioden auf die Sterblichkeit und mögliche Adaptionsmassnahmen.
Ausgewählte Projekte für die zweite Programmphase des Pilotprogramms von 2018 bis 2022 befinden sich momentan in Konkretisierung.

Mit dem Bericht «Hitze in Städten – Grundlage für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung» stellt das BAFU im Herbst 2018 den verantwortlichen Behörden und Planenden einen unterstützenden Leitfaden zur Verfügung, der in die Thematik einführt und Entscheidungshilfen bietet. Basierend auf Best-Practice-Analysen von ausgewählten Städten im Ausland werden Planungsgrundsätze, städtebauliche Leitsätze und lokale Massnahmen aufgezeigt sowie Erfolgsfaktoren der Hitzevorsorge benannt.

Beispiele aus der Schweiz

Nachfolgende ausgewählte Schweizer Beispiele zeigen den Umgang mit Luft in der klimaangepassten Siedlungsentwicklung auf. Das Lufthygieneamt beider Basel und die Planungsämter Basel-Stadt sowie Basel-Landschaft lösten im Jahr 1998 die Klima­analyse Basel KABA aus. Diese für raumplanerische Zwecke durchgeführte Analyse zeigt Gebiete mit starker Überwärmung und schlechter Durchlüftung auf. Sie diente als Grundlage für Planungsempfehlungen und zur Be­urteilung von Bebauungsplänen. Die Klima­analyse konnte die städtebauliche Entwicklung im Areal Erlenmatt erfolgreich beeinflussen, indem die Gebäudeausrichtung gezielt auf die Frischluftzufuhr aus dem Wiesental in Nord-Süd-Richtung Rücksicht nahm. Derzeit wird für das Kantonsgebiet Basel-Stadt eine Modellierung der mikroklimatischen Verhältnisse in einer 10-Meter-Rasterauflösung durch­geführt. Auf der Grundlage dieser Analyse soll eine Planungshinweiskarte erstellt werden, welche räumlich verortete Handlungsempfehlungen für eine klima­angepasste Siedlungsentwicklung liefert. Sie wird zudem auch die Grundlage für den strategischen «Rahmenplan Stadtklima» bilden, welcher wiederum in den kantonalen Richt- und in den Luftreinhalteplan einfliesst.

Die Stadt Zürich liess im Jahr 2010 eine Klima­analyse KLAZ erstellen. Dabei wurden unter anderem mesoskalige1 und lokale Windsysteme im Hinblick auf die thermische Situation, die Luftqualität und die Durchlüftung analysiert und bewertet. Die Erkenntnisse aus KLAZ sind als Handlungsanweisungen in übergeordnete Instrumente wie die «Räumliche Entwicklungsstrategie RES» oder die regionale Richt­planung eingeflossen. In «Planen und Bauen im Einklang mit dem Stadtklima» regen fünf Grundsätze die planerische Umsetzung an. Bei konkreten Projekten zeigt jedoch die Empfehlung wegen fehlender konkreter Vorgaben und Verbindlichkeit nicht immer die erzielte Wirkung: Die Vorgabe «Errichtung bedeut­samer Strömungshindernisse wie Gebäuderiegel vermeiden» wurde zum Beispiel in der Jurierung des qualitativen Verfahrens zur Überbauung an der Tièchestrasse in Zürich nicht gebührend berücksichtigt. Aktuell er­arbeitet die Verwaltung einen vom ­Parlament in Auftrag gegebenen «Masterplan Stadtklima», welcher sich auf die Grundlage der kantonalen Klimaanalyse abstützt. Er wird einen Leitplan, einen Massnahmenkatalog und eine Umsetzungsstrategie mit Kom­pensationsmassnahmen enthalten.

Der Kanton Zürich stellt seit Sommer 2018 eine mesoskalige Klimaanalyse in der Auflösung von 25 Metern zu Verfügung. Zentrales Ergebnis bilden die Planungshinweiskarten, welche räumlich kon­krete Informationen für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung liefern und Handlungsempfehlungen verorten. Die Gemeinden können auf beispielhafte und sehr präzise Analysen zu Lufttemperatur und Durchlüftung, Tag- und Nachtsituation sowie Bio­klimaindikatoren zugreifen, um ihre Anpassungsmassnahmen zu entwickeln.

Eine planerische Herausforderung

Forscher der ETH Zürich bezeichnen im Bericht «Brennpunkt Klima Schweiz» von 2016 die Hitze­entlastung und -vorsorge als grosse Herausforderung in der klimaangepassten Siedlungsentwicklung. Die Schweiz steht hier im internationalen Vergleich mehrheitlich erst am Anfang. Die Sicherung der grünen und blauen Infrastruktur, die Nutzung von Synergien und die Verankerung von wirkungsvollen Massnahmen bilden daher ein zentrales und gewichtiges Aufgabenfeld für die Fachdisziplin der Landschaftsarchitektur – sowohl in der konzeptionellen Planung, der Sensibilisierung und Beratung als auch in der baulichen Umsetzung von klimaangepassten Projekten im Siedlungsraum.

anthos, Mo., 2018.09.10



verknüpfte Zeitschriften
anthos 2018/03 Stadtklima & Frischluft

18. Dezember 2007Cordula Weber
anthos

Freiraumsicherung in Entwicklungsgebieten

Kooperative Entwicklungsplanung in der Stadt Zürich – drei unterschiedliche Ansätze zur städtebaulichen Sicherung und Bereitstellung von Freiräumen am Beispiel des Gebietes Leutschenbach.

