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05. Dezember 2016Christine Fritzenwallner
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Räume zum Atmen

Eine alte Skifabrik und Lagerhalle mit wenigen finanziellen Mitteln so umzubauen, dass eine barrierefreie Wohneinrichtung entsteht, in der zehn intensivpflegebedürftige Kinder sowie alles medizinisch Notwendige für sie und noch dazu zwei Familienapartments Platz finden – das kann für manchen schon Herausforderung genug sein. Dass dabei aber nicht einmal eine Krankenhaus- oder Pflegeheimatmosphäre entsteht, ist dem Gespür und außergewöhnlichen Engagement der Planer und Initiatoren zu verdanken.

Eine alte Skifabrik und Lagerhalle mit wenigen finanziellen Mitteln so umzubauen, dass eine barrierefreie Wohneinrichtung entsteht, in der zehn intensivpflegebedürftige Kinder sowie alles medizinisch Notwendige für sie und noch dazu zwei Familienapartments Platz finden – das kann für manchen schon Herausforderung genug sein. Dass dabei aber nicht einmal eine Krankenhaus- oder Pflegeheimatmosphäre entsteht, ist dem Gespür und außergewöhnlichen Engagement der Planer und Initiatoren zu verdanken.

Mancher Leser mag auf den ersten Blick, was die Auswahl dieses Projekts betrifft, vielleicht irritiert sein, entspricht das äußere Erscheinungsbild doch eher weniger den sonst üblichen Sehgewohnheiten und nüchterneren Ansichten im Redaktionslieblinge-Heft. Aber dieses Gebäude mit den Maßstäben klassischer Architekturkritik zu beurteilen, wäre ohnehin nicht angebracht. In einem Haus für Kinder, die dauerhaft auf den Rollstuhl, künstliche Beatmung und damit permanent auf die Hilfe anderer angewiesen sind, bestimmen andere Themen den Lebensalltag: Wo überall werden barrierefreie Bereiche benötigt? Wie müssen sämtliche Räume beschaffen und ausgestattet sein, um den hier beschäftigten 34 Vollzeitkräften (für zehn Kinder und Jugendliche von 0-18 Jahren) die Arbeit zu erleichtern? Können die Eltern ihren Kindern kurzzeitig oder bei Bedarf auch längerfristig räumlich nahe sein? Aber v. a. auch: Kann man überhaupt den medizintechnischen Anforderungen gerecht werden, ohne Assoziationen zu einem Krankenhaus oder Pflegeheim hervorzurufen?

Vom Dornröschenschlaf zum »Luftikus«

Man kann. Dass bei all diesen Fragen das Atmosphärische und die Ästhetik nicht zu kurz kamen, ist hauptsächlich Birgit Stiletto zu verdanken. Die ausgebildete Krankenpflegerin und studierte Innenarchitektin war es, die das ­Projekt Luftikus ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem Kinderneurologen und »Impulsgeber«, so Birgit Stiletto, gründete sie zunächst einen Verein und machte eine Bedarfsanalyse in ganz Deutschland: ­Damit ließ sich die in den vergangenen Jahren aufgrund des medizinischen Fortschritts zunehmende Anzahl von Kindern abschätzen, die nach Unfällen oder z. B. durch eine problematische (Früh-)Geburt zwar am Leben erhalten, aber nicht selbst atmen und essen können und intensivpflegebedürftig sind. Der damals einzigen Einrichtung in Baden-Württemberg für beatmete Kinder wollten sie schließlich eine weitere hinzufügen, und so suchten sie im Schwarzwald nach einem geeigneten Grundstück und Bauwerk zur Umnutzung: Geeignet v. a. insofern, als dass es viel ebenerdige Freifläche bietet, um auch eine rollstuhlgerechte Gartenanlage zu schaffen und im ­Innern wenige bauliche Hürden bezüglich Barrierefreiheit entstehen.

Eine ehemalige Skifabrik, die zuletzt nur noch als Lagerhalle für Landmaschinen diente und schließlich leer stand, erschien hierfür passend. Nach der Gründung des Vereins Luftikus gelang es der Bauherrin, Klaus ­Günter von Partner und Partner Architekten, die in der Umgebung bereits ­einige beachtenswerte Bauten mit Holz realisiert hatten, hinzuzuziehen. Beide waren sich von Anfang an einig: Von dem idyllisch oberhalb des Ortskerns gelegenen, scheinbar in einen »Dornröschenschlaf« verfallenen Gebäude, so Günter, ­sollte möglichst viel erhalten bleiben und mit vorwiegend natürlichen Baustoffen ergänzt werden. Nur der Bauzustand der früher in Teilen errichteten Fachwerkfabrik machte einen Strich durch die Rechnung: zu marode die alte Konstruktion im zur Straße hin befindlichen Gebäudeteil, zu unwirtschaftlich und teuer seine Erhaltung und noch dazu ein unterirdischer, wenn auch versiegelter Bachlauf ... Der vordere Teil zur Straße hin wurde schließlich neu ­errichtet. Im hinteren, südlichen Teil zeigt sich indes noch die alte Bausubstanz mit dicken Stützen vor den neu davor errichteten Wänden. An seiner Frontseite wurde ein Teil der Fassade neu verschindelt; zusammen mit der dunklen, durch die Sonne gealterten Holzschalung darüber und der sicht­baren alten Fachwerkwand daneben verleihen sie der vorgelagerten Terrasse Charme und ­Atmosphäre.

Die anderen Fassadenseiten ebenfalls zu verschindeln, wie im früheren Zustand, hätte jedoch die Kosten erheblich in die Höhe getrieben – was sich ­hinsichtlich der vielen beteiligten Spendengeber nicht verantworten ließ. ­Bezüglich der nun gewählten, vertikalen Fichten- und Tannenholzschalung orientierten sich die Planer an alten Wirtschaftsgebäuden in der Umgebung mit ­ihren Boden-Deckel-Schalungen unterschiedlicher Breiten. Sie hellbeige zu lackieren, ist zwar ebenso ortstypisch, lässt diese Fassaden aber gegenüber der Südfront unnatürlicher erscheinen. Trotzdem: Hell und freundlich sollte sie auf Besucher und Bewohner wirken, und das tut sie.

Gelungene Kombinationen

Ursprünglicher wird es dafür wieder im Innern: Hier zieht sich im EG der alte aus dem DG ausgebaute Dielenboden als Deckenuntersicht und in Funktion einer Akustikdecke durch die breiten Gänge. Auch wurden alte Türen ausgebaut, restauriert und an anderen Stellen wieder eingebaut, ein alter Schlitten, Skier und die alten Letter der Skifabrik-Morlok als Decken-/Wanddekoration eingesetzt und auf Flohmärkten gesammelte, bemalte Bauernschränke sparsam den Räumen hinzugefügt.

Und etwas »Luxus«, so Stiletto, konnte man dennoch verbauen: Etwa die teils gespendeten Douglasie-Massivholzdielen oder (nun dreifachverglaste) Holzsprossenfenster. Auch weitere, hochwertige Materialien wie z. B. die Einblasdämmung aus Holzfasern, Armaturen, Beschläge oder Leuchten wurden, wenn nicht gespendet, dann von Firmen rabattiert zur Verfügung gestellt. So auch die Farben, die Stiletto mit gutem Gespür zu einem ausgewogenen Farbkonzept kombinierte: pastellene Farbflächen in Lindgrün oder in kräftigerem Grün, etwa im Klangraum im UG, wechseln mit hellblauen Oberflächen und Tapeten oder auch mit einem mittleren Blau (Familienapartment im OG) und ergänzen die erdig-warmen Grundfarbtöne der restlichen Wände und Decken.

Allein das Aufzuginnere sticht in grellem Weiß hervor – noch, denn das will die Innenarchitektin von einem Künstler überarbeiten lassen. Sie war es auch, die darum kämpfte, dass nicht nach Krankenhausverordnung ausgeführt werden musste. Daher wirken die Kinderzimmer, trotz aller notwendigen Medizintechnik (die auf den Architekturfotografien nicht zu erkennen ist), und das gesamte Haus wohnlich und behaglich. Sämtlichen Apparaturen für die Beatmungstechnik, Notleuchten usw. konnte sie durch die Auswahl des Mobiliars »starke Kontraste« entgegensetzen. Ein Glück, dass es auch Pflegebetten aus Holz gibt, deren Rausfallschutz folglich nicht aus den von anderen Kinderkrankenstationen bekannten, gefängnisartig anmutenden Gittern besteht. Dass allein ein solches Bett jedoch mit über 5 500 Euro zu Buche schlägt, verdeutlicht, wie sehr man bei dem zu ca. 40 % spendenfinanzierten Projekt auf karitative Zuschüsse, ­Privatspenden größerer und kleinerer Institutionen und auch Eigenleistungen in Form unbezahlter Arbeitseinsätze angewiesen war – etwa einer Vereinigung von Raumausstattern, die einen Tag lang das ganze Haus einkleidete.

Hoch war aufgrund des Patientenüberwachungssystems auch der Aufwand für die zahlreichen Elektro- und Datenleitungen, die wegen der hohen Brandschutzauflagen bei sämtlichen Durchführungen und Brandschutzschotts besonders berücksichtigt werden mussten.

Herz und Seele

Während im UG u. a. Therapieräume und Nebenräume für das Personal vorhanden sind, befinden sich im OG hauptsächlich zwei rund 70 m² große Familienapartments, auch hier mit je einem Pflegebett für Kinder in Kurzzeitpflege. In diesen beiden Etagen, genauer im Keller und im Dach des alten Gebäudeteils, birgt der Luftikus noch Ausbaupotenzial. Das voll ausgebaute EG hingegen beherbergt sämtliche Patientenzimmer – zwei als Doppel- und die restlichen als Einzelzimmer konzipiert –, Bereitschaftszimmer, Bäder und schließlich das Herz des Ganzen, die gute Stube: In der ehemaligen alten Werkhalle bot es sich an, einen großen Essraum mit angeschlossener, offener Küche und vorgeschaltetem Wintergarten zu schaffen – in dessen abgehängter Sofaschaukel alle Insassen, ob klein oder groß, die Seele baumeln lassen können.

Anerkennung

Wie kann ich meinen Angehörigen trotz Krankheit und Behinderung das ­Leben noch so angenehm und erträglich wie möglich machen? Wo würde ich selbst im pflegebedürftigen Alter leben wollen? Mit solchen Fragen, die die meisten Menschen so lange es geht vor sich herschieben, sind jene Eltern konfrontiert, deren Kinder nun im Luftikus ihr Zuhause haben. Diesen Familien, deren prekäre Lebenssituation sich ohnehin nicht in wenigen Worten beschreiben lässt – die emotionale Seite für jene, die ihr Kind hier komplett in die Obhut anderer übergeben müssen, weil sie es alleine nicht betreuen können, einmal ganz außen vorgelassen –, bietet der Luftikus etwas Trost: indem die sonst gewohnte Krankenhausatmosphäre fast schon einer Urlaubsatmosphäre im »Wohlfühlhotel« weicht. Das bedeutet: Durchatmen für die Eltern. Kraft schöpfen. Sich zuhause fühlen, wenn ein Zuhause im klassischen Sinn nicht mehr möglich ist. Und als Außenstehende jenen Menschen Respekt zollen, die das Projekt mit derlei Eigeninitiative, Engagement oder Spenden überhaupt erst ermöglicht haben.

db, Mo., 2016.12.05



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db 2016|12 Redaktionslieblinge

02. Dezember 2013Christine Fritzenwallner
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Heimvorteil

Bregenz, von den meisten Besuchern wegen seiner Seebühne als Reiseziel geschätzt und von Architekturtouristen v. a. aufgrund des Kunsthauses von Peter Zumthor besucht, ist um ein Kleinod reicher: das neue »vorarlberg museum«. Seine Architekten haben bei ihrer bislang größten Bauaufgabe erneut ihr Können unter Beweis gestellt – Alt und Neu sind in adäquater Weise miteinander verwoben und werten die städtebauliche Situation massiv auf.

Bregenz, von den meisten Besuchern wegen seiner Seebühne als Reiseziel geschätzt und von Architekturtouristen v. a. aufgrund des Kunsthauses von Peter Zumthor besucht, ist um ein Kleinod reicher: das neue »vorarlberg museum«. Seine Architekten haben bei ihrer bislang größten Bauaufgabe erneut ihr Können unter Beweis gestellt – Alt und Neu sind in adäquater Weise miteinander verwoben und werten die städtebauliche Situation massiv auf.

2008 saß Andreas Cukrowicz als Teilnehmer der Bregenzer Tri-Veranstaltung am Mittagstisch im Festspielhaus und verwies bei der Frage, welche Projekte sein Büro bearbeite, u. a. auf den gerade gewonnenen Wettbewerb für das neue Vorarlberger Landesmuseum. Eine große Bauaufgabe für ein noch junges und außer in Vorarlberg noch weitgehend unbekanntes Büro! Genau dieses gewann nun also den europaweit ausgeschriebenen, zweistufigen Wettbewerb und setzte sich gegen zahlreiche namhafte Büros durch. Fünf Jahre später haben Cukrowicz Nachbaur Architekten ihre bislang größte Bauaufgabe bravourös gemeistert. Was sie hierbei bewältigten, hat gegenüber ihren bisherigen Bauten ein deutlich stärkeres Gewicht – was sich schon allein an der medialen Aufmerksamkeit ablesen lässt, die in den vergangenen Monaten in großen Wellen über den Bodensee schwappte.

Knick in der Optik

Wettbewerbsvorgabe war, dass die Fassade des denkmalgeschützten Verwaltungsbaus der ehemaligen »Bezirkshauptmannschaft« im Norden beibehalten werden sollte, sein Kern durfte für die Umnutzung zum Museum verändert und bis zur Höhe des benachbarten Theaterturms aufgestockt werden. Das 1857 gegründete und 1905 am Kornmarkt eröffnete Landesmuseum aber, im Süden an die Rückwand des Verwaltungsbaus »geklatscht« und um 1950 unsensibel verändert, sollte abgerissen werden – für eine Weiternutzung als Museum kam es nicht mehr infrage. An seiner Stelle konnte ein Neubau entstehen. Nahezu als Einzige haben Cukrowicz Nachbaur aber bei der Erweiterung nicht wieder den Umriss des vorherigen Museums nachgezeichnet und so die vermeintliche Blockrandbebauung fortgeführt, sondern den Neubau mit einem leichten Fassadenknick angeschlossen. Auf diese Weise entstand auf dem trapezförmigen Baugrundstück keine Ecke in Form eines spitzen Winkels, die den Kornmarkt stadträumlich weiterhin von der Seepromenade isoliert hätte. Im Gegenteil: Nun öffnet sich der Platz und gibt sich bereits von der Seepromenade aus Spaziergängern zu erkennen. Dass seine schlichte und doch attraktive Außenraumgestaltung, mit drei Baumgruppeninseln und einem fugenlosen beige-gelblichen Asphalt, dabei gut zum neuen Museum, aber auch zum bestehenden Bodenbelag der Seepromenade passt, ist einer Arbeitsgemeinschaft aus Baumschlager Hutter, Hörburger, Kuëss und Vogt Landschaftsarchitekten zu verdanken.

Balanceakt

Wohl wissend nicht nur um die unglückliche städtebauliche Situation des früheren Landesmuseums, sondern auch um die differenzierte Wirkung der historischen Verwaltungsbaufassade, haben die Architekten ihren Heimvorteil gekonnt ausgespielt. Ohne dass das neue Museum nun in drei Einzelkörper zerfällt – laut Projektleiter Stefan Abbrederis planten viele Wettbewerbsteilnehmer eine klare Fuge zwischen Alt und Neu –, sind Erweiterung und Aufstockung zwar zu erkennen, verbinden sich aber mit dem Altbau v. a. farblich zu einem einheitlichen Ganzen. In vertikaler Richtung endet die von unten nach oben schlichter werdende Ausgestaltung der denkmalgeschützten Fassade bei der Aufstockung in einer neutralen, sich zurücknehmenden, ja fast kargen Fläche. Sie wirkt wie eine feine Putzfassade, besteht aber aus weiß pigmentiertem und hydrophobiertem Beton. Lediglich eine horizontale Linie, Vorsprünge, eine Fensteröffnung und zwei Inschriftenfelder akzentuieren sie in stimmig austarierten Proportionen. Die Hülle des Neubaus hingegen ist, wie auch die Altbaufassade, aufwendig plastisch gestaltet, wenngleich auf völlig andere Weise: Hier überzieht eine ornamentartige Fassadengestaltung die helle Betonhaut. Diese ist an der Eingangsfront ohne Bewegungsfugen ausgeführt, lediglich Schalungsfugen geben sich bei genauerem Hinsehen zu erkennen.

Freies Assoziieren

Was aber hat es nun mit den vielen hervorstehenden Punkten an der Erweiterung auf sich? »Sobald sich ein Besucher diese Frage stellt, hat man ihn schon gefangen«, erläutert Abbrederis. »Auf manche wirken sie wie Pudding- oder Sandkastenförmchen, auf andere wie eine Kletterwand, wiederum andere sehen Blüten und ein florales Muster darin. Die meisten kommen näher und fassen sie erst einmal an.« Tatsächlich aber sind es Abdrücke von PET-Flaschen, die die Hülle überziehen. Sie sind ein Teilbereich der Kunst am Bau, die hier glücklicherweise nicht additiv hinzugefügt, sondern stets gelungen in das Projekt integriert, ja sogar in Form eines bedruckten Baunetzes und einer temporären Ausstellung während der Baustelle in die Bauphase integriert wurde. Die ursprünglich im Wettbewerb formulierte Idee, Buchstaben an die Fassade zu applizieren, verwarfen die Architekten später zugunsten dieser, die mit Manfred Alois Mayr und Urs Beat Roth umgesetzt wurde. Die Fassadengestaltung hat nun zweierlei Bezug zum Museumsinhalt: Zum einen zeigt die Ausstellung auch römische Alltagskultur, die auch die Verzierung von Gefäßen und Tonscherben umfasst. Die Abdrücke in Form von Plastikflaschenböden sollen einen Brückenschlag in unsere Zeit bilden und, mit der Unterseite nach außen zeigend, auf das Innere verweisen. Zum anderen stehen sie durch ihre mannigfaltige Anordnung auf der Fassade für Druckstöcke, wie sie ebenfalls in der Ausstellung zu finden sind, und verweisen so auf das Textilhandwerk in Vorarlberg, früher ein großer Wirtschaftsfaktor. Dass diese beiden Interpretationen wohl von keinem Besucher erkannt werden, schadet der reizvollen Wirkung des Gebäudes jedoch nicht.

Tradition in neustem Standard

Durch die messingumrahmte Glastür – der Handgriff, der ein früheres Werkzeug abstrahiert darstellt, ist dabei das kleinste Kunst-am-Bau-Projekt –, ins Innere gelangt, findet man sich im großzügigen Foyer wieder. Hinter der Kasse fällt durch einen zum Himmel verglasten Luftraum Licht ins EG. Aufgrund seiner nackten, 23 m hohen Wände und Decke wirkt dieser »Lichthof«, der früher ein Innenhof war, jedoch recht kahl. »Wir haben die Flächen bewusst freigelassen, damit man sie für Projektionen nutzen kann«, erklärt Abbrederis. Folglich sind in die Brüstungsbereiche der Erschließungsgalerien, neben herausfahrbaren Brandschotts, Schienen und Installationsmöglichkeiten für Schweinwerfer integriert.

Hinter den Wänden des Lichthofs grenzt, für die Besucher nicht ersichtlich, im EG und 1. OG die Erschließung der Museumsverwaltung an, die im Altbau untergebracht ist. Wer in deren rückseitigem Eingangsfoyer das historische und um drei Stockwerke originalgetreu erweiterte Treppenhaus bewundern kann, mag vielleicht erstaunt sein, dass dieses Kleinod mit seiner hübschen Verglasung nicht für alle offensichtlich in den Lichthof eingebunden werden konnte. Stattdessen ist immerhin in der Ausstellung noch ein Stück vom Altbau erlebbar: Die Schotten zwischen den früheren Bürotüröffnungen konnten aus statischen Gründen nicht entfernt werden, folglich ist die alte Tragstruktur nun in den Ausstellungsbereich im 2. OG integriert. In dieser Ausstellungsebene finden sich, merkwürdig abstandslos in alphabetischer Reihenfolge aneinandergereiht, Kunstobjekt-Gruppen wie z. B. Architekturmodelle, Heiligenfiguren, Trachtenhauben oder Schwertknäufe (Bereich »buchstäblich vorarlberg«).

Ungeachtet dessen wirkt die Materialität und ihre Zusammenstellung in sämtlichen Bereichen sehr stimmig und exquisit, und das nicht nur optisch: Ein beige-brauner, 3 cm dicker, doppelt geglätteter Lehmputz, in sieben Arbeitsgängen aufgebracht, fühlt sich nicht nur haptisch gut an, er führt durch seine hygroskopische Wirkung v. a. auch zu konstantem Innenraumklima – ein Drittel der Gebäudelüftungstechnik konnte so eingespart werden, wie Simulationen im Vorfeld ergaben. Weitere Energieeffizienzmaßnahmen resultieren aus den Erdsonden, die über einen Solekreislauf und mittels Wärmepumpe die Bauteilaktivierung regulieren, und der eingesetzten Passivhaushaus-Bauweise. Des Weiteren bestimmt massives Eichenholz (sägerau als Fußbodenbelag, geräuchert bei Mobiliar oder bei Wand- und Deckenbekleidung in den Tagungsräumen der »bel étage«) die wohlige, farblich gedämpfte Atmosphäre, ebenso wie Messingbeschläge oder der fugenlose Bitumenterrazzo im Foyer. Dass trotz all dieser hochwertigen Materialien und ihrer hohen handwerklichen Umsetzung die Baukosten vermutlich (die Schlussrechnung steht noch aus) rund 2 Mio. Euro unter dem Budget bleiben konnten, ohne dass die Architekten Abstriche im Entwurf hinnehmen mussten, scheint fast wie ein Wunder.

Ausblicke und Einblicke

Die überwiegende Dunkelheit bzw. Introvertiertheit in den Ausstellungsbereichen von Vorarlbergs neuer Schatzkammer mag bedauerlich sein und in der Natur der Sache liegen. Wo aber Fensteröffnungen den Blick nach draußen gewähren – vom Tagungsraum im 1. OG über die großen Fensteröffnungen im Brigantium-Bereich (»Römer oder so«, 3. OG) und bei der »akustischen Reise durch Vorarlberg (»Sein und mein«, 4. OG) bis hin zur Verglasung im Treppenhaus –, sind sie wohlakzentuiert und proportioniert. Am überwältigendsten Panoramafenster indes läuft man zwischen den beiden Ausstellungsbereichen im obersten Geschoss fast vorbei, sofern die Aufseher nicht freundlich die Tür öffnen und zum Eintreten einladen: in einen komplett mit schwarzem Filz und Teppichboden ausgekleideten, dem Balg einer alten Kamera nachempfundenen Raum. Er ist wiederum eine Kunst-am-Bau-Idee, die der Wiener Künstler Florian Pumhösl zusammen mit den Architekten verwirklicht hat. Nichts, aber auch nichts, lenkt hier vom eigentlichen Kunstwerk ab: dem Bodensee und seiner Umgebung. Nur mit einer riesigen Fensteröffnung und einer Sitzbank versehen, kann man sich folglich ungestört am Blick auf das größte Ausstellungsstück des Museums berauschen. Einen gelungeneren »Abschluss« hätte man nicht finden können. Chapeau!

db, Mo., 2013.12.02



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db 2013|12 Redaktionslieblinge

05. Dezember 2012Christine Fritzenwallner
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Zwei in einem

Das »Ke 12«, ein Neubau in der Kemper Straße 12 in Memmingens Altstadt, sieht auf den ersten Blick nicht wie ein typisches Mietswohnhaus aus. Tatsächlich vereint es in seinem Innern aber zwei Einfamilienhäuser, deren Grundrisse geschickt ineinander verflochten sind und helle, in alle Himmelsrichtungen orientierte Räume offerieren. Mit seiner hofseitigen, dunklen Holzfassade passt es sich erstaunlich gut der umgebenden Bebauung an, auch wenn es mit seiner Formensprache die Kubatur des Vorgängerbaus neu interpretiert.

Das »Ke 12«, ein Neubau in der Kemper Straße 12 in Memmingens Altstadt, sieht auf den ersten Blick nicht wie ein typisches Mietswohnhaus aus. Tatsächlich vereint es in seinem Innern aber zwei Einfamilienhäuser, deren Grundrisse geschickt ineinander verflochten sind und helle, in alle Himmelsrichtungen orientierte Räume offerieren. Mit seiner hofseitigen, dunklen Holzfassade passt es sich erstaunlich gut der umgebenden Bebauung an, auch wenn es mit seiner Formensprache die Kubatur des Vorgängerbaus neu interpretiert.

»Bei dem Projekt handelt es sich um einen Neubau. Sollte es trotzdem für Sie interessant sein, können wir gerne Ihre Fragen beantworten.« Die Rückmeldung des Architekten auf ein paar Fragen zur »energetischen Sanierung« eines Wohnhauses in Memmingen, die sich im Zuge der Recherche unserer Novemberausgabe ergaben, überraschte. Und sie beschämte natürlich, hatten wir doch die Textzeilen neben den Bildern überlesen und schlichtweg angenommen, dass hier das alte Gebäude grundsaniert wurde. Unsere Fehlinterpretation geht jedoch auf eine der wesentlichen Qualitäten des Ersatzbaus zurück: Indem er die Kubatur des Vorgängerbaus, wenn auch vergrößert und mit deutlich erhöhtem Mansarddach, und die für Memmingens Altstadthäuser typische Giebelgliederung, wenn auch in verändertem Ausführungsstil, übernimmt, fügt er sich optisch in die Häuserzeile ein. Er wirkt nicht zwangsläufig neu, versteht sich nicht als Kontrast, wie man es von manch anderen Lückenschließungen kennt.

Gewöhnungsbedürftig

Der Denkmalschutz in Memmingen, der aufgrund der unter Ensembleschutz stehenden Altstadt bei Abriss- und Neubaugenehmigungen Mitspracherecht besitzt, sei da allerdings anderer Meinung, erklärte Architekt Alexander Nägele von SoHo beim Ortsbesuch. Aber auch die Baubehörde tat sich anfangs schwer mit der für sie fremdartig wirkenden Gestaltung. Die Architektursprache und -haltung von SoHo hatte sie bereits zwei Jahre zuvor kennengelernt, als das Büro auf dem Nachbargrundstück eine alte Schlosserei in ein Wohnhaus verwandelte. Dessen schlichte, würfelförmige Kubatur und dunkelbraune Holzfassade war für die Memminger Beamten mehr als gewöhnungsbedürftig. Nur mit Beharrlichkeit und dem Ausschöpfen aller baurechtlichen Möglichkeiten sowie einer aufgeschlossenen und mutigen Bauherrin im Hintergrund gelang es Nägele, seinen Entwurf wie geplant umzusetzen, d. h. den Wunsch eines Beamten nach einer Dachgaube zu ignorieren und die Holzfassade nicht mehr nachträglich, wie versprochen, zu weißeln. »Am Ende ging den Bauherren leider das Geld aus«, zwinkert Nägele. Doch ärgert er sich gleichzeitig über die »Perversion des Systems«, mit wie viel Energie und Ehrgeiz erst neue Architektur entstehen kann. Die Berichterstattung in der örtlichen Presse und rund 30 Leserbriefe konnten schließlich Angst und Unmut der Beamten etwas besänftigen, das »schwarze Haus« machte in positivem Sinne Furore, hatte beim »Tag der Architektur« insgesamt 1 000 Besucher – und brachte SoHo einen Folgeauftrag derselben Bauherrin ein: Nun sollten auf der Nachbarparzelle zwei zeitgemäße und große, hochwertige Mietwohnungen entstehen. Dafür allerdings war die Bausubstanz des Vorgängerbaus zu schlecht, der Grundriss zu verwinkelt, die Treppe an ungünstiger Stelle und die Raumhöhe schlichtweg zu gering. Der Abriss folgte.

