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26. August 2025Enrico Santifaller
Jan Friedrich
Bauwelt

Im Grunde ist nichts vorhersehbar im Bauen

Stefan Kurath über den Widerspruch zwischen gefühlter und wirklicher Natur der Arbeit von Architektinnen und Architekten – und was das mit KI zu tun hat

Stefan Kurath über den Widerspruch zwischen gefühlter und wirklicher Natur der Arbeit von Architektinnen und Architekten – und was das mit KI zu tun hat

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Bauwelt 2025|18 Reden wir über KI

04. November 2024Enrico Santifaller
db

Collegium Academicum in Heidelberg

Der Neubau des Collegium Academicum ist ein Modellprojekt – in vielerlei Hinsicht. Es bietet bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen, die sich in Ausbildung befinden – und noch viel mehr. Auch architektonisch wurde mit einem innovativen Holz-Skelett-Bausystem Neuland beschritten, das ohne metallische Verbindungen auskommt.

Der Neubau des Collegium Academicum ist ein Modellprojekt – in vielerlei Hinsicht. Es bietet bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen, die sich in Ausbildung befinden – und noch viel mehr. Auch architektonisch wurde mit einem innovativen Holz-Skelett-Bausystem Neuland beschritten, das ohne metallische Verbindungen auskommt.

Es gibt keine pittoresken zwischen kleinen Gassen gespannten Wäscheleinen. Und doch herrscht in einem Blockinneren in Heidelbergs Süden ein wenig süditalienische Atmosphäre. In den Gängen im EG, aber auch auf der Freiterrasse im 1. OG stehen eine ganze Reihe von Wäscheständern verschiedener Größen und Farben. Behängt mit Jeans, Shirts, Handtüchern, Laken. In der »Waschlounge« rattern acht Maschinen eines ostwestfälischen Premiumherstellers, bei den Trocknern hingegen rührt sich nichts. An diesem sehr warmen Vormittag Ende August ist nasses Zeug in Windeseile trocken, und Strom gespart, wozu mehrere Schilder die Bewohner:innen anhalten, wird damit auch. Manch einer schaut der Szenerie von einem auf dem Rasen aufgebauten Liegestuhl zu, auf einer Terrasse im 3. OG trinkt ein Pärchen Kaffee, während im Außenbereich, vor der schon leicht ergrauten Holzfassade, sich eine kleine Gruppe junger Menschen mit Rechen und Hacken der Gartenarbeit widmet. Ein wenig Dolce Vita und Gaudeamus igitur. Studierendenleben im Jahre 2024. Freilich, was heute heiter und beschwingt auf dem Konversionsgelände des ehemaligen US-Militärhospitals in Heidelberg-Rohrbach wirkt, musste hart erarbeitet werden.

Selbstorganisiertes Wohnen als IBA-Projekt

Im Collegium Academicum (CA) – 1945 von der Universität als »Lebens-, Arbeits- und Selbsterziehungsgemeinschaft« ins Leben gerufen – von der Hochschule wegen linker Umtriebe 1978 zwangsaufgelöst, als Verein später wieder gegründet, reifte Anfang der 2010er Jahre die Idee, ein selbstverwaltetes Wohnheim für Studierende, Auszubildende und Promovierende zu bauen. Nachdem wichtige Institutionen in der Stadt ihre Unterstützung zugesichert und das Mietshäuser-Syndikat, ein Zusammenschluss von derzeit über 200 selbstorganisierten und nicht kommerziellen Hausprojekten, über Möglichkeiten und Fallstricke beraten hatten, bewarb man sich erfolgreich als offizielles Projekt der IBA Heidelberg »Wissen schafft Stadt«. In Workshops zu den Themen »Bildung in der Architektur« und Suffizienz lernten die CA-Verantwortlichen Hans Drexler, Gründer des Frankfurter Büros DGJ Architektur, kennen – und schätzen. Seine umfangreiche Forschungs- und Autorentätigkeit gerade in Sachen nachhaltiger Holz- und Wohnungsbau und der prononcierte Bildungs- und Ökologiewillen der Heidelberger Kollegiaten, das passte zusammen.

Drexler zeichnete einen ersten Entwurf, der in mehreren Runden mit CA-Aktivist:innen und künftigen Bewohner:innen ausgearbeitet wurde. Realisiert wurden ein L-förmiger Holzbau sowie ein weiterer kurzer Baukörper, die zusammen mit einer 330 m² umfassenden Gemeinschaftsaula und den erwähnten Laubengängen einen länglichen Block bilden. In dem viergeschossigen Gebäude entstanden auf knapp 5 000 m² Nutzfläche 46 Wohngemeinschaften für insgesamt 176 Bewohner:innen. Die Individualräume sowie das Bad gruppieren sich um eine Gemeinschaftsfläche mit Wohnküche, wobei diese variabel ist. Denn Drexler konzipierte jedes Zimmer zweiteilig: einen Kernbereich mit knapp 7 m² für Bett, Schrank und kleinen Schreibtisch sowie eine mit einem Raumteiler separierte, ebenso große sogenannte flexible Zone für beispielsweise Sessel oder auch ein kleines Sofa. Mit wenigen Handgriffen kann man diese Zone auch dem Gemeinschaftsbereich zuschlagen.

Und das taten denn auch die meisten Kollegiaten: Knapp zwei Drittel der Bewohner:innen kommen derzeit mit dem Kernbereich zurecht und erleben durch persönlichen Verzicht mehr Gemeinschaft(sfläche). Dass der Architekt statt normaler Anschlagstüren Schiebetüren für die Zimmer konzipierte, war eine gute Entscheidung – weil sie dem knapp bemessenen Raum mehr Platz gibt. In die Holzwände eingelegte Gummidichtungen erreichen eine hohe Luft- und Schalldichte, wofür nicht nur die üblichen Messungen, sondern auch Wahrnehmungstests gemacht wurden.
Holz-Skelett-Bausystem mit metallfreien Knotenpunkten

Gebaut wurde auf Basis von Drexlers Forschungsprojekt »Holz: Form- und kraftschlüssig«. Ziel war, eine Entwurfs- und Konstruktionsmethode für eine Architektur zu entwickeln, die flexibel und anpassungsfähig ist. Und zwar in dem Sinne, dass sie eine weitreichende Partizipation der Nutzer:innen geradezu fordert und sich mit einfachen Mitteln auch an die Bedürfnisse späterer Nutzer:innen angleichen lässt. Zentrales Element bei »Open Architecture«, wie Drexler sein Holz-Skelett-Bausystem nennt, sind Knotenpunkte, die als form- und kraftschlüssige geometrische Verbindungen der Tragelemente ausschließlich aus Holz konstruiert werden. Also ohne jegliche Verwendung von metallischen Beschlägen, sodass einerseits die Produktion solcher Holzgebäude vereinfacht und wirtschaftlicher, andererseits bei eventuellem Rückbau auch das Recycling unkomplizierter wird.

Für sein System kombinierte er traditionelle Zimmermannstechnik wie Schwalbenschwanz- und Schlitz-Zapfen-Verbindungen (Hartholzdübel sorgen für zusätzliche Sicherung) mit zeitgenössischer Bautechnologie und computergestützten Abbundanlagen. Die dreidimensionalen Geometrien der Knotenpunkte wurden dabei parametrisch berechnet. Der Architekt unterteilte das Gebäude durch die durchgängige Trennung der Konstruktion zwischen Nutzungseinheiten in statisch unabhängige Abschnitte. Weil die Erschließung über einen mit einer Fuge getrennten und nicht aussteifenden Laubengang aus Stahlbeton erfolgt, musste davon unabhängig das statische System des Holzgebäudes dessen Lasteinwirkungen aufnehmen. Dabei wurden beispielsweise die Schubkräfte der mit schwalbenschwanzförmigen Holzverbindern (X-Fix) zu Scheiben verbundenen BSP-Deckenelemente in darunterliegende Unterzüge und einige wenige aussteifende Wandscheiben übertragen. Aus den Wänden werden die Lasten ebenfalls durch die X-Fix-Verbinder in die Stützen übertragen. Dadurch wirken auf diese Stützen sowohl Druck- als auch Zuglasten, die in der Ausbildung der Knoten am Geschossübergang und Bodenanschluss berücksichtigt wurden.

Selbstverständlich achtete Drexler auch auf eine möglichst weitreichende Standardisierung und Vereinheitlichung von Tragwerk und Ausbau, auf die weitgehende Vorfertigung der Bauteile und die Reduzierung und Vereinfachung der Montageschritte auf der Baustelle.

Miete für 370 Euro plus Bildung

Das Collegium Academicum diente neben der Frankfurter Wohngruppe »Gemeinsam suffizient leben« und einer Wohngruppe um das »WohnWerk Mannheim« als Case Study des Forschungsprojekts. Die Baukosten des CA-Neubaus betrugen knapp 15 Mio. Euro (KG 300, 400), die Gesamtkosten 21 270 000 Euro (KG 100–700), wobei das Vorhaben von verschiedenen Institutionen gefördert wurde. Allein aus dem Programm »Variowohnungen« des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung kamen 2,19 Mio. Euro. Ergebnis aller Bemühungen um Wirtschaftlichkeit ist eine Miete von 375 Euro inklusive der Nebenkosten und Internetzugang. Dieser Betrag entspricht etwa der BAföG-Wohnkostenpauschale in Höhe von 380 Euro im WS 24/25, die freilich in kaum einer deutschen Hochschulstadt für ein WG-Zimmer reicht. Doch dem Collegium Academicum geht es um mehr als billiges Wohnen. Man will »gesellschaftliche, soziale und ökologische Verantwortung übernehmen«, »egalitär und inklusiv« und »basisdemokratisch und selbstverwaltet« sein, wie es auf der Homepage heißt. Man will »kritisch und kreativ denken«, »neue Wege gehen« und dabei »wertschätzend kommunizieren«.

Das CA verbindet ein Lösungsmodell für eines der drängendsten gesellschaftlichen Probleme der Zeit – die hohen Mieten – mit Bildung und einem temporären Lebensmodell. Und der Hoffnung, dass die in einem solchen Wohnen erworbenen Fähigkeiten – Stichwort »nachhaltig« – im späteren Leben weiterentwickelt werden. Dass in diesem ambitionierten Modell innovative Holzarchitektur eine entscheidende Rolle spielt, macht das Collegium Academicum zu einem hochspannenden Projekt. Ein Projekt, dem ein paar herumstehende Wäscheständer eine sehr sympathische Note verschaffen.

db, Mo., 2024.11.04



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05. Januar 2024Enrico Santifaller
Bauwelt

Grüße aus Frankfurt am Main

Welcome to Frankfurt, willkommen zu Deutschlands einzig nennenswerter Skyline! Dies möchte man jedem Besucher der Bankenstadt am Main zurufen.

Welcome to Frankfurt, willkommen zu Deutschlands einzig nennenswerter Skyline! Dies möchte man jedem Besucher der Bankenstadt am Main zurufen.

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19. Mai 2023Enrico Santifaller
Bauwelt

Eigenständiger Weiterbau

Die christliche Trauerkultur wandelt sich seit Jahrzehnten – und mit ihr die Art, zu bestatten. 2021 waren in Deutschland 77 Prozent aller Beisetzungen Feuerbestattungen. In Frankfurt am Main ist der Wettbewerb entschieden, um Rudolf Schwarz’ St. Michael zur ersten Begräbniskirche der Region umzunutzen.