Kooperative Entwicklungsplanung in der Stadt Zürich – drei unterschiedliche Ansätze zur städtebaulichen Sicherung und Bereitstellung von Freiräumen am Beispiel des Gebietes Leutschenbach.

Auf verschiedenen ehemaligen Industrie und Gewerbearealen entstehen derzeit analog zur Bau- und Zonenordnung Mischnutzungen aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur. Diese grössten Umnutzungsgebiete innerhalb der bebauten Stadt koordiniert die Verwaltung über das so genannte Gebietsmanagement mit interdisziplinären Kernteams und entwickelt sie in kooperativer Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern. Wo bereits vorhanden, wird auch die Wohnbevölkerung einbezogen. Die monatlich tagende Delegation für stadträumliche Fragen mit einer starken Vertretung des Stadtrates sowie den im öffentlichen Raum tätigen Dienstchefs definiert die Strategie, steuert die Prozesse und greift bei Zielkonflikten ein.

In Zürich ist die Mehrwertabschöpfung nicht rechtlich verankert. Finanzielle und materielle Beteiligungen der Grundeigentümer an gebietsaufwertenden Infrastrukturmassnahmen sind daher freiwillig, sie werden über kooperative Prozesse ausgehandelt. Grün Stadt Zürich hat das Ziel, der Wohn- und Arbeitsbevölkerung ausreichend Erholungsraum in Fusswegdistanz zur Verfügung zu stellen. Hierfür gelten die Richtwerte von acht Quadratmetern öffentlichem, multifunktionalem Freiraum pro Einwohner und fünf Quadratmetern pro Arbeitsplatz. Diese Flächensicherung bildet die quantitative Grundlage zur Entwicklung einer hohen Nutzungs- und Gestaltungsqualität. Am Beispiel der Entwicklungsplanung Leutschenbach werden im Folgenden unterschiedliche Ansätze zur Bereitstellung von öffentlichem Freiraum dargelegt.

Entwicklungsplanung Leutschenbach

Das im Norden Zürichs gelegene, durch zwei Bahndämme begrenzte Gebiet Leutschenbach mit einer Fläche von rund 600 000 Quadratmetern wies bisher erhebliche städtebauliche und freiraumplanerische Defizite auf. Es ist mit der neuen Glattalbahn, dem Bahnhof Oerlikon, mit Autobahn und Flughafen sehr gut erschlossen. Gemäss Richtplan ist es ein Zentrumsgebiet von kantonaler Bedeutung. Hier besteht ein Potenzial von rund 20 000 Arbeitsplätzen und bis zu 3000 Einwohnern.

Der Druck zur Revision der Zonierung, Aufwertung und Entwicklung entstand Mitte der 1990er-Jahre seitens der privaten Grundeigentümer. Aufgrund der anspruchsvollen Ausgangslage und der vielfältigen Fragestellungen entschied sich die Stadt Zürich für ein offenes Planungsverfahren unter Mitwirkung von Planungsteams, Grundeigentümern sowie Planungsexperten. In der daraus resultierenden «Vision Leutschenbach» kam insbesondere der Erstellung eines vernetzten Freiraumsystems als imagebildendem Element vorrangige Bedeutung zu. Die Vision sowie das nachfolgende «Entwicklungskonzept Leutschenbach» mit Aussagen zu Nutzung, Freiraum und Verkehr sowie eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Finanzierung bildeten die Grundlage für die 2001 erfolgte Zonierung des Gebietes. Diese sieht mehrheitlich Zentrumszonen mit Freiflächenziffern von 20 bis 30 Prozent und mit einem Wohnanteil im Zentrum und an den Rändern vor. Neben den drei nachfolgend aufgeführten öffentlichen Parks prägen und vernetzen zukünftig verschiedene aufgewertete lineare Freiräume wie Strassen mit Alleen oder renaturierte Bachläufe das Gebiet.

Grubenackerpark – Freihaltezone in städtischem Besitz

Ein heute zu grossen Teilen als Familiengärten genutztes Areal nördlich der Thurgauerstrasse ist in städtischem Besitz. Diese Freihaltezone wurde in einer Teilzonenplanänderung im Jahr 2001 von 27 000 auf rund 12 000 Quadratmeter reduziert. Die verbleibende Freihaltezone soll als Grubenackerpark den angrenzenden Wohn- und Dienstleistungsgebäuden zur Verfügung stehen. Das gesamte Areal wird in den kommenden Jahren über einen Gestaltungsplan entwickelt. Die erfolgte Umzonung führte zu einem Planungsmehrwert von 21 Millionen Franken.