Zum Hof und zum »schwarzen Haus« hin gewandt, ist die Fassade nun wiederum mit einer Holzschalung dunkelbraunen Anstrichs versehen. Die sägeraue Fichtenholzschalung passt sich so erstaunlich gut der umgebenden Bebauung an, deren rückwärtige Fassaden oder Dachgiebel vereinzelt ebenfalls von dunklen Holzschindeln oder -latten geprägt sind. Doch war es dieses Mal nicht die dunkle Hof-, sondern die u. a. in Sichtbeton geplante Lochfassade zur Straße hin, die in der Genehmigungsphase für – durchaus nachvollziehbare – Diskussionen sorgte. In diesem Fall überarbeiteten SoHo den Entwurf auch zu ihrer Zufriedenheit so, dass sich der dahinterliegende Grundriss nun deutlich weniger nach außen abzeichnet, sich ein ruhigeres Bild ergibt und ein dreifach gespachtelter Kalkzementputz aus Italien die Oberfläche »veredelt«. Die im Memminger Stadtbild typische Giebelgliederung wird insofern fortgeführt, als dass ein dezenter Versatz im Putz die Geschossigkeit des Hauses markiert.

Geschickt alternierend

Die eigentliche Besonderheit des Baus zeigt sich aber erst im Innern, das zwei »Einfamilienhäuser« in einem einzigen Neubau vereint und so laut SoHo »mitten in der Stadt alle Annehmlichkeiten des Wohnens auf dem Lande bietet«: Helle und flexible Wohnungen, die sowohl eine Terrasse, einen Balkon als auch eine Dachterrasse umfassen und zugleich in alle Himmelsrichtungen orientiert sind. Gelungen ist dies über ein geschicktes Ineinander-Verschachteln zweier Wohnungen, die zwar beide von der Straßenseite im Osten über zwei getrennte Eingänge erschlossen werden und sich ebenerdig bis zum Hof im Westen erstrecken, dann aber, nach oben, um 90 Grad gedreht wurden. Parallel zur innenliegenden Sichtbetontreppe sind sie so also pro Stockwerk mal zur Straßen- und mal zur Hofseite orientiert. Am deutlichsten wird der Gewinn des steten Richtungswechsels im 2. und 3. OG, wo die Bäder bzw. Dachterrassen zusätzlich von Süden oder Westen belichtet sind. Die Ebenen zur Straße hin, in dem beide Mieter ihre Schlafräume und Arbeitszimmer ansiedelten (1. bzw. 2. OG), kann sinnvollerweise in drei Achsen unterteilt werden, was sich nach außen im Bild des sogenannten Dreifensterhauses widerspiegelt.

Um die Akustik bestmöglich in den Griff zu bekommen – was gerade in Anbetracht der ineinanderverschachtelten beiden Wohnungen sinnvoll erscheint –, sind die Wände zwischen den Wohnungen und um das Treppenhaus herum in Beton und nur zu den Nachbarhäusern in Mauerwerk ausgeführt. Das oberste Geschoss, das nach außen zwar ein klassisches Mansarddach nachzeichnet, dessen Kniestock aber erst bei rund 1,50 m beginnt und so im Innern mehr Raum bietet, ist als Holztragwerk konstruiert.

Gewollte Rauigkeit und Robustheit

Außer bei der Sichtbetontreppe sowie im Eingangsbereich, wo ein Zementestrich den Boden überzieht, und in den entweder grün, braun, schwarz oder weiß gefliesten Bädern sind die Bodenbeläge aus unbehandelten Bohlen aus Weißtanne. Sie enden mit 1 cm Abstand zur Wand in einer offenen Schattenfuge. Eine solche Anmutung und einfache Ausführung mag nicht jedermanns Sache sein. So war auch die meistgestellte Frage am »Tag der Architektur« die der Fußbodenreinigung. »Man kann die Flecken ganz altmodisch mit Seifenwasser und Bürste entfernen«, erklärt Nägele, der inzwischen selbst in einer der beiden Wohnungen lebt. Für ihn gehören Schrammen und Flecken jedoch dazu, und so stört es ihn auch nicht, wenn der Boden deutliche Gebrauchsspuren zeigt, oder dass Ecken bereits ein paar Macken und die Fassade in den Fensterlaibungen schon einen deutlichen Grauanteil aufweisen. Wichtiger ist ihm die Behaglichkeit im Innenraum, und die spürt man deutlich: Selbst am winterlichen Herbsttag im Oktober musste noch nicht geheizt werden – durch die dreifachverglasten, großen Fenster nach Osten und Westen fällt viel Licht und Sonne in die Räume, deren Wärme die 49 cm dicken Wände aus dämmenden Mauerwerkssteinen im Innern halten. Eine kleine Öffnung nach Süden im Essraum der einen und ein Oberlicht in der anderen Wohnung verstärken die angenehme Innenraumatmosphäre. Weiße Einbaumöbel wie eine große Schrankwand im Schlafzimmer oder die offene, fein gegliederte Küche tun ihr Übriges.

Gespannt beobachtet Nägele die Baustelle schräg gegenüber, wo ein ortsansässiges Bauunternehmen einem derzeitigen Rohbau bereits auch ein großes, quadratisches Fenster verpasst hat. Ob sich nun also im Viertel Nachahmer seiner zunächst umstrittenen Architektur finden?

db, Mi., 2012.12.05



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db 2012|12 Redaktionslieblinge

01. Oktober 2012Christine Fritzenwallner
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Eine Frage der Balance

Wie stellt man sich die Arbeitsräume eines der renommiertesten Büros für Tragwerksplanung und Ingenieurbau vor, das sich seit Jahrzehnten durch leichte und weitgespannte Konstruktionen verdientermaßen einen Namen macht? Vermutlich eher kühl, hochtechnisiert, schlicht auf das Funktionelle beschränkt. Umso mehr überrascht es, auf ein »weiches« Ambiente zu stoßen, in dem vielerlei Materialien und Farben für Lebendigkeit sorgen, eine angenehme und gemütliche Wohnzimmeratmosphäre versprühen und gar ein rosa Teppich seinen Platz findet.

Wie stellt man sich die Arbeitsräume eines der renommiertesten Büros für Tragwerksplanung und Ingenieurbau vor, das sich seit Jahrzehnten durch leichte und weitgespannte Konstruktionen verdientermaßen einen Namen macht? Vermutlich eher kühl, hochtechnisiert, schlicht auf das Funktionelle beschränkt. Umso mehr überrascht es, auf ein »weiches« Ambiente zu stoßen, in dem vielerlei Materialien und Farben für Lebendigkeit sorgen, eine angenehme und gemütliche Wohnzimmeratmosphäre versprühen und gar ein rosa Teppich seinen Platz findet.

Stärker hätte der Kontrast kaum sein können. Der Umzug aus zwei prachtvollen alten, aber für die Belegschaft zu klein gewordenen Villen, am Hang der Stuttgarter Karlshöhe gelegen, hin zu einem urbanen, lauten Verkehrsknotenpunkt im Westen der Stadt, ging im Sommer letzten Jahres über die Bühne. Dass dabei das Büro vom vorherigen Standort gerade einmal 1 km entfernt ist, ändert nichts an der Umstellung, die sich für die rund 100 Mitarbeiter ergab. War man früher von Grün umgeben und abgeschieden vom städtischen Trubel, flankieren nun zahlreiche Geschäfte das Büro, mehr noch: Man sitzt direkt über einem bis Mitternacht geöffneten Supermarkt und kann eine Ebene tiefer zur S-Bahnstation abtauchen. Teilte man sich zuvor hinter dicken Wänden mit ein bis drei Mitarbeitern ein Zimmer, arbeitet man nun überwiegend in Gruppenbüros, die trotz niedriger Deckenhöhe dank raumhoher Verglasungen luftig wirken. Statt wie früher das Haus verlassen zu müssen, um die Kollegen im rund 200 m entfernten Nachbargebäude zu treffen, geht es nun schneller und je nach Wetterlage trockener. Und erst recht für die für jeden Morgen angesetzten kurzen Kaffeepausen zum Austausch oder den wöchentlichen Jour fixe um 10 Uhr muss sich keiner mehr in die letzte Ecke quetschen – nun ist ausreichend Platz für alle.

Vertrauen in den Architekten

Mit der Gestaltung ihrer neuen Räume haben die weltweit agierenden Ingenieure schlaich bergermann und partner das ebenso bekannte Büro für Architektur und Kommunikation Ippolito Fleitz beauftragt. Wohl wissend, auf deren Gefühl für Farben und Raumwirkung vertrauen zu können, das diese in jedem ihrer individuell auf den Kunden zugeschnittenen Raumgestaltungen unter Beweis stellen. Doch während sich sonst stärker eine Konzeptidee aus deren Projekten ablesen lässt, stand hier »nur« die spätere Raumwirkung im Vordergrund. Es sollte »etwas Lebendiges werden, und natürlich sollten die Markenwerte wie Präzision, Zuverlässigkeit und Strukturiertheit transportiert werden«, erklärt Peter Ippolito, »und es durfte nicht zu straight sein« – aber das waren schon die wenigen Vorgaben von schlaich bergermann und partner.

Dessen einziges, klar und deutlich in Erscheinung tretendes Corporate IdentityElement findet sich bereits am Eingang des Büros, im nach vorne verglasten Treppenhaus vom EG ins 1. OG, umgeben von einer Spiegelrückwand und dunkelgrauen Flächen: eine extrem schlanke Stahltreppe, die – wer das Büro oder z. B. den Turm auf dem Stuttgarter Killesberg kennt, wird richtig vermuten – beim Gehen leicht schwingt. Einen besseren Standort für ein solches Aushängeschild als hier zur belebten Straße und zur Bushaltestelle hin hätte sich wohl kaum finden lassen. Die Treppe ist das einzige Element, was die Ingenieure für ihr neues Büro selbst geplant haben, denn das Gebäude wurde seitens eines schwäbischen Besitzers entkernt und umgebaut. Intern wurde für den Treppenentwurf sogar ein Wettbewerb unter den Mitarbeitern initiiert.

Vielfältige Angebote

Im 1. OG, der Empfangs- und Kommunikationsebene, angelangt, ist man überrascht. Haben das Treppenhaus und der Eingangsbereich in seiner Anmutung noch die herkömmlichen Vorstellungen erfüllt, die man sich bezüglich der Gestaltung eines neuen Ingenieurbüros von schlaich bergermann und partner zuvor vielleicht ausmalte, trifft man im großen offenen Zentrum der ersten Etage auf eine Fülle von Farben, Materialien und Möbelstücken – von lackiertem MDF, Nussbaum-Furnierholz über pinkfarbene Sofakordeln und Lichttulpen, einem Edelstahlvorhang und Metalllochdecken bis hin zu Akustikputz und membran-bespannten Lichtdecken. Für Ippolito ist dies ein taktisches Gegensteuern: »Wo visuelle Pfade erwartet werden, muss man ganz bewusst etwas anderes machen, Querdenken zulassen.« Die gewünschte Lebendigkeit spiegelt sich neben der farbenfrohen Innenausstattung in mannigfachen, räumlichen Angeboten an die Mitarbeiter zum Sitzen, Lesen oder Sich-Austauschen und in verschiedenartigen, flexiblen Besprechungsbereichen wider: Es gibt zwei lange weiße Tische mit insgesamt 24 Sitzplätzen, an denen z. B. auch gemeinsam zu Mittag gegessen werden kann – zuvor war dies kaum möglich. An die offene, aber abtrennbare Küche grenzen Stehtresen, kleinere Einzeltische und die riesige, mit vier Sonnenschirmen und viel Grün bestückte Dachterrasse. Vor der raumhohen, hölzernen Bibliothekswand bietet ein halbkreisförmiges Sichtschutz-Polster die Möglichkeit, sich etwas abzugrenzen, daneben lockern ein paar lose bunte Polsterhocker und Ohrensessel sowie seit Kurzem auch ein Klavier erneut den Raum auf. Schließlich umfasst ein dünner grauer Vorhang eine wiederum offene Besprechungsmöglichkeit – mit der sicher ungewöhnlichsten Farbzusammenstellung im ganzen Büro, thront doch der mittelblaue, leicht glänzende, quadratische Tisch auf einem rosafarbenen Plüschteppich. Zugegeben: Was niedergeschrieben wie ein wahlloses buntes und wild zusammengeworfenes Nebeneinander erscheinen mag, funktioniert erstaunlich gut und ist in sich stimmig. Flankiert wird die große offene Zone von weiteren, abgeschlossenen Besprechungs- und Medienräumen, Archiv, Plottraum und einem Duschbad und Schließfächern.

Präzision, Struktur, Flexibilität

In den fünf weiteren Geschossen mit den eigentlichen Arbeitsplätzen ist die Atmosphäre hingegen konzentrierter und ruhiger, auch optisch. Farben (etwa Hellblau, Orange oder Violett) werden nur dezent eingesetzt, etwa zur Wiedererkennung im Zugangs- oder im Sanitärbereich. Sie geben jeder Etage, zusammen mit einer immer leicht abgewandelten Aufteilung und Abfolge der Büros, ein individuelles Gesicht. Verglaste Einzel- oder Zweierbüros sind die Seltenheit, aber nicht nur bei den Geschäftsleitern und Partnern in der obersten Etage zu finden, deren Arbeitsplätze sich sonst hinsichtlich Materialwahl oder Mobiliar nicht von den anderen unterscheiden. Doch auch wer im offenen Raum sitzt, ist durch die Anordnung der Büroschränke optisch abgeschottet und hat in der Regel eine »Rückwand«, um private Fotos oder Projekte auf der magnetischen Oberfläche anzupinnen. Die Organisation der Arbeitsplätze ist außerdem flexibel: Zweierbüros lassen sich z. B. recht einfach zu Einzelzimmern umbauen. Hierzu können in allen Achsen wie auch auf halber Achse zwischen den Schreibtischen Glastrennwände nachinstalliert werden.

Aber ob dies tatsächlich einmal notwendig sein wird? Hinsichtlich einer guten Raumakustik haben Ippolito Fleitz nämlich alle Register gezogen: Nicht nur der braune, flauschige Teppich dämpft, sondern auch gepolsterte Stützen und an den Glaswänden befestigte Textilpaneele. Zusätzlich schluckt die in der Mittelzone angebrachte löchrige Metallrasterdecke Schall (eine Revisionsdecke, die je nach Sonnenstand das Licht stimmungsvoll reflektieren soll), ebenso wie die weiße Akustik-/Kühldecke, die sich über die Arbeitsplätze zieht. Diese sowie die entlang der Fassade angebrachten Konvektoren zum Heizen lassen sich von den Mitarbeitern ansteuern, sodass sie die Raumtemperatur auf Wunsch geringfügig ändern können. Ebenso lassen sich der außenliegende Sonnenschutz, der Blendschutz sowie das Präsenzmelder-basierte Licht an den Arbeitstischen individuell regeln. Anstelle auf herkömmliche Büromöbelsysteme zurückzugreifen, wurden diese wie auch die »schwebenden« (da vom Boden abgehobenen) Büroschränke eigens für das Projekt entwickelt. Nur so ist, erklärt Ippolito, tatsächlich eine »gestalterische Durchgängigkeit möglich und alles präzise aufeinander abgestimmt. Und teurer ist dies auch nicht.«

Zum Stichwort »abgestimmt« stellt sich aber noch eine Frage: Wie stark sollten Mitarbeiter eigentlich in einen solchen Umzug und die baulichen und gestalterischen Maßnahmen einbezogen werden? Laut Ippolito liegt auch hier der Schlüssel in der angemessenen Kommunikation und Information. Die großen Fehler kennt wohl jeder aus eigener Erfahrung: »Wird nicht kommuniziert, ist der Unmut später groß. Wird hoffnungslos zerredet oder werden gar Arbeitsgruppen gebildet, leidet das ganze Konzept und es kommt zu Zeitproblemen.« Hier ist weder das eine eingetreten noch hat das andere stattgefunden. Auch bei ihrem Büroumzug haben schlaich bergermann und partner also wieder einmal die richtige Balance gefunden.

db, Mo., 2012.10.01



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db 2012|10 Arbeitswelten

02. Juli 2012Christine Fritzenwallner
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Baustellen-Boogie

Das »Michelberger«, gelegen im östlichen Berliner Stadtteil Friedrichshain, versteht sich weniger als klassisches Hotel denn als Treffpunkt für die Berliner Subkultur, aus der heraus es entstand. Und wenn überhaupt, dann lässt es sich als ein Individualhotel für die kreative bis alternative Szene einordnen. Für die Umsetzung hat man einen bekannten Designer und Innenarchitekten gewonnen. Der Auftrag an ihn: das Hotel bewusst »undesignt« und improvisiert erscheinen zu lassen. Das Konzept ging auf und scheint eine der höchsten, wenn nicht sogar die höchste Hotelauslastung Berlins nach sich zu ziehen.

Das »Michelberger«, gelegen im östlichen Berliner Stadtteil Friedrichshain, versteht sich weniger als klassisches Hotel denn als Treffpunkt für die Berliner Subkultur, aus der heraus es entstand. Und wenn überhaupt, dann lässt es sich als ein Individualhotel für die kreative bis alternative Szene einordnen. Für die Umsetzung hat man einen bekannten Designer und Innenarchitekten gewonnen. Der Auftrag an ihn: das Hotel bewusst »undesignt« und improvisiert erscheinen zu lassen. Das Konzept ging auf und scheint eine der höchsten, wenn nicht sogar die höchste Hotelauslastung Berlins nach sich zu ziehen.

Es war einmal, vor fünf Jahren, da beschloss Tom, sich nicht mehr zu beschweren, sondern es besser zu machen. Er hatte die Idee, eine große Wohnung für sich und seine Freunde zu finden, oder warum nicht gleich ein ganzes Haus, in dem alle Freunde wohnen können und in das man auch fremde Leute einladen kann. Sobald sie den Schlüssel zu dem Haus hatten, versammelten sie weitere ihrer fantastischen, kreativen und charismatischen Freunde um sich und alle halfen dabei, das Haus umzubauen: zu einer Welt im Kleinen, wie man sie gerne hätte. Sie feierten Baustellenpartys, zu denen, als das Hotel fast fertig war, über 1 000 Leute aus aller Welt kamen, um mit ihnen den Baustellen-Boogie zu tanzen.

»Warum warten«

So lautet, reichlich verkürzt, die Entstehungsgeschichte des Michelberger Hotels in Berlin, die bereits viel über den Charakter des Hotels aussagt und auf der entsprechenden Webseite nachzulesen ist. Und nicht nur dort muten Entstehungsgeschichte und Gestaltung wie im Märchen oder einer Fantasiewelt an: »Why wait«, heißt es bereits groß neben dem Hof- und Hoteleingang, links darunter »Looking for the entrance? Welcome to the Jungle«. Im großen Innenhof angekommen, der von einer sechsstöckigen Bebauung umschlossen ist, fühlt man sich tatsächlich wie in einer anderen Welt. Pippi Langstrumpf, mein erster Gedanke. Eine große Gartenparty, mein zweiter. Es ist bunt, allerdings nicht zu bunt, ein bisschen verspielt, freundlich, gemütlich. Auf manche mag es auch naiv wirken. An einer Seite, etwas erhöht, ein überdimensioniertes Vogelnest mit Ei, darunter eine Bühne aus Holz, daneben sitzen zwei Freundinnen in einer der beiden Hollywoodschaukeln. An der Pingpongplatte vor ihnen liefern sich zwei Gäste gerade ein Match. Auf der anderen Seite ein gläserner Anbau, der zur Rezeption weist. In der Mitte des Hofs eine schraddelige Laube, ringsum Tische mit rot-weiß-karierten Decken, Detlev Buck läuft vorbei.

Ein Anti-Hotel

Dass man hier den ein oder anderen Schauspieler oder Künstler trifft, verwundert nicht. Tom Michelberger, Gründer des Hotels, ist ein »Szenetyp aus Berlin«, erklärt Innenarchitekt und Designer Werner Aisslinger, in seinem Umfeld tummeln sich Kreative, »er ist kein Hotelier«. Und genau das ist wohl auch der Grund dafür, dass das Hotel eine gigantische Auslastung von 95 % erreicht. »Andere Hotels in Berlin sind froh, 70 % zu haben«, so Aisslinger. Schon während der Bauphase gab es immer wieder Partys, Life-Performances, gute und viel Pressearbeit – die Location sprach sich herum. Weltweit. »Ein wildes Szenekonstrukt kann man überall promoten«, erläutert Aisslinger.

Die Architektur des von ihm geplanten Hotel Daniel in Graz hatte Tom Michelberger gefallen, so kam die Zusammenarbeit vor Ort in Berlin zustande. Von Anfang an war allerdings klar, dass in den drei gefundenen und leer stehenden Büroetagen eines ehemaligen Fabrikgebäudes im Berliner Osten bloß kein klassisches Hotel entstehen sollte, »mehr ein Hostel, ein Anti-Hotel. Er wollte etwas Improvisiertes, Undesigntes, etwas, was typisch Berlin ist«, so Aisslinger weiter über seinen damals 30-jährigen Auftraggeber.

Ein ursprünglich geplantes 36-Betten-Zimmer kam dann zwar nicht zustande, es hätte doch zu jugendherbergsartig gewirkt, dafür gibt es immerhin kleinere Gruppenzimmer. Wenn eben mal eine Band aus Tokio kommt und zusammenbleiben möchte, oder Künstlergruppen, »DJs mit Anhang«… – Der damalige Wunsch Michelbergers entspricht der heutigen Realität.

119 Zimmer, von gemütlich bis Luxus

Zusätzlich zu dem »Band-Zimmer« mit bis zu fünf Einzelbetten entstand das »Big One« für bis zu neun Personen und mit zwei Bädern, daneben gibt es die »Michelberger WG«, ein »Loft« und ein »Loft Triple« (Zwei- bis Dreier-Belegung), vier »Luxus«-Zimmer (»Das Chalet«, das »Zimmer mit View«, das »Golden One« und das »Clever One«), einige rollstuhlgerechte »Comfort«-Zimmer sowie zahlreiche »Cosy«: Zimmer, deren »Gemütlichkeit« v. a. durch Minimalismus entsteht. Das 1,40 m große Bett ist dort genau in die Lücke zwischen Fenster und Dusche eingepasst – von der sich durch die Verglasung über das Bett nach draußen blicken lässt. Dass eine solche Offenheit nicht jedermanns Sache ist, kann man seit Jahren in Hotelbewertungsportalen lesen.

Andererseits: Wer in diesem kleinen Zimmer überhaupt zu zweit übernachtet – gedacht ist es mit seiner »Live-Dusche« laut Michelberger ohnehin nur »für Singles oder verliebte Paare« –, wird sich daran wohl kaum stören. Ebenso wenig, dass es in diesem Hotel im Zimmer kein Telefon gibt. Warum auch, hat doch jeder – oder zumindest jeder Michelberger-Hotelgast – ein Handy. Und der Preis für ein »Cosy«, der zwar gegenüber dem Preis zum Eröffnungsjahr leicht anstieg, ist mit einer Spanne zwischen 60 und 80 Euro, je nach Buchungszeit, immer noch günstig.

In allen anderen Zimmern, die bis maximal rund 200 Euro die Nacht kosten, konnte Aisslinger die Betten unter der Decke anordnen oder Stockbetten planen – und sich so die günstige, 3,70 m umfassende Raumhöhe des früheren Fabrikgebäudes zunutze machen. In Abstimmung mit und dank finanzieller Beteiligung der vermietenden Wohnungsbaugesellschaft konnten in die rückwärtige Westfassade große Fensteröffnungen geschnitten werden. So war es möglich, diesen Gebäudeteil, wie auch das Vorderhaus zur Warschauer Straße hin, als Zweispänner zu konzipieren, der Nord- und Südflügel hingegen nur als Einspänner. Bis auf eine zusätzliche Trittschalldämmung wurde im Innern konstruktiv wenig verändert, sogar rund 30 % aller Trockenbauwände der ehemaligen Büros ließen sich als Trennungswände für die Hotelzimmer nutzen, was dem Low-Budget-Projekt zugutekam.

Unkonventionell und improvisiert

Die Details in allen Hotelzimmern sind sich, bis auf die individuell gestalteten »Luxus«-Zimmer, sehr ähnlich: Seile als Aufhängung für Spiegel oder Handtücher, Netze als Geländer, hölzerne Einbaumöbel, weiße Waschbecken auf dunkelbraunen, beschichteten Sperrholzplatten, Bücherregal-Kästchen und mit Holz umfasste TV-Kästen, unaufdringlich gemusterte Tapeten, Laminatböden, rohe und beschichtete MDF-Platten, große, hohe Sprossen-Fenster mit dicken, senffarbenen Stoffgardinen davor. Eine stilsichere Mischung aus Schlichtheit, Improvisation und der Eleganz vergangener Jahre, die ein kompositorisch ausgewogenes Bild ergeben.

Wer hingegen den Hotelflur passiert, wird nicht nur aufgrund der in den Ecken installierten Fernseher (mit einem Kultfilm in Endlosschleife), sondern v. a. wegen der im Gegensatz zu den Zimmern eher lieblosen Gestaltung überrascht sein. Ging hier das Geld aus? Wird noch weitergebaut? Dass hier überhaupt baulich etwas verändert und gestaltet wurde, erkennt man erst auf den zweiten Blick. Aber auch das ist, so Aisslinger, gewollt: Die Gipskartonplatten sind nur im Bereich bis 1,80 m angestrichen, darüber findet sich noch die eine oder andere, bewusst sichtbar belassene Kritzelei aus der zwölfmonatigen Bauphase, der eine eineinhalbjährige Planungsphase vorausging – eine lange Dauer, die bei so vielen Beteiligten nicht überrascht. In dieser Zeit wurden immer wieder, in Abstimmung mit Aisslinger, auf Flohmärkten Stücke für die Inneneinrichtung gesammelt. So gut wie kein Möbelstück wurde beim Hersteller bestellt (und folglich neu produziert); und wenn, dann als Sonderanfertigung wie etwa ein mit FSB entwickelter Türdrücker für Badezimmertüren und Fenster. Der zweite Zugang zur Rezeption, den man direkt von der Straße aus über die »Honolulu«-Bar erreicht, sieht so auch eher wie ein Wohnzimmer aus, etwas unordentlich, mit eigens kreierten Leuchten, zig Büchern und Zeitschriften ringsum. Dazu passt, dass der (selbst im Michelberger wohnende) Hotelgründer auch gerne mal den Abend hier verbringt.

Unzerrüttbar

Ein umgemodeltes Fabrikgebäude, eine hohe Auslastung und intensive Nutzung der Gemeinschaftsbereiche aufgrund eines guten, in sich stimmigen und neuartigen Hotelkonzepts, das sicher über viele Jahre und Jahrzehnte funktionieren wird, Mobiliar vom Flohmarkt, der Verzicht auf längst überflüssige, klassische Hotelzimmer-Details wie etwa ein Telefon, die Stadtbahn und somit öffentliche Verkehrsanbindung direkt vorm Eingang: Während alle um uns herum von Nachhaltigkeit reden, kann man sie im Michelberger erleben, ohne sie direkt zu sehen oder ständig darauf hingewiesen zu werden. Auf was man aber gerne hinweist, sind speziell entwickelte Michelberger-Produkte und Imageträger wie ein zuletzt als »our new baby« angekündigtes Getränk. »Es wäre schön, wenn Ihr auch was über das neue Kokosnusswasser schreiben könntet: michelbergermonkey.com«, antwortet Tom Michelberger auf eine Mail von mir. Dies sei hiermit getan. Willkommen im Dschungel!

db, Mo., 2012.07.02



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db 2012|07 Auf Reisen

05. Dezember 2011Christine Fritzenwallner
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Brücke in Vorarlberg

Nur wenige Meter von der Autobahnausfahrt Bludenz-Montafon in Vorarlberg entfernt, erstreckt sich am Straßenrand zwischen Schnellstraße und Fluss eine Fuß- und Radwegbrücke, die auf den ersten Blick mehr Kunstwerk als Ingenieurbauwerk zu sein scheint, mehr Skulptur als Brücke. Gestalterisch prägnant und in Beton gegossen, behauptet sie sich massiv gegen den Autoverkehr und wirkt mit ihren organisch geformten Fachwerkträgern zugleich feingliedrig.

