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01. Januar 2012Ralf Michel
TEC21

Leuchtende Zukunft

Die Vor- und Nachteile der LED- und der weitgehend neuen OLED-Technologie sind vielfältig. Dass es aber nicht nur um Beleuchtungsaspekte «einer schönen neuen Welt» geht, sondern auch um soziale, gesundheitliche und ethische Fragen ebenso wie gestalterische Herausforderungen, zeigen die aktuellen Entwicklungen und die damit verbundenen Forschungen.

Die Vor- und Nachteile der LED- und der weitgehend neuen OLED-Technologie sind vielfältig. Dass es aber nicht nur um Beleuchtungsaspekte «einer schönen neuen Welt» geht, sondern auch um soziale, gesundheitliche und ethische Fragen ebenso wie gestalterische Herausforderungen, zeigen die aktuellen Entwicklungen und die damit verbundenen Forschungen.

Die alte Glühbirne habe ausgedient, Halogen- und Fluoreszenzleuchten würden künftig abgeschaltet; die Zukunft gehöre den LED und in zehn Jahren den organischen LED (OLED). Diese gebetsmühlenartig wiederholten Ankündigungen sind Ausdruck einer komplexen Situation, deren Taktgeber die technologischen Entwicklungen sowie das Bemühen um die Implementierung nachhaltiger Systeme und Konzepte sind. Und so sehen sich die Hersteller mit der Herausforderung konfrontiert, neue Produkte und Steuerungssysteme zu entwickeln. Die Übersetzung in den Gebrauch müssen Designer, ArchitektInnen und Lichtplaner leisten. Designern mangelt es jedoch an Erfahrungswerten, und den Bauherren fehlt zuweilen die Sicherheit, ob und wie sich ihre teuren Investitionen auf längere Sicht lohnen.

Die Vorteile der LED

Wirft man einen Blick auf die markanten Charaktereigenschaften der LED, so lassen sich die Herausforderungen für Designer, Innenarchitekten und Lichtplaner davon ableiten:
– LED ermöglichen im Weiss- und im RGB-Bereich fast jede spektrale Zusammensetzung des Lichts – im Idealfall mit einer Leuchte. Innenarchitekten müssen lernen, diese Möglichkeiten kalkuliert einzusetzen. Zu den Wechselwirkungen zwischen dynamischem Licht und farbigen Oberflächen existieren Erfahrungswerte, aber keine systematische Methode, wie sie von den Farb- Licht- Forschern um Ulrich Bachmann (LED-ColourLab) [2] gefordert wurde.
– LED verursachen fast keine Hitze im Lichtkegel, müssen aber nach hinten gekühlt werden. Die Designer sind daher gefordert, sich umzustellen und die Fragen nach dem Körper-haften des Lichts neu zu beantworten. Insbesondere mit den sich abzeichnenden Entwicklungen der flächigen OLED erleben die Industriedesigner einen Paradigmenwechsel bezüglich der Gestaltung. Die Integration des Lichts in Möbel und Architektur ist künftig einer der Hauptfaktoren, welche die Gestaltung bestimmen.
– Die Steuerung erfolgt elektronisch für jede LED. Der Komplexität dieser Möglichkeit wohnen viele Herausforderungen an die Gestaltung inne.
– Die ökonomischen und die gestalterischen Vorteile liegen auf der Hand: grosse Farbsättigung und Farbdynamik bei kleiner Lichtquelle; hohe Lebensdauer (bis zu 50 000 h), hohe Energieeffizienz, UV-freies Licht, kaum Wärmeabstrahlung im Lichtkegel, dabei dimmbar und ohne Anlaufverhalten.

Interessengruppen und Gebäudebeleuchtung

Die Hamburger Lichtdesignerin Ulrike Brandi meint, Beleuchtung habe nicht den kommerziellen Charakter eines Gebäudes zu verstärken, sondern sei in erster Linie eine soziale Aufgabe. Diese sieht sie darin, dass die Menschen sich in den Räumen wohlfühlen sollen. Damit wäre der Massstab für das Design ausgesprochen. Klaus Krippendorff, Designer, Kommunikationswissenschaftler, Kybernetiker und Professor an der «Annenberg School for Communication in Philadelphia», bringt den Anspruch auf den Punkt, indem er nicht die Gestaltung der Form, sondern die Integration der Bedürfnisse von Interessengruppen als Merkmal beschreibt – das sind jene Menschen, die Architektur als Wohn-, Arbeits- oder Verkaufsraum nutzen. Weitere Gruppen sind die Bauherren, die Hersteller von Leuchten, die Designerinnen und die Innenarchitekten. Eine Auswahl der Forschungsthemen mag die immer noch existierenden Unsicherheiten skizzieren, die es im Bereich LED gibt:
– Welche Auswirkungen haben die relativ hohen Anteile des blauen Lichts auf Kinderaugen?
– Wie wirkt sich der Blaulichtanteil auf Ausstellungsexponate aus?
– Wie wirken sich dynamische spektrale Zusammensetzungen auf die Aufmerksamkeit aus?
– Wie wirken sich dynamische Raumlichtbedingungen auf die Befindlichkeit von Arbeitern und Arbeiterinnen aus, und wird die nächtliche Schlafqualität beeinflusst?
– Wie kann das Zusammenspiel von Tageslichtnutzung und intelligenter Steuerung den Energieverbrauch reduzieren?

