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12. August 2016Christoph Wieser
TEC21

Eigenständig, aber eng verbunden

Mit einem Flügelschlag befreit der Neubau von Christ & Gantenbein das Kunstmuseum Basel von der Monumentalität und Symmetrie des Hauptbaus. Er bezieht sich aber anspielungsreich auf ihn und etabliert so eine Beziehung, die allen zugute kommt: der Stadt, der Kunst und den Besuchenden.

Mit einem Flügelschlag befreit der Neubau von Christ & Gantenbein das Kunstmuseum Basel von der Monumentalität und Symmetrie des Hauptbaus. Er bezieht sich aber anspielungsreich auf ihn und etabliert so eine Beziehung, die allen zugute kommt: der Stadt, der Kunst und den Besuchenden.

Die im April dieses Jahres eröffnete Erweiterung ergänzt den streng axialsymmetrisch angelegten, von Rudolf Christ und Paul Bonatz erstellten Hauptbau von 1936 wie ein stadträumliches Passstück. Dieser bildet den ­Abschluss einer Reihe repräsentativer Bauten, die den St. Alban-Graben beidseitig säumen, bevor er mit einer Kurve zur Wettsteinbrücke überleitet.

An diesem neuralgischen Punkt befindet sich der Neubau. Das Grundstück wurde dem Kunstmuseum zusammen mit einer Spende von 50 Millionen Franken, der Hälfte der Gesamtkosten, von Maja Oeri geschenkt. Dieselbe Mäzenin ermöglichte bereits vor rund zehn Jahren mit der Stiftung des ehemaligen Nationalbankgebäudes – dem südwestlich anschliessenden Laurenzbau – eine erste Transformation des Kunstmuseums, in den die Bibliothek ausgelagert wurde.

Während sich der Hauptbau den stadträumlichen Gegebenheiten verweigert, sodass entlang der Dufourstras­se mehrere dreieckige Restflächen entstanden, ist der Neubau passgenau auf die Umgebung abgestimmt. Der Baukörper betont mit seinen Kanten und präzis gesetzten Knicken die räumliche Kontinuität der Stras­sen­räu­me.

Gleichzeitig spielt er das Volumen frei und schafft zwei Plätze: Über die tief einspringende Ecke zum St. Alban-Graben entsteht beim Eingang ein Vorplatz, der die Kreuzung fasst und zentriert, und dank der Fassadenfront entlang der Dufourstrasse erhält der Hauptbau ein Visavis, die ehemalige Rest­fläche mit bestehendem Brunnen und Bäumen wird aufgewertet.

Neu befindet sich der Kassenbereich in der ­Kolonnade des Hauptbaus – so können die Besucher frei wählen, ob sie zunächst über den grossen Hof das Stammhaus betreten oder direkt zum Neubau gehen wollen. Obschon beides möglich ist, sind die Hierarchien klar verteilt: Der weitgehend geschlossene Neubau erweckt durch die wuchtigen verzinkten Gitter beim Eingang und der Anlieferung einen noch introvertierteren Eindruck als der Hauptbau.

Seiner massigen Hausteinmauern von 90 cm Dicke wegen wurde Letzterer als «Tresor der Kunstschätze» bezeichnet[1] – eine Charakterisierung, die auch auf den Neubau zutrifft.

Stabile Ordnung mit Kontrapunkten

Bei aller Massivität ist beiden jedoch ein überraschend feinmassstäblicher Ausdruck eigen, hervorgerufen durch die Materialisierung. Sind es beim Hauptbau die verschiedenen Steinsorten und vielfach diversifizierten Formate, die den Fassaden eine gewisse Feingliedrigkeit geben, entsteht diese Wirkung beim Neubau über den Backstein (vgl. «Keine Illusion»).

Die lagenweise abwechselnd vor- und zurückspringenden, nur 4 cm hohen Steine betonen die Horizontale und gliedern über drei unterschiedliche Grautöne die Fassadenflächen zusätzlich.

Durch die «Feuergeburt», wie der deutsche Architekt Fritz Schumacher das Brennen der Ziegel bezeichnete,[2] erreicht das Material eine Beständigkeit, die beim Kranzgesims in Form eines Medienfrieses höchst effektvoll und auf neuartige Weise unterwandert wird: Mittels LED-Technik wird eine immaterielle «Flammenschrift» erzeugt, die auf Ausstellungen und Aktivitäten des Museums aufmerksam machen kann und so dem unverrückbaren Volumen eine dynamische Komponente verleiht.

Die Kombination von archaischem Mauerwerk und zeitgenössischer Technik findet im Innern eine Fortsetzung in der Gegenüberstellung von «armen» und «reichen» Materialien – Materialien, die aus unterschiedlichen Kontexten stammen und mit verschiedenen Bedeutungen konnotiert sind wie Marmor und verzinkte Stahlbleche, Gitterroste und hochwertige Eichenböden.

Die von den Architekten als «Cross-over» bezeichnete Methode verbindet nicht nur die Vergangenheit mit der Gegenwart. Sie verweist auch auf das gewandelte Kunstverständnis und die typologische Annäherung der Kunstmuseen an die Kunsthallen, hervorgerufen durch den Bedarf an möglichst flexibel nutzbaren Ausstellungsräumen für Wechselausstellungen.

Christ & Gantenbein werden dieser Anforderung in hohem Mass gerecht, indem der Neubau eine Vielzahl unterschiedlicher Räume bereithält, die mehrheitlich mit Sonderausstellungen bespielt werden sollen. Gleichwohl ist jeder Raum klar definiert, sorgfältig pro­portioniert und spezifisch belichtet. Kunstlicht, natürliches Seiten- und Oberlicht sind, wie im Hauptbau, die bewährten Mittel dazu. Sie verorten die Besucher im Gebäude und ermöglichen über einige wenige, grossformatige Öffnungen einen Bezug zur Umgebung.

Die architektonische Ordnung schafft für die Kunstwerke einen im doppelten Sinn stabilen Hintergrund: Die massive, auf Dauerhaftigkeit ausgelegte Konstruktion in Stahlbeton mit vorgefertigten, sandgestrahlten Rippendecken bildet das tragende Gerüst.

Zudem strahlen die langlebigen Materialien mit ihrer körperhaften Präsenz Beständigkeit aus. Dazu gehören neben Beton gebrochen weiss gestrichene Gipsplatten und Eichenböden in den Ausstellungsräumen, grauer Marmor bei den Treppen, verzinkte Bleche im Eingangsgeschoss sowie ein analog zum Hauptbau grob strukturierter Verputz im Treppenhaus. Dessen ausgesprochen kühles, etwas gewöhnungsbedürftiges Grau steht in deutlichem Kontrast zum warmtonig gehaltenen Gebäude der 1930er-Jahre.

Die mit der Farbgebung verbundene Atmosphäre des Neubaus entspricht einem wesentlichen Zug der hervorragenden, weltweit ältesten öffentlichen Kunstsammlung: «Nüchternheit, Strenge und radikale Wirklichkeitsbefragung sind – vielleicht aus einer speziell baslerischen protestantischen Tra­dition heraus – über mehrere Jahrhunderte hinweg wichtige Kategorien für Ankaufsentscheide gewesen.

Daneben existiert jedoch auch eine diese Tradition ­kreuzende Leitlinie, die von der Lust zur Opulenz, zum Fabulieren, zu Ausschmückung und Faszination am Ding charakterisiert ist.»[3]

Treppenhäuser als Rückgrat

Solche Kontrapunkte begegnen einem auch im Neubau, besonders im Treppenhaus. Da finden sich eine überraschend geschwungene Treppenuntersicht, eine elegant geschnittene Geländerabdeckung in Marmor oder eine Verschwenkung der Treppenläufe zueinander.

Auf diese Weise entsteht eine Dynamik, die eingangs als befreiender Flügelschlag bezeichnet wurde. Die neue Treppe, die von der Eingangshalle des Hauptbaus hinunter zum grosszügig dimensionierten und mit Kunst bestückten Verbindungstrakt unter der Dufourstrasse führt, folgt der rechtwinkligen Logik des Bestands.

Das daran anschliessende Foyer im Untergeschoss der Erweiterung ist jedoch leicht abgedreht, worin sich die Positionierung des Neubaus manifestiert. Weil alle Ausstellungsbereiche parallel zu den umgebenden Strassen angeordnet sind, entsteht ein polygonaler Treppenraum, der die unregelmässige Form des Grundstücks aufnimmt und in eine ebenso imposante wie spannende Raumfolge übersetzt.

Dank der gleich starken Gewichtung der Treppenanlage im Neubau wie im Hauptbau entsteht eine innenräumliche Verklammerung der beiden Häuser, die bereits im Stadtraum als Paar auftreten. Es gelingt den Architekten, den Rahmenbedingungen der hochkomplexen Aufgabe gerecht zu werden und sie scheinbar mühelos in eine geometrisch entspannte Ordnung von hoher Stabilität zu überführen. Sie verleiht dem Neubau physische und stadträumliche Präsenz.


Anmerkungen:
[01] «Bautechnisches vom neuen Basler Kunstmuseum». In: Schweizerische Bauzeitung, 26.6.1937, S. 307.
[02] Fritz Schumacher: Das Wesen des Neuzeitlichen Backsteinbaus. München: Callwey 1920, S. 17.
[03] Bernhard Mendes Bürgi: «Vorwort». In: Derselbe und Nina Zimmer (Hrsg.): Kunstmuseum Basel. Die Meisterwerke. Ostfildern: Hatje Cantz 2001, S. 6–7.

TEC21, Fr., 2016.08.12



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|33-34 Kunstmuseen, erweitert

06. Juni 2014Christoph Wieser
TEC21

Vom Elefantenhaus zum Elefantenpark

Die frei geformte Dachschale des Kaeng-Krachan-Elefantenparks
setzt ein spektakuläres Zeichen. Das Gebäude will
Teil der umgebenden Landschaft sein und bildet zugleich
die Hülle für einen neuen Lebensraum.

Die frei geformte Dachschale des Kaeng-Krachan-Elefantenparks
setzt ein spektakuläres Zeichen. Das Gebäude will
Teil der umgebenden Landschaft sein und bildet zugleich
die Hülle für einen neuen Lebensraum.

Die frei geformte Dachschale des Kaeng-Krachan-Elefantenparks
setzt ein spektakuläres Zeichen. Das Gebäude will
Teil der umgebenden Landschaft sein und bildet zugleich
die Hülle für einen neuen Lebensraum.
Text: Christoph Wieser


Der Kaeng-Krachan-Elefantenpark im Zoo Zürich löst das Elefantenhaus von 1971 ab. Wie die Jury des Architek­turwettbewerbs festhielt, sollte der ursprüngliche Lebensraum der Elefanten darin landschaftlich so nachgebildet werden, dass die Besucher europäische Konstruk­tionselemente möglichst nicht wahrnehmen und dass die Architektur einen Kontrast zur umgebenden Landschaft vermeidet. Ein Blick auf das Raumprogramm verdeutlicht, welche Schwierigkeiten damit verbunden waren: Gefordert wurde ein Innenbereich von rund 6000 m² – etwa die Hälfte der benachbarten Masoala- Halle – mit einer lichten Höhe von 18 m. Und dieses Gebäude sollte quasi unsichtbar sein oder zumindest in Einklang mit der Landschaft stehen.