Nur wenige Meter von der Autobahnausfahrt Bludenz-Montafon in Vorarlberg entfernt, erstreckt sich am Straßenrand zwischen Schnellstraße und Fluss eine Fuß- und Radwegbrücke, die auf den ersten Blick mehr Kunstwerk als Ingenieurbauwerk zu sein scheint, mehr Skulptur als Brücke. Gestalterisch prägnant und in Beton gegossen, behauptet sie sich massiv gegen den Autoverkehr und wirkt mit ihren organisch geformten Fachwerkträgern zugleich feingliedrig.

Je nach Blickwinkel und Wetterlage ist es eine unspektakuläre oder eine landschaftlich reizvolle Umgebung. Einerseits rauscht unmittelbar nebenan der Verkehr über die Schnellstraße, hinter der sich ein paar triste Gewerbeareale und ein Zementwerk ausdehnen. Südlich ein Fluss, von dessen Ufer dunkle Bäume den schattigen Hang hinaufklettern. Ringsum ragen Strommasten in die Höhe, deren (u. a. Hochspannungs-)Leitungen die Landschaft durchziehen. Keine Stelle, an der man sich gerne und länger aufhalten würde, erst recht nicht an einem neblig-grauen, kalten Herbsttag. Andererseits erstrecken sich hinter dem Zementwerk am Himmel die im Sonnenschein glänzenden Berge des Rätikon; das klare Wasser der Ill in ihrem steinigem Flussbett vermag Wanderern und Radlern im Sommer, türkisblau schimmernd, Erfrischung bescheren – oder, im Falle von Hochwasser, mächtige Naturgewalten. Direkt unter der Fuß- und Radwegbrücke ein weiteres Gewässer, die Alfenz, Hauptfluss des Klostertals im Süden Vorarlbergs. 26 km hat sie bis hierher zurückgelegt, bevor sie nun in die Ill mündet. An dieser Stelle, die zugleich den Eingang ins touristisch begehrte Montafon-Gebiet markiert, mehr als eine gewöhnliche Brücke zu platzieren, hat also auch aufgrund der geografischen Lage seine Berechtigung.

Nicht 08/15

Der auf der Schnellstraße vorbeibrausende Autofahrer wird die Brücke womöglich dennoch kaum wahrnehmen. Ihm wird allenfalls eine graue, merkwürdige Betonskulptur am Wegesrand auffallen. Diese liegt knapp 2 m unter Straßenniveau auf dem neu errichteten Verbindungsweg zwischen Bludenz und Lorüns, der auf 750 m an der Ill entlang verläuft. Er ist Teil jener Infrastrukturmaßnahmen, mit der Vorarlberg seinen (mit über 15 % aller zurückgelegten Wege) ohnehin schon hohen Radverkehrsanteil weiter steigern möchte. Mit der Planung des Erschließungswegs und infolge dessen der Überquerung der Alfenz wurde das Ingenieurbüro M+G beauftragt – das sich wiederum gestalterische Unterstützung bei den Vorarlberger Architekten Marte.Marte holte, mit denen es bei deren Hochbauprojekten oft zusammenarbeitet. Nur konsultierten die Ingenieure, diesmal umgekehrt, die Architekten. Das führte wie auch schon bei der auf ähnliche Weise zustande gekommenen eindrucksvollen Schanerlochbrücke bei Dornbirn (2005) zu einem reizvollen Ingenieurbauwerk, wie man es häufiger vorzufinden wünscht.

Die Rahmenbedingungen für Entwurf und Erstellung waren bei der Alfenzbrücke schwierig und engten sowohl die Standortwahl als auch die Brückenart ein. Aufgrund von Sicherheitsabständen stand nur ein kleiner, höhenmäßig eingeschränkter Korridor zum Bauen zur Verfügung: Nach unten war man eingeschränkt wegen eines bei Unwetter eventuell hohen Flusspegelstands, nach oben wegen eines Hochspannungsnetzes. Und weiter zum Mündungsbereich hin zu bauen, erlaubte der Naturschutz nicht, sodass man also nahe an die Schnellstraße rücken musste. Drei Konstruktions- bzw. Materialvarianten wurden daraufhin erwogen – eine Brücke aus Holz, eine aus Stahl und eine aus Stahlbeton –, die Materialisierung in Beton erschien am sinnvollsten, u. a. weil sie keinerlei Verbindungsmittel benötigte. »Wegen der Hochspannungsleitung hätten wir sonst jede Schraube erden müssen«, erklärt Stefan Marte. Außerdem liegt die Brücke aufgrund der wenige Meter entfernten Schnellstraße im Winter in deren Salznebel. So ist der Beton tausalzbeständig und frostsicher ausgebildet, hat ansonsten aber keinerlei spezielle Zuschlagstoffe und Beschichtungen. Wegen der stark befahrenen Straße ist die Brücke überdacht und zur Straße etwas geschlossener als zur Ill hin. Beim Passanten soll das beim Überqueren ein sicheres und angenehmeres Gefühl erzeugen.

Filigran in Beton

Die Brücke überspannt gut 30 m, die beiden seitlichen Einfeldträger sind als Fachwerk ausgebildet, Decken und Bodenplatte wirken als Ober- und Untergurt und tragen wesentlich zur Tragfähigkeit bei. Die Diagonalen der Fachwerkträger sitzen in unterschiedlichen Abständen, folgen statischen Belangen und scheinen doch spielerisch rhythmisiert. »Eigentlich ist es eine perforierte Röhre«, erklärt Stefan Marte, »aber das klingt so negativ.« Bauingenieur Josef Galehr spricht zusätzlich von einer integralen Brücke, die wegen der monolithischen Bauweise ohne Fugen weniger wartungsintensiv ist.

Die Brücke ist »hocheffizient und wirtschaftlich, aber absolut am Limit«, erklärt Stefan Marte und meint mit letzterem den statischen Puffer. Die aufgelösten Träger derart schlank zu halten und v. a. die unteren Knoten zu bewähren, war nicht einfach. An einigen Stellen sind sie allerdings »formal überdimensiert«. Hier wurde der Wunsch des Naturschutzamts, die Knoten nicht alle in gleicher Weise auszuführen, sondern mehr an die unterschiedlichen Verästelungen und die Blattstruktur der Natur anzulehnen, als Bereicherung für den Entwurf gesehen und übernommen. Aber wieso sind bereits Haarrisse im Beton? Diese könnten, ebenso wie ein paar oberflächliche Beton-Abplatzungen und fehlende Schrauben, die Brücke auf den einen oder anderen Passanten sanierungsfällig wirken lassen. Das scheinbare Problem ist laut Planer allerdings nur ein Schönheitsmakel an besonders zugbeanspruchten Stellen und kein Grund zur Sorge. Wäre der Stahlbeton »ohne Haarrisse, wäre er überdimensioniert«, zitiert Marte den Tragwerksplaner. Die wenigen Abplatzungen werden sinnvollerweise lieber akzeptiert, als Flickwerk zu betreiben, sie stammen noch aus der Bauphase: Aufgrund der schwierigen Umgebungsbedingungen kam ein Betonieren der beiden Längsträger vor Ort nicht in Frage. Die beiden Fachwerkträger wurden in 250 m Entfernung liegend gefertigt – so konnte auch die Sichtbetonqualität besser gewährleistet werden –, anschließend zum Fluss gekarrt und mit Decken- und Bodenplatte verbunden. Erst dann wurde die 300 t schwere Konstruktion in einem Stück über die Alfenz geschoben.

Subtile Details

Wirkt die Brücke im Querschnitt und aus der Entfernung wie ein Rechteck, entpuppt sie sich beim Näherkommen als leicht verzerrt und trapezförmig. Nach unten verjüngt sie sich, an den Enden ist sie unterschiedlich schräg angeschnitten. Diese kleinen Kunstgriffe verleihen der Brücke ihre dynamische Wirkung. Gleichzeitig nehmen sie ihr nur genau so viel an Massivität, dass sie sich an dieser Stelle noch behaupten kann. Eine gelungene Kompensation.

Glücklicherweise konnten die Architekten das Straßenbauamt überzeugen, statt eines gewöhnlichen Geländers, das die optische Erscheinung fatal beeinträchtigt hätte, nur ein Stahlnetz als Personenschutz anzubringen. Aus der Entfernung ist es aufgrund seiner Weitmaschigkeit nicht sichtbar. Noch unauffälliger verläuft die Entwässerung: Das Dach ist leicht geneigt und wird innenliegend entwässert, indem die Betonwände bzw. Stäbe die Entwässerungsrohre aufnehmen.

Form und Material im Einklang

Mit der Alfenzbrücke ist ein stimmiges kleines Verkehrsbauwerk entstanden, weder spektakulär noch unscheinbar, sondern dem Ort angepasst, unter sparsamer und gezielter Verwendung weniger Baumaterialien. Wie bei vielen anderen Projekten von Marte.Marte, etwa der Friedhoferweiterung mit Lehmkapelle in Batschuns (2001), der durchgängig in Glas und Cortenstahl gehaltenen »Römervilla« in Rankweil (2008) oder, um einen größeren Maßstab zu nennen, einem Alten- und Pflegeheim in Innsbruck (2009), haben die Architekten auch hier ein wohlproportioniertes, authentisches und zeitloses Bauwerk geformt.

db, Mo., 2011.12.05



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db 2011|12 Redaktionslieblinge

01. Dezember 2010Christine Fritzenwallner
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Die Stadt als Hotel

Ehemals sechs, inzwischen noch fünf Zimmer gehören zum Pixel Hotel in Linz, das als Projekt im Rahmen des dortigen Kulturhauptstadtjahrs 2009 entstand und mit ungewöhnlichen Übernachtungsmöglichkeiten in diversen Bestandsbauten fasziniert. Für die jeweils unterschiedliche, ausdrucksstarke Innenraumgestaltung der einzelnen »Pixel« ließen sich die Architekten von der Umgebung inspirieren. Mit einfachen, unkonventionellen Mitteln haben sie eine gewohnte Nutzung neu interpretiert und den Trend »Individualität« aufgegriffen.

Ehemals sechs, inzwischen noch fünf Zimmer gehören zum Pixel Hotel in Linz, das als Projekt im Rahmen des dortigen Kulturhauptstadtjahrs 2009 entstand und mit ungewöhnlichen Übernachtungsmöglichkeiten in diversen Bestandsbauten fasziniert. Für die jeweils unterschiedliche, ausdrucksstarke Innenraumgestaltung der einzelnen »Pixel« ließen sich die Architekten von der Umgebung inspirieren. Mit einfachen, unkonventionellen Mitteln haben sie eine gewohnte Nutzung neu interpretiert und den Trend »Individualität« aufgegriffen.

Man suche sich einige leer stehende Räumlichkeiten über die Stadt verteilt, saniere sie, spüre dabei den Besonderheiten des Ortes nach, richte die Innenräume dann mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail ein und biete auf diese Weise Gästen ein Hotelzimmer, das einmalig ist. So in etwa könnte das Patentrezept für ein Pixel Hotel lauten. Ein Hotel, wie es einige junge Architekten in Linz ins Leben gerufen haben. Und das im eigentlichen Sinn wiederum keines ist. Denn die Zimmer des derzeit aus fünf Einheiten bestehenden Hotels sind eben nicht zentral angeordnet und organisiert, sie haben weder eine durchgehende Gästebetreuung, den klassischen Zimmerservice noch einen Frühstücksraum, in dem man andere Gäste am morgendlichen Buffet trifft. Wie also funktioniert ein Aufenthalt im Pixel im Hof, Pixel in der Textilpassage, Pixel in der Volksküche, Pixel mit Garten, oder gar Pixel auf dem Wasser?

»Einchecken« im Stadtraum

Noch vor einem Jahr wurde den ankommenden Gästen an einem zuvor vereinbarten Treffpunkt in Linz Stadtplan und Zimmerschlüssel ausgehändigt, so dass sie im Anschluss gleich zu ihrem Pixel weiterziehen konnten. Doch die Zeiten dieser derart »fliegenden« Rezeption sind vorüber. Das ursprüngliche Organisationsteam des Pixel Hotels – größtenteils bestehend aus den Architekten, die es initiierten und dafür den »Verein zur Reurbanisierung und Stadtreparatur« gründeten – konnte diese Aufgaben auf Dauer nicht selbst erfüllen. So muss der Gast nun erst ganz gewöhnlich im Hotel Kolping, das seit August die Betreuung der Pixel Hotel-Gäste übernommen hat, einchecken, und sich dann eben nochmal auf den Weg machen. Damit verliert das Konzept zwar etwas an Reiz, die Änderung ist aber verständlich: Durch die Übergabe an den Kolping-Verein sind die Planer – Richard Steger sowie die any:time architekten Christoph Weidinger, Michael Grugl und Jürgen Haller – nur noch Lizenzgeber und haben so sowohl ihren zeitlichen Einsatz reduziert als auch ihr unternehmerisches Risiko abgegeben. »Eineinhalb Stunden Betreuung pro Gast, das war nur während des Kulturhauptstadtjahres möglich, wo man jeden Gast einzeln und persönlich begrüßt hat«, schmunzelt Steger. Weidinger und Haller bestätigen: »Jetzt können wir uns wieder auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren«. Zumal sie als Architekten weiter gefragt sind: Aus Wien, Enns und selbst aus Tel Aviv sei schon Interesse an weiteren Pixel Hotels bekundet worden.

Im Pixel: Wohnen statt nächtigen

Hat man sein Zimmer dann gefunden und dabei statt langer Hotelflure ganze Straßenzüge oder Viertel passiert und so bereits einen Teil der Stadt erkundet, geht es weiter auf Entdeckungsreise – noch innerhalb des Pixels. Jedes Zimmer ist individuell gestaltet, teils haben die Architekten sogar selbst eingekauft und Hand angelegt, dabei vorgefundene Besonderheiten belassen oder Bezüge zu vorherigen Nutzungen hergestellt bzw. verstärkt.

Das Pixel im Hof, in dem u. a. ein Fotolabor, eine Werkstatt und ganz zu Beginn eine Kunsttischlerei untergebracht waren, ist das flächenmäßig größte. Durch eine enge Einfahrt gelangt man zunächst in einen Hof – kaum vorstellbar, dass sich hier, hinter ein paar Stellplätzen und einem Tor, tatsächlich ein Hotelzimmer befindet, vielmehr wirkt es von außen wie eine Garage. Beim Eintreten springen sogleich einzelne Farbakzente und Skurrilitäten ins Auge: ein knallrotes Bett, ein alter Wohnwagen, ein Aufzug. Im Wohnwagen: Teeküche, Sitzecke und weitere Schlafmöglichkeiten, im Aufzug: der Kleiderschrank. Ein dunkler Gussasphalt überzieht den Boden und verstärkt den Loftcharakter des großen Raums, den nur die wenigen Öffnungen zum Hof hin mit Tageslicht versorgen. Die fensterlose Längsseite überspannt eine transluzente Lkw-Plane , dahinter sitzen 36 Röhren, die sich einzeln an- oder ausschalten lassen – die »Lichtorgel« soll an das ehemalige Fotostudio erinnern. Hier schließt am Ende in einer Nische das Bad an, faszinierend: als weiterer Farbkontrast komplett mit kleinen grünen Mosaikfliesen versehen – wiederum ein optisches Highlight.

Wenige 100 m entfernt liegt das Pixel in der Textilpassage, bei dessen Gestaltung diesmal Stoffe im Vordergrund standen. Hier genügte den Architekten die Tür mit der Aufschrift »Textilpassage« als Ideengeber, der historische Kontext ließ sich trotz Recherchen nicht nachvollziehen. Das Pixel befindet sich in einem früheren Pferdestall, die Fensteröffnungen sind daher übermäßig hoch und bringen viel Licht in das zweistöckige Zimmer mit seinem Luftraum.

Brauner Samtstoff mit Blumenmuster überzieht einen Teil der Decken und Wände, farblich abgestimmt auf den bereits vorhandenen Holzdielenboden im EG und den rotbraunen Teppich auf der Galerie. Dort ragt das Bett wagemutig in den Luftraum – die Konstruktion wurde anstelle einer Berechnung mit einem Belastungstest vor Ort statisch nachgewiesen –, am Ende schließt das niedrige Kinderspielzimmer »Lümmerland« an. Weiße Netze bilden statt eines klassischen Geländers die Absturzsicherung.

Keine fünf Minuten weiter befindet sich am Herbert-Bayer-Platz das afo architekturforum oberösterreich und in dessen 2. OG das Pixel in der Volksküche. In dem mit neogotischen Elementen versehenen Bauwerk von 1927 wurde früher Essen an Bedürftige ausgegeben. Passend zur damaligen Atmosphäre ist das Innere spartanisch, kühl, die vorherrschende »Farbe« Grau, eine Kochzeile sitzt unauffällig in einer Nische. Sowohl der mittig angeordnete Tisch mit zwei Bänken als auch die Bodenplatten bestehen aus Faserzementplatten, deren Fugenmuster sich an den weißen Wänden in aufgemalter Form fortsetzt (s. dazu auch S. 47). Auch wenn der Innenraum aufgrund seiner nüchternen und neutralen Gestaltung flexibel für temporäre Ausstellungen des afo bleibt – hierzu klappt das Bett dann per 90 Grad Drehung (eine umgebaute Lkw-Hebebühne machte es möglich) an die Wand –, der eine oder andere Gast könnte sich in dem großen Raumvolumen leicht verloren fühlen.

Ein weiteres Pixel im Zentrum existiert indes als einziges nicht mehr: das Pixel in der Galerie. Hier stand der Raum einer Galeristin nur für ein Jahr zur Verfügung und so eine temporäre Nutzung von Anfang an fest.

Die zwei noch verbleibenden Hotelzimmer liegen etwas außerhalb: Das Pixel auf dem Wasser logiert auf einem restaurierten Schiff im Hafengebiet, das bis 1996 als Zug- und Schleppschiff im Einsatz war.

Eine Suite mit Doppelbett, schlicht aber gemütlich, zusammengeschlossen aus zwei ehemals kleinen Kabinen, thront im Unterdeck, vor ihrem Eingang stehen zwei weitere Kabinen ursprünglicher Größe mit Stockbetten bereit. Bei allen Kabinen wurde die Inneneinrichtung original restauriert.

Weiter südlich, im Franckviertel an der Wimhölzelstraße gelegen, an dem ein bogenförmiger Wohnriegel kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand, vereint das Pixel mit Garten eine ehemalige Arbeiterwohnung und ein Geschäft. Im vorderen Teil, der ehemaligen Verkaufsfläche und dem heutigen Wohnzimmer, parken links des Eingangs zwei Fahrräder, die den Gästen des Pixels kostenlos zur Verfügung stehen. Rechts davon gedeiht ein »Garten«, drei große Beete, dessen hohe Pflanzen zumindest etwas vor neugierigen Blicken durch das frühere Schaufenster schützen. Das Schlafzimmer befindet sich in der hinteren Ebene, leicht erhöht wie auch die Sanitärbereiche, die eine Überraschung bereithalten: eine scheinbar zufällig startende, kurze Ton- und Bildinstallation (je nach Benutzen der Lichtschalter einer rätselhaften Logik folgend) verweist auf das benachbarte, öffentliche »Tröpferlbad«. Gespenstisch huschen Stimmen durch den Raum und Zeichnungen über die Milchglaswand, die Badewanne und Minibarbereich trennt.

Abreisen und in Erinnerung bleiben

Aber noch weitere Kleinigkeiten bewirken, dass man als Gast nie das Gefühl hat, sich gerade in einem Hotel einquartiert zu haben. Der gewohnte Handtuchwechsel erfolgt nur auf Bestellung, der Internetzugang ist kostenlos, die Schränke halten Wärmflasche oder Bügeleisen bereit. Wer Espressomaschine oder Minibar nutzt, wirft das Geld einfach in eine kleine Kasse. Und gefrühstückt wird außer Haus wahlweise in einem von 13 Kaffeehäusern oder Lokalen, für die der Gast einen Gutschein erhält.

Da jedes Pixel sein eigenes, unverwechselbares Thema hat, ist in jedem die Atmosphäre »dicht«, in sich stimmig. Allerdings fallen die Pixel im Stadtraum nicht auf, es gibt keine Beschilderungen, Wegweiser oder Ähnliches. Man muss schon wissen, wo sie sich befinden, oder sie zufällig an ihrem kleinen Türschild entdecken. Bereits vor dem Kulturhauptstadtjahr 2009 waren zwei der Zimmer, das Pixel im Hof und das Pixel im Garten, fertig und dienten der Vorberichterstattung zu Linz 2009. Die frühe Medienaufmerksamkeit verhalf den Architekten zu einem gewissen Bekanntheitsgrad und brachte sie in eine glückliche Lage: Sponsoren mussten nicht mehr lange gesucht werden, sondern traten von selbst mit Angeboten an sie heran.

Doch auch wenn die Besucherzahl gegenüber 2009 leicht zurückgegangen ist, liegt die Auslastung (von 60 auf derzeit rund 37 %) noch immer in einem für das Hotelgewerbe üblichen, guten Bereich. Ohnehin werden weitere Lokalitäten gesucht und geprüft, derzeit ist von einem weiteren Pixel in einem Spitzboden die Rede. Den Namen Pixel Hotel haben sich die Architekten längst schützen lassen, auch wenn sich das Hotelkonzept als solches nicht patentieren lässt und es z. B. in Italien bereits seit Jahren mit den bereits weit verbreiteten »alberghi diffusi« ein ähnliches gibt. Weitere Nachahmer sind aber auch wünschenswert, denn Gebäudetypen und Nutzungen »neu zu denken«, sie an veränderte Zielgruppen anzupassen, und gleichzeitig kreativ mit Leerstand umzugehen, liegt nicht darin die Zukunft?

db, Mi., 2010.12.01



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PIXEL HOTEL



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03. März 2010Christine Fritzenwallner
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Zimmer mit Zeichen

»Wie ein Spielzeug, von dem man noch nicht weiß, was man alles damit machen kann« – äußern sich die Bürger im Magdeburger Stadtteil Salbke über ihre erfrischend pfiffige Außenraumgestaltung inklusive einer Freiluftbibliothek als Dependance zur »Festbibliothek«. Die Aussage passt zu der experimentellen Stadtmöblierung, die viele Funktionen aufzunehmen vermag und bei deren Gestaltung die Bürger in hohem Maße mit einbezogen wurden. Ein vielversprechendes, wegweisendes Projekt mit ungewöhnlichen Materialien und Kontrasten.

»Wie ein Spielzeug, von dem man noch nicht weiß, was man alles damit machen kann« – äußern sich die Bürger im Magdeburger Stadtteil Salbke über ihre erfrischend pfiffige Außenraumgestaltung inklusive einer Freiluftbibliothek als Dependance zur »Festbibliothek«. Die Aussage passt zu der experimentellen Stadtmöblierung, die viele Funktionen aufzunehmen vermag und bei deren Gestaltung die Bürger in hohem Maße mit einbezogen wurden. Ein vielversprechendes, wegweisendes Projekt mit ungewöhnlichen Materialien und Kontrasten.

Zugegeben: Von einer Freiluftbibliothek zu sprechen, scheint übertrieben. Zumindest weckt der Begriff Assoziationen, die sich sowohl im Magdeburger Stadtteil Salbke als auch aufgrund des (qualitativen) Bücherangebots wohl kaum halten lassen. Geisterstadtartig wirkt die Umgebung um das als »Lesezeichen für Salbke« bezeichnete Projekt, das aber tatsächlich ein Signet ist. Zeichenhaft ist die Außenraumgestaltung allein schon aufgrund der großen Raumstruktur, die zum Blickfang wird: ungewöhnlich, irritierend, neugierig machend, wohltuend unkonventionell und radikal – gerade an diesem Ort, der Zeiten jahrelangen Einwohnerrückgangs hinter sich hat. Das Projekt ist also auch ein Zeichen der Hoffnung, ein Versuch des Zusammenhalts, ein Symbol für Vertrauen in das Engagement der Bürger und für sinnstiftende und gelungene Bürgerbeteiligungen. Als neues »Village Icon«, so die Architekten, soll es den Aufbruch des Stadtteils nach Jahren starker demografischer Schrumpfung signalisieren. Um die hohe Symbolkraft zu verstehen, lohnt ein Blick in die Entstehungsgeschichte.

Zeiten des Umschwungs – Zeichen des Aufschwungs?

Salbke bis Mitte der 70er Jahre: Eine Stadtteil-Bibliothek von Magdeburg steht auf dem Grundstück zwischen der Straße Alt Salbke und Blumen-berger Straße, sie brennt um 1980 aus, fünf Jahre später wird der Bau ab-gerissen. Salbke bis Anfang der 90er Jahre: Noch reihen sich viele kleine Geschäfte wie etwa eine Bäckerei und Fleischerei, ein Café, Foto- und Lebensmittelladen entlang der Straße. Salbke zehn Jahre später: Leerstand ringsum, gespenstische Öde, Bretterverschläge, leere Schaufenster. Parallel zum Einwohnerrückgang haben auch die Geschäfte dicht gemacht. Doch dann beschäftigen sich die Büros »Architektur+Netzwerk« aus Magdeburg und KARO (Kommunikation, Architektur, Raumordnung) im Rahmen eines ursprünglich geplanten IBA-Projekts, das die Neugestaltung diverser Brachflächen vorsah, mit dem Grundstück und dem Ort. KARO, ein vor elf Jahren in Leipzig aus zwei Architekten und einem Maschinenbauer/Innenarchitekten entstandenes Team, ist gleichzeitig Gründungsmitglied von »L21« – einer Gruppe von (Leipziger) Architekten, die sich mit urbanen Transformationsprozessen befasst. Man ahnt also schon: Frischer Wind kam auf. Zur Elbe hin war ein »Wasserzeichen« erdacht, in der Ortsmitte von Salbke ein »Lesezeichen«. Aus dem IBA-Projekt wurde nichts, wohl aber aus der Idee, das Lesezeichen an die Stelle der abgebrannten Bibliothek zu setzen.

Geglücktes Brainstorming

Eine Ausschreibung des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung zur Suche nach Modellvorhaben führte dazu, dass die Abteilung Experimenteller Städte- und Wohnungsbau das Projekt mit seiner finanziellen Unterstützung überhaupt erst möglich machte. Und um, so Stefan Rettich von KARO, von Anfang an bei den Einwohnern Signale zu setzen, dass wirklich die ernsthafte Absicht bestand, etwas zu bewegen, wurde ein Workshop ins Leben gerufen. Die Vorschläge bei der Ideensammlung gingen bis hin zu übereinandergestapelten Telefonzellen, in denen man bei Regen sitzen und lesen könne. Und führten zu einem »grünen Wohnzimmer«, das geschützt vor Straßenlärm eine Ruhezone im Stadtteil bieten soll. Ein aus dem Workshop hervorgegangenes Team – u. a. mit Mitgliedern des Bürgervereins, Musikern aus einem Jugendclub, der Grundschul-Direktorin und dem Pfarrer – war schließlich erheblich in den Planungsprozess integriert. Zunächst entstand 2005 eine eintägige Installation mit gestapelten Bierkästen, die das spätere Volumen bereits andeutete.