Die christliche Trauerkultur wandelt sich seit Jahrzehnten – und mit ihr die Art, zu bestatten. 2021 waren in Deutschland 77 Prozent aller Beisetzungen Feuerbestattungen. In Frankfurt am Main ist der Wettbewerb entschieden, um Rudolf Schwarz’ St. Michael zur ersten Begräbniskirche der Region umzunutzen.

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Bauwelt 2023|11 Labor Venedig

08. Juli 2022Enrico Santifaller
Bauwelt

Blätterdach des Erinnerns

Die Höchster Synagoge wur­de in der Reichspogromnacht zerstört und hinter­ließ eine Leerstelle. Als Er­geb­nis eines freiraumpla­ne­ri­schen Wettbewerbs könnten bald Pflanzen den ver­lorenen Innenraum nachzeichnen.

Die Höchster Synagoge wur­de in der Reichspogromnacht zerstört und hinter­ließ eine Leerstelle. Als Er­geb­nis eines freiraumpla­ne­ri­schen Wettbewerbs könnten bald Pflanzen den ver­lorenen Innenraum nachzeichnen.

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Bauwelt 2022|14 Pflege in der Stadt

07. August 2020Enrico Santifaller
Bauwelt

Durchbruch. Aufbruch?

Sanierung oder Abriss und Neubau: Heftig wird in Frankfurt am Main um die Städtischen Bühnen gestritten. Ist mit der Idee einer„Kulturmeile“ der Befreiungsschlag gelungen? Es ginge noch mutiger, meint unser Autor.

Sanierung oder Abriss und Neubau: Heftig wird in Frankfurt am Main um die Städtischen Bühnen gestritten. Ist mit der Idee einer„Kulturmeile“ der Befreiungsschlag gelungen? Es ginge noch mutiger, meint unser Autor.

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Bauwelt 2020|16 Kultur und Kapital am Main

06. März 2020Enrico Santifaller
Bauwelt

Zum Hundertsten

Für seine skulpturalen, fast schon kristal-linen Bauten aus Beton mit hängender „Gewebedecke“ ist er bekannt − und vor allem bei Gottesdienstbesuchern beliebt: Gottfried Böhm.

Für seine skulpturalen, fast schon kristal-linen Bauten aus Beton mit hängender „Gewebedecke“ ist er bekannt − und vor allem bei Gottesdienstbesuchern beliebt: Gottfried Böhm.

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Bauwelt 2020|05 Die grüne Pflicht

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Presseschau 12

26. August 2025Enrico Santifaller
Jan Friedrich
Bauwelt

Im Grunde ist nichts vorhersehbar im Bauen

Stefan Kurath über den Widerspruch zwischen gefühlter und wirklicher Natur der Arbeit von Architektinnen und Architekten – und was das mit KI zu tun hat

Stefan Kurath über den Widerspruch zwischen gefühlter und wirklicher Natur der Arbeit von Architektinnen und Architekten – und was das mit KI zu tun hat

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Bauwelt 2025|18 Reden wir über KI

04. November 2024Enrico Santifaller
db

Collegium Academicum in Heidelberg

Der Neubau des Collegium Academicum ist ein Modellprojekt – in vielerlei Hinsicht. Es bietet bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen, die sich in Ausbildung befinden – und noch viel mehr. Auch architektonisch wurde mit einem innovativen Holz-Skelett-Bausystem Neuland beschritten, das ohne metallische Verbindungen auskommt.

Der Neubau des Collegium Academicum ist ein Modellprojekt – in vielerlei Hinsicht. Es bietet bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen, die sich in Ausbildung befinden – und noch viel mehr. Auch architektonisch wurde mit einem innovativen Holz-Skelett-Bausystem Neuland beschritten, das ohne metallische Verbindungen auskommt.

Es gibt keine pittoresken zwischen kleinen Gassen gespannten Wäscheleinen. Und doch herrscht in einem Blockinneren in Heidelbergs Süden ein wenig süditalienische Atmosphäre. In den Gängen im EG, aber auch auf der Freiterrasse im 1. OG stehen eine ganze Reihe von Wäscheständern verschiedener Größen und Farben. Behängt mit Jeans, Shirts, Handtüchern, Laken. In der »Waschlounge« rattern acht Maschinen eines ostwestfälischen Premiumherstellers, bei den Trocknern hingegen rührt sich nichts. An diesem sehr warmen Vormittag Ende August ist nasses Zeug in Windeseile trocken, und Strom gespart, wozu mehrere Schilder die Bewohner:innen anhalten, wird damit auch. Manch einer schaut der Szenerie von einem auf dem Rasen aufgebauten Liegestuhl zu, auf einer Terrasse im 3. OG trinkt ein Pärchen Kaffee, während im Außenbereich, vor der schon leicht ergrauten Holzfassade, sich eine kleine Gruppe junger Menschen mit Rechen und Hacken der Gartenarbeit widmet. Ein wenig Dolce Vita und Gaudeamus igitur. Studierendenleben im Jahre 2024. Freilich, was heute heiter und beschwingt auf dem Konversionsgelände des ehemaligen US-Militärhospitals in Heidelberg-Rohrbach wirkt, musste hart erarbeitet werden.

Selbstorganisiertes Wohnen als IBA-Projekt

Im Collegium Academicum (CA) – 1945 von der Universität als »Lebens-, Arbeits- und Selbsterziehungsgemeinschaft« ins Leben gerufen – von der Hochschule wegen linker Umtriebe 1978 zwangsaufgelöst, als Verein später wieder gegründet, reifte Anfang der 2010er Jahre die Idee, ein selbstverwaltetes Wohnheim für Studierende, Auszubildende und Promovierende zu bauen. Nachdem wichtige Institutionen in der Stadt ihre Unterstützung zugesichert und das Mietshäuser-Syndikat, ein Zusammenschluss von derzeit über 200 selbstorganisierten und nicht kommerziellen Hausprojekten, über Möglichkeiten und Fallstricke beraten hatten, bewarb man sich erfolgreich als offizielles Projekt der IBA Heidelberg »Wissen schafft Stadt«. In Workshops zu den Themen »Bildung in der Architektur« und Suffizienz lernten die CA-Verantwortlichen Hans Drexler, Gründer des Frankfurter Büros DGJ Architektur, kennen – und schätzen. Seine umfangreiche Forschungs- und Autorentätigkeit gerade in Sachen nachhaltiger Holz- und Wohnungsbau und der prononcierte Bildungs- und Ökologiewillen der Heidelberger Kollegiaten, das passte zusammen.

Drexler zeichnete einen ersten Entwurf, der in mehreren Runden mit CA-Aktivist:innen und künftigen Bewohner:innen ausgearbeitet wurde. Realisiert wurden ein L-förmiger Holzbau sowie ein weiterer kurzer Baukörper, die zusammen mit einer 330 m² umfassenden Gemeinschaftsaula und den erwähnten Laubengängen einen länglichen Block bilden. In dem viergeschossigen Gebäude entstanden auf knapp 5 000 m² Nutzfläche 46 Wohngemeinschaften für insgesamt 176 Bewohner:innen. Die Individualräume sowie das Bad gruppieren sich um eine Gemeinschaftsfläche mit Wohnküche, wobei diese variabel ist. Denn Drexler konzipierte jedes Zimmer zweiteilig: einen Kernbereich mit knapp 7 m² für Bett, Schrank und kleinen Schreibtisch sowie eine mit einem Raumteiler separierte, ebenso große sogenannte flexible Zone für beispielsweise Sessel oder auch ein kleines Sofa. Mit wenigen Handgriffen kann man diese Zone auch dem Gemeinschaftsbereich zuschlagen.

Und das taten denn auch die meisten Kollegiaten: Knapp zwei Drittel der Bewohner:innen kommen derzeit mit dem Kernbereich zurecht und erleben durch persönlichen Verzicht mehr Gemeinschaft(sfläche). Dass der Architekt statt normaler Anschlagstüren Schiebetüren für die Zimmer konzipierte, war eine gute Entscheidung – weil sie dem knapp bemessenen Raum mehr Platz gibt. In die Holzwände eingelegte Gummidichtungen erreichen eine hohe Luft- und Schalldichte, wofür nicht nur die üblichen Messungen, sondern auch Wahrnehmungstests gemacht wurden.
Holz-Skelett-Bausystem mit metallfreien Knotenpunkten

Gebaut wurde auf Basis von Drexlers Forschungsprojekt »Holz: Form- und kraftschlüssig«. Ziel war, eine Entwurfs- und Konstruktionsmethode für eine Architektur zu entwickeln, die flexibel und anpassungsfähig ist. Und zwar in dem Sinne, dass sie eine weitreichende Partizipation der Nutzer:innen geradezu fordert und sich mit einfachen Mitteln auch an die Bedürfnisse späterer Nutzer:innen angleichen lässt. Zentrales Element bei »Open Architecture«, wie Drexler sein Holz-Skelett-Bausystem nennt, sind Knotenpunkte, die als form- und kraftschlüssige geometrische Verbindungen der Tragelemente ausschließlich aus Holz konstruiert werden. Also ohne jegliche Verwendung von metallischen Beschlägen, sodass einerseits die Produktion solcher Holzgebäude vereinfacht und wirtschaftlicher, andererseits bei eventuellem Rückbau auch das Recycling unkomplizierter wird.

Für sein System kombinierte er traditionelle Zimmermannstechnik wie Schwalbenschwanz- und Schlitz-Zapfen-Verbindungen (Hartholzdübel sorgen für zusätzliche Sicherung) mit zeitgenössischer Bautechnologie und computergestützten Abbundanlagen. Die dreidimensionalen Geometrien der Knotenpunkte wurden dabei parametrisch berechnet. Der Architekt unterteilte das Gebäude durch die durchgängige Trennung der Konstruktion zwischen Nutzungseinheiten in statisch unabhängige Abschnitte. Weil die Erschließung über einen mit einer Fuge getrennten und nicht aussteifenden Laubengang aus Stahlbeton erfolgt, musste davon unabhängig das statische System des Holzgebäudes dessen Lasteinwirkungen aufnehmen. Dabei wurden beispielsweise die Schubkräfte der mit schwalbenschwanzförmigen Holzverbindern (X-Fix) zu Scheiben verbundenen BSP-Deckenelemente in darunterliegende Unterzüge und einige wenige aussteifende Wandscheiben übertragen. Aus den Wänden werden die Lasten ebenfalls durch die X-Fix-Verbinder in die Stützen übertragen. Dadurch wirken auf diese Stützen sowohl Druck- als auch Zuglasten, die in der Ausbildung der Knoten am Geschossübergang und Bodenanschluss berücksichtigt wurden.

Selbstverständlich achtete Drexler auch auf eine möglichst weitreichende Standardisierung und Vereinheitlichung von Tragwerk und Ausbau, auf die weitgehende Vorfertigung der Bauteile und die Reduzierung und Vereinfachung der Montageschritte auf der Baustelle.