Das Team um Markus Schietsch Architekten und Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau hat das zweistufige Wettbewerbsverfahren ­zweifellos auch deshalb gewonnen, weil es auf diese zentrale Fragestellung eine ebenso überzeugende wie eigenständige Antwort gefunden hat. Die an einen riesigen Schildkrötenpanzer gemahnende Dachschale bildet in Kombination mit der selbstverständlich ins Gelände eingepassten Aussenanlage ein Ensemble von hoher Prägnanz. Dabei ergänzen sich die beiden Teile vorteilhaft und spielen gekonnt mit den Widersprüchen, die dem Bauen für den Zoo seit je innewohnen: Während die künstliche Landschaft gerade wegen ihres ausgeprägten Realismus hochgradig artifiziell, wie ein Bühnenbild wirkt, oszilliert die Architektur der Innen­anlage zwischen Struktur und gebauter Naturkulisse.

Hölzerne Dachschale

Das von Weitem sichtbare, raumprägende Element des Elefantenparks ist der überwölbte Innenbereich mit einer Spannweite von rund 80 m. Für das hochkomplexe ­Tragwerk aus Holz (vgl. «Holzdach im Betonkorsett», S. 38) haben die Architekten eine frei geformte Schale über nahezu ­kreisförmigem Grundriss entwickelt. Sie nutzen die geometrischen Freiheiten einerseits dazu, den Rand an verschiedenen Stellen wie den Eingängen gezielt aufzuwölben. Andererseits lösen sie die Dach­fläche in eine netzartig anmutende Struktur auf. Damit ergibt sich ein Öffnungsanteil von gut 30 %, der für das Pflanzenwachstum und das Wohlbefinden der Elefanten notwendig ist. Zudem erfüllen sie den Anspruch einer «unsichtbaren» Architektur, die sich mit der ­Landschaft verbindet.

Sie erreichen dies selbstbewusst nicht mit einem topografischen Ansatz, sondern mit einer letztlich klar architektonisch definierten Form. Gleichwohl wirkt das Dach von aussen wegen der puzzleartigen Eindeckung mit unbehandelten Furnierschichtholzplatten in einem abstrakten Sinn natürlich. Der Unterschied wird klar im Vergleich zur Masoala-Halle – dort sind die transparenten ETFE-Kissen, die beim Elefantenpark ebenfalls Verwendung finden, zu 100 % sichtbar. Die Aufständerung der verkleidenden Schicht aus Holz verhindert, dass die Kissen aus der Silhouette hervorstehen. Dank diesem Kniff erscheint das Konstrukt nicht als Gewächshaus. Vollends zum Gebäude wird die Überdachung, weil die Schale vom Boden abgehoben ist und eine zurückversetzte, in eine hölzerne Lamellenstruktur aufgelöste Glasfassade aufweist.

Im Innern funktioniert die beabsichtigte Symbiose von Architektur und Natur noch besser, vor allem im Gegenlicht. Dann verbindet sich die durch viele Öffnungen unterteilte Dachuntersicht mit den grossblättrigen Pflanzen der Halle und wirkt wie ein abstrahiertes Blätterdach. Das Holz der sichtbar belassenen Tragstruktur leistet seinen Beitrag ebenso wie die rohe Perforation der Schale: Die Oblichter wurden vor Ort mittels Kettensägen herausgearbeitet, weshalb sie teilweise ausgefranste Kanten und leicht unregelmässige Schnitt­flächen aufweisen. Dieses beinahe archaische Moment als Teil des Bauprozesses steht in spannungsreichem Kontrast zur hochgradig technisierten, nur dank der computerbasierten Parametrisierung plan- und ­berechenbaren Form.

Exotismen und Authentizität

Der Neubau erinnert tatsächlich kaum an Architektur im Sinn von «Haus», sondern verbindet sich mit der gebauten Landschaft. Dies im Unterschied zur ­sogenannten Lodge und zum Kiosk, deren Gestaltung als separates Los vom Zoo vergeben wurde. Beide ­Bauten stehen in deutlichem Kontrast zum Rest der Anlage, nicht primär, weil der Kiosk mit seiner völlig falschen Platzierung den Haupteingang verstellt und die Lodge mit einer Rückwand versehen wurde, die die Blickverbindung zwischen Aussen- und Innen­bereich verhindert, sondern ihrer architektonischen Sprache wegen.

Wie die Bezeichnung «Kaeng Krachan» andeutet, bezieht sich die landschaftliche Gestaltung des Ele­fantenparks und das Storyboard für das Info- und ­Edutainment auf den gleichnamigen Nationalpark in Thailand. Die aktuelle Mensch-Tier-Problematik bezüglich der Asiatischen Elefanten wird somit thematisiert. Die beiden Kleinbauten verströmen zusammen mit den übrigen «thailändischen» Versatzstücken einen Hauch von Exotik am hinteren Zürichberg.

Die Faszination für das Fremde gehört von Beginn an zur Geschichte der zoologischen Gärten. Ein berühmtes Beispiel ist die exotische «Elefantenpagode» des Berliner Zoos von 1873, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Architekten Ende und Böckmann schufen ein mit bunten Mosaikbildern reich verziertes Gebäude, dessen turmartige Aufbauten an indische Tempel erinnern sollten (vgl. Kasten S. 34). Der Hauptgrund für die extravagante Formensprache war finanzieller Natur: Der Betreiber, eine Aktiengesellschaft, erhoffte sich durch die Erstellung von exotischen Grossbauten den dringend benötigten Besucheraufschwung. Im Zoo Zürich wurden alle Bauten von Beginn an in einem funktional-sachlichen Stil errichtet, was mit dem Zeitpunkt der Eröffnung von 1929 und den damaligen Zooarchitekten Adolf Steger und Karl Egender zusammenhängt. Die exotische Phase im Zoo Zürich ist ein neues Phänomen, das mit dem Katzenhaus für die Indischen Löwen 2006 einen ersten baulichen Niederschlag fand. Beim Elefantenpark beschränkt sich der Exotismus auf die szenografischen Bauten. Die Umgebungsgestaltung und die Architektur dagegen sind als ganzheitliche Naturkonstruktion entworfen.

Gebaute Landschaft

Zooanlagen sind immer gebaute und somit inszenierte Landschaften. Wie im Theater gilt es mittels kulissen­artiger Elemente eine Stimmung zu erzeugen. Wichtig sind dabei definierte Blickachsen und die ­Vermeidung von «Cross Viewing» – die Besucher sollen sich möglichst nicht gegenseitig sehen, sondern nur die Tiere im landschaftlichen Umfeld. Das Ziel einer solchen ­«Habitat Immersion»-Anlage, wie sie vom Zoo gewünscht wurde, besteht darin, die Besuchenden möglichst umfassend in den Lebensraum der Tiere ­einzubeziehen. Zudem galt es, den Elefantenpark aufgrund des heutigen Wissens über artgerechte Haltung nach dem Prinzip «Protected Contact» auszulegen (vgl. «Den Elefanten ist das Dach egal», S. 35).

Gab es beim alten Elefantenhaus einige wenige Tore, sind es in der neuen Anlage rund 40, die wie die auf dem ganzen Areal verteilten Futterstellen elektronisch steuerbar sind. An diesem Detail wird ­deutlich, wie komplex die funktionalen Abläufe sind. Die Übersetzung der räumlichen Verbindungen der einzelnen Bereiche von Tieren, Besuchenden und Pflegenden kommt einer ausgeklügelten Matrix gleich. Hier hat Lorenz Eugster mit seinem schlüssigen Konzept für die Landschaftsarchitektur und der Gliederung der Aussen- und Innenanlage wesentlichen Anteil am Gelingen des Projekts.

Die Einbettung ins Terrain erfolgt über eine geschickte Terrassierung: Eine rund 300 m lange künstlich modulierte Nagelfluhwand bildet den oberen ­­Abschluss und Auftakt der Anlage, denn die Mehrzahl der Besuchenden kommt von oben in den Erweiterungsteil des Zoos. Eine zusätzliche Felsstufe trennt den separaten Kuh-Kalb-Bereich vom Rest des weitläufigen Aussenbereichs. Ein Wasserfall inszeniert die Höhenstaffelung und speist die verschiedenen Wasserbecken. Im Innenraum können die Elefanten ebenfalls baden. Hier ist der Unterwasserbereich für die Besuchenden gar über eine grosse Panzerglasscheibe frei einsehbar.Verschiedene Baum- und Pflanzengruppen sowie Geländemodulierungen gliedern den Innen- wie Aussenbereich. Über die Wahl immer grossblättriger und feiner gefiederter Bäume und Pflanzen führen die Landschaftsarchitekten den Mischwald des Zürichbergs fort und transformieren ihn allmählich in eine dem thailändischen ­Nationalpark verwandte Stimmung. Zahlreiche Totholzbäume dienen den Elefanten zur Hautpflege. Einige Bäume erweisen sich beim genauen Hinsehen als künstliche Futterstellen. Der Übergang zwischen natürlichen und künstlichen Elementen ist fliessend; die Imitation echt anmutenden Nagelfluhgesteins wird mittels Kratzbeton, gezielt in die Schalung eingelegten grösseren Steinen und Farbe erreicht.

TEC21, Fr., 2014.06.06



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2014|23 Ein Dach für Zürichs Elefanten

04. Mai 2012Christoph Wieser
TEC21

Konsens in der Vielfalt

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA ist 175 Jahre alt. Im internationalen Vergleich sind seine Interdisziplinarität hervorzuheben sowie die Tatsache, dass der SIA als privater Verein die Normen und Ordnungen des Bauwesens in der Schweiz erarbeitet. Heute konzentriert sich der Verband auf die Weiterentwicklung seiner Dienstleistungen und auf T hemen wie Raumplanung, Energie, Ausbildung, Marktzugang und auf die Förderung der Baukultur.

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA ist 175 Jahre alt. Im internationalen Vergleich sind seine Interdisziplinarität hervorzuheben sowie die Tatsache, dass der SIA als privater Verein die Normen und Ordnungen des Bauwesens in der Schweiz erarbeitet. Heute konzentriert sich der Verband auf die Weiterentwicklung seiner Dienstleistungen und auf T hemen wie Raumplanung, Energie, Ausbildung, Marktzugang und auf die Förderung der Baukultur.

Der SIA ist der führende Schweizer Fachverband in den Bereichen Bau, Technik und Umwelt und zählt derzeit rund 15 000 Mitglieder. Er ist älter als der schweizerische Bundesstaat und ähnlich kompliziert aufgebaut. Das Motto des Künstlers Ben Vautier, «La Suisse n’existe pas», mit dem 1992 der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Sevilla auf die Vielfältigkeit der Schweiz aufmerksam machte und dabei viele irritierte, gilt in analoger Weise für den SIA: Es gibt nicht einen, sondern viele SIA. Das Organigramm zeigt eine vielfach verflochtene Matrix-Struktur, die regional verankert und über das Generalsekretariat in Zürich zusammengehalten wird.

Umso erstaunlicher, dass die komplexe Organisation des Vereins auf der Webseite in einem Satz zusammengefasst werden kann: «Er ist föderalistisch aufgebaut und besteht aus dem Zentralverein SIA Schweiz, regional tätigen Sektionen sowie vier Berufsgruppen und den Fachvereinen, die den Austausch auf fachlicher Ebene fördern.» Während in den 18 Sektionen vornehmlich das Vereinsleben und Kontakte zu den lokalen Behörden gepflegt werden, sind die Berufsgruppen schweizweit tätig und stehen für die charakteristische Interdisziplinarität des SIA. Jedes Mitglied tritt sowohl einer Sektion als auch der passenden Berufsgruppe Architektur, Ingenieurbau, Technik / Industrie oder Boden / Wasser / Luft bei.