Hortenkacheln mit Zulassung im Einzelfall

Erst vier Jahre danach, im Juni 2009, war Einweihung des neuen Stadtmöbels mit einer zur Hauptstraße hin eigentümlichen Fassade. Wer eine der historischen Horten-Warenhausfassaden aus den 60er Jahren kennt, fühlt sich gleich erinnert: Das prägnante Erscheinungsbild stammt tatsächlich aus sogenannten Hortenkacheln – jenen Fassadenelementen aus Aluminium (selten auch aus Keramik-Formteilen), die, zahlreich aneinander gereiht, noch heute in ihrer modernistischen Ornamentik rund 300 Kaufhausfassaden zieren. Aus solch einer, genauer von einem 2007 in Hamm abgerissenen Bauwerk, stammen auch die hier verwendeten Recyclingmaterialien. Für sie lag allerdings keine Bauteilzertifizierung vor. Die daher notwendige Materialprüfung ergab, dass die Alu-Formteile mitsamt ihrer Unterkonstruktion und ohne weitere Verstärkungen eingebaut werden konnten. Nur mussten sie aufgrund von Auskreidungen entlackt und mit einer neuen Pulverbeschichtung versehen werden. Die alte Fassade ist nun an Fuß- und Kopfpunkt über Stahllaschen an ihrem neuen Stahltragwerk befestigt, die den kleinen Platz zur Hauptstraße hin L-förmig abschottet.

Bemerkenswert offen

Nach außen sind in die Kachelfassade Schaukästen für Vereinsinformationen integriert. Zum Platz hin mit seiner Sitzinsel, der Rasenfläche und den zwei noch kleinen Bäumchen (schmalblättrige »Raywood«-Eschen) ist das Erscheinungsbild der Fassade mit vertikalen Lärchenholzlatten hingegen »weich«. An dieser Seite umfasst das Stadtmöbel eine 30 m lange Sitzbank und eine kleine Bühne, die für diverse Veranstaltungen genutzt werden kann. Gleichzeitig beherbergt der Wandaufbau zwei »Leseinseln« mit je einer Öffnung aus grün gefärbtem Verbundsicherheitsglas und 13 unverschlossene gläserne Büchervitrinen in einem Aluminiumrahmen, deren Inhalts sich jeder Besucher bedienen kann – ohne Bibliothekar, ohne Leihnummer, ohne Leihfrist – Vertrauensbasis. Gesammelt hat der Bürgerverein inzwischen ohnehin so viele Bücher, dass man nicht mal unbedingt aufs Zurückbringen angewiesen ist.

Doch den immensen Wohnungsleerstand zumindest entlang der Hauptverkehrsstraße und Trambahnstrecke spürt man spätestens bei Anbruch der Dunkelheit. (Zu) wenige Lichter dringen aus den umliegenden Häusern, und als hätte das Lesezeichen ebenso »aufgegeben«, wird es bei Dunkelheit in seiner ursprünglich geplanten Art nur noch bei besonderen Anlässen beleuchtet. Der Grund dafür ist allerdings ein einfacher: Obwohl das derzeit energieeffizienteste Leuchtmittel eingesetzt wurde – LEDs, die das Bauwerk von innen heraus zum Leuchten bringen sowie Bewegungsmelder, die verschiedene Lichtszenen abspielen –, verbraucht der zugehörige Industrierechner zur Steuerung unverhältnismäßig viel Strom – und dessen Kosten trägt laut Nutzungsvereinbarung mit der Stadt der Bürgerverein. So hat man sich kurz vor Weihnachten zumindest für nachträglich installierte Lichterketten als Grundbeleuchtung des großen »Ls« (in der Queransicht) entschieden, die nicht mit dem Steuerungsrechner verbunden sind.

Ein weiterer Wermutstropfen ist der südliche Bereich des Platzes. Ein geplanter Baumhain wurde aufgrund von Kostensteigerungen um etwa 25 000 Euro (v. a. wegen des erhöhten Stahlpreises) und den daher in anderen Bereichen notwendigen Kosteneinsparungen nicht realisiert. Die Süd-West-Seite fällt so gestalterisch etwas ab, zwei Glascontainer bilden das optische Ende. Dem Gesamtkonzept aber schadet das nicht.

Bühne frei!

Zumal der neue Außenraum gut ankommt: »Vorher war hier nichts, nur Gestrüpp«, konstatiert eine Einwohnerin, »die haben sich schon was einfallen lassen!« Und fügt hinzu, dass das »Lesezeichen« dennoch überwiegend von Jugendlichen genutzt wird. Lesen könne sie schließlich auch zuhause auf dem Hof. Man mag ihr unvermittelt Recht geben, schließlich kann man sich tatsächlich ruhigere Orte zur Lektüre vorstellen. Die Art der aktuellen Nutzung verraten die ersten Kritzeleien auf den Holz- und Glasflächen und herumliegende Kekse einschließlich einer noch nicht leeren Verpackung – in einer der Büchervitrinen, wohlbemerkt. »Das hier überhaupt noch Bücher stehen!«, erstaunt eine Besucherin, die die neue Ortsmitte zum ersten Mal sieht. Doch bislang gab es erst einen »richtigen« Vandalismusschaden vergangenen Dezember, der eine demolierte, inzwischen aber schon wieder neue Glasscheibe bedingte. Einer weiteren »Inbesitznahme«, zumindest durch ungewollte Graffitis, wurde bereits vorgebeugt: Die Sockelbereiche des Stadtmöbels aus Stahlbeton-Fertigteilen durften Sprayer selbst gestalten – eine, wie sich bei immer mehr Projekten zeigt, wirkungsvolle Maßnahme. Dafür wurde ein Wettbewerb unter allen Jugendlichen aus Magdeburg veranstaltet, die ihre »tag«-Entwürfe – einzige Vorgabe: in weiß, schwarz und chrom – einreichen konnten.

Das Gelingen und Bestehen des Experiments »Lesezeichen und Stadtregal« wird sich erst nach Jahren abzeichnen. Aber schon jetzt ist klar: Eine derart ambitionierte Idee ist mit Wunschdenken verbunden. Und wenn auch mehr Grünanlage und Platzgestaltung als ernsthafte Büchereinutzung, ist es neben der Signalwirkung ein famoses Angebot an die Bürger, schließlich steht die Bühne jedem offen – auch der Stadt Magdeburg, die sie laut Bürgerverein bislang noch nicht zu Nutzen versteht. Für den Stadtteil Salbke zeigt sich aber bereits der Nutzen über das zuvor Beschriebene hinausgehend: die Aufwertung des Viertels, die den Immobilien ringsum wieder etwas mehr Attraktivität verleihen und zu Sanierungen führen könnten.

db, Mi., 2010.03.03



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Presseschau 12

05. Dezember 2016Christine Fritzenwallner
db

Räume zum Atmen

Eine alte Skifabrik und Lagerhalle mit wenigen finanziellen Mitteln so umzubauen, dass eine barrierefreie Wohneinrichtung entsteht, in der zehn intensivpflegebedürftige Kinder sowie alles medizinisch Notwendige für sie und noch dazu zwei Familienapartments Platz finden – das kann für manchen schon Herausforderung genug sein. Dass dabei aber nicht einmal eine Krankenhaus- oder Pflegeheimatmosphäre entsteht, ist dem Gespür und außergewöhnlichen Engagement der Planer und Initiatoren zu verdanken.

Eine alte Skifabrik und Lagerhalle mit wenigen finanziellen Mitteln so umzubauen, dass eine barrierefreie Wohneinrichtung entsteht, in der zehn intensivpflegebedürftige Kinder sowie alles medizinisch Notwendige für sie und noch dazu zwei Familienapartments Platz finden – das kann für manchen schon Herausforderung genug sein. Dass dabei aber nicht einmal eine Krankenhaus- oder Pflegeheimatmosphäre entsteht, ist dem Gespür und außergewöhnlichen Engagement der Planer und Initiatoren zu verdanken.

Mancher Leser mag auf den ersten Blick, was die Auswahl dieses Projekts betrifft, vielleicht irritiert sein, entspricht das äußere Erscheinungsbild doch eher weniger den sonst üblichen Sehgewohnheiten und nüchterneren Ansichten im Redaktionslieblinge-Heft. Aber dieses Gebäude mit den Maßstäben klassischer Architekturkritik zu beurteilen, wäre ohnehin nicht angebracht. In einem Haus für Kinder, die dauerhaft auf den Rollstuhl, künstliche Beatmung und damit permanent auf die Hilfe anderer angewiesen sind, bestimmen andere Themen den Lebensalltag: Wo überall werden barrierefreie Bereiche benötigt? Wie müssen sämtliche Räume beschaffen und ausgestattet sein, um den hier beschäftigten 34 Vollzeitkräften (für zehn Kinder und Jugendliche von 0-18 Jahren) die Arbeit zu erleichtern? Können die Eltern ihren Kindern kurzzeitig oder bei Bedarf auch längerfristig räumlich nahe sein? Aber v. a. auch: Kann man überhaupt den medizintechnischen Anforderungen gerecht werden, ohne Assoziationen zu einem Krankenhaus oder Pflegeheim hervorzurufen?

Vom Dornröschenschlaf zum »Luftikus«

Man kann. Dass bei all diesen Fragen das Atmosphärische und die Ästhetik nicht zu kurz kamen, ist hauptsächlich Birgit Stiletto zu verdanken. Die ausgebildete Krankenpflegerin und studierte Innenarchitektin war es, die das ­Projekt Luftikus ins Leben gerufen hat. Gemeinsam mit ihrem Mann, einem Kinderneurologen und »Impulsgeber«, so Birgit Stiletto, gründete sie zunächst einen Verein und machte eine Bedarfsanalyse in ganz Deutschland: ­Damit ließ sich die in den vergangenen Jahren aufgrund des medizinischen Fortschritts zunehmende Anzahl von Kindern abschätzen, die nach Unfällen oder z. B. durch eine problematische (Früh-)Geburt zwar am Leben erhalten, aber nicht selbst atmen und essen können und intensivpflegebedürftig sind. Der damals einzigen Einrichtung in Baden-Württemberg für beatmete Kinder wollten sie schließlich eine weitere hinzufügen, und so suchten sie im Schwarzwald nach einem geeigneten Grundstück und Bauwerk zur Umnutzung: Geeignet v. a. insofern, als dass es viel ebenerdige Freifläche bietet, um auch eine rollstuhlgerechte Gartenanlage zu schaffen und im ­Innern wenige bauliche Hürden bezüglich Barrierefreiheit entstehen.

Eine ehemalige Skifabrik, die zuletzt nur noch als Lagerhalle für Landmaschinen diente und schließlich leer stand, erschien hierfür passend. Nach der Gründung des Vereins Luftikus gelang es der Bauherrin, Klaus ­Günter von Partner und Partner Architekten, die in der Umgebung bereits ­einige beachtenswerte Bauten mit Holz realisiert hatten, hinzuzuziehen. Beide waren sich von Anfang an einig: Von dem idyllisch oberhalb des Ortskerns gelegenen, scheinbar in einen »Dornröschenschlaf« verfallenen Gebäude, so Günter, ­sollte möglichst viel erhalten bleiben und mit vorwiegend natürlichen Baustoffen ergänzt werden. Nur der Bauzustand der früher in Teilen errichteten Fachwerkfabrik machte einen Strich durch die Rechnung: zu marode die alte Konstruktion im zur Straße hin befindlichen Gebäudeteil, zu unwirtschaftlich und teuer seine Erhaltung und noch dazu ein unterirdischer, wenn auch versiegelter Bachlauf ... Der vordere Teil zur Straße hin wurde schließlich neu ­errichtet. Im hinteren, südlichen Teil zeigt sich indes noch die alte Bausubstanz mit dicken Stützen vor den neu davor errichteten Wänden. An seiner Frontseite wurde ein Teil der Fassade neu verschindelt; zusammen mit der dunklen, durch die Sonne gealterten Holzschalung darüber und der sicht­baren alten Fachwerkwand daneben verleihen sie der vorgelagerten Terrasse Charme und ­Atmosphäre.

Die anderen Fassadenseiten ebenfalls zu verschindeln, wie im früheren Zustand, hätte jedoch die Kosten erheblich in die Höhe getrieben – was sich ­hinsichtlich der vielen beteiligten Spendengeber nicht verantworten ließ. ­Bezüglich der nun gewählten, vertikalen Fichten- und Tannenholzschalung orientierten sich die Planer an alten Wirtschaftsgebäuden in der Umgebung mit ­ihren Boden-Deckel-Schalungen unterschiedlicher Breiten. Sie hellbeige zu lackieren, ist zwar ebenso ortstypisch, lässt diese Fassaden aber gegenüber der Südfront unnatürlicher erscheinen. Trotzdem: Hell und freundlich sollte sie auf Besucher und Bewohner wirken, und das tut sie.

Gelungene Kombinationen

Ursprünglicher wird es dafür wieder im Innern: Hier zieht sich im EG der alte aus dem DG ausgebaute Dielenboden als Deckenuntersicht und in Funktion einer Akustikdecke durch die breiten Gänge. Auch wurden alte Türen ausgebaut, restauriert und an anderen Stellen wieder eingebaut, ein alter Schlitten, Skier und die alten Letter der Skifabrik-Morlok als Decken-/Wanddekoration eingesetzt und auf Flohmärkten gesammelte, bemalte Bauernschränke sparsam den Räumen hinzugefügt.

Und etwas »Luxus«, so Stiletto, konnte man dennoch verbauen: Etwa die teils gespendeten Douglasie-Massivholzdielen oder (nun dreifachverglaste) Holzsprossenfenster. Auch weitere, hochwertige Materialien wie z. B. die Einblasdämmung aus Holzfasern, Armaturen, Beschläge oder Leuchten wurden, wenn nicht gespendet, dann von Firmen rabattiert zur Verfügung gestellt. So auch die Farben, die Stiletto mit gutem Gespür zu einem ausgewogenen Farbkonzept kombinierte: pastellene Farbflächen in Lindgrün oder in kräftigerem Grün, etwa im Klangraum im UG, wechseln mit hellblauen Oberflächen und Tapeten oder auch mit einem mittleren Blau (Familienapartment im OG) und ergänzen die erdig-warmen Grundfarbtöne der restlichen Wände und Decken.

Allein das Aufzuginnere sticht in grellem Weiß hervor – noch, denn das will die Innenarchitektin von einem Künstler überarbeiten lassen. Sie war es auch, die darum kämpfte, dass nicht nach Krankenhausverordnung ausgeführt werden musste. Daher wirken die Kinderzimmer, trotz aller notwendigen Medizintechnik (die auf den Architekturfotografien nicht zu erkennen ist), und das gesamte Haus wohnlich und behaglich. Sämtlichen Apparaturen für die Beatmungstechnik, Notleuchten usw. konnte sie durch die Auswahl des Mobiliars »starke Kontraste« entgegensetzen. Ein Glück, dass es auch Pflegebetten aus Holz gibt, deren Rausfallschutz folglich nicht aus den von anderen Kinderkrankenstationen bekannten, gefängnisartig anmutenden Gittern besteht. Dass allein ein solches Bett jedoch mit über 5 500 Euro zu Buche schlägt, verdeutlicht, wie sehr man bei dem zu ca. 40 % spendenfinanzierten Projekt auf karitative Zuschüsse, ­Privatspenden größerer und kleinerer Institutionen und auch Eigenleistungen in Form unbezahlter Arbeitseinsätze angewiesen war – etwa einer Vereinigung von Raumausstattern, die einen Tag lang das ganze Haus einkleidete.

Hoch war aufgrund des Patientenüberwachungssystems auch der Aufwand für die zahlreichen Elektro- und Datenleitungen, die wegen der hohen Brandschutzauflagen bei sämtlichen Durchführungen und Brandschutzschotts besonders berücksichtigt werden mussten.

Herz und Seele

Während im UG u. a. Therapieräume und Nebenräume für das Personal vorhanden sind, befinden sich im OG hauptsächlich zwei rund 70 m² große Familienapartments, auch hier mit je einem Pflegebett für Kinder in Kurzzeitpflege. In diesen beiden Etagen, genauer im Keller und im Dach des alten Gebäudeteils, birgt der Luftikus noch Ausbaupotenzial. Das voll ausgebaute EG hingegen beherbergt sämtliche Patientenzimmer – zwei als Doppel- und die restlichen als Einzelzimmer konzipiert –, Bereitschaftszimmer, Bäder und schließlich das Herz des Ganzen, die gute Stube: In der ehemaligen alten Werkhalle bot es sich an, einen großen Essraum mit angeschlossener, offener Küche und vorgeschaltetem Wintergarten zu schaffen – in dessen abgehängter Sofaschaukel alle Insassen, ob klein oder groß, die Seele baumeln lassen können.

Anerkennung

Wie kann ich meinen Angehörigen trotz Krankheit und Behinderung das ­Leben noch so angenehm und erträglich wie möglich machen? Wo würde ich selbst im pflegebedürftigen Alter leben wollen? Mit solchen Fragen, die die meisten Menschen so lange es geht vor sich herschieben, sind jene Eltern konfrontiert, deren Kinder nun im Luftikus ihr Zuhause haben. Diesen Familien, deren prekäre Lebenssituation sich ohnehin nicht in wenigen Worten beschreiben lässt – die emotionale Seite für jene, die ihr Kind hier komplett in die Obhut anderer übergeben müssen, weil sie es alleine nicht betreuen können, einmal ganz außen vorgelassen –, bietet der Luftikus etwas Trost: indem die sonst gewohnte Krankenhausatmosphäre fast schon einer Urlaubsatmosphäre im »Wohlfühlhotel« weicht. Das bedeutet: Durchatmen für die Eltern. Kraft schöpfen. Sich zuhause fühlen, wenn ein Zuhause im klassischen Sinn nicht mehr möglich ist. Und als Außenstehende jenen Menschen Respekt zollen, die das Projekt mit derlei Eigeninitiative, Engagement oder Spenden überhaupt erst ermöglicht haben.

db, Mo., 2016.12.05



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02. Dezember 2013Christine Fritzenwallner
db

Heimvorteil

Bregenz, von den meisten Besuchern wegen seiner Seebühne als Reiseziel geschätzt und von Architekturtouristen v. a. aufgrund des Kunsthauses von Peter Zumthor besucht, ist um ein Kleinod reicher: das neue »vorarlberg museum«. Seine Architekten haben bei ihrer bislang größten Bauaufgabe erneut ihr Können unter Beweis gestellt – Alt und Neu sind in adäquater Weise miteinander verwoben und werten die städtebauliche Situation massiv auf.

Bregenz, von den meisten Besuchern wegen seiner Seebühne als Reiseziel geschätzt und von Architekturtouristen v. a. aufgrund des Kunsthauses von Peter Zumthor besucht, ist um ein Kleinod reicher: das neue »vorarlberg museum«. Seine Architekten haben bei ihrer bislang größten Bauaufgabe erneut ihr Können unter Beweis gestellt – Alt und Neu sind in adäquater Weise miteinander verwoben und werten die städtebauliche Situation massiv auf.

2008 saß Andreas Cukrowicz als Teilnehmer der Bregenzer Tri-Veranstaltung am Mittagstisch im Festspielhaus und verwies bei der Frage, welche Projekte sein Büro bearbeite, u. a. auf den gerade gewonnenen Wettbewerb für das neue Vorarlberger Landesmuseum. Eine große Bauaufgabe für ein noch junges und außer in Vorarlberg noch weitgehend unbekanntes Büro! Genau dieses gewann nun also den europaweit ausgeschriebenen, zweistufigen Wettbewerb und setzte sich gegen zahlreiche namhafte Büros durch. Fünf Jahre später haben Cukrowicz Nachbaur Architekten ihre bislang größte Bauaufgabe bravourös gemeistert. Was sie hierbei bewältigten, hat gegenüber ihren bisherigen Bauten ein deutlich stärkeres Gewicht – was sich schon allein an der medialen Aufmerksamkeit ablesen lässt, die in den vergangenen Monaten in großen Wellen über den Bodensee schwappte.

Knick in der Optik

Wettbewerbsvorgabe war, dass die Fassade des denkmalgeschützten Verwaltungsbaus der ehemaligen »Bezirkshauptmannschaft« im Norden beibehalten werden sollte, sein Kern durfte für die Umnutzung zum Museum verändert und bis zur Höhe des benachbarten Theaterturms aufgestockt werden. Das 1857 gegründete und 1905 am Kornmarkt eröffnete Landesmuseum aber, im Süden an die Rückwand des Verwaltungsbaus »geklatscht« und um 1950 unsensibel verändert, sollte abgerissen werden – für eine Weiternutzung als Museum kam es nicht mehr infrage. An seiner Stelle konnte ein Neubau entstehen. Nahezu als Einzige haben Cukrowicz Nachbaur aber bei der Erweiterung nicht wieder den Umriss des vorherigen Museums nachgezeichnet und so die vermeintliche Blockrandbebauung fortgeführt, sondern den Neubau mit einem leichten Fassadenknick angeschlossen. Auf diese Weise entstand auf dem trapezförmigen Baugrundstück keine Ecke in Form eines spitzen Winkels, die den Kornmarkt stadträumlich weiterhin von der Seepromenade isoliert hätte. Im Gegenteil: Nun öffnet sich der Platz und gibt sich bereits von der Seepromenade aus Spaziergängern zu erkennen. Dass seine schlichte und doch attraktive Außenraumgestaltung, mit drei Baumgruppeninseln und einem fugenlosen beige-gelblichen Asphalt, dabei gut zum neuen Museum, aber auch zum bestehenden Bodenbelag der Seepromenade passt, ist einer Arbeitsgemeinschaft aus Baumschlager Hutter, Hörburger, Kuëss und Vogt Landschaftsarchitekten zu verdanken.

Balanceakt

Wohl wissend nicht nur um die unglückliche städtebauliche Situation des früheren Landesmuseums, sondern auch um die differenzierte Wirkung der historischen Verwaltungsbaufassade, haben die Architekten ihren Heimvorteil gekonnt ausgespielt. Ohne dass das neue Museum nun in drei Einzelkörper zerfällt – laut Projektleiter Stefan Abbrederis planten viele Wettbewerbsteilnehmer eine klare Fuge zwischen Alt und Neu –, sind Erweiterung und Aufstockung zwar zu erkennen, verbinden sich aber mit dem Altbau v. a. farblich zu einem einheitlichen Ganzen. In vertikaler Richtung endet die von unten nach oben schlichter werdende Ausgestaltung der denkmalgeschützten Fassade bei der Aufstockung in einer neutralen, sich zurücknehmenden, ja fast kargen Fläche. Sie wirkt wie eine feine Putzfassade, besteht aber aus weiß pigmentiertem und hydrophobiertem Beton. Lediglich eine horizontale Linie, Vorsprünge, eine Fensteröffnung und zwei Inschriftenfelder akzentuieren sie in stimmig austarierten Proportionen. Die Hülle des Neubaus hingegen ist, wie auch die Altbaufassade, aufwendig plastisch gestaltet, wenngleich auf völlig andere Weise: Hier überzieht eine ornamentartige Fassadengestaltung die helle Betonhaut. Diese ist an der Eingangsfront ohne Bewegungsfugen ausgeführt, lediglich Schalungsfugen geben sich bei genauerem Hinsehen zu erkennen.

Freies Assoziieren

Was aber hat es nun mit den vielen hervorstehenden Punkten an der Erweiterung auf sich? »Sobald sich ein Besucher diese Frage stellt, hat man ihn schon gefangen«, erläutert Abbrederis. »Auf manche wirken sie wie Pudding- oder Sandkastenförmchen, auf andere wie eine Kletterwand, wiederum andere sehen Blüten und ein florales Muster darin. Die meisten kommen näher und fassen sie erst einmal an.« Tatsächlich aber sind es Abdrücke von PET-Flaschen, die die Hülle überziehen. Sie sind ein Teilbereich der Kunst am Bau, die hier glücklicherweise nicht additiv hinzugefügt, sondern stets gelungen in das Projekt integriert, ja sogar in Form eines bedruckten Baunetzes und einer temporären Ausstellung während der Baustelle in die Bauphase integriert wurde. Die ursprünglich im Wettbewerb formulierte Idee, Buchstaben an die Fassade zu applizieren, verwarfen die Architekten später zugunsten dieser, die mit Manfred Alois Mayr und Urs Beat Roth umgesetzt wurde. Die Fassadengestaltung hat nun zweierlei Bezug zum Museumsinhalt: Zum einen zeigt die Ausstellung auch römische Alltagskultur, die auch die Verzierung von Gefäßen und Tonscherben umfasst. Die Abdrücke in Form von Plastikflaschenböden sollen einen Brückenschlag in unsere Zeit bilden und, mit der Unterseite nach außen zeigend, auf das Innere verweisen. Zum anderen stehen sie durch ihre mannigfaltige Anordnung auf der Fassade für Druckstöcke, wie sie ebenfalls in der Ausstellung zu finden sind, und verweisen so auf das Textilhandwerk in Vorarlberg, früher ein großer Wirtschaftsfaktor. Dass diese beiden Interpretationen wohl von keinem Besucher erkannt werden, schadet der reizvollen Wirkung des Gebäudes jedoch nicht.

Tradition in neustem Standard

Durch die messingumrahmte Glastür – der Handgriff, der ein früheres Werkzeug abstrahiert darstellt, ist dabei das kleinste Kunst-am-Bau-Projekt –, ins Innere gelangt, findet man sich im großzügigen Foyer wieder. Hinter der Kasse fällt durch einen zum Himmel verglasten Luftraum Licht ins EG. Aufgrund seiner nackten, 23 m hohen Wände und Decke wirkt dieser »Lichthof«, der früher ein Innenhof war, jedoch recht kahl. »Wir haben die Flächen bewusst freigelassen, damit man sie für Projektionen nutzen kann«, erklärt Abbrederis. Folglich sind in die Brüstungsbereiche der Erschließungsgalerien, neben herausfahrbaren Brandschotts, Schienen und Installationsmöglichkeiten für Schweinwerfer integriert.

Hinter den Wänden des Lichthofs grenzt, für die Besucher nicht ersichtlich, im EG und 1. OG die Erschließung der Museumsverwaltung an, die im Altbau untergebracht ist. Wer in deren rückseitigem Eingangsfoyer das historische und um drei Stockwerke originalgetreu erweiterte Treppenhaus bewundern kann, mag vielleicht erstaunt sein, dass dieses Kleinod mit seiner hübschen Verglasung nicht für alle offensichtlich in den Lichthof eingebunden werden konnte. Stattdessen ist immerhin in der Ausstellung noch ein Stück vom Altbau erlebbar: Die Schotten zwischen den früheren Bürotüröffnungen konnten aus statischen Gründen nicht entfernt werden, folglich ist die alte Tragstruktur nun in den Ausstellungsbereich im 2. OG integriert. In dieser Ausstellungsebene finden sich, merkwürdig abstandslos in alphabetischer Reihenfolge aneinandergereiht, Kunstobjekt-Gruppen wie z. B. Architekturmodelle, Heiligenfiguren, Trachtenhauben oder Schwertknäufe (Bereich »buchstäblich vorarlberg«).

Ungeachtet dessen wirkt die Materialität und ihre Zusammenstellung in sämtlichen Bereichen sehr stimmig und exquisit, und das nicht nur optisch: Ein beige-brauner, 3 cm dicker, doppelt geglätteter Lehmputz, in sieben Arbeitsgängen aufgebracht, fühlt sich nicht nur haptisch gut an, er führt durch seine hygroskopische Wirkung v. a. auch zu konstantem Innenraumklima – ein Drittel der Gebäudelüftungstechnik konnte so eingespart werden, wie Simulationen im Vorfeld ergaben. Weitere Energieeffizienzmaßnahmen resultieren aus den Erdsonden, die über einen Solekreislauf und mittels Wärmepumpe die Bauteilaktivierung regulieren, und der eingesetzten Passivhaushaus-Bauweise. Des Weiteren bestimmt massives Eichenholz (sägerau als Fußbodenbelag, geräuchert bei Mobiliar oder bei Wand- und Deckenbekleidung in den Tagungsräumen der »bel étage«) die wohlige, farblich gedämpfte Atmosphäre, ebenso wie Messingbeschläge oder der fugenlose Bitumenterrazzo im Foyer. Dass trotz all dieser hochwertigen Materialien und ihrer hohen handwerklichen Umsetzung die Baukosten vermutlich (die Schlussrechnung steht noch aus) rund 2 Mio. Euro unter dem Budget bleiben konnten, ohne dass die Architekten Abstriche im Entwurf hinnehmen mussten, scheint fast wie ein Wunder.

