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31. Dezember 2002Timo John
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus der Geschichte von Stirling, Wilford & Schupp

Der 1984 mit der Eröffnung von James Stirlings Neuer Staatsgalerie begonnene Ausbau der Stuttgarter Kulturmeile konnte vor wenigen Tagen mit dem «Haus der Geschichte Baden-Württemberg» vollendet werden. Die ersten Entwürfe für das neue Museum stammten ebenfalls von dem 1991 verstorbenen englischen Meisterarchitekten.

Der 1984 mit der Eröffnung von James Stirlings Neuer Staatsgalerie begonnene Ausbau der Stuttgarter Kulturmeile konnte vor wenigen Tagen mit dem «Haus der Geschichte Baden-Württemberg» vollendet werden. Die ersten Entwürfe für das neue Museum stammten ebenfalls von dem 1991 verstorbenen englischen Meisterarchitekten.

Das Land Baden-Württemberg feierte in diesem Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen. Zum Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten konnte nun das «Haus der Geschichte Baden-Württemberg» samt seiner Dauerausstellung der Öffentlichkeit übergeben werden. Die wechselvolle Geschichte Südwestdeutschlands in den letzten 200 Jahren steht im Zentrum der Präsentation. Die auf Geheiss Napoleons im Rahmen der Säkularisation von 1803 und der Mediatisierung von 1806 durchgeführte territoriale Flurbereinigung liess aus den einst über 200 Klein- und Kleinststaaten im deutschen Südwesten die vier Länder Württemberg, Baden, Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen hervorgehen. Im Jahr 1952 entstand aus diesem Staatengebilde, welches damals noch in alliierte Besatzungszonen aufgeteilt war, das Land Baden-Württemberg.

Die chronologische Inszenierung der Landesgeschichte und verschiedene «Themenparks» bestimmen das Innenleben der hinter einer Sandsteinfassade verborgenen Black Box. Mit viel technischem Aufwand werden in einer symbolüberladenen Ausstellungsarchitektur auf rund 2000 Quadratmetern ungefähr 1400 Exponate gezeigt, wobei sie in ihren historischen Zusammenhang gestellt werden. Auf diese Weise illustrieren sie nicht nur eine Epoche, sondern sie erzählen darüber hinaus auch eine Geschichte. Den Abschluss dieses Parcours bildet das Museum der Gegenwart. Hier können die Besucher durch selbst mitgebrachte Gegenstände die Präsentation mitgestalten. Das neue Haus der Geschichte wird nämlich als ein Museum verstanden, das die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen Baden-Württembergs ständig fortschreiben soll.


Architekturkonzept von James Stirling

Als architektonischer Schlussstein vollendet das neue Museum die Stuttgarter Kulturmeile. Die Planungen entlang der Konrad-Adenauer-Strasse gehen zurück bis in das Jahr 1977, als die baden- württembergische Landesregierung einen internationalen Architektenwettbewerb für einen Erweiterungsbau der Alten Staatsgalerie und den Neubau eines Kammertheaters ausgeschrieben hatte, der von dem englischen Architekten James Stirling (1924-1991) gewonnen wurde. An architektonischer und städtebaulicher Qualität konnte Stirlings Neue Staatsgalerie von den später errichteten Bauten entlang der Kulturmeile nicht übertroffen werden. Auf die Neue Staatsgalerie und das Kammertheater folgte 1987 das etwas schwerfällig wirkende, vom Stuttgarter Büro Zinsmeister & Scheffler entworfene Haus der Abgeordneten. Fast zehn Jahre später trat die von Stirling konzipierte Musikhochschule mit ihrem mächtigen, 35 Meter hohen Mittelturm in die Stadtlandschaft. Dieser von der Strasse zurückversetzte Torso wurde nun im vergangenen September ebenfalls nach Stirlings Plänen von seinem einstigem Partner Michael Wilford sowie dem in Stuttgart und London beheimateten Architekturbüro Wilford & Schupp um ein weiteres, über flügelförmigem Grundriss sich erhebendes Gebäude der Hochschule für Musik und darstellende Kunst erweitert.

Ebenfalls im September wurde ein Erweiterungsbau für die Graphische Sammlung vollendet, der im kommenden März bezogen werden kann. Diesen kleinen Museumsbau entwarf das Basler Architekturbüro Steib & Steib. Die Architekten trotzten der schwierigen Stuttgarter Topographie und schufen etwas versteckt zwischen der Rückwand der Alten Staatsgalerie und der Hangkante auf einem achtzig Meter langen und knapp acht Meter breiten Grundstück einen fünfgeschossigen, rechteckigen, äusserlich streng funktional erscheinenden Bau, der nun Platz schafft für die Verwaltung der Graphischen Sammlung, für die Magazine, Restaurierungsateliers und Labors, für eine Bibliothek, einen Studiensaal sowie für zwei neue Wechselausstellungsräume.