Miete für 370 Euro plus Bildung

Das Collegium Academicum diente neben der Frankfurter Wohngruppe »Gemeinsam suffizient leben« und einer Wohngruppe um das »WohnWerk Mannheim« als Case Study des Forschungsprojekts. Die Baukosten des CA-Neubaus betrugen knapp 15 Mio. Euro (KG 300, 400), die Gesamtkosten 21 270 000 Euro (KG 100–700), wobei das Vorhaben von verschiedenen Institutionen gefördert wurde. Allein aus dem Programm »Variowohnungen« des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung kamen 2,19 Mio. Euro. Ergebnis aller Bemühungen um Wirtschaftlichkeit ist eine Miete von 375 Euro inklusive der Nebenkosten und Internetzugang. Dieser Betrag entspricht etwa der BAföG-Wohnkostenpauschale in Höhe von 380 Euro im WS 24/25, die freilich in kaum einer deutschen Hochschulstadt für ein WG-Zimmer reicht. Doch dem Collegium Academicum geht es um mehr als billiges Wohnen. Man will »gesellschaftliche, soziale und ökologische Verantwortung übernehmen«, »egalitär und inklusiv« und »basisdemokratisch und selbstverwaltet« sein, wie es auf der Homepage heißt. Man will »kritisch und kreativ denken«, »neue Wege gehen« und dabei »wertschätzend kommunizieren«.

Das CA verbindet ein Lösungsmodell für eines der drängendsten gesellschaftlichen Probleme der Zeit – die hohen Mieten – mit Bildung und einem temporären Lebensmodell. Und der Hoffnung, dass die in einem solchen Wohnen erworbenen Fähigkeiten – Stichwort »nachhaltig« – im späteren Leben weiterentwickelt werden. Dass in diesem ambitionierten Modell innovative Holzarchitektur eine entscheidende Rolle spielt, macht das Collegium Academicum zu einem hochspannenden Projekt. Ein Projekt, dem ein paar herumstehende Wäscheständer eine sehr sympathische Note verschaffen.

db, Mo., 2024.11.04



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05. Januar 2024Enrico Santifaller
Bauwelt

Grüße aus Frankfurt am Main

Welcome to Frankfurt, willkommen zu Deutschlands einzig nennenswerter Skyline! Dies möchte man jedem Besucher der Bankenstadt am Main zurufen.

Welcome to Frankfurt, willkommen zu Deutschlands einzig nennenswerter Skyline! Dies möchte man jedem Besucher der Bankenstadt am Main zurufen.

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Bauwelt 2024|01 Grüße aus...

19. Mai 2023Enrico Santifaller
Bauwelt

Eigenständiger Weiterbau

Die christliche Trauerkultur wandelt sich seit Jahrzehnten – und mit ihr die Art, zu bestatten. 2021 waren in Deutschland 77 Prozent aller Beisetzungen Feuerbestattungen. In Frankfurt am Main ist der Wettbewerb entschieden, um Rudolf Schwarz’ St. Michael zur ersten Begräbniskirche der Region umzunutzen.

Die christliche Trauerkultur wandelt sich seit Jahrzehnten – und mit ihr die Art, zu bestatten. 2021 waren in Deutschland 77 Prozent aller Beisetzungen Feuerbestattungen. In Frankfurt am Main ist der Wettbewerb entschieden, um Rudolf Schwarz’ St. Michael zur ersten Begräbniskirche der Region umzunutzen.

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Bauwelt 2023|11 Labor Venedig

08. Juli 2022Enrico Santifaller
Bauwelt

Blätterdach des Erinnerns

Die Höchster Synagoge wur­de in der Reichspogromnacht zerstört und hinter­ließ eine Leerstelle. Als Er­geb­nis eines freiraumpla­ne­ri­schen Wettbewerbs könnten bald Pflanzen den ver­lorenen Innenraum nachzeichnen.

Die Höchster Synagoge wur­de in der Reichspogromnacht zerstört und hinter­ließ eine Leerstelle. Als Er­geb­nis eines freiraumpla­ne­ri­schen Wettbewerbs könnten bald Pflanzen den ver­lorenen Innenraum nachzeichnen.

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Bauwelt 2022|14 Pflege in der Stadt

07. August 2020Enrico Santifaller
Bauwelt

Durchbruch. Aufbruch?

Sanierung oder Abriss und Neubau: Heftig wird in Frankfurt am Main um die Städtischen Bühnen gestritten. Ist mit der Idee einer„Kulturmeile“ der Befreiungsschlag gelungen? Es ginge noch mutiger, meint unser Autor.

Sanierung oder Abriss und Neubau: Heftig wird in Frankfurt am Main um die Städtischen Bühnen gestritten. Ist mit der Idee einer„Kulturmeile“ der Befreiungsschlag gelungen? Es ginge noch mutiger, meint unser Autor.

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Bauwelt 2020|16 Kultur und Kapital am Main

06. März 2020Enrico Santifaller
Bauwelt

Zum Hundertsten

Für seine skulpturalen, fast schon kristal-linen Bauten aus Beton mit hängender „Gewebedecke“ ist er bekannt − und vor allem bei Gottesdienstbesuchern beliebt: Gottfried Böhm.

Für seine skulpturalen, fast schon kristal-linen Bauten aus Beton mit hängender „Gewebedecke“ ist er bekannt − und vor allem bei Gottesdienstbesuchern beliebt: Gottfried Böhm.

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Bauwelt 2020|05 Die grüne Pflicht

07. August 2019Enrico Santifaller
Bauwelt

Museum der Bayerischen Geschichte

In Regensburg ist ein Museum entstanden, das sich mit Leidenschaft und Selbstironie dem Werden und Wesen der Bayern widmet. Die Architektur des Gebäudes, das auch als Durchgangsraum zwischen Altstadt und Donau dienen soll, bleibt dagegen angenehm sachlich.

In Regensburg ist ein Museum entstanden, das sich mit Leidenschaft und Selbstironie dem Werden und Wesen der Bayern widmet. Die Architektur des Gebäudes, das auch als Durchgangsraum zwischen Altstadt und Donau dienen soll, bleibt dagegen angenehm sachlich.

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Bauwelt 2019|16 Open Space

18. April 2019Enrico Santifaller
Bauwelt

Stabil mit durchaus brutalistischen Zügen

Der Standort der Deutschen Bundesbank in Frankfurt wird erweitert. Die Entscheidung zur Form des neuen Campus fiel in einem Städtebaulichen Konzeptvergabe-Verfahren.

Der Standort der Deutschen Bundesbank in Frankfurt wird erweitert. Die Entscheidung zur Form des neuen Campus fiel in einem Städtebaulichen Konzeptvergabe-Verfahren.

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Bauwelt 2019|08 Kongo, befreit und neu sortiert

29. Juni 2018Enrico Santifaller
Bauwelt

Kein Fügen ins Unvermeidliche

Vor kurzem wurde der Bauzaun gelüftet, der das Frankfurter Dom-Römer-Areal Jahre lang hermetisch abgeriegelt hatte. Anlass für eine weitere Diskussionswelle über die „neue Altstadt“, die mit einem 1,5 Millionen teuren Fest im September eröffnet wird.

Vor kurzem wurde der Bauzaun gelüftet, der das Frankfurter Dom-Römer-Areal Jahre lang hermetisch abgeriegelt hatte. Anlass für eine weitere Diskussionswelle über die „neue Altstadt“, die mit einem 1,5 Millionen teuren Fest im September eröffnet wird.

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Bauwelt 2018|13 Kleinstädte

07. April 2017Enrico Santifaller
Bauwelt

Dubai am Main

Die Frankfurter Innenstadt wird dichter. Gleich vier Hochhäuser sind auf dem ehemaligen Areal der Deutschen Bank geplant. Internationale Namen waren geladen. Den Realisierungswettbewerb gewann UN Studio, der Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs von 2016.

Die Frankfurter Innenstadt wird dichter. Gleich vier Hochhäuser sind auf dem ehemaligen Areal der Deutschen Bank geplant. Internationale Namen waren geladen. Den Realisierungswettbewerb gewann UN Studio, der Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs von 2016.

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Bauwelt 2017|07 Wolke auf Stützen

02. April 2017Enrico Santifaller
db

Gehobene Rasteritis im Grünen

Die Goethe-Universität gibt ältere Liegenschaften auf und konzentriert sich auf das ehemals von den amerikanischen Streitkräften genutzte Gelände am I.G.-Farben-Haus. Einem städtebaulichen Masterplan folgend entstand auf dem neuen Campus Westend ein an städtische Blockstrukturen angelehntes Ensemble in Naturstein, das sich gleichermaßen selbstbezogen wie auch offen für außerakademische Aneignung erweist.

Die Goethe-Universität gibt ältere Liegenschaften auf und konzentriert sich auf das ehemals von den amerikanischen Streitkräften genutzte Gelände am I.G.-Farben-Haus. Einem städtebaulichen Masterplan folgend entstand auf dem neuen Campus Westend ein an städtische Blockstrukturen angelehntes Ensemble in Naturstein, das sich gleichermaßen selbstbezogen wie auch offen für außerakademische Aneignung erweist.

Am Wochenende ist der zentrale Platz des Campus Westend fest in Kinderhand. Alles rollt und kreischt – es ist ein Heidenspaß. Im Hörsaalgebäude, das mit der Mensa den Platz säumt, ist die Cafeteria auch sonntags geöffnet. Heiße Schokoladen und dampfende Kaffeebecher werden zu den Gartentischen ­herausgetragen. Obwohl teilweise von grünem Maschendrahtzaun umgeben, wird das parkartige Areal der Johann Wolfgang Goethe-Universität als weitere Grünfläche, als Fortführung des westlich angrenzenden Grüneburgparks wahrgenommen und genutzt. Dabei – da mehrere Fachbibliotheken auch am Wochenende in Betrieb sind – mischen sich Studierende mit Kindern, Eltern mit Passanten und Radfahrern. Auf dem Campus Westend gibt das multi­kulturelle Frankfurt auch im recht kalten Spätwinter ein friedliches Bild ab.

Im Sommer 2001 bezogen die Kulturwissenschaften die ehemalige, nach ­Plänen von Dissing+Weitling (Kopenhagen) renovierte Konzernzentrale der IG Farben im Norden des Westends. Der aus der Feder von Hans Poelzig stammende, mit Cannstatter Travertin bekleidete Stahl-Bau, der zwischenzeitlich als Headquarter der US Army in Europa diente, ist heute noch so eindrucksvoll wie damals. Den 2002 ausgelobten städtebaulichen Wettbewerb für einen Uni-Campus nördlich des Poelzig-Baus mit insgesamt 39 ha gewann Ferdinand Heide. Der großen städtebaulichen Qualität des Entwurfs halber sowie wegen der zukunftsfähigen »Hochschultypologie« und der »genügenden Entwicklungschancen«. Mit 15 Jahren Abstand ist Heides Vision eines ­urbanen Campus, der die Qualitäten des Bestands aufnimmt und weiterführt, im Wesentlichen aufgegangen.

Gerade die beiden Grünspangen, die zusammen mit dem »zentralen Band« das Areal durchziehen, geben ihm Großzügigkeit und eine angenehme Weite. Sein Entwurf, den das Frankfurter Stadtparlament 2006 als rechtsgültigen Bebauungsplan beschloss, wird auch in der stets misstrauischen Frankfurter Architektenschaft als der beste aller Wett­bewerbsteilnehmer beurteilt.