Ausblicke und Einblicke

Die überwiegende Dunkelheit bzw. Introvertiertheit in den Ausstellungsbereichen von Vorarlbergs neuer Schatzkammer mag bedauerlich sein und in der Natur der Sache liegen. Wo aber Fensteröffnungen den Blick nach draußen gewähren – vom Tagungsraum im 1. OG über die großen Fensteröffnungen im Brigantium-Bereich (»Römer oder so«, 3. OG) und bei der »akustischen Reise durch Vorarlberg (»Sein und mein«, 4. OG) bis hin zur Verglasung im Treppenhaus –, sind sie wohlakzentuiert und proportioniert. Am überwältigendsten Panoramafenster indes läuft man zwischen den beiden Ausstellungsbereichen im obersten Geschoss fast vorbei, sofern die Aufseher nicht freundlich die Tür öffnen und zum Eintreten einladen: in einen komplett mit schwarzem Filz und Teppichboden ausgekleideten, dem Balg einer alten Kamera nachempfundenen Raum. Er ist wiederum eine Kunst-am-Bau-Idee, die der Wiener Künstler Florian Pumhösl zusammen mit den Architekten verwirklicht hat. Nichts, aber auch nichts, lenkt hier vom eigentlichen Kunstwerk ab: dem Bodensee und seiner Umgebung. Nur mit einer riesigen Fensteröffnung und einer Sitzbank versehen, kann man sich folglich ungestört am Blick auf das größte Ausstellungsstück des Museums berauschen. Einen gelungeneren »Abschluss« hätte man nicht finden können. Chapeau!

db, Mo., 2013.12.02



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05. Dezember 2012Christine Fritzenwallner
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Zwei in einem

Das »Ke 12«, ein Neubau in der Kemper Straße 12 in Memmingens Altstadt, sieht auf den ersten Blick nicht wie ein typisches Mietswohnhaus aus. Tatsächlich vereint es in seinem Innern aber zwei Einfamilienhäuser, deren Grundrisse geschickt ineinander verflochten sind und helle, in alle Himmelsrichtungen orientierte Räume offerieren. Mit seiner hofseitigen, dunklen Holzfassade passt es sich erstaunlich gut der umgebenden Bebauung an, auch wenn es mit seiner Formensprache die Kubatur des Vorgängerbaus neu interpretiert.

Das »Ke 12«, ein Neubau in der Kemper Straße 12 in Memmingens Altstadt, sieht auf den ersten Blick nicht wie ein typisches Mietswohnhaus aus. Tatsächlich vereint es in seinem Innern aber zwei Einfamilienhäuser, deren Grundrisse geschickt ineinander verflochten sind und helle, in alle Himmelsrichtungen orientierte Räume offerieren. Mit seiner hofseitigen, dunklen Holzfassade passt es sich erstaunlich gut der umgebenden Bebauung an, auch wenn es mit seiner Formensprache die Kubatur des Vorgängerbaus neu interpretiert.

»Bei dem Projekt handelt es sich um einen Neubau. Sollte es trotzdem für Sie interessant sein, können wir gerne Ihre Fragen beantworten.« Die Rückmeldung des Architekten auf ein paar Fragen zur »energetischen Sanierung« eines Wohnhauses in Memmingen, die sich im Zuge der Recherche unserer Novemberausgabe ergaben, überraschte. Und sie beschämte natürlich, hatten wir doch die Textzeilen neben den Bildern überlesen und schlichtweg angenommen, dass hier das alte Gebäude grundsaniert wurde. Unsere Fehlinterpretation geht jedoch auf eine der wesentlichen Qualitäten des Ersatzbaus zurück: Indem er die Kubatur des Vorgängerbaus, wenn auch vergrößert und mit deutlich erhöhtem Mansarddach, und die für Memmingens Altstadthäuser typische Giebelgliederung, wenn auch in verändertem Ausführungsstil, übernimmt, fügt er sich optisch in die Häuserzeile ein. Er wirkt nicht zwangsläufig neu, versteht sich nicht als Kontrast, wie man es von manch anderen Lückenschließungen kennt.

Gewöhnungsbedürftig

Der Denkmalschutz in Memmingen, der aufgrund der unter Ensembleschutz stehenden Altstadt bei Abriss- und Neubaugenehmigungen Mitspracherecht besitzt, sei da allerdings anderer Meinung, erklärte Architekt Alexander Nägele von SoHo beim Ortsbesuch. Aber auch die Baubehörde tat sich anfangs schwer mit der für sie fremdartig wirkenden Gestaltung. Die Architektursprache und -haltung von SoHo hatte sie bereits zwei Jahre zuvor kennengelernt, als das Büro auf dem Nachbargrundstück eine alte Schlosserei in ein Wohnhaus verwandelte. Dessen schlichte, würfelförmige Kubatur und dunkelbraune Holzfassade war für die Memminger Beamten mehr als gewöhnungsbedürftig. Nur mit Beharrlichkeit und dem Ausschöpfen aller baurechtlichen Möglichkeiten sowie einer aufgeschlossenen und mutigen Bauherrin im Hintergrund gelang es Nägele, seinen Entwurf wie geplant umzusetzen, d. h. den Wunsch eines Beamten nach einer Dachgaube zu ignorieren und die Holzfassade nicht mehr nachträglich, wie versprochen, zu weißeln. »Am Ende ging den Bauherren leider das Geld aus«, zwinkert Nägele. Doch ärgert er sich gleichzeitig über die »Perversion des Systems«, mit wie viel Energie und Ehrgeiz erst neue Architektur entstehen kann. Die Berichterstattung in der örtlichen Presse und rund 30 Leserbriefe konnten schließlich Angst und Unmut der Beamten etwas besänftigen, das »schwarze Haus« machte in positivem Sinne Furore, hatte beim »Tag der Architektur« insgesamt 1 000 Besucher – und brachte SoHo einen Folgeauftrag derselben Bauherrin ein: Nun sollten auf der Nachbarparzelle zwei zeitgemäße und große, hochwertige Mietwohnungen entstehen. Dafür allerdings war die Bausubstanz des Vorgängerbaus zu schlecht, der Grundriss zu verwinkelt, die Treppe an ungünstiger Stelle und die Raumhöhe schlichtweg zu gering. Der Abriss folgte.

Zum Hof und zum »schwarzen Haus« hin gewandt, ist die Fassade nun wiederum mit einer Holzschalung dunkelbraunen Anstrichs versehen. Die sägeraue Fichtenholzschalung passt sich so erstaunlich gut der umgebenden Bebauung an, deren rückwärtige Fassaden oder Dachgiebel vereinzelt ebenfalls von dunklen Holzschindeln oder -latten geprägt sind. Doch war es dieses Mal nicht die dunkle Hof-, sondern die u. a. in Sichtbeton geplante Lochfassade zur Straße hin, die in der Genehmigungsphase für – durchaus nachvollziehbare – Diskussionen sorgte. In diesem Fall überarbeiteten SoHo den Entwurf auch zu ihrer Zufriedenheit so, dass sich der dahinterliegende Grundriss nun deutlich weniger nach außen abzeichnet, sich ein ruhigeres Bild ergibt und ein dreifach gespachtelter Kalkzementputz aus Italien die Oberfläche »veredelt«. Die im Memminger Stadtbild typische Giebelgliederung wird insofern fortgeführt, als dass ein dezenter Versatz im Putz die Geschossigkeit des Hauses markiert.

Geschickt alternierend

Die eigentliche Besonderheit des Baus zeigt sich aber erst im Innern, das zwei »Einfamilienhäuser« in einem einzigen Neubau vereint und so laut SoHo »mitten in der Stadt alle Annehmlichkeiten des Wohnens auf dem Lande bietet«: Helle und flexible Wohnungen, die sowohl eine Terrasse, einen Balkon als auch eine Dachterrasse umfassen und zugleich in alle Himmelsrichtungen orientiert sind. Gelungen ist dies über ein geschicktes Ineinander-Verschachteln zweier Wohnungen, die zwar beide von der Straßenseite im Osten über zwei getrennte Eingänge erschlossen werden und sich ebenerdig bis zum Hof im Westen erstrecken, dann aber, nach oben, um 90 Grad gedreht wurden. Parallel zur innenliegenden Sichtbetontreppe sind sie so also pro Stockwerk mal zur Straßen- und mal zur Hofseite orientiert. Am deutlichsten wird der Gewinn des steten Richtungswechsels im 2. und 3. OG, wo die Bäder bzw. Dachterrassen zusätzlich von Süden oder Westen belichtet sind. Die Ebenen zur Straße hin, in dem beide Mieter ihre Schlafräume und Arbeitszimmer ansiedelten (1. bzw. 2. OG), kann sinnvollerweise in drei Achsen unterteilt werden, was sich nach außen im Bild des sogenannten Dreifensterhauses widerspiegelt.

Um die Akustik bestmöglich in den Griff zu bekommen – was gerade in Anbetracht der ineinanderverschachtelten beiden Wohnungen sinnvoll erscheint –, sind die Wände zwischen den Wohnungen und um das Treppenhaus herum in Beton und nur zu den Nachbarhäusern in Mauerwerk ausgeführt. Das oberste Geschoss, das nach außen zwar ein klassisches Mansarddach nachzeichnet, dessen Kniestock aber erst bei rund 1,50 m beginnt und so im Innern mehr Raum bietet, ist als Holztragwerk konstruiert.

Gewollte Rauigkeit und Robustheit

Außer bei der Sichtbetontreppe sowie im Eingangsbereich, wo ein Zementestrich den Boden überzieht, und in den entweder grün, braun, schwarz oder weiß gefliesten Bädern sind die Bodenbeläge aus unbehandelten Bohlen aus Weißtanne. Sie enden mit 1 cm Abstand zur Wand in einer offenen Schattenfuge. Eine solche Anmutung und einfache Ausführung mag nicht jedermanns Sache sein. So war auch die meistgestellte Frage am »Tag der Architektur« die der Fußbodenreinigung. »Man kann die Flecken ganz altmodisch mit Seifenwasser und Bürste entfernen«, erklärt Nägele, der inzwischen selbst in einer der beiden Wohnungen lebt. Für ihn gehören Schrammen und Flecken jedoch dazu, und so stört es ihn auch nicht, wenn der Boden deutliche Gebrauchsspuren zeigt, oder dass Ecken bereits ein paar Macken und die Fassade in den Fensterlaibungen schon einen deutlichen Grauanteil aufweisen. Wichtiger ist ihm die Behaglichkeit im Innenraum, und die spürt man deutlich: Selbst am winterlichen Herbsttag im Oktober musste noch nicht geheizt werden – durch die dreifachverglasten, großen Fenster nach Osten und Westen fällt viel Licht und Sonne in die Räume, deren Wärme die 49 cm dicken Wände aus dämmenden Mauerwerkssteinen im Innern halten. Eine kleine Öffnung nach Süden im Essraum der einen und ein Oberlicht in der anderen Wohnung verstärken die angenehme Innenraumatmosphäre. Weiße Einbaumöbel wie eine große Schrankwand im Schlafzimmer oder die offene, fein gegliederte Küche tun ihr Übriges.

Gespannt beobachtet Nägele die Baustelle schräg gegenüber, wo ein ortsansässiges Bauunternehmen einem derzeitigen Rohbau bereits auch ein großes, quadratisches Fenster verpasst hat. Ob sich nun also im Viertel Nachahmer seiner zunächst umstrittenen Architektur finden?

db, Mi., 2012.12.05



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db 2012|12 Redaktionslieblinge

01. Oktober 2012Christine Fritzenwallner
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Eine Frage der Balance

Wie stellt man sich die Arbeitsräume eines der renommiertesten Büros für Tragwerksplanung und Ingenieurbau vor, das sich seit Jahrzehnten durch leichte und weitgespannte Konstruktionen verdientermaßen einen Namen macht? Vermutlich eher kühl, hochtechnisiert, schlicht auf das Funktionelle beschränkt. Umso mehr überrascht es, auf ein »weiches« Ambiente zu stoßen, in dem vielerlei Materialien und Farben für Lebendigkeit sorgen, eine angenehme und gemütliche Wohnzimmeratmosphäre versprühen und gar ein rosa Teppich seinen Platz findet.

Wie stellt man sich die Arbeitsräume eines der renommiertesten Büros für Tragwerksplanung und Ingenieurbau vor, das sich seit Jahrzehnten durch leichte und weitgespannte Konstruktionen verdientermaßen einen Namen macht? Vermutlich eher kühl, hochtechnisiert, schlicht auf das Funktionelle beschränkt. Umso mehr überrascht es, auf ein »weiches« Ambiente zu stoßen, in dem vielerlei Materialien und Farben für Lebendigkeit sorgen, eine angenehme und gemütliche Wohnzimmeratmosphäre versprühen und gar ein rosa Teppich seinen Platz findet.

Stärker hätte der Kontrast kaum sein können. Der Umzug aus zwei prachtvollen alten, aber für die Belegschaft zu klein gewordenen Villen, am Hang der Stuttgarter Karlshöhe gelegen, hin zu einem urbanen, lauten Verkehrsknotenpunkt im Westen der Stadt, ging im Sommer letzten Jahres über die Bühne. Dass dabei das Büro vom vorherigen Standort gerade einmal 1 km entfernt ist, ändert nichts an der Umstellung, die sich für die rund 100 Mitarbeiter ergab. War man früher von Grün umgeben und abgeschieden vom städtischen Trubel, flankieren nun zahlreiche Geschäfte das Büro, mehr noch: Man sitzt direkt über einem bis Mitternacht geöffneten Supermarkt und kann eine Ebene tiefer zur S-Bahnstation abtauchen. Teilte man sich zuvor hinter dicken Wänden mit ein bis drei Mitarbeitern ein Zimmer, arbeitet man nun überwiegend in Gruppenbüros, die trotz niedriger Deckenhöhe dank raumhoher Verglasungen luftig wirken. Statt wie früher das Haus verlassen zu müssen, um die Kollegen im rund 200 m entfernten Nachbargebäude zu treffen, geht es nun schneller und je nach Wetterlage trockener. Und erst recht für die für jeden Morgen angesetzten kurzen Kaffeepausen zum Austausch oder den wöchentlichen Jour fixe um 10 Uhr muss sich keiner mehr in die letzte Ecke quetschen – nun ist ausreichend Platz für alle.

Vertrauen in den Architekten

Mit der Gestaltung ihrer neuen Räume haben die weltweit agierenden Ingenieure schlaich bergermann und partner das ebenso bekannte Büro für Architektur und Kommunikation Ippolito Fleitz beauftragt. Wohl wissend, auf deren Gefühl für Farben und Raumwirkung vertrauen zu können, das diese in jedem ihrer individuell auf den Kunden zugeschnittenen Raumgestaltungen unter Beweis stellen. Doch während sich sonst stärker eine Konzeptidee aus deren Projekten ablesen lässt, stand hier »nur« die spätere Raumwirkung im Vordergrund. Es sollte »etwas Lebendiges werden, und natürlich sollten die Markenwerte wie Präzision, Zuverlässigkeit und Strukturiertheit transportiert werden«, erklärt Peter Ippolito, »und es durfte nicht zu straight sein« – aber das waren schon die wenigen Vorgaben von schlaich bergermann und partner.

Dessen einziges, klar und deutlich in Erscheinung tretendes Corporate IdentityElement findet sich bereits am Eingang des Büros, im nach vorne verglasten Treppenhaus vom EG ins 1. OG, umgeben von einer Spiegelrückwand und dunkelgrauen Flächen: eine extrem schlanke Stahltreppe, die – wer das Büro oder z. B. den Turm auf dem Stuttgarter Killesberg kennt, wird richtig vermuten – beim Gehen leicht schwingt. Einen besseren Standort für ein solches Aushängeschild als hier zur belebten Straße und zur Bushaltestelle hin hätte sich wohl kaum finden lassen. Die Treppe ist das einzige Element, was die Ingenieure für ihr neues Büro selbst geplant haben, denn das Gebäude wurde seitens eines schwäbischen Besitzers entkernt und umgebaut. Intern wurde für den Treppenentwurf sogar ein Wettbewerb unter den Mitarbeitern initiiert.

Vielfältige Angebote

Im 1. OG, der Empfangs- und Kommunikationsebene, angelangt, ist man überrascht. Haben das Treppenhaus und der Eingangsbereich in seiner Anmutung noch die herkömmlichen Vorstellungen erfüllt, die man sich bezüglich der Gestaltung eines neuen Ingenieurbüros von schlaich bergermann und partner zuvor vielleicht ausmalte, trifft man im großen offenen Zentrum der ersten Etage auf eine Fülle von Farben, Materialien und Möbelstücken – von lackiertem MDF, Nussbaum-Furnierholz über pinkfarbene Sofakordeln und Lichttulpen, einem Edelstahlvorhang und Metalllochdecken bis hin zu Akustikputz und membran-bespannten Lichtdecken. Für Ippolito ist dies ein taktisches Gegensteuern: »Wo visuelle Pfade erwartet werden, muss man ganz bewusst etwas anderes machen, Querdenken zulassen.« Die gewünschte Lebendigkeit spiegelt sich neben der farbenfrohen Innenausstattung in mannigfachen, räumlichen Angeboten an die Mitarbeiter zum Sitzen, Lesen oder Sich-Austauschen und in verschiedenartigen, flexiblen Besprechungsbereichen wider: Es gibt zwei lange weiße Tische mit insgesamt 24 Sitzplätzen, an denen z. B. auch gemeinsam zu Mittag gegessen werden kann – zuvor war dies kaum möglich. An die offene, aber abtrennbare Küche grenzen Stehtresen, kleinere Einzeltische und die riesige, mit vier Sonnenschirmen und viel Grün bestückte Dachterrasse. Vor der raumhohen, hölzernen Bibliothekswand bietet ein halbkreisförmiges Sichtschutz-Polster die Möglichkeit, sich etwas abzugrenzen, daneben lockern ein paar lose bunte Polsterhocker und Ohrensessel sowie seit Kurzem auch ein Klavier erneut den Raum auf. Schließlich umfasst ein dünner grauer Vorhang eine wiederum offene Besprechungsmöglichkeit – mit der sicher ungewöhnlichsten Farbzusammenstellung im ganzen Büro, thront doch der mittelblaue, leicht glänzende, quadratische Tisch auf einem rosafarbenen Plüschteppich. Zugegeben: Was niedergeschrieben wie ein wahlloses buntes und wild zusammengeworfenes Nebeneinander erscheinen mag, funktioniert erstaunlich gut und ist in sich stimmig. Flankiert wird die große offene Zone von weiteren, abgeschlossenen Besprechungs- und Medienräumen, Archiv, Plottraum und einem Duschbad und Schließfächern.

Präzision, Struktur, Flexibilität

In den fünf weiteren Geschossen mit den eigentlichen Arbeitsplätzen ist die Atmosphäre hingegen konzentrierter und ruhiger, auch optisch. Farben (etwa Hellblau, Orange oder Violett) werden nur dezent eingesetzt, etwa zur Wiedererkennung im Zugangs- oder im Sanitärbereich. Sie geben jeder Etage, zusammen mit einer immer leicht abgewandelten Aufteilung und Abfolge der Büros, ein individuelles Gesicht. Verglaste Einzel- oder Zweierbüros sind die Seltenheit, aber nicht nur bei den Geschäftsleitern und Partnern in der obersten Etage zu finden, deren Arbeitsplätze sich sonst hinsichtlich Materialwahl oder Mobiliar nicht von den anderen unterscheiden. Doch auch wer im offenen Raum sitzt, ist durch die Anordnung der Büroschränke optisch abgeschottet und hat in der Regel eine »Rückwand«, um private Fotos oder Projekte auf der magnetischen Oberfläche anzupinnen. Die Organisation der Arbeitsplätze ist außerdem flexibel: Zweierbüros lassen sich z. B. recht einfach zu Einzelzimmern umbauen. Hierzu können in allen Achsen wie auch auf halber Achse zwischen den Schreibtischen Glastrennwände nachinstalliert werden.

Aber ob dies tatsächlich einmal notwendig sein wird? Hinsichtlich einer guten Raumakustik haben Ippolito Fleitz nämlich alle Register gezogen: Nicht nur der braune, flauschige Teppich dämpft, sondern auch gepolsterte Stützen und an den Glaswänden befestigte Textilpaneele. Zusätzlich schluckt die in der Mittelzone angebrachte löchrige Metallrasterdecke Schall (eine Revisionsdecke, die je nach Sonnenstand das Licht stimmungsvoll reflektieren soll), ebenso wie die weiße Akustik-/Kühldecke, die sich über die Arbeitsplätze zieht. Diese sowie die entlang der Fassade angebrachten Konvektoren zum Heizen lassen sich von den Mitarbeitern ansteuern, sodass sie die Raumtemperatur auf Wunsch geringfügig ändern können. Ebenso lassen sich der außenliegende Sonnenschutz, der Blendschutz sowie das Präsenzmelder-basierte Licht an den Arbeitstischen individuell regeln. Anstelle auf herkömmliche Büromöbelsysteme zurückzugreifen, wurden diese wie auch die »schwebenden« (da vom Boden abgehobenen) Büroschränke eigens für das Projekt entwickelt. Nur so ist, erklärt Ippolito, tatsächlich eine »gestalterische Durchgängigkeit möglich und alles präzise aufeinander abgestimmt. Und teurer ist dies auch nicht.«

Zum Stichwort »abgestimmt« stellt sich aber noch eine Frage: Wie stark sollten Mitarbeiter eigentlich in einen solchen Umzug und die baulichen und gestalterischen Maßnahmen einbezogen werden? Laut Ippolito liegt auch hier der Schlüssel in der angemessenen Kommunikation und Information. Die großen Fehler kennt wohl jeder aus eigener Erfahrung: »Wird nicht kommuniziert, ist der Unmut später groß. Wird hoffnungslos zerredet oder werden gar Arbeitsgruppen gebildet, leidet das ganze Konzept und es kommt zu Zeitproblemen.« Hier ist weder das eine eingetreten noch hat das andere stattgefunden. Auch bei ihrem Büroumzug haben schlaich bergermann und partner also wieder einmal die richtige Balance gefunden.

db, Mo., 2012.10.01



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db 2012|10 Arbeitswelten

02. Juli 2012Christine Fritzenwallner
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Baustellen-Boogie

Das »Michelberger«, gelegen im östlichen Berliner Stadtteil Friedrichshain, versteht sich weniger als klassisches Hotel denn als Treffpunkt für die Berliner Subkultur, aus der heraus es entstand. Und wenn überhaupt, dann lässt es sich als ein Individualhotel für die kreative bis alternative Szene einordnen. Für die Umsetzung hat man einen bekannten Designer und Innenarchitekten gewonnen. Der Auftrag an ihn: das Hotel bewusst »undesignt« und improvisiert erscheinen zu lassen. Das Konzept ging auf und scheint eine der höchsten, wenn nicht sogar die höchste Hotelauslastung Berlins nach sich zu ziehen.

Das »Michelberger«, gelegen im östlichen Berliner Stadtteil Friedrichshain, versteht sich weniger als klassisches Hotel denn als Treffpunkt für die Berliner Subkultur, aus der heraus es entstand. Und wenn überhaupt, dann lässt es sich als ein Individualhotel für die kreative bis alternative Szene einordnen. Für die Umsetzung hat man einen bekannten Designer und Innenarchitekten gewonnen. Der Auftrag an ihn: das Hotel bewusst »undesignt« und improvisiert erscheinen zu lassen. Das Konzept ging auf und scheint eine der höchsten, wenn nicht sogar die höchste Hotelauslastung Berlins nach sich zu ziehen.

Es war einmal, vor fünf Jahren, da beschloss Tom, sich nicht mehr zu beschweren, sondern es besser zu machen. Er hatte die Idee, eine große Wohnung für sich und seine Freunde zu finden, oder warum nicht gleich ein ganzes Haus, in dem alle Freunde wohnen können und in das man auch fremde Leute einladen kann. Sobald sie den Schlüssel zu dem Haus hatten, versammelten sie weitere ihrer fantastischen, kreativen und charismatischen Freunde um sich und alle halfen dabei, das Haus umzubauen: zu einer Welt im Kleinen, wie man sie gerne hätte. Sie feierten Baustellenpartys, zu denen, als das Hotel fast fertig war, über 1 000 Leute aus aller Welt kamen, um mit ihnen den Baustellen-Boogie zu tanzen.

»Warum warten«

So lautet, reichlich verkürzt, die Entstehungsgeschichte des Michelberger Hotels in Berlin, die bereits viel über den Charakter des Hotels aussagt und auf der entsprechenden Webseite nachzulesen ist. Und nicht nur dort muten Entstehungsgeschichte und Gestaltung wie im Märchen oder einer Fantasiewelt an: »Why wait«, heißt es bereits groß neben dem Hof- und Hoteleingang, links darunter »Looking for the entrance? Welcome to the Jungle«. Im großen Innenhof angekommen, der von einer sechsstöckigen Bebauung umschlossen ist, fühlt man sich tatsächlich wie in einer anderen Welt. Pippi Langstrumpf, mein erster Gedanke. Eine große Gartenparty, mein zweiter. Es ist bunt, allerdings nicht zu bunt, ein bisschen verspielt, freundlich, gemütlich. Auf manche mag es auch naiv wirken. An einer Seite, etwas erhöht, ein überdimensioniertes Vogelnest mit Ei, darunter eine Bühne aus Holz, daneben sitzen zwei Freundinnen in einer der beiden Hollywoodschaukeln. An der Pingpongplatte vor ihnen liefern sich zwei Gäste gerade ein Match. Auf der anderen Seite ein gläserner Anbau, der zur Rezeption weist. In der Mitte des Hofs eine schraddelige Laube, ringsum Tische mit rot-weiß-karierten Decken, Detlev Buck läuft vorbei.

Ein Anti-Hotel

Dass man hier den ein oder anderen Schauspieler oder Künstler trifft, verwundert nicht. Tom Michelberger, Gründer des Hotels, ist ein »Szenetyp aus Berlin«, erklärt Innenarchitekt und Designer Werner Aisslinger, in seinem Umfeld tummeln sich Kreative, »er ist kein Hotelier«. Und genau das ist wohl auch der Grund dafür, dass das Hotel eine gigantische Auslastung von 95 % erreicht. »Andere Hotels in Berlin sind froh, 70 % zu haben«, so Aisslinger. Schon während der Bauphase gab es immer wieder Partys, Life-Performances, gute und viel Pressearbeit – die Location sprach sich herum. Weltweit. »Ein wildes Szenekonstrukt kann man überall promoten«, erläutert Aisslinger.

Die Architektur des von ihm geplanten Hotel Daniel in Graz hatte Tom Michelberger gefallen, so kam die Zusammenarbeit vor Ort in Berlin zustande. Von Anfang an war allerdings klar, dass in den drei gefundenen und leer stehenden Büroetagen eines ehemaligen Fabrikgebäudes im Berliner Osten bloß kein klassisches Hotel entstehen sollte, »mehr ein Hostel, ein Anti-Hotel. Er wollte etwas Improvisiertes, Undesigntes, etwas, was typisch Berlin ist«, so Aisslinger weiter über seinen damals 30-jährigen Auftraggeber.

Ein ursprünglich geplantes 36-Betten-Zimmer kam dann zwar nicht zustande, es hätte doch zu jugendherbergsartig gewirkt, dafür gibt es immerhin kleinere Gruppenzimmer. Wenn eben mal eine Band aus Tokio kommt und zusammenbleiben möchte, oder Künstlergruppen, »DJs mit Anhang«… – Der damalige Wunsch Michelbergers entspricht der heutigen Realität.