Das technisch Mögliche und die Absatzmärkte

An dieser Stelle ist es sinnvoll, die Eckdaten von Leuchtenherstellern zu betrachten, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich der Markt jenseits modischer Trends entwickelt. Im jüngsten Nachhaltigkeitsbericht der Zumtobel-Gruppe wird darauf hingewiesen, dass die Entwicklung hin zum Einsatz von LED-Technologie und von intelligent gesteuerten Beleuchtungsanlagen gehen wird. Das Unternehmen geht davon aus, dass dies für die Beleuchtungsindustrie die wichtigen Wachstumsimpulse der kommenden Jahre bringt. So soll bis 2014/15 ein Drittel des Umsatzes aus LED-Produkten erzielt werden, während er im ablaufenden Geschäftsjahr erst bei 8.2 % lag. Deshalb werden die Gelder für Forschung und Entwicklung zum grossen Teil für LED und OLED eingesetzt. Bei anderen Herstellern sehen die Prognosen vergleichbar aus. Die neue Aussenbeleuchtung des Louvres in Paris, welche die Eingangspyramiden und die Fassade des Pavillon Colbert mit 3200 LED erhellt, ist kein Zufall: Der Elektronikkonzern Toshiba will, nachdem er bereits 2010 mit ersten LEDProdukten Fuss gefasst hat, endgültig mit der Technologie nach Europa expandieren.

Zukunftspotenzial Oled

Die OLED – Organic Light Emitting Diode – ist eine sehr dünnfilmige organische Leuchtdiode oder anders ausgedrückt, eine selbstemittierende Fläche. Das Licht wird mittels organischer Schichten erzeugt, die durch einen elektrischen Strom zum Leuchten angeregt werden. Dieser Effekt wird Elektrophosphoreszenz genannt. Die organischen Schichten bestehen aus kurzkettigen – bei den OLED – oder langkettigen Polymeren bei den PLED. Die OLED erzeugt bei geringem Stromverbrauch eine hohe Leuchtdichte. Wegen ihrer organischen Eigenschaft lässt sich die OLED künftig günstiger produzieren als LED. Die OLED-Technologie wurde für Bildschirme, Fernseher, Monitore, Displays etc. genutzt. In einem Interview für das Deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung sagt Dietrich Bertram von OLED Development bei Philips, dass sich Wohnen in der Zukunft insofern verändern werde, als dass Leuchten durch OLED ersetzt werden, die an Decke und Wänden aufgeklebt werden und dem Raum Tiefe verleihen. In 10 bis 15 Jahren werde es im Hochpreissegment Fernseher geben, die man in der Tapete integrieren kann und leuchtende Rollos oder Vorhänge. Von der Technologie werden weitreichende Auswirkungen auf die Gestaltung von Räumen erwartet. OLED ist flächig, blendfrei und diffus und lässt sich nicht auf einen leuchtenden Punkt wie bei der LED zurückführen. Bis dies zum Standard gehört, werden noch etliche Jahre vergehen, und ob OLED-Tapeten und -Fenster die Stubenleuchte aus dem Innenraum verdrängen oder nur neue Möglichkeiten eröffnen, wird sich zeigen. Auch wird ein Forschungsziel die Preissenkung der Produkte sein, um sie für die Allgemeinheit erschwinglich zu machen.

Vom Punkt zur Fläche

Heiko Bartels, Professor für Produktdesign an der Bauhaus-Universität in Weimar, führte im Frühling dieses Jahres einen Workshop[3] mit Studierenden im Lumiblade Creative Lab von Philips in Aachen4 durch. Firmen sind offenbar auf die Ideen von Innenarchitektinnen und Designern angewiesen, weshalb sie Kreative zu Workshops empfangen. Immerhin treibt die niederländische Firma die technische Entwicklung voran und hat bekannt gegeben, dass sie 40 Mio. Euro in die OLED-Entwicklung investieren wird. Heiko Bartels ahnt, warum die Firmen nach gestalterischen Lösungen suchen: «Die flächig leuchtenden und dünn verarbeiteten organischen LED stellen die bisherige Nutzung des künstlichen Lichts fundamental infrage. » Der Designprofessor kritisiert auch die bis heute weitgehend undifferenzierte Nutzung von Licht. Wenn auch nicht viele Lichtgestalter seiner Position zustimmen mögen, so ist sein nächster Hinweis sicher richtig: «Die selbstleuchtenden Oberflächen werden die Wahrnehmung von Räumen fundamental verändern, und die Leuchten als Objekte werden zunehmend in Möbel und in die Architektur integriert werden.»


Anmerkungen:
[01] www.chronobiology.ch: Das Institut erforscht u.a. Schlafzyklen, Cognitive Performance, Formatierung von Erinnerung, Thermoregulation
[02] Zu den Arbeiten von Ulrich Bachmann und zu der LED-Lichttechnik und ihren Steuerungsmöglichkeiten vgl. TEC21, 10/2011
[03] «Vom Punkt zur Fläche», Bauhaus Weimar: www.uni-weimar.de/summaery/2011/projekte/by_id/93
[04] www.newscenter.philips.com/de_de/standard/news/lighting/20110210_oled_workshops_im_philips_ lumiblade_creative_lab.wpd

TEC21, So., 2012.01.01



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2012|1-2 Es werde LED!