Die verschiedenen Disziplinen in einem gemeinsamen Verband zu vereinigen, ist ein ebenso wesentliches wie konfliktträchtiges Merkmal, an dem der Verein in den 1990er-Jahren beinahe zerbrochen wäre. Sie entspringt dem Wunsch der Gründerväter, Architekten und Ingenieure aller Richtungen in einem nationalen Verein zusammenzuschliessen mit dem einzigen Zweck, «die Beförderung von Kenntnissen in den Fächern der Architektur und Ingenieurwissenschaft durch Mitteilung gesammelter Erfahrungen und Beurteilung vorgelegter, in das Gebiet einschlagender Fragen»[1] voranzutreiben. Der fachliche Austausch war 1837, als der Verein in Aarau gegründet wurde, viel schwieriger als heute: Die ETH gab es noch nicht und kaum Fachzeitschriften; das Reisen mit Kutschen auf den schlecht ausgebauten Strassen und ohne Eisenbahn war beschwerlich. Weiterbildung ist bis heute ein wichtiges Anliegen des SIA geblieben.

Interdisziplinarität und Kooperation

Das Zusammengehen von Ingenieuren und Architekten führte die Tradition des Baumeisters als «Macher» weiter – im Gegensatz zum Typus des schöngeistigen Künstlerarchitekten, wie er in den damaligen französischen Beaux-Arts ausgebildet wurde. Das sich rasant entwickelnde Industriezeitalter brachte jedoch neue Rollenbilder mit sich. So waren in den 1860er-Jahren die Ingenieure viel dynamischer und einflussreicher als die Architekten, angetrieben vom Eisenbahnfieber, das die Schweiz etwas verspätet erreichte. Die interdisziplinäre und paritätische, nach Ausgleich und Einbezug aller Interessen suchende Haltung zeichnet den SIA bis heute aus. Sie erschwert zwar die Profilbildung ebenso wie die Führung des Vereins, entspricht aber dem hoch komplexen, vielerlei Einflüssen und Interessen ausgesetzten Bauwesen. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums betonte der damalige Präsident, Paul G. Vischer, die Wichtigkeit des kooperativen Aspektes: «Die vielen technischen Einrichtungen in allen Bauwerken verlangen eine Zusammenwirkung aller daran Beteiligten.

Die Aufgabe des S.I.A. muss deshalb unbedingt bestehen bleiben, das gegenseitige Verständnis zwischen den Vertretern der Technik und der Baukunst aufrecht zu erhalten.»[2] Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg führte indes zu einer immer stärkeren Spezialisierung. Neue Modelle des Zusammenwirkens von Planern, Unternehmern und Auftraggebern – Stichwort Generalunternehmer – brachten das traditionelle Berufsbild erneut ins Wanken und veränderten das Selbstverständnis der einzelnen Akteure. Die angestammte Kontrolle über die Ausführung, die für die Qualität von Bauwerken entscheidend ist, drohte den Architekten zu entgleiten – eine Tendenz, die heute aktueller ist denn je. Die Überarbeitung der Honorarordnungen Mitte der 1980er-Jahre, die unter anderem eine modulartige Vergabe und eine von den Baukosten unabhängige Bestimmung des Honorars vorsah, führte innerhalb des SIA zu grossen Spannungen. Eine Abspaltung der Architekten konnte nur durch die Etablierung der Berufsgruppen verhindert werden, verankert im Jahr 2000 mittels Statutenrevision.

Standesfragen und Berufspolitik

Die Vertretung der Standesinteressen gegen aussen und die Berufspolitik spielen seit den 1870er-Jahren eine immer wichtigere Rolle. Gemäss § 1 der Statuten von 1877 bezweckte der Verein neu «die gegenseitigen Beziehungen unter Fachgenossen zu heben, das Studium der Baukunst nach ihrer wissenschaftlichen, künstlerischen und technischen Seite zu fördern, zur Wahrung und Hebung des Einflusses und der Achtung, welche technischen Berufszweigen gebühren, beizutragen und das Organ zu bilden, welches letztere bei Behörden und Privaten zu vertreten hat.»[3] Im Gegenzug mussten die Mitglieder bestimmte Pflichten einhalten und für qualitativ und ethisch hochstehende Standards eintreten. Dies ist der Grundgedanke der Standesordnung, die 1937 nach dreissigjähriger Vorarbeit eingeführt wurde.

Die Gründe, weshalb immer wieder an die Einhaltung der Regeln erinnert werden muss, sind vielfältig. Wiederkehrend ist der Hinweis auf den mangelnden Titelschutz, der auch «beruflich und moralisch unqualifizierten Technikern»[4] die Berufsausübung ermögliche. Solche Kollegen sollten vom SIA ferngehalten werden. Ein Mittel dazu ist bis heute die BeDien schränkung der Mitglieder auf die «höhere Technikerschaft», sprich akademisch gebildete Ingenieure und Architekten. Mit der Einführung des Registers REG wurde 1966 eine Möglichkeit geschaffen, qualifizierte Berufsleute ohne entsprechenden Abschluss aufzunehmen. Die stetige Ökonomisierung und die Verschärfung der Konkurrenz führen mitunter ebenfalls dazu, dass Standesregeln verletzt werden. Deshalb fordert der SIA von seinen Mitgliedern eine beispielhafte Berufsausübung und appelliert an die Eigenverantwortung; Verstösse können geahndet werden. Er hat auch schon früh damit begonnen, Normen und Ordnungen als Grundlagen für die Berufsausübung und Berufsethik festzulegen.

Normenwerk und Milizsystem

Die erste «Honorar-Ordnung für architektonische Arbeiten» erschien 1877 zusammen mit den «Grundsätzen für das Verfahren bei architektonischen Wettbewerben»[5], zwei Ordnungen, die – mehrfach überarbeit und jeweils auf den aktuellen Stand gebracht – bis heute von herausragender Bedeutung sind. 1883 wurde das «Normalformat für künstliche Bausteine (Backsteine)»[6] festgelegt. Die technischen Normen des SIA sind in der Schweiz zentrale Berufsinstrumente: Sie stehen als Garanten für Qualität und vereinfachen die Planung und Herstellung von Bauwerken. Die Festlegung von Grenzwerten erhöhte unter anderem auch die Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Gebäuden, was für Planer wie Auftraggeber von grossem Nutzen ist. Der Vertrieb der Normen, Ordnungen, Empfehlungen und Richtlinien bildet heute nach den Mitgliederbeiträgen die wichtigste Einnahmequelle des Vereins. Bei Gerichtsfällen werden sie als Abbild der aktuellen Regeln der Baukunde herangezogen. Das Normenwerk ist wohl der entscheidendste Beitrag des SIA und trägt bis heute wesentlich zu dessen Bekanntheitsgrad bei.[7] Die Normen und Ordnungen des SIA werden nach wie vor in zahlreichen Kommissionen erarbeitet, mehrheitlich im Milizsystem und unterstützt vom Generalsekretariat.

Im Unterschied zu vielen Ländern, etwa jenen der Europäischen Union, werden die Normen und Ordnungen des Bauwesens in der Schweiz seit jeher massgebend vom SIA und damit von privater Seite erarbeitet. Der SIA hat sich den Auftrag dazu selbst gegeben, und Behörden aller Stufen profitieren von dieser historisch gewachsenen Situation.

Die Volontariatsarbeit und die paritätisch zusammengesetzten Kommissionen des SIA haben den Vorteil, dass die Anliegen verschiedenster Fachrichtungen und Interessengruppen direkt und von Beginn an einfliessen können. Im Unterschied zu gesetzlichen Bestimmungen lassen sich Normen leichter ändern; die Flexibilität ist damit höher, was Innovation und eine stetige Weiterentwicklung begünstigt. Doch die Freiwilligenarbeit stösst zusehends an ihre Grenzen, die Themen werden komplexer, europäische Einflüsse sind zu integrieren, die Bearbeitungszeit nimmt zu. Zudem sind die Wege innerhalb des Vereins lang und die Entscheidungsfindung häufig träge.

175 Jahre und die Zukunft

Eine Optimierung steht zurzeit im Bereich der Organisationsstruktur des Vereins an. Während die Direktion des SIA in Zukunft noch mehr die strategische Führung wahrnehmen soll, obliegt dem Generalsekretariat unter Leitung des Generalsekretärs oder der Generalsekretärin die Besorgung der laufenden Geschäfte, eine Arbeit, die stetig zunimmt und anspruchsvoller wird.

Heute stehen neben der Weiterentwicklung und Pflege des Normenwesens und weiterer Dienstleistungen des SIA vor allem Energie- und Ausbildungsfragen, die Raumplanung, der Marktzugang und die Förderung einer hochstehenden Baukultur im Vordergrund. Letzteres umso mehr, als der Bundesrat in seiner Kulturbotschaft für die kommenden Jahre das Bauen nur aus denkmalpflegerischer Warte betrachtet, zeitgenössische Architektur und Ingenieurbaukunst aber weiterhin ausklammert. Hier bringt sich der SIA verstärkt ein. So etwa über den von ihm initiierten Runden Tisch für Baukultur[8], die Auszeichnung «Umsicht – Regards – Sguardi»[9], mit der Werke prämiert werden, die als Vorreiter einer zukunftsfähigen Entwicklung angesehen werden können, oder über die «Woche der zeitgenössischen Architektur und Ingenieurbaukunst 15n», während der SIA-Fachleute ihre Bauwerke dem interessierten Publikum öffnen. Die Aufgaben des SIA bleiben auch nach 175 Jahren bestehen; sein Engagement für seine Mitglieder und das «Bauwerk Schweiz» geht weiter.


Anmerkungen:
[01] Hans Nef: «Vereinsgeschichte» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «100 Jahre SIA 1837–1937». Orell Füssli, Zürich, 1937, S. 145
[02] Paul G. Vischer: «Aufgaben vom Tage» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «100 Jahre SIA 1837–1937». Orell Füssli, Zürich, 1937, S. 204
[03] Wie Anm. 1, S. 156
[04] Wie Anm. 1, S. 162
[05] Alfred Hässig: «Vorschriften und Normalien» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «100 Jahre SIA 1837–1937». Orell Füssli, Zürich, 1937, S. 179
[06] Wie Anm. 1, S. 158
[07] Max Portmann: «Das technische Normenwerk des SIA» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «1837–1987 SIA». SIA, Zürich, 1987, S. 55
[08] www.sia.ch/de/aktuelles/detailansicht/article/manifest-zur-baukultur/
[09] TEC21-Dossiers Januar 2007 und März 2011

TEC21, Fr., 2012.05.04



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2012|19 Berufsorganisationen

10. März 2008Christoph Wieser
Neue Zürcher Zeitung

Atmende Architektur

Auf einer Halbinsel bei Steckborn am Bodensee haben Marco Graber und Thomas Pulver das Sonderschulheim Glarisegg realisiert. Sein Thema ist die imaginierte und tatsächliche Bewegung.

Auf einer Halbinsel bei Steckborn am Bodensee haben Marco Graber und Thomas Pulver das Sonderschulheim Glarisegg realisiert. Sein Thema ist die imaginierte und tatsächliche Bewegung.