Ein Haus für 200 Jahre Geschichte

Im Zusammenhang mit dem 1977 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb legte James Stirling auch ein städtebauliches Konzept für den Ausbau der gesamten Stuttgarter Kulturmeile vor, dessen Ausführung aus finanziellen Gründen immer wieder ins Stocken geriet. Stirling entwarf damals bereits an der Stelle, an der jetzt das Haus der Geschichte steht, ein die Kulturmeile abschliessendes Gebäude, nur war zu diesem Zeitpunkt die Idee der musealen Nutzung noch nicht geboren. Das von einem ersten Entwurf Stirlings ausgehende neue Museum ist nun weitgehend ein Bau der Architekten Wilford & Schupp. Der geschwungene, ockerfarbige Bau der Musikakademie ergibt zusammen mit dem rechteckigen Kubus des neuen Hauses der Geschichte ein Gesamtgebäude, wobei die Schaufassade des Museums mit ihrem markant übereck auskragenden Fenster das Bauensemble zur Konrad-Adenauer-Strasse hin abschliesst. Das Kammertheater von 1984 und das neue Museum bilden nun eine imposante Dreiflügelanlage. Die dazwischen verlaufende Strasse wurde aufgegeben, so dass sich dort jetzt ein mit Wasserspielen versehener neuer Museumsplatz ausdehnt, der sich zur Stadt öffnet.

Das Innere des Baukörpers wurde von den Architekten auf die neusten funktionalen Nutzungsansprüche eines Geschichtsmuseums angelegt. Baukünstlerisches kommt in den stellenweise stark verdunkelten Räumen kaum zum Zug. Nur das seitlich am Ausstellungskubus verlaufende Treppenhaus mit seinen grellfarbigen Wänden hat einen architektonischen Anspruch, während dem Café im Erdgeschoss der Charme einer biederen Amtsgerichtskantine aus den siebziger Jahren eignet. Bei der Gestaltung der Ausstellungsräume mussten sich die Architekten offenbar ganz den Anforderungen der Museumspädagogik und der Inszenierung unterwerfen. Ein heutiges Haus der «bildenden Geschichte» folgt eben anderen Gesetzmässigkeiten als ein Kunstmuseum. Nach dem schönen Schein des Äusseren wirkt das Innere deshalb etwas gar prosaisch.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.12.31



verknüpfte Bauwerke
Haus der Geschichte Baden-Württemberg

13. August 2002Timo John
Neue Zürcher Zeitung

Das „Araberdorf“ der Moderne

Vor 75 Jahren wurde in Stuttgart im Rahmen der Werkbund-Ausstellung «Die Wohnung» die Weissenhofsiedlung eröffnet. Siebzehn Architekten aus fünf europäischen Ländern errichteten eine der herausragendsten Mustersiedlungen der Moderne. Ihr widmet die Städtische Galerie Stuttgart zwei umfangreiche Jubiläumsausstellungen.

Vor 75 Jahren wurde in Stuttgart im Rahmen der Werkbund-Ausstellung «Die Wohnung» die Weissenhofsiedlung eröffnet. Siebzehn Architekten aus fünf europäischen Ländern errichteten eine der herausragendsten Mustersiedlungen der Moderne. Ihr widmet die Städtische Galerie Stuttgart zwei umfangreiche Jubiläumsausstellungen.

Die wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts stellten 1927 im Rahmen der Werkbund- Ausstellung «Die Wohnung» und unter Leitung von Ludwig Mies van der Rohe ihre Vorschläge für modernes Bauen und zukünftiges Wohnen der Öffentlichkeit vor. Dazu wurden oberhalb des Stuttgarter Talkessels am Killesberg in nur fünf Monaten insgesamt 21 Ein- und Mehrfamilienhäuser mit 63 Wohnungen von bedeutenden Architekten wie Mies van der Rohe, Jacobus Johannes Pieter Oud, Le Corbusier und Pierre Jeanneret, Walter Gropius, Ludwig Hilberseimer, Bruno Taut, Hans Poelzig, Max Taut, Josef Frank, Mart Stam, Peter Behrens und Hans Scharoun errichtet. Diese einmalige Demonstration der Moderne beeinflusste das Bauen weltweit. Auch 75 Jahre nach ihrer Errichtung haben die Musterhäuser nichts von ihrer Modernität eingebüsst. Das Konzept der Weissenhofsiedlung unterschied sich von den meisten anderen Wohnbauprojekten der Zeit durch die gezielte Förderung experimenteller Konstruktionsverfahren und moderner Baumaterialien. Erklärtes Ziel war es, mit der Vielfalt von Haustypen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bewohner gerecht zu werden. Parallel dazu folgte eine breite Diskussion über gesellschaftspolitische, ökonomische und ästhetische Probleme des Wohnungsbaus.

Nach einer zehnjährigen Welttournee durch 21 Städte kehrt die 1992 in Stuttgart vom Institut für Auslandbeziehungen konzipierte Ausstellung über die Weissenhofsiedlung im Jubiläumsjahr zu ihrem letzten Auftritt an ihren Entstehungsort zurück. In der Städtischen Galerie Stuttgart ist die mit Plänen, Zeichnungen und Modellen aufwartende Schau noch um zahlreiche Originalmöbel aus der Zeit ergänzt worden. Gleichzeitig wird die Weissenhofsiedlung erstmals auch digital durch ein von der Stadt Stuttgart und IBM erarbeitetes interaktives Informationssystem präsentiert, das virtuelle Rundgänge durch die Weissenhofsiedlung im Zustand von 1927 ermöglicht.


