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26. August 2023Colette M. Schmidt
Der Standard

Wunderhöhle für die Wissenschaft

Im Gilder Center, dem neuesten Zubau des American Museum of Natural History in Manhattan, haben Jeanne Gang und ihr Team Funktionalität, Forscherdrang und Spieltrieb meisterhaft verknüpft.

Im Gilder Center, dem neuesten Zubau des American Museum of Natural History in Manhattan, haben Jeanne Gang und ihr Team Funktionalität, Forscherdrang und Spieltrieb meisterhaft verknüpft.

Seit Mai ist New York um eine bemerkenswerte Sehenswürdigkeit reicher: Das Richard Gilder Center für Wissenschaft, Bildung und Innovation ist der jüngste Zubau des American Museum for Natural History (AMNH). Das 150 Jahre alte Museum erstreckt sich über vier Häuserblöcke auf der Upper West Side Manhattans und war bei Einheimischen und Touristen schon bisher beliebt. Aber auch viele Menschen, die gar nie in New York waren, kennen es, weil sie eine Nacht mit Ben Stiller und Robin Williams hier verbracht haben – die Komödie Night at the Museum spielt hier.

Mutter Natur

Das Gilder Center stiehlt den ehrwürdigen alten Museumsgebäuden nun aber die Schau, und wahrscheinlich wird das auch so bleiben. Auch im Sommer nach der Eröffnung kommen viele Besucherinnen und Besucher nicht nur, um die Welt von Insekten zu erkunden, sondern um diesen Bau zu erleben.

Es ist ein höhlenartiger Bau mit sechs Etagen, der hier scheinbar aus der Erde gewachsen oder zumindest von Mutter Natur selbst erschaffen wurde. Vermutlich etwa zu der Zeit, aus dem die berühmten Dinosaurierskelette im AMNH stammen. Doch hier haben Menschen mit rauem Beton anschmiegsam Räume geschaffen, deren Wände Wellen schlagen, und Mutter Natur heißt in diesem Fall Jeanne Gang. Die Architektin hat den Bau mit dem von ihr in Chicago gegründeten Studio Gang entworfen. An die Flintstones erinnere das riesenhafte Center, meinte etwa der Guardian. Doch bei aller Liebe für die Zeichentrickwelt der Familie Feuerstein wird der Vergleich der eleganten Verknüpfung von Funktionalität, Forscherdrang und Spieltrieb dieses Gebäudes nicht gerecht.

Geöffnete Sackgassen

Zusätzliche Ausstellungsräume, ausgestattete Klassenzimmer und eine Bibliothek mit einem wunderbaren Blick über die Stadt wurden geschaffen. Doch nebenbei haben es Gang und ihr Team geschafft, 33 Verbindungen zwischen zehn bestehenden Museumsteilen herzustellen und den gesamten Campus samt früheren Sackgassen dabei zu erschließen.

Die neue Höhlenburg öffnet sich zur Columbus Avenue hin und empfängt Gäste in einem von natürlichem Licht durchfluteten, hohen Atrium. Von hier aus hat man einen guten Überblick über alle Ausstellungen und Sammlungen. Auf Stufenbänken kann man in Ruhe überlegen, wo man beginnen möchte.

Ist man über das alte Hauptgebäude gekommen, überrascht die Leichtigkeit, mit der der Übergang gelungen ist. Plötzlich im neuen Gebäude gelandet, geht man weiter und bemerkt, wie sich der Strom der Besuchenden etwas verlangsamt, bis die meisten plötzlich stehen bleiben. Nicht weil es Engpässe gäbe, sondern weil die Leute stehen bleiben, um staunend durch eine der Öffnungen hinunter ins Atrium zu schauen. Von den Canyons im Westen der USA hat sich das Studio Gang hier inspirieren lassen.

Das Staunen kann mehrere Minuten dauern. Das ist vielleicht das schönste Kompliment für eine Museumsarchitektur, noch dazu in einer Stadt, in der es an ikonischen Museen nicht mangelt. Fast genau gegenüber, auf der anderen Seite des Central Park, liegt das ebenfalls rund 150 Jahre alte Metropolitan Museum und schräg gegenüber das legendäre Guggenheim von Frank Lloyd Wright.

Einige der Öffnungen, durch die natürliches Licht in das Atrium fällt, korrespondieren mit der näheren Umgebung des Gilder Center. Der Eingang rahmt ein benachbartes Gebäude ein und zu „Manhattanhenge“, wenn viermal im Jahr vor und nach den beiden Sonnenwenden die Straßenzüge von Westen nach Osten im Sonnenuntergang glühen, soll auch das Gilder Center besonders leuchten.

Nach innen strahlt der Bau jedenfalls trotz seiner rund 21.400 Quadratmeter Größe Geborgenheit aus, sicher auch für die Kinder der Schulklassen, die hier viele Exponate auch angreifen dürfen. Während in älteren Museumsteilen Dinosaurier stehen und ein lebensgroßer Wal von der Decke hängt, ist die Riesenhöhle nämlich den ganz kleinen Lebewesen gewidmet: Man lernt hier alles über Insekten aller Art, wobei einige Arten auch lebendig beobachtet werden können. Nicht alle sind so hübsch wie jene im Butterfly Vivarium auf der zweiten Ebene, wo einem rund tausend Schmetterlinge umflattern.

Virtuell ist hingegen ein anderes Highlight im neuen Museumsbau: die Ausstellung Invisible Worlds (Unsichtbare Welten) erzählt mit flirrenden Bildern von intensiven Farben und glasklarem Sound, wie alles Leben auf der Erde miteinander verbunden ist. Ganze Familien stehen hier etwa im Regenwald und kommen den Bäumen in den 360-Grad-Projektionen so nah, dass sie Insekten über die Baumrinden krabbeln sehen. Minuten später sind sie in den Tiefen des Ozeans Auge in Auge mit Plankton. Die eigenen Schritte können dabei Projektionen am Boden beeinflussen.

Jeanne Gang will, dass das Gilder Center „zum Entdecken und Erforschen“ einlädt, „nicht nur symbolisch auf einer wissenschaftlichen Ebene, sondern zu einem großen Teil auch im Sinne dessen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein“.

Auf Augenhöhe mit allem Leben auf dem Planeten: Das ist der rote Faden der didaktischen Inhalte des Museums, die Architektur nimmt diesen durchwegs auf – egal ob man vor übergroßen Honigwabenmodellen steht oder selbst wie eine Ameise durch die geschwungenen Gänge des Zubaus läuft.

Vertrauen in die Wissenschaft

Angesichts der Begeisterung, mit der das Museum von Medien und den Gästen aufgenommen wird, ist es wahrscheinlich leichter zu verkraften, dass es 465 Millionen Dollar (rund 427 Millionen Euro) und nicht wie anfangs budgetiert 325 Millionen Dollar kostete und statt 2019 erst 2023 fertig wurde.

Ellen Futter, 30 Jahre Präsidentin des AMNH, übergab die Museumsleitung nur Wochen vor der Eröffnung ihrem Nachfolger Sean Decatur.

Bei der Eröffnung hoffte Futter, dass das Gilder Center in einer „kritischen Zeit“ Menschen helfen werde, „die Natur besser zu verstehen, der Wissenschaft zu vertrauen und sich dazu inspirieren zu lassen, unseren kostbaren Planeten und seine zahlreichen Lebensformen zu beschützen“. Wo könnte das besser gelingen?

Der Standard, Sa., 2023.08.26

04. März 2019Colette M. Schmidt
Der Standard

Bangen um Stadtteilarbeit in Graz

2015 wurde den Stadtteilzentren in Graz, die besonders in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wichtige Arbeit leisten, noch der Ausbau versprochen. Ab Juli streicht FP-Stadtrat Eustacchio nun die Förderungen.

2015 wurde den Stadtteilzentren in Graz, die besonders in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wichtige Arbeit leisten, noch der Ausbau versprochen. Ab Juli streicht FP-Stadtrat Eustacchio nun die Förderungen.

Gemeinwesen, Empowerment, Mitgestaltung des eigenen Lebens, Nachbarschaftspflege – das sind für die vier Stadtteilzentren, die in Graz kommunal mit der größten Bürgernähe arbeiten, nicht nur Schlagworte. Seit Jahren wird hier vor allem auch in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wertvolle Arbeit geleistet.

Konkret gibt es das Stadtteilzentrum Nanet, die Stadtteilarbeit Eggenlend, das SMZ Jakomini und das Stadtteilzentrum Triester. Die Stadt Graz entwickelte 2015 ein Leitbild für die Stadtteilarbeit der Stadtteilzentren und insgesamt elf Nachbarschaftszentren und versprach einen Ausbau derselben.

„Stadtteilarbeit neu“

Doch als die Zuständigkeit für die Grätzelinitiativen 2017 in die Verantwortung des FPÖ-Vizebürgermeisters Mario Eustacchio wanderte und dieser eine „Stadtteilarbeit neu“ ankündigte, fürchteten die Zentren um ihren Weiterbestand, ohne genau zu wissen, was Eustacchio eigentlich vorhatte. Mittlerweile steht fest, dass die kommunalen Treffs ab Juli 2019 keine Förderungen mehr erhalten werden. So schlagen nun alle vier, unterstützt von den Grünen und der KPÖ, gemeinsam Alarm.

„Die geplanten Kürzungen ergeben ökonomisch keinen Sinn, richten jedoch enormen Schaden an“, sagt der grüne Bezirksrat Tristan Ammerer zu der Einstellung der Kürzungen.