119 Zimmer, von gemütlich bis Luxus

Zusätzlich zu dem »Band-Zimmer« mit bis zu fünf Einzelbetten entstand das »Big One« für bis zu neun Personen und mit zwei Bädern, daneben gibt es die »Michelberger WG«, ein »Loft« und ein »Loft Triple« (Zwei- bis Dreier-Belegung), vier »Luxus«-Zimmer (»Das Chalet«, das »Zimmer mit View«, das »Golden One« und das »Clever One«), einige rollstuhlgerechte »Comfort«-Zimmer sowie zahlreiche »Cosy«: Zimmer, deren »Gemütlichkeit« v. a. durch Minimalismus entsteht. Das 1,40 m große Bett ist dort genau in die Lücke zwischen Fenster und Dusche eingepasst – von der sich durch die Verglasung über das Bett nach draußen blicken lässt. Dass eine solche Offenheit nicht jedermanns Sache ist, kann man seit Jahren in Hotelbewertungsportalen lesen.

Andererseits: Wer in diesem kleinen Zimmer überhaupt zu zweit übernachtet – gedacht ist es mit seiner »Live-Dusche« laut Michelberger ohnehin nur »für Singles oder verliebte Paare« –, wird sich daran wohl kaum stören. Ebenso wenig, dass es in diesem Hotel im Zimmer kein Telefon gibt. Warum auch, hat doch jeder – oder zumindest jeder Michelberger-Hotelgast – ein Handy. Und der Preis für ein »Cosy«, der zwar gegenüber dem Preis zum Eröffnungsjahr leicht anstieg, ist mit einer Spanne zwischen 60 und 80 Euro, je nach Buchungszeit, immer noch günstig.

In allen anderen Zimmern, die bis maximal rund 200 Euro die Nacht kosten, konnte Aisslinger die Betten unter der Decke anordnen oder Stockbetten planen – und sich so die günstige, 3,70 m umfassende Raumhöhe des früheren Fabrikgebäudes zunutze machen. In Abstimmung mit und dank finanzieller Beteiligung der vermietenden Wohnungsbaugesellschaft konnten in die rückwärtige Westfassade große Fensteröffnungen geschnitten werden. So war es möglich, diesen Gebäudeteil, wie auch das Vorderhaus zur Warschauer Straße hin, als Zweispänner zu konzipieren, der Nord- und Südflügel hingegen nur als Einspänner. Bis auf eine zusätzliche Trittschalldämmung wurde im Innern konstruktiv wenig verändert, sogar rund 30 % aller Trockenbauwände der ehemaligen Büros ließen sich als Trennungswände für die Hotelzimmer nutzen, was dem Low-Budget-Projekt zugutekam.

Unkonventionell und improvisiert

Die Details in allen Hotelzimmern sind sich, bis auf die individuell gestalteten »Luxus«-Zimmer, sehr ähnlich: Seile als Aufhängung für Spiegel oder Handtücher, Netze als Geländer, hölzerne Einbaumöbel, weiße Waschbecken auf dunkelbraunen, beschichteten Sperrholzplatten, Bücherregal-Kästchen und mit Holz umfasste TV-Kästen, unaufdringlich gemusterte Tapeten, Laminatböden, rohe und beschichtete MDF-Platten, große, hohe Sprossen-Fenster mit dicken, senffarbenen Stoffgardinen davor. Eine stilsichere Mischung aus Schlichtheit, Improvisation und der Eleganz vergangener Jahre, die ein kompositorisch ausgewogenes Bild ergeben.

Wer hingegen den Hotelflur passiert, wird nicht nur aufgrund der in den Ecken installierten Fernseher (mit einem Kultfilm in Endlosschleife), sondern v. a. wegen der im Gegensatz zu den Zimmern eher lieblosen Gestaltung überrascht sein. Ging hier das Geld aus? Wird noch weitergebaut? Dass hier überhaupt baulich etwas verändert und gestaltet wurde, erkennt man erst auf den zweiten Blick. Aber auch das ist, so Aisslinger, gewollt: Die Gipskartonplatten sind nur im Bereich bis 1,80 m angestrichen, darüber findet sich noch die eine oder andere, bewusst sichtbar belassene Kritzelei aus der zwölfmonatigen Bauphase, der eine eineinhalbjährige Planungsphase vorausging – eine lange Dauer, die bei so vielen Beteiligten nicht überrascht. In dieser Zeit wurden immer wieder, in Abstimmung mit Aisslinger, auf Flohmärkten Stücke für die Inneneinrichtung gesammelt. So gut wie kein Möbelstück wurde beim Hersteller bestellt (und folglich neu produziert); und wenn, dann als Sonderanfertigung wie etwa ein mit FSB entwickelter Türdrücker für Badezimmertüren und Fenster. Der zweite Zugang zur Rezeption, den man direkt von der Straße aus über die »Honolulu«-Bar erreicht, sieht so auch eher wie ein Wohnzimmer aus, etwas unordentlich, mit eigens kreierten Leuchten, zig Büchern und Zeitschriften ringsum. Dazu passt, dass der (selbst im Michelberger wohnende) Hotelgründer auch gerne mal den Abend hier verbringt.

Unzerrüttbar

Ein umgemodeltes Fabrikgebäude, eine hohe Auslastung und intensive Nutzung der Gemeinschaftsbereiche aufgrund eines guten, in sich stimmigen und neuartigen Hotelkonzepts, das sicher über viele Jahre und Jahrzehnte funktionieren wird, Mobiliar vom Flohmarkt, der Verzicht auf längst überflüssige, klassische Hotelzimmer-Details wie etwa ein Telefon, die Stadtbahn und somit öffentliche Verkehrsanbindung direkt vorm Eingang: Während alle um uns herum von Nachhaltigkeit reden, kann man sie im Michelberger erleben, ohne sie direkt zu sehen oder ständig darauf hingewiesen zu werden. Auf was man aber gerne hinweist, sind speziell entwickelte Michelberger-Produkte und Imageträger wie ein zuletzt als »our new baby« angekündigtes Getränk. »Es wäre schön, wenn Ihr auch was über das neue Kokosnusswasser schreiben könntet: michelbergermonkey.com«, antwortet Tom Michelberger auf eine Mail von mir. Dies sei hiermit getan. Willkommen im Dschungel!

db, Mo., 2012.07.02



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db 2012|07 Auf Reisen

05. Dezember 2011Christine Fritzenwallner
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Brücke in Vorarlberg

Nur wenige Meter von der Autobahnausfahrt Bludenz-Montafon in Vorarlberg entfernt, erstreckt sich am Straßenrand zwischen Schnellstraße und Fluss eine Fuß- und Radwegbrücke, die auf den ersten Blick mehr Kunstwerk als Ingenieurbauwerk zu sein scheint, mehr Skulptur als Brücke. Gestalterisch prägnant und in Beton gegossen, behauptet sie sich massiv gegen den Autoverkehr und wirkt mit ihren organisch geformten Fachwerkträgern zugleich feingliedrig.

Nur wenige Meter von der Autobahnausfahrt Bludenz-Montafon in Vorarlberg entfernt, erstreckt sich am Straßenrand zwischen Schnellstraße und Fluss eine Fuß- und Radwegbrücke, die auf den ersten Blick mehr Kunstwerk als Ingenieurbauwerk zu sein scheint, mehr Skulptur als Brücke. Gestalterisch prägnant und in Beton gegossen, behauptet sie sich massiv gegen den Autoverkehr und wirkt mit ihren organisch geformten Fachwerkträgern zugleich feingliedrig.

Je nach Blickwinkel und Wetterlage ist es eine unspektakuläre oder eine landschaftlich reizvolle Umgebung. Einerseits rauscht unmittelbar nebenan der Verkehr über die Schnellstraße, hinter der sich ein paar triste Gewerbeareale und ein Zementwerk ausdehnen. Südlich ein Fluss, von dessen Ufer dunkle Bäume den schattigen Hang hinaufklettern. Ringsum ragen Strommasten in die Höhe, deren (u. a. Hochspannungs-)Leitungen die Landschaft durchziehen. Keine Stelle, an der man sich gerne und länger aufhalten würde, erst recht nicht an einem neblig-grauen, kalten Herbsttag. Andererseits erstrecken sich hinter dem Zementwerk am Himmel die im Sonnenschein glänzenden Berge des Rätikon; das klare Wasser der Ill in ihrem steinigem Flussbett vermag Wanderern und Radlern im Sommer, türkisblau schimmernd, Erfrischung bescheren – oder, im Falle von Hochwasser, mächtige Naturgewalten. Direkt unter der Fuß- und Radwegbrücke ein weiteres Gewässer, die Alfenz, Hauptfluss des Klostertals im Süden Vorarlbergs. 26 km hat sie bis hierher zurückgelegt, bevor sie nun in die Ill mündet. An dieser Stelle, die zugleich den Eingang ins touristisch begehrte Montafon-Gebiet markiert, mehr als eine gewöhnliche Brücke zu platzieren, hat also auch aufgrund der geografischen Lage seine Berechtigung.

Nicht 08/15

Der auf der Schnellstraße vorbeibrausende Autofahrer wird die Brücke womöglich dennoch kaum wahrnehmen. Ihm wird allenfalls eine graue, merkwürdige Betonskulptur am Wegesrand auffallen. Diese liegt knapp 2 m unter Straßenniveau auf dem neu errichteten Verbindungsweg zwischen Bludenz und Lorüns, der auf 750 m an der Ill entlang verläuft. Er ist Teil jener Infrastrukturmaßnahmen, mit der Vorarlberg seinen (mit über 15 % aller zurückgelegten Wege) ohnehin schon hohen Radverkehrsanteil weiter steigern möchte. Mit der Planung des Erschließungswegs und infolge dessen der Überquerung der Alfenz wurde das Ingenieurbüro M+G beauftragt – das sich wiederum gestalterische Unterstützung bei den Vorarlberger Architekten Marte.Marte holte, mit denen es bei deren Hochbauprojekten oft zusammenarbeitet. Nur konsultierten die Ingenieure, diesmal umgekehrt, die Architekten. Das führte wie auch schon bei der auf ähnliche Weise zustande gekommenen eindrucksvollen Schanerlochbrücke bei Dornbirn (2005) zu einem reizvollen Ingenieurbauwerk, wie man es häufiger vorzufinden wünscht.

Die Rahmenbedingungen für Entwurf und Erstellung waren bei der Alfenzbrücke schwierig und engten sowohl die Standortwahl als auch die Brückenart ein. Aufgrund von Sicherheitsabständen stand nur ein kleiner, höhenmäßig eingeschränkter Korridor zum Bauen zur Verfügung: Nach unten war man eingeschränkt wegen eines bei Unwetter eventuell hohen Flusspegelstands, nach oben wegen eines Hochspannungsnetzes. Und weiter zum Mündungsbereich hin zu bauen, erlaubte der Naturschutz nicht, sodass man also nahe an die Schnellstraße rücken musste. Drei Konstruktions- bzw. Materialvarianten wurden daraufhin erwogen – eine Brücke aus Holz, eine aus Stahl und eine aus Stahlbeton –, die Materialisierung in Beton erschien am sinnvollsten, u. a. weil sie keinerlei Verbindungsmittel benötigte. »Wegen der Hochspannungsleitung hätten wir sonst jede Schraube erden müssen«, erklärt Stefan Marte. Außerdem liegt die Brücke aufgrund der wenige Meter entfernten Schnellstraße im Winter in deren Salznebel. So ist der Beton tausalzbeständig und frostsicher ausgebildet, hat ansonsten aber keinerlei spezielle Zuschlagstoffe und Beschichtungen. Wegen der stark befahrenen Straße ist die Brücke überdacht und zur Straße etwas geschlossener als zur Ill hin. Beim Passanten soll das beim Überqueren ein sicheres und angenehmeres Gefühl erzeugen.

Filigran in Beton

Die Brücke überspannt gut 30 m, die beiden seitlichen Einfeldträger sind als Fachwerk ausgebildet, Decken und Bodenplatte wirken als Ober- und Untergurt und tragen wesentlich zur Tragfähigkeit bei. Die Diagonalen der Fachwerkträger sitzen in unterschiedlichen Abständen, folgen statischen Belangen und scheinen doch spielerisch rhythmisiert. »Eigentlich ist es eine perforierte Röhre«, erklärt Stefan Marte, »aber das klingt so negativ.« Bauingenieur Josef Galehr spricht zusätzlich von einer integralen Brücke, die wegen der monolithischen Bauweise ohne Fugen weniger wartungsintensiv ist.

Die Brücke ist »hocheffizient und wirtschaftlich, aber absolut am Limit«, erklärt Stefan Marte und meint mit letzterem den statischen Puffer. Die aufgelösten Träger derart schlank zu halten und v. a. die unteren Knoten zu bewähren, war nicht einfach. An einigen Stellen sind sie allerdings »formal überdimensiert«. Hier wurde der Wunsch des Naturschutzamts, die Knoten nicht alle in gleicher Weise auszuführen, sondern mehr an die unterschiedlichen Verästelungen und die Blattstruktur der Natur anzulehnen, als Bereicherung für den Entwurf gesehen und übernommen. Aber wieso sind bereits Haarrisse im Beton? Diese könnten, ebenso wie ein paar oberflächliche Beton-Abplatzungen und fehlende Schrauben, die Brücke auf den einen oder anderen Passanten sanierungsfällig wirken lassen. Das scheinbare Problem ist laut Planer allerdings nur ein Schönheitsmakel an besonders zugbeanspruchten Stellen und kein Grund zur Sorge. Wäre der Stahlbeton »ohne Haarrisse, wäre er überdimensioniert«, zitiert Marte den Tragwerksplaner. Die wenigen Abplatzungen werden sinnvollerweise lieber akzeptiert, als Flickwerk zu betreiben, sie stammen noch aus der Bauphase: Aufgrund der schwierigen Umgebungsbedingungen kam ein Betonieren der beiden Längsträger vor Ort nicht in Frage. Die beiden Fachwerkträger wurden in 250 m Entfernung liegend gefertigt – so konnte auch die Sichtbetonqualität besser gewährleistet werden –, anschließend zum Fluss gekarrt und mit Decken- und Bodenplatte verbunden. Erst dann wurde die 300 t schwere Konstruktion in einem Stück über die Alfenz geschoben.

Subtile Details

Wirkt die Brücke im Querschnitt und aus der Entfernung wie ein Rechteck, entpuppt sie sich beim Näherkommen als leicht verzerrt und trapezförmig. Nach unten verjüngt sie sich, an den Enden ist sie unterschiedlich schräg angeschnitten. Diese kleinen Kunstgriffe verleihen der Brücke ihre dynamische Wirkung. Gleichzeitig nehmen sie ihr nur genau so viel an Massivität, dass sie sich an dieser Stelle noch behaupten kann. Eine gelungene Kompensation.

Glücklicherweise konnten die Architekten das Straßenbauamt überzeugen, statt eines gewöhnlichen Geländers, das die optische Erscheinung fatal beeinträchtigt hätte, nur ein Stahlnetz als Personenschutz anzubringen. Aus der Entfernung ist es aufgrund seiner Weitmaschigkeit nicht sichtbar. Noch unauffälliger verläuft die Entwässerung: Das Dach ist leicht geneigt und wird innenliegend entwässert, indem die Betonwände bzw. Stäbe die Entwässerungsrohre aufnehmen.

Form und Material im Einklang

Mit der Alfenzbrücke ist ein stimmiges kleines Verkehrsbauwerk entstanden, weder spektakulär noch unscheinbar, sondern dem Ort angepasst, unter sparsamer und gezielter Verwendung weniger Baumaterialien. Wie bei vielen anderen Projekten von Marte.Marte, etwa der Friedhoferweiterung mit Lehmkapelle in Batschuns (2001), der durchgängig in Glas und Cortenstahl gehaltenen »Römervilla« in Rankweil (2008) oder, um einen größeren Maßstab zu nennen, einem Alten- und Pflegeheim in Innsbruck (2009), haben die Architekten auch hier ein wohlproportioniertes, authentisches und zeitloses Bauwerk geformt.

db, Mo., 2011.12.05



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db 2011|12 Redaktionslieblinge

01. Dezember 2010Christine Fritzenwallner
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Die Stadt als Hotel

Ehemals sechs, inzwischen noch fünf Zimmer gehören zum Pixel Hotel in Linz, das als Projekt im Rahmen des dortigen Kulturhauptstadtjahrs 2009 entstand und mit ungewöhnlichen Übernachtungsmöglichkeiten in diversen Bestandsbauten fasziniert. Für die jeweils unterschiedliche, ausdrucksstarke Innenraumgestaltung der einzelnen »Pixel« ließen sich die Architekten von der Umgebung inspirieren. Mit einfachen, unkonventionellen Mitteln haben sie eine gewohnte Nutzung neu interpretiert und den Trend »Individualität« aufgegriffen.

Ehemals sechs, inzwischen noch fünf Zimmer gehören zum Pixel Hotel in Linz, das als Projekt im Rahmen des dortigen Kulturhauptstadtjahrs 2009 entstand und mit ungewöhnlichen Übernachtungsmöglichkeiten in diversen Bestandsbauten fasziniert. Für die jeweils unterschiedliche, ausdrucksstarke Innenraumgestaltung der einzelnen »Pixel« ließen sich die Architekten von der Umgebung inspirieren. Mit einfachen, unkonventionellen Mitteln haben sie eine gewohnte Nutzung neu interpretiert und den Trend »Individualität« aufgegriffen.

Man suche sich einige leer stehende Räumlichkeiten über die Stadt verteilt, saniere sie, spüre dabei den Besonderheiten des Ortes nach, richte die Innenräume dann mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail ein und biete auf diese Weise Gästen ein Hotelzimmer, das einmalig ist. So in etwa könnte das Patentrezept für ein Pixel Hotel lauten. Ein Hotel, wie es einige junge Architekten in Linz ins Leben gerufen haben. Und das im eigentlichen Sinn wiederum keines ist. Denn die Zimmer des derzeit aus fünf Einheiten bestehenden Hotels sind eben nicht zentral angeordnet und organisiert, sie haben weder eine durchgehende Gästebetreuung, den klassischen Zimmerservice noch einen Frühstücksraum, in dem man andere Gäste am morgendlichen Buffet trifft. Wie also funktioniert ein Aufenthalt im Pixel im Hof, Pixel in der Textilpassage, Pixel in der Volksküche, Pixel mit Garten, oder gar Pixel auf dem Wasser?

»Einchecken« im Stadtraum

Noch vor einem Jahr wurde den ankommenden Gästen an einem zuvor vereinbarten Treffpunkt in Linz Stadtplan und Zimmerschlüssel ausgehändigt, so dass sie im Anschluss gleich zu ihrem Pixel weiterziehen konnten. Doch die Zeiten dieser derart »fliegenden« Rezeption sind vorüber. Das ursprüngliche Organisationsteam des Pixel Hotels – größtenteils bestehend aus den Architekten, die es initiierten und dafür den »Verein zur Reurbanisierung und Stadtreparatur« gründeten – konnte diese Aufgaben auf Dauer nicht selbst erfüllen. So muss der Gast nun erst ganz gewöhnlich im Hotel Kolping, das seit August die Betreuung der Pixel Hotel-Gäste übernommen hat, einchecken, und sich dann eben nochmal auf den Weg machen. Damit verliert das Konzept zwar etwas an Reiz, die Änderung ist aber verständlich: Durch die Übergabe an den Kolping-Verein sind die Planer – Richard Steger sowie die any:time architekten Christoph Weidinger, Michael Grugl und Jürgen Haller – nur noch Lizenzgeber und haben so sowohl ihren zeitlichen Einsatz reduziert als auch ihr unternehmerisches Risiko abgegeben. »Eineinhalb Stunden Betreuung pro Gast, das war nur während des Kulturhauptstadtjahres möglich, wo man jeden Gast einzeln und persönlich begrüßt hat«, schmunzelt Steger. Weidinger und Haller bestätigen: »Jetzt können wir uns wieder auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren«. Zumal sie als Architekten weiter gefragt sind: Aus Wien, Enns und selbst aus Tel Aviv sei schon Interesse an weiteren Pixel Hotels bekundet worden.

Im Pixel: Wohnen statt nächtigen

Hat man sein Zimmer dann gefunden und dabei statt langer Hotelflure ganze Straßenzüge oder Viertel passiert und so bereits einen Teil der Stadt erkundet, geht es weiter auf Entdeckungsreise – noch innerhalb des Pixels. Jedes Zimmer ist individuell gestaltet, teils haben die Architekten sogar selbst eingekauft und Hand angelegt, dabei vorgefundene Besonderheiten belassen oder Bezüge zu vorherigen Nutzungen hergestellt bzw. verstärkt.

Das Pixel im Hof, in dem u. a. ein Fotolabor, eine Werkstatt und ganz zu Beginn eine Kunsttischlerei untergebracht waren, ist das flächenmäßig größte. Durch eine enge Einfahrt gelangt man zunächst in einen Hof – kaum vorstellbar, dass sich hier, hinter ein paar Stellplätzen und einem Tor, tatsächlich ein Hotelzimmer befindet, vielmehr wirkt es von außen wie eine Garage. Beim Eintreten springen sogleich einzelne Farbakzente und Skurrilitäten ins Auge: ein knallrotes Bett, ein alter Wohnwagen, ein Aufzug. Im Wohnwagen: Teeküche, Sitzecke und weitere Schlafmöglichkeiten, im Aufzug: der Kleiderschrank. Ein dunkler Gussasphalt überzieht den Boden und verstärkt den Loftcharakter des großen Raums, den nur die wenigen Öffnungen zum Hof hin mit Tageslicht versorgen. Die fensterlose Längsseite überspannt eine transluzente Lkw-Plane , dahinter sitzen 36 Röhren, die sich einzeln an- oder ausschalten lassen – die »Lichtorgel« soll an das ehemalige Fotostudio erinnern. Hier schließt am Ende in einer Nische das Bad an, faszinierend: als weiterer Farbkontrast komplett mit kleinen grünen Mosaikfliesen versehen – wiederum ein optisches Highlight.

Wenige 100 m entfernt liegt das Pixel in der Textilpassage, bei dessen Gestaltung diesmal Stoffe im Vordergrund standen. Hier genügte den Architekten die Tür mit der Aufschrift »Textilpassage« als Ideengeber, der historische Kontext ließ sich trotz Recherchen nicht nachvollziehen. Das Pixel befindet sich in einem früheren Pferdestall, die Fensteröffnungen sind daher übermäßig hoch und bringen viel Licht in das zweistöckige Zimmer mit seinem Luftraum.

Brauner Samtstoff mit Blumenmuster überzieht einen Teil der Decken und Wände, farblich abgestimmt auf den bereits vorhandenen Holzdielenboden im EG und den rotbraunen Teppich auf der Galerie. Dort ragt das Bett wagemutig in den Luftraum – die Konstruktion wurde anstelle einer Berechnung mit einem Belastungstest vor Ort statisch nachgewiesen –, am Ende schließt das niedrige Kinderspielzimmer »Lümmerland« an. Weiße Netze bilden statt eines klassischen Geländers die Absturzsicherung.

Keine fünf Minuten weiter befindet sich am Herbert-Bayer-Platz das afo architekturforum oberösterreich und in dessen 2. OG das Pixel in der Volksküche. In dem mit neogotischen Elementen versehenen Bauwerk von 1927 wurde früher Essen an Bedürftige ausgegeben. Passend zur damaligen Atmosphäre ist das Innere spartanisch, kühl, die vorherrschende »Farbe« Grau, eine Kochzeile sitzt unauffällig in einer Nische. Sowohl der mittig angeordnete Tisch mit zwei Bänken als auch die Bodenplatten bestehen aus Faserzementplatten, deren Fugenmuster sich an den weißen Wänden in aufgemalter Form fortsetzt (s. dazu auch S. 47). Auch wenn der Innenraum aufgrund seiner nüchternen und neutralen Gestaltung flexibel für temporäre Ausstellungen des afo bleibt – hierzu klappt das Bett dann per 90 Grad Drehung (eine umgebaute Lkw-Hebebühne machte es möglich) an die Wand –, der eine oder andere Gast könnte sich in dem großen Raumvolumen leicht verloren fühlen.

Ein weiteres Pixel im Zentrum existiert indes als einziges nicht mehr: das Pixel in der Galerie. Hier stand der Raum einer Galeristin nur für ein Jahr zur Verfügung und so eine temporäre Nutzung von Anfang an fest.

Die zwei noch verbleibenden Hotelzimmer liegen etwas außerhalb: Das Pixel auf dem Wasser logiert auf einem restaurierten Schiff im Hafengebiet, das bis 1996 als Zug- und Schleppschiff im Einsatz war.

Eine Suite mit Doppelbett, schlicht aber gemütlich, zusammengeschlossen aus zwei ehemals kleinen Kabinen, thront im Unterdeck, vor ihrem Eingang stehen zwei weitere Kabinen ursprünglicher Größe mit Stockbetten bereit. Bei allen Kabinen wurde die Inneneinrichtung original restauriert.

Weiter südlich, im Franckviertel an der Wimhölzelstraße gelegen, an dem ein bogenförmiger Wohnriegel kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand, vereint das Pixel mit Garten eine ehemalige Arbeiterwohnung und ein Geschäft. Im vorderen Teil, der ehemaligen Verkaufsfläche und dem heutigen Wohnzimmer, parken links des Eingangs zwei Fahrräder, die den Gästen des Pixels kostenlos zur Verfügung stehen. Rechts davon gedeiht ein »Garten«, drei große Beete, dessen hohe Pflanzen zumindest etwas vor neugierigen Blicken durch das frühere Schaufenster schützen. Das Schlafzimmer befindet sich in der hinteren Ebene, leicht erhöht wie auch die Sanitärbereiche, die eine Überraschung bereithalten: eine scheinbar zufällig startende, kurze Ton- und Bildinstallation (je nach Benutzen der Lichtschalter einer rätselhaften Logik folgend) verweist auf das benachbarte, öffentliche »Tröpferlbad«. Gespenstisch huschen Stimmen durch den Raum und Zeichnungen über die Milchglaswand, die Badewanne und Minibarbereich trennt.

Abreisen und in Erinnerung bleiben

Aber noch weitere Kleinigkeiten bewirken, dass man als Gast nie das Gefühl hat, sich gerade in einem Hotel einquartiert zu haben. Der gewohnte Handtuchwechsel erfolgt nur auf Bestellung, der Internetzugang ist kostenlos, die Schränke halten Wärmflasche oder Bügeleisen bereit. Wer Espressomaschine oder Minibar nutzt, wirft das Geld einfach in eine kleine Kasse. Und gefrühstückt wird außer Haus wahlweise in einem von 13 Kaffeehäusern oder Lokalen, für die der Gast einen Gutschein erhält.

Da jedes Pixel sein eigenes, unverwechselbares Thema hat, ist in jedem die Atmosphäre »dicht«, in sich stimmig. Allerdings fallen die Pixel im Stadtraum nicht auf, es gibt keine Beschilderungen, Wegweiser oder Ähnliches. Man muss schon wissen, wo sie sich befinden, oder sie zufällig an ihrem kleinen Türschild entdecken. Bereits vor dem Kulturhauptstadtjahr 2009 waren zwei der Zimmer, das Pixel im Hof und das Pixel im Garten, fertig und dienten der Vorberichterstattung zu Linz 2009. Die frühe Medienaufmerksamkeit verhalf den Architekten zu einem gewissen Bekanntheitsgrad und brachte sie in eine glückliche Lage: Sponsoren mussten nicht mehr lange gesucht werden, sondern traten von selbst mit Angeboten an sie heran.