Internationale Architektur

Damals gab es parallel zur Weissenhof-Ausstellung «Die Wohnung» in Stuttgart noch eine weitere, heute kaum mehr bekannte Veranstaltung, die «Internationale Plan- und Modellausstellung neuer Baukunst», die in dem von Bernhard Pankok am Interimstheaterplatz entworfenen Ausstellungspavillon gezeigt wurde. Hier stellten 129 Architekten aus zehn Ländern anhand von über 500 Exponaten Beispiele modernen Bauens in Europa und Amerika vor, um so die Internationalität der auf dem Weissenhof verwirklichten Gedanken zu belegen. Diese Schau sollte den zahlreichen Kritikern und den über eine halbe Million Besuchern der Weissenhofsiedlung verdeutlichen, dass oben auf dem Killesberg nicht ein paar Spinner orientalisch anmutende, weiss getünchte Hauskuben mit Flachdächern hingeklotzt hatten. Bezeichnete doch der Architekt Paul Bonatz, einer der Köpfe der konservativen Stuttgarter Schule, die Weissenhofsiedlung polemisch als eine «Vorstadt Jerusalems»; andere sprachen von einem «Araberdorf». Diese Ergänzungsausstellung wollte zudem veranschaulichen, dass das Neue Bauen Ausdruck einer weltweiten Bewegung war, innerhalb deren die Weissenhofsiedlung einen Markstein darstellte. Gross war das Interesse an der «Plan- und Modellausstellung» auch im Ausland. Auf ihrer Europatournee besuchte sie gleich nach Stuttgart in neuer Zusammenstellung Zürich und Anfang 1928 auch Basel.


Zukunftsweisende Bauten

Die «Internationale Plan- und Modellausstellung» ist Thema der zweiten Jubiläumsausstellung in der Städtischen Galerie mit dem Titel «Neues Bauen International 1927-2002 - ein imaginäres Museum der Architektur-Avantgarde in Europa und Amerika». Originell ist die Idee, dem zur Ausstellung erschienenen Katalog den offiziellen Führer von 1927 als Reprint voranzustellen. Die Ausstellung versucht dabei nicht, die Architekturschau von damals zu rekonstruieren, sondern zeigt lediglich eine Auswahl von 60 Architekten und deren Bauten, die noch zukunftsweisender waren, als es damals die optimistischsten Bewunderer geglaubt hatten. Hunderte von Plänen, Entwürfen, Skizzen und Photographien werden hier vorgestellt. El Lissitzkys Wolkenbügel, Walter Gropius' Faguswerke, zahlreiche Villen und Landhäuser von Le Corbusier oder Mies van der Rohes Hochhausentwurf für die Friedrichstrasse in Berlin versammeln sich hier, im Modell nachgebaut, bevor auch diese Schau für die nächsten Jahre auf Wanderschaft geht. Bis anhin war das Interesse des Auslandes an der Weissenhofsiedlung immer grösser als das der Stuttgarter. Nach Zeiten der Vernachlässigung, der Zerstörung, des Verfalls und der Umwandlung wurde das verbliebene Ensemble mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt, und die elf noch erhalten Häuser wurden renoviert.


[Bis zum 6. Oktober. Katalog: Neues Bauen International 1927-2002. Hrsg. Institut für Auslandsbeziehungen Gebr.- Mann-Verlag, Stuttgart 2002. 216 S., Euro 19.-. - Karin Kirsch: Werkbund-Ausstellung «Die Wohnung» Stuttgart 1927. Die Weissenhofsiedlung. Hrsg. Institut für Auslandsbeziehungen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1993. 71 S., Euro 19.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.08.13



verknüpfte Bauwerke
Weißenhofsiedlung

23. Mai 2001Timo John
Neue Zürcher Zeitung

Ein Haus für die Provinz

Die neue Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall

Die neue Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall

Vor wenigen Tagen wurde in Schwäbisch Hall die neue, vom dänischen Architekten Henning Larsen entworfene Kunsthalle Würth für moderne und zeitgenössische Kunst eröffnet. Der Stifter Reinhold Würth zählt zu den engagiertesten Kunstsammlern und grosszügigsten Mäzenen des Bundeslandes Baden-Württemberg.

Nachdem die Idee einer Kunsthalle für die über 5000 Werke moderner und zeitgenössischer Kunst der Sammlung Würth geboren war, wurden 1997 für den Wettbewerb insgesamt 13 international bekannte Architekten geladen. Mit dabei waren Mario Botta, der Architekt des Museum of Modern Art in San Francisco, oder Stephan Braunfels, der die Pinakothek der Moderne in München entwarf. Gewonnen hat schliesslich der Däne Henning Larsen, der sich mit Bauten wie dem Aussenministerium von Riad oder der Universität von Trondheim weit über seine Heimat hinaus einen Namen gemacht hat.