Varianten der Strenge

Anders dagegen die in der Nachfolge, stets nach RPW-Wettbewerben (Richtlinie für Planungswettbewerbe) entstandenen Uni-Gebäude, die sich – so wollte das jede Auslobung – am Poelzig-Bau orientieren sollten (s. Liste zum Lageplan auf der linken Seite). Insgesamt wurden 185 000 m² BGF neu gebaut und etwa 480 Mio. Euro (2600 Euro/m²) ausgegeben. Nicht darin eingeschlossen ist das Wohnheim beider christlichen Konfessionen mit Apartments für etwa 425 Studierende (Architekten: Karl + Probst, München).

Für all diese Uni-Bauten fällt das Urteil, je nach architektonischer Provenienz des Beurteilenden, anders aus. Für die, die an der TU Darmstadt studierten – und davon gibt es im nahen Frankfurt viele –, haben die Berliner »Schlagschattenfuzzis« die Mainmetropole erobert. Von denen, die anderswo, etwa in Dortmund oder gar in Berlin studierten, hört man naturgemäß andere Ansichten. Dass sich bis auf das Wohnheim stets Berliner Architekten – Heide hat an der TU Darmstadt und an der UdK Berlin studiert – durchsetzten, erklärt das Hessische Wissenschaftsministerium als Wettbewerbsauslober mit »Zufall«. Dessen ungeachtet: Ob des steinernen Fassadenmaterials, v. a. ob der alles robust integrierenden Gartenlandschaft ist zweifellos ein städtebaulicher Zusammenhang entstanden, der sich unschwer als Campus identifizieren lässt, der auch durchweg von besserer Qualität ist als vieles, was in Frankfurt in den vergangenen Jahren entstanden ist. Der neben dem Studieren auch zum Verweilen, Kaffee-Trinken, Spazieren oder sogar zum Spielen einlädt. Und es scheint auch so, dass dies den Studierenden bewusst ist: Es lässt sich auf den Natursteinfassaden kein einziges Graffito entdecken.

Freilich: Über einige inhaltliche Widersprüche kann man durchaus schmunzeln. Denn die Gebäude nehmen keinerlei Beziehung, keinerlei Verbindungen zu ihren Nachbarbauten auf – trotz im B-Plan vorgegebener Raumkanten, Höhen, Dimensionen, trotz der Natursteinfassaden, trotz ­»Orientierung« an Poelzig. Der ach so kontextsensitive, vom städtischen Straßenraum gedachte Berliner Neorationalismus bleibt in der durchgrünten Stadtlandschaft des Campus Westend auf Einzelstatements beschränkt. Er kann, wenn kein städtischer Kontext da ist – und das Uni-Gelände liegt relativ isoliert –, offensichtlich selbst wenig Kontext aufbauen. Heide hatte gedacht, über die Nutzung Beziehungen herzustellen: Über die Bibliotheken für insgesamt knapp 1 500 Studierende, die sich in den Sockelgeschossen des RuW- und des PEG-Gebäudes ­befinden. Die sollten offen sein und sich zum Campus orientieren. Doch Müller Reimann bauten zwei introvertierte, jeweils um einen grünen Innenhof liegende Büchereien. Auch die dritte Bibliothek – im Fachcluster für Sprach- und Kunstwissenschaften, der von 2018 an nach Plänen von BLK2 Architekten im Nordosten des Uni-Areals gebaut werden soll – orientiert sich mit ­ihren 350 Studentenarbeitsplätzen nach innen.

Darüber hinaus ist der Einwand berechtigt, dass die Kollegen aus der Hauptstadt Poelzig allzu eng, allzu klassizistisch interpretierten. Es braucht nicht viel, um beim I.G.-Farben-Haus bei allem Willen zur strengen Form einen ­furiosen Formen- und Anspielungsreichtum in Detail zu entdecken, der die Monumentalität des Baus immer wieder unterläuft. Erst die Verschränkung beider Ebenen macht seine eigentliche Qualität, seine Kraft aus. Von dieser Synthese ist bei den Berlinern wenig zu sehen – obwohl die Bauten durchweg in hoher handwerklicher Qualität, teilweise sogar hervorragend ausgeführt sind. Kleihues, dem Drittmittel zur Verfügung standen, zitiert in seinem »House of Finance« das Vestibül des Poelzig-Baus, glänzt mit verschiedenfarbigen Marmorböden und drei Seminarräumen, die dem britischen Oberhaus entlehnt sind. Das Haus, das in exklusiver Clubatmosphäre der Begegnung von Finanzwirtschaft, Forschung und Politik dienen soll, ist gesammelter Ausdruck der Distinktionsbedürfnisse, die die Finanzelite hegt – inklusive ­derer, die dazugehören wollen.

Müller Reimann bauten jeweils viergeschossige Baukörper, die sich über ­einen zweigeschossigen Sockel erheben. Sie punkten mit Flächeneffizienz und schönen Details – etwa im PEG-Gebäude eine Wand mit handgestocktem, mit ockerfarbenen Zuschlagstoffen versehenem Sichtbeton, umrahmt von ebensolchem, aber geschliffenem. Auch Volker Staab hat drei über ein Sockelgeschoss sich erhebende Baukörper geplant: Einer davon, mit Apartments für Gastwissenschaftler, ist einnehmend charmant geraten, die beiden anderen nur bedingt. Und die Fassade zur Hansaallee mit ihren Schießscharten – querliegende, vom Bücherregal ausgesparte Fenster für eine weitere Bibliothek – ist, mit Verlaub, hässlich und in ihrer fast hermetischen Abgeschlossenheit ein Affront gegenüber Passanten und Betrachtern.

Bei Gesine Weinmillers stocksteifem Quader lässt sich maliziös vermuten, die Architektin habe die »normativen Ordnungen« allzu wörtlich genommen, obwohl sie für ihre Verhältnisse mit L-förmigen Naturstein-Formaten geradezu spielt und feine Schattenwürfe auf die profilierte Fassade zeichnet.

Der Verweis auf die Bauaufgabe kann die ob ihrer gehobenen Rasteristis gescholtenen Kollegen entlasten: Schließlich ist Universitätsbau Bürobau. Weil sich auch der universitäre Mittelbau geschlossen für Einzelbüros aussprach, blieb den Architekten nicht viel anderes übrig, als über den Bibliotheken ­Bürostrukturen für Institute und Lehrstühle zu bauen. Ob diese in solch barscher Rigidität wie auf dem Campus Westend ausfallen müssen, darüber lässt sich trefflich streiten.

Einzig Heide nutzte konsequent die Freiheiten, die ihm die Sonderfunktionen seiner Gebäude gaben: Mit tiefen Einschnitten, Loggien und geschossübergreifenden Verglasungen geht er fast skulptural zu Werke. Er schneidet Volumina aus, variiert Fensterbreiten hier, schließt groß dimensionierte Fassadenflächen da. Weil auch sein Travertin eine weit größere Farbvarianz aufweist und stärker strukturiert ist als der seiner Berliner Kollegen, kommt er dem Poelzig des IG-Farben-Gebäudes wesentlich näher als jene.

Ausbau der Selbstbezogenheit

Der Campus Westend, der zentrale Anlaufstelle für etwa 25 000 der insgesamt 46 500 Studierenden der Goethe-Uni ist (neben dem Campus Riedberg für Naturwissenschaftler und dem Campus Niederrad für Mediziner), hat mit historischen Altlasten zu kämpfen. Schon Ernst May und Martin Elsässer kritisierten Poelzig, weil dieser mit seinem 250 m langen Riegel – dem damals größten Bürohaus Europas – das dahinter liegende Gelände vom Westend abschneide (Dass die beiden einem ähnlichen, doch architektonisch nicht ganz so beeindruckenden Wettbewerbsbeitrag eingereicht hatten, war ihnen offenbar entfallen). Als im Mai 1972 die Rote Armee Fraktion den ersten von insgesamt drei Anschlägen auf das Hauptquartier der US Army verübt hatte, verwandelte sich der bis dahin öffentlich zugängliche Park zur militärischen Sperrzone. Das galt auch für die dahinter liegenden Offiziersvillen, die Zeilengebäude der Mannschaften und die Frankfurt American High School. Weil die Adickesallee, die den nördlichen Abschluss des Areals bildet, ein vielbefahrener Autobahnzubringer ist, dahinter wiederum Zeilenbauten liegen, und auch im Osten wenig städtische Strukturen vorhanden sind, wird der Campus vermutlich auch weiterhin isoliert bleiben. Und dass gar ein ­Studentenviertel entsteht – wie einstmals in Bockenheim rund um den derzeit sich rapide leerenden Kramer-Campus –, kann man sich schwerlich vorstellen. Zumal sich in jedem neuen Uni-Gebäude eine Cafeteria mit gehobenem Angebot befindet (auch das eine Vorgabe des Masterplans), sodass die Studierenden nicht gezwungen sind, das Areal zu verlassen. Das Studierendenhaus, derzeit in der Ausführungsplanung (Architekt: HJP, Würzburg), soll das ­Angebot in naher Zukunft sogar noch vergrößern.

Die weitere Zukunft des Campus ist noch nicht abzusehen. Heide hatte als nördlichen Abschluss insgesamt fünf Sechsgeschosser mit 13-geschossigen Hochpunkten – analog zu den Risaliten des I.G.-Farben-Hauses – vorgesehen. Einer davon, an der Nordost-Ecke, wird derzeit nach Plänen von K9 Architekten (Freiburg) für das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) gebaut. Die restlichen Vier stehen als Reserveflächen für Uni-nahe Einrichtungen zur Verfügung. Darüber hinaus steht die Philipp-Holzmann-Schule dem Campus-Ausbau buchstäblich im Wege. Diese städtische Berufsschule hatte das Gebäude der High School übernommen, deren Sportplatz sollte bis vor Kurzem als Übergangsstandort für ein Gymnasium dienen.

Wegen des enormen Zuzugs sucht die Stadt händeringend nach Grundstücken für Schulen und Kitas. Im Januar 2017 verkündeten Land, Stadt und Goethe-Uni eine »grundsätzliche Verständigung«: Man tauscht Grundstücke aus, die Stadt bekommt einen neuen Schulstandort, die Uni Planungssicherheit für ihren weiteren Ausbau. Über die einzelnen Modalitäten wird noch verhandelt. Wann also der letzte Stein des dann nicht mehr ganz so neuen Campus gesetzt wird, steht in den Sternen. »Mittel- bis langfristig«, heißt es offiziell. Vielleicht zu einer Zeit, in der jene, die ihn heute zum Spielen benutzen, selbst studieren wollen.

db, So., 2017.04.02



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db 2017|04 Campus

04. Dezember 2014Enrico Santifaller
Bauwelt

Goethehöfe Frankfurt

Auf dem Areal neben dem Goethehaus in Frankfurt am Main sollen das Deutsche Romantik-Museum und Wohnungen gebaut werden. Im Juni des Jahres hatte die Jury des Wettbewerbs drei 2. Preisträger in die Überarbeitungsphase geschickt. Diese ist nun abgeschlossen. Dem Wettbewerbswesen erwies das Verfahren allerdings keinen Dienst.