Doch auch wenn die Besucherzahl gegenüber 2009 leicht zurückgegangen ist, liegt die Auslastung (von 60 auf derzeit rund 37 %) noch immer in einem für das Hotelgewerbe üblichen, guten Bereich. Ohnehin werden weitere Lokalitäten gesucht und geprüft, derzeit ist von einem weiteren Pixel in einem Spitzboden die Rede. Den Namen Pixel Hotel haben sich die Architekten längst schützen lassen, auch wenn sich das Hotelkonzept als solches nicht patentieren lässt und es z. B. in Italien bereits seit Jahren mit den bereits weit verbreiteten »alberghi diffusi« ein ähnliches gibt. Weitere Nachahmer sind aber auch wünschenswert, denn Gebäudetypen und Nutzungen »neu zu denken«, sie an veränderte Zielgruppen anzupassen, und gleichzeitig kreativ mit Leerstand umzugehen, liegt nicht darin die Zukunft?

db, Mi., 2010.12.01



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03. März 2010Christine Fritzenwallner
db

Zimmer mit Zeichen

»Wie ein Spielzeug, von dem man noch nicht weiß, was man alles damit machen kann« – äußern sich die Bürger im Magdeburger Stadtteil Salbke über ihre erfrischend pfiffige Außenraumgestaltung inklusive einer Freiluftbibliothek als Dependance zur »Festbibliothek«. Die Aussage passt zu der experimentellen Stadtmöblierung, die viele Funktionen aufzunehmen vermag und bei deren Gestaltung die Bürger in hohem Maße mit einbezogen wurden. Ein vielversprechendes, wegweisendes Projekt mit ungewöhnlichen Materialien und Kontrasten.

»Wie ein Spielzeug, von dem man noch nicht weiß, was man alles damit machen kann« – äußern sich die Bürger im Magdeburger Stadtteil Salbke über ihre erfrischend pfiffige Außenraumgestaltung inklusive einer Freiluftbibliothek als Dependance zur »Festbibliothek«. Die Aussage passt zu der experimentellen Stadtmöblierung, die viele Funktionen aufzunehmen vermag und bei deren Gestaltung die Bürger in hohem Maße mit einbezogen wurden. Ein vielversprechendes, wegweisendes Projekt mit ungewöhnlichen Materialien und Kontrasten.

Zugegeben: Von einer Freiluftbibliothek zu sprechen, scheint übertrieben. Zumindest weckt der Begriff Assoziationen, die sich sowohl im Magdeburger Stadtteil Salbke als auch aufgrund des (qualitativen) Bücherangebots wohl kaum halten lassen. Geisterstadtartig wirkt die Umgebung um das als »Lesezeichen für Salbke« bezeichnete Projekt, das aber tatsächlich ein Signet ist. Zeichenhaft ist die Außenraumgestaltung allein schon aufgrund der großen Raumstruktur, die zum Blickfang wird: ungewöhnlich, irritierend, neugierig machend, wohltuend unkonventionell und radikal – gerade an diesem Ort, der Zeiten jahrelangen Einwohnerrückgangs hinter sich hat. Das Projekt ist also auch ein Zeichen der Hoffnung, ein Versuch des Zusammenhalts, ein Symbol für Vertrauen in das Engagement der Bürger und für sinnstiftende und gelungene Bürgerbeteiligungen. Als neues »Village Icon«, so die Architekten, soll es den Aufbruch des Stadtteils nach Jahren starker demografischer Schrumpfung signalisieren. Um die hohe Symbolkraft zu verstehen, lohnt ein Blick in die Entstehungsgeschichte.

Zeiten des Umschwungs – Zeichen des Aufschwungs?

Salbke bis Mitte der 70er Jahre: Eine Stadtteil-Bibliothek von Magdeburg steht auf dem Grundstück zwischen der Straße Alt Salbke und Blumen-berger Straße, sie brennt um 1980 aus, fünf Jahre später wird der Bau ab-gerissen. Salbke bis Anfang der 90er Jahre: Noch reihen sich viele kleine Geschäfte wie etwa eine Bäckerei und Fleischerei, ein Café, Foto- und Lebensmittelladen entlang der Straße. Salbke zehn Jahre später: Leerstand ringsum, gespenstische Öde, Bretterverschläge, leere Schaufenster. Parallel zum Einwohnerrückgang haben auch die Geschäfte dicht gemacht. Doch dann beschäftigen sich die Büros »Architektur+Netzwerk« aus Magdeburg und KARO (Kommunikation, Architektur, Raumordnung) im Rahmen eines ursprünglich geplanten IBA-Projekts, das die Neugestaltung diverser Brachflächen vorsah, mit dem Grundstück und dem Ort. KARO, ein vor elf Jahren in Leipzig aus zwei Architekten und einem Maschinenbauer/Innenarchitekten entstandenes Team, ist gleichzeitig Gründungsmitglied von »L21« – einer Gruppe von (Leipziger) Architekten, die sich mit urbanen Transformationsprozessen befasst. Man ahnt also schon: Frischer Wind kam auf. Zur Elbe hin war ein »Wasserzeichen« erdacht, in der Ortsmitte von Salbke ein »Lesezeichen«. Aus dem IBA-Projekt wurde nichts, wohl aber aus der Idee, das Lesezeichen an die Stelle der abgebrannten Bibliothek zu setzen.

Geglücktes Brainstorming

Eine Ausschreibung des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung zur Suche nach Modellvorhaben führte dazu, dass die Abteilung Experimenteller Städte- und Wohnungsbau das Projekt mit seiner finanziellen Unterstützung überhaupt erst möglich machte. Und um, so Stefan Rettich von KARO, von Anfang an bei den Einwohnern Signale zu setzen, dass wirklich die ernsthafte Absicht bestand, etwas zu bewegen, wurde ein Workshop ins Leben gerufen. Die Vorschläge bei der Ideensammlung gingen bis hin zu übereinandergestapelten Telefonzellen, in denen man bei Regen sitzen und lesen könne. Und führten zu einem »grünen Wohnzimmer«, das geschützt vor Straßenlärm eine Ruhezone im Stadtteil bieten soll. Ein aus dem Workshop hervorgegangenes Team – u. a. mit Mitgliedern des Bürgervereins, Musikern aus einem Jugendclub, der Grundschul-Direktorin und dem Pfarrer – war schließlich erheblich in den Planungsprozess integriert. Zunächst entstand 2005 eine eintägige Installation mit gestapelten Bierkästen, die das spätere Volumen bereits andeutete.

Hortenkacheln mit Zulassung im Einzelfall

Erst vier Jahre danach, im Juni 2009, war Einweihung des neuen Stadtmöbels mit einer zur Hauptstraße hin eigentümlichen Fassade. Wer eine der historischen Horten-Warenhausfassaden aus den 60er Jahren kennt, fühlt sich gleich erinnert: Das prägnante Erscheinungsbild stammt tatsächlich aus sogenannten Hortenkacheln – jenen Fassadenelementen aus Aluminium (selten auch aus Keramik-Formteilen), die, zahlreich aneinander gereiht, noch heute in ihrer modernistischen Ornamentik rund 300 Kaufhausfassaden zieren. Aus solch einer, genauer von einem 2007 in Hamm abgerissenen Bauwerk, stammen auch die hier verwendeten Recyclingmaterialien. Für sie lag allerdings keine Bauteilzertifizierung vor. Die daher notwendige Materialprüfung ergab, dass die Alu-Formteile mitsamt ihrer Unterkonstruktion und ohne weitere Verstärkungen eingebaut werden konnten. Nur mussten sie aufgrund von Auskreidungen entlackt und mit einer neuen Pulverbeschichtung versehen werden. Die alte Fassade ist nun an Fuß- und Kopfpunkt über Stahllaschen an ihrem neuen Stahltragwerk befestigt, die den kleinen Platz zur Hauptstraße hin L-förmig abschottet.

Bemerkenswert offen

Nach außen sind in die Kachelfassade Schaukästen für Vereinsinformationen integriert. Zum Platz hin mit seiner Sitzinsel, der Rasenfläche und den zwei noch kleinen Bäumchen (schmalblättrige »Raywood«-Eschen) ist das Erscheinungsbild der Fassade mit vertikalen Lärchenholzlatten hingegen »weich«. An dieser Seite umfasst das Stadtmöbel eine 30 m lange Sitzbank und eine kleine Bühne, die für diverse Veranstaltungen genutzt werden kann. Gleichzeitig beherbergt der Wandaufbau zwei »Leseinseln« mit je einer Öffnung aus grün gefärbtem Verbundsicherheitsglas und 13 unverschlossene gläserne Büchervitrinen in einem Aluminiumrahmen, deren Inhalts sich jeder Besucher bedienen kann – ohne Bibliothekar, ohne Leihnummer, ohne Leihfrist – Vertrauensbasis. Gesammelt hat der Bürgerverein inzwischen ohnehin so viele Bücher, dass man nicht mal unbedingt aufs Zurückbringen angewiesen ist.

Doch den immensen Wohnungsleerstand zumindest entlang der Hauptverkehrsstraße und Trambahnstrecke spürt man spätestens bei Anbruch der Dunkelheit. (Zu) wenige Lichter dringen aus den umliegenden Häusern, und als hätte das Lesezeichen ebenso »aufgegeben«, wird es bei Dunkelheit in seiner ursprünglich geplanten Art nur noch bei besonderen Anlässen beleuchtet. Der Grund dafür ist allerdings ein einfacher: Obwohl das derzeit energieeffizienteste Leuchtmittel eingesetzt wurde – LEDs, die das Bauwerk von innen heraus zum Leuchten bringen sowie Bewegungsmelder, die verschiedene Lichtszenen abspielen –, verbraucht der zugehörige Industrierechner zur Steuerung unverhältnismäßig viel Strom – und dessen Kosten trägt laut Nutzungsvereinbarung mit der Stadt der Bürgerverein. So hat man sich kurz vor Weihnachten zumindest für nachträglich installierte Lichterketten als Grundbeleuchtung des großen »Ls« (in der Queransicht) entschieden, die nicht mit dem Steuerungsrechner verbunden sind.

Ein weiterer Wermutstropfen ist der südliche Bereich des Platzes. Ein geplanter Baumhain wurde aufgrund von Kostensteigerungen um etwa 25 000 Euro (v. a. wegen des erhöhten Stahlpreises) und den daher in anderen Bereichen notwendigen Kosteneinsparungen nicht realisiert. Die Süd-West-Seite fällt so gestalterisch etwas ab, zwei Glascontainer bilden das optische Ende. Dem Gesamtkonzept aber schadet das nicht.

Bühne frei!

Zumal der neue Außenraum gut ankommt: »Vorher war hier nichts, nur Gestrüpp«, konstatiert eine Einwohnerin, »die haben sich schon was einfallen lassen!« Und fügt hinzu, dass das »Lesezeichen« dennoch überwiegend von Jugendlichen genutzt wird. Lesen könne sie schließlich auch zuhause auf dem Hof. Man mag ihr unvermittelt Recht geben, schließlich kann man sich tatsächlich ruhigere Orte zur Lektüre vorstellen. Die Art der aktuellen Nutzung verraten die ersten Kritzeleien auf den Holz- und Glasflächen und herumliegende Kekse einschließlich einer noch nicht leeren Verpackung – in einer der Büchervitrinen, wohlbemerkt. »Das hier überhaupt noch Bücher stehen!«, erstaunt eine Besucherin, die die neue Ortsmitte zum ersten Mal sieht. Doch bislang gab es erst einen »richtigen« Vandalismusschaden vergangenen Dezember, der eine demolierte, inzwischen aber schon wieder neue Glasscheibe bedingte. Einer weiteren »Inbesitznahme«, zumindest durch ungewollte Graffitis, wurde bereits vorgebeugt: Die Sockelbereiche des Stadtmöbels aus Stahlbeton-Fertigteilen durften Sprayer selbst gestalten – eine, wie sich bei immer mehr Projekten zeigt, wirkungsvolle Maßnahme. Dafür wurde ein Wettbewerb unter allen Jugendlichen aus Magdeburg veranstaltet, die ihre »tag«-Entwürfe – einzige Vorgabe: in weiß, schwarz und chrom – einreichen konnten.

Das Gelingen und Bestehen des Experiments »Lesezeichen und Stadtregal« wird sich erst nach Jahren abzeichnen. Aber schon jetzt ist klar: Eine derart ambitionierte Idee ist mit Wunschdenken verbunden. Und wenn auch mehr Grünanlage und Platzgestaltung als ernsthafte Büchereinutzung, ist es neben der Signalwirkung ein famoses Angebot an die Bürger, schließlich steht die Bühne jedem offen – auch der Stadt Magdeburg, die sie laut Bürgerverein bislang noch nicht zu Nutzen versteht. Für den Stadtteil Salbke zeigt sich aber bereits der Nutzen über das zuvor Beschriebene hinausgehend: die Aufwertung des Viertels, die den Immobilien ringsum wieder etwas mehr Attraktivität verleihen und zu Sanierungen führen könnten.

db, Mi., 2010.03.03



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09. Dezember 2009Christine Fritzenwallner
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Gästehaus in Hohenkammer

Die Beschränkung auf wenige Materialien, die aufgrund ihrer großzügigen Verwendung und z. T. poetischer Details gekonnt zur Geltung kommen und so wohltuend Auge und Gemüt »beruhigen«, das einen beschleichende und doch wohlige Gefühl an einen Kreuzgang mit dicken alten Mauern, der gruftartige Keller als puristische Wellness-Oase: Das Tagungshotel am Schloss Hohenkammer strahlt Kraft und Gediegenheit aus. Wenn auch mit streng symmetrischen Proportionen, ist es dennoch ein idealer Ort, um Gedanken freien Lauf zu lassen.

Die Beschränkung auf wenige Materialien, die aufgrund ihrer großzügigen Verwendung und z. T. poetischer Details gekonnt zur Geltung kommen und so wohltuend Auge und Gemüt »beruhigen«, das einen beschleichende und doch wohlige Gefühl an einen Kreuzgang mit dicken alten Mauern, der gruftartige Keller als puristische Wellness-Oase: Das Tagungshotel am Schloss Hohenkammer strahlt Kraft und Gediegenheit aus. Wenn auch mit streng symmetrischen Proportionen, ist es dennoch ein idealer Ort, um Gedanken freien Lauf zu lassen.

Die Münchener Rück bewies als Bauherr schon oft ein Gespür für reizvolle Architektur. Mit dem 2002 eingeweihten, von Baumschlager & Eberle modernisierten Verwaltungsgebäude in Schwabing zeigten sie, wie ein 70er-Jahre-Bau energieeffizient in eine neue und repräsentative Bürostruktur verwandelt werden kann, ohne dabei banal oder überkandidelt zu wirken. Und auch das »Stipendiatenhaus« am Englischen Garten, das Kiessler & Partner zur gleichen Zeit umplanten und erweiterten, zeugt im Inneren von Sensibilität für Materialien und Raumproportionen.

Gleiches nun in Hohenkammer. Vor gut fünf Jahren kaufte das Unternehmen das dortige Seminarzentrum – ein Anwesen inklusive Schloss, Gutshof und Gästehaus, rund 40 km nördlich von München in dörflicher Idylle inmitten der Auenlandschaft gelegen – und lud sogleich acht Büros zu einem Architekturwettbewerb ein. Das Ensemble sollte ein in sich stimmiger und stimmungsvoller Ort für Seminare und Veranstaltungen werden (den die Münchener Rück aber nur zu ca. 20 % selbst nutzt). Zum einen ging es um die Restaurierung des Wasserschlosses mit seinen Tagungsräumen, was Hild und K Architekten übernahmen, zum anderen um eine Erweiterung mit Hotelzimmern für das bestehende Gästehaus von 1968, dessen kleine Zimmer, Konstruktion und Erschließung nicht mehr heutigem Standard entsprachen. Brückner & Brückner begeisterten Bauherrn und Jury mit ihrem Entwurf eines Anbaus, den »Symmetrie und ausgewogene, hierarchische Proportionen bestimmen« (Preisbegründung) und der sich an der Traufhöhe von Gutshof und Bestands-Gästehaus orientiert. Bis auf einen Teil wurde Letzteres zwar abgerissen, dafür schließen drei neue, großzügige Flügel, einen Innenhof bildend, an. Ein großes Entree und Foyer grenzt an der Westseite an den quadratischen Komplex. Ohne dem historischen Renaissancebau gegenüber die Schau zu stehlen, wirkt der Neubau selbstbewusst, geradezu »gleichberechtigt«. Nur die breite, hohe Mauer, die Eingangssituation und Taxiauffahrt bildet, mag im ersten Moment abweisend wirken. Konzeptionell gesehen hat sie ihre Berechtigung: Sie nimmt den Verlauf einer der früheren Mauern auf, die sich einst im Barockgarten befanden und teilweise noch vorhanden sind. Über ihr thront in symmetrischer Anordnung eine lärchenholzverschalte, grau lasierte Kiste mit großzügiger Glasfront und Geste zum Schloss. Sie wird als Empfangsraum genutzt und ist galerieartig mit dem Foyer verbunden.

Draussen sitzen

Während die Eingangsfassade für manch einen in ihrer Geometrie und Strenge fast ein wenig erhaben und monumental wirkt, relativiert das Foyer sogleich diese Stimmung: Ein Gefühl von Geborgenheit, Ruhe und Kraft, verstärkt durch den – auch ein Jahr nach Eröffnung präsenten – wohligen Geruch von Holz, überrascht den Ankömmling. Grund dafür ist ein absoluter Purismus der verwendeten Materialien: Die Wand- und Deckenkonstruktion verbirgt sich komplett hinter 1 mm dickem Roteichenfurnier. Das Holz stammt, wie auch in den Gästezimmern, von einem eigenen Wald- bestand in der Nähe Hohenkammers. Oben auf der Galerie und in den umlaufenden Hotel-Korridoren (fast schon möchte man sie Wandelgänge nennen, doch dazu später mehr) besteht der Bodenbelag aus Eichendielen. Im Eingangsbereich hingegen kontrastiert der graue Granitboden mit dem erdigen Wand- und Deckenfarbton.

Das Foyer erscheint, rein für die Nutzung als Rezeption, etwas überdimensioniert für ein 150-Personen-Gästehaus auf dem Land. Doch am Tag oder bei größerem Besucheraufkommen findet es seine eigentliche Bestimmung. Zwischen den hölzernen Raumfragmenten lässt sich Kaffee trinken, auf lederbezogenen Sitzflächen lesen, auf Kollegen warten, arbeiten oder noch besser nichts tun und die Atmosphäre genießen. Die vielen gläsernen Einschnitte in Wand und Decke machen es hell und lenken den Blick ins Grüne.

Doch weil Sonnenschein die wenn auch wenigen Bildschirmarbeitsplätze der Rezeption störten, wurde auf einzelne Stellen der Überkopfverglasung grüne, UV-beständige Folie in zwei Farbabstufungen und in Ahornblätterform geklebt – eine bewusst untechnische und kreative Art von Sonnenschutz, der nicht sofort ins Auge fällt. Ein unkonventionelles, geradezu poetisches Detail. ›

Melodisch-stiller Stelenhof

Ähnlich ungewohnt und eher wie Kunst am Bau zu interpretieren geht es im Innenhof weiter, zu dem man vom Eingang direkt durch das Foyer und einen kleinen Wechselausstellungsraum gelangt. Dort spielen über 150 unterschiedlich hohe Stelen – in ungleichmäßigen Abständen entlang den Fassaden neben- und hintereinander gereiht – eine Art stumme Melodie. Zugleich verschatten die Lärchenholz-Leimbinder die Ganzglasfassaden um knapp 60 %. An der Südseite wurde zusätzlich Sonnenschutzglas verwendet. Der Raum zwischen Glashaut und Stelen lässt sich durchschreiten, eine abstrakte Form eines Kreuzgangs? Das Gefühl stellt sich hier wie auch beim Gang durch die Flure zaghaft ein. In Wirklichkeit haben die Stelen aber noch einen weiteren, pragmatischen Zweck: Sie schützen nicht nur die Fassade des Neubaus vor Sonne, sondern verstecken auch den weniger reizvollen Altbauflügel und vereinheitlichen so das Erscheinungsbild.

Nichts als Gespenster

Dass bei dem attraktiven Innenhof Landschaftsarchitekten tätig waren, überrascht zunächst. Der Park wirkt so, als wäre seine Bepflanzung schon immer vorhanden. Derart natürlich soll es selbst nächtens zugehen: Eine dezente Beleuchtung redeten die Landschaftsplaner Architekten und Bauherrn aus, die Dunkelheit brauche auch ihren Raum, schließlich habe auch die Nacht ihre Berechtigung – klare, nachvollziehbare Worte und Ansätze. Doch schade ist es, passiert man die inneren Flure, während draußen im Hof tatsächlich Dunkelheit »herrscht«. Statt Ausblicke zu schaffen und Tiefe zu erzeugen, werfen die Glaswände lediglich das eigene Spiegelbild zurück, die Stelen dahinter sind nur schemenhaft und fast ein bißchen gespenstisch sichtbar.

Bei Tag sind die Korridore lichtdurchflutet und wirken so breiter als notwendig. Am Ende jeden Gangs kann der Blick ins Freie schweifen; große Panoramafenster schaffen fantastische Ausblicke. Dafür sind die Fenster in den Zimmern selbst recht schmal, doch wer verbringt hier seine freie Zeit im Zimmer? In den im Vergleich zum hellen Flur eher duster wirkenden Räumen könnte man wiederum eine unterschwellige Anspielung auf klösterliche Gemäuer sehen, doch das mag übertrieben sein. Auf jeden Fall wird dem Wohlfühl-Charakter kein Abbruch getan – wie in allen anderen Bereichen des Neubaus ist die Ausstattung ansprechend: Ebenfalls wurde mit Eichenfurnier geschreinert, hier in einer Dicke von 2 mm. Ein einziges Raummöbel aus Garderobe, Schränken und Nachttisch schafft gelungen die Trennung zum Sanitärbereich. Gegenüber, an der Außenwand, befinden sich u. a. Schreibtisch und Fernseher, wiederum in einem Möbelstück verbunden. Die Fenster sitzen dazu innen bündig. So erweckt die Fassade von außen aufgrund ihrer tiefen Leibungen die An- mutung historischer, voluminöser Schlossmauern. Doch altertümlich ist die Konstruktion nicht, Wände und Decken im Gästezimmer-Komplex bestehen aus Leichtbeton; in der Eingangshalle, in der eine Überbrückung von bis zu 14 m notwendig war, wurde Spannbeton verwendet.

Unter der Erde

In die Unterwelt »abtauchen« lässt es sich entweder mit dem Fahrstuhl oder über einen Abgang vom Foyer aus. Früher befand sich im UG ein Schwimmbad, aber auch heutiger Saunabereich, Fitness-, Massage- und Ruheraum bringen Erholung und Abwechslung und lassen den Gedanken freien Lauf. Mit Überschreiten der Schwelle zum UG wechseln die sonst holzbeplankten oder weiß verputzten Wände zu mächtigen, grauen Granitblöcken. Auch solche mit Schönheitsfehlern – Löchern, Flecken, fehlenden Kanten – wurden eingebaut, was den Neubau umso sympathischer und authentischer macht. Auf die Spitze getrieben haben die Architekten ihr »Weniger ist mehr«-Prinzip aber auf grandios-einfache Weise im Ruheraum; sein Boden besteht nur aus Kiesel-steinen und einigen Steinplatten in der Mitte. Es ist bewusst gewollt, mit dem Schritt nach rechts zur auserwählten, hölzernen Liege- fläche zunächst den steinigen, knirschend-unebenen Boden unter den Füßen zu spüren.

Bodenhaftung

Neubau wie Schloss werden von den benachbarten Feldern und Wäldern mit Energie versorgt: Das 2,5 km entfernt liegende Blockheizkraftwerk mit Biogas- (Kleegras) und Hackschnitzelanlage (zugeschaltet von Oktober bis Mai) produziert neben Warmwasser auch Strom. Sollte der Winter besonders rau sein, kann zusätzlich Erdgas angeschlossen werden. Den Neubau selbst temperiert eine Bauteilaktivierung, zugleich gibt es Fußbodenheizung und individuell regelbare Wandheizungen.

Bodenständigkeit bewies man auch bei den eingehaltenen Baukosten, die im »Drehen an jeder finanzmäßigen Schraube« begründet liegen. Das »schlanke Budget« ließ nur »mittleren Standard« zu, erklärt Peter Brückner. Was man dem Neubau keineswegs ansieht, im Gegenteil: Die sparsam verwendeten Materialien wirken allesamt edel und gediegen, das passt zum Ort und nebenbei auch zur Handschrift der Architekten. Zu verdanken ist es zum einen sehr guten und zugleich günstigen Handwerkerleistungen, zum anderen aber auch einer gewissen »Durchdetaillierung der Einfachheit«, so Brückner. Dem kann man getrost zustimmen, und auch bei vorherigen Bauten lässt sich dieser Ehrgeiz der Planer finden. Der Neubau reiht sich also nicht nur in die Architekturqualität der Vorgängerbauten seines Bauherrn ein, sondern passt wie gewohnt auch zum Portfolio des Architekturbüros.

db, Mi., 2009.12.09



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01. Dezember 2008Christine Fritzenwallner
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Weltenübergang

Der Hochbunker in Berlin-Mitte hat eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich: Als zivile Luftschutzanlage in der NS-Zeit errichtet und Zufluchtsort Zigtausender, wurde er nach Ende des Zweiten Weltkrieges von der Roten Armee als Gefängnis genutzt und später zum Obstlager, zur Partylocation und nun zum Museum. Doch die erlesene, zeitgenössische Kunst bleibt die meiste Zeit unter Verschluss – schließlich ist die Sammlung Boros in dem aufwendig umgebauten und um ein Penthouse aufgestockten Hochbunker »nur« ein Privathaus des Kunstsammlers, das Kunst und Raum eindrucksvoll vereint.

Der Hochbunker in Berlin-Mitte hat eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich: Als zivile Luftschutzanlage in der NS-Zeit errichtet und Zufluchtsort Zigtausender, wurde er nach Ende des Zweiten Weltkrieges von der Roten Armee als Gefängnis genutzt und später zum Obstlager, zur Partylocation und nun zum Museum. Doch die erlesene, zeitgenössische Kunst bleibt die meiste Zeit unter Verschluss – schließlich ist die Sammlung Boros in dem aufwendig umgebauten und um ein Penthouse aufgestockten Hochbunker »nur« ein Privathaus des Kunstsammlers, das Kunst und Raum eindrucksvoll vereint.

Schwer und laut fällt die Tür ins Schloss. Abrupt schneidet sie die Außenwelt ab. Ins Innere des ehemaligen Bunkers eingedrungen, hinter meterdicken, nackten, fensterlosen Wänden, weist zunächst nichts auf seine neue Nutzung hin. Nur der Untergrund ist irritierend weich: Ein knallgrüner Teppich belegt den Eingangsbereich. Erst ein paar Ecken weiter erwartet ein nüchtern weißer Tresen den Besucher. Darüber eine Glocke, die wie von Geisterhand gesteuert läutet, ohne einen Ton von sich zu geben, sich ohne Klöppel still hin und her bewegt. Sie ist das erste Kunstwerk, das den Besucher empfängt, und ihn zugleich leicht schaudern lässt. Diese Stimmung wird ihn auch später beim Gang durch die fünf Ausstellungsebenen begleiten. Zwar hat sich die Kunst »ihren Raum« genommen – reine Kulisse sind die Wände und Decken des Bunkers dennoch nicht. In jeder Ecke spürt man sein Vorleben. Das mag in vielen ein Unbehagen hervorrufen und ist dennoch das große Verdienst aller Planungsbeteiligten, ein perfektes Gleichgewicht zwischen Zeitzeugnis und neuer Nutzung. Der Bunker wurde seiner Geschichte nicht beraubt, nicht entmachtet, nicht mit Farbe übertüncht oder mit Kunst überfrachtet. Möglichkeiten dazu hätte es zahlreich gegeben, stehen neben Fassade und Türen doch nur die Treppenhäuser unter Denkmalschutz. Vor allem dort zeigen sich noch deutlich die Spuren der Vergangenheit: Fernsprecher und mächtige Stahltüren blieben original erhalten, ebenso die Oberflächen der Treppenhauswände aus unbehandeltem Sichtbeton mit dem Abdruck der Bretterverschalung.