Wohl die schwierigste Aufgabe für Larsen war es, diesen modernen Baukörper in einem kleinen mittelalterlichen Stadtteil mit schmalen Häusern und engen Gassen möglichst sorgsam zu placieren - und zwar auf dem Dach einer zu einem ehemaligen Brauereigelände gehörenden Tiefgarage. Dies ist ihm erstaunlich gut gelungen. So bestehen die Aussenmauern des Neubaus aus lokal gewonnenem, grob behauenem Muschelkalk, einem Stein, mit dem auch in der Haller Altstadt über Jahrhunderte gebaut wurde. Larsen nimmt damit Bezug auf die Stadt und ihre Traditionen.

Auf Grund der Zweiteilung des Museumsbaus entstand in der Katharinenvorstadt auch ein neuer Platz. Dieser schliesst zur Haller Altstadt hin mit einer Eisenkonstruktion ab, durch die man wie durch ein überdimensioniertes Fenster einen einmaligen Blick auf das Schwäbisch Haller Stadtpanorama hat. Der Platz führt zu beiden Seiten in zwei flankierende Räume über: den Veranstaltungsraum und einen Verkaufsshop mit Cafeteria. Die beiden Räume sind in ihrer Proportionierung, ihrer Höhe und ihrem Tageslichteinfall zweifellos die schönsten des Museums. - Dem Gebäude, das wie aus grobem Naturstein in den Hang gemeisselt dasteht, ist zur Stadt hin ein Netzwerk aus Stahl und Glas vorgelagert. Hinter der Glasfront liegen die Treppenaufgänge, die das erste Obergeschoss mit den beiden darunter liegenden Ausstellungsräumen verbinden. Das zweite Obergeschoss ist als ein in den Baukubus eingestellter Tisch konzipiert, an dessen Enden sich zwei über beide Geschosse hinwegführende Galerien anschliessen. Von diesen ergeben sich zusammenführende Blickbezüge nach unten in das erste Obergeschoss. Auf den rund 670 Quadratmetern des zweiten Obergeschosses sollen künftig Wechselausstellungen zeitgenössischer und moderner Kunst gezeigt werden. Während dieses Geschoss 4 Meter hoch ist, hat das erste Obergeschoss nur 3,5 Meter, teilweise sogar nur 2,5 Meter Raumhöhe. Dort befinden sich neben 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche Räume für die Haus- und Museumstechnik sowie ein kleines Bilderdepot. Die zahlreichen, etwas niedrig geratenen Kabinette ohne Tageslicht eignen sich höchstens zur Präsentation von lichtempfindlichen grafischen Arbeiten.

Die in 35 Jahren vom Industriellen Reinhold Würth zusammengetragene Sammlung Würth umfasst Grafik, Malerei und Skulptur und zählt zu den grössten Kollektionen ihrer Art in Deutschland. In ihrer Struktur zielt sie auf markante Positionen der internationalen Kunst des 20. und künftig auch des 21. Jahrhunderts. Sammlungsschwerpunkte wurden nach ausgewählten Künstlern wie Pablo Picasso, Max Ernst, Hans Arp, Alfred Hrdlicka, Serge Poliakoff, Arnulf Rainer, Christo und Jeanne-Claude, Eduardo Chillida oder Anthony Caro gesetzt, zu denen die Sammlung Würth umfangreiche Werkgruppen besitzt. Innerhalb der Sammlung lässt sich der Bogen der Kunst des 20. Jahrhunderts von den Klassikern des deutschen Expressionismus über Mitglieder der Pariser Künstlergruppe Abstraction-Création bis hin zu Fernand Léger, Marc Chagall oder Carlos Merida spannen. Hinzu kommen Vertreter der deutschen Kunst der sechziger, siebziger und achtziger Jahre wie Günther Uecker, Raimund Gierke, Horst Antes, Markus Lüpertz, Rainer Fetting oder Karl Horst Hödicke, aber auch Künstler aus Österreich, Italien, Spanien, Mexiko und den USA.

Zur Eröffnung der neuen Kunsthalle werden nun bis Ende Jahr 330 Kunstwerke aus der Sammlung unter dem Titel «Einblick Ausblick Überblick - Rendez-vous mit der Sammlung Würth» gezeigt. Einige der Werke werden das erste Mal einer Öffentlichkeit vorgestellt, so z. B. das im letzten Jahr erworbene Picasso-Gemälde «La fillette au bateau» von 1937. Dass man bei der Auswahl der Objekte aus dem Vollen schöpfen konnte, darauf deutet die dichte, aber nicht unproblematische Hängung hin. An die schwierigen Innenräume des neuen Museums werden sich die Ausstellungsmacher noch gewöhnen müssen. Dennoch darf man von einem gelungenen Auftakt sprechen.