Auf dem Areal neben dem Goethehaus in Frankfurt am Main sollen das Deutsche Romantik-Museum und Wohnungen gebaut werden. Im Juni des Jahres hatte die Jury des Wettbewerbs drei 2. Preisträger in die Überarbeitungsphase geschickt. Diese ist nun abgeschlossen. Dem Wettbewerbswesen erwies das Verfahren allerdings keinen Dienst.

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Bauwelt 2014|46 Domumbau

28. September 2014Enrico Santifaller
Bauwelt

Runterfahren

Regensburg erhält ein neues Museum – das Museum der Bayerischen Geschichte (Heft 21.2013). Nun soll auch die dorthin führende Verkehrsachse der Altstadt auf ein passantenfreundliches Maß gestutzt werden.

Regensburg erhält ein neues Museum – das Museum der Bayerischen Geschichte (Heft 21.2013). Nun soll auch die dorthin führende Verkehrsachse der Altstadt auf ein passantenfreundliches Maß gestutzt werden.

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Bauwelt 2014|36 Deutsche Stadtplanung im Gespräch

22. August 2014Enrico Santifaller
Bauwelt

Ganz pragmatisch

Bis in den Koalitionsvertrag hatte man es geschafft: Im Dezember vereinbarten Union und SPD ein Deutsches Romantik-Museum in Frankfurt zu fördern, als „national bedeutsamen Kulturort“ – obwohl die Bankenmetropole ein umstrittener Standort dafür ist.

Bis in den Koalitionsvertrag hatte man es geschafft: Im Dezember vereinbarten Union und SPD ein Deutsches Romantik-Museum in Frankfurt zu fördern, als „national bedeutsamen Kulturort“ – obwohl die Bankenmetropole ein umstrittener Standort dafür ist.

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Bauwelt 2014|32 Wohnen und Arbeiten

04. Juli 2014Enrico Santifaller
Bauwelt

Mission: 30. Geburtstag

Hans Hollein sollte es tun. Eigentlich hätte er die Villa am Frankfurter Schaumainkai zum Deutschen Architekturmuseum umbauen sollen. Hollein war eng mit Heinrich Klotz, und auch das städtische Hochbauamt favorisierte ihn.

Hans Hollein sollte es tun. Eigentlich hätte er die Villa am Frankfurter Schaumainkai zum Deutschen Architekturmuseum umbauen sollen. Hollein war eng mit Heinrich Klotz, und auch das städtische Hochbauamt favorisierte ihn.

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Bauwelt 2014|25 Himmel und Kosmos

21. Februar 2014Enrico Santifaller
Bauwelt

Auf den Sockel gehoben

Der Zeitpunkt ist perfekt. Unmittelbar nachdem sich die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main mit einem live im Fernsehen übertragenen großen Knall von ihrem alten Campus verabschiedet hat, lädt das dortige Museum Angewandte Kunst zu einer Ausstellung über Ferdinand Kramer (1898–1985) ein, den Erbauer eben dieses Campus.

Der Zeitpunkt ist perfekt. Unmittelbar nachdem sich die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main mit einem live im Fernsehen übertragenen großen Knall von ihrem alten Campus verabschiedet hat, lädt das dortige Museum Angewandte Kunst zu einer Ausstellung über Ferdinand Kramer (1898–1985) ein, den Erbauer eben dieses Campus.

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Bauwelt 2014|08 Das Große sanieren

31. Januar 2014Enrico Santifaller
Bauwelt

Tempel der Egomanen

Schon der Eingang ein Spektakel: Abgegrenzt von der Straße durch Gartenmauer und metallisch flirrendes Tor, ist der Vorgarten nicht einfach Vorgarten, sondern eher eine Vorfahrt mit Brunnenbecken, Form­gehölzen und einer „Speerschleudernde Amazone“ genannten Großplastik.

Schon der Eingang ein Spektakel: Abgegrenzt von der Straße durch Gartenmauer und metallisch flirrendes Tor, ist der Vorgarten nicht einfach Vorgarten, sondern eher eine Vorfahrt mit Brunnenbecken, Form­gehölzen und einer „Speerschleudernde Amazone“ genannten Großplastik.

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Bauwelt 2014|05 Alternde Visionen

27. Dezember 2013Enrico Santifaller
Bauwelt

Kein Lehrstück

Die Stadt streitet mit den Entwicklern, Architekten streiten mit Architekten und die Jury ist sich uneins. Zu welcher Zwietracht ein Gutachterverfahren führen kann, zeigt die Beplanung eines Areals in der Frankfurter Altstadt.

Die Stadt streitet mit den Entwicklern, Architekten streiten mit Architekten und die Jury ist sich uneins. Zu welcher Zwietracht ein Gutachterverfahren führen kann, zeigt die Beplanung eines Areals in der Frankfurter Altstadt.

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Bauwelt 2013|48 Brasilien gehört uns!

29. November 2013Enrico Santifaller
Bauwelt

Konkurrenz und Kooperation

Mit den Worten: „Am Anfang war Napoleon“ begann der Historiker Thomas Nipperdey seine auf mehrere Bände angelegte umfassende Geschichte der Deutschen seit 1800.

Mit den Worten: „Am Anfang war Napoleon“ begann der Historiker Thomas Nipperdey seine auf mehrere Bände angelegte umfassende Geschichte der Deutschen seit 1800.

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Bauwelt 2013|45 Forschen mit Jan Pieper

31. Mai 2013Enrico Santifaller
Bauwelt

Weiß-blaues Vermächtnis

Bayern will mit einem Museum zu seiner Geschichte die Landesliebe stärken. Für den Neubau in Regensburg lieferten 254 Wettbewerbsteilnehmer zeitgenössische Architektur in weiß-blauem Gewand: mit Rauten und Scheunen und Kalkstein aus der Region.

Bayern will mit einem Museum zu seiner Geschichte die Landesliebe stärken. Für den Neubau in Regensburg lieferten 254 Wettbewerbsteilnehmer zeitgenössische Architektur in weiß-blauem Gewand: mit Rauten und Scheunen und Kalkstein aus der Region.

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Bauwelt 2013|21 Stadtmittelpunkte

24. Mai 2013Enrico Santifaller
Bauwelt

Veranstaltungsmaschine als Wahrzeichen?

Die Rhein-Main-Hallen in der Wiesbadener Innenstadt sollen einem Neubau weichen. Die Erwartungen gehen weit auseinander. Während die einen ein Wahrzeichen für die Stadt wollen, zählt für die anderen die Funktionalität. Das Wettbewerbsergebnis scheint nur ein erster Schritt zur Lösung zu sein.

Die Rhein-Main-Hallen in der Wiesbadener Innenstadt sollen einem Neubau weichen. Die Erwartungen gehen weit auseinander. Während die einen ein Wahrzeichen für die Stadt wollen, zählt für die anderen die Funktionalität. Das Wettbewerbsergebnis scheint nur ein erster Schritt zur Lösung zu sein.

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Bauwelt 2013|20 Im Herzen der Ewigen Stadt

05. April 2013Enrico Santifaller
Bauwelt

„Das Visionäre an dem Projekt ist das Projekt an sich“

Nicht mehr und nicht weniger, als Athen neu zu denken, war die Aufgabe eines zweistufigen Wettbewerbs, bei dem im Februar dieses Jahres eine international besetzte Jury das Team um die niederländischen Landschafts- und Stadtplaner OKRA mit dem 1. Preis bedachte.

Nicht mehr und nicht weniger, als Athen neu zu denken, war die Aufgabe eines zweistufigen Wettbewerbs, bei dem im Februar dieses Jahres eine international besetzte Jury das Team um die niederländischen Landschafts- und Stadtplaner OKRA mit dem 1. Preis bedachte.

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Bauwelt 2013|13 Kulturzentrum im Krisenland

11. Januar 2013Enrico Santifaller
Bauwelt

Vornehme Zurückhaltung

Das 1988 eröffnete Jüdische Museum in Frankfurt war das erste seiner Art in einer deutschen Großstadt. Ante Josip von Kostelac hatte dafür zwei klassizistische Villen am nördlichen Mainufer umgebaut, die einstmals der Familie Rothschild gehört hatten. Nun fehlt Platz.

Das 1988 eröffnete Jüdische Museum in Frankfurt war das erste seiner Art in einer deutschen Großstadt. Ante Josip von Kostelac hatte dafür zwei klassizistische Villen am nördlichen Mainufer umgebaut, die einstmals der Familie Rothschild gehört hatten. Nun fehlt Platz.

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Bauwelt 2013|03 In guter Lage?

01. Juni 2012Enrico Santifaller
Bauwelt

Zeigen, wie es geht

Monografien, Textsammlungen und Werkschauen über berühmte Tragwerksplaner: Ein neu aufgeflammtes Interesse an der Arbeit des Bauingenieurs ist zu beobachten. Jüngstes Produkt dieses Interesses ist eine Ausstellung des M:AI, in deren Mittelpunkt einer der wichtigsten Ingenieure der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht: Stefan Polónyi.

Monografien, Textsammlungen und Werkschauen über berühmte Tragwerksplaner: Ein neu aufgeflammtes Interesse an der Arbeit des Bauingenieurs ist zu beobachten. Jüngstes Produkt dieses Interesses ist eine Ausstellung des M:AI, in deren Mittelpunkt einer der wichtigsten Ingenieure der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts steht: Stefan Polónyi.

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Bauwelt 2012|22 Noch lange kein Check-in

20. April 2012Enrico Santifaller
Bauwelt

Optimierungsversuche

Wo früher Malz und Gerste lagerten, sollen bald zahlungskräftige Mieter einziehen. So haben es die Stadt Frankfurt am Main und der Grundstücksbesitzer Actris für das Henninger Turm-Areal vereinbart. Beim Architektenauswahlverfahren ging es deshalb vor allem um die Frage: Umbau oder Abriss und Neubau?

Wo früher Malz und Gerste lagerten, sollen bald zahlungskräftige Mieter einziehen. So haben es die Stadt Frankfurt am Main und der Grundstücksbesitzer Actris für das Henninger Turm-Areal vereinbart. Beim Architektenauswahlverfahren ging es deshalb vor allem um die Frage: Umbau oder Abriss und Neubau?

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Bauwelt 2012|15-16 Europan 11

09. September 2011Enrico Santifaller
Bauwelt

Der ganze Ernst May

Scharfe Gesichtszüge, Hakennase, klarer Blick, geschmückt mit der obligatorischen Architekten-Fliege, ausgestattet mit Geodreieck und Rechenschieber – so zeichnete ihn der Frankfurter Karikaturist Lino Salini um 1928.

Scharfe Gesichtszüge, Hakennase, klarer Blick, geschmückt mit der obligatorischen Architekten-Fliege, ausgestattet mit Geodreieck und Rechenschieber – so zeichnete ihn der Frankfurter Karikaturist Lino Salini um 1928.

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Bauwelt 2011|35 Die Kunsthalle Bremen

10. Juni 2011Enrico Santifaller
Bauwelt

Jenseits von Gefahrenabwehr

Treffend „Mit Augenmaß“ betitelt, zeigt die Ausstellung, wie man mit den insgesamt eher beschränkten Mitteln einer Bauaufsicht Einfluss auf die Qualität des Wohnungsbaus nehmen kann.