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verknüpfte Bauwerke
Schulstiftung Glarisegg

10. November 2002Christoph Wieser
werk, bauen + wohnen

Ein kontrollierter Grad von Freiheit

Die soeben fertig gestellte Erweiterung des Primarschulhauses Bachtobel in Zürich zeugt von einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit dem Ort, mit der Architektur der 1940er-Jahre sowie klassischen Themen der Architektur. Entstanden ist ein kunstvolles Bauwerk, dessen räumliche Komplexität verblüfft. Trotz offensichtlicher Unterschiede bestehen Gemeinsamkeiten mit den Lehrwerkstätten Bern-Felsenau, dem vor knapp zwei Jahren errichteten Erstlingswerk von Graber ¦ Pulver. Mit diesen beiden Variationen zum Thema Schulhaus haben sich die Architekten auf eigenständige Weise in der Architekturszene positioniert.

Die soeben fertig gestellte Erweiterung des Primarschulhauses Bachtobel in Zürich zeugt von einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit dem Ort, mit der Architektur der 1940er-Jahre sowie klassischen Themen der Architektur. Entstanden ist ein kunstvolles Bauwerk, dessen räumliche Komplexität verblüfft. Trotz offensichtlicher Unterschiede bestehen Gemeinsamkeiten mit den Lehrwerkstätten Bern-Felsenau, dem vor knapp zwei Jahren errichteten Erstlingswerk von Graber ¦ Pulver. Mit diesen beiden Variationen zum Thema Schulhaus haben sich die Architekten auf eigenständige Weise in der Architekturszene positioniert.

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verknüpfte Bauwerke
Lehrwerkstätten Bern Felsenau



verknüpfte Zeitschriften
werk, bauen + wohnen 2002-11 Claude Parent und die Folgen

04. Januar 2002Christoph Wieser
Neue Zürcher Zeitung

Rationalität und Romantik

Der schwedische Architekt Gert Wingårdh

Der schwedische Architekt Gert Wingårdh

Die schwedische Architektur der Gegenwart wird ausserhalb Skandinaviens kaum wahrgenommen. Namen wie Gert Wingårdh, White Arkitektkontor oder Johan Celsing sind selbst vielen Architekturinteressierten nicht geläufig. Symptomatisch für Schwedens Abseitsstehen vom gegenwärtigen Diskurs ist die geringe internationale Resonanz der Bauausstellung «Bo01» in Malmö, die einen ambitionierten Überblick über das heutige Architekturschaffen in Schweden präsentierte (NZZ 6. 7. 01). Der Grund für die weitgehende Nichtbeachtung liegt am eher bescheidenen Niveau der schwedischen Architekturproduktion der letzten Jahrzehnte. Dieses ist eine Folge der schrittweisen Marginalisierung des Architektenstandes, der aufgerieben wurde zwischen engen staatlichen Vorgaben und dem Druck mächtiger Bauunternehmungen.


Neubewertung der Architektur

Obwohl die lenkende Rolle des Staates in der Architektur - ein wesentliches Merkmal sozialdemokratischer Politik in Schweden - seit Ende der achtziger Jahre ständig abnahm, zeugen die Eröffnung des Architekturmuseums in Stockholm 1998 sowie die Einführung eines architekturpolitischen Programms kurz zuvor von der Bemühung, die Architektur als kulturellen Faktor erneut aufzuwerten. Dazu gehört auch die angestrebte Internationalisierung, indem ausländische Architekten zu wichtigen Wettbewerben eingeladen werden. Bei dieser Neudefinition des Architektenberufes nimmt der 50-jährige Gert Wingårdh eine Schlüsselposition ein als Vorläufer des neuen, international ausgerichteten schwedischen Architekten, der nicht mehr, wie in den achtziger Jahren üblich, im Kollektiv einer grossen Architekturfirma tätig ist, sondern unter eigenem Namen arbeitet. Wingårdh begann seine Karriere als selbständiger Architekt 1977 in Göteborg. Heute beschäftigt er 70 Mitarbeiter und gilt als wichtigster jüngerer Architekt Schwedens.

Wingårdhs subtiler Umgang mit Materialien äussert sich in einem Detailperfektionismus, den er in den achtziger Jahren bei zahlreichen Innenarchitekturaufträgen entwickeln konnte und der beim Neubau der schwedischen Botschaft in Berlin 1996-99 besonders auffällt: Wie bei einem Schmuckkästchen sind die Oberflächen veredelt und die Verbindungen meisterhaft inszeniert. Wingårdhs Arbeit ist trotz seiner Offenheit gegenüber internationalen Einflüssen tief in der schwedischen Tradition verankert, was sich in seinem Sinn für pragmatische Lösungen und dem Misstrauen gegenüber Theorie widerspiegelt. In einem poetischen Text von 1994 beschreibt er sein Verhältnis zur Architektur als «nicht intellektuell, aber nicht ohne Reflexion». Diese Verbindung von Rationalität und Romantik war bereits in den dreissiger und vierziger Jahren das spezifische Merkmal der schwedischen Moderne. Indem der rigide Funktionalismus der späten zwanziger Jahre mit traditionellen Materialien und Konstruktionsweisen sowie dem Einbezug von Stimmungs- und Gemütswerten angereichert wurde, schufen die schwedischen Architekten damals das Vorbild einer moderaten Moderne, deren erweiterter Funktionalismusbegriff im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg in Europa für kurze Zeit wegweisend wurde.

Gerade das Oszillieren von Wingårdhs besten Bauten zwischen funktionalem Pragmatismus und lustvoller Verspieltheit macht seine Architektur spannend. Dies zeigt sich beim eben fertiggestellten Universeum in Göteborg, einer Mischung aus Technorama und Indoor-Regenwald samt Meerwasser-Aquarium, ebenso wie bereits 1988 beim Klubhaus eines Golfklubs in der Nähe von Göteborg. Der amorphe Baukörper erscheint auf den ersten Blick völlig irregulär. Tatsächlich basiert seine expressive Form jedoch auf einem Modul von gleichseitigen Dreiecken. Wingårdh setzt das flache, fingerartig ausgreifende Volumen mit seiner mehrfach geknickten Fassade präzis in die baumbestandene Umgebung ein und schafft damit einen intimen Bezug zur Landschaft - ein weiteres Merkmal schwedischer Architektur, das beinahe klischiert wirkt, aber hier einmal mehr seinen spezifischen Reiz entwickelt.


Präsenz durch eine Monographie

Nun soll eine von Rasmus Wærn herausgegebene Monographie die internationale Bekanntheit von Wingårdhs Werk fördern. Bereits die Aufmachung des Buches verweist auf eine besondere Qualität von Wingårdhs Architektur: den sensiblen und kreativen Umgang mit Materialien, Oberflächen und Texturen. Der fein strukturierte Leineneinband changiert zwischen Schwarz und gebrochenem Weiss. Im Innern ist die Monographie in drei Teile gegliedert, die jeweils durch unterschiedliche Papiersorten voneinander abgesetzt sind. Der erste Teil bietet einen kenntnisreichen Aufsatz des Herausgebers; der Hauptteil enthält eine photographische Dokumentation: In stimmungsvollem Schwarzweiss nähert sich der Photograph Åke E:son Lindman den einzelnen Bauten. Unverständlich wirkt bei der gut getroffenen Auswahl jedoch die Ausklammerung der ersten zehn Schaffensjahre. Insbesondere fehlt eine ausführliche Darstellung der Villa Nordh in Göteborg von 1978-81, die nicht nur Wingårdhs Durchbruch als selbständiger Architekt bedeutete, sondern von den Massenmedien auch als das erste postmoderne Haus in Schweden gefeiert wurde. Der dritte Teil schliesslich enthält eine umfangreiche Werkliste sowie eine Biographie und zwei kurze Texte von Wingårdh.


[Gert Wingårdh. Architect. Hrsg. Rasmus Wærn. Birkhäuser-Verlag, Basel 2001. 392 S. Fr. 108.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.01.04

07. September 2001Christoph Wieser
Neue Zürcher Zeitung

Von Holland auf das Dach Europas

Drei Fragen an Ben van Berkel

Drei Fragen an Ben van Berkel

Als einer der innovativsten Architekten in Holland hat Ben van Berkel jüngst mit seinem Amsterdamer UN-Studio zwei internationale Wettbewerbe in Genua und Hartford gewonnen. Nun präsentierte er zusammen mit Projektdesigner Olaf Gipser in Zuoz ein Erweiterungsprojekt für das Hotel Castell. Mit Ben van Berkel sprach Christoph Wieser.

Vor elf Jahren sagten Sie in einem Vortrag: «Meine Verbindung zur holländischen Architektur ist nicht besonders stark, obwohl ich von ihr beeinflusst bin.» Wie sehen Sie das heute?

Damals dachte ich an den Einfluss von Spätmodernisten wie Jacob Bakema, der mich auch heute noch interessiert. Langsam beginne ich jedoch meine eigene Denkweise zu entwickeln. Den Anstoss dazu gab meine Lehrtätigkeit 1994 an der Columbia University in New York, wo ich Jeffrey Kipnis, Sanford Kwinter und Greg Lynn kennen lernte. Wir überlegten uns, wie die neuen Technologien für die Architektur gewinnbringend eingesetzt werden könnten. Ebenso versuchten wir die Rolle der Geometrie neu zu überdenken. Denn wir wollten vom damals vorherrschenden linguistischen Ansatz der Dekonstruktivisten wegkommen. Als ich später an der AA in London unterrichtete, wurde der Austausch mit Alejandro Zaera-Polo von Foreign Office wichtig. Diese unterschiedlichen Einflüsse führten dazu, dass meine Arbeit einen angloeuropäischen Charakter angenommen hat.

Ein Vergleich der neusten Projekte mit früheren Bauten macht die Hinwendung zu einer beinahe «flüssigen» Formensprache deutlich. Welche Rolle spielen dabei die neuen Softwareprogramme?

In letzter Zeit ist ihr Einfluss kleiner geworden. Als wir 1992 bei der Projektierung der Erasmus-Brücke in Rotterdam mit einem dreidimensionalen Programm zu experimentieren begannen, studierten wir die neuen Möglichkeiten ganz genau. Interessanter als die Programme ist die Art und Weise, wie man unterschiedliche Informationen verknüpfen kann. Die Visualisierung der Informationen generiert noch keine Form. Sie dient lediglich zur Darstellung der gegenseitigen Abhängigkeiten, die den Formfindungsprozess beeinflussen. Ob das zu einer «box» oder einem «blob» führt, ist egal: Das Denken in stilistischen Referenzen ist nicht mehr wichtig. Deshalb spreche ich lieber von flüssiger Information als von flüssiger Architektur.

In Zuoz planen Sie die Erweiterung des Hotels Castell mit Wellnessbereich, Konferenzräumen und einem Apartmenthaus. Welchen Einfluss hat die alpine Landschaft auf Ihren Entwurf?

Sie hat einen grossen Einfluss. Mich interessiert vor allem auch der Verlauf der Höhenkurven. Das Apartmenthaus nimmt diese mit seiner mäandrierenden Form auf. Der Baukörper soll aber nicht selber zur Landschaft werden, sondern er interpretiert auf eigenständige Art ein typisches Element der Umgebung. Was mich an diesem Ort ebenfalls fasziniert, ist die Möglichkeit, mit schiefen Ebenen zu arbeiten, die gerichtet sind und dadurch unterschiedliche Wertigkeiten annehmen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.09.07

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Presseschau 12

12. August 2016Christoph Wieser
TEC21

Eigenständig, aber eng verbunden

Mit einem Flügelschlag befreit der Neubau von Christ & Gantenbein das Kunstmuseum Basel von der Monumentalität und Symmetrie des Hauptbaus. Er bezieht sich aber anspielungsreich auf ihn und etabliert so eine Beziehung, die allen zugute kommt: der Stadt, der Kunst und den Besuchenden.