Leutschenpark – Freiflächenziffertransfer in eine Bauzone

Eine städtische Bauparzelle in der Mitte von Leutschenbach wurde bis 1955 als Schiessanlage, danach als Autoparkplatz und Standplatz für Fahrende genutzt. Diese Fläche von gut 15 000 Quadratmetern wird als Leutschenpark zum Herzstück des neuen Zentrumsgebietes. Die Gestaltungen des Leutschenparks und der Leutschenbachstrasse wurden über einen gemeinsamen öffentlichen Wettbewerb entwickelt.
Das Instrument des Freiflächenziffertransfers ermöglicht die finanzielle Beteiligung der Grundeigentümer an den Aufwertungsinvestitionen der Stadt. Gemäss Bau- und Zonenordnung Art. 18 Abs. 2 kann die Übertragung von maximal der Hälfte der Freiflächenziffer vom eigenen Grundstück in eine andere Bauzone innerhalb eines definierten Gebietes erfolgen. Dieses Finanzierungshilfsmittel ist für den Leutschenpark vorgesehen. Das Parkareal muss daher weiterhin eine Bauparzelle sein, um den Transfer zu ermöglichen. Diese Zonierung bedingte jedoch eine aussergewöhnliche Höhe des Objektkredits. Neben 13 Millionen Franken für Bau und Altlastensanierung standen 22 Millionen für die formale Abschreibung des Landwertes durch Übertrag vom städtischen Finanzzins Verwaltungsvermögen zu Buche und machten 2006 eine Gemeindeabstimmung notwendig. Private Grundeigentümer beteiligen sich mit fünf Millionen Franken über Freiflächenziffertransfers sowie mit freiwilligen Beiträgen von 374 000 Franken an den Gesamtkosten. Das Siegerprojekt des öffentlichen Wettbewerbes befindet sich nach erfolgreicher Abstimmung bei Grün Stadt Zürich im Bau.

Andreaspark – öffentlicher Park in privater Überbauung

Das rund 100 000 Quadratmeter grosse Steiner/ Hunziker-Areal entlang des südlichen Bahndamms (zur Hälfte in städtischem Besitz) wurde über ein gemeinsames zweistufiges städtebauliches Verfahren entwickelt. Der Andreaspark zieht sich als öffentlicher Freiraum entlang der neu erstellten Wohn- und Dienstleistungsbauten und des Riedgrabens bis zum geplanten Schulhaus Leutschenbach einschliesslich dessen Aussenraum. Gebaut wird der Andreaspark auf eigene Kosten von denjenigen Grundeigentümern, auf deren Grundstück der jeweilige Parkteil zu liegen kommt. Zudem entrichten sie einen Beitrag zur Aufwertung der Andreasstrasse sowie zur Offenlegung des Baches. Im Gegenzug übernimmt die Stadt den Unterhalt des öffentlichen Andreasparks. Die finanziellen Vereinbarungen, die öffentlichen Benutzungsrechte für den Park sowie den Fuss- und Radweg auf privatem Grund sind vertraglich geregelt.

Einige Empfehlungen aus den bisherigen Erfahrungen

Die frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung zur Entwicklung der grossen Areale hat sich bewährt. Hierfür sind im Vorfeld klare Rollen- und Aufgabendefinitionen nötig. Wichtig ist die enge Anbindung an politische Entscheidungsträger. Die Planungsbehörden der Stadtverwaltung müssen einhellig und mit abgestimmten Zielen agieren. Dies stellt bei grossen Verwaltungen hohe Anforderung an Koordination und Abstimmung der Kommunikation gegenüber den Grundeigentümern. Das Gebietsmanagement ist hierfür eine sehr hilfreiche Einrichtung.

Zur Klärung der für das jeweilige Projektvorhaben geeigneten Strategie zur Freiflächensicherung und -entwicklung gilt es, vorgängig folgende Fragen zu beantworten: Ist das Projekt vorwiegend ein öffentlicher Auftrag der Verwaltung, oder geht es darüber hinaus und rechtfertigt eine Beteiligung der Grundeigentümer? Welches sind dann die Anreize, die die Stadt bieten kann? Was sind die Konsequenzen einer Nichtbeteiligung?
Ohne eine gesetzlich festgelegte Mehrwertabschöpfung ist eine gute Verhandlungsposition der Stadt zur Beteiligung privater Grundeigentümer vor allem im Rahmen von Sondernutzungsplanungen oder vor einer Zonenplanrevision gegeben. Beitragsverhandlungen bei Bauvorhaben in der Regelbauweise gemäss rechtskräftiger Bau- und Zonenordnung sind oft sehr aufwändig und langwierig. Die effektive Bereitschaft der Grundeigentümer zur finanziellen Beteiligung oder zum Freiflächenziffertransfer erweist sich als sehr unterschiedlich.

[Cordula Weber, Dipl.-Ing. FH, Landschaftsarchitektin, Leiterin des Fachbereichs Freiraumplanung, Grün Stadt Zürich]

anthos, Di., 2007.12.18



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