Treffend „Mit Augenmaß“ betitelt, zeigt die Ausstellung, wie man mit den insgesamt eher beschränkten Mitteln einer Bauaufsicht Einfluss auf die Qualität des Wohnungsbaus nehmen kann.

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Bauwelt 2011|23 Digitales Entwerfen

22. April 2011Enrico Santifaller
Bauwelt

Imitate und Plagiate

Die Rekonstruktionsdebatte in Frankfurt am Main kocht weiter hoch. Mit der Wettbewerbsentscheidung „DomRömer Bebauung“ hat die Zukunft ein Gesicht bekommen. Was meinen Sie: Architektonisches Debakel oder Vorbild?

Die Rekonstruktionsdebatte in Frankfurt am Main kocht weiter hoch. Mit der Wettbewerbsentscheidung „DomRömer Bebauung“ hat die Zukunft ein Gesicht bekommen. Was meinen Sie: Architektonisches Debakel oder Vorbild?

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Bauwelt 2011|15-16 Dämmen und Denkmal

28. Januar 2011Enrico Santifaller
Bauwelt

Untergrundarchitektur

Seit Ende des Krieges kann das Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main seine reichen Bestände nur in Wechselausstellungen zeigen. Seit 1988 hat die Stadt mehrfach Anlauf genommen, einen geeigne­ten Entwurf für die Erweiterung auf dem parkähnli­chen Gelände zu finden. Der kürzlich entschiedene, mittlerweile dritte Wettbewerb kürte einen Entwurf, der sich in der Erde versteckt.

Seit Ende des Krieges kann das Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main seine reichen Bestände nur in Wechselausstellungen zeigen. Seit 1988 hat die Stadt mehrfach Anlauf genommen, einen geeigne­ten Entwurf für die Erweiterung auf dem parkähnli­chen Gelände zu finden. Der kürzlich entschiedene, mittlerweile dritte Wettbewerb kürte einen Entwurf, der sich in der Erde versteckt.

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Bauwelt 2011|05 Kindergärten als Bildungsstätten

05. November 2010Enrico Santifaller
Bauwelt

Eine Norm des Erlebens

„Gesamtkunstwerk Expressionismus“ stellt den Expressionismus als „utopischkulturkritische Be­wegung mit vielen Gesichtern“ dar, der eher „eine Norm des Erlebens“, denn eine „klar definierte Stilform“ war.

„Gesamtkunstwerk Expressionismus“ stellt den Expressionismus als „utopischkulturkritische Be­wegung mit vielen Gesichtern“ dar, der eher „eine Norm des Erlebens“, denn eine „klar definierte Stilform“ war.

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Bauwelt 2010|42 Experiment Wohnungsbau

10. September 2010Enrico Santifaller
Bauwelt

Besucherzentrum Grube Messel

bei Darmstadt erlaubt einen Blick bis zu 47 Millionen Jahre zurück. In dem ehemaligen Tagebau lagern besonders gut erhaltene Versteinerungen von Tieren und Pflanzen. Vor zwei Wochen wurde das neue Besucherzentrum eröffnet.

bei Darmstadt erlaubt einen Blick bis zu 47 Millionen Jahre zurück. In dem ehemaligen Tagebau lagern besonders gut erhaltene Versteinerungen von Tieren und Pflanzen. Vor zwei Wochen wurde das neue Besucherzentrum eröffnet.

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Bauwelt 2010|35 Grube Messel

30. Juli 2010Enrico Santifaller
Bauwelt

Lückenschließer

Der Neubau des Museums auf der Darmstädter Mathildenhöhe galt seit 2009 als beschlossene Sa­che. Nach der Entscheidung des Wettbewerbs regt sich nun wieder Kritik. Diese richtet sich jedoch nicht gegen den gelungenen Siegerentwurf.

Der Neubau des Museums auf der Darmstädter Mathildenhöhe galt seit 2009 als beschlossene Sa­che. Nach der Entscheidung des Wettbewerbs regt sich nun wieder Kritik. Diese richtet sich jedoch nicht gegen den gelungenen Siegerentwurf.

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Bauwelt 2010|29 Wie baut man einen Europan?

21. Mai 2010Enrico Santifaller
Bauwelt

Apartmenthaus Lyoner Straße 19

Die Konversion eines Bürohochhauses im Stadtteil Niederrad erfährt in Frankfurt am Main große Aufmerksamkeit. Der tiefgreifende Umbau zum Wohnhaus durch Stefan Forster Architekten überhöht die spätmoderne Architektursprache und zeigt die Möglichkeit des Weiterbauens auf.

Die Konversion eines Bürohochhauses im Stadtteil Niederrad erfährt in Frankfurt am Main große Aufmerksamkeit. Der tiefgreifende Umbau zum Wohnhaus durch Stefan Forster Architekten überhöht die spätmoderne Architektursprache und zeigt die Möglichkeit des Weiterbauens auf.

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Apartmenthaus Lyoner Straße



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Bauwelt 2010|20 Modernisierte Spätmoderne

29. Januar 2010Enrico Santifaller
Bauwelt

Stadthaus am Markt in Frankfurt am Main

Die Pressekommentare waren eindeutig: „Haus ohne Leben“, „bieder“, „enttäuschend“ und „Murks wie erwartet“. Selbst bei den Fachwerkfreunden fielen sie durch, die am 17. Dezember preisgekrönten Entwürfe für das Stadthaus am Markt, das über dem derzeit freiliegenden Ausgrabungsfeld in der Frankfurter Altstadt gebaut werden soll.

Die Pressekommentare waren eindeutig: „Haus ohne Leben“, „bieder“, „enttäuschend“ und „Murks wie erwartet“. Selbst bei den Fachwerkfreunden fielen sie durch, die am 17. Dezember preisgekrönten Entwürfe für das Stadthaus am Markt, das über dem derzeit freiliegenden Ausgrabungsfeld in der Frankfurter Altstadt gebaut werden soll.

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Bauwelt 2010|05 Essen 2010

06. November 2009Enrico Santifaller
Bauwelt

Martin Elsaesser und das Neue Frankfurt

Die Diskussion um den Umbau der Frankfurter Großmarkthalle zum Sitz der Europäischen Zentralbank (Heft 13.04) hat nicht nur die Wertschätzung für das Haus selbst gestärkt, sondern auch für das Œuvre ih­res Architekten Martin Elsaesser (1884–1957). Eine Retrospektive im DAM betrachtet seine Zeit am Main.

Die Diskussion um den Umbau der Frankfurter Großmarkthalle zum Sitz der Europäischen Zentralbank (Heft 13.04) hat nicht nur die Wertschätzung für das Haus selbst gestärkt, sondern auch für das Œuvre ih­res Architekten Martin Elsaesser (1884–1957). Eine Retrospektive im DAM betrachtet seine Zeit am Main.

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Bauwelt 2009|42 Richtig streng

05. August 2009Enrico Santifaller
db

Raum- und Einkaufsspektakel

Wer zum Begriff »Zip-Shopping« bei Google Aufklärung sucht, stößt unter anderem auf ein Video, in dem Bernd Thomsen über aktuelle Einkaufs-Trends berichtet. Der in feines Tuch gewandete Chef des strategischen Unternehmensberaters Thomson Group entschuldigt seine Anglizismen, um dann eine mit dem Logo »5P« (Product, Price, Placement, Promotion, People) bezeichnete Sammlung gängiger Marktparameter vorzustellen. An »All-in-one-Orten« würden in zwanzig, dreißig Jahren öffentliche Funktionen und Shopping-Bereiche verschmelzen, wobei das Wichtigste sei, Orte für Wohlfühlen und Erlebnis zu schaffen. Darüber hinaus würden sich ausdifferenzierte Lebensstile in Konsummotiven ausdrücken, und die Individualisierung sei der größte Konsumtrend überhaupt.

Wer zum Begriff »Zip-Shopping« bei Google Aufklärung sucht, stößt unter anderem auf ein Video, in dem Bernd Thomsen über aktuelle Einkaufs-Trends berichtet. Der in feines Tuch gewandete Chef des strategischen Unternehmensberaters Thomson Group entschuldigt seine Anglizismen, um dann eine mit dem Logo »5P« (Product, Price, Placement, Promotion, People) bezeichnete Sammlung gängiger Marktparameter vorzustellen. An »All-in-one-Orten« würden in zwanzig, dreißig Jahren öffentliche Funktionen und Shopping-Bereiche verschmelzen, wobei das Wichtigste sei, Orte für Wohlfühlen und Erlebnis zu schaffen. Darüber hinaus würden sich ausdifferenzierte Lebensstile in Konsummotiven ausdrücken, und die Individualisierung sei der größte Konsumtrend überhaupt.

Was da ganz aktuell und zukunftssicher unter regelmäßiger Einblendung einer rasant laufenden Uhr inszeniert wird, haben Soziologen wie Pierre Bourdieu und Ulrich Beck schon vor einem Vierteljahrhundert beschrieben. Was die Ãußerungen Thomsens dann doch interessant macht, ist der Auftraggeber seiner Studie: Georg Glatzel, CEO der IFM Immobilien, eines ausgewiesenen Revitalisierungsspezialisten. Dieser hat im Sommer 2008 die Zeilgalerie »Les facettes« für rund 51 Millionen Euro erworben und will sie nun unter dem Leitbild »Zip-Shopping« umrüsten. Jene Vertikalpassage, die an den Tagen nach der Eröffnung im September 1992 jeweils bis zu 200 000 Besucher anzog. Das zu Grunde liegende Konzept nahm für sich in Anspruch, eine ganz neue Dimension des städtischen Einkaufens zu erschließen, indem es Fachhändler mit differenzierten kulinarischen Angeboten, ein Rundfunkstudio mit einem Nachtclub, eine Erlebnisetage mit öffentlichen Funktionen verknüpfte. (Das damals noch sogenannte Arbeitsamt richtete eine kleine Abteilung im »Les facettes« ein.) Das Gebäude verführte die Lokalpresse zu Lobeshymnen und erntete selbst in den zurückhaltenderen Fachmagazinen anerkennendes Erstaunen. Die Feuilletonisten jubilierten: Michael Mönniger sah sich »überwältigt vom Sicht-, Licht- und Raumerlebnis in dieser Mischung aus Lunapark und Piranesi-Kerker«. Dieter Bartetzko fühlte sich an ein »avantgardistisches Raumschiff« erinnert. Peter M. Bode kommentierte kurz und bündig: »Paradiesischer Kommerz«.