Mit einem Flügelschlag befreit der Neubau von Christ & Gantenbein das Kunstmuseum Basel von der Monumentalität und Symmetrie des Hauptbaus. Er bezieht sich aber anspielungsreich auf ihn und etabliert so eine Beziehung, die allen zugute kommt: der Stadt, der Kunst und den Besuchenden.

Die im April dieses Jahres eröffnete Erweiterung ergänzt den streng axialsymmetrisch angelegten, von Rudolf Christ und Paul Bonatz erstellten Hauptbau von 1936 wie ein stadträumliches Passstück. Dieser bildet den ­Abschluss einer Reihe repräsentativer Bauten, die den St. Alban-Graben beidseitig säumen, bevor er mit einer Kurve zur Wettsteinbrücke überleitet.

An diesem neuralgischen Punkt befindet sich der Neubau. Das Grundstück wurde dem Kunstmuseum zusammen mit einer Spende von 50 Millionen Franken, der Hälfte der Gesamtkosten, von Maja Oeri geschenkt. Dieselbe Mäzenin ermöglichte bereits vor rund zehn Jahren mit der Stiftung des ehemaligen Nationalbankgebäudes – dem südwestlich anschliessenden Laurenzbau – eine erste Transformation des Kunstmuseums, in den die Bibliothek ausgelagert wurde.

Während sich der Hauptbau den stadträumlichen Gegebenheiten verweigert, sodass entlang der Dufourstras­se mehrere dreieckige Restflächen entstanden, ist der Neubau passgenau auf die Umgebung abgestimmt. Der Baukörper betont mit seinen Kanten und präzis gesetzten Knicken die räumliche Kontinuität der Stras­sen­räu­me.

Gleichzeitig spielt er das Volumen frei und schafft zwei Plätze: Über die tief einspringende Ecke zum St. Alban-Graben entsteht beim Eingang ein Vorplatz, der die Kreuzung fasst und zentriert, und dank der Fassadenfront entlang der Dufourstrasse erhält der Hauptbau ein Visavis, die ehemalige Rest­fläche mit bestehendem Brunnen und Bäumen wird aufgewertet.

Neu befindet sich der Kassenbereich in der ­Kolonnade des Hauptbaus – so können die Besucher frei wählen, ob sie zunächst über den grossen Hof das Stammhaus betreten oder direkt zum Neubau gehen wollen. Obschon beides möglich ist, sind die Hierarchien klar verteilt: Der weitgehend geschlossene Neubau erweckt durch die wuchtigen verzinkten Gitter beim Eingang und der Anlieferung einen noch introvertierteren Eindruck als der Hauptbau.

Seiner massigen Hausteinmauern von 90 cm Dicke wegen wurde Letzterer als «Tresor der Kunstschätze» bezeichnet[1] – eine Charakterisierung, die auch auf den Neubau zutrifft.

Stabile Ordnung mit Kontrapunkten

Bei aller Massivität ist beiden jedoch ein überraschend feinmassstäblicher Ausdruck eigen, hervorgerufen durch die Materialisierung. Sind es beim Hauptbau die verschiedenen Steinsorten und vielfach diversifizierten Formate, die den Fassaden eine gewisse Feingliedrigkeit geben, entsteht diese Wirkung beim Neubau über den Backstein (vgl. «Keine Illusion»).

Die lagenweise abwechselnd vor- und zurückspringenden, nur 4 cm hohen Steine betonen die Horizontale und gliedern über drei unterschiedliche Grautöne die Fassadenflächen zusätzlich.

Durch die «Feuergeburt», wie der deutsche Architekt Fritz Schumacher das Brennen der Ziegel bezeichnete,[2] erreicht das Material eine Beständigkeit, die beim Kranzgesims in Form eines Medienfrieses höchst effektvoll und auf neuartige Weise unterwandert wird: Mittels LED-Technik wird eine immaterielle «Flammenschrift» erzeugt, die auf Ausstellungen und Aktivitäten des Museums aufmerksam machen kann und so dem unverrückbaren Volumen eine dynamische Komponente verleiht.

Die Kombination von archaischem Mauerwerk und zeitgenössischer Technik findet im Innern eine Fortsetzung in der Gegenüberstellung von «armen» und «reichen» Materialien – Materialien, die aus unterschiedlichen Kontexten stammen und mit verschiedenen Bedeutungen konnotiert sind wie Marmor und verzinkte Stahlbleche, Gitterroste und hochwertige Eichenböden.

Die von den Architekten als «Cross-over» bezeichnete Methode verbindet nicht nur die Vergangenheit mit der Gegenwart. Sie verweist auch auf das gewandelte Kunstverständnis und die typologische Annäherung der Kunstmuseen an die Kunsthallen, hervorgerufen durch den Bedarf an möglichst flexibel nutzbaren Ausstellungsräumen für Wechselausstellungen.

Christ & Gantenbein werden dieser Anforderung in hohem Mass gerecht, indem der Neubau eine Vielzahl unterschiedlicher Räume bereithält, die mehrheitlich mit Sonderausstellungen bespielt werden sollen. Gleichwohl ist jeder Raum klar definiert, sorgfältig pro­portioniert und spezifisch belichtet. Kunstlicht, natürliches Seiten- und Oberlicht sind, wie im Hauptbau, die bewährten Mittel dazu. Sie verorten die Besucher im Gebäude und ermöglichen über einige wenige, grossformatige Öffnungen einen Bezug zur Umgebung.

Die architektonische Ordnung schafft für die Kunstwerke einen im doppelten Sinn stabilen Hintergrund: Die massive, auf Dauerhaftigkeit ausgelegte Konstruktion in Stahlbeton mit vorgefertigten, sandgestrahlten Rippendecken bildet das tragende Gerüst.

Zudem strahlen die langlebigen Materialien mit ihrer körperhaften Präsenz Beständigkeit aus. Dazu gehören neben Beton gebrochen weiss gestrichene Gipsplatten und Eichenböden in den Ausstellungsräumen, grauer Marmor bei den Treppen, verzinkte Bleche im Eingangsgeschoss sowie ein analog zum Hauptbau grob strukturierter Verputz im Treppenhaus. Dessen ausgesprochen kühles, etwas gewöhnungsbedürftiges Grau steht in deutlichem Kontrast zum warmtonig gehaltenen Gebäude der 1930er-Jahre.

Die mit der Farbgebung verbundene Atmosphäre des Neubaus entspricht einem wesentlichen Zug der hervorragenden, weltweit ältesten öffentlichen Kunstsammlung: «Nüchternheit, Strenge und radikale Wirklichkeitsbefragung sind – vielleicht aus einer speziell baslerischen protestantischen Tra­dition heraus – über mehrere Jahrhunderte hinweg wichtige Kategorien für Ankaufsentscheide gewesen.

Daneben existiert jedoch auch eine diese Tradition ­kreuzende Leitlinie, die von der Lust zur Opulenz, zum Fabulieren, zu Ausschmückung und Faszination am Ding charakterisiert ist.»[3]

Treppenhäuser als Rückgrat

Solche Kontrapunkte begegnen einem auch im Neubau, besonders im Treppenhaus. Da finden sich eine überraschend geschwungene Treppenuntersicht, eine elegant geschnittene Geländerabdeckung in Marmor oder eine Verschwenkung der Treppenläufe zueinander.

Auf diese Weise entsteht eine Dynamik, die eingangs als befreiender Flügelschlag bezeichnet wurde. Die neue Treppe, die von der Eingangshalle des Hauptbaus hinunter zum grosszügig dimensionierten und mit Kunst bestückten Verbindungstrakt unter der Dufourstrasse führt, folgt der rechtwinkligen Logik des Bestands.

Das daran anschliessende Foyer im Untergeschoss der Erweiterung ist jedoch leicht abgedreht, worin sich die Positionierung des Neubaus manifestiert. Weil alle Ausstellungsbereiche parallel zu den umgebenden Strassen angeordnet sind, entsteht ein polygonaler Treppenraum, der die unregelmässige Form des Grundstücks aufnimmt und in eine ebenso imposante wie spannende Raumfolge übersetzt.

Dank der gleich starken Gewichtung der Treppenanlage im Neubau wie im Hauptbau entsteht eine innenräumliche Verklammerung der beiden Häuser, die bereits im Stadtraum als Paar auftreten. Es gelingt den Architekten, den Rahmenbedingungen der hochkomplexen Aufgabe gerecht zu werden und sie scheinbar mühelos in eine geometrisch entspannte Ordnung von hoher Stabilität zu überführen. Sie verleiht dem Neubau physische und stadträumliche Präsenz.


Anmerkungen:
[01] «Bautechnisches vom neuen Basler Kunstmuseum». In: Schweizerische Bauzeitung, 26.6.1937, S. 307.
[02] Fritz Schumacher: Das Wesen des Neuzeitlichen Backsteinbaus. München: Callwey 1920, S. 17.
[03] Bernhard Mendes Bürgi: «Vorwort». In: Derselbe und Nina Zimmer (Hrsg.): Kunstmuseum Basel. Die Meisterwerke. Ostfildern: Hatje Cantz 2001, S. 6–7.

TEC21, Fr., 2016.08.12



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|33-34 Kunstmuseen, erweitert

06. Juni 2014Christoph Wieser
TEC21

Vom Elefantenhaus zum Elefantenpark

Die frei geformte Dachschale des Kaeng-Krachan-Elefantenparks
setzt ein spektakuläres Zeichen. Das Gebäude will
Teil der umgebenden Landschaft sein und bildet zugleich
die Hülle für einen neuen Lebensraum.

Die frei geformte Dachschale des Kaeng-Krachan-Elefantenparks
setzt ein spektakuläres Zeichen. Das Gebäude will
Teil der umgebenden Landschaft sein und bildet zugleich
die Hülle für einen neuen Lebensraum.

Die frei geformte Dachschale des Kaeng-Krachan-Elefantenparks
setzt ein spektakuläres Zeichen. Das Gebäude will
Teil der umgebenden Landschaft sein und bildet zugleich
die Hülle für einen neuen Lebensraum.
Text: Christoph Wieser


Der Kaeng-Krachan-Elefantenpark im Zoo Zürich löst das Elefantenhaus von 1971 ab. Wie die Jury des Architek­turwettbewerbs festhielt, sollte der ursprüngliche Lebensraum der Elefanten darin landschaftlich so nachgebildet werden, dass die Besucher europäische Konstruk­tionselemente möglichst nicht wahrnehmen und dass die Architektur einen Kontrast zur umgebenden Landschaft vermeidet. Ein Blick auf das Raumprogramm verdeutlicht, welche Schwierigkeiten damit verbunden waren: Gefordert wurde ein Innenbereich von rund 6000 m² – etwa die Hälfte der benachbarten Masoala- Halle – mit einer lichten Höhe von 18 m. Und dieses Gebäude sollte quasi unsichtbar sein oder zumindest in Einklang mit der Landschaft stehen.