04. März 2011Ralf Michel
TEC21

Untrennbar verbunden

Der kombinierte Einsatz von verschiedenen Leuchtmitteln und farbigen Oberflächen verspricht interessante Phänomene bezüglich Farbtonverschiebungen und Wahrnehmung. Er ist aber komplex und schwer planbar. An der Zürcher Hochschule der Künste betreibt ein Team Grundlagenforschung und entwickelt Instrumente für die gestalterische Ausbildung und Praxis.

Der kombinierte Einsatz von verschiedenen Leuchtmitteln und farbigen Oberflächen verspricht interessante Phänomene bezüglich Farbtonverschiebungen und Wahrnehmung. Er ist aber komplex und schwer planbar. An der Zürcher Hochschule der Künste betreibt ein Team Grundlagenforschung und entwickelt Instrumente für die gestalterische Ausbildung und Praxis.

Die Entwicklung von Entwurfsinstrumenten oder -methoden hat bisher kaum der Tatsache Rechnung getragen, wie stark Farbe und Licht sich gegenseitig beeinflussen. Der Grund dürften die komplexen Zusammenhänge sein, mit denen sich konfrontiert sieht, wer in die Materie der gegenseitig voneinander abhängigen Verbindung einsteigt. In «Bemerkungen über die Farben» schrieb der Philosoph und Architekt Ludwig Wittgenstein Mitte des 20. Jahrhunderts: «Man sagt zwar ‹In der Nacht sind alle Katzen grau›, aber das heisst eigentlich: Wir können ihre Farben nicht unterscheiden, und sie könnten auch grau sein.»[1] Wittgenstein hinterfragte jene Gewissheiten, die als festgeschrieben galten. Seine berufliche Tätigkeit mag ihm jene Einsicht in Bezug auf die Farben eröffnet haben. Und so schien er aus Erfahrung zu wissen, dass die Farbtheorien und vor allem zugehörige Farbsysteme den gestalterischen Alltag zwar erleichtern, sich aber nicht ausreichend mit der Beziehung zwischen Farbe und Licht befassen.

Wechselwirkungen von Körper- und Lichtfarben

Seit der Erfindung der Glühlampe vor etwa 130 Jahren bedeutet die LED-Entwicklung den grössten Umbruch in der Beleuchtungstechnologie. Derzeit werden leistungsstarke LED als Lichtquellen für allgemeine und architektonische Beleuchtung immer mehr eingesetzt und ersetzen damit hergebrachte Lichtquellen. Eine Vergleichsstudie der Universität Pittsburgh aus dem Jahr 2009 belegt das hohe Entwicklungspotenzial der LED, die im Bereich öffentlicher Beleuchtungen die Natriumdampf-Hochdrucklampen und Halogen-Metalldampflampen in absehbarer Zeit vollständig verdrängen wird.[2] Dabei basiert der Trend zum steigenden Einsatz von LED nicht nur auf wirtschaftlichen Interessen der Hersteller, sondern geht durchaus auf eindeutige Vorteile der Technologie zurück: LED sind klein, robust und haben eine lange Lebensdauer. Bei «weissem» Licht sind sie etwa so effizient wie Halogenlampen, also effizienter als Glühlampen, und mit den neusten Entwicklungen der LED-Tubes ähnlich effizient wie Leuchtstoffröhren. LED können ohne zusätzliche Filter kräftige, satte Farben abstrahlen, zudem sind sie ohne Farbveränderungen dimmbar.

Wenn also erstens Farben nur in Abhängigkeit vom Licht betrachtet werden können und zweitens den LED ein derartiges Potenzial zugeschrieben wird, dann muss der Einsatz von Farben unter Einwirkung von LED-Beleuchtungen besonders betrachtet werden. Das ist vor allem wichtig, weil mit dieser Lichtquelle Dynamiken erzeugt werden können, die mit anderen Leuchtmitteln nicht oder nur mit grossem Aufwand möglich sind. Der kalkulierte Einsatz verschiedener Spektren etwa führt automatisch zu der Frage, welcher Art die Wechselwirkungen mit den Körperfarben im Raum sein werden. Daher ist vor allem interessant, wie die Lichtwirkung beim kombinierten Einsatz von LED-Licht und farbigen Oberflächen im architektonischen, szenografischen und innenarchitektonischen Kontext berechenbarer werden kann. Dazu gilt es zu prüfen, in welcher Art sich farbige Oberflächen unter verschiedenen Lichtquellen verändern – ein einfacher, aber wirkungsvoller phänomenologischer Ansatz, der sich insbesondere zu Studien im Bereich der Wahrnehmungspsychologie abgrenzt. Im Kern dieser Untersuchungen geht es um die Phänomene der Farbtonverschiebungen und um unterschiedliche Sättigungs- und Helligkeitsgrade. Dies sind alles bisher nicht in gegenseitiger Abhängigkeit systematisch beschriebene Parameter, die aber für Entwurfsentscheidungen relevant sind. In der gestalterischen Praxis nähert man sich diesen Phänomenen über die Simulationen in virtuellen Modellen oder auf der Basis von Erfahrungswerten. Beide Vorgehensweisen offenbaren ihre Nachteile schnell: Der Simulation im virtuellen Raum mangelt es an der unmittelbar sinnlichen Übertragbarkeit ins Reale. Entwurfsentscheidungen auf der Basis von Erfahrung bergen grosse Fehlerquellen, insbesondere beim Einsatz neuer Technologien, wie der LED-Beleuchtung, weil es erstens kaum individuelle Erfahrungen gibt und zweitens die technischen Entwicklungen in diesem Feld derart rasant sind, dass sie ständig neue Möglichkeiten generieren.