Kaufrausch im Übermut

Die Zeilgalerie entzog sich allen Konventionen und Typologien. Kein Warenhaus, keine Shopping-Mall, weder Basar, noch Passage. Eine vertikal gerichtete, in Spiralen aufsteigende, um ein lichtdurchflutetes Atrium sich windende Einkaufsstraße - 750 Meter lang mit behindertengerechtem Neigungswinkel von 6 Grad. 58 Fachgeschäfte dicht gedrängt, Schaufenster an Schaufenster, und, oberhalb der Hochhausgrenze von 22 Metern, die Erlebnisetage, darüber ein Dachgarten, darüber wiederum ein öffentlicher Aussichtsturm. Dieser war damals der höchste Punkt in der Bankenmetropole, von dem aus die Allgemeinheit - also nicht nur die Mitarbeiter in den Wolkenkratzern - einen Panoramablick auf die Skyline werfen konnte. Die vom Büro Kramm & Strigl, Darmstadt, entworfene und ausgeführte, äußerst anspruchsvolle Architektur des Gebäudes entsprach kongenial dem ehrgeizigen Handelskonzept. Und das obwohl die Bedingungen - eine 35 Meter breite, dreiseitig umschlossene Baulücke - alles andere als einfach waren. Die Fassade zum Beispiel ist nicht nur klassisch vertikal gegliedert, sondern reagiert sehr differenziert auf ihre Nachbarn. Sie bietet zum Kaufhof hin eine konvexe Front, in der Mitte, zur Hauptwache gedreht, ein Schaufenster zur Belichtung des dahinterliegenden Atriums, zur Post hin (heute befindet sich hier Massimiliano Fuksas' Shopping Mall »MyZeil«) eine mehrschichtige Glas-Metallblech-Fassade mit einer von Rüdiger Kramm konzipierten kinetischen Lichtplastik, die auf die Witterungsverhältnisse und die Geräuschkulisse der Umgebung reagierte. Dazu im Inneren ein opulent-übermütiger Material-, Farben- und Formenmix: blau hinterleuchtete Glasquadrate, weißer Terrazzo, gebrochene Spiegelwände, ochsenblutrote Stahlstützen, marineblaue T-Träger, Alu-Lochbleche, Glasaufzüge, mattsilberne, mit Lichtschienen unterfangene Tonnengewölbe, schließlich das Glasdach mit Hohlspiegeln, die Sonnenlicht ins Atrium leiten sollten. Auch die Konstruktion war anspruchsvoll und innovativ. Schlitzwände, Deckelbauweise, Stahlverbundstützen und -Decken sowie das elegante Raumfachwerk unter dem Glasdach sorgten dafür, dass in der Zeilgalerie der spektakuläre Schein mit ebensolchem Sein korrespondierte.

Stelldichein der Prominenz

Etwas »überinstrumentiert« sagt Kramm heute, doch war, das legten schon die damals erschienenen Kritiken nahe, dieser Ehrgeiz der Zeit geschuldet. Als Versöhnung von Postmoderne und konstruktiver Moderne, als Antwort auf die fast gleich betitelten Ausstellungen, die Heinrich Klotz wenige Jahre zuvor im Architekturmuseum auf der anderen Mainseite präsentierte. Und: Die hochfliegende Inszenierung entsprach der Wiedervereinigungseuphorie, im Zuge derer der Mainmetropole eine gigantische Steigerung der Einwohnerzahl prognostiziert wurde - und damit auch ein Zuwachs an Kaufkraft. Die Promis gaben sich in der Zeilgalerie die Klinke in die Hand. Helmut Kohl erschien zur Bild-Wahlparty, der SPD-Bundesvorstand traf sich hier, Joschka Fischer diskutierte, Steffi Graf, Günter Jauch und Michael Schanze waren zu Gast - und immer wieder Akrobaten, Seiltänzer, Avantgardekünstler. Der Architekt wurde gelobt, der Bauherr gefeiert. Klaus-Dieter Weiß pries in db 11/1992 das »große Engagement« von Dr. Jürgen Schneider und dessen Kunstoffenheit. Weiß' Text war ein zusammenfassender Auszug aus seinem ebenso voluminösen wie ambitiösen Buch »Urbane Handelswelten«. Der Band sollte am 10. April 1994 in diesem Gebäude präsentiert werden. Der dazu eingeladene Bauherr allerdings erschien nicht, dafür zwei Tage später in der FAZ ein Artikel mit der Schlagzeile »Königsteiner Investor Jürgen Schneider ist nicht auffindbar«, tags darauf ermittelte die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Einen Tag später erstattete die Deutsche Bank Anzeige wegen Betruges; weitere zehn Tage später - als sich allmählich der Schaden abzeichnete, den der nach Miami geflüchtete Baulöwe verursacht hatte, und die beauftragten Handwerker fünfzig Millionen DM Ausfälle befürchteten - sprach Chefbanker Hilmar Kopper von Erdnüssen.

Im Mittelpunkt dieses »Imperiums der Hoffnungswerte«, wie es einer von Schneiders Verteidigern ausdrückte, stand die Zeilgalerie. Bei diesem Gebäude waren die Tricks des Pleitiers allzu offensichtlich: Schneider hatte die Nutzfläche von real 9000 auf fiktive 22 000 Quadratmeter vergrößert, eigenhändig dreißig Mietverträge gefälscht und einen Gutachter besorgt, der ihm den Wert der Ladengalerie auf rund 950 Millionen DM schätzte. Die Bank hatte das geglaubt, obwohl ihre Zentrale kaum 500 Meter vom bewerteten Gebäude entfernt liegt. Das FAZ-Archiv verzeichnet genau 393 Artikel, die seit dem 1. Januar 1994 das Wort »Zeilgalerie« erwähnten die meisten im Zusammenhang mit der größten Immobilieninsolvenz dieser Republik. Der eingangs erwähnte Bernd Thomsen identifizierte die Zeilgalerie als die »bekannteste Shopping-Mall Deutschlands« - der Grund wird wohl auch in der Schneider-Pleite liegen.

Der Zeilgalerie tat diese nicht gut. In den Tagen der Aufregung wurden unter anderem die Computer für die Lichtplastik geklaut - und nie mehr ersetzt. Die Banker waren mit dem Betrieb einer Ladenpassage überfordert, mehrmals wechselte sie ihren Besitzer. Keiner der Investoren erkannte das enorme Potenzial des ursprünglichen Konzepts, dieses weiterzuführen oder gar auszubauen wurde zugunsten von Lösungen, die schnelle Rendite versprachen, aufgegeben. Weitere Rolltreppen wurden eingebaut, ein riesiges IMAX-Kino aufs Dach gesetzt, das aber schnell floppte. Insgesamt erlebte das Gebäude zahlreiche Metamorphosen, doch erst im Jahre 2004 war es erstmals zu hundert Prozent vermietet.

Aus dem Schatten

Inzwischen hat sich das Umfeld verändert und der verstärkte Handlungsdruck wurde spürbar. Der IFM-Chef Glatzel ließ vor kurzem diese Definition von »Zip-Shopping« verbreiten: »Ähnlich wie bei einem Reißverschluss sollen unterschiedliche Bereiche aus Einzelhandel und Gastronomie zusammengezogen werden. Konkret soll dies durch die Öffnung der Geschäfte und die teilweise Aufhebung der klassischen Shopgrenzen geschehen.« . Nicht viel Neues - wenn man die Geschichte der Zeilgalerie kennt. Doch der neue Besitzer muss reagieren und will dafür etwa zehn Millionen Euro investieren. Der Nachbar, die gut doppelt so große Shopping Mall »MyZeil«, steht seit der Eröffnung im März dieses Jahres im Zentrum Frankfurter Aufmerksamkeit - und die Zeilgalerie im Schatten. Obwohl Fuksas' spektakuläre Blobarchitektur zahlreiche Ausführungsmängel aufweist, erinnert die Zahl der Besucher an die ersten Tage der Zeilgalerie. Während sich der Käuferandrang im »Les Facettes« in engen Grenzen hält. Und damit geringere Ladenmieten verspricht. Die ersten Renderings des Umbaus - erstellt vom damit beauftragten Wiesbadener Büro 3deluxe - zeigen vor allem Oberflächen: Der Sockel soll deutlicher abgesetzt, der Eingang verbreitert, die Lichtplastik durch eine von »Nero Assoluto« gerahmte Medienfassade ersetzt werden. Klotzen, nicht kleckern ist das Motto.

Genaueres ist nicht zu erfahren, die Architekten wurden zum Stillschweigen verpflichtet. Wie man hört, sind städtische Behörden mit dem Umbaukonzept nicht einverstanden - bis jetzt. Interessant an der Neuerfindung ist indes, dass sie - leider offenbar ziemlich unbewusst - an der Anfangsidee ansetzt. Freilich mit einem neuen Begriff und neuen Tapeten.

db, Mi., 2009.08.05



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db 2009|08 Die Neunziger

13. März 2009Enrico Santifaller
Bauwelt

Abriss von heute – die Rekonstruktion von morgen?

Eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum möchte am Beispiel des Werks von Erich Schelling den Umgang mit der Nachkriegsmoderne diskutieren. Bei der dazugehörigen Tagung wurden unerwartete Argumente aufgefahren.

Eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum möchte am Beispiel des Werks von Erich Schelling den Umgang mit der Nachkriegsmoderne diskutieren. Bei der dazugehörigen Tagung wurden unerwartete Argumente aufgefahren.

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Bauwelt 2009|11 Der Campus wächst

05. Februar 2009Enrico Santifaller
Bauwelt

Blockersatz

Eine im März erscheinende Studie vom Deutschen Institut für Urbanistik belegt den seit einigen Jahren „gefühlten“ Trend zum innerstädtischen Wohnen. Vier Projekte jenseits von Townhouses und Urban Villages unterbreiten der neuen Nachfrage ein architektonisches Angebot.

Eine im März erscheinende Studie vom Deutschen Institut für Urbanistik belegt den seit einigen Jahren „gefühlten“ Trend zum innerstädtischen Wohnen. Vier Projekte jenseits von Townhouses und Urban Villages unterbreiten der neuen Nachfrage ein architektonisches Angebot.

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Bauwelt 2009|06 Stadtwohnungen

11. April 2008Enrico Santifaller
Bauwelt

Hans-Poelzig-Retrospektive im DAM

Die Beine übereinandergeschlagen, die Hände auf die Knie gestützt, zwischen gekrümmtem Zeige- und Mittelfinger das frisch angerauchte Zigarillo, korrekt in dunklem Anzug, Weste und weißem Hemd gekleidet, einziger Schmuck eine schwarz schimmernde Seidenfliege mit winzig weißen Punkten: So saß Hans Poelzig im Jahr 1929 August Sander für dessen Serie „Menschen des 20. Jahrhunderts“ Modell.

Die Beine übereinandergeschlagen, die Hände auf die Knie gestützt, zwischen gekrümmtem Zeige- und Mittelfinger das frisch angerauchte Zigarillo, korrekt in dunklem Anzug, Weste und weißem Hemd gekleidet, einziger Schmuck eine schwarz schimmernde Seidenfliege mit winzig weißen Punkten: So saß Hans Poelzig im Jahr 1929 August Sander für dessen Serie „Menschen des 20. Jahrhunderts“ Modell.



Bauwelt, Fr., 2008.04.11



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Bauwelt 2008|14 Stadtbausteine

27. März 2008Enrico Santifaller
Bauwelt

Erweiterung des Städel Museums in Frankfurt am Main

Die Erweiterung des Städel Museums sieht nahezu eine Verdopplung der Ausstellungsfläche vor. Die Frankfurter Schneider Schumacher verlegen die Räume unterirdisch im Garten und gewinnen damit den Wettbewerb. Eine Überraschung ist das nicht.

Die Erweiterung des Städel Museums sieht nahezu eine Verdopplung der Ausstellungsfläche vor. Die Frankfurter Schneider Schumacher verlegen die Räume unterirdisch im Garten und gewinnen damit den Wettbewerb. Eine Überraschung ist das nicht.