Das Team um Markus Schietsch Architekten und Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau hat das zweistufige Wettbewerbsverfahren ­zweifellos auch deshalb gewonnen, weil es auf diese zentrale Fragestellung eine ebenso überzeugende wie eigenständige Antwort gefunden hat. Die an einen riesigen Schildkrötenpanzer gemahnende Dachschale bildet in Kombination mit der selbstverständlich ins Gelände eingepassten Aussenanlage ein Ensemble von hoher Prägnanz. Dabei ergänzen sich die beiden Teile vorteilhaft und spielen gekonnt mit den Widersprüchen, die dem Bauen für den Zoo seit je innewohnen: Während die künstliche Landschaft gerade wegen ihres ausgeprägten Realismus hochgradig artifiziell, wie ein Bühnenbild wirkt, oszilliert die Architektur der Innen­anlage zwischen Struktur und gebauter Naturkulisse.

Hölzerne Dachschale

Das von Weitem sichtbare, raumprägende Element des Elefantenparks ist der überwölbte Innenbereich mit einer Spannweite von rund 80 m. Für das hochkomplexe ­Tragwerk aus Holz (vgl. «Holzdach im Betonkorsett», S. 38) haben die Architekten eine frei geformte Schale über nahezu ­kreisförmigem Grundriss entwickelt. Sie nutzen die geometrischen Freiheiten einerseits dazu, den Rand an verschiedenen Stellen wie den Eingängen gezielt aufzuwölben. Andererseits lösen sie die Dach­fläche in eine netzartig anmutende Struktur auf. Damit ergibt sich ein Öffnungsanteil von gut 30 %, der für das Pflanzenwachstum und das Wohlbefinden der Elefanten notwendig ist. Zudem erfüllen sie den Anspruch einer «unsichtbaren» Architektur, die sich mit der ­Landschaft verbindet.

Sie erreichen dies selbstbewusst nicht mit einem topografischen Ansatz, sondern mit einer letztlich klar architektonisch definierten Form. Gleichwohl wirkt das Dach von aussen wegen der puzzleartigen Eindeckung mit unbehandelten Furnierschichtholzplatten in einem abstrakten Sinn natürlich. Der Unterschied wird klar im Vergleich zur Masoala-Halle – dort sind die transparenten ETFE-Kissen, die beim Elefantenpark ebenfalls Verwendung finden, zu 100 % sichtbar. Die Aufständerung der verkleidenden Schicht aus Holz verhindert, dass die Kissen aus der Silhouette hervorstehen. Dank diesem Kniff erscheint das Konstrukt nicht als Gewächshaus. Vollends zum Gebäude wird die Überdachung, weil die Schale vom Boden abgehoben ist und eine zurückversetzte, in eine hölzerne Lamellenstruktur aufgelöste Glasfassade aufweist.

Im Innern funktioniert die beabsichtigte Symbiose von Architektur und Natur noch besser, vor allem im Gegenlicht. Dann verbindet sich die durch viele Öffnungen unterteilte Dachuntersicht mit den grossblättrigen Pflanzen der Halle und wirkt wie ein abstrahiertes Blätterdach. Das Holz der sichtbar belassenen Tragstruktur leistet seinen Beitrag ebenso wie die rohe Perforation der Schale: Die Oblichter wurden vor Ort mittels Kettensägen herausgearbeitet, weshalb sie teilweise ausgefranste Kanten und leicht unregelmässige Schnitt­flächen aufweisen. Dieses beinahe archaische Moment als Teil des Bauprozesses steht in spannungsreichem Kontrast zur hochgradig technisierten, nur dank der computerbasierten Parametrisierung plan- und ­berechenbaren Form.

Exotismen und Authentizität

Der Neubau erinnert tatsächlich kaum an Architektur im Sinn von «Haus», sondern verbindet sich mit der gebauten Landschaft. Dies im Unterschied zur ­sogenannten Lodge und zum Kiosk, deren Gestaltung als separates Los vom Zoo vergeben wurde. Beide ­Bauten stehen in deutlichem Kontrast zum Rest der Anlage, nicht primär, weil der Kiosk mit seiner völlig falschen Platzierung den Haupteingang verstellt und die Lodge mit einer Rückwand versehen wurde, die die Blickverbindung zwischen Aussen- und Innen­bereich verhindert, sondern ihrer architektonischen Sprache wegen.

Wie die Bezeichnung «Kaeng Krachan» andeutet, bezieht sich die landschaftliche Gestaltung des Ele­fantenparks und das Storyboard für das Info- und ­Edutainment auf den gleichnamigen Nationalpark in Thailand. Die aktuelle Mensch-Tier-Problematik bezüglich der Asiatischen Elefanten wird somit thematisiert. Die beiden Kleinbauten verströmen zusammen mit den übrigen «thailändischen» Versatzstücken einen Hauch von Exotik am hinteren Zürichberg.

Die Faszination für das Fremde gehört von Beginn an zur Geschichte der zoologischen Gärten. Ein berühmtes Beispiel ist die exotische «Elefantenpagode» des Berliner Zoos von 1873, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Die Architekten Ende und Böckmann schufen ein mit bunten Mosaikbildern reich verziertes Gebäude, dessen turmartige Aufbauten an indische Tempel erinnern sollten (vgl. Kasten S. 34). Der Hauptgrund für die extravagante Formensprache war finanzieller Natur: Der Betreiber, eine Aktiengesellschaft, erhoffte sich durch die Erstellung von exotischen Grossbauten den dringend benötigten Besucheraufschwung. Im Zoo Zürich wurden alle Bauten von Beginn an in einem funktional-sachlichen Stil errichtet, was mit dem Zeitpunkt der Eröffnung von 1929 und den damaligen Zooarchitekten Adolf Steger und Karl Egender zusammenhängt. Die exotische Phase im Zoo Zürich ist ein neues Phänomen, das mit dem Katzenhaus für die Indischen Löwen 2006 einen ersten baulichen Niederschlag fand. Beim Elefantenpark beschränkt sich der Exotismus auf die szenografischen Bauten. Die Umgebungsgestaltung und die Architektur dagegen sind als ganzheitliche Naturkonstruktion entworfen.

Gebaute Landschaft

Zooanlagen sind immer gebaute und somit inszenierte Landschaften. Wie im Theater gilt es mittels kulissen­artiger Elemente eine Stimmung zu erzeugen. Wichtig sind dabei definierte Blickachsen und die ­Vermeidung von «Cross Viewing» – die Besucher sollen sich möglichst nicht gegenseitig sehen, sondern nur die Tiere im landschaftlichen Umfeld. Das Ziel einer solchen ­«Habitat Immersion»-Anlage, wie sie vom Zoo gewünscht wurde, besteht darin, die Besuchenden möglichst umfassend in den Lebensraum der Tiere ­einzubeziehen. Zudem galt es, den Elefantenpark aufgrund des heutigen Wissens über artgerechte Haltung nach dem Prinzip «Protected Contact» auszulegen (vgl. «Den Elefanten ist das Dach egal», S. 35).

Gab es beim alten Elefantenhaus einige wenige Tore, sind es in der neuen Anlage rund 40, die wie die auf dem ganzen Areal verteilten Futterstellen elektronisch steuerbar sind. An diesem Detail wird ­deutlich, wie komplex die funktionalen Abläufe sind. Die Übersetzung der räumlichen Verbindungen der einzelnen Bereiche von Tieren, Besuchenden und Pflegenden kommt einer ausgeklügelten Matrix gleich. Hier hat Lorenz Eugster mit seinem schlüssigen Konzept für die Landschaftsarchitektur und der Gliederung der Aussen- und Innenanlage wesentlichen Anteil am Gelingen des Projekts.

Die Einbettung ins Terrain erfolgt über eine geschickte Terrassierung: Eine rund 300 m lange künstlich modulierte Nagelfluhwand bildet den oberen ­­Abschluss und Auftakt der Anlage, denn die Mehrzahl der Besuchenden kommt von oben in den Erweiterungsteil des Zoos. Eine zusätzliche Felsstufe trennt den separaten Kuh-Kalb-Bereich vom Rest des weitläufigen Aussenbereichs. Ein Wasserfall inszeniert die Höhenstaffelung und speist die verschiedenen Wasserbecken. Im Innenraum können die Elefanten ebenfalls baden. Hier ist der Unterwasserbereich für die Besuchenden gar über eine grosse Panzerglasscheibe frei einsehbar.Verschiedene Baum- und Pflanzengruppen sowie Geländemodulierungen gliedern den Innen- wie Aussenbereich. Über die Wahl immer grossblättriger und feiner gefiederter Bäume und Pflanzen führen die Landschaftsarchitekten den Mischwald des Zürichbergs fort und transformieren ihn allmählich in eine dem thailändischen ­Nationalpark verwandte Stimmung. Zahlreiche Totholzbäume dienen den Elefanten zur Hautpflege. Einige Bäume erweisen sich beim genauen Hinsehen als künstliche Futterstellen. Der Übergang zwischen natürlichen und künstlichen Elementen ist fliessend; die Imitation echt anmutenden Nagelfluhgesteins wird mittels Kratzbeton, gezielt in die Schalung eingelegten grösseren Steinen und Farbe erreicht.

TEC21, Fr., 2014.06.06



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2014|23 Ein Dach für Zürichs Elefanten

04. Mai 2012Christoph Wieser
TEC21

Konsens in der Vielfalt

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA ist 175 Jahre alt. Im internationalen Vergleich sind seine Interdisziplinarität hervorzuheben sowie die Tatsache, dass der SIA als privater Verein die Normen und Ordnungen des Bauwesens in der Schweiz erarbeitet. Heute konzentriert sich der Verband auf die Weiterentwicklung seiner Dienstleistungen und auf T hemen wie Raumplanung, Energie, Ausbildung, Marktzugang und auf die Förderung der Baukultur.

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA ist 175 Jahre alt. Im internationalen Vergleich sind seine Interdisziplinarität hervorzuheben sowie die Tatsache, dass der SIA als privater Verein die Normen und Ordnungen des Bauwesens in der Schweiz erarbeitet. Heute konzentriert sich der Verband auf die Weiterentwicklung seiner Dienstleistungen und auf T hemen wie Raumplanung, Energie, Ausbildung, Marktzugang und auf die Förderung der Baukultur.

Der SIA ist der führende Schweizer Fachverband in den Bereichen Bau, Technik und Umwelt und zählt derzeit rund 15 000 Mitglieder. Er ist älter als der schweizerische Bundesstaat und ähnlich kompliziert aufgebaut. Das Motto des Künstlers Ben Vautier, «La Suisse n’existe pas», mit dem 1992 der Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Sevilla auf die Vielfältigkeit der Schweiz aufmerksam machte und dabei viele irritierte, gilt in analoger Weise für den SIA: Es gibt nicht einen, sondern viele SIA. Das Organigramm zeigt eine vielfach verflochtene Matrix-Struktur, die regional verankert und über das Generalsekretariat in Zürich zusammengehalten wird.

Umso erstaunlicher, dass die komplexe Organisation des Vereins auf der Webseite in einem Satz zusammengefasst werden kann: «Er ist föderalistisch aufgebaut und besteht aus dem Zentralverein SIA Schweiz, regional tätigen Sektionen sowie vier Berufsgruppen und den Fachvereinen, die den Austausch auf fachlicher Ebene fördern.» Während in den 18 Sektionen vornehmlich das Vereinsleben und Kontakte zu den lokalen Behörden gepflegt werden, sind die Berufsgruppen schweizweit tätig und stehen für die charakteristische Interdisziplinarität des SIA. Jedes Mitglied tritt sowohl einer Sektion als auch der passenden Berufsgruppe Architektur, Ingenieurbau, Technik / Industrie oder Boden / Wasser / Luft bei.