Forschung im led-colour-lab

«Es ist nicht sinnvoll, über eine Farbe zu sprechen, die von farbigem Licht ausgeht, ohne über das Material zu sprechen, das es beleuchtet, und den visuellen Kontext, in dem es gesehen wird», sagt der amerikanische Künstler James Turrell.[3] Seine Installationen verknüpfen Licht und Farbe zu einer unzertrennlichen Einheit. Verändert sich die Lichtsituation oder das Farbmaterial auch nur minimal, entstehen andere Farbempfindungen. Um die Art solcher Farbtonverschiebungen zu erfassen, müssen sie sowohl visuell beurteilt als auch messtechnisch erfasst werden können. Das haben die Zürcher Forscher in ihrem Projekt LED-ColourLab exemplarisch anhand einer eingeschränkten Farbpalette geleistet (Abb. 4). Für die Untersuchung von farbigen Oberflächen unter verschiedenen Lichtquellen ist die Verwendung einer Farbbemusterungskabine sehr nützlich. Eine solche Anlage kann mit verschiedenen, genormten Lichtarten ausgestattet werden, z. B. Tageslicht, Glühlampenlicht oder Kunstlicht. Die eingesetzten Lichtquellen werden anhand ihrer Beleuchtungsstärke (E), ihrer Farbtemperatur (°K) und ihrer Lichtfarbe (x/y) genau charakterisiert (vgl. Abb. 5). Für die LED wird zusätzlich noch die Einstellung der einzelnen LED-Leuchten angegeben. Der «Schwerpunkt» des jeweiligen Lichtspektrums ergibt die Farbtemperatur °K, die mit einem Chromameter gemessen werden kann. Das Tageslicht in der Umgebung der Kabine, in der die Farbtafeln mit den NCS-Referenzwerten abgeglichen wurden, war dabei mit einer Beleuchtungsstärke von 200 – 300 lx, einer Farbtemperatur von ca. 5000 °K und einer Lichtfarbe x = 0.34 / y = 0.34 charakterisiert. Damit ähnelt es der kalten Leuchtstoffröhre, die laut Hersteller einen hohen Farbwiedergabeindex[4] im Vergleich zum Tageslicht (ca. 95) hat.

Lichtfarbsimulation für den Entwurf

Ursprünglich sollten in dieser Forschung feine Unterschiede in der Pigmentierung von Farben untersucht werden, beispielsweise die Wirkung von natürlichen im Vergleich zu synthetischen Pigmenten oder von anorganischen verglichen mit organischen Pigmenten. Die ersten Messungen zeigten jedoch, dass feine Farbunterschiede von den starken Lichtbanden der LED oder der Leuchtstoffröhren völlig überlagert werden und nicht mehr sichtbar waren. Die Forscher führten fortan die für den gestalterischen Alltag relevanteren Vergleiche zwischen Mischfarben und Pigmenten mit charakteristischem Lichtabsorptionsverhalten durch. So konnten sie die Farbtonverschiebungen sichtbar machen und mithilfe der Remissionskurven[5] belegen.

Im ersten Forschungsprojekt ging es darum, Farben zu beschreiben, die durch die Kombination einer Körperfarbe und einer farbigen LED-Beleuchtung entstehen. Dabei ergibt sich eine Intensität der Sättigung, die mit keinem der bekannten Malfarben-Systeme (wie z. B. RAL oder NCS) erfasst werden kann. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass man im Rahmen einer verwendeten Farbsystematik die Veränderungen der Farben rein rechnerisch vorhersagen könnte. Verlockend ist ein rechnerisches Modell, das vor allem zur Simulation am Bildschirm verwendet und damit in Entwurfs- und Simulationswerkzeuge integriert werden könnte. Im laufenden Forschungsprojekt «Farbe & Licht» sind dazu erste Anwendungen in einem spielerischen Kontext entwickelt worden, die derzeit getestet werden. Die tatsächliche Wirkung der Farben vor allem in komplexen Mischlichtsituationen in Architektur, Szenografie und Design kann allerdings durch ein bildschirmbasiertes Verfahren nicht wirklichkeitsnah abgebildet werden. Hierzu muss vielmehr eine Methode gefunden werden, mit der die Vorteile von virtueller Umgebung und Realität in einer Augmented-Reality-Anwendung vereint werden können. Damit sind die ersten Schritte zur Entwicklung einer Farb-Licht-Lehre für die gestalterische Praxis und für die Ausbildung getan. Als nächstes sollen diese Ergebnisse publiziert[6] und in Lehrmaterialien und Methoden für die Ausbildung umgesetzt werden.