Die Kunst der Architekten bestand aber auch in den Innenräumen darin, sich zurückzunehmen. Der größte Kraftakt war das Entfernen von Wänden und vor allem von Decken, was nun Sichtbeziehungen auch zu den darunter- beziehungsweise darüberliegenden Etagen schafft. Ohne dies und ohne Kunstwerke würde die Orientierung beim Rundgang wahrhaft schwerfallen – die Kunst, verzahnt über Lufträume, hilft, sich im labyrinthartigen Inneren zurechtzufinden; Raum und Kunst werden eins. Verputzt wurden nur Wände in der eigentlichen Ausstellung, in Absprache mit den Bauherren und Künstlern, die, einbezogen in den Planungsprozess, teilweise Werke speziell für den Bunker konzipierten oder ihre Arbeiten dafür nochmals veränderten. Nur an wenigen Stellen kamen neue Wände in Form von Brüstungen hinzu, »sozusagen das einzige Gestaltungselement von uns«, schmunzeln die Architekten. Sie fanden teilweise über ihr vorheriges Büro zusammen, aus dieser Zeit stammte auch der Kontakt zum Bauherrn. Doch inzwischen haben sich die Wege von Petra Petersson, Jens Casper und Andrew Strickland schon wieder getrennt. Petersson führt das Büro unter dem Namen Realarchitektur weiter, Casper arbeitet eigenständig in Berlin und Strickland hat es in die Schweiz verschlagen.

Zeitreise

Der Bau des »Reichsbahnbunker Friedrichstraße« geht Überlieferungen zufolge zurück auf die im September 1941 datierten Musterbaupläne von Karl Bonatz, Bruder des bekannteren Baumeisters Paul Bonatz. Sie sahen an verschiedenen Standorten jeweils einen gleichartigen, »bombensicheren Schutzraumbau für die Reichsbahn« vor. Im Rahmen des Führer-Sofortprogrammes unter der Leitung Albert Speers umgesetzt, soll der Bunker bereits 1942 über zweieinhalbtausend Menschen aus der Umgebung und Reisende aus dem nahe gelegenen Bahnhof-Friedrichstraße bei Luftangriffen Unterschlupf gewährt haben. Eingänge an allen vier Seiten mit Doppeltreppenanlagen ermöglichten schnellen Einlass. Womöglich wegen seiner exponierten Lage im Stadtraum an einer Straßenkreuzung unweit des Deutschen Theaters gelegen, ist der Hochbunker im Gegensatz zu manch anderen wesentlich aufwendiger gestaltet. Den oberen Abschluss der symmetrischen und jeweils durch Mittelrisalite gegliederten Fassade bildet ein umlaufendes Konsolgesims. Noch heute offenbaren sich an der Fassade die Spuren der Vergangenheit: Sie wurde lediglich gereinigt und in Abstimmung mit der Denkmalpflege an konstruktiv notwendigen Stellen instandgesetzt, die zahlreichen Einschlusslöcher blieben sichtbar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die Rote Armee den Hochbunker vorübergehend als Militärgefängnis, bis er ab etwa 1950 als Lagerstätte diente, zu DDR-Zeiten zum Beispiel für Südfrüchte, was ihm die Bezeichnung »Bananenbunker« einbrachte. Aus dieser Nutzungsepoche stammt die Öffnung an der nördlichen Fassade, wo ein Lastenaufzug angebracht wurde – bis heute jeweils das einzige Fenster pro Geschoss.

Wenige Jahre nach der Wende betanzten schließlich zunächst Techno-freaks die leerstehenden Räume und feierten hier die angeblich härtesten Technopartys Berlins. Die Wände wurden bunt, besprayt und bemalt, und die Räume zur halblegalen Adresse für weitere Musik-, SM- und Szenepartys. Nach einigen Razzien und Bauauflagen, die spontan wohl kaum zu realisieren waren – wie lässt sich auch eine Versammlungsstättenverordnung mit den starren Gegebenheiten im Bunker in Einklang bringen? – fand das Treiben 1996 ein abruptes Ende. Und 2003, nach einigen temporären Kunstausstellungen, der Bunker seine neue Bestimmung: 2007 bezog der Kunstliebhaber Christian Boros mit seiner Familie das aufgestockte Penthouse auf dem Dach als seinen Zweit- beziehungsweise Wochenendwohnsitz; seit Juni dieses Jahres gilt es, darunter seine beeindruckende Sammlung zeitgenössischer Kunst zu entdecken [1]. Bereits 1990 begann der heutige Inhaber einer erfolgreichen Werbeagentur, Kunstwerke zu sammeln, etwa von Damian Hirst, Olafur Eliasson, Anselm Reyle oder Tobias Rehberger. Derzeit besitzt er nach eigenen Angaben rund fünfhundert Arbeiten, die er leichtfertig-plakativ mit den Worten »Ich sammle Kunst, die ich nicht verstehe.« kommentiert. In dieser ersten Ausstellung sind – auf einer Fläche von etwa 2500 Quadratmetern – ausschließlich Skulpturen, Raum- und Lichtinstallationen von insgesamt 57 Künstlern zu sehen.

Ein Monster aus Beton

Keine Alltagsaufgabe: Eine massive Stahlbetondecke von drei Metern, 1,80 Meter dicke Außenwände, eine Raumhöhe von zwei bis 2,30 Metern und rund 120 Kammern – so fanden »Realarchitektur« ihr Projekt vor. Nach mächtig Handarbeit, Geduld und Zeitaufwand – 750 Kubikmeter Beton (insgesamt ein Würfel mit über neun Metern Kantenlänge) galt es im Bunker zu zerkleinern und zu entfernen – sind nun nur noch achtzig Räume mit teils bis zu 13 Meter hohen Lufträumen geblieben. Sie werden pro Geschoss nach wie vor über den mittigen Rundgang erschlossen.
Doch der statische Nachweis für den geplanten Umbau erwies sich als schwierig; Daten zur Berechnung der Verkehrs - und Bruchlast fehlten. Aufschluss sollte ein direkter Belastungstest geben: Eine hydraulische Presse versuchte, der Deckenkonstruktion Herr zu werden, sie zum Bruch zu zwingen. Und war mit ihrem Scheitern erfolglos und erfolgreich zugleich: Die tatsächliche Bruchlast bleibt für immer ungewiss – eine Bestätigung und Messergebnisse als Berechnungsgrundlage hatte man damit dennoch. Die Abbrucharbeiten, unüberhörbar im umliegenden Straßenraum, konnten beginnen.

Drei Monate sägten und rüttelten die Handwerker mittels Diamantschneidetechnik allein an der Öffnung der Drei-Meter-Decke für den Aufzug und die Erweiterung des Treppenhauses hinauf zur Wohnung des Bauherrn. Durch das beeindruckend monströse, roh belassene Loch sticht nun die neue Erschließung, ausgeführt mit einem Streckmetall, das unprätentiös und dennoch edel wirkt in seiner Einfachheit, kontrastierend mit der Bruchkante der Deckenöffnung und deren herausstehenden, gekappten Bewehrungsstäben. Hier wird die kolossale Konstruktion zum ersten Mal richtig deutlich – und die Mammutaufgabe, der Planer, Handwerker und Bauherren gegenüberstanden.
Auch finanziell war die Umnutzung eine Herausforderung, weitgehend unkalkulierbar die Kosten. Um diese hüllt sich allerdings Schweigen. Zunächst war geplant, die ersten Geschosse zu vermieten, als man sich, so Petersson, »noch nicht der immensen Kraft des Gebäudes« bewusst war.

Himmel über Berlin

Oben angekommen, scheint die Welt wieder eine andere. Dass man eben in einer erlesenen Sammlung zeitgenössischer Kunst war, daran erinnern zwar ebenso exquisit ausgewählte Möbel und Kunstwerke, aber das bedrückend beklemmende Gefühl hat sich verflüchtigt. Luftiger und lichtdurchlässig wurde es schon im oberen Treppenhaus, nun fühlt man sich frei. Das Penthouse übertrifft in einer faszinierenden Großzügigkeit, architektonischen Qualität und nahezu asketischem Purismus alle Erwartungen. Für Ersteres sorgt die Raumhöhe von 3,75 m bei einer Fläche von 26 mal 26 Metern. Zweiteres darf man wohl vor allem den Planern und Ausführenden verdanken. Das Dritte sicher einer eher ungewohnten Bauherrn-Diszipliniertheit; wenige Materialien und ebenso wenige Möbel bestimmen die Anmutung. Der umlaufenden und trotz ihrer filigranen Wirkung auch das Dach tragenden Stahl-Glasfassade stehen robuste Oberflächen gegenüber: Wände und Decken aus Beton, Böden und Sanitärbereiche aus Muschelkalk, Schrank- und Regalwände aus Eichenholz, angeblich gefertigt aus nur einem, 370 Jahre alten, westfälischen Eichenstamm.

Die Qualität und behutsame bis extravagante Materialwahl, die angenehm ruhig und unaufdringlich wirkt, setzt sich auch im Außenbereich fort: Der Terrassenbelag besteht aus Bankiraiholzlamellen, in den sich ein Wasserbecken gräbt, und der verschiebbare, individuell gefertigte Sonnenschutz aus einem Stahlrahmen mit darin gespannten Aluminiumketten. Gemeinsam mit den umlaufenden Dachgärten und Terrassen ergibt sich eine Fläche von knapp tausend Quadratmetern, eine grandiose Dachwohnung inmitten der Stadt. So gar nicht passt da die – dennoch erfreuliche – Vorstellung, dass das Dach noch mit einer Photovoltaikanlage nachgerüstet werden soll.

Auch dem Stadtraum tun das Grün des Dachgartens und überhaupt das aufgestockte Penthouse gut. Als hätte man dem jahrelang leerstehenden Gebäude wieder Leben eingehaucht. Plump und etwas gedrungen hatte es zuvor gewirkt. Mit dem hinzugekommenen Geschoss findet das Gebäude einen wohlproportionierten Abschluss.

Was bleibt, fällt die mächtige Stahltür erst wieder hinter dem Besucher ins Schloss, ist ein Nachsinnen über seine neue Nutzung. Und über einen leise vernommenen Vorwurf, dieser Ort der Geschichte behandele »distanzlos alle Spuren allein als Material und Zeichen, aber nicht als Dokumente«, seine düstere Vergangenheit diene »mehr der Inszenierung von Kunst und Ego« [2]. Das mag zum Teil stimmen, doch wie hätte es anders aussehen sollen, aussehen können? »Es ist ein Segen, dass Boros diese Werke erworben hat – Versäumnisse der Berliner Museen können so zumindest teilweise ausgeglichen werden«, schreibt dafür die Tagespresse [3]. Nicht nur, dass es ein Segen ist, dass er all jene Kunstwerke über die Jahre gesammelt hat, zugegeben sammeln konnte – ein Glücksfall vielleicht auch, dass gerade er den Bunker behutsam und mit viel Sorgfalt umgestalten ließ und ihm zeitge-nössische Kunst als »das höchste Potenzial geistiger Freiheit«, so Boros, gegenüberstellt. Eine bessere Nutzung hätte man sich hier wahrlich nicht vorstellen können.

db, Mo., 2008.12.01



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03. Dezember 2007Christine Fritzenwallner
db

Die Gute Stube

Raggal ist ein kleines Dorf im Walsertal in Vorarlberg. Seit gut einem Jahr sind dort alle wichtigen Gemeindeeinrichtungen erstmals unter einem Dach zusammengefasst. Für den Bau des neuen Gemeindehauses verlief die Zusammenarbeit zwischen Planer und Bauherrn außerordentlich gut, ohne nennenswerte Querelen, ohne Baukostenüberschreitung oder Bauverzögerungen – ein Glücksfall?

Raggal ist ein kleines Dorf im Walsertal in Vorarlberg. Seit gut einem Jahr sind dort alle wichtigen Gemeindeeinrichtungen erstmals unter einem Dach zusammengefasst. Für den Bau des neuen Gemeindehauses verlief die Zusammenarbeit zwischen Planer und Bauherrn außerordentlich gut, ohne nennenswerte Querelen, ohne Baukostenüberschreitung oder Bauverzögerungen – ein Glücksfall?

Nicht immer ist es in Raggal so neblig wie an diesem grauen, kühlen Oktobertag. Der leichte Nieselregen lässt das Bergdorf verschlafen wirken, kaum ein Bewohner oder Besucher ist am Nachmittag auf den Straßen unterwegs. Normalerweise eröffnet sich vom Dorfplatz aus, in dessen Mitte eine alte Linde auf 1050 Metern Höhe thront, ein schöner Blick auf das Walsertal und die gegenüberliegende Hangseite mit ihren kleinen Dörfern. Heute aber hängen dicke Nebelwolken über dem Tal und versperren jegliche Sicht. Die gelungene Einfügung des neuen Gemeindehauses in den Ortskern, gleich neben dem Dorfplatz mit Kirche und Schulhaus, wird so nur zum Teil deutlich. Denn als Einziger schlug Johannes Kaufmann beim vorangegangenen Wettbewerb für das neue Gemeindehaus ein eher lang gestrecktes, flaches, nur zweieinhalbgeschossiges Gebäude vor, das den Blick in das Walsertal und umgekehrt nicht blockiert. Keinen »Turm« wie seine Wettbewerbskonkurrenten, erklärt er – selbst noch immer etwas erstaunt über die Tatsache, dass die Entwürfe seiner Kollegen diesen Panoramablick wesentlich gestört hätten. Auf der Eingangsebene hat er alle wichtigen Funktionen verteilt: das Tourismusbüro, Räume der Gemeindeverwaltung, Bürgermeisterzimmer oder das »Walserstüble«, eine Küche für die Eltern-Kind-Beratung. Im Obergeschoss befinden sich nur das Sitzungszimmer und ein Archiv, im Untergeschoss, in den Hang eingeschoben, Technikräume und ein Musikprobensaal für den Musikverein.

Ökologisch Wirtschaften

Vom Planungsbeginn im Juli 2005 bis zur Fertigstellung des Gemeindehauses verging gerade mal ein gutes Jahr. Den einstufigen Architekturwettbewerb lobte die kleine Gemeinde Raggal mit ihren knapp 900 Einwohnern Anfang 2005 aus. Sechs Vorarlberger Büros, die sie sich als Planer ihres neuen Gemeindehauses vorstellen konnten, luden sie hierzu ein, darunter auch das Büro von Johannes Kaufmanns Bruder Hermann Kaufmann, der rund ein Jahr zuvor bereits im benachbarten Ludesch ein Gemeindehaus in Passivbauweise erstellt hatte. Für den Neubau war die Verwendung heimischen Holzes gewünscht, da die Gemeinde über eigenen Wald verfügt und Mitglied im »Biosphärenpark Großes Walsertal« ist. Diese von der UNESCO ausgezeichneten Biosphärenreservate gibt es weltweit fast 500 Mal, jeweils für Regionen mit nachhaltiger Wirtschafts- und Lebensweise. Wichtig war daher auch, in Anlehnung an den Gedanken der regionalen Wertschöpfung, dass für den Neubau Materialien aus dem Walsertal verwendet und Firmen aus der Region beauftragt wurden. Den Wunsch der Kommune nach der Verwendung von Holz hat Johannes Kaufmann als gelernter Zimmermann nur allzu gern erfüllt. Der zukünftige Energieverbrauch war seitens des Bauherrn zwar nicht auf exakte Zahlen festgelegt, dennoch schlug Kaufmann bereits im Wettbewerb ein Niedrigenergiehaus mit Passivhauskomponenten vor – ein Standard, der für ihn und viele seiner Vorarlberger Kollegen längst selbstverständlich ist. Die Baukosten konnte er weitgehend einhalten, eine Überschreitung gab es durch die hinzugekommene Biomasse-Heizanlage, mit der über eine Nahwärmeleitung weitere benachbarte Gebäude mit Heizenergie versorgt werden können. Als Brennstoff dient vorwiegend Waldhackgut aus der eigenen Gemeinde. Im Musikprobensaal im Untergeschoss, den die Musiker ebenerdig und separat von der Hangseite erschließen können, wurde aus Kostengründen vieles in Eigenleistung von der Gemeinde erbracht. Dass man das dem Raum nicht ansieht, verweist auf die handwerklichen Fähigkeiten im Ort. Neben der Außenhülle aus Weißtanne wurde auch im Inneren konsequent der heimische Baustoff verwendet. Fast schon ein bisschen zu viel, mag man im ersten Moment denken, wenngleich der frische, kernige Geruch beim Eintreten diesen Gedanken sogleich vertreibt. Die bis auf Fußböden, Tische und Toiletten nahezu komplette Ausstattung mit Holz – Weißtanne vorwiegend als Beplankung, Fichte für die Konstruktion des Stabtragwerks –, passt in die ländliche Umgebung und vermittelt zwischen traditioneller Bauweise und eher nüchternem Architekturstil. In dem dicken Wandaufbau aus Hohlkastenprofilen und 32 Zentimeter Dämmung sitzen großzügige Fensteröffnungen. Johannes Kaufmann hat nicht auf »Biegen und Berechnen« ein Passivhaus gebaut – wohl aber bewusst all die Komponenten eingesetzt, die einen geringen Wärmeverbrauch ermöglichen und gleichzeitig architektonisch vertretbar waren. Neben moderner Haustechnik mit einer kontrollierten Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung oder den dreifachverglasten Fenstern hat er vor allem eine kompakte Außenhülle geschaffen, die – wohlbemerkt auch nach Norden hin – der Aussicht ins Tal wegen großzügige Fensteröffnungen besitzt.

Baumeister und Bauherr

Kaufmann ist zufrieden mit dem Gemeindehaus und dem Bauablauf. Etwa zehn Mal traf er sich während der Vorbereitungsszeit mit dem Bauherrenteam zu gemeinsamen Sitzungen. Gerade dieses Projekt bedeutet ihm persönlich besonders viel: Zum einen stammt er aus einer ebenso kleinen Gemeinde mit ähnlicher Dorfstruktur, verstand somit die Bedürfnisse der Bewohner und war sich der seltenen Chance bewusst, »an einem so schönen Ort zu bauen«. Zum anderen gefiel ihm besonders der direkte Umgang mit Holz und die Möglichkeit, sein Wissen als gelernter Zimmerer einsetzen zu können. Denn die Verwendung heimischen Holzes bedeutete auch, eine Holzschnittliste zu erarbeiten, damit das entsprechend gefällte Holz noch rechtzeitig trocknen konnte und pünktlich zum Baubeginn vorlag. Kaum war der Wettbewerb abgeschlossen und noch bevor das Tragwerk mit dem Tragwerksplaner abgestimmt war, wurden im eigenen Gemeindewald nach seiner Schnittliste Hölzer mit einem Querschnitt von 7 cm gesägt, die später einheitlich auf 6 cm-Querschnitte gehobelt wurden. Ein Wagnis für jeden Planer, sich so frühzeitig festzulegen, und auch nur für einen Zimmermann wirklich kalkulierbar. Auch von Bauherrenseite gibt es nichts zu beanstanden. Der Bürgermeister hatte gerade seine Amtszeit begonnen, als die Planungs- und Bauzeit startete. Stolz führt er durch die neuen Räume und lobt die gute Zusammenarbeit. Obwohl ein paar wenige gestalterische Unstimmigkeiten zwischen Planer und Gemeinde auftraten, beispielsweise was die Wahl des Fußbodenbelags anbelangte, wirkt nichts wie eine Kompromisslösung. Lediglich in der Detailausführung hätte man das eine oder andere noch optimieren können, etwa was Steckdosen, Kabelführung oder die Möblierung betrifft. Aber es muss nicht alles zu »designt« sein, erklärt Kaufmann. Die Stühle stammen teilweise aus den alten Gemeinderäumen, so dass es verständlich ist, wenn diese – wiederum im Sinne ökologischen Verhaltens – nicht einfach auf dem Sperrmüll landeten. Die Schuld daran, dass das Berufsbild des Architekten, vor allem außerhalb Vorarlbergs, in den letzten Jahrzehnten gelitten hat, sieht Kaufmann auch in dem Verhalten der Architekten selbst. Etwa, wenn sie zu gewagte, teure Details vorschlagen, die nicht funktionieren, und sich brüskiert fühlen, wenn ihre Vorschläge nicht angenommen werden. Er sieht sich und seine Mitarbeiter – ein Büro mit rund 15 Angestellten, das sich neben Dornbirn auch gerade in Wien niederlässt –, besonders »nah am Kunden«, für die er gute, vor allem aber nutzbare Architektur plant.

Glücksfall oder Vorarlberger Mentalität? Dass Planung und Ausführung so reibungslos verliefen, lässt sich dennoch nicht an einer einzelnen Person festmachen. Sicher hat jeder seinen Teil dazu beigetragen: Ein Architekt, der aus der gleichen Region kommt, die Bedürfnisse der Nutzer versteht und nicht mit großem künstlerischen Gehabe über sie hinwegsieht. Ein Bauherr, der die Rolle des Architekten respektiert und auf dessen Erfahrung und gestalterische Fähigkeit vertraut. Und schließlich qualifizierte Fachplaner und Handwerker, die zum Gelingen beitragen. Es ist nicht das erste Gebäude in Vorarlberg, das unter solch guten Bedingungen entstanden ist. Besonders vorteilhaft waren in Raggal auch die kurzen »Wege« zwischen Architekt und Bauherr, ein kleines Team Mitspracheberechtigter und damit schnelle Abstimmungsprozesse, das Know-how aller Planer und Handwerker vor allem im Bereich Holzbau und eine aufgeschlossene Bauherrenschaft. Mit dem Gemeindehaus Raggal gesellt sich nun ein weiteres Gebäude in die Besichtigungsliste aktueller Vorarlberger Architektur. Ein Neuling, der gleichermaßen unaufdringlich, nutzerfreundlich wie energieeffizient und – auch ohne Sonnenschein und Bergpanorama – schön anzusehen ist...

db, Mo., 2007.12.03



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02. März 2007Christine Fritzenwallner
db

Zur Lichtplanung der »Tschuggen Bergoase«

Wesentlicher Bestandteil des Lichtkonzepts sind die Oberlichter, die natürliches Licht in die Wellness-Oase werfen. Unterstützend dazu haben die Lichtplaner...

Wesentlicher Bestandteil des Lichtkonzepts sind die Oberlichter, die natürliches Licht in die Wellness-Oase werfen. Unterstützend dazu haben die Lichtplaner...

Wesentlicher Bestandteil des Lichtkonzepts sind die Oberlichter, die natürliches Licht in die Wellness-Oase werfen. Unterstützend dazu haben die Lichtplaner für die Allgemeinbeleuchtung Deckenvouten (Lichtschlitze im Bereich Decke-Wand) und Downlights vorgesehen. Akzente setzen Wände mit Lichtfasern oder auf den Natursteinpodesten angebrachte Strahler, die die Natursteinwände der »Wasserwelt« mit einem engen Ausstrahlwinkel streiflichtartig beleuchten und so deren Plastizität betonen.

Vorgehen

Mario Botta war es wichtig, dass die Allgemeinbeleuchtung unauffällig in die Architektur integriert ist und keine Leuchtkörper direkt zu sehen sind. Seitens des Architekturbüros gab es bereits konkrete Vorstellungen, die der Lichtplaner anhand einer Simulation schnell prüfen und präzisieren konnte. Für derlei Simulationen gibt es zwei Möglichkeiten: Die Verwendung eines Lichtberechnungsprogrammes, mit dem der Lichtplaner wie in diesem Fall Lage und Beleuchtungsstärken der Leuchtkörper in der Decke prüfte, oder die aufwändigere Form über die Visualisierung eines 3D-Architekturmodells.

Innenbeleuchtung

Die holzlamellenartige Deckenkonstruktion zieht sich über alle Bereiche des Wellness-Centers. An ihrem Rand, vor allem in den Erschließungsbereichen, sitzen versteckt die Lichtvouten, die mit zwei Stabröhren in den zwei unterschiedlichen Lichtfarben ausgestattet sind: das warmweiße Licht (Kennzeichen 830) und das leichte Blau der Stablampe 840 (hier zusätzlich mit blauer Farbfolie versehen). Beide können unabhängig voneinander die grauen Wände beleuchten und sind in ihrer Intensität dimmbar. Die erstere, sehr häufig in Hotels und in Verbindung mit Holz verwendete Lichtfarbe erzeugt durch ihren Rotanteil eine wohlige, gemütliche Atmosphäre, während der Blauton – meist mit Materialien wie Stahl oder Beton kombiniert– ein eher kühleres Ambiente hervorruft. Dass entgegen der Vorstellung des Architekturbüros und des Lichtplaners überhaupt die blaue Lichtfarbe verwendet wurde, entsprach dem Wunsch des Bauherrn. Doch inzwischen scheint auch er überzeugt und nutzt fast ausschließlich den warmweißen Ton, was dem gewünschten Raumeindruck näherkommt und somit freundlicher auf die Gäste wirkt. In tieferen Raumbereichen ergänzen Downlights mit Kompaktleuchtstofflampen die Deckenvouten. Auch sie sind mit warmer, den Besuchern »schmeichelnder« Lichtfarbe ausgestattet.

Zusätzlich dazu gibt es die Unterwasserbeleuchtung, die die Oberflächenspiegelung auf dem Wasser reduziert und dazu dient, das Wasser hell und einladend erscheinen zu lassen. Hierzu wurden LEDs verwendet, deren hohe Lebensdauer (60000–70000 Stunden) die Wartungsintervalle verringert. 24 einzelne LEDs sitzen in einer Leuchte, so dass der Ausfall eines einzelnen LED nicht auffallen würde. Im Bedarfsfall kann allerdings die gesamte Leuchte bei gefülltem Wasserbecken ausgebaut werden.

Neben den Strahlern für die Natursteinwände inszenieren beispielsweise so genannte Endlichtfasern die Architektur und die Raumwirkung. In den gebogenen Betonwänden als kleine Punkte integriert, scheinen sie zunächst wie LEDs, sind aber die kostengünstigere und unproblematischere Variante: Die dünnen Kabel aus Glasfasern mit ihrem polierten Kopf können im Beton eingebracht oder einfach eingeputzt werden; die Gefahr eines Ausfalls, wie etwa bei einer Lampe, gibt es nicht. Das notwendige Licht liefert ein Lichtgenerator, der an beliebiger Stelle angebracht sein kann.

Aussenbeleuchtung – Aussenwirkung

Zwar sind die neun Oberlichter, die bei Dunkelheit auch in neun verschiedenen Farben strahlen – hier wurden Halogenleuchten mit unterschiedlichen Filtern verwendet und die ursprünglich geplante (teurere) Variante mit LEDs wieder verworfen – auffallend genug, aber auch die gläserne Westfassade lenkt Aufmerksamkeit auf sich: Lichtrohre, gleichzeitig in Funktion einer Brüstung – übrigens die einzige Idee Bottas, die eine Sonderanfertigung notwendig machte –, übernehmen die Ausleuchtung der großzügigen Terrassen und somit der gesamten Westseite.

Schaltung / Lichtsteuerung

Je nach Raumhöhe, Tageslichteinfall und offenen oder geschlossenen Raumbereichen wurden Leuchtengruppen gebildet, die über ein EIB-BUS-System individuell ansteuerbar sind. Die Bedienung wurde für das Personal so einfach wie möglich gehalten: Gerade mal sechs Lichttaster gibt es für alle Stockwerke, pro Geschoss ein »Putzlicht«, einen Schalter für »Personal anwesend« und einen für »Gäste anwesend«. Alle anderen Funktionen und Einstellungen regelt die Automatik. Zwar sind die Lichtstimmungen in den so genannten Treatmentkabinen der gewünschten Raumstimmung angepasst, für die Gäste steuerbar sind sie jedoch nicht.

db, Fr., 2007.03.02



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