Die verschiedenen Disziplinen in einem gemeinsamen Verband zu vereinigen, ist ein ebenso wesentliches wie konfliktträchtiges Merkmal, an dem der Verein in den 1990er-Jahren beinahe zerbrochen wäre. Sie entspringt dem Wunsch der Gründerväter, Architekten und Ingenieure aller Richtungen in einem nationalen Verein zusammenzuschliessen mit dem einzigen Zweck, «die Beförderung von Kenntnissen in den Fächern der Architektur und Ingenieurwissenschaft durch Mitteilung gesammelter Erfahrungen und Beurteilung vorgelegter, in das Gebiet einschlagender Fragen»[1] voranzutreiben. Der fachliche Austausch war 1837, als der Verein in Aarau gegründet wurde, viel schwieriger als heute: Die ETH gab es noch nicht und kaum Fachzeitschriften; das Reisen mit Kutschen auf den schlecht ausgebauten Strassen und ohne Eisenbahn war beschwerlich. Weiterbildung ist bis heute ein wichtiges Anliegen des SIA geblieben.

Interdisziplinarität und Kooperation

Das Zusammengehen von Ingenieuren und Architekten führte die Tradition des Baumeisters als «Macher» weiter – im Gegensatz zum Typus des schöngeistigen Künstlerarchitekten, wie er in den damaligen französischen Beaux-Arts ausgebildet wurde. Das sich rasant entwickelnde Industriezeitalter brachte jedoch neue Rollenbilder mit sich. So waren in den 1860er-Jahren die Ingenieure viel dynamischer und einflussreicher als die Architekten, angetrieben vom Eisenbahnfieber, das die Schweiz etwas verspätet erreichte. Die interdisziplinäre und paritätische, nach Ausgleich und Einbezug aller Interessen suchende Haltung zeichnet den SIA bis heute aus. Sie erschwert zwar die Profilbildung ebenso wie die Führung des Vereins, entspricht aber dem hoch komplexen, vielerlei Einflüssen und Interessen ausgesetzten Bauwesen. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums betonte der damalige Präsident, Paul G. Vischer, die Wichtigkeit des kooperativen Aspektes: «Die vielen technischen Einrichtungen in allen Bauwerken verlangen eine Zusammenwirkung aller daran Beteiligten.

Die Aufgabe des S.I.A. muss deshalb unbedingt bestehen bleiben, das gegenseitige Verständnis zwischen den Vertretern der Technik und der Baukunst aufrecht zu erhalten.»[2] Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg führte indes zu einer immer stärkeren Spezialisierung. Neue Modelle des Zusammenwirkens von Planern, Unternehmern und Auftraggebern – Stichwort Generalunternehmer – brachten das traditionelle Berufsbild erneut ins Wanken und veränderten das Selbstverständnis der einzelnen Akteure. Die angestammte Kontrolle über die Ausführung, die für die Qualität von Bauwerken entscheidend ist, drohte den Architekten zu entgleiten – eine Tendenz, die heute aktueller ist denn je. Die Überarbeitung der Honorarordnungen Mitte der 1980er-Jahre, die unter anderem eine modulartige Vergabe und eine von den Baukosten unabhängige Bestimmung des Honorars vorsah, führte innerhalb des SIA zu grossen Spannungen. Eine Abspaltung der Architekten konnte nur durch die Etablierung der Berufsgruppen verhindert werden, verankert im Jahr 2000 mittels Statutenrevision.

Standesfragen und Berufspolitik

Die Vertretung der Standesinteressen gegen aussen und die Berufspolitik spielen seit den 1870er-Jahren eine immer wichtigere Rolle. Gemäss § 1 der Statuten von 1877 bezweckte der Verein neu «die gegenseitigen Beziehungen unter Fachgenossen zu heben, das Studium der Baukunst nach ihrer wissenschaftlichen, künstlerischen und technischen Seite zu fördern, zur Wahrung und Hebung des Einflusses und der Achtung, welche technischen Berufszweigen gebühren, beizutragen und das Organ zu bilden, welches letztere bei Behörden und Privaten zu vertreten hat.»[3] Im Gegenzug mussten die Mitglieder bestimmte Pflichten einhalten und für qualitativ und ethisch hochstehende Standards eintreten. Dies ist der Grundgedanke der Standesordnung, die 1937 nach dreissigjähriger Vorarbeit eingeführt wurde.

Die Gründe, weshalb immer wieder an die Einhaltung der Regeln erinnert werden muss, sind vielfältig. Wiederkehrend ist der Hinweis auf den mangelnden Titelschutz, der auch «beruflich und moralisch unqualifizierten Technikern»[4] die Berufsausübung ermögliche. Solche Kollegen sollten vom SIA ferngehalten werden. Ein Mittel dazu ist bis heute die BeDien schränkung der Mitglieder auf die «höhere Technikerschaft», sprich akademisch gebildete Ingenieure und Architekten. Mit der Einführung des Registers REG wurde 1966 eine Möglichkeit geschaffen, qualifizierte Berufsleute ohne entsprechenden Abschluss aufzunehmen. Die stetige Ökonomisierung und die Verschärfung der Konkurrenz führen mitunter ebenfalls dazu, dass Standesregeln verletzt werden. Deshalb fordert der SIA von seinen Mitgliedern eine beispielhafte Berufsausübung und appelliert an die Eigenverantwortung; Verstösse können geahndet werden. Er hat auch schon früh damit begonnen, Normen und Ordnungen als Grundlagen für die Berufsausübung und Berufsethik festzulegen.

Normenwerk und Milizsystem

Die erste «Honorar-Ordnung für architektonische Arbeiten» erschien 1877 zusammen mit den «Grundsätzen für das Verfahren bei architektonischen Wettbewerben»[5], zwei Ordnungen, die – mehrfach überarbeit und jeweils auf den aktuellen Stand gebracht – bis heute von herausragender Bedeutung sind. 1883 wurde das «Normalformat für künstliche Bausteine (Backsteine)»[6] festgelegt. Die technischen Normen des SIA sind in der Schweiz zentrale Berufsinstrumente: Sie stehen als Garanten für Qualität und vereinfachen die Planung und Herstellung von Bauwerken. Die Festlegung von Grenzwerten erhöhte unter anderem auch die Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Gebäuden, was für Planer wie Auftraggeber von grossem Nutzen ist. Der Vertrieb der Normen, Ordnungen, Empfehlungen und Richtlinien bildet heute nach den Mitgliederbeiträgen die wichtigste Einnahmequelle des Vereins. Bei Gerichtsfällen werden sie als Abbild der aktuellen Regeln der Baukunde herangezogen. Das Normenwerk ist wohl der entscheidendste Beitrag des SIA und trägt bis heute wesentlich zu dessen Bekanntheitsgrad bei.[7] Die Normen und Ordnungen des SIA werden nach wie vor in zahlreichen Kommissionen erarbeitet, mehrheitlich im Milizsystem und unterstützt vom Generalsekretariat.

Im Unterschied zu vielen Ländern, etwa jenen der Europäischen Union, werden die Normen und Ordnungen des Bauwesens in der Schweiz seit jeher massgebend vom SIA und damit von privater Seite erarbeitet. Der SIA hat sich den Auftrag dazu selbst gegeben, und Behörden aller Stufen profitieren von dieser historisch gewachsenen Situation.

Die Volontariatsarbeit und die paritätisch zusammengesetzten Kommissionen des SIA haben den Vorteil, dass die Anliegen verschiedenster Fachrichtungen und Interessengruppen direkt und von Beginn an einfliessen können. Im Unterschied zu gesetzlichen Bestimmungen lassen sich Normen leichter ändern; die Flexibilität ist damit höher, was Innovation und eine stetige Weiterentwicklung begünstigt. Doch die Freiwilligenarbeit stösst zusehends an ihre Grenzen, die Themen werden komplexer, europäische Einflüsse sind zu integrieren, die Bearbeitungszeit nimmt zu. Zudem sind die Wege innerhalb des Vereins lang und die Entscheidungsfindung häufig träge.

175 Jahre und die Zukunft

Eine Optimierung steht zurzeit im Bereich der Organisationsstruktur des Vereins an. Während die Direktion des SIA in Zukunft noch mehr die strategische Führung wahrnehmen soll, obliegt dem Generalsekretariat unter Leitung des Generalsekretärs oder der Generalsekretärin die Besorgung der laufenden Geschäfte, eine Arbeit, die stetig zunimmt und anspruchsvoller wird.

Heute stehen neben der Weiterentwicklung und Pflege des Normenwesens und weiterer Dienstleistungen des SIA vor allem Energie- und Ausbildungsfragen, die Raumplanung, der Marktzugang und die Förderung einer hochstehenden Baukultur im Vordergrund. Letzteres umso mehr, als der Bundesrat in seiner Kulturbotschaft für die kommenden Jahre das Bauen nur aus denkmalpflegerischer Warte betrachtet, zeitgenössische Architektur und Ingenieurbaukunst aber weiterhin ausklammert. Hier bringt sich der SIA verstärkt ein. So etwa über den von ihm initiierten Runden Tisch für Baukultur[8], die Auszeichnung «Umsicht – Regards – Sguardi»[9], mit der Werke prämiert werden, die als Vorreiter einer zukunftsfähigen Entwicklung angesehen werden können, oder über die «Woche der zeitgenössischen Architektur und Ingenieurbaukunst 15n», während der SIA-Fachleute ihre Bauwerke dem interessierten Publikum öffnen. Die Aufgaben des SIA bleiben auch nach 175 Jahren bestehen; sein Engagement für seine Mitglieder und das «Bauwerk Schweiz» geht weiter.


Anmerkungen:
[01] Hans Nef: «Vereinsgeschichte» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «100 Jahre SIA 1837–1937». Orell Füssli, Zürich, 1937, S. 145
[02] Paul G. Vischer: «Aufgaben vom Tage» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «100 Jahre SIA 1837–1937». Orell Füssli, Zürich, 1937, S. 204
[03] Wie Anm. 1, S. 156
[04] Wie Anm. 1, S. 162
[05] Alfred Hässig: «Vorschriften und Normalien» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «100 Jahre SIA 1837–1937». Orell Füssli, Zürich, 1937, S. 179
[06] Wie Anm. 1, S. 158
[07] Max Portmann: «Das technische Normenwerk des SIA» in: Schweizerischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): «1837–1987 SIA». SIA, Zürich, 1987, S. 55
[08] www.sia.ch/de/aktuelles/detailansicht/article/manifest-zur-baukultur/
[09] TEC21-Dossiers Januar 2007 und März 2011

TEC21, Fr., 2012.05.04



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2012|19 Berufsorganisationen

10. März 2008Christoph Wieser
Neue Zürcher Zeitung

Atmende Architektur

Auf einer Halbinsel bei Steckborn am Bodensee haben Marco Graber und Thomas Pulver das Sonderschulheim Glarisegg realisiert. Sein Thema ist die imaginierte und tatsächliche Bewegung.

Auf einer Halbinsel bei Steckborn am Bodensee haben Marco Graber und Thomas Pulver das Sonderschulheim Glarisegg realisiert. Sein Thema ist die imaginierte und tatsächliche Bewegung.