Ralf Michel, dipl. Designer, Senior Researcher am Institut für Design und Kunstforschung an der HGK Basel

TEC21, Fr., 2011.03.04



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2011|10 Licht und Farbe

Presseschau 12

01. Januar 2012Ralf Michel
TEC21

Leuchtende Zukunft

Die Vor- und Nachteile der LED- und der weitgehend neuen OLED-Technologie sind vielfältig. Dass es aber nicht nur um Beleuchtungsaspekte «einer schönen neuen Welt» geht, sondern auch um soziale, gesundheitliche und ethische Fragen ebenso wie gestalterische Herausforderungen, zeigen die aktuellen Entwicklungen und die damit verbundenen Forschungen.

Die Vor- und Nachteile der LED- und der weitgehend neuen OLED-Technologie sind vielfältig. Dass es aber nicht nur um Beleuchtungsaspekte «einer schönen neuen Welt» geht, sondern auch um soziale, gesundheitliche und ethische Fragen ebenso wie gestalterische Herausforderungen, zeigen die aktuellen Entwicklungen und die damit verbundenen Forschungen.

Die alte Glühbirne habe ausgedient, Halogen- und Fluoreszenzleuchten würden künftig abgeschaltet; die Zukunft gehöre den LED und in zehn Jahren den organischen LED (OLED). Diese gebetsmühlenartig wiederholten Ankündigungen sind Ausdruck einer komplexen Situation, deren Taktgeber die technologischen Entwicklungen sowie das Bemühen um die Implementierung nachhaltiger Systeme und Konzepte sind. Und so sehen sich die Hersteller mit der Herausforderung konfrontiert, neue Produkte und Steuerungssysteme zu entwickeln. Die Übersetzung in den Gebrauch müssen Designer, ArchitektInnen und Lichtplaner leisten. Designern mangelt es jedoch an Erfahrungswerten, und den Bauherren fehlt zuweilen die Sicherheit, ob und wie sich ihre teuren Investitionen auf längere Sicht lohnen.

Die Vorteile der LED

Wirft man einen Blick auf die markanten Charaktereigenschaften der LED, so lassen sich die Herausforderungen für Designer, Innenarchitekten und Lichtplaner davon ableiten:
– LED ermöglichen im Weiss- und im RGB-Bereich fast jede spektrale Zusammensetzung des Lichts – im Idealfall mit einer Leuchte. Innenarchitekten müssen lernen, diese Möglichkeiten kalkuliert einzusetzen. Zu den Wechselwirkungen zwischen dynamischem Licht und farbigen Oberflächen existieren Erfahrungswerte, aber keine systematische Methode, wie sie von den Farb- Licht- Forschern um Ulrich Bachmann (LED-ColourLab) [2] gefordert wurde.
– LED verursachen fast keine Hitze im Lichtkegel, müssen aber nach hinten gekühlt werden. Die Designer sind daher gefordert, sich umzustellen und die Fragen nach dem Körper-haften des Lichts neu zu beantworten. Insbesondere mit den sich abzeichnenden Entwicklungen der flächigen OLED erleben die Industriedesigner einen Paradigmenwechsel bezüglich der Gestaltung. Die Integration des Lichts in Möbel und Architektur ist künftig einer der Hauptfaktoren, welche die Gestaltung bestimmen.
– Die Steuerung erfolgt elektronisch für jede LED. Der Komplexität dieser Möglichkeit wohnen viele Herausforderungen an die Gestaltung inne.
– Die ökonomischen und die gestalterischen Vorteile liegen auf der Hand: grosse Farbsättigung und Farbdynamik bei kleiner Lichtquelle; hohe Lebensdauer (bis zu 50 000 h), hohe Energieeffizienz, UV-freies Licht, kaum Wärmeabstrahlung im Lichtkegel, dabei dimmbar und ohne Anlaufverhalten.

Interessengruppen und Gebäudebeleuchtung

Die Hamburger Lichtdesignerin Ulrike Brandi meint, Beleuchtung habe nicht den kommerziellen Charakter eines Gebäudes zu verstärken, sondern sei in erster Linie eine soziale Aufgabe. Diese sieht sie darin, dass die Menschen sich in den Räumen wohlfühlen sollen. Damit wäre der Massstab für das Design ausgesprochen. Klaus Krippendorff, Designer, Kommunikationswissenschaftler, Kybernetiker und Professor an der «Annenberg School for Communication in Philadelphia», bringt den Anspruch auf den Punkt, indem er nicht die Gestaltung der Form, sondern die Integration der Bedürfnisse von Interessengruppen als Merkmal beschreibt – das sind jene Menschen, die Architektur als Wohn-, Arbeits- oder Verkaufsraum nutzen. Weitere Gruppen sind die Bauherren, die Hersteller von Leuchten, die Designerinnen und die Innenarchitekten. Eine Auswahl der Forschungsthemen mag die immer noch existierenden Unsicherheiten skizzieren, die es im Bereich LED gibt:
– Welche Auswirkungen haben die relativ hohen Anteile des blauen Lichts auf Kinderaugen?
– Wie wirkt sich der Blaulichtanteil auf Ausstellungsexponate aus?
– Wie wirken sich dynamische spektrale Zusammensetzungen auf die Aufmerksamkeit aus?
– Wie wirken sich dynamische Raumlichtbedingungen auf die Befindlichkeit von Arbeitern und Arbeiterinnen aus, und wird die nächtliche Schlafqualität beeinflusst?
– Wie kann das Zusammenspiel von Tageslichtnutzung und intelligenter Steuerung den Energieverbrauch reduzieren?