[Einblick Ausblick Überblick. Die Sammlung Würth. Hrsg. C. Sylvia Weber und Museum Würth. Swiridoff-Verlag, Künzelsau 2001. 2 Bde. 1211 S., Fr. 132.- (ISBN 3-934350-40-2). ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2001.05.23



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Kunsthalle Würth

Presseschau 12

31. Dezember 2002Timo John
Neue Zürcher Zeitung

Das Haus der Geschichte von Stirling, Wilford & Schupp

Der 1984 mit der Eröffnung von James Stirlings Neuer Staatsgalerie begonnene Ausbau der Stuttgarter Kulturmeile konnte vor wenigen Tagen mit dem «Haus der Geschichte Baden-Württemberg» vollendet werden. Die ersten Entwürfe für das neue Museum stammten ebenfalls von dem 1991 verstorbenen englischen Meisterarchitekten.

Der 1984 mit der Eröffnung von James Stirlings Neuer Staatsgalerie begonnene Ausbau der Stuttgarter Kulturmeile konnte vor wenigen Tagen mit dem «Haus der Geschichte Baden-Württemberg» vollendet werden. Die ersten Entwürfe für das neue Museum stammten ebenfalls von dem 1991 verstorbenen englischen Meisterarchitekten.

Das Land Baden-Württemberg feierte in diesem Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen. Zum Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten konnte nun das «Haus der Geschichte Baden-Württemberg» samt seiner Dauerausstellung der Öffentlichkeit übergeben werden. Die wechselvolle Geschichte Südwestdeutschlands in den letzten 200 Jahren steht im Zentrum der Präsentation. Die auf Geheiss Napoleons im Rahmen der Säkularisation von 1803 und der Mediatisierung von 1806 durchgeführte territoriale Flurbereinigung liess aus den einst über 200 Klein- und Kleinststaaten im deutschen Südwesten die vier Länder Württemberg, Baden, Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen hervorgehen. Im Jahr 1952 entstand aus diesem Staatengebilde, welches damals noch in alliierte Besatzungszonen aufgeteilt war, das Land Baden-Württemberg.

Die chronologische Inszenierung der Landesgeschichte und verschiedene «Themenparks» bestimmen das Innenleben der hinter einer Sandsteinfassade verborgenen Black Box. Mit viel technischem Aufwand werden in einer symbolüberladenen Ausstellungsarchitektur auf rund 2000 Quadratmetern ungefähr 1400 Exponate gezeigt, wobei sie in ihren historischen Zusammenhang gestellt werden. Auf diese Weise illustrieren sie nicht nur eine Epoche, sondern sie erzählen darüber hinaus auch eine Geschichte. Den Abschluss dieses Parcours bildet das Museum der Gegenwart. Hier können die Besucher durch selbst mitgebrachte Gegenstände die Präsentation mitgestalten. Das neue Haus der Geschichte wird nämlich als ein Museum verstanden, das die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen Baden-Württembergs ständig fortschreiben soll.


Architekturkonzept von James Stirling

Als architektonischer Schlussstein vollendet das neue Museum die Stuttgarter Kulturmeile. Die Planungen entlang der Konrad-Adenauer-Strasse gehen zurück bis in das Jahr 1977, als die baden- württembergische Landesregierung einen internationalen Architektenwettbewerb für einen Erweiterungsbau der Alten Staatsgalerie und den Neubau eines Kammertheaters ausgeschrieben hatte, der von dem englischen Architekten James Stirling (1924-1991) gewonnen wurde. An architektonischer und städtebaulicher Qualität konnte Stirlings Neue Staatsgalerie von den später errichteten Bauten entlang der Kulturmeile nicht übertroffen werden. Auf die Neue Staatsgalerie und das Kammertheater folgte 1987 das etwas schwerfällig wirkende, vom Stuttgarter Büro Zinsmeister & Scheffler entworfene Haus der Abgeordneten. Fast zehn Jahre später trat die von Stirling konzipierte Musikhochschule mit ihrem mächtigen, 35 Meter hohen Mittelturm in die Stadtlandschaft. Dieser von der Strasse zurückversetzte Torso wurde nun im vergangenen September ebenfalls nach Stirlings Plänen von seinem einstigem Partner Michael Wilford sowie dem in Stuttgart und London beheimateten Architekturbüro Wilford & Schupp um ein weiteres, über flügelförmigem Grundriss sich erhebendes Gebäude der Hochschule für Musik und darstellende Kunst erweitert.

Ebenfalls im September wurde ein Erweiterungsbau für die Graphische Sammlung vollendet, der im kommenden März bezogen werden kann. Diesen kleinen Museumsbau entwarf das Basler Architekturbüro Steib & Steib. Die Architekten trotzten der schwierigen Stuttgarter Topographie und schufen etwas versteckt zwischen der Rückwand der Alten Staatsgalerie und der Hangkante auf einem achtzig Meter langen und knapp acht Meter breiten Grundstück einen fünfgeschossigen, rechteckigen, äusserlich streng funktional erscheinenden Bau, der nun Platz schafft für die Verwaltung der Graphischen Sammlung, für die Magazine, Restaurierungsateliers und Labors, für eine Bibliothek, einen Studiensaal sowie für zwei neue Wechselausstellungsräume.