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Bauwelt 2008|12 Warszawa (Stadtbauwelt 177)

17. August 2007Enrico Santifaller
Bauwelt

Neu Bau Land

Da gibt es „perfekt aufgeteilte Parallel-Universen durch Beutemacher jedweder Couleur“, schreibt die Schriftstellerin Ines Geipel angesichts der Ermitt­lun­gen zur organisierten Kriminalität in Sachsen, in die vermutlich auch Teile der Immobilienwirtschaft verwickelt sind. Da gibt es Banken, Wohnungsgesell­schaf­ten und Kommunen, die sich auf Kosten von Altstädten und Mittelstand sanierten: Auf diese – zugegeben zugespitzte – Formulierung lässt sich der im Juni veröffentlichte zweite Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost reduzieren. Da seien allein in Leipzig seit 1990 genau 446 Baudenkmäler abgerissen worden, rechnet eine dortige Initiative vor. Da geht es freilich auch anders: Die Neue Zürcher Zeitung feiert das „subtil erweiterte Geburtshaus von Martin Luther in Eisleben“ und jubiliert, „ein Weltkulturerbe (könne) mit zeitgenössischer Architektur erfolgreich ergänzt werden“. Da gibt es jetzt schließlich auch die Ausstellung „Neu Bau Land“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main (DAM), die eine Bilanz des Baugeschehens in den neuen Bundesländern (ohne Ostberlin) zu ziehen versucht. Doch eine klare Richtung vor dem Hintergrund der geschilderten widersprüchlichen Nachrich­ten sucht der Besucher vergebens. Und dies trotz des un­geheuren Aufwands, trotz einer erdrückenden Masse guter Bauten, trotz eines ebenso ambitionier­ten wie originellen Ausstellungsdesigns, für das Meix­ner Schlüter Wendt Architekten, Frankfurt, verantwortlich zeichnen.

Da gibt es „perfekt aufgeteilte Parallel-Universen durch Beutemacher jedweder Couleur“, schreibt die Schriftstellerin Ines Geipel angesichts der Ermitt­lun­gen zur organisierten Kriminalität in Sachsen, in die vermutlich auch Teile der Immobilienwirtschaft verwickelt sind. Da gibt es Banken, Wohnungsgesell­schaf­ten und Kommunen, die sich auf Kosten von Altstädten und Mittelstand sanierten: Auf diese – zugegeben zugespitzte – Formulierung lässt sich der im Juni veröffentlichte zweite Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost reduzieren. Da seien allein in Leipzig seit 1990 genau 446 Baudenkmäler abgerissen worden, rechnet eine dortige Initiative vor. Da geht es freilich auch anders: Die Neue Zürcher Zeitung feiert das „subtil erweiterte Geburtshaus von Martin Luther in Eisleben“ und jubiliert, „ein Weltkulturerbe (könne) mit zeitgenössischer Architektur erfolgreich ergänzt werden“. Da gibt es jetzt schließlich auch die Ausstellung „Neu Bau Land“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main (DAM), die eine Bilanz des Baugeschehens in den neuen Bundesländern (ohne Ostberlin) zu ziehen versucht. Doch eine klare Richtung vor dem Hintergrund der geschilderten widersprüchlichen Nachrich­ten sucht der Besucher vergebens. Und dies trotz des un­geheuren Aufwands, trotz einer erdrückenden Masse guter Bauten, trotz eines ebenso ambitionier­ten wie originellen Ausstellungsdesigns, für das Meix­ner Schlüter Wendt Architekten, Frankfurt, verantwortlich zeichnen.

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Bauwelt 2007|28-29 NormalDutch

06. Oktober 2006Enrico Santifaller
Bauwelt

Seine neue Hülle lässt das Würzburger Kraftwerk zu einem Stück Stadt werden

Obwohl Würzburg vom Main ganz lieblich in zwei Kurven und mit gebremstem Schaum umflossen wird, wendet die Stadt traditionell dem Fluss ihren Rücken zu....

Obwohl Würzburg vom Main ganz lieblich in zwei Kurven und mit gebremstem Schaum umflossen wird, wendet die Stadt traditionell dem Fluss ihren Rücken zu....

Obwohl Würzburg vom Main ganz lieblich in zwei Kurven und mit gebremstem Schaum umflossen wird, wendet die Stadt traditionell dem Fluss ihren Rücken zu. Zwar hatte schon Balthasar Neumann das Anliegen, den Main ins städtische Leben zu integrieren, auch schuf sein Sohn Franz Ignaz ein noch heute eindrucksvolles Schiffshebewerk, doch die Würzburger versagten ihren Baumeistern, so groß sie auch waren, notorisch die Gefolgschaft. Und als im März 1945 ganz Würzburg in Flammen aufging, bauten seine Bewohner nach Kriegsende nicht nur ihre Stadt wieder auf, sondern verbauten auch gleich das Mainufer mit einer zweispurigen Straße, einer Straßenbahn und Hunderten von Parkplätzen. Erst seit dem Amtsantritt von Christian Baumgart als Stadt­bau­rat im Jahre 1994 steht die Reurbanisierung des Ufers auf dem Programm. Ziel ist, die rechtsmaini­sche Flanke zum Erlebnisraum zu machen und dazu von jenem Zwickel im Nordwesten Würzburgs, in dem das Ufer in die Abhänge des Steinbergs übergeht, bis zur Ludwigsbrücke am südwestlichen Rand der Innenstadt eine durchgängige Fußgängerpromenade am und teilweise sogar über dem Wasser anzulegen. Tiefkai, Schiffsanlegestelle, Gartencafés, Grünanlage und Baumalleen sowie eine Eventmeile mit Museum und Kino sollen Industriebrachen, Verkehr und par­ken­des Blech ersetzen. Zahlreiche konkurrierende Ver­fahren wurden dazu ausgelobt und – wie schon in Miltenberg und noch viel mehr in Wörth am Main (Heft 31/04) – Landesmittel für den technischen Hoch­wasserschutz eingesetzt, um eine städtebauli­che Qualität mit ästhetischem Anspruch zu erzielen.
Bis vor kurzem allerdings scheiterten alle Anstrengungen am städtischen Heizkraftwerk unmittelbar südlich vom Alten Hafen und vom Kulturspeicher: Der in seine Dimensionen von 160x40x20 Metern beängstigende Klotz stillt zwar nahezu den gesamten Strom- und Wärmebedarf der Innenstadt, doch stand er bisher jeder Uferrevitalisierung buchstäblich im Wege. Norman Forster hatte in einer Studie Ende der 90er Jahre einen öffentlichen Weg durch das 1954 errichtete, in den folgenden Dekaden mehrmals erweiterte Gebäude vorgeschlagen. Doch wegen Sicherheitsbedenken verschwand der Plan in der Schublade. Einige Jahre später konnte Baumgart die Idee erneut aufgreifen und die Betreiber überzeugen, im Zuge einer abermaligen Erweiterung ein konkurrie­rendes Verfahren auszuloben, wobei freilich der technische Inhalt von der architektonischen Form strikt getrennt wurde. Dass das Heizkraftwerk – vorher von der Lokalpresse als Schandfleck geschmäht, nun zum „Hingucker“ gekürt –, trotzdem schon vor der offiziellen Eröffnung Anfang Oktober einen kaum wegzudenkenden Bestandteil des städtischen Lebens darstellt, ist vor allem dem Entwurf des Büros Brückner & Brückner, Tirschenreuth/Würzburg, geschuldet, der sich in einem VOF-Verfahren durchsetzen konnte. Während die Konkurrenz nur den Erweiterungsbau gestaltete, nutzten die Brüder Brückner den beim Bau des Kulturspeichers (Heft 14/02) gewonnenen Heimvorteil und überformten das gesamte Heizkraftwerk.

Mit insgesamt sechs mächtigen Horizontalprofilen, die sich um die vier Flanken des Gebäudes wickeln, und vertikalen, bis zu 6,60 Meter hohen Winkeln aus gekantetem Aluminium schufen die Architekten ein ebenso komplexes wie atemberaubend dynamisch anmutendes Gebilde aus ineinander gefügten, sich überlagernden und durchdringenden Volumina. Durch die unterschiedlichen Farben der vertikalen Winkelreihen – die silbernen Südschenkel wurden pulverbeschichtet, die nördlichen Schenkel mit einem Kupferlack gestrichen –, durch die Verwendung von verschieden großen Winkeln, die von sehr spitz bis relativ stumpf variieren, und durch wechselnde Abstände zwischen den Winkeln scheint das Gebäude vor Kraft zu vibrieren. Und nachts, wenn es aus Sicherheitsgründen beleuchtet ist, erweckt es den Eindruck, als glühte es in seiner gesammelten Energie. Darüber hinaus bietet eine einfache, die Höhe des Kulturspeichers aufnehmende Auskragung an der Nordfassade in Kombination mit einer breiten Freitreppe in den Main Raum für neues städtisches Leben am Flussufer: Anfang August fand un­ter diesem Bürzel ein Avantgarde-Tanzfestival statt, Ende August konnte man dort Open-Air-Kino genießen. Für Modefotografen ist das Kraftwerk am Main inzwischen zu einer der angesagtesten Locations der Stadt geworden. Und der sonntägliche Spaziergänger kann das Kraftwerk nun auf zwei Wegen umrunden: auf der Wasserseite oder auf der Anlieferflanke, die einige kalkulierte Einblicke in das Innenleben der Energieproduktion gewährt. Der Umbau des Kraftwerks und die 34 Stufen der Freitreppe haben, will man der Lokalpresse glauben, Würzburg bereits jetzt verändert. Weil das Kraftwerksschiff nach 50 Jahren sowohl städtebaulich als auch architektonisch in der Stadt, die es versorgt, nun endlich angekommen ist, besteht an dieser Aussage überhaupt kein Zweifel.

Bauwelt, Fr., 2006.10.06



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Bauwelt 2006|38 Hochschulen

Profil

Publikationen

Brückner & Brückner: Wurzeln und Flügel, Birkhäuser 2018
Aktuelle Architektur in Oberfranken II, Verlag Büro Wilhelm 2016
Architektinnen. Profil Werk Leben. Hrsg. von Anett-Maud Joppien u.a., Müller + Busmannn Verlag 2014 (Redaktion, Text)
Stefan Forster Architekten: Urbane Lebensräume, Frankfurt 2013
Stadtraum und Energie – Das Heizkraftwerk Würzburg, Verlag Dietrich Klinger, Passau 2009 (als Herausgeber)
Aktuelle Architektur in Oberfranken, Büro Wilhelm Verlag 2008
Transform. Zur Revitalisierung von Immobilien. Prestel-Verlag 2008 (mit Jürgen Engel und Michael Zimmermann)
J.S.K. Architekten/SIAT: Gestaltete Funktion, Verlag Ernst Wasmuth Tübingen 2006
ackermann + raff: Architekten und Stadtplaner BDA, Verlag Ernst Wasmuth Tübingen 2006
Baustelle Heimat: Architektur in Rheinland-Pfalz 1945 – 2005, Verlag Schnell & Steiner 2005 (mit Karin Leydecker)

Auszeichnungen

DAI Literaturpreis Baukultur 2005

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