Das technisch Mögliche und die Absatzmärkte

An dieser Stelle ist es sinnvoll, die Eckdaten von Leuchtenherstellern zu betrachten, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich der Markt jenseits modischer Trends entwickelt. Im jüngsten Nachhaltigkeitsbericht der Zumtobel-Gruppe wird darauf hingewiesen, dass die Entwicklung hin zum Einsatz von LED-Technologie und von intelligent gesteuerten Beleuchtungsanlagen gehen wird. Das Unternehmen geht davon aus, dass dies für die Beleuchtungsindustrie die wichtigen Wachstumsimpulse der kommenden Jahre bringt. So soll bis 2014/15 ein Drittel des Umsatzes aus LED-Produkten erzielt werden, während er im ablaufenden Geschäftsjahr erst bei 8.2 % lag. Deshalb werden die Gelder für Forschung und Entwicklung zum grossen Teil für LED und OLED eingesetzt. Bei anderen Herstellern sehen die Prognosen vergleichbar aus. Die neue Aussenbeleuchtung des Louvres in Paris, welche die Eingangspyramiden und die Fassade des Pavillon Colbert mit 3200 LED erhellt, ist kein Zufall: Der Elektronikkonzern Toshiba will, nachdem er bereits 2010 mit ersten LEDProdukten Fuss gefasst hat, endgültig mit der Technologie nach Europa expandieren.

Zukunftspotenzial Oled

Die OLED – Organic Light Emitting Diode – ist eine sehr dünnfilmige organische Leuchtdiode oder anders ausgedrückt, eine selbstemittierende Fläche. Das Licht wird mittels organischer Schichten erzeugt, die durch einen elektrischen Strom zum Leuchten angeregt werden. Dieser Effekt wird Elektrophosphoreszenz genannt. Die organischen Schichten bestehen aus kurzkettigen – bei den OLED – oder langkettigen Polymeren bei den PLED. Die OLED erzeugt bei geringem Stromverbrauch eine hohe Leuchtdichte. Wegen ihrer organischen Eigenschaft lässt sich die OLED künftig günstiger produzieren als LED. Die OLED-Technologie wurde für Bildschirme, Fernseher, Monitore, Displays etc. genutzt. In einem Interview für das Deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung sagt Dietrich Bertram von OLED Development bei Philips, dass sich Wohnen in der Zukunft insofern verändern werde, als dass Leuchten durch OLED ersetzt werden, die an Decke und Wänden aufgeklebt werden und dem Raum Tiefe verleihen. In 10 bis 15 Jahren werde es im Hochpreissegment Fernseher geben, die man in der Tapete integrieren kann und leuchtende Rollos oder Vorhänge. Von der Technologie werden weitreichende Auswirkungen auf die Gestaltung von Räumen erwartet. OLED ist flächig, blendfrei und diffus und lässt sich nicht auf einen leuchtenden Punkt wie bei der LED zurückführen. Bis dies zum Standard gehört, werden noch etliche Jahre vergehen, und ob OLED-Tapeten und -Fenster die Stubenleuchte aus dem Innenraum verdrängen oder nur neue Möglichkeiten eröffnen, wird sich zeigen. Auch wird ein Forschungsziel die Preissenkung der Produkte sein, um sie für die Allgemeinheit erschwinglich zu machen.

Vom Punkt zur Fläche

Heiko Bartels, Professor für Produktdesign an der Bauhaus-Universität in Weimar, führte im Frühling dieses Jahres einen Workshop[3] mit Studierenden im Lumiblade Creative Lab von Philips in Aachen4 durch. Firmen sind offenbar auf die Ideen von Innenarchitektinnen und Designern angewiesen, weshalb sie Kreative zu Workshops empfangen. Immerhin treibt die niederländische Firma die technische Entwicklung voran und hat bekannt gegeben, dass sie 40 Mio. Euro in die OLED-Entwicklung investieren wird. Heiko Bartels ahnt, warum die Firmen nach gestalterischen Lösungen suchen: «Die flächig leuchtenden und dünn verarbeiteten organischen LED stellen die bisherige Nutzung des künstlichen Lichts fundamental infrage. » Der Designprofessor kritisiert auch die bis heute weitgehend undifferenzierte Nutzung von Licht. Wenn auch nicht viele Lichtgestalter seiner Position zustimmen mögen, so ist sein nächster Hinweis sicher richtig: «Die selbstleuchtenden Oberflächen werden die Wahrnehmung von Räumen fundamental verändern, und die Leuchten als Objekte werden zunehmend in Möbel und in die Architektur integriert werden.»


Anmerkungen:
[01] www.chronobiology.ch: Das Institut erforscht u.a. Schlafzyklen, Cognitive Performance, Formatierung von Erinnerung, Thermoregulation
[02] Zu den Arbeiten von Ulrich Bachmann und zu der LED-Lichttechnik und ihren Steuerungsmöglichkeiten vgl. TEC21, 10/2011
[03] «Vom Punkt zur Fläche», Bauhaus Weimar: www.uni-weimar.de/summaery/2011/projekte/by_id/93
[04] www.newscenter.philips.com/de_de/standard/news/lighting/20110210_oled_workshops_im_philips_ lumiblade_creative_lab.wpd

TEC21, So., 2012.01.01



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TEC21 2012|1-2 Es werde LED!