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verknüpfte Bauwerke
Schulstiftung Glarisegg

10. November 2002Christoph Wieser
werk, bauen + wohnen

Ein kontrollierter Grad von Freiheit

Die soeben fertig gestellte Erweiterung des Primarschulhauses Bachtobel in Zürich zeugt von einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit dem Ort, mit der Architektur der 1940er-Jahre sowie klassischen Themen der Architektur. Entstanden ist ein kunstvolles Bauwerk, dessen räumliche Komplexität verblüfft. Trotz offensichtlicher Unterschiede bestehen Gemeinsamkeiten mit den Lehrwerkstätten Bern-Felsenau, dem vor knapp zwei Jahren errichteten Erstlingswerk von Graber ¦ Pulver. Mit diesen beiden Variationen zum Thema Schulhaus haben sich die Architekten auf eigenständige Weise in der Architekturszene positioniert.

Die soeben fertig gestellte Erweiterung des Primarschulhauses Bachtobel in Zürich zeugt von einer fruchtbaren Auseinandersetzung mit dem Ort, mit der Architektur der 1940er-Jahre sowie klassischen Themen der Architektur. Entstanden ist ein kunstvolles Bauwerk, dessen räumliche Komplexität verblüfft. Trotz offensichtlicher Unterschiede bestehen Gemeinsamkeiten mit den Lehrwerkstätten Bern-Felsenau, dem vor knapp zwei Jahren errichteten Erstlingswerk von Graber ¦ Pulver. Mit diesen beiden Variationen zum Thema Schulhaus haben sich die Architekten auf eigenständige Weise in der Architekturszene positioniert.

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verknüpfte Bauwerke
Lehrwerkstätten Bern Felsenau



verknüpfte Zeitschriften
werk, bauen + wohnen 2002-11 Claude Parent und die Folgen

04. Januar 2002Christoph Wieser
Neue Zürcher Zeitung

Rationalität und Romantik

Der schwedische Architekt Gert Wingårdh

Der schwedische Architekt Gert Wingårdh

Die schwedische Architektur der Gegenwart wird ausserhalb Skandinaviens kaum wahrgenommen. Namen wie Gert Wingårdh, White Arkitektkontor oder Johan Celsing sind selbst vielen Architekturinteressierten nicht geläufig. Symptomatisch für Schwedens Abseitsstehen vom gegenwärtigen Diskurs ist die geringe internationale Resonanz der Bauausstellung «Bo01» in Malmö, die einen ambitionierten Überblick über das heutige Architekturschaffen in Schweden präsentierte (NZZ 6. 7. 01). Der Grund für die weitgehende Nichtbeachtung liegt am eher bescheidenen Niveau der schwedischen Architekturproduktion der letzten Jahrzehnte. Dieses ist eine Folge der schrittweisen Marginalisierung des Architektenstandes, der aufgerieben wurde zwischen engen staatlichen Vorgaben und dem Druck mächtiger Bauunternehmungen.


Neubewertung der Architektur

Obwohl die lenkende Rolle des Staates in der Architektur - ein wesentliches Merkmal sozialdemokratischer Politik in Schweden - seit Ende der achtziger Jahre ständig abnahm, zeugen die Eröffnung des Architekturmuseums in Stockholm 1998 sowie die Einführung eines architekturpolitischen Programms kurz zuvor von der Bemühung, die Architektur als kulturellen Faktor erneut aufzuwerten. Dazu gehört auch die angestrebte Internationalisierung, indem ausländische Architekten zu wichtigen Wettbewerben eingeladen werden. Bei dieser Neudefinition des Architektenberufes nimmt der 50-jährige Gert Wingårdh eine Schlüsselposition ein als Vorläufer des neuen, international ausgerichteten schwedischen Architekten, der nicht mehr, wie in den achtziger Jahren üblich, im Kollektiv einer grossen Architekturfirma tätig ist, sondern unter eigenem Namen arbeitet. Wingårdh begann seine Karriere als selbständiger Architekt 1977 in Göteborg. Heute beschäftigt er 70 Mitarbeiter und gilt als wichtigster jüngerer Architekt Schwedens.

Wingårdhs subtiler Umgang mit Materialien äussert sich in einem Detailperfektionismus, den er in den achtziger Jahren bei zahlreichen Innenarchitekturaufträgen entwickeln konnte und der beim Neubau der schwedischen Botschaft in Berlin 1996-99 besonders auffällt: Wie bei einem Schmuckkästchen sind die Oberflächen veredelt und die Verbindungen meisterhaft inszeniert. Wingårdhs Arbeit ist trotz seiner Offenheit gegenüber internationalen Einflüssen tief in der schwedischen Tradition verankert, was sich in seinem Sinn für pragmatische Lösungen und dem Misstrauen gegenüber Theorie widerspiegelt. In einem poetischen Text von 1994 beschreibt er sein Verhältnis zur Architektur als «nicht intellektuell, aber nicht ohne Reflexion». Diese Verbindung von Rationalität und Romantik war bereits in den dreissiger und vierziger Jahren das spezifische Merkmal der schwedischen Moderne. Indem der rigide Funktionalismus der späten zwanziger Jahre mit traditionellen Materialien und Konstruktionsweisen sowie dem Einbezug von Stimmungs- und Gemütswerten angereichert wurde, schufen die schwedischen Architekten damals das Vorbild einer moderaten Moderne, deren erweiterter Funktionalismusbegriff im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg in Europa für kurze Zeit wegweisend wurde.

Gerade das Oszillieren von Wingårdhs besten Bauten zwischen funktionalem Pragmatismus und lustvoller Verspieltheit macht seine Architektur spannend. Dies zeigt sich beim eben fertiggestellten Universeum in Göteborg, einer Mischung aus Technorama und Indoor-Regenwald samt Meerwasser-Aquarium, ebenso wie bereits 1988 beim Klubhaus eines Golfklubs in der Nähe von Göteborg. Der amorphe Baukörper erscheint auf den ersten Blick völlig irregulär. Tatsächlich basiert seine expressive Form jedoch auf einem Modul von gleichseitigen Dreiecken. Wingårdh setzt das flache, fingerartig ausgreifende Volumen mit seiner mehrfach geknickten Fassade präzis in die baumbestandene Umgebung ein und schafft damit einen intimen Bezug zur Landschaft - ein weiteres Merkmal schwedischer Architektur, das beinahe klischiert wirkt, aber hier einmal mehr seinen spezifischen Reiz entwickelt.


Präsenz durch eine Monographie

Nun soll eine von Rasmus Wærn herausgegebene Monographie die internationale Bekanntheit von Wingårdhs Werk fördern. Bereits die Aufmachung des Buches verweist auf eine besondere Qualität von Wingårdhs Architektur: den sensiblen und kreativen Umgang mit Materialien, Oberflächen und Texturen. Der fein strukturierte Leineneinband changiert zwischen Schwarz und gebrochenem Weiss. Im Innern ist die Monographie in drei Teile gegliedert, die jeweils durch unterschiedliche Papiersorten voneinander abgesetzt sind. Der erste Teil bietet einen kenntnisreichen Aufsatz des Herausgebers; der Hauptteil enthält eine photographische Dokumentation: In stimmungsvollem Schwarzweiss nähert sich der Photograph Åke E:son Lindman den einzelnen Bauten. Unverständlich wirkt bei der gut getroffenen Auswahl jedoch die Ausklammerung der ersten zehn Schaffensjahre. Insbesondere fehlt eine ausführliche Darstellung der Villa Nordh in Göteborg von 1978-81, die nicht nur Wingårdhs Durchbruch als selbständiger Architekt bedeutete, sondern von den Massenmedien auch als das erste postmoderne Haus in Schweden gefeiert wurde. Der dritte Teil schliesslich enthält eine umfangreiche Werkliste sowie eine Biographie und zwei kurze Texte von Wingårdh.


[Gert Wingårdh. Architect. Hrsg. Rasmus Wærn. Birkhäuser-Verlag, Basel 2001. 392 S. Fr. 108.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2002.01.04

07. September 2001Christoph Wieser
Neue Zürcher Zeitung

Von Holland auf das Dach Europas

Drei Fragen an Ben van Berkel

Drei Fragen an Ben van Berkel

Als einer der innovativsten Architekten in Holland hat Ben van Berkel jüngst mit seinem Amsterdamer UN-Studio zwei internationale Wettbewerbe in Genua und Hartford gewonnen. Nun präsentierte er zusammen mit Projektdesigner Olaf Gipser in Zuoz ein Erweiterungsprojekt für das Hotel Castell. Mit Ben van Berkel sprach Christoph Wieser.

Vor elf Jahren sagten Sie in einem Vortrag: «Meine Verbindung zur holländischen Architektur ist nicht besonders stark, obwohl ich von ihr beeinflusst bin.» Wie sehen Sie das heute?

Damals dachte ich an den Einfluss von Spätmodernisten wie Jacob Bakema, der mich auch heute noch interessiert. Langsam beginne ich jedoch meine eigene Denkweise zu entwickeln. Den Anstoss dazu gab meine Lehrtätigkeit 1994 an der Columbia University in New York, wo ich Jeffrey Kipnis, Sanford Kwinter und Greg Lynn kennen lernte. Wir überlegten uns, wie die neuen Technologien für die Architektur gewinnbringend eingesetzt werden könnten. Ebenso versuchten wir die Rolle der Geometrie neu zu überdenken. Denn wir wollten vom damals vorherrschenden linguistischen Ansatz der Dekonstruktivisten wegkommen. Als ich später an der AA in London unterrichtete, wurde der Austausch mit Alejandro Zaera-Polo von Foreign Office wichtig. Diese unterschiedlichen Einflüsse führten dazu, dass meine Arbeit einen angloeuropäischen Charakter angenommen hat.

Ein Vergleich der neusten Projekte mit früheren Bauten macht die Hinwendung zu einer beinahe «flüssigen» Formensprache deutlich. Welche Rolle spielen dabei die neuen Softwareprogramme?

In letzter Zeit ist ihr Einfluss kleiner geworden. Als wir 1992 bei der Projektierung der Erasmus-Brücke in Rotterdam mit einem dreidimensionalen Programm zu experimentieren begannen, studierten wir die neuen Möglichkeiten ganz genau. Interessanter als die Programme ist die Art und Weise, wie man unterschiedliche Informationen verknüpfen kann. Die Visualisierung der Informationen generiert noch keine Form. Sie dient lediglich zur Darstellung der gegenseitigen Abhängigkeiten, die den Formfindungsprozess beeinflussen. Ob das zu einer «box» oder einem «blob» führt, ist egal: Das Denken in stilistischen Referenzen ist nicht mehr wichtig. Deshalb spreche ich lieber von flüssiger Information als von flüssiger Architektur.

In Zuoz planen Sie die Erweiterung des Hotels Castell mit Wellnessbereich, Konferenzräumen und einem Apartmenthaus. Welchen Einfluss hat die alpine Landschaft auf Ihren Entwurf?

Sie hat einen grossen Einfluss. Mich interessiert vor allem auch der Verlauf der Höhenkurven. Das Apartmenthaus nimmt diese mit seiner mäandrierenden Form auf. Der Baukörper soll aber nicht selber zur Landschaft werden, sondern er interpretiert auf eigenständige Art ein typisches Element der Umgebung. Was mich an diesem Ort ebenfalls fasziniert, ist die Möglichkeit, mit schiefen Ebenen zu arbeiten, die gerichtet sind und dadurch unterschiedliche Wertigkeiten annehmen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.09.07

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