Ein Haus für 200 Jahre Geschichte

Im Zusammenhang mit dem 1977 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb legte James Stirling auch ein städtebauliches Konzept für den Ausbau der gesamten Stuttgarter Kulturmeile vor, dessen Ausführung aus finanziellen Gründen immer wieder ins Stocken geriet. Stirling entwarf damals bereits an der Stelle, an der jetzt das Haus der Geschichte steht, ein die Kulturmeile abschliessendes Gebäude, nur war zu diesem Zeitpunkt die Idee der musealen Nutzung noch nicht geboren. Das von einem ersten Entwurf Stirlings ausgehende neue Museum ist nun weitgehend ein Bau der Architekten Wilford & Schupp. Der geschwungene, ockerfarbige Bau der Musikakademie ergibt zusammen mit dem rechteckigen Kubus des neuen Hauses der Geschichte ein Gesamtgebäude, wobei die Schaufassade des Museums mit ihrem markant übereck auskragenden Fenster das Bauensemble zur Konrad-Adenauer-Strasse hin abschliesst. Das Kammertheater von 1984 und das neue Museum bilden nun eine imposante Dreiflügelanlage. Die dazwischen verlaufende Strasse wurde aufgegeben, so dass sich dort jetzt ein mit Wasserspielen versehener neuer Museumsplatz ausdehnt, der sich zur Stadt öffnet.

Das Innere des Baukörpers wurde von den Architekten auf die neusten funktionalen Nutzungsansprüche eines Geschichtsmuseums angelegt. Baukünstlerisches kommt in den stellenweise stark verdunkelten Räumen kaum zum Zug. Nur das seitlich am Ausstellungskubus verlaufende Treppenhaus mit seinen grellfarbigen Wänden hat einen architektonischen Anspruch, während dem Café im Erdgeschoss der Charme einer biederen Amtsgerichtskantine aus den siebziger Jahren eignet. Bei der Gestaltung der Ausstellungsräume mussten sich die Architekten offenbar ganz den Anforderungen der Museumspädagogik und der Inszenierung unterwerfen. Ein heutiges Haus der «bildenden Geschichte» folgt eben anderen Gesetzmässigkeiten als ein Kunstmuseum. Nach dem schönen Schein des Äusseren wirkt das Innere deshalb etwas gar prosaisch.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.12.31



verknüpfte Bauwerke
Haus der Geschichte Baden-Württemberg

13. August 2002Timo John
Neue Zürcher Zeitung

Das „Araberdorf“ der Moderne

Vor 75 Jahren wurde in Stuttgart im Rahmen der Werkbund-Ausstellung «Die Wohnung» die Weissenhofsiedlung eröffnet. Siebzehn Architekten aus fünf europäischen Ländern errichteten eine der herausragendsten Mustersiedlungen der Moderne. Ihr widmet die Städtische Galerie Stuttgart zwei umfangreiche Jubiläumsausstellungen.

Vor 75 Jahren wurde in Stuttgart im Rahmen der Werkbund-Ausstellung «Die Wohnung» die Weissenhofsiedlung eröffnet. Siebzehn Architekten aus fünf europäischen Ländern errichteten eine der herausragendsten Mustersiedlungen der Moderne. Ihr widmet die Städtische Galerie Stuttgart zwei umfangreiche Jubiläumsausstellungen.

Die wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts stellten 1927 im Rahmen der Werkbund- Ausstellung «Die Wohnung» und unter Leitung von Ludwig Mies van der Rohe ihre Vorschläge für modernes Bauen und zukünftiges Wohnen der Öffentlichkeit vor. Dazu wurden oberhalb des Stuttgarter Talkessels am Killesberg in nur fünf Monaten insgesamt 21 Ein- und Mehrfamilienhäuser mit 63 Wohnungen von bedeutenden Architekten wie Mies van der Rohe, Jacobus Johannes Pieter Oud, Le Corbusier und Pierre Jeanneret, Walter Gropius, Ludwig Hilberseimer, Bruno Taut, Hans Poelzig, Max Taut, Josef Frank, Mart Stam, Peter Behrens und Hans Scharoun errichtet. Diese einmalige Demonstration der Moderne beeinflusste das Bauen weltweit. Auch 75 Jahre nach ihrer Errichtung haben die Musterhäuser nichts von ihrer Modernität eingebüsst. Das Konzept der Weissenhofsiedlung unterschied sich von den meisten anderen Wohnbauprojekten der Zeit durch die gezielte Förderung experimenteller Konstruktionsverfahren und moderner Baumaterialien. Erklärtes Ziel war es, mit der Vielfalt von Haustypen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bewohner gerecht zu werden. Parallel dazu folgte eine breite Diskussion über gesellschaftspolitische, ökonomische und ästhetische Probleme des Wohnungsbaus.

Nach einer zehnjährigen Welttournee durch 21 Städte kehrt die 1992 in Stuttgart vom Institut für Auslandbeziehungen konzipierte Ausstellung über die Weissenhofsiedlung im Jubiläumsjahr zu ihrem letzten Auftritt an ihren Entstehungsort zurück. In der Städtischen Galerie Stuttgart ist die mit Plänen, Zeichnungen und Modellen aufwartende Schau noch um zahlreiche Originalmöbel aus der Zeit ergänzt worden. Gleichzeitig wird die Weissenhofsiedlung erstmals auch digital durch ein von der Stadt Stuttgart und IBM erarbeitetes interaktives Informationssystem präsentiert, das virtuelle Rundgänge durch die Weissenhofsiedlung im Zustand von 1927 ermöglicht.