„Ich muss eigentlich Ende des Monats alle vier Mitarbeiter, einschließlich meiner selbst, kündigen“, sagt Elisabeth Hufnagl dem STANDARD. Hufnagl ist für das Stadtteilzentrum Triester in der bekanntesten Grazer Arbeitersiedlung, der Triestersiedlung, verantwortlich. Dort hat man im Gemeindebau eine 67 Quadratmeter große Räumlichkeit gemietet, die seit 2010 permanent bespielt wird: mit regelmäßigen Veranstaltungen für Leute über 50, einem wöchentlichen „Weibertreff“, einer Tauschbörse für Gegenstände und einer weiteren für Fertigkeiten, die sich „Eine Stunde Lebenszeit“ nennt. Zweimal wöchentlich gibt es den „offenen Betrieb“ ohne Konsumzwang, wo man sich einfach bei Kaffee und Tee mit Nachbarn unterhalten kann. Außerdem betreibt das Zentrum zwei Gemeinschaftsgärten, in einem davon lernen Schüler von März bis Schulschluss Säen und Ernten.

90.000 Euro erhielt man dafür bisher jährlich, sagt Hufnagl, und war damit noch das am besten finanzierte Zentrum in Graz. Eustacchio beruhigte in einem Brief, dass Stadtteilarbeit weiter in „anderer Form“ gefördert werde. Man könne ja um Förderung ansuchen. Das beruhigt die Zentren, deren Arbeit im aktuellen Bericht des Grazer Menschenrechtsbeirats als enorm wichtig betont wird, nicht. „Wer soll den das Ansuchen stellen, wenn keiner mehr das ist?“, fragt Hufnagl.

Der Standard, Mo., 2019.03.04

05. September 2017Colette M. Schmidt
Der Standard

„Wir sind halt ein bissel weniger pingelig“

Wien bekommt sein erstes Vinzidorf nach Grazer Vorbild, wo das Konzept hunderte Obdachlose von der Straße holte. Pfarrer Wolfgang Pucher kämpfte 14 Jahre für das Wiener Haus, in dem auch Alkohol getrunken werden darf.

Wien bekommt sein erstes Vinzidorf nach Grazer Vorbild, wo das Konzept hunderte Obdachlose von der Straße holte. Pfarrer Wolfgang Pucher kämpfte 14 Jahre für das Wiener Haus, in dem auch Alkohol getrunken werden darf.

In einem Jahr soll im zwölften Gemeindebezirk das erste Vinzidorf Wiens auf einem Grundstück der Lazaristen eröffnet werden. Dann sollen 24 Obdachlose den Winter 2018 in warmen, eigenen Zimmern erleben, in denen sie für immer bleiben können. Acht der 24 Einheiten werden im ersten Stock eines alten Hauses, das völlig neu adaptiert wird, eingerichtet, die restlichen 16 im Garten des Haupthauses in Einzelmodulen, die in Holzriegelbauweise errichtet werden. Jede Wohneinheit soll rund acht Quadratmeter groß sein, wird von einer Person bewohnt und verfügt über ein WC und eine Waschgelegenheit. Im Haupthaus gibt es auch eine Küche und einen Speisesaal.

Vor wenigen Tagen wurde der Spatenstich auf der Baustelle in Wien-Meidling gefeiert. Nach sage und schreibe 14 Jahren. Wer den Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher kennt, weiß, dass seine Energie und seine Beharrlichkeit groß sind. So ist es wenig verwunderlich, dass er 14 Jahre lang nicht lockerlässt, wenn er eine Idee umsetzen will. So lange wurde mit dem Bauamt verhandelt, vor zwei Jahren gab es dann die Baugenehmigung.

Was das Konzept der Obdachlosenunterkünfte der Vinzenzgemeinschaft in Graz, mit der Pucher schon seit 24 Jahren erfolgreich ist, von anderen Obdachlosenasylen unterscheidet, ist die Erlaubnis, Alkohol zu trinken. „Wir sind halt ein bisserl toleranter als andere, ein bissel weniger pingelig“, umschreibt es Pucher im STANDARD -Gespräch. Tatsächlich erkannte Pucher das Problem vor einem Vierteljahrhundert, dass gerade unter Obdachlosen viele Alkoholkranke sind, man in den herkömmlichen Asylen aber nicht trinken darf.

Leben und sterben

Manche erfroren, weil sie es nicht schafften, vom Alkohol loszukommen. Da begann er, die Obdachlosigkeit in Graz regelrecht abzuschaffen. Eine Containersiedlung war das erste Vinzidorf. Hunderte Männer lebten und viele starben seither auch in einer der Einrichtungen in Graz, die zum permanenten Zuhause wurden. Mittlerweile gibt es auch eigene Unterkünfte für Frauen. Freilich braucht es dabei intensive Betreuung. „Das sind Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen eben an keine Regeln halten können“, sagt Pucher, „wir geben ihnen trotzdem eine Heimat.“

Die Projektleiterin des ersten Wiener Vinzidorfes, Christine Winner, weiß auch von anfänglichen Sorgen mancher Anrainer, als das Projekt bekanntwurde. „Die dachten aber, dass die Bewohner einfach sich selbst überlassen sein werden, was natürlich nicht der Fall ist“, erklärt Winner. „Es gibt eine 24-Stunden-Betreuung vor Ort, es ist immer jemand da, der sich um sie kümmert.“

Finanziert wird die Einrichtung bisher nur aus privaten Geldern. „Aus öffentlicher Hand gibt es überhaupt nichts“, betont Winner. „Wir bekamen fast eine Million an Spenden zusammen und 500.000 Euro, die noch fehlten, kamen aus dem zinsenfreien Kredit einer Privatbank.“ Das Architekturbüro Gaupenraub +/- wird das Vinzidorf baulich umsetzen.

Der Standard, Di., 2017.09.05

30. April 2015Colette M. Schmidt
Der Standard

Extravagante Architektur für zeitgenössische Kunst

Nach einjähriger Umbauphase ist das Museum Liaunig wieder offen. Insgesamt umfassen die Schauräume des Kunstsammlers im Südkärntner Neuhaus nun 7000 Quadratmeter. Sonderausstellungen sind Sean Scully und den Malern der „Wirklichkeiten“ gewidmet

Nach einjähriger Umbauphase ist das Museum Liaunig wieder offen. Insgesamt umfassen die Schauräume des Kunstsammlers im Südkärntner Neuhaus nun 7000 Quadratmeter. Sonderausstellungen sind Sean Scully und den Malern der „Wirklichkeiten“ gewidmet

Seit sieben Jahren ist der kleine Südkärntner Ort Neuhaus/Suha mit seinen rund 1000 Einwohnern auf den Straßenkarten von Kunstfreunden markiert. Denn 2008 eröffnete hier der Unternehmer und Kunstsammler Herbert Liaunig – er besitzt mit knapp dreitausend Werken eine der bedeutendsten Sammlungen österreichischer Kunst nach 1945 – sein mittlerweile denkmalgeschütztes und mehrfach ausgezeichnetes Museum aus Sichtbeton, Stahl und Glas. Nun wurde das kühne, aus vier markanten Baukörpern bestehende Baukunstwerk des Wiener Architekturbüros Querkraft um mehr als 2000 Quadratmeter vergrößert. Über die Kosten des neuen Sonderausstellungsraums und der zwei unterirdisch gelegenen Präsentationsräume schweigen sowohl der Bauherr wie auch die Querkraft-Architekten.

Vierecke im Dreieck

Gleich nach dem Eingang geht es nun in den neuen Zubau für Wechselausstellungen. Rechtecke und Quadrate Sean Scullys weihen das dreieckige, lichtdurchflutete Atrium ein. Die Ruhe ausstrahlenden Gemälde und Aquarelle des 69-jährigen Iren, dem zuletzt 2012 im Lentos Museum eine Personale gewidmet war, sind bis 31. Oktober zu sehen. Kuratiert wurde die Schau von Peter Baum. Vom Foyer gelangt man, vorbei an dem hinter Glas befindlichen Schaudepot, in den spektakulären Hauptraum des Museums, der an beiden Enden atemberaubende Ausblicke auf die Drau und in die schroffe Bergwelt gewährt.

Die Quadratur der Ruhe

Hier hat Hans-Peter Wipplinger, Leiter der Kunsthalle Krems, die bisher größte Überblicksausstellung der Künstlergruppe „Wirklichkeiten“ kuratiert: Mehr als zweihundert farbintensive, mitunter psychedelische, oft freche Arbeiten bestätigen das Credo ihrer Mitglieder: keine Ideologien, keine Rezepte, kein Akademismus.
Wolfgang Herzig, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Franz Ringel, Robert Zeppel-Sperl und, als einzige Frau, Martha Jungwirth setzten auf jeweils höchst unterschiedliche Weise in den 1960er- und 1970er-Jahren einen selbstbewussten Kontrapunkt zu den Phantastischen Realisten und den abstrakten Malern und pflegten, so Wipplinger, auffallend enge Kontakte zur Literaturszene.
In einem fast sakralen Kuppelraum im Untergeschoß wurde Platz für ein Skulpturendepot geschaffen. Der Skulpturenpark des Museums wird erst nächstes Jahr fertig. Ebenfalls unterirdisch sind drei weitere Kollektionen ausgestellt: Gold der westafrikanischen Akan, Porträtminiaturen von 1590 bis 1890 sowie Gläser aus der Zeit von 1500 bis 1850.

Kärntner Kulturpolitik

Nach seinem Verhältnis zu Kärntens Kulturpolitik befragt, antwortet der mit Aschenbecher und Zigarre durch sein Museum schreitende Liaunig: „Welche Kulturpolitik?“ Dafür darf sich der Industrielle, der viele Millionen in Museum und Kunst investierte, aussuchen, wer hineindarf – und wann. Mit der Erweiterung ändert sich der Besuchsmodus insofern, als es keiner Voranmeldung mehr bedarf. Von Mittwoch bis Sonntag ist das Museum ab zehn Uhr geöffnet. Nur Kinder bis elf müssen weiterhin aus Sicherheitsgründen draußen bleiben.