04. März 2011Ralf Michel
TEC21

Untrennbar verbunden

Der kombinierte Einsatz von verschiedenen Leuchtmitteln und farbigen Oberflächen verspricht interessante Phänomene bezüglich Farbtonverschiebungen und Wahrnehmung. Er ist aber komplex und schwer planbar. An der Zürcher Hochschule der Künste betreibt ein Team Grundlagenforschung und entwickelt Instrumente für die gestalterische Ausbildung und Praxis.

Der kombinierte Einsatz von verschiedenen Leuchtmitteln und farbigen Oberflächen verspricht interessante Phänomene bezüglich Farbtonverschiebungen und Wahrnehmung. Er ist aber komplex und schwer planbar. An der Zürcher Hochschule der Künste betreibt ein Team Grundlagenforschung und entwickelt Instrumente für die gestalterische Ausbildung und Praxis.

Die Entwicklung von Entwurfsinstrumenten oder -methoden hat bisher kaum der Tatsache Rechnung getragen, wie stark Farbe und Licht sich gegenseitig beeinflussen. Der Grund dürften die komplexen Zusammenhänge sein, mit denen sich konfrontiert sieht, wer in die Materie der gegenseitig voneinander abhängigen Verbindung einsteigt. In «Bemerkungen über die Farben» schrieb der Philosoph und Architekt Ludwig Wittgenstein Mitte des 20. Jahrhunderts: «Man sagt zwar ‹In der Nacht sind alle Katzen grau›, aber das heisst eigentlich: Wir können ihre Farben nicht unterscheiden, und sie könnten auch grau sein.»[1] Wittgenstein hinterfragte jene Gewissheiten, die als festgeschrieben galten. Seine berufliche Tätigkeit mag ihm jene Einsicht in Bezug auf die Farben eröffnet haben. Und so schien er aus Erfahrung zu wissen, dass die Farbtheorien und vor allem zugehörige Farbsysteme den gestalterischen Alltag zwar erleichtern, sich aber nicht ausreichend mit der Beziehung zwischen Farbe und Licht befassen.

Wechselwirkungen von Körper- und Lichtfarben

Seit der Erfindung der Glühlampe vor etwa 130 Jahren bedeutet die LED-Entwicklung den grössten Umbruch in der Beleuchtungstechnologie. Derzeit werden leistungsstarke LED als Lichtquellen für allgemeine und architektonische Beleuchtung immer mehr eingesetzt und ersetzen damit hergebrachte Lichtquellen. Eine Vergleichsstudie der Universität Pittsburgh aus dem Jahr 2009 belegt das hohe Entwicklungspotenzial der LED, die im Bereich öffentlicher Beleuchtungen die Natriumdampf-Hochdrucklampen und Halogen-Metalldampflampen in absehbarer Zeit vollständig verdrängen wird.[2] Dabei basiert der Trend zum steigenden Einsatz von LED nicht nur auf wirtschaftlichen Interessen der Hersteller, sondern geht durchaus auf eindeutige Vorteile der Technologie zurück: LED sind klein, robust und haben eine lange Lebensdauer. Bei «weissem» Licht sind sie etwa so effizient wie Halogenlampen, also effizienter als Glühlampen, und mit den neusten Entwicklungen der LED-Tubes ähnlich effizient wie Leuchtstoffröhren. LED können ohne zusätzliche Filter kräftige, satte Farben abstrahlen, zudem sind sie ohne Farbveränderungen dimmbar.

Wenn also erstens Farben nur in Abhängigkeit vom Licht betrachtet werden können und zweitens den LED ein derartiges Potenzial zugeschrieben wird, dann muss der Einsatz von Farben unter Einwirkung von LED-Beleuchtungen besonders betrachtet werden. Das ist vor allem wichtig, weil mit dieser Lichtquelle Dynamiken erzeugt werden können, die mit anderen Leuchtmitteln nicht oder nur mit grossem Aufwand möglich sind. Der kalkulierte Einsatz verschiedener Spektren etwa führt automatisch zu der Frage, welcher Art die Wechselwirkungen mit den Körperfarben im Raum sein werden. Daher ist vor allem interessant, wie die Lichtwirkung beim kombinierten Einsatz von LED-Licht und farbigen Oberflächen im architektonischen, szenografischen und innenarchitektonischen Kontext berechenbarer werden kann. Dazu gilt es zu prüfen, in welcher Art sich farbige Oberflächen unter verschiedenen Lichtquellen verändern – ein einfacher, aber wirkungsvoller phänomenologischer Ansatz, der sich insbesondere zu Studien im Bereich der Wahrnehmungspsychologie abgrenzt. Im Kern dieser Untersuchungen geht es um die Phänomene der Farbtonverschiebungen und um unterschiedliche Sättigungs- und Helligkeitsgrade. Dies sind alles bisher nicht in gegenseitiger Abhängigkeit systematisch beschriebene Parameter, die aber für Entwurfsentscheidungen relevant sind. In der gestalterischen Praxis nähert man sich diesen Phänomenen über die Simulationen in virtuellen Modellen oder auf der Basis von Erfahrungswerten. Beide Vorgehensweisen offenbaren ihre Nachteile schnell: Der Simulation im virtuellen Raum mangelt es an der unmittelbar sinnlichen Übertragbarkeit ins Reale. Entwurfsentscheidungen auf der Basis von Erfahrung bergen grosse Fehlerquellen, insbesondere beim Einsatz neuer Technologien, wie der LED-Beleuchtung, weil es erstens kaum individuelle Erfahrungen gibt und zweitens die technischen Entwicklungen in diesem Feld derart rasant sind, dass sie ständig neue Möglichkeiten generieren.