Internationale Architektur

Damals gab es parallel zur Weissenhof-Ausstellung «Die Wohnung» in Stuttgart noch eine weitere, heute kaum mehr bekannte Veranstaltung, die «Internationale Plan- und Modellausstellung neuer Baukunst», die in dem von Bernhard Pankok am Interimstheaterplatz entworfenen Ausstellungspavillon gezeigt wurde. Hier stellten 129 Architekten aus zehn Ländern anhand von über 500 Exponaten Beispiele modernen Bauens in Europa und Amerika vor, um so die Internationalität der auf dem Weissenhof verwirklichten Gedanken zu belegen. Diese Schau sollte den zahlreichen Kritikern und den über eine halbe Million Besuchern der Weissenhofsiedlung verdeutlichen, dass oben auf dem Killesberg nicht ein paar Spinner orientalisch anmutende, weiss getünchte Hauskuben mit Flachdächern hingeklotzt hatten. Bezeichnete doch der Architekt Paul Bonatz, einer der Köpfe der konservativen Stuttgarter Schule, die Weissenhofsiedlung polemisch als eine «Vorstadt Jerusalems»; andere sprachen von einem «Araberdorf». Diese Ergänzungsausstellung wollte zudem veranschaulichen, dass das Neue Bauen Ausdruck einer weltweiten Bewegung war, innerhalb deren die Weissenhofsiedlung einen Markstein darstellte. Gross war das Interesse an der «Plan- und Modellausstellung» auch im Ausland. Auf ihrer Europatournee besuchte sie gleich nach Stuttgart in neuer Zusammenstellung Zürich und Anfang 1928 auch Basel.


Zukunftsweisende Bauten

Die «Internationale Plan- und Modellausstellung» ist Thema der zweiten Jubiläumsausstellung in der Städtischen Galerie mit dem Titel «Neues Bauen International 1927-2002 - ein imaginäres Museum der Architektur-Avantgarde in Europa und Amerika». Originell ist die Idee, dem zur Ausstellung erschienenen Katalog den offiziellen Führer von 1927 als Reprint voranzustellen. Die Ausstellung versucht dabei nicht, die Architekturschau von damals zu rekonstruieren, sondern zeigt lediglich eine Auswahl von 60 Architekten und deren Bauten, die noch zukunftsweisender waren, als es damals die optimistischsten Bewunderer geglaubt hatten. Hunderte von Plänen, Entwürfen, Skizzen und Photographien werden hier vorgestellt. El Lissitzkys Wolkenbügel, Walter Gropius' Faguswerke, zahlreiche Villen und Landhäuser von Le Corbusier oder Mies van der Rohes Hochhausentwurf für die Friedrichstrasse in Berlin versammeln sich hier, im Modell nachgebaut, bevor auch diese Schau für die nächsten Jahre auf Wanderschaft geht. Bis anhin war das Interesse des Auslandes an der Weissenhofsiedlung immer grösser als das der Stuttgarter. Nach Zeiten der Vernachlässigung, der Zerstörung, des Verfalls und der Umwandlung wurde das verbliebene Ensemble mittlerweile unter Denkmalschutz gestellt, und die elf noch erhalten Häuser wurden renoviert.


[Bis zum 6. Oktober. Katalog: Neues Bauen International 1927-2002. Hrsg. Institut für Auslandsbeziehungen Gebr.- Mann-Verlag, Stuttgart 2002. 216 S., Euro 19.-. - Karin Kirsch: Werkbund-Ausstellung «Die Wohnung» Stuttgart 1927. Die Weissenhofsiedlung. Hrsg. Institut für Auslandsbeziehungen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1993. 71 S., Euro 19.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2002.08.13



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Weißenhofsiedlung

23. Mai 2001Timo John
Neue Zürcher Zeitung

Ein Haus für die Provinz

Die neue Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall

Die neue Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall

Vor wenigen Tagen wurde in Schwäbisch Hall die neue, vom dänischen Architekten Henning Larsen entworfene Kunsthalle Würth für moderne und zeitgenössische Kunst eröffnet. Der Stifter Reinhold Würth zählt zu den engagiertesten Kunstsammlern und grosszügigsten Mäzenen des Bundeslandes Baden-Württemberg.

Nachdem die Idee einer Kunsthalle für die über 5000 Werke moderner und zeitgenössischer Kunst der Sammlung Würth geboren war, wurden 1997 für den Wettbewerb insgesamt 13 international bekannte Architekten geladen. Mit dabei waren Mario Botta, der Architekt des Museum of Modern Art in San Francisco, oder Stephan Braunfels, der die Pinakothek der Moderne in München entwarf. Gewonnen hat schliesslich der Däne Henning Larsen, der sich mit Bauten wie dem Aussenministerium von Riad oder der Universität von Trondheim weit über seine Heimat hinaus einen Namen gemacht hat.