Der Standard, Do., 2015.04.30



verknüpfte Bauwerke
Museum Liaunig

23. Oktober 2013Colette M. Schmidt
Der Standard

Neues Kleid aus Sonne, Holz und Innovation

In einer Kapfenberger Arbeitersiedlung wurde ein Haus mit ökologischen Materialien thermisch so saniert, dass die Mieter künftig fast keine Strom- und Heizkosten zahlen. Ökologische Technik traf soziologischen Beistand.

In einer Kapfenberger Arbeitersiedlung wurde ein Haus mit ökologischen Materialien thermisch so saniert, dass die Mieter künftig fast keine Strom- und Heizkosten zahlen. Ökologische Technik traf soziologischen Beistand.

Statt nur etwas neue Schminke aufzutragen, um ein in die Jahre gekommenes Mehrparteienhaus in der Johann-Böhm-Straße in Kapfenberg aufzumöbeln, hat man dem Gebäude ein futuristisches, maßgefertigtes Kleid aus ökologischem Material übergezogen und sein Innenleben, sprich die Haustechnik, gründlich auf Vordermann gebracht.

Das Ergebnis ist ein modernes sogenanntes Plus-Energie-Haus. Dass seine Ursubstanz aus den 1960er-Jahren stammt, kann man sich jetzt fast nicht mehr vorstellen. Der Bau, der aus zwei identischen Gebäudeteilen besteht, also eigentlich ein Doppelhaus ist, steht in einer typischen Arbeitersiedlung der obersteirischen Industriestadt.

In den vergangenen Jahren war nur mehr rund die Hälfte der teilweise sehr kleinen Wohnungen (um die 30 Quadratmeter), bewohnt. Die Mieter sind eine sehr durchmischte Gruppe von Jungfamilien bis Pensionisten, von Kindern ehemaliger Gastarbeiter bis zu „alteingesessenen“ Kapfenbergern. Sie hatten vermehrt mit den Tücken eines alten, nur mehr halb bewohnten Hauses zu kämpfen: „Schimmel, Rohrbrüche, die ganze Palette“, sagt Tobias Weiß vom Büro Nussmüller Architekten.

Daran lag es wohl auch, dass die Bewohner zu 90 Prozent sehr positiv darauf reagierten, dass hier endlich etwas unternommen wurde. Denn anders als bei Häusern, die erst saniert und dann mit einer zahlungskräftigeren Klientel völlige neu besiedelt werden, profitieren hier auch die bisherigen Mieter.

Sie zogen in einem ersten Bauabschnitt ins Nebenhaus um. „Der ganze Umsiedelungsprozess wurde von zwei Soziologen begleitet“, erzählt Architekt Weiß. Begonnen hat das Grazer Architekturbüro im Auftrag der Siedlungsgenossenschaft Ennstal mit der Sanierung im Spätsommer 2012.

Nach einigen Monaten konnten die Bewohner das sanierte Haus, in dem nachträglich Aufzüge und auch neue Badezimmer eingebaut wurden, womit es komplett barrierefrei ist, beziehen. Bis zum Frühjahr 2014 soll auch die zweite Hälfte fertig sein.

Aus den ursprünglich 40 Wohnungen wurden 32, dafür wurden die einzelnen Einheiten etwas größer. „Kleinwohnungen für Singles kriegen sie in Wien und Graz vielleicht schnell weg, aber hier in Kapfenberg ist der Bedarf an Wohnungen von 60 bis 90 Quadratmetern für Familien groß. Die Siedlung ist sehr familiär geprägt“, erklärt Nussmüller.

Bei der Vergabe der früher leerstehenden Wohnungen wurde auf eine „gute Durchmischung“ geachtete, damit kein Wohnghetto für Menschen mit geringen Einkommen entsteht.

Obwohl die Mieter in der Johann-Böhm-Straße heute plötzlich Balkone, neue Bäder ein modernes Belüftungssystem mit speziell an der TU Graz entwickelten Kastenfenstern haben, wird die Gesamtmiete in den Gemeindewohnungen nur sehr wenig erhöht. Denn das Haus wurde von einer „Energieschleuder aus den 1960er-Jahren zum Null-Energie-Haus“, erzählt Weiß. Das heißt, die Kosten für Strom und Heizung entfallen künftig fast ganz.

Forschung direkt umgesetzt

Das Büro Nussmüller Architekten war zuvor an einem Forschungsprojekt beteiligt, das sich mit dem Einsatz ökologisch nachhaltiger Materialen wie Holz bei innovativen thermischen Sanierungen befasste. In Kapfenberg, wo zwölf mal drei Meter große Holzelemente zum Einsatz kamen, brachte man unter anderem auf dem Flachdach, dem das alte Satteldach weichen musste, 1200 Quadratmeter Fotovoltaikzellen an. Zudem wird durch ein seitlich angebrachtes Sonnenkollektoren-„Segel“ das Brauchwasser erwärmt.

Das 3,4 Millionen Euro schwere Projekt wurde zum Teil vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert.

Der Standard, Mi., 2013.10.23

13. Juli 2013Colette M. Schmidt
Der Standard

Bilbao-Blase an der Mur

Architektur, die nicht nur die Routen von Städtetouristen veränderte, sondern ganze Stadtviertel prägte, zeigt die Schau „Kultur:Stadt“

Architektur, die nicht nur die Routen von Städtetouristen veränderte, sondern ganze Stadtviertel prägte, zeigt die Schau „Kultur:Stadt“

Langgezogene transparente Körper, emporstrebende Monumentalbauten oder verspielt auf alle Seiten hin aufblühende Bauteile. Die Architektur, in der man Museen, Bibliotheken oder multipel bespielbare Kulturzentren beherbergen kann, hat viele Gesichter. Die Frage, ob und wie sie ihr unmittelbares, meist urbanes Umfeld verändert, ist mindestens ebenso spannend.

Genau 37 Modelle mehr oder weniger herausragender Kulturbauten dieser Welt stehen - unkommentiert und in nicht unbedingt logischer Abfolge - im düsteren Raum umher. Und dieser Raum ist selbst das Innere eines in der Schau Kultur:Stadt gezeigten Bauwerke, nämlich die blaue Blase des Grazer Kunsthauses. Sie ist die zweite Station der von Wulf Walter Boettger und Caroline Wolf kuratierten Ausstellung, die bis Mai in der Berliner Akademie der Künste lief.

Wer sich mit den Modellen und dem einen oder anderen dazugehörigen Plan ein bisschen alleingelassen fühl, braucht nicht zu verzagen: Ein ausführlicher, reich illustrierter Katalog und ein Tablet-Computer, der einem mitgegeben wird, leiten durch die kleine, feine Schau. Ikonen der vergangenen Jahrzehnte wie das Opernhaus in Sydney von Jørn Utzon oder Frank Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao erkennt man schon aus der Ferne. Letzteres ist ja namensgebend für jenen Effekt, den Architektur bei der Aufwertung einer Stadt leisten kann.

In Kurzfilmen, die in der Ausstellung gezeigt werden, kann man einen lebendigen, atmosphärischen Eindruck der Objekte bekommen, den unbelebte Modelle - etwa einer Tate Modern - nie vermitteln könnten.

Neben dem Grazer Kunsthaus ist die Wiener Generali Foundation von Christian Jabornegg und András Pálffy das einzige österreichische Beispiel.

Der Standard, Sa., 2013.07.13

08. Juni 2013Colette M. Schmidt
Der Standard

Eine Kaufhausfamilie mit Visionen

Die Geschichte des Grazer Warenhauses Kastner & Öhler ist jene einer ungewöhnlichen Familie. Sie führt die Firma seit 140 Jahren.

Die Geschichte des Grazer Warenhauses Kastner & Öhler ist jene einer ungewöhnlichen Familie. Sie führt die Firma seit 140 Jahren.

Als sich der 24-jährige Buchhalter Carl Kastner und der 26-jährige Verkäufer Hermann Öhler im 19. Jahrhundert bei einer Firma in Troppau (heute Opava in Tschechien) kennenlernen, können beide nicht ahnen, dass ihre Namen auch noch fünf Generationen später für eines der ältesten Unternehmen Österreichs stehen werden. Kastner erbt 30.000 Gulden von seiner Großmutter und will sich damit selbstständig machen. Er fragt den Kollegen, ob dieser sein Geschäftspartner werden will. Die beiden gründen am 1. April 1873 in Troppau die Kurzwarenhandlung Kastner & Öhler - mitten in einer Wirtschaftskrise. Sie kaufen Waren, lassen Wäsche in Heimarbeit herstellen und bieten diese preisgünstig an. Ihre Zielgruppe: wenig Vermögende. Das Geschäftsmodell geht auf. Bis 1881 werden unter anderem Niederlassungen in Prag, Brünn, Arad und Wien gegründet.

In der Liebe war der überzeugte Sozialdemokrat Carl Kastner nicht ganz so wagemutig. Er soll er sich zwar „auf den ersten Blick“ in Julie Öhler, eine Schwester seines Geschäftspartners, der aus einer großen jüdischen Familie stammte, verliebt haben, doch - so erinnert sich 2008 für eine Ausstellung im Stadtmuseum seine Enkelin Daisy Bene an Familiengeschichten - „als er endlich damit herausgekommen ist, haben alle schon geglaubt, er meint die jüngere Schwester, weil er aus Schüchternheit nicht mit ihr, sondern mit ihrer kleinen Schwester geredet hat“. Schließlich finden die beiden zusammen. Durch die Eheschließung werden die Familien von Kastner und Öhler eine. Das Paar bekommt neun Kinder.

Ein Zufall namens Graz

1883 entdeckt Carl Kastner durch einen Zufall Graz. Mit dem Zug auf der Durchreise nach Zagreb aufgehalten, muss er einige Stunden in Graz verbringen. Nach einem Spaziergang vom Bahnhof in die Innenstadt ist er so begeistert von der Stadt, dass er sofort ein kleines Geschäft in der Sackstraße mietet, wo er Kurzwaren anbietet. Graz wird zum Hauptsitz des Unternehmens und der Familie und bleibt es.

2013: Martin Wäg, Ururenkel von Carl Kastner, sitzt in der Champagnerbar im ersten Stock des vor drei Jahren umgebauten Kaufhauses in der Sackstraße mit Blick auf die Rolltreppe in die große Halle. In den verschiedenen Etagen stehen dieser Tage grüne Figuren mit Fotos und alten Dokumenten. Sie bilden die Ausstellung Warenhaus im Museum anlässlich des 140-jährigen Bestehens des Unternehmens, eine Kooperation mit dem Universalmuseum Joanneum.

Die Familie scheut den Kontakt mit der Presse normalerweise. Bescheiden und unaufgeregt erzählt der 1965 geborene Wäg, der gemeinsam mit dem 1968 geborenen Thomas Böck, einem Ururenkel Hermann Öhlers, das Unternehmen leitet, dem STANDARD davon, wie in ihm selbst als Maturant die Idee reifte, Wirtschaft zu studieren und in der Firma zu arbeiten. Von seinem Vater sei er dazu nie gedrängt geworden, „nicht einmal als Wunsch formuliert“, betont Wäg, „in unserer Kindheit herrschte diesbezüglich vollkommene Freiheit“.

Auch in den Generationen vor Wäg und Böck waren stets Familienmitglieder im Unternehmen, das zu hundert Prozent im Besitz der Nachkommen von Carl Kastner und Hermann Öhler ist, am Ruder. Die in den 1970er-Jahren erdachte „Konstruktion mit Aufsichtsrat und Familienrat haben wir jetzt ein paar Jahrzehnte geübt, und sie funktioniert gut“, sagt Wäg.

Das Wort Familienunternehmen hat oft den Beigeschmack von klein gedachten unveränderlichen Strukturen, nicht gera- de von visionärem Wirtschaften. Doch schon die beiden Gründer probierten immer wieder Neues aus.

Der erste von vielen weiteren radikalen Umbauten des Stammhauses in der Grazer Sackstraße verwandelte das kleine Geschäft 1895 in ein mehrgeschoßiges Warenhaus mit großem Sortiment, Mode, Haushalts-, aber auch Sportartikel, wie es in Europa neu war. In die drei Etagen führte bereits ein Lift.

1901 begann mit Richard, Paul und Albert Kastner sowie Franz Öhler die zweite Generation im Haus zu arbeiten. Weitere Gebäude werden gekauft und 1913 erfolgt der nächste große Umbau durch das Architektenduo Fellner & Helmer, das auch das Wiener Volkstheater und die Grazer Oper baute. Auffällige Architektur zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Kaufhauses: 2003 baute das Architekturbüro Szyszkowitz-Kowalski eine aufsehenerregende Tiefgarage, während deren Bau historische Häuser temporär auf einer Pfahlkostruktion standen, 2010 sorgten die spanischen Architekten Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano für den vorerst letzten Umbau samt spektakulärer Dachlandschaft und einer Caféterrasse, die zum touristischen Hotspot über der mittelalterlichen Dachlandschaft von Graz wurde.

Kastner & Öhler hatte auch den ersten Versandhandel Europas und bereits im Jahr 1912 rund 60.00 Versandkunden. Solche Meilensteine oder die Rolltreppe, für die 1959 Menschen eigens anreisten, sind bekannt.

Weniger bekannt sind die Sozialleistungen, die das Unternehmen viele Jahre vor anderen für seine Mitarbeiter einführte. 1903 installierte man einen Betriebsarzt, 1905 führte man Urlaubsgeld ein, fünf Jahre bevor das Gesetz wurde. 1906 beschloss man die Sonntagsruhe und 1908 den Ladenschluss ab 19 Uhr. 1914 wurde erstmals Weihnachtsgeld ausbezahlt. Alles freiwillig.

Die beiden Gründer seien eben „selbst einmal Angestellte gewesen“, bemerkt dazu Wäg, „sie wollten, dass es ihren Leuten gutgeht“.

Doch es kam eine Zeit, in der Visionen keinen Platz hatten. Am Tag vor dem Anschluss Österreichs im März 1938 bereitete ein Kommissär die Arisierung des Unternehmens vor. Doch die Familie konnte das Geschäft halten. Es wurde rasch an die Schwiegersöhne verkauft und Alpenlandkaufhaus genannt. Jene Familienmitglieder, die den Nazis als „Halbjuden“ oder Juden galten, flohen in letzter Minute.

Franz Öhler, Sohn des Gründers Hermann Öhler, ging nach Zagreb, wo man eine Filiale betrieb. Er engagierte sich von dort für die Befreiung Österreichs.

Die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, die ihren Widerstand gegen die Nazis - anders als ihr Grazer Kollege Herbert Eichholzer, ein Freund der Kaufhausfamilie - überlebt hatte, schrieb später in ihren Erinnerungen über Öhler: „Er war kein Kommunist, unterstützte aber den Widerstandskampf in Österreich, wo und wie er nur konnte. In Zagreb stellte er seine Adresse und seine Wohnung für unsere Arbeit zur Verfügung.“ Dort fanden Besprechungen der Widerstandskämpfer statt. Öhler wurde 1941 verhaftet. Er starb im KZ Buchenwald am Tag nach der Befreiung des Lagers.

Neubeginn nach dem Krieg

„Nach dem Krieg versammelten sich alle hier wieder“, erzählt Wäg, „das Geschäft war bis auf eine Etage leer, und sie begannen wieder damit, Waren aufzutreiben und Kunden zu finden.“

19 Uhr. Ladenschluss. Die Klimaanlage schaltet sich ab, die Rolltreppe steht. „Kein Problem, wir kommen auch runter“, nickt Wäg den letzten Mitarbeitern zu, die aus der großen Halle mit den kürzlich rekonstruierten goldenweißen Säulen heraufschauen. Dann räumt der Chef noch schnell die Kaffeetassen in der Bar weg.

Der Standard, Sa., 2013.06.08

19. November 2011Colette M. Schmidt
Der Standard

Ein Museumsviertel als neuer Platz mit sonnigem Untergrund

Ein Untergeschoß, das nichts von einem Keller an sich hat, sondern von Sonnenlicht durchflutet ist: So präsentiert sich das neue Besucherzentrum des Universalmuseums...

Ein Untergeschoß, das nichts von einem Keller an sich hat, sondern von Sonnenlicht durchflutet ist: So präsentiert sich das neue Besucherzentrum des Universalmuseums...

Ein Untergeschoß, das nichts von einem Keller an sich hat, sondern von Sonnenlicht durchflutet ist: So präsentiert sich das neue Besucherzentrum des Universalmuseums Joanneum, das pünktlich eine Woche vor dem 200. Stiftungstag des ältesten Museums Österreichs, am 26. November, fertig wurde. Rund 14 Jahre sind seit der ersten Idee und der Fertigstellung des Joanneumsviertels vergangen.

Unter dem Platz zwischen dem Stammhaus in der Raubergasse und dem Neobarockgebäude in der Neutorgasse sowie der Kalchbergasse entstand unterirdisch eine Verbindung zwischen Kunst und Naturwissenschaft, die durch vier großzügige Glastrichter in der Größe von Schwimmbecken mit Tageslicht versorgt wird. Außerdem bietet dieses neu geschaffene Untergeschoß Platz für neue Räumlichkeiten des Bild- und Tonarchivs des Landes und für ein ein neues Depot.

Durch ihre Dachlandschaft sei die Innenstadt von Graz sehr klar definiert, sagte der Architekt des Joanneumsviertels, Enrique Sobejano, bei der Pressekonferenz am Freitag, weswegen die ganze Erweiterung des Museums unterirdisch stattfand, „aber trotzdem ein neuer Platz für die Stadt geschaffen wurde“. Auf diesem stehen auch schon die ersten Holzhütten für den dieses Wochenende beginnenden Advent bereit.

Sobejano wickelte das Projekt vor Ort mit dem Architekturbüro EEP Architekten ab. Dabei bleib man in zwei Jahren Bauzeit mit 34 Millionen Euro zeitlich und budgetär im vorgegebenen Rahmen.

Der Intendant des Universalmuseums, Peter Pakesch, zeigte sich erfreut über das Ergebnis. Auch, weil man dem ursprünglichen Gedanken des Stifters Erzherzog Johann durch „einen Themenmix zwischen Geschichte, Kunst und Natur“ treu bleibe. Die Grazer können am 26. 11. ab 16 Uhr erstmals ihr neues Museum mit Zählkarten gratis besichtigen.

Der Standard, Sa., 2011.11.19

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Presseschau 12

26. August 2023Colette M. Schmidt
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Wunderhöhle für die Wissenschaft

Im Gilder Center, dem neuesten Zubau des American Museum of Natural History in Manhattan, haben Jeanne Gang und ihr Team Funktionalität, Forscherdrang und Spieltrieb meisterhaft verknüpft.

Im Gilder Center, dem neuesten Zubau des American Museum of Natural History in Manhattan, haben Jeanne Gang und ihr Team Funktionalität, Forscherdrang und Spieltrieb meisterhaft verknüpft.

Seit Mai ist New York um eine bemerkenswerte Sehenswürdigkeit reicher: Das Richard Gilder Center für Wissenschaft, Bildung und Innovation ist der jüngste Zubau des American Museum for Natural History (AMNH). Das 150 Jahre alte Museum erstreckt sich über vier Häuserblöcke auf der Upper West Side Manhattans und war bei Einheimischen und Touristen schon bisher beliebt. Aber auch viele Menschen, die gar nie in New York waren, kennen es, weil sie eine Nacht mit Ben Stiller und Robin Williams hier verbracht haben – die Komödie Night at the Museum spielt hier.

Mutter Natur

Das Gilder Center stiehlt den ehrwürdigen alten Museumsgebäuden nun aber die Schau, und wahrscheinlich wird das auch so bleiben. Auch im Sommer nach der Eröffnung kommen viele Besucherinnen und Besucher nicht nur, um die Welt von Insekten zu erkunden, sondern um diesen Bau zu erleben.

Es ist ein höhlenartiger Bau mit sechs Etagen, der hier scheinbar aus der Erde gewachsen oder zumindest von Mutter Natur selbst erschaffen wurde. Vermutlich etwa zu der Zeit, aus dem die berühmten Dinosaurierskelette im AMNH stammen. Doch hier haben Menschen mit rauem Beton anschmiegsam Räume geschaffen, deren Wände Wellen schlagen, und Mutter Natur heißt in diesem Fall Jeanne Gang. Die Architektin hat den Bau mit dem von ihr in Chicago gegründeten Studio Gang entworfen. An die Flintstones erinnere das riesenhafte Center, meinte etwa der Guardian. Doch bei aller Liebe für die Zeichentrickwelt der Familie Feuerstein wird der Vergleich der eleganten Verknüpfung von Funktionalität, Forscherdrang und Spieltrieb dieses Gebäudes nicht gerecht.

Geöffnete Sackgassen

Zusätzliche Ausstellungsräume, ausgestattete Klassenzimmer und eine Bibliothek mit einem wunderbaren Blick über die Stadt wurden geschaffen. Doch nebenbei haben es Gang und ihr Team geschafft, 33 Verbindungen zwischen zehn bestehenden Museumsteilen herzustellen und den gesamten Campus samt früheren Sackgassen dabei zu erschließen.

Die neue Höhlenburg öffnet sich zur Columbus Avenue hin und empfängt Gäste in einem von natürlichem Licht durchfluteten, hohen Atrium. Von hier aus hat man einen guten Überblick über alle Ausstellungen und Sammlungen. Auf Stufenbänken kann man in Ruhe überlegen, wo man beginnen möchte.

Ist man über das alte Hauptgebäude gekommen, überrascht die Leichtigkeit, mit der der Übergang gelungen ist. Plötzlich im neuen Gebäude gelandet, geht man weiter und bemerkt, wie sich der Strom der Besuchenden etwas verlangsamt, bis die meisten plötzlich stehen bleiben. Nicht weil es Engpässe gäbe, sondern weil die Leute stehen bleiben, um staunend durch eine der Öffnungen hinunter ins Atrium zu schauen. Von den Canyons im Westen der USA hat sich das Studio Gang hier inspirieren lassen.

Das Staunen kann mehrere Minuten dauern. Das ist vielleicht das schönste Kompliment für eine Museumsarchitektur, noch dazu in einer Stadt, in der es an ikonischen Museen nicht mangelt. Fast genau gegenüber, auf der anderen Seite des Central Park, liegt das ebenfalls rund 150 Jahre alte Metropolitan Museum und schräg gegenüber das legendäre Guggenheim von Frank Lloyd Wright.

Einige der Öffnungen, durch die natürliches Licht in das Atrium fällt, korrespondieren mit der näheren Umgebung des Gilder Center. Der Eingang rahmt ein benachbartes Gebäude ein und zu „Manhattanhenge“, wenn viermal im Jahr vor und nach den beiden Sonnenwenden die Straßenzüge von Westen nach Osten im Sonnenuntergang glühen, soll auch das Gilder Center besonders leuchten.

Nach innen strahlt der Bau jedenfalls trotz seiner rund 21.400 Quadratmeter Größe Geborgenheit aus, sicher auch für die Kinder der Schulklassen, die hier viele Exponate auch angreifen dürfen. Während in älteren Museumsteilen Dinosaurier stehen und ein lebensgroßer Wal von der Decke hängt, ist die Riesenhöhle nämlich den ganz kleinen Lebewesen gewidmet: Man lernt hier alles über Insekten aller Art, wobei einige Arten auch lebendig beobachtet werden können. Nicht alle sind so hübsch wie jene im Butterfly Vivarium auf der zweiten Ebene, wo einem rund tausend Schmetterlinge umflattern.

Virtuell ist hingegen ein anderes Highlight im neuen Museumsbau: die Ausstellung Invisible Worlds (Unsichtbare Welten) erzählt mit flirrenden Bildern von intensiven Farben und glasklarem Sound, wie alles Leben auf der Erde miteinander verbunden ist. Ganze Familien stehen hier etwa im Regenwald und kommen den Bäumen in den 360-Grad-Projektionen so nah, dass sie Insekten über die Baumrinden krabbeln sehen. Minuten später sind sie in den Tiefen des Ozeans Auge in Auge mit Plankton. Die eigenen Schritte können dabei Projektionen am Boden beeinflussen.

Jeanne Gang will, dass das Gilder Center „zum Entdecken und Erforschen“ einlädt, „nicht nur symbolisch auf einer wissenschaftlichen Ebene, sondern zu einem großen Teil auch im Sinne dessen, was es bedeutet, ein Mensch zu sein“.

Auf Augenhöhe mit allem Leben auf dem Planeten: Das ist der rote Faden der didaktischen Inhalte des Museums, die Architektur nimmt diesen durchwegs auf – egal ob man vor übergroßen Honigwabenmodellen steht oder selbst wie eine Ameise durch die geschwungenen Gänge des Zubaus läuft.

Vertrauen in die Wissenschaft

Angesichts der Begeisterung, mit der das Museum von Medien und den Gästen aufgenommen wird, ist es wahrscheinlich leichter zu verkraften, dass es 465 Millionen Dollar (rund 427 Millionen Euro) und nicht wie anfangs budgetiert 325 Millionen Dollar kostete und statt 2019 erst 2023 fertig wurde.

Ellen Futter, 30 Jahre Präsidentin des AMNH, übergab die Museumsleitung nur Wochen vor der Eröffnung ihrem Nachfolger Sean Decatur.

Bei der Eröffnung hoffte Futter, dass das Gilder Center in einer „kritischen Zeit“ Menschen helfen werde, „die Natur besser zu verstehen, der Wissenschaft zu vertrauen und sich dazu inspirieren zu lassen, unseren kostbaren Planeten und seine zahlreichen Lebensformen zu beschützen“. Wo könnte das besser gelingen?

Der Standard, Sa., 2023.08.26

04. März 2019Colette M. Schmidt
Der Standard

Bangen um Stadtteilarbeit in Graz

2015 wurde den Stadtteilzentren in Graz, die besonders in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wichtige Arbeit leisten, noch der Ausbau versprochen. Ab Juli streicht FP-Stadtrat Eustacchio nun die Förderungen.

2015 wurde den Stadtteilzentren in Graz, die besonders in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wichtige Arbeit leisten, noch der Ausbau versprochen. Ab Juli streicht FP-Stadtrat Eustacchio nun die Förderungen.

Gemeinwesen, Empowerment, Mitgestaltung des eigenen Lebens, Nachbarschaftspflege – das sind für die vier Stadtteilzentren, die in Graz kommunal mit der größten Bürgernähe arbeiten, nicht nur Schlagworte. Seit Jahren wird hier vor allem auch in Bezirken mit einkommensschwachen Bewohnern wertvolle Arbeit geleistet.

Konkret gibt es das Stadtteilzentrum Nanet, die Stadtteilarbeit Eggenlend, das SMZ Jakomini und das Stadtteilzentrum Triester. Die Stadt Graz entwickelte 2015 ein Leitbild für die Stadtteilarbeit der Stadtteilzentren und insgesamt elf Nachbarschaftszentren und versprach einen Ausbau derselben.

„Stadtteilarbeit neu“

Doch als die Zuständigkeit für die Grätzelinitiativen 2017 in die Verantwortung des FPÖ-Vizebürgermeisters Mario Eustacchio wanderte und dieser eine „Stadtteilarbeit neu“ ankündigte, fürchteten die Zentren um ihren Weiterbestand, ohne genau zu wissen, was Eustacchio eigentlich vorhatte. Mittlerweile steht fest, dass die kommunalen Treffs ab Juli 2019 keine Förderungen mehr erhalten werden. So schlagen nun alle vier, unterstützt von den Grünen und der KPÖ, gemeinsam Alarm.

„Die geplanten Kürzungen ergeben ökonomisch keinen Sinn, richten jedoch enormen Schaden an“, sagt der grüne Bezirksrat Tristan Ammerer zu der Einstellung der Kürzungen.

„Ich muss eigentlich Ende des Monats alle vier Mitarbeiter, einschließlich meiner selbst, kündigen“, sagt Elisabeth Hufnagl dem STANDARD. Hufnagl ist für das Stadtteilzentrum Triester in der bekanntesten Grazer Arbeitersiedlung, der Triestersiedlung, verantwortlich. Dort hat man im Gemeindebau eine 67 Quadratmeter große Räumlichkeit gemietet, die seit 2010 permanent bespielt wird: mit regelmäßigen Veranstaltungen für Leute über 50, einem wöchentlichen „Weibertreff“, einer Tauschbörse für Gegenstände und einer weiteren für Fertigkeiten, die sich „Eine Stunde Lebenszeit“ nennt. Zweimal wöchentlich gibt es den „offenen Betrieb“ ohne Konsumzwang, wo man sich einfach bei Kaffee und Tee mit Nachbarn unterhalten kann. Außerdem betreibt das Zentrum zwei Gemeinschaftsgärten, in einem davon lernen Schüler von März bis Schulschluss Säen und Ernten.

90.000 Euro erhielt man dafür bisher jährlich, sagt Hufnagl, und war damit noch das am besten finanzierte Zentrum in Graz. Eustacchio beruhigte in einem Brief, dass Stadtteilarbeit weiter in „anderer Form“ gefördert werde. Man könne ja um Förderung ansuchen. Das beruhigt die Zentren, deren Arbeit im aktuellen Bericht des Grazer Menschenrechtsbeirats als enorm wichtig betont wird, nicht. „Wer soll den das Ansuchen stellen, wenn keiner mehr das ist?“, fragt Hufnagl.

Der Standard, Mo., 2019.03.04

05. September 2017Colette M. Schmidt
Der Standard

„Wir sind halt ein bissel weniger pingelig“

Wien bekommt sein erstes Vinzidorf nach Grazer Vorbild, wo das Konzept hunderte Obdachlose von der Straße holte. Pfarrer Wolfgang Pucher kämpfte 14 Jahre für das Wiener Haus, in dem auch Alkohol getrunken werden darf.

Wien bekommt sein erstes Vinzidorf nach Grazer Vorbild, wo das Konzept hunderte Obdachlose von der Straße holte. Pfarrer Wolfgang Pucher kämpfte 14 Jahre für das Wiener Haus, in dem auch Alkohol getrunken werden darf.

In einem Jahr soll im zwölften Gemeindebezirk das erste Vinzidorf Wiens auf einem Grundstück der Lazaristen eröffnet werden. Dann sollen 24 Obdachlose den Winter 2018 in warmen, eigenen Zimmern erleben, in denen sie für immer bleiben können. Acht der 24 Einheiten werden im ersten Stock eines alten Hauses, das völlig neu adaptiert wird, eingerichtet, die restlichen 16 im Garten des Haupthauses in Einzelmodulen, die in Holzriegelbauweise errichtet werden. Jede Wohneinheit soll rund acht Quadratmeter groß sein, wird von einer Person bewohnt und verfügt über ein WC und eine Waschgelegenheit. Im Haupthaus gibt es auch eine Küche und einen Speisesaal.

Vor wenigen Tagen wurde der Spatenstich auf der Baustelle in Wien-Meidling gefeiert. Nach sage und schreibe 14 Jahren. Wer den Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher kennt, weiß, dass seine Energie und seine Beharrlichkeit groß sind. So ist es wenig verwunderlich, dass er 14 Jahre lang nicht lockerlässt, wenn er eine Idee umsetzen will. So lange wurde mit dem Bauamt verhandelt, vor zwei Jahren gab es dann die Baugenehmigung.

Was das Konzept der Obdachlosenunterkünfte der Vinzenzgemeinschaft in Graz, mit der Pucher schon seit 24 Jahren erfolgreich ist, von anderen Obdachlosenasylen unterscheidet, ist die Erlaubnis, Alkohol zu trinken. „Wir sind halt ein bisserl toleranter als andere, ein bissel weniger pingelig“, umschreibt es Pucher im STANDARD -Gespräch. Tatsächlich erkannte Pucher das Problem vor einem Vierteljahrhundert, dass gerade unter Obdachlosen viele Alkoholkranke sind, man in den herkömmlichen Asylen aber nicht trinken darf.

Leben und sterben

Manche erfroren, weil sie es nicht schafften, vom Alkohol loszukommen. Da begann er, die Obdachlosigkeit in Graz regelrecht abzuschaffen. Eine Containersiedlung war das erste Vinzidorf. Hunderte Männer lebten und viele starben seither auch in einer der Einrichtungen in Graz, die zum permanenten Zuhause wurden. Mittlerweile gibt es auch eigene Unterkünfte für Frauen. Freilich braucht es dabei intensive Betreuung. „Das sind Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen eben an keine Regeln halten können“, sagt Pucher, „wir geben ihnen trotzdem eine Heimat.“

Die Projektleiterin des ersten Wiener Vinzidorfes, Christine Winner, weiß auch von anfänglichen Sorgen mancher Anrainer, als das Projekt bekanntwurde. „Die dachten aber, dass die Bewohner einfach sich selbst überlassen sein werden, was natürlich nicht der Fall ist“, erklärt Winner. „Es gibt eine 24-Stunden-Betreuung vor Ort, es ist immer jemand da, der sich um sie kümmert.“

Finanziert wird die Einrichtung bisher nur aus privaten Geldern. „Aus öffentlicher Hand gibt es überhaupt nichts“, betont Winner. „Wir bekamen fast eine Million an Spenden zusammen und 500.000 Euro, die noch fehlten, kamen aus dem zinsenfreien Kredit einer Privatbank.“ Das Architekturbüro Gaupenraub +/- wird das Vinzidorf baulich umsetzen.

Der Standard, Di., 2017.09.05

30. April 2015Colette M. Schmidt
Der Standard

Extravagante Architektur für zeitgenössische Kunst

Nach einjähriger Umbauphase ist das Museum Liaunig wieder offen. Insgesamt umfassen die Schauräume des Kunstsammlers im Südkärntner Neuhaus nun 7000 Quadratmeter. Sonderausstellungen sind Sean Scully und den Malern der „Wirklichkeiten“ gewidmet

Nach einjähriger Umbauphase ist das Museum Liaunig wieder offen. Insgesamt umfassen die Schauräume des Kunstsammlers im Südkärntner Neuhaus nun 7000 Quadratmeter. Sonderausstellungen sind Sean Scully und den Malern der „Wirklichkeiten“ gewidmet

Seit sieben Jahren ist der kleine Südkärntner Ort Neuhaus/Suha mit seinen rund 1000 Einwohnern auf den Straßenkarten von Kunstfreunden markiert. Denn 2008 eröffnete hier der Unternehmer und Kunstsammler Herbert Liaunig – er besitzt mit knapp dreitausend Werken eine der bedeutendsten Sammlungen österreichischer Kunst nach 1945 – sein mittlerweile denkmalgeschütztes und mehrfach ausgezeichnetes Museum aus Sichtbeton, Stahl und Glas. Nun wurde das kühne, aus vier markanten Baukörpern bestehende Baukunstwerk des Wiener Architekturbüros Querkraft um mehr als 2000 Quadratmeter vergrößert. Über die Kosten des neuen Sonderausstellungsraums und der zwei unterirdisch gelegenen Präsentationsräume schweigen sowohl der Bauherr wie auch die Querkraft-Architekten.

Vierecke im Dreieck

Gleich nach dem Eingang geht es nun in den neuen Zubau für Wechselausstellungen. Rechtecke und Quadrate Sean Scullys weihen das dreieckige, lichtdurchflutete Atrium ein. Die Ruhe ausstrahlenden Gemälde und Aquarelle des 69-jährigen Iren, dem zuletzt 2012 im Lentos Museum eine Personale gewidmet war, sind bis 31. Oktober zu sehen. Kuratiert wurde die Schau von Peter Baum. Vom Foyer gelangt man, vorbei an dem hinter Glas befindlichen Schaudepot, in den spektakulären Hauptraum des Museums, der an beiden Enden atemberaubende Ausblicke auf die Drau und in die schroffe Bergwelt gewährt.

Die Quadratur der Ruhe

Hier hat Hans-Peter Wipplinger, Leiter der Kunsthalle Krems, die bisher größte Überblicksausstellung der Künstlergruppe „Wirklichkeiten“ kuratiert: Mehr als zweihundert farbintensive, mitunter psychedelische, oft freche Arbeiten bestätigen das Credo ihrer Mitglieder: keine Ideologien, keine Rezepte, kein Akademismus.
Wolfgang Herzig, Kurt Kocherscheidt, Peter Pongratz, Franz Ringel, Robert Zeppel-Sperl und, als einzige Frau, Martha Jungwirth setzten auf jeweils höchst unterschiedliche Weise in den 1960er- und 1970er-Jahren einen selbstbewussten Kontrapunkt zu den Phantastischen Realisten und den abstrakten Malern und pflegten, so Wipplinger, auffallend enge Kontakte zur Literaturszene.
In einem fast sakralen Kuppelraum im Untergeschoß wurde Platz für ein Skulpturendepot geschaffen. Der Skulpturenpark des Museums wird erst nächstes Jahr fertig. Ebenfalls unterirdisch sind drei weitere Kollektionen ausgestellt: Gold der westafrikanischen Akan, Porträtminiaturen von 1590 bis 1890 sowie Gläser aus der Zeit von 1500 bis 1850.

Kärntner Kulturpolitik

Nach seinem Verhältnis zu Kärntens Kulturpolitik befragt, antwortet der mit Aschenbecher und Zigarre durch sein Museum schreitende Liaunig: „Welche Kulturpolitik?“ Dafür darf sich der Industrielle, der viele Millionen in Museum und Kunst investierte, aussuchen, wer hineindarf – und wann. Mit der Erweiterung ändert sich der Besuchsmodus insofern, als es keiner Voranmeldung mehr bedarf. Von Mittwoch bis Sonntag ist das Museum ab zehn Uhr geöffnet. Nur Kinder bis elf müssen weiterhin aus Sicherheitsgründen draußen bleiben.

Der Standard, Do., 2015.04.30



verknüpfte Bauwerke
Museum Liaunig

23. Oktober 2013Colette M. Schmidt
Der Standard

Neues Kleid aus Sonne, Holz und Innovation

In einer Kapfenberger Arbeitersiedlung wurde ein Haus mit ökologischen Materialien thermisch so saniert, dass die Mieter künftig fast keine Strom- und Heizkosten zahlen. Ökologische Technik traf soziologischen Beistand.

In einer Kapfenberger Arbeitersiedlung wurde ein Haus mit ökologischen Materialien thermisch so saniert, dass die Mieter künftig fast keine Strom- und Heizkosten zahlen. Ökologische Technik traf soziologischen Beistand.

Statt nur etwas neue Schminke aufzutragen, um ein in die Jahre gekommenes Mehrparteienhaus in der Johann-Böhm-Straße in Kapfenberg aufzumöbeln, hat man dem Gebäude ein futuristisches, maßgefertigtes Kleid aus ökologischem Material übergezogen und sein Innenleben, sprich die Haustechnik, gründlich auf Vordermann gebracht.

Das Ergebnis ist ein modernes sogenanntes Plus-Energie-Haus. Dass seine Ursubstanz aus den 1960er-Jahren stammt, kann man sich jetzt fast nicht mehr vorstellen. Der Bau, der aus zwei identischen Gebäudeteilen besteht, also eigentlich ein Doppelhaus ist, steht in einer typischen Arbeitersiedlung der obersteirischen Industriestadt.

In den vergangenen Jahren war nur mehr rund die Hälfte der teilweise sehr kleinen Wohnungen (um die 30 Quadratmeter), bewohnt. Die Mieter sind eine sehr durchmischte Gruppe von Jungfamilien bis Pensionisten, von Kindern ehemaliger Gastarbeiter bis zu „alteingesessenen“ Kapfenbergern. Sie hatten vermehrt mit den Tücken eines alten, nur mehr halb bewohnten Hauses zu kämpfen: „Schimmel, Rohrbrüche, die ganze Palette“, sagt Tobias Weiß vom Büro Nussmüller Architekten.

Daran lag es wohl auch, dass die Bewohner zu 90 Prozent sehr positiv darauf reagierten, dass hier endlich etwas unternommen wurde. Denn anders als bei Häusern, die erst saniert und dann mit einer zahlungskräftigeren Klientel völlige neu besiedelt werden, profitieren hier auch die bisherigen Mieter.

Sie zogen in einem ersten Bauabschnitt ins Nebenhaus um. „Der ganze Umsiedelungsprozess wurde von zwei Soziologen begleitet“, erzählt Architekt Weiß. Begonnen hat das Grazer Architekturbüro im Auftrag der Siedlungsgenossenschaft Ennstal mit der Sanierung im Spätsommer 2012.

Nach einigen Monaten konnten die Bewohner das sanierte Haus, in dem nachträglich Aufzüge und auch neue Badezimmer eingebaut wurden, womit es komplett barrierefrei ist, beziehen. Bis zum Frühjahr 2014 soll auch die zweite Hälfte fertig sein.

Aus den ursprünglich 40 Wohnungen wurden 32, dafür wurden die einzelnen Einheiten etwas größer. „Kleinwohnungen für Singles kriegen sie in Wien und Graz vielleicht schnell weg, aber hier in Kapfenberg ist der Bedarf an Wohnungen von 60 bis 90 Quadratmetern für Familien groß. Die Siedlung ist sehr familiär geprägt“, erklärt Nussmüller.

Bei der Vergabe der früher leerstehenden Wohnungen wurde auf eine „gute Durchmischung“ geachtete, damit kein Wohnghetto für Menschen mit geringen Einkommen entsteht.

Obwohl die Mieter in der Johann-Böhm-Straße heute plötzlich Balkone, neue Bäder ein modernes Belüftungssystem mit speziell an der TU Graz entwickelten Kastenfenstern haben, wird die Gesamtmiete in den Gemeindewohnungen nur sehr wenig erhöht. Denn das Haus wurde von einer „Energieschleuder aus den 1960er-Jahren zum Null-Energie-Haus“, erzählt Weiß. Das heißt, die Kosten für Strom und Heizung entfallen künftig fast ganz.

Forschung direkt umgesetzt

Das Büro Nussmüller Architekten war zuvor an einem Forschungsprojekt beteiligt, das sich mit dem Einsatz ökologisch nachhaltiger Materialen wie Holz bei innovativen thermischen Sanierungen befasste. In Kapfenberg, wo zwölf mal drei Meter große Holzelemente zum Einsatz kamen, brachte man unter anderem auf dem Flachdach, dem das alte Satteldach weichen musste, 1200 Quadratmeter Fotovoltaikzellen an. Zudem wird durch ein seitlich angebrachtes Sonnenkollektoren-„Segel“ das Brauchwasser erwärmt.

Das 3,4 Millionen Euro schwere Projekt wurde zum Teil vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert.

Der Standard, Mi., 2013.10.23

13. Juli 2013Colette M. Schmidt
Der Standard

Bilbao-Blase an der Mur

Architektur, die nicht nur die Routen von Städtetouristen veränderte, sondern ganze Stadtviertel prägte, zeigt die Schau „Kultur:Stadt“

Architektur, die nicht nur die Routen von Städtetouristen veränderte, sondern ganze Stadtviertel prägte, zeigt die Schau „Kultur:Stadt“

Langgezogene transparente Körper, emporstrebende Monumentalbauten oder verspielt auf alle Seiten hin aufblühende Bauteile. Die Architektur, in der man Museen, Bibliotheken oder multipel bespielbare Kulturzentren beherbergen kann, hat viele Gesichter. Die Frage, ob und wie sie ihr unmittelbares, meist urbanes Umfeld verändert, ist mindestens ebenso spannend.

Genau 37 Modelle mehr oder weniger herausragender Kulturbauten dieser Welt stehen - unkommentiert und in nicht unbedingt logischer Abfolge - im düsteren Raum umher. Und dieser Raum ist selbst das Innere eines in der Schau Kultur:Stadt gezeigten Bauwerke, nämlich die blaue Blase des Grazer Kunsthauses. Sie ist die zweite Station der von Wulf Walter Boettger und Caroline Wolf kuratierten Ausstellung, die bis Mai in der Berliner Akademie der Künste lief.

Wer sich mit den Modellen und dem einen oder anderen dazugehörigen Plan ein bisschen alleingelassen fühl, braucht nicht zu verzagen: Ein ausführlicher, reich illustrierter Katalog und ein Tablet-Computer, der einem mitgegeben wird, leiten durch die kleine, feine Schau. Ikonen der vergangenen Jahrzehnte wie das Opernhaus in Sydney von Jørn Utzon oder Frank Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao erkennt man schon aus der Ferne. Letzteres ist ja namensgebend für jenen Effekt, den Architektur bei der Aufwertung einer Stadt leisten kann.

In Kurzfilmen, die in der Ausstellung gezeigt werden, kann man einen lebendigen, atmosphärischen Eindruck der Objekte bekommen, den unbelebte Modelle - etwa einer Tate Modern - nie vermitteln könnten.

Neben dem Grazer Kunsthaus ist die Wiener Generali Foundation von Christian Jabornegg und András Pálffy das einzige österreichische Beispiel.

Der Standard, Sa., 2013.07.13

08. Juni 2013Colette M. Schmidt
Der Standard

Eine Kaufhausfamilie mit Visionen

Die Geschichte des Grazer Warenhauses Kastner & Öhler ist jene einer ungewöhnlichen Familie. Sie führt die Firma seit 140 Jahren.

Die Geschichte des Grazer Warenhauses Kastner & Öhler ist jene einer ungewöhnlichen Familie. Sie führt die Firma seit 140 Jahren.

Als sich der 24-jährige Buchhalter Carl Kastner und der 26-jährige Verkäufer Hermann Öhler im 19. Jahrhundert bei einer Firma in Troppau (heute Opava in Tschechien) kennenlernen, können beide nicht ahnen, dass ihre Namen auch noch fünf Generationen später für eines der ältesten Unternehmen Österreichs stehen werden. Kastner erbt 30.000 Gulden von seiner Großmutter und will sich damit selbstständig machen. Er fragt den Kollegen, ob dieser sein Geschäftspartner werden will. Die beiden gründen am 1. April 1873 in Troppau die Kurzwarenhandlung Kastner & Öhler - mitten in einer Wirtschaftskrise. Sie kaufen Waren, lassen Wäsche in Heimarbeit herstellen und bieten diese preisgünstig an. Ihre Zielgruppe: wenig Vermögende. Das Geschäftsmodell geht auf. Bis 1881 werden unter anderem Niederlassungen in Prag, Brünn, Arad und Wien gegründet.

In der Liebe war der überzeugte Sozialdemokrat Carl Kastner nicht ganz so wagemutig. Er soll er sich zwar „auf den ersten Blick“ in Julie Öhler, eine Schwester seines Geschäftspartners, der aus einer großen jüdischen Familie stammte, verliebt haben, doch - so erinnert sich 2008 für eine Ausstellung im Stadtmuseum seine Enkelin Daisy Bene an Familiengeschichten - „als er endlich damit herausgekommen ist, haben alle schon geglaubt, er meint die jüngere Schwester, weil er aus Schüchternheit nicht mit ihr, sondern mit ihrer kleinen Schwester geredet hat“. Schließlich finden die beiden zusammen. Durch die Eheschließung werden die Familien von Kastner und Öhler eine. Das Paar bekommt neun Kinder.

Ein Zufall namens Graz

1883 entdeckt Carl Kastner durch einen Zufall Graz. Mit dem Zug auf der Durchreise nach Zagreb aufgehalten, muss er einige Stunden in Graz verbringen. Nach einem Spaziergang vom Bahnhof in die Innenstadt ist er so begeistert von der Stadt, dass er sofort ein kleines Geschäft in der Sackstraße mietet, wo er Kurzwaren anbietet. Graz wird zum Hauptsitz des Unternehmens und der Familie und bleibt es.

2013: Martin Wäg, Ururenkel von Carl Kastner, sitzt in der Champagnerbar im ersten Stock des vor drei Jahren umgebauten Kaufhauses in der Sackstraße mit Blick auf die Rolltreppe in die große Halle. In den verschiedenen Etagen stehen dieser Tage grüne Figuren mit Fotos und alten Dokumenten. Sie bilden die Ausstellung Warenhaus im Museum anlässlich des 140-jährigen Bestehens des Unternehmens, eine Kooperation mit dem Universalmuseum Joanneum.

Die Familie scheut den Kontakt mit der Presse normalerweise. Bescheiden und unaufgeregt erzählt der 1965 geborene Wäg, der gemeinsam mit dem 1968 geborenen Thomas Böck, einem Ururenkel Hermann Öhlers, das Unternehmen leitet, dem STANDARD davon, wie in ihm selbst als Maturant die Idee reifte, Wirtschaft zu studieren und in der Firma zu arbeiten. Von seinem Vater sei er dazu nie gedrängt geworden, „nicht einmal als Wunsch formuliert“, betont Wäg, „in unserer Kindheit herrschte diesbezüglich vollkommene Freiheit“.

Auch in den Generationen vor Wäg und Böck waren stets Familienmitglieder im Unternehmen, das zu hundert Prozent im Besitz der Nachkommen von Carl Kastner und Hermann Öhler ist, am Ruder. Die in den 1970er-Jahren erdachte „Konstruktion mit Aufsichtsrat und Familienrat haben wir jetzt ein paar Jahrzehnte geübt, und sie funktioniert gut“, sagt Wäg.

Das Wort Familienunternehmen hat oft den Beigeschmack von klein gedachten unveränderlichen Strukturen, nicht gera- de von visionärem Wirtschaften. Doch schon die beiden Gründer probierten immer wieder Neues aus.

Der erste von vielen weiteren radikalen Umbauten des Stammhauses in der Grazer Sackstraße verwandelte das kleine Geschäft 1895 in ein mehrgeschoßiges Warenhaus mit großem Sortiment, Mode, Haushalts-, aber auch Sportartikel, wie es in Europa neu war. In die drei Etagen führte bereits ein Lift.

1901 begann mit Richard, Paul und Albert Kastner sowie Franz Öhler die zweite Generation im Haus zu arbeiten. Weitere Gebäude werden gekauft und 1913 erfolgt der nächste große Umbau durch das Architektenduo Fellner & Helmer, das auch das Wiener Volkstheater und die Grazer Oper baute. Auffällige Architektur zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Kaufhauses: 2003 baute das Architekturbüro Szyszkowitz-Kowalski eine aufsehenerregende Tiefgarage, während deren Bau historische Häuser temporär auf einer Pfahlkostruktion standen, 2010 sorgten die spanischen Architekten Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano für den vorerst letzten Umbau samt spektakulärer Dachlandschaft und einer Caféterrasse, die zum touristischen Hotspot über der mittelalterlichen Dachlandschaft von Graz wurde.

Kastner & Öhler hatte auch den ersten Versandhandel Europas und bereits im Jahr 1912 rund 60.00 Versandkunden. Solche Meilensteine oder die Rolltreppe, für die 1959 Menschen eigens anreisten, sind bekannt.

Weniger bekannt sind die Sozialleistungen, die das Unternehmen viele Jahre vor anderen für seine Mitarbeiter einführte. 1903 installierte man einen Betriebsarzt, 1905 führte man Urlaubsgeld ein, fünf Jahre bevor das Gesetz wurde. 1906 beschloss man die Sonntagsruhe und 1908 den Ladenschluss ab 19 Uhr. 1914 wurde erstmals Weihnachtsgeld ausbezahlt. Alles freiwillig.

Die beiden Gründer seien eben „selbst einmal Angestellte gewesen“, bemerkt dazu Wäg, „sie wollten, dass es ihren Leuten gutgeht“.

Doch es kam eine Zeit, in der Visionen keinen Platz hatten. Am Tag vor dem Anschluss Österreichs im März 1938 bereitete ein Kommissär die Arisierung des Unternehmens vor. Doch die Familie konnte das Geschäft halten. Es wurde rasch an die Schwiegersöhne verkauft und Alpenlandkaufhaus genannt. Jene Familienmitglieder, die den Nazis als „Halbjuden“ oder Juden galten, flohen in letzter Minute.

Franz Öhler, Sohn des Gründers Hermann Öhler, ging nach Zagreb, wo man eine Filiale betrieb. Er engagierte sich von dort für die Befreiung Österreichs.

Die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, die ihren Widerstand gegen die Nazis - anders als ihr Grazer Kollege Herbert Eichholzer, ein Freund der Kaufhausfamilie - überlebt hatte, schrieb später in ihren Erinnerungen über Öhler: „Er war kein Kommunist, unterstützte aber den Widerstandskampf in Österreich, wo und wie er nur konnte. In Zagreb stellte er seine Adresse und seine Wohnung für unsere Arbeit zur Verfügung.“ Dort fanden Besprechungen der Widerstandskämpfer statt. Öhler wurde 1941 verhaftet. Er starb im KZ Buchenwald am Tag nach der Befreiung des Lagers.

Neubeginn nach dem Krieg

„Nach dem Krieg versammelten sich alle hier wieder“, erzählt Wäg, „das Geschäft war bis auf eine Etage leer, und sie begannen wieder damit, Waren aufzutreiben und Kunden zu finden.“

19 Uhr. Ladenschluss. Die Klimaanlage schaltet sich ab, die Rolltreppe steht. „Kein Problem, wir kommen auch runter“, nickt Wäg den letzten Mitarbeitern zu, die aus der großen Halle mit den kürzlich rekonstruierten goldenweißen Säulen heraufschauen. Dann räumt der Chef noch schnell die Kaffeetassen in der Bar weg.

Der Standard, Sa., 2013.06.08

19. November 2011Colette M. Schmidt
Der Standard

Ein Museumsviertel als neuer Platz mit sonnigem Untergrund

Ein Untergeschoß, das nichts von einem Keller an sich hat, sondern von Sonnenlicht durchflutet ist: So präsentiert sich das neue Besucherzentrum des Universalmuseums...

Ein Untergeschoß, das nichts von einem Keller an sich hat, sondern von Sonnenlicht durchflutet ist: So präsentiert sich das neue Besucherzentrum des Universalmuseums...

Ein Untergeschoß, das nichts von einem Keller an sich hat, sondern von Sonnenlicht durchflutet ist: So präsentiert sich das neue Besucherzentrum des Universalmuseums Joanneum, das pünktlich eine Woche vor dem 200. Stiftungstag des ältesten Museums Österreichs, am 26. November, fertig wurde. Rund 14 Jahre sind seit der ersten Idee und der Fertigstellung des Joanneumsviertels vergangen.

Unter dem Platz zwischen dem Stammhaus in der Raubergasse und dem Neobarockgebäude in der Neutorgasse sowie der Kalchbergasse entstand unterirdisch eine Verbindung zwischen Kunst und Naturwissenschaft, die durch vier großzügige Glastrichter in der Größe von Schwimmbecken mit Tageslicht versorgt wird. Außerdem bietet dieses neu geschaffene Untergeschoß Platz für neue Räumlichkeiten des Bild- und Tonarchivs des Landes und für ein ein neues Depot.

Durch ihre Dachlandschaft sei die Innenstadt von Graz sehr klar definiert, sagte der Architekt des Joanneumsviertels, Enrique Sobejano, bei der Pressekonferenz am Freitag, weswegen die ganze Erweiterung des Museums unterirdisch stattfand, „aber trotzdem ein neuer Platz für die Stadt geschaffen wurde“. Auf diesem stehen auch schon die ersten Holzhütten für den dieses Wochenende beginnenden Advent bereit.

Sobejano wickelte das Projekt vor Ort mit dem Architekturbüro EEP Architekten ab. Dabei bleib man in zwei Jahren Bauzeit mit 34 Millionen Euro zeitlich und budgetär im vorgegebenen Rahmen.

Der Intendant des Universalmuseums, Peter Pakesch, zeigte sich erfreut über das Ergebnis. Auch, weil man dem ursprünglichen Gedanken des Stifters Erzherzog Johann durch „einen Themenmix zwischen Geschichte, Kunst und Natur“ treu bleibe. Die Grazer können am 26. 11. ab 16 Uhr erstmals ihr neues Museum mit Zählkarten gratis besichtigen.

Der Standard, Sa., 2011.11.19

27. November 2010Colette M. Schmidt
Der Standard

Urbane Öko-Utopie in der Wüste

100 Kilometer nördlich von Phoenix wollte Paolo Soleri 1970 seine Vision einer ökologischen Stadt realisieren. Arcosanti ist eine visionäre Baustelle.

100 Kilometer nördlich von Phoenix wollte Paolo Soleri 1970 seine Vision einer ökologischen Stadt realisieren. Arcosanti ist eine visionäre Baustelle.

Der Lärm der Stadt - in Arcosanti gibt es ihn nicht. Diese Stadt hat ihren eigenen Klang. Wenn der heiße Wind der Sonora-Wüste sanft durch den Eingangsbereich der futuristischen Siedlung streift, erklingen leise kleine Glocken aus Keramik und Bronze, die überall aus der markanten Architektur baumeln. Die „Soleri Windbells“ geben hier nicht nur den Ton an, sie sind auch Teil der Finanzierung eines Traums: Es ist der Traum des italoamerikanischen Architekten Paolo Soleri, der hier vor 40 Jahren seine Stadt der Zukunft zu bauen begann.

In Soleris Traum dominieren nicht mehr Autos, sondern Menschen mit Respekt vor der Natur die Städteplanung, Menschen, die Urbanität in einem ganz neuen Sinn auferstehen lassen. Und es ist ein Traum, den Soleri, der in den 1940er-Jahren nach seinem Architekturstudium in seiner Heimatstadt Turin in die USA kam und bei Frank Lloyd Wright lernte, bis heute nicht aufgegeben hat.

Soleris Familie musste 1933