Forschung im led-colour-lab

«Es ist nicht sinnvoll, über eine Farbe zu sprechen, die von farbigem Licht ausgeht, ohne über das Material zu sprechen, das es beleuchtet, und den visuellen Kontext, in dem es gesehen wird», sagt der amerikanische Künstler James Turrell.[3] Seine Installationen verknüpfen Licht und Farbe zu einer unzertrennlichen Einheit. Verändert sich die Lichtsituation oder das Farbmaterial auch nur minimal, entstehen andere Farbempfindungen. Um die Art solcher Farbtonverschiebungen zu erfassen, müssen sie sowohl visuell beurteilt als auch messtechnisch erfasst werden können. Das haben die Zürcher Forscher in ihrem Projekt LED-ColourLab exemplarisch anhand einer eingeschränkten Farbpalette geleistet (Abb. 4). Für die Untersuchung von farbigen Oberflächen unter verschiedenen Lichtquellen ist die Verwendung einer Farbbemusterungskabine sehr nützlich. Eine solche Anlage kann mit verschiedenen, genormten Lichtarten ausgestattet werden, z. B. Tageslicht, Glühlampenlicht oder Kunstlicht. Die eingesetzten Lichtquellen werden anhand ihrer Beleuchtungsstärke (E), ihrer Farbtemperatur (°K) und ihrer Lichtfarbe (x/y) genau charakterisiert (vgl. Abb. 5). Für die LED wird zusätzlich noch die Einstellung der einzelnen LED-Leuchten angegeben. Der «Schwerpunkt» des jeweiligen Lichtspektrums ergibt die Farbtemperatur °K, die mit einem Chromameter gemessen werden kann. Das Tageslicht in der Umgebung der Kabine, in der die Farbtafeln mit den NCS-Referenzwerten abgeglichen wurden, war dabei mit einer Beleuchtungsstärke von 200 – 300 lx, einer Farbtemperatur von ca. 5000 °K und einer Lichtfarbe x = 0.34 / y = 0.34 charakterisiert. Damit ähnelt es der kalten Leuchtstoffröhre, die laut Hersteller einen hohen Farbwiedergabeindex[4] im Vergleich zum Tageslicht (ca. 95) hat.

Lichtfarbsimulation für den Entwurf

Ursprünglich sollten in dieser Forschung feine Unterschiede in der Pigmentierung von Farben untersucht werden, beispielsweise die Wirkung von natürlichen im Vergleich zu synthetischen Pigmenten oder von anorganischen verglichen mit organischen Pigmenten. Die ersten Messungen zeigten jedoch, dass feine Farbunterschiede von den starken Lichtbanden der LED oder der Leuchtstoffröhren völlig überlagert werden und nicht mehr sichtbar waren. Die Forscher führten fortan die für den gestalterischen Alltag relevanteren Vergleiche zwischen Mischfarben und Pigmenten mit charakteristischem Lichtabsorptionsverhalten durch. So konnten sie die Farbtonverschiebungen sichtbar machen und mithilfe der Remissionskurven[5] belegen.

Im ersten Forschungsprojekt ging es darum, Farben zu beschreiben, die durch die Kombination einer Körperfarbe und einer farbigen LED-Beleuchtung entstehen. Dabei ergibt sich eine Intensität der Sättigung, die mit keinem der bekannten Malfarben-Systeme (wie z. B. RAL oder NCS) erfasst werden kann. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass man im Rahmen einer verwendeten Farbsystematik die Veränderungen der Farben rein rechnerisch vorhersagen könnte. Verlockend ist ein rechnerisches Modell, das vor allem zur Simulation am Bildschirm verwendet und damit in Entwurfs- und Simulationswerkzeuge integriert werden könnte. Im laufenden Forschungsprojekt «Farbe & Licht» sind dazu erste Anwendungen in einem spielerischen Kontext entwickelt worden, die derzeit getestet werden. Die tatsächliche Wirkung der Farben vor allem in komplexen Mischlichtsituationen in Architektur, Szenografie und Design kann allerdings durch ein bildschirmbasiertes Verfahren nicht wirklichkeitsnah abgebildet werden. Hierzu muss vielmehr eine Methode gefunden werden, mit der die Vorteile von virtueller Umgebung und Realität in einer Augmented-Reality-Anwendung vereint werden können. Damit sind die ersten Schritte zur Entwicklung einer Farb-Licht-Lehre für die gestalterische Praxis und für die Ausbildung getan. Als nächstes sollen diese Ergebnisse publiziert[6] und in Lehrmaterialien und Methoden für die Ausbildung umgesetzt werden.

Ralf Michel, dipl. Designer, Senior Researcher am Institut für Design und Kunstforschung an der HGK Basel

TEC21, Fr., 2011.03.04



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