Wohl die schwierigste Aufgabe für Larsen war es, diesen modernen Baukörper in einem kleinen mittelalterlichen Stadtteil mit schmalen Häusern und engen Gassen möglichst sorgsam zu placieren - und zwar auf dem Dach einer zu einem ehemaligen Brauereigelände gehörenden Tiefgarage. Dies ist ihm erstaunlich gut gelungen. So bestehen die Aussenmauern des Neubaus aus lokal gewonnenem, grob behauenem Muschelkalk, einem Stein, mit dem auch in der Haller Altstadt über Jahrhunderte gebaut wurde. Larsen nimmt damit Bezug auf die Stadt und ihre Traditionen.

Auf Grund der Zweiteilung des Museumsbaus entstand in der Katharinenvorstadt auch ein neuer Platz. Dieser schliesst zur Haller Altstadt hin mit einer Eisenkonstruktion ab, durch die man wie durch ein überdimensioniertes Fenster einen einmaligen Blick auf das Schwäbisch Haller Stadtpanorama hat. Der Platz führt zu beiden Seiten in zwei flankierende Räume über: den Veranstaltungsraum und einen Verkaufsshop mit Cafeteria. Die beiden Räume sind in ihrer Proportionierung, ihrer Höhe und ihrem Tageslichteinfall zweifellos die schönsten des Museums. - Dem Gebäude, das wie aus grobem Naturstein in den Hang gemeisselt dasteht, ist zur Stadt hin ein Netzwerk aus Stahl und Glas vorgelagert. Hinter der Glasfront liegen die Treppenaufgänge, die das erste Obergeschoss mit den beiden darunter liegenden Ausstellungsräumen verbinden. Das zweite Obergeschoss ist als ein in den Baukubus eingestellter Tisch konzipiert, an dessen Enden sich zwei über beide Geschosse hinwegführende Galerien anschliessen. Von diesen ergeben sich zusammenführende Blickbezüge nach unten in das erste Obergeschoss. Auf den rund 670 Quadratmetern des zweiten Obergeschosses sollen künftig Wechselausstellungen zeitgenössischer und moderner Kunst gezeigt werden. Während dieses Geschoss 4 Meter hoch ist, hat das erste Obergeschoss nur 3,5 Meter, teilweise sogar nur 2,5 Meter Raumhöhe. Dort befinden sich neben 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche Räume für die Haus- und Museumstechnik sowie ein kleines Bilderdepot. Die zahlreichen, etwas niedrig geratenen Kabinette ohne Tageslicht eignen sich höchstens zur Präsentation von lichtempfindlichen grafischen Arbeiten.

Die in 35 Jahren vom Industriellen Reinhold Würth zusammengetragene Sammlung Würth umfasst Grafik, Malerei und Skulptur und zählt zu den grössten Kollektionen ihrer Art in Deutschland. In ihrer Struktur zielt sie auf markante Positionen der internationalen Kunst des 20. und künftig auch des 21. Jahrhunderts. Sammlungsschwerpunkte wurden nach ausgewählten Künstlern wie Pablo Picasso, Max Ernst, Hans Arp, Alfred Hrdlicka, Serge Poliakoff, Arnulf Rainer, Christo und Jeanne-Claude, Eduardo Chillida oder Anthony Caro gesetzt, zu denen die Sammlung Würth umfangreiche Werkgruppen besitzt. Innerhalb der Sammlung lässt sich der Bogen der Kunst des 20. Jahrhunderts von den Klassikern des deutschen Expressionismus über Mitglieder der Pariser Künstlergruppe Abstraction-Création bis hin zu Fernand Léger, Marc Chagall oder Carlos Merida spannen. Hinzu kommen Vertreter der deutschen Kunst der sechziger, siebziger und achtziger Jahre wie Günther Uecker, Raimund Gierke, Horst Antes, Markus Lüpertz, Rainer Fetting oder Karl Horst Hödicke, aber auch Künstler aus Österreich, Italien, Spanien, Mexiko und den USA.

Zur Eröffnung der neuen Kunsthalle werden nun bis Ende Jahr 330 Kunstwerke aus der Sammlung unter dem Titel «Einblick Ausblick Überblick - Rendez-vous mit der Sammlung Würth» gezeigt. Einige der Werke werden das erste Mal einer Öffentlichkeit vorgestellt, so z. B. das im letzten Jahr erworbene Picasso-Gemälde «La fillette au bateau» von 1937. Dass man bei der Auswahl der Objekte aus dem Vollen schöpfen konnte, darauf deutet die dichte, aber nicht unproblematische Hängung hin. An die schwierigen Innenräume des neuen Museums werden sich die Ausstellungsmacher noch gewöhnen müssen. Dennoch darf man von einem gelungenen Auftakt sprechen.


[Einblick Ausblick Überblick. Die Sammlung Würth. Hrsg. C. Sylvia Weber und Museum Würth. Swiridoff-Verlag, Künzelsau 2001. 2 Bde. 1211 S., Fr. 132.- (ISBN 3-934350-40-2). ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2001.05.23



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Kunsthalle Würth

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