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Texte

16. Januar 2024Frank Peter Jäger
Bauwelt

Aus der Zeit gefallen. Der Konflikt Denkmalschutz vs. Wohnungsneubau

Der Abriss denkmalgeschützter Kleinwohnungen in Zürich zugunsten von mehr und besseren Wohnungen steht für einen Zielkonflikt der Stadtentwicklung wie der Fortentwicklung der Genossenschaften.

Der Abriss denkmalgeschützter Kleinwohnungen in Zürich zugunsten von mehr und besseren Wohnungen steht für einen Zielkonflikt der Stadtentwicklung wie der Fortentwicklung der Genossenschaften.

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Bauwelt 2024|02 Im Gewerbegebiet / Raus aus der Box

09. Mai 2023Frank Peter Jäger
Bauwelt

Gegen den Strom geschwommen

1973 schlossen sich Lübeck, Bamberg und Regensburg zusammen, um für den Er­halt historischer Bausubstanz zu kämpfen. Nun feiert die „Arbeitsgemeinschaft Historische Städte“ ihr Bestehen.

1973 schlossen sich Lübeck, Bamberg und Regensburg zusammen, um für den Er­halt historischer Bausubstanz zu kämpfen. Nun feiert die „Arbeitsgemeinschaft Historische Städte“ ihr Bestehen.

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Bauwelt 2023|09 Termin im Rathaus

04. März 2022Frank Peter Jäger
Bauwelt

Blecherne Gemütlichkeit

Verkehrsberuhigung gut und schön, doch Blechlawinen dürfen nicht von Blechbeeten abgelöst werden. Ein kritischer Blick auf die Radwegführung in der Berliner Bergmannstraße.

Verkehrsberuhigung gut und schön, doch Blechlawinen dürfen nicht von Blechbeeten abgelöst werden. Ein kritischer Blick auf die Radwegführung in der Berliner Bergmannstraße.

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Bauwelt 2022|05 Wohnen!

30. April 2021Frank Peter Jäger
Bauwelt

Pfälzer Denkmal-Fall

Derzeit läuft der Abbruch der Sanitäts- und Feuerwache in Kaiserslautern. Dass der Bau von Hermann Hussong verschwindet, ist fragwürdigen Verqui­ckungen in den Behörden von Stadt und Denkmalpflege geschuldet.

Derzeit läuft der Abbruch der Sanitäts- und Feuerwache in Kaiserslautern. Dass der Bau von Hermann Hussong verschwindet, ist fragwürdigen Verqui­ckungen in den Behörden von Stadt und Denkmalpflege geschuldet.

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Bauwelt 2021|09 Die Neue Nationalgalerie

16. Oktober 2020Frank Peter Jäger
Bauwelt

Die unwertbaren Jahren

Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark wird vielfältig, auch für den Breitensport, genutzt. Nun soll das emblematische Sta­dion weichen. Einwände hinsichtlich seines baukulturellen Werts bleiben gegenüber vorgeblichen Belangen behinderter Sportler nahezu ungehört.

Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark wird vielfältig, auch für den Breitensport, genutzt. Nun soll das emblematische Sta­dion weichen. Einwände hinsichtlich seines baukulturellen Werts bleiben gegenüber vorgeblichen Belangen behinderter Sportler nahezu ungehört.

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Bauwelt 2020|21 Für Firmen

12. Juli 2019Frank Peter Jäger
TEC21

Die Konservierung der Moderne

Zum Jubiläum des Bauhauses buhlen in Deutschland drei Städte mit neuen Museen um Kulturtouristen. Während in Berlin noch bis 2022 gebaut wird, eröffnet das Dessauer Haus im September, jenes in Weimar steht seit April den Besuchern offen.

Zum Jubiläum des Bauhauses buhlen in Deutschland drei Städte mit neuen Museen um Kulturtouristen. Während in Berlin noch bis 2022 gebaut wird, eröffnet das Dessauer Haus im September, jenes in Weimar steht seit April den Besuchern offen.

Als Anfang April in Weimar der Neubau des Bauhaus-Museums festlich der ­Öffentlichkeit übergeben wurde, fehlte es in den Feuilletons nicht an bissigen Kommentaren; das Gebäude wurde als «hermetischer Monolith» tituliert, als «düsterer Klotz» und «Betonkasten», der das Bauhaus-­Erbe für immer einsarge, anstatt es mit der Gegenwart zu verbinden. Zweierlei nahm man Heike Hanada, der Architektin des Museums, besonders übel: dass ihr Haus so wenig der äusserlichen, quasi assoziativen Erwartung an ein Museum des Bauhauses entspricht, also nicht luftig, leicht, durchlässig und gläsern ist; zweitens, dass sie keine «Gegenarchitektur» zu den angrenzenden NS-Bauten entworfen hat, sondern mit dieser Nachbarschaft ganz selbstbewusst und gelassen umgeht – und es sogar wagt, deren neoklassizistische Motive in abgewandelter Form zu zitieren. Heike Hanadas kontrovers aufgenommener Bau ist das erste von drei neuen Bauhaus-Museen, die aus Anlass des 100-Jahr-Gründungsjubiläums der legendären Design- und Architekturschule im nördlichen Nachbarland entstehen. Der Erweiterungsbau des seit 1979 bestehenden Bauhaus-Archivs in Berlin öffnet erst im Jahr 2022 für das Publikum.

Weimar: 536 Entwürfe konkurrierten

Die 54-jährige Architektin, die an der TU Dortmund lehrt und ein Büro in Berlin hat, entwickelte ihr Wettbewerbskonzept in Kooperation mit dem Berliner Architekten Benedict Tonon. Die beiden beteiligten sich an dem mehrstufigen internationalen Wettbewerb als eines von 536 Teams. Zunächst hatte die Jury aus einer engeren Wahl zwei zweite Preise und zwei dritte Preise benannt. Ein erster Preis wurde nicht vergeben. Nach der Überarbeitung (VOF-Verfahren) fällte die Jury ihre Entscheidung zugunsten des Konzepts von Hanada und Tonon. Nach Wettbewerb und VOF-Verfahren führte die Architektin das Projekt im Einvernehmen mit Tonon allein weiter.

Der von der Stadt auserkorene Museumsstandort liegt zwischen einem kleinen Stadtpark, der Weimarhalle und dem sogenannten Gauforum. Dieses um 1940 von den Nationalsozialisten fertiggestellte Ensemble besteht aus rechtwinklig um einen weiten Platz angeordneten neoklassizistischen Bauten. Das westliche Gebäude des Verwaltungskomplexes grenzt direkt ans Museumsareal. Die Architektin verzichtete darauf, ihr Museum nah an die Strasse zu rücken. Stattdessen wählte sie einen Standort in zweiter Reihe, schon fast hinter dem Westgebäude des Gauforums. Dadurch bildet sich zwischen Museum, Park und Nachbarbauten ein einladender Vorplatz.

Gefragt war nun eine Gestalt, mit der sich das Gebäude trotz seinen geringen Abmessungen und der Distanz zum Strassenraum wirkungsvoll behauptet. Die Architektin wählte die Form eines strengen, viergeschossigen Kubus.

Wagnis Neuinterpretation

In die Baugeschichte blickend, fühlt man sich an Schreine, antike Grabmale und Mausoleen erinnert. Sie habe im Entwurf nach «einer anderen Art von Monumentalität» gesucht, sagt Hanada im Gespräch. Einer Monumentalität ohne Machtgestus, die sich erkennbar abhebt vom trutzigen Neoklassizismus der NS-Repräsenta­tionsbauten nebenan. Doch wer von Westen auf das Haus blickt, erkennt, dass es formal durchaus im Dialog steht mit der Fassade des Gauforums.

Abgesehen von der Attika und der klar ausgebildeten Sockelzone finden etwa die breiten Fensterfassungen aus Muschelkalk am NS-Verwaltungsbau eine Entsprechung in markanten Fensterlaibungen, die am Museum jedoch deutlich weiter aus der Fassade heraustreten.

Diese Gelassenheit Hanadas im Umgang mit den benachbarten NS-Bauten mochte nicht jeder goutieren, manche irritierte sie. Lange Zeit war es in Deutschland gewissermassen Common Sense für das Bauen im räumlichen Kontext von NS-Bauten, dass man deren Wirkung und Habitus irgendwie «brechen» müsse, man jedenfalls, um grösstmögliche Distanz zu betonen, entwerferisch dagegenhalten muss, am besten mit viel Glas und Transparenz. Warum aber nicht, so wie es Heike Hanada vormacht, das eigene Verständnis einer auf ihre Weise monumentalen und feierlichen Architektur selbstbewusst danebenstellen? Der Unterschied im Duktus entsteht zum einen durch ein zartes Fugennetz der Sichtbetonelemente, die den Bau rhythmisieren, und zum anderen durch die kompakte Kubatur, die in die Höhe strebt, anstatt sich in die Horizontale zu erstrecken. Diese Weise, die an sich harte, geschlossene Hülle durchlässig und subtil zu machen, lässt an Elemente des traditionellen Bauens in Japan denken, wo Heike Hanada sechs Jahre gelebt und gearbeitet hat.

Nachts leuchten die Fugen

Nach Einbruch der Dunkelheit zeichnen sich die Lichtbänder, die in 24 der Horizontalfugen integriert wurden, wie die Linien eines Notenblatts auf dem Baukörper ab und verleihen ihm eine Filigranität, die man bei Tag nicht ahnt. Als Element aus der architektonischen Klassik erfährt der Fries in Gestalt des Endlos-Namenszugs «bauhaus museum» eine zeitgenössische Adaption – inspiriert von gängigen elektronischen LED-Laufschriften. Hier jedoch als Buchstaben, die in die Betonoberfläche eingeprägt sind.

Was die formalen Erwartungen an ein Bauhaus-Museum betrifft, macht sich am Projekt die Frage fest, ob ein solches Museum seinem Thema schon äus­serlich Ausdruck geben soll. Doch erscheint es als Stärke von Hanadas Gebäude, dass es eine ganz eigene Form besitzt und auf jedwede formale Anleihe bei der neuen Sachlichkeit verzichtet. Ein anderer Pluspunkt ist die überzeugend gelöste städtebauliche Einbindung. Im Süden steht das Haus so an der Hangkante oberhalb des Stadtparks, dass eine reizvolle Symbiose mit dem Grünraum entsteht: Der kleine Park wird quasi zum Museumsgarten aufgewertet, denn im Untergeschoss stellt das Museumscafé mit seiner Terrasse eine direkte Verbindung zur Parkebene her.

Die starke äussere Gestalt des Hauses hat jedoch ihren Preis, und zwar in seinem Innern. Aus manchem Blickwinkel wirkt der Innenraum merkwürdig kleinteilig. Was den Inhalt der Ausstellung (weitere Infos: espazium.ch/de/aktuelles/bauhaus-weimar-ausstellung) angeht, stellt sich die Frage, ob es denn zeitgemäss ist, die Geschichte einer vor 100 Jahren revolutionären Gestaltungsschule entlang sorgfältig in Szene gesetzter Designikonen in recht überraschungsfreien Themenstationen zu erzählen.

Am Ende des Rundgangs, wenn eigentlich niemand mehr damit rechnet, wartet das Haus noch mit einem architektonischen Trumpf auf: Die Abstiegstreppe ist als umgedrehte Himmelsleiter inszeniert, mit einem Luftraum, der an seinem unteren Ende so hoch ist wie das Haus. Nach der letzten Themenstation «Was bleibt vom Bauhaus?» führt diese Treppe passenderweise auf direktem Weg hinab in den Museumsshop.

Dessau: zwei erste Preise

Auch in Dessau, wo der Museumsneubau des in Barcelona beheimateten Büros addenda architects gerade fertig wird, hatte im September 2015 eine enorme Anzahl an Architekturbüros am Wettbewerb teilgenommen. Stolze 831 Teams aus 60 Ländern haben sich um den Bau beworben, der ab dem 8. September 2019 die mit 44 000 Objekten zweitgrösste Sammlung zum Bauhaus aufnehmen soll. Jedoch führte die atemberaubende Zahl eingereichter Ideen nicht zum perfekten Ergebnis, sondern steigerte vor allem die Fallhöhe zwischen dem gestalterisch Möglichen und dem gebauten Ergebnis. «Die Latte war hoch gesetzt. Wohl so hoch, dass man als Teilnehmer nur daran scheitern konnte», resümierte Marko Sauer 2015 in seinem Bericht (vgl. TEC21 44/2015, S. 9) das Wettbewerbsergebnis. Er behielt recht. Anstelle eines klaren Entscheids sprach die Jury zwei völlig konträren Beiträgen gleichberechtigt den ersten Preis zu. Im weiteren Verfahren setzte sich dann der konventionellere der beiden Entwürfe durch.

Ein gläserner Riegel, scheinbar transparent, leicht und zeitlos, ohne zu direkt an die Ästhetik des Bauhauses zu erinnern. Es macht ratlos, dass so viel Kreativität mobilisiert wird, um am Ende zu einem so harmlosen Glaskasten zu gelangen. Der Hang zu Entwurfskonzepten eines kleinsten gemeinsamen Nenners, zu denen alle Preisrichter/-innen am Ende irgendwie Ja sagen können, erscheint hier als fatale Schwäche. Wo bleiben die in harten Jurydebatten erkämpften Voten für einen wirklich unkonventionellen, kantigen Vorschlag?

Vision vom gläsernen Museum

Das Erste, was man bei der Annäherung an den Neubau von addenda architects erblickt, ist ein lang gestreckter, schwer definierbarer Quader, der entfernt an ein Rechenzentrum aus DDR-Zeiten oder auch an ein Autohaus erinnert. Nur ist er viel grösser. Die homogene Glashülle ist von filigranen Sprossen in ein Raster gegliedert und wirkt vor allem als Spiegel – die neogotische Backsteinfassade des Dessauer Hauptpostamts vis-à-vis zeigt sich darin ebenso wie die umliegenden Bauten der Nachkriegsarchitektur. Dieses Gebäude wirkt wie das Gegenkonzept zu Heike Hanadas Bauhaus-Museum in Weimar: Dort der turmartige, steinerne Solitär – hier die allseits verglaste, die Horizontale betonende Halle. Hier programmatische Transparenz, dort eine harte, aber akzentuierte Schale. Dem fertigen Bau in Dessau fehlt jedoch die Offenheit, die die Wettbewerbsbilder von 2015 noch transportierten.

Der 125 m lange und 25 m breite, zweigeschossige Baukörper bildet eine Zäsur, zugleich aber auch eine Membran zwischen der Kavalierstrasse, einer wichtigen Achse der Stadt, und dem Stadtpark: Während der Öffnungszeiten sollen Besucher und Anwohner ungehindert durch das Gebäude hindurch von der Strasse in den Park schlendern können.

Und im Innern des Hauses offenbart sich dann auch ein erstaunlicher Kontrast zu seiner äusseren ­Wirkung: eine weitläufige, luftige Halle mit bester Aussicht auf die Umgebung, in der künftig auf 600 m² Wechsel­ausstellungen und Veranstaltungen stattfinden sollen. In 5 m Höhe schwebt ein dunkler Körper, der von der Aussenfassade um 3.5 m nach innen gerückt ist. Die sogenannte «Black Box» erscheint im Innenraum omnipräsent. Für die inneren Wände wählten die Architekten rauen Sichtbeton, nicht geschliffen und nicht versiegelt. Gliedernd setzen sich an der Unterseite der Decke im Erdgeschoss die schwarz getünchten Unterzüge ab (weitere Infos zur Statik: espazium.ch/de/aktuelles/bauhaus-dessau-statik). Sie wirken wie eine Reminiszenz an die Deckenkonstruktion in Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie in Berlin. Generell lässt die hier verfolgte Idee eines gläsernen Museums an den singulären Wurf des letzten Bauhaus-Direktors denken, was sicher kein Zufall ist.

Die offene Mitte

Auf den Visualisierungen, mit denen addenda architects den Wettbewerb gewannen, ist der Kontrast zwischen der offenen Halle und dem dunklen, über ihr schwe­benden Raumvolumen noch deutlich sichtbar. Im nahezu fertigen Haus ist diese Transparenz der unteren Halle jedoch nur im Innern erlebbar. Ein Grund dafür dürfte sein, dass man sich im Zuge der Detailplanung entschlossen hat, unter anderem aus Gründen des ­Sonnenschutzes anstelle eines hochtransparenten ­Glases ein im Punktraster bedrucktes zu verwenden und auf einen aussen liegenden Sonnenschutz zu verzichten. Stattdessen sollen Vorhänge 0.5 m hinter der Fassade, kombiniert mit einer leistungsfähigen Belüftung des Raums zwischen Vorhang und Fassaden­innenseite, zu einem Kamineffekt führen, der die erwärmte Luft schnell ableitet und so sicherstellt, dass die Temperaturen in der Halle auch im Hochsommer moderat bleiben.

Mit der spiegelnden Fassade ist zugleich die städtebauliche Wirkung des Hauses angesprochen. Gerade in diesem zentralen, am Ende des Zweiten Weltkriegs stark zerstörten Bereich der Stadt hätte es nach einem Gebäude verlangt, das echte materiell-physische Präsenz besitzt und nicht in erster Linie seine architektonisch teils banalen Nachbarbauten spiegelt. Klare Kanten hätten der Mitte von Dessau etwas von ihren Konturen zurückgeben können. Nun bleibt zu hoffen, dass das Gebäude aus seiner offenen Mitte in den ­Stadtraum auszustrahlen vermag, wie es die Architekten in ihrem Essay zum Gebäude in Aussicht stellen.

Berlin: Ausstellungsfläche verdreifacht

Auch beim geplanten Bauhaus-Museum in Berlin sind Aspekte des Städtebaus von zentraler Bedeutung. Schon deshalb, weil es sich nicht um einen Neubau, sondern um die Ergänzung eines vorhandenen Ensembles handelt. Wie in Dessau fiel auch in Berlin im Herbst 2015 die Entscheidung (vgl. TEC21 47/2015, S. 8), jedoch wird das sanierte und erweiterte Bauhaus-Archiv erst im Jahr 2022 fertiggestellt sein. Das Bauhaus-Jubiläumsjahr erlebt das Archiv in einem Ausweichquartier. Anders als in Dessau gab es hier mit der Arbeit von Staab Architekten einen klaren ersten Preis, gefolgt von kaum weniger attraktiven Konzepten auf den weiteren Rängen. (Insbesondere sei der zweitplatzierte Beitrag von Bruno Fioretti Marquez Architekten aus Berlin erwähnt, der den vorderen Grundstücksbereich frech, aber markant mit einem mehrgeschossigen Riegel besetzt und somit den Altbau von der stark befahrenen Strasse abschirmt. Ein im doppelten Sinn angenehm kantiges Konzept.)

Von einem Erweiterungsbau zu sprechen, ist hier fast ein Understatement, wird doch im Zuge des 56-Mio.-Euro-Projekts die Nutzfläche des Gebäudes mehr als verdoppelt, die Ausstellungsfläche sogar mehr als verdreifacht. Zudem ist das Berliner Projekt – stärker als jene in Dessau und vor allem Weimar – über den Verdacht erhaben, wesentlich von Stadtmarketing­erwägungen beflügelt zu sein. 1960 in Darmstadt gegründet, verfügt das Berliner Bauhaus-Archiv über das umfangreichste Konvolut an Objekten und Dokumenten; allein das Fotoarchiv umfasst 60 000 Aufnahmen, die Architektursammlung rund 14 000 Pläne oder Zeichnungen. In dieser Zeit war das Bauhaus im Osten noch als formalistisch-dekadent gebrandmarkt. Walter ­Gropius selbst hatte sich Anfang der 1970er-Jahre ­dafür eingesetzt, seinen Entwurf eines Archivbaus am heutigen Standort in Berlin zu verwirklichen.

Der Leuchtturm

Blickfang des Siegerentwurfs von Staab Architekten ist ein «fast zarter gläserner 5-geschossiger Turm», wie es im Jurybericht heisst – eine «leuchtende Laterne», die durch einen eingeschossigen Riegel zur Von-der-Heydt-Strasse ergänzt wird. Über eine neue, unter­irdisch liegende Ausstellungsfläche wird der Neubau mit dem Bestandsbau verbunden und in den Stadtraum inte­griert. An zentraler Stelle öffnet er sich zu einem Atrium, das die neue Mitte des Ensembles bildet.

Die charakteristische Brückenrampe «promenade architecturale» als Zugang zum Bestandsbau wird durch den Neubau respektvoll eingefasst und räumlich gestärkt. Der Altbau soll künftig ausschliesslich als Archiv dienen, der Neubau die Ausstellungen aufnehmen. Von dem 1964 für die Darmstädter Mathilden­höhe geplanten Gropius-Entwurf sagten viele, er sei trotz intensiver Überarbeitung nicht wirklich erfolgreich für den Berliner Standort adaptiert worden. Erhalten blieb ­neben der allgemeinen Grundrissdisposition die von Gropius geplante einprägsame Silhouette mit den Sheddächern. 1997 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Es ist heute eines der Wahrzeichen Berlins. Die Chance des Entwurfs von Staab Architekten besteht nun darin, dass er das Bauhaus-Archiv, das bislang etwas verloren wie in der zweiten Reihe dastand, wirkungsvoll in den umgebenden Stadtraum einbettet, der sich ja seit 1979 vom aufgelockerten Randgebiet einer isolierten Halbstadt in das Zentrum einer Metropole verwandelt hat. Volker Staabs zeichenhaftem ­Entwurf bleibt zu wünschen, dass er die angestrebte Ästhetik von Transparenz und Leichtigkeit besser ­einzulösen vermag, als dies in Dessau gelang. Ein ­spätes Werk von Gropius städtebaulich zu vervollkommnen, scheint die hoffnungsvolle Essenz dieses Projekts zu sein.

TEC21, Fr., 2019.07.12



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TEC21 2019|27-28 100 Jahre Bauhaus I: Grenzüberschreitung

04. April 2003Frank Peter Jäger
Neue Zürcher Zeitung

Sinn für Material und Selbstdarstellung

Ihre kreativen Anregungen holen sich deutsche Nachwuchsarchitekten vorzugsweise aus den Niederlanden, aus Japan oder aus der Schweiz - was auch daran abzulesen ist, dass Materialien wie Sichtbeton und Glas in ihren Arbeiten omnipräsent sind. Die Dominanz internationaler Grossbüros erschwert ihnen allerdings oft den Durchbruch.

Ihre kreativen Anregungen holen sich deutsche Nachwuchsarchitekten vorzugsweise aus den Niederlanden, aus Japan oder aus der Schweiz - was auch daran abzulesen ist, dass Materialien wie Sichtbeton und Glas in ihren Arbeiten omnipräsent sind. Die Dominanz internationaler Grossbüros erschwert ihnen allerdings oft den Durchbruch.

Tobias Buschbeck versendet die Einladungen zu seinem Jour fixe per E-Mail. Seit zwei Jahren veranstaltet der 34-jährige Architekt in seiner spartanisch möblierten Kleinwohnung Vorträge - als geistigen Ausgleich zu dem Krankenhausprojekt, das er beruflich seit drei Jahren leitet. Fast alle Gäste sind Architekten, die sich für ein, zwei Stunden mit Aspekten der Ästhetik und der Theorie befassen möchten, wofür sie im Alltag kaum Zeit haben. Dabei kommen städtebauliche und architektonische Themen zur Sprache. Es wird aber auch über die Vorzüge der verschiedenen Werkstoffe diskutiert. So erfuhr gerade der Beton bei der jungen und mittleren Generation deutscher Architekten eine erstaunliche Renaissance. Dass er in den siebziger Jahren, im Zusammenspiel mit einem brutalistischen Duktus, beinahe die gesamte Architektenzunft in Verruf gebracht hatte, scheint vergessen.


Einfamilienhaus und Stadtdebatte

Die Frankfurter Architekten Michael Schumacher und Till Schneider setzen beispielsweise den Beton bei dem von ihnen entworfenen «Museum Speziallager» auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin ein. Dies ist ein untypisches Projekt für ein Büro, das vor allem mit nonkonformistischen Industriebauten und Geschäftshäusern auf sich aufmerksam machte. Das Museum soll - ergänzend zur vorhandenen Gedenkstätte - an die 10 000 Menschen erinnern, die nach 1945 im Lager umkamen, als es dem sowjetischen Geheimdienst NKWD als Gulag diente. Von aussen nimmt man das Gebäude als einen länglichen, gedrungenen Quader wahr. Die Aussenwand aus Beton ist so beschichtet, dass sie leicht glänzt und die umgebende Heidelandschaft mit den alten Baracken reflektiert. Im Inneren umfängt den Besucher ein weiter, fast fensterloser Raum. Er ist von fein gestreutem Licht erfüllt, das durch die Decke einfällt. Diese besteht aus einem dicht gereihten Gebälk aus Stahlträgern, auf dem eine Dachhülle aus getöntem Glas ruht. «Der gestalterische Schwerpunkt lag eindeutig im Innenraum», sagt die 28-jährige Nadja Hellenthal, die den Bau leitete: «Indem wir das Gebäude in den Boden einsenkten, mit einer geschlossenen Betonschale umgaben und eine meditative Lichtstimmung entwickelten, haben wir versucht, den Charakter einer Gedenkstätte mit der Aufgabe musealer Dokumentation in Einklang zu bringen.» Beispielhaft ist das Projekt auch für den kreativen Umgang mit allen Arten von Glas - mattiertem, getöntem und bedrucktem Glas sowie Glasbausteinen. Das mit demokratischen Idealen verbundene Transparenzverständnis eines Günter Behnisch ist passé, der Nachwuchs sucht nach subtileren Arten der Durchlässigkeit.

Angesichts leerer öffentlicher Kassen brach die jahrelang durch Fördergelder in Milliardenhöhe angekurbelte Baukonjunktur Ostdeutschlands Ende der neunziger Jahre wie ein Kartenhaus zusammen. Ausweichmöglichkeiten gab es für die Architekten keine, denn eine private Bauherrenkultur existiert in Ostdeutschland nicht. Wer baut, baut mit Fertighausherstellern. Vor diesem Hintergrund ist der Mut der beiden Leipziger Tom Hobusch und Wolf-Heiko Kuppardt bemerkenswert, die 2001, als öffentliche Aufträge nur noch spärlich tröpfelten, den Schritt in die Selbständigkeit wagten. Der Mut wurde belohnt: Nach einigen Kleinaufträgen konnte das Duo am Leipziger Stadtrand ein Privathaus realisieren, für das es den Architekturpreis der Stadt Leipzig erhielt. Das Haus für eine Apothekersfamilie zeigt zur Strasse hin mit seiner farbigen Fassade und den liegenden Fenstern formale Anklänge an die Neue Sachlichkeit. An der Gartenseite bestimmen die schmalen und breiten Sequenzen eines Achsenrasters die Front. In seiner stilistischen Unbefangenheit ist der janusgesichtige Entwurf typisch für die Herangehensweise der jungen Generation: Formale Fragen werden bezogen auf das Gebäude entschieden, anstatt sie grundsätzlich zu diskutieren.

«Es war gar nicht so verkehrt, dass wir in einer Phase des Abschwungs angefangen haben», sagt Kuppardt: «Man lernt sich zu behaupten.» Trotz neuen Aufträgen bleibt noch Zeit für ein Spielbein, die Initiative «L 21» (Leipzig 21) - eine 2001 von insgesamt fünf Architekturbüros ins Leben gerufene Plattform, die mit Diskussionen und Kunstaktionen die produktive Auseinandersetzung mit der Problematik leer stehender Häuser in der Messestadt sucht. Entgegen den Abrissplänen der Verwaltung engagierten sie sich für stadtverträgliche Wege der Schrumpfung. Inzwischen werden sie von der Kommune mit Planungsaufträgen in den Stadtumbau einbezogen.


Professionelle Öffentlichkeitsarbeit

Für die Kölner Architekten Frank Hausmann und Michael Viktor Müller bildeten Wettbewerbssiege bisher die entscheidenden Karrierebausteine. Jährlich nimmt das Büro an mehreren grösseren Ausschreibungen teil. Den Durchbruch brachte 1998 der Auftrag für das Verwaltungsgebäude des Nürnberger Energieversorgers EWAG. Er war das Ergebnis eines Wettbewerbs, auf den - wie sonst in Deutschland oft üblich - keine bittere Ernüchterung folgte: Der Baubeginn verschleppte sich nicht um Jahre, und die Ausführung ging nicht an den Hausarchitekten des Bauherrn. Auch Hausmann & Müller neigen zum Purismus. Zu diesem ästhetischen Kalkül gehört nicht zuletzt, dass sie an ihren von einfachen Grossformen geprägten Bauten «kalte» Materialien wie Aluminiumpaneele oder mattiertes Glas mit honigfarben leuchtenden Hölzern kombinieren, was zu einer kraftvollen Präsenz der Gebäude führt: etwa beim Betriebshof eines Gartenbauunternehmens im Eifelstädtchen Kall. Aus der mit gewellten Blechplatten verkleideten Fahrzeughalle kragt ein gestrecktes, holzgerahmtes Fensterband aus, hinter dem die Büros liegen.

Hausmann & Müller zählen zu den Mitinitiatoren des «club a», eines Vereins, der sich als Sprachrohr der jungen Kölner Architekturszene versteht. Mit einer Ideenkampagne zur Schliessung von Baulücken oder der Aktion «Ein Haus für dich», bei der Eigenheimentwürfe der Jungarchitekten verlost wurden, versuchten sie in den letzten Jahren Öffentlichkeit für ihre Arbeit herzustellen. Das versucht auch der in Berlin arbeitende Steffen Lehmann. Sein jüngstes und wohl bisher grösstes Projekt dieser Art war die mit zwei Kolleginnen initiierte Ausstellungsreihe «Space - Time - Architecture». Parallel zum Weltarchitektenkongress UIA wurden in 90 Berliner Galerien Gemeinschaftsprojekte von Architekten und Künstlern gezeigt, die im Grenzland der künstlerischen Gattungen angesiedelt waren.

«Internationales Networking» nennt Lehmann sein Erfolgsrezept. Nach dem Diplom an der renommierten Londoner Architektenschmiede AA arbeitete er mehrere Jahre in den Büros internationaler Stars wie James Stirling und Arata Isozaki. Die Lehrjahre in der Ferne und die dabei geknüpften Arbeitsbeziehungen ebneten dem heute 39-Jährigen den Weg nach oben - seine prominentesten Bauten konnte er als Berliner Partner von Christian de Portzamparc (französische Botschaft) und seines einstigen Mentors Isozaki verwirklichen. Doch der Architekt betrachtet Weltgewandtheit nicht als Qualität an sich. «Was man an Auslandserfahrungen mitbringt, muss man nach der Rückkehr mit den regionalen Bauströmungen zusammenführen.» Es sei heute wichtiger denn je, einen modernen Regionalismus zu definieren.

Einen vielversprechenden Ansatz zur «Vermarktung» von Architektur sieht Lehmann darin, sie mit Kunst zusammenzuführen. «So etwas kommt in der Wirtschaft sehr gut an», sagt Lehmann, der den Bund Deutscher Architekten in Sachen «Kunst am Bau» berät. Eine überzeugende Integration von Kunst und Bauen gebe es aber nur, wenn der Künstler schon in die Planung eingebunden werde. «Das Berliner Ausstellungsprojekt war eine grosse Ideenwerkstatt für Teamworks dieser Art.» Lehmann, aber auch seine jüngeren Kollegen aus Leipzig, Frankfurt und Köln haben sich in ihrem Selbstverständnis notgedrungen längst eingestellt auf ein gewandeltes Berufsprofil des Architekten: Sie suchen offensiv die öffentliche Präsenz und sind universelle Gestaltungsberater, Baumanager und Koordinierungsprofis in einer Person.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.04.04

Publikationen

Presseschau 12

16. Januar 2024Frank Peter Jäger
Bauwelt

Aus der Zeit gefallen. Der Konflikt Denkmalschutz vs. Wohnungsneubau

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09. Mai 2023Frank Peter Jäger
Bauwelt

Gegen den Strom geschwommen

1973 schlossen sich Lübeck, Bamberg und Regensburg zusammen, um für den Er­halt historischer Bausubstanz zu kämpfen. Nun feiert die „Arbeitsgemeinschaft Historische Städte“ ihr Bestehen.

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04. März 2022Frank Peter Jäger
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Blecherne Gemütlichkeit

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30. April 2021Frank Peter Jäger
Bauwelt

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Derzeit läuft der Abbruch der Sanitäts- und Feuerwache in Kaiserslautern. Dass der Bau von Hermann Hussong verschwindet, ist fragwürdigen Verqui­ckungen in den Behörden von Stadt und Denkmalpflege geschuldet.

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16. Oktober 2020Frank Peter Jäger
Bauwelt

Die unwertbaren Jahren

Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark wird vielfältig, auch für den Breitensport, genutzt. Nun soll das emblematische Sta­dion weichen. Einwände hinsichtlich seines baukulturellen Werts bleiben gegenüber vorgeblichen Belangen behinderter Sportler nahezu ungehört.

Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark wird vielfältig, auch für den Breitensport, genutzt. Nun soll das emblematische Sta­dion weichen. Einwände hinsichtlich seines baukulturellen Werts bleiben gegenüber vorgeblichen Belangen behinderter Sportler nahezu ungehört.

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Bauwelt 2020|21 Für Firmen

12. Juli 2019Frank Peter Jäger
TEC21

Die Konservierung der Moderne

Zum Jubiläum des Bauhauses buhlen in Deutschland drei Städte mit neuen Museen um Kulturtouristen. Während in Berlin noch bis 2022 gebaut wird, eröffnet das Dessauer Haus im September, jenes in Weimar steht seit April den Besuchern offen.

Zum Jubiläum des Bauhauses buhlen in Deutschland drei Städte mit neuen Museen um Kulturtouristen. Während in Berlin noch bis 2022 gebaut wird, eröffnet das Dessauer Haus im September, jenes in Weimar steht seit April den Besuchern offen.

Als Anfang April in Weimar der Neubau des Bauhaus-Museums festlich der ­Öffentlichkeit übergeben wurde, fehlte es in den Feuilletons nicht an bissigen Kommentaren; das Gebäude wurde als «hermetischer Monolith» tituliert, als «düsterer Klotz» und «Betonkasten», der das Bauhaus-­Erbe für immer einsarge, anstatt es mit der Gegenwart zu verbinden. Zweierlei nahm man Heike Hanada, der Architektin des Museums, besonders übel: dass ihr Haus so wenig der äusserlichen, quasi assoziativen Erwartung an ein Museum des Bauhauses entspricht, also nicht luftig, leicht, durchlässig und gläsern ist; zweitens, dass sie keine «Gegenarchitektur» zu den angrenzenden NS-Bauten entworfen hat, sondern mit dieser Nachbarschaft ganz selbstbewusst und gelassen umgeht – und es sogar wagt, deren neoklassizistische Motive in abgewandelter Form zu zitieren. Heike Hanadas kontrovers aufgenommener Bau ist das erste von drei neuen Bauhaus-Museen, die aus Anlass des 100-Jahr-Gründungsjubiläums der legendären Design- und Architekturschule im nördlichen Nachbarland entstehen. Der Erweiterungsbau des seit 1979 bestehenden Bauhaus-Archivs in Berlin öffnet erst im Jahr 2022 für das Publikum.

Weimar: 536 Entwürfe konkurrierten

Die 54-jährige Architektin, die an der TU Dortmund lehrt und ein Büro in Berlin hat, entwickelte ihr Wettbewerbskonzept in Kooperation mit dem Berliner Architekten Benedict Tonon. Die beiden beteiligten sich an dem mehrstufigen internationalen Wettbewerb als eines von 536 Teams. Zunächst hatte die Jury aus einer engeren Wahl zwei zweite Preise und zwei dritte Preise benannt. Ein erster Preis wurde nicht vergeben. Nach der Überarbeitung (VOF-Verfahren) fällte die Jury ihre Entscheidung zugunsten des Konzepts von Hanada und Tonon. Nach Wettbewerb und VOF-Verfahren führte die Architektin das Projekt im Einvernehmen mit Tonon allein weiter.

Der von der Stadt auserkorene Museumsstandort liegt zwischen einem kleinen Stadtpark, der Weimarhalle und dem sogenannten Gauforum. Dieses um 1940 von den Nationalsozialisten fertiggestellte Ensemble besteht aus rechtwinklig um einen weiten Platz angeordneten neoklassizistischen Bauten. Das westliche Gebäude des Verwaltungskomplexes grenzt direkt ans Museumsareal. Die Architektin verzichtete darauf, ihr Museum nah an die Strasse zu rücken. Stattdessen wählte sie einen Standort in zweiter Reihe, schon fast hinter dem Westgebäude des Gauforums. Dadurch bildet sich zwischen Museum, Park und Nachbarbauten ein einladender Vorplatz.

Gefragt war nun eine Gestalt, mit der sich das Gebäude trotz seinen geringen Abmessungen und der Distanz zum Strassenraum wirkungsvoll behauptet. Die Architektin wählte die Form eines strengen, viergeschossigen Kubus.

Wagnis Neuinterpretation

In die Baugeschichte blickend, fühlt man sich an Schreine, antike Grabmale und Mausoleen erinnert. Sie habe im Entwurf nach «einer anderen Art von Monumentalität» gesucht, sagt Hanada im Gespräch. Einer Monumentalität ohne Machtgestus, die sich erkennbar abhebt vom trutzigen Neoklassizismus der NS-Repräsenta­tionsbauten nebenan. Doch wer von Westen auf das Haus blickt, erkennt, dass es formal durchaus im Dialog steht mit der Fassade des Gauforums.

Abgesehen von der Attika und der klar ausgebildeten Sockelzone finden etwa die breiten Fensterfassungen aus Muschelkalk am NS-Verwaltungsbau eine Entsprechung in markanten Fensterlaibungen, die am Museum jedoch deutlich weiter aus der Fassade heraustreten.

Diese Gelassenheit Hanadas im Umgang mit den benachbarten NS-Bauten mochte nicht jeder goutieren, manche irritierte sie. Lange Zeit war es in Deutschland gewissermassen Common Sense für das Bauen im räumlichen Kontext von NS-Bauten, dass man deren Wirkung und Habitus irgendwie «brechen» müsse, man jedenfalls, um grösstmögliche Distanz zu betonen, entwerferisch dagegenhalten muss, am besten mit viel Glas und Transparenz. Warum aber nicht, so wie es Heike Hanada vormacht, das eigene Verständnis einer auf ihre Weise monumentalen und feierlichen Architektur selbstbewusst danebenstellen? Der Unterschied im Duktus entsteht zum einen durch ein zartes Fugennetz der Sichtbetonelemente, die den Bau rhythmisieren, und zum anderen durch die kompakte Kubatur, die in die Höhe strebt, anstatt sich in die Horizontale zu erstrecken. Diese Weise, die an sich harte, geschlossene Hülle durchlässig und subtil zu machen, lässt an Elemente des traditionellen Bauens in Japan denken, wo Heike Hanada sechs Jahre gelebt und gearbeitet hat.

Nachts leuchten die Fugen

Nach Einbruch der Dunkelheit zeichnen sich die Lichtbänder, die in 24 der Horizontalfugen integriert wurden, wie die Linien eines Notenblatts auf dem Baukörper ab und verleihen ihm eine Filigranität, die man bei Tag nicht ahnt. Als Element aus der architektonischen Klassik erfährt der Fries in Gestalt des Endlos-Namenszugs «bauhaus museum» eine zeitgenössische Adaption – inspiriert von gängigen elektronischen LED-Laufschriften. Hier jedoch als Buchstaben, die in die Betonoberfläche eingeprägt sind.

Was die formalen Erwartungen an ein Bauhaus-Museum betrifft, macht sich am Projekt die Frage fest, ob ein solches Museum seinem Thema schon äus­serlich Ausdruck geben soll. Doch erscheint es als Stärke von Hanadas Gebäude, dass es eine ganz eigene Form besitzt und auf jedwede formale Anleihe bei der neuen Sachlichkeit verzichtet. Ein anderer Pluspunkt ist die überzeugend gelöste städtebauliche Einbindung. Im Süden steht das Haus so an der Hangkante oberhalb des Stadtparks, dass eine reizvolle Symbiose mit dem Grünraum entsteht: Der kleine Park wird quasi zum Museumsgarten aufgewertet, denn im Untergeschoss stellt das Museumscafé mit seiner Terrasse eine direkte Verbindung zur Parkebene her.

Die starke äussere Gestalt des Hauses hat jedoch ihren Preis, und zwar in seinem Innern. Aus manchem Blickwinkel wirkt der Innenraum merkwürdig kleinteilig. Was den Inhalt der Ausstellung (weitere Infos: espazium.ch/de/aktuelles/bauhaus-weimar-ausstellung) angeht, stellt sich die Frage, ob es denn zeitgemäss ist, die Geschichte einer vor 100 Jahren revolutionären Gestaltungsschule entlang sorgfältig in Szene gesetzter Designikonen in recht überraschungsfreien Themenstationen zu erzählen.

Am Ende des Rundgangs, wenn eigentlich niemand mehr damit rechnet, wartet das Haus noch mit einem architektonischen Trumpf auf: Die Abstiegstreppe ist als umgedrehte Himmelsleiter inszeniert, mit einem Luftraum, der an seinem unteren Ende so hoch ist wie das Haus. Nach der letzten Themenstation «Was bleibt vom Bauhaus?» führt diese Treppe passenderweise auf direktem Weg hinab in den Museumsshop.

Dessau: zwei erste Preise

Auch in Dessau, wo der Museumsneubau des in Barcelona beheimateten Büros addenda architects gerade fertig wird, hatte im September 2015 eine enorme Anzahl an Architekturbüros am Wettbewerb teilgenommen. Stolze 831 Teams aus 60 Ländern haben sich um den Bau beworben, der ab dem 8. September 2019 die mit 44 000 Objekten zweitgrösste Sammlung zum Bauhaus aufnehmen soll. Jedoch führte die atemberaubende Zahl eingereichter Ideen nicht zum perfekten Ergebnis, sondern steigerte vor allem die Fallhöhe zwischen dem gestalterisch Möglichen und dem gebauten Ergebnis. «Die Latte war hoch gesetzt. Wohl so hoch, dass man als Teilnehmer nur daran scheitern konnte», resümierte Marko Sauer 2015 in seinem Bericht (vgl. TEC21 44/2015, S. 9) das Wettbewerbsergebnis. Er behielt recht. Anstelle eines klaren Entscheids sprach die Jury zwei völlig konträren Beiträgen gleichberechtigt den ersten Preis zu. Im weiteren Verfahren setzte sich dann der konventionellere der beiden Entwürfe durch.

Ein gläserner Riegel, scheinbar transparent, leicht und zeitlos, ohne zu direkt an die Ästhetik des Bauhauses zu erinnern. Es macht ratlos, dass so viel Kreativität mobilisiert wird, um am Ende zu einem so harmlosen Glaskasten zu gelangen. Der Hang zu Entwurfskonzepten eines kleinsten gemeinsamen Nenners, zu denen alle Preisrichter/-innen am Ende irgendwie Ja sagen können, erscheint hier als fatale Schwäche. Wo bleiben die in harten Jurydebatten erkämpften Voten für einen wirklich unkonventionellen, kantigen Vorschlag?

Vision vom gläsernen Museum

Das Erste, was man bei der Annäherung an den Neubau von addenda architects erblickt, ist ein lang gestreckter, schwer definierbarer Quader, der entfernt an ein Rechenzentrum aus DDR-Zeiten oder auch an ein Autohaus erinnert. Nur ist er viel grösser. Die homogene Glashülle ist von filigranen Sprossen in ein Raster gegliedert und wirkt vor allem als Spiegel – die neogotische Backsteinfassade des Dessauer Hauptpostamts vis-à-vis zeigt sich darin ebenso wie die umliegenden Bauten der Nachkriegsarchitektur. Dieses Gebäude wirkt wie das Gegenkonzept zu Heike Hanadas Bauhaus-Museum in Weimar: Dort der turmartige, steinerne Solitär – hier die allseits verglaste, die Horizontale betonende Halle. Hier programmatische Transparenz, dort eine harte, aber akzentuierte Schale. Dem fertigen Bau in Dessau fehlt jedoch die Offenheit, die die Wettbewerbsbilder von 2015 noch transportierten.

Der 125 m lange und 25 m breite, zweigeschossige Baukörper bildet eine Zäsur, zugleich aber auch eine Membran zwischen der Kavalierstrasse, einer wichtigen Achse der Stadt, und dem Stadtpark: Während der Öffnungszeiten sollen Besucher und Anwohner ungehindert durch das Gebäude hindurch von der Strasse in den Park schlendern können.

Und im Innern des Hauses offenbart sich dann auch ein erstaunlicher Kontrast zu seiner äusseren ­Wirkung: eine weitläufige, luftige Halle mit bester Aussicht auf die Umgebung, in der künftig auf 600 m² Wechsel­ausstellungen und Veranstaltungen stattfinden sollen. In 5 m Höhe schwebt ein dunkler Körper, der von der Aussenfassade um 3.5 m nach innen gerückt ist. Die sogenannte «Black Box» erscheint im Innenraum omnipräsent. Für die inneren Wände wählten die Architekten rauen Sichtbeton, nicht geschliffen und nicht versiegelt. Gliedernd setzen sich an der Unterseite der Decke im Erdgeschoss die schwarz getünchten Unterzüge ab (weitere Infos zur Statik: espazium.ch/de/aktuelles/bauhaus-dessau-statik). Sie wirken wie eine Reminiszenz an die Deckenkonstruktion in Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie in Berlin. Generell lässt die hier verfolgte Idee eines gläsernen Museums an den singulären Wurf des letzten Bauhaus-Direktors denken, was sicher kein Zufall ist.

Die offene Mitte

Auf den Visualisierungen, mit denen addenda architects den Wettbewerb gewannen, ist der Kontrast zwischen der offenen Halle und dem dunklen, über ihr schwe­benden Raumvolumen noch deutlich sichtbar. Im nahezu fertigen Haus ist diese Transparenz der unteren Halle jedoch nur im Innern erlebbar. Ein Grund dafür dürfte sein, dass man sich im Zuge der Detailplanung entschlossen hat, unter anderem aus Gründen des ­Sonnenschutzes anstelle eines hochtransparenten ­Glases ein im Punktraster bedrucktes zu verwenden und auf einen aussen liegenden Sonnenschutz zu verzichten. Stattdessen sollen Vorhänge 0.5 m hinter der Fassade, kombiniert mit einer leistungsfähigen Belüftung des Raums zwischen Vorhang und Fassaden­innenseite, zu einem Kamineffekt führen, der die erwärmte Luft schnell ableitet und so sicherstellt, dass die Temperaturen in der Halle auch im Hochsommer moderat bleiben.

Mit der spiegelnden Fassade ist zugleich die städtebauliche Wirkung des Hauses angesprochen. Gerade in diesem zentralen, am Ende des Zweiten Weltkriegs stark zerstörten Bereich der Stadt hätte es nach einem Gebäude verlangt, das echte materiell-physische Präsenz besitzt und nicht in erster Linie seine architektonisch teils banalen Nachbarbauten spiegelt. Klare Kanten hätten der Mitte von Dessau etwas von ihren Konturen zurückgeben können. Nun bleibt zu hoffen, dass das Gebäude aus seiner offenen Mitte in den ­Stadtraum auszustrahlen vermag, wie es die Architekten in ihrem Essay zum Gebäude in Aussicht stellen.

Berlin: Ausstellungsfläche verdreifacht

Auch beim geplanten Bauhaus-Museum in Berlin sind Aspekte des Städtebaus von zentraler Bedeutung. Schon deshalb, weil es sich nicht um einen Neubau, sondern um die Ergänzung eines vorhandenen Ensembles handelt. Wie in Dessau fiel auch in Berlin im Herbst 2015 die Entscheidung (vgl. TEC21 47/2015, S. 8), jedoch wird das sanierte und erweiterte Bauhaus-Archiv erst im Jahr 2022 fertiggestellt sein. Das Bauhaus-Jubiläumsjahr erlebt das Archiv in einem Ausweichquartier. Anders als in Dessau gab es hier mit der Arbeit von Staab Architekten einen klaren ersten Preis, gefolgt von kaum weniger attraktiven Konzepten auf den weiteren Rängen. (Insbesondere sei der zweitplatzierte Beitrag von Bruno Fioretti Marquez Architekten aus Berlin erwähnt, der den vorderen Grundstücksbereich frech, aber markant mit einem mehrgeschossigen Riegel besetzt und somit den Altbau von der stark befahrenen Strasse abschirmt. Ein im doppelten Sinn angenehm kantiges Konzept.)

Von einem Erweiterungsbau zu sprechen, ist hier fast ein Understatement, wird doch im Zuge des 56-Mio.-Euro-Projekts die Nutzfläche des Gebäudes mehr als verdoppelt, die Ausstellungsfläche sogar mehr als verdreifacht. Zudem ist das Berliner Projekt – stärker als jene in Dessau und vor allem Weimar – über den Verdacht erhaben, wesentlich von Stadtmarketing­erwägungen beflügelt zu sein. 1960 in Darmstadt gegründet, verfügt das Berliner Bauhaus-Archiv über das umfangreichste Konvolut an Objekten und Dokumenten; allein das Fotoarchiv umfasst 60 000 Aufnahmen, die Architektursammlung rund 14 000 Pläne oder Zeichnungen. In dieser Zeit war das Bauhaus im Osten noch als formalistisch-dekadent gebrandmarkt. Walter ­Gropius selbst hatte sich Anfang der 1970er-Jahre ­dafür eingesetzt, seinen Entwurf eines Archivbaus am heutigen Standort in Berlin zu verwirklichen.

Der Leuchtturm

Blickfang des Siegerentwurfs von Staab Architekten ist ein «fast zarter gläserner 5-geschossiger Turm», wie es im Jurybericht heisst – eine «leuchtende Laterne», die durch einen eingeschossigen Riegel zur Von-der-Heydt-Strasse ergänzt wird. Über eine neue, unter­irdisch liegende Ausstellungsfläche wird der Neubau mit dem Bestandsbau verbunden und in den Stadtraum inte­griert. An zentraler Stelle öffnet er sich zu einem Atrium, das die neue Mitte des Ensembles bildet.

Die charakteristische Brückenrampe «promenade architecturale» als Zugang zum Bestandsbau wird durch den Neubau respektvoll eingefasst und räumlich gestärkt. Der Altbau soll künftig ausschliesslich als Archiv dienen, der Neubau die Ausstellungen aufnehmen. Von dem 1964 für die Darmstädter Mathilden­höhe geplanten Gropius-Entwurf sagten viele, er sei trotz intensiver Überarbeitung nicht wirklich erfolgreich für den Berliner Standort adaptiert worden. Erhalten blieb ­neben der allgemeinen Grundrissdisposition die von Gropius geplante einprägsame Silhouette mit den Sheddächern. 1997 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Es ist heute eines der Wahrzeichen Berlins. Die Chance des Entwurfs von Staab Architekten besteht nun darin, dass er das Bauhaus-Archiv, das bislang etwas verloren wie in der zweiten Reihe dastand, wirkungsvoll in den umgebenden Stadtraum einbettet, der sich ja seit 1979 vom aufgelockerten Randgebiet einer isolierten Halbstadt in das Zentrum einer Metropole verwandelt hat. Volker Staabs zeichenhaftem ­Entwurf bleibt zu wünschen, dass er die angestrebte Ästhetik von Transparenz und Leichtigkeit besser ­einzulösen vermag, als dies in Dessau gelang. Ein ­spätes Werk von Gropius städtebaulich zu vervollkommnen, scheint die hoffnungsvolle Essenz dieses Projekts zu sein.

TEC21, Fr., 2019.07.12



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2019|27-28 100 Jahre Bauhaus I: Grenzüberschreitung

04. April 2003Frank Peter Jäger
Neue Zürcher Zeitung

Sinn für Material und Selbstdarstellung

Ihre kreativen Anregungen holen sich deutsche Nachwuchsarchitekten vorzugsweise aus den Niederlanden, aus Japan oder aus der Schweiz - was auch daran abzulesen ist, dass Materialien wie Sichtbeton und Glas in ihren Arbeiten omnipräsent sind. Die Dominanz internationaler Grossbüros erschwert ihnen allerdings oft den Durchbruch.

Ihre kreativen Anregungen holen sich deutsche Nachwuchsarchitekten vorzugsweise aus den Niederlanden, aus Japan oder aus der Schweiz - was auch daran abzulesen ist, dass Materialien wie Sichtbeton und Glas in ihren Arbeiten omnipräsent sind. Die Dominanz internationaler Grossbüros erschwert ihnen allerdings oft den Durchbruch.

Tobias Buschbeck versendet die Einladungen zu seinem Jour fixe per E-Mail. Seit zwei Jahren veranstaltet der 34-jährige Architekt in seiner spartanisch möblierten Kleinwohnung Vorträge - als geistigen Ausgleich zu dem Krankenhausprojekt, das er beruflich seit drei Jahren leitet. Fast alle Gäste sind Architekten, die sich für ein, zwei Stunden mit Aspekten der Ästhetik und der Theorie befassen möchten, wofür sie im Alltag kaum Zeit haben. Dabei kommen städtebauliche und architektonische Themen zur Sprache. Es wird aber auch über die Vorzüge der verschiedenen Werkstoffe diskutiert. So erfuhr gerade der Beton bei der jungen und mittleren Generation deutscher Architekten eine erstaunliche Renaissance. Dass er in den siebziger Jahren, im Zusammenspiel mit einem brutalistischen Duktus, beinahe die gesamte Architektenzunft in Verruf gebracht hatte, scheint vergessen.


Einfamilienhaus und Stadtdebatte

Die Frankfurter Architekten Michael Schumacher und Till Schneider setzen beispielsweise den Beton bei dem von ihnen entworfenen «Museum Speziallager» auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin ein. Dies ist ein untypisches Projekt für ein Büro, das vor allem mit nonkonformistischen Industriebauten und Geschäftshäusern auf sich aufmerksam machte. Das Museum soll - ergänzend zur vorhandenen Gedenkstätte - an die 10 000 Menschen erinnern, die nach 1945 im Lager umkamen, als es dem sowjetischen Geheimdienst NKWD als Gulag diente. Von aussen nimmt man das Gebäude als einen länglichen, gedrungenen Quader wahr. Die Aussenwand aus Beton ist so beschichtet, dass sie leicht glänzt und die umgebende Heidelandschaft mit den alten Baracken reflektiert. Im Inneren umfängt den Besucher ein weiter, fast fensterloser Raum. Er ist von fein gestreutem Licht erfüllt, das durch die Decke einfällt. Diese besteht aus einem dicht gereihten Gebälk aus Stahlträgern, auf dem eine Dachhülle aus getöntem Glas ruht. «Der gestalterische Schwerpunkt lag eindeutig im Innenraum», sagt die 28-jährige Nadja Hellenthal, die den Bau leitete: «Indem wir das Gebäude in den Boden einsenkten, mit einer geschlossenen Betonschale umgaben und eine meditative Lichtstimmung entwickelten, haben wir versucht, den Charakter einer Gedenkstätte mit der Aufgabe musealer Dokumentation in Einklang zu bringen.» Beispielhaft ist das Projekt auch für den kreativen Umgang mit allen Arten von Glas - mattiertem, getöntem und bedrucktem Glas sowie Glasbausteinen. Das mit demokratischen Idealen verbundene Transparenzverständnis eines Günter Behnisch ist passé, der Nachwuchs sucht nach subtileren Arten der Durchlässigkeit.

Angesichts leerer öffentlicher Kassen brach die jahrelang durch Fördergelder in Milliardenhöhe angekurbelte Baukonjunktur Ostdeutschlands Ende der neunziger Jahre wie ein Kartenhaus zusammen. Ausweichmöglichkeiten gab es für die Architekten keine, denn eine private Bauherrenkultur existiert in Ostdeutschland nicht. Wer baut, baut mit Fertighausherstellern. Vor diesem Hintergrund ist der Mut der beiden Leipziger Tom Hobusch und Wolf-Heiko Kuppardt bemerkenswert, die 2001, als öffentliche Aufträge nur noch spärlich tröpfelten, den Schritt in die Selbständigkeit wagten. Der Mut wurde belohnt: Nach einigen Kleinaufträgen konnte das Duo am Leipziger Stadtrand ein Privathaus realisieren, für das es den Architekturpreis der Stadt Leipzig erhielt. Das Haus für eine Apothekersfamilie zeigt zur Strasse hin mit seiner farbigen Fassade und den liegenden Fenstern formale Anklänge an die Neue Sachlichkeit. An der Gartenseite bestimmen die schmalen und breiten Sequenzen eines Achsenrasters die Front. In seiner stilistischen Unbefangenheit ist der janusgesichtige Entwurf typisch für die Herangehensweise der jungen Generation: Formale Fragen werden bezogen auf das Gebäude entschieden, anstatt sie grundsätzlich zu diskutieren.

«Es war gar nicht so verkehrt, dass wir in einer Phase des Abschwungs angefangen haben», sagt Kuppardt: «Man lernt sich zu behaupten.» Trotz neuen Aufträgen bleibt noch Zeit für ein Spielbein, die Initiative «L 21» (Leipzig 21) - eine 2001 von insgesamt fünf Architekturbüros ins Leben gerufene Plattform, die mit Diskussionen und Kunstaktionen die produktive Auseinandersetzung mit der Problematik leer stehender Häuser in der Messestadt sucht. Entgegen den Abrissplänen der Verwaltung engagierten sie sich für stadtverträgliche Wege der Schrumpfung. Inzwischen werden sie von der Kommune mit Planungsaufträgen in den Stadtumbau einbezogen.


Professionelle Öffentlichkeitsarbeit

Für die Kölner Architekten Frank Hausmann und Michael Viktor Müller bildeten Wettbewerbssiege bisher die entscheidenden Karrierebausteine. Jährlich nimmt das Büro an mehreren grösseren Ausschreibungen teil. Den Durchbruch brachte 1998 der Auftrag für das Verwaltungsgebäude des Nürnberger Energieversorgers EWAG. Er war das Ergebnis eines Wettbewerbs, auf den - wie sonst in Deutschland oft üblich - keine bittere Ernüchterung folgte: Der Baubeginn verschleppte sich nicht um Jahre, und die Ausführung ging nicht an den Hausarchitekten des Bauherrn. Auch Hausmann & Müller neigen zum Purismus. Zu diesem ästhetischen Kalkül gehört nicht zuletzt, dass sie an ihren von einfachen Grossformen geprägten Bauten «kalte» Materialien wie Aluminiumpaneele oder mattiertes Glas mit honigfarben leuchtenden Hölzern kombinieren, was zu einer kraftvollen Präsenz der Gebäude führt: etwa beim Betriebshof eines Gartenbauunternehmens im Eifelstädtchen Kall. Aus der mit gewellten Blechplatten verkleideten Fahrzeughalle kragt ein gestrecktes, holzgerahmtes Fensterband aus, hinter dem die Büros liegen.

Hausmann & Müller zählen zu den Mitinitiatoren des «club a», eines Vereins, der sich als Sprachrohr der jungen Kölner Architekturszene versteht. Mit einer Ideenkampagne zur Schliessung von Baulücken oder der Aktion «Ein Haus für dich», bei der Eigenheimentwürfe der Jungarchitekten verlost wurden, versuchten sie in den letzten Jahren Öffentlichkeit für ihre Arbeit herzustellen. Das versucht auch der in Berlin arbeitende Steffen Lehmann. Sein jüngstes und wohl bisher grösstes Projekt dieser Art war die mit zwei Kolleginnen initiierte Ausstellungsreihe «Space - Time - Architecture». Parallel zum Weltarchitektenkongress UIA wurden in 90 Berliner Galerien Gemeinschaftsprojekte von Architekten und Künstlern gezeigt, die im Grenzland der künstlerischen Gattungen angesiedelt waren.

«Internationales Networking» nennt Lehmann sein Erfolgsrezept. Nach dem Diplom an der renommierten Londoner Architektenschmiede AA arbeitete er mehrere Jahre in den Büros internationaler Stars wie James Stirling und Arata Isozaki. Die Lehrjahre in der Ferne und die dabei geknüpften Arbeitsbeziehungen ebneten dem heute 39-Jährigen den Weg nach oben - seine prominentesten Bauten konnte er als Berliner Partner von Christian de Portzamparc (französische Botschaft) und seines einstigen Mentors Isozaki verwirklichen. Doch der Architekt betrachtet Weltgewandtheit nicht als Qualität an sich. «Was man an Auslandserfahrungen mitbringt, muss man nach der Rückkehr mit den regionalen Bauströmungen zusammenführen.» Es sei heute wichtiger denn je, einen modernen Regionalismus zu definieren.

Einen vielversprechenden Ansatz zur «Vermarktung» von Architektur sieht Lehmann darin, sie mit Kunst zusammenzuführen. «So etwas kommt in der Wirtschaft sehr gut an», sagt Lehmann, der den Bund Deutscher Architekten in Sachen «Kunst am Bau» berät. Eine überzeugende Integration von Kunst und Bauen gebe es aber nur, wenn der Künstler schon in die Planung eingebunden werde. «Das Berliner Ausstellungsprojekt war eine grosse Ideenwerkstatt für Teamworks dieser Art.» Lehmann, aber auch seine jüngeren Kollegen aus Leipzig, Frankfurt und Köln haben sich in ihrem Selbstverständnis notgedrungen längst eingestellt auf ein gewandeltes Berufsprofil des Architekten: Sie suchen offensiv die öffentliche Präsenz und sind universelle Gestaltungsberater, Baumanager und Koordinierungsprofis in einer Person.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.04.04

Profil

Seit 1999 als Architekturkritiker und Journalist tätig. Er schreibt unter anderem für die Bauwelt, das TEC21, Hochparterre, Werk, Bauen und die FAZ. Parallel dazu verfasste er eine Reihe von Büchern und Buchbeiträgen zur zeitgenössischen Architektur.
Der Tätigkeit als Autor waren das Studium der Stadtplanung und Architektur sowie die Arbeit in mehreren Architekturbüros vorausgegangen.

Nach einem Volontariat bei der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam rückte das Gebiet der Architekturvermittlung als Arbeitsschwerpunkt in den Mittelpunkt: Neben das journalistische Engagement traten seit 2002 Lehrtätigkeiten an der kommunikativen Schnittstelle zwischen Architekten und Öffentlichkeit.

An dem Anfang 2003 ins Leben gerufenen Studiengang „Kulturjournalismus“ der Berliner Universität der Künste vermittelt er Journalismus-Studenten Grundlagenwissen über Architektur- und Architekturkritik. Buch über das Berliner Werk von O.M. Ungers im Dezember 2003.
Seit 2002 ist Frank Peter Jäger als Marketing-Berater und Textredakteur für Stadtplanungs- und Architekturbüros tätig.

Lehrtätigkeit

An der FH Potsdam, der UdK Berlin und der TU Kaiserslautern.

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
Förderverein Baukultur Brandenburg, Deutsches Institut für Stadtbaukunst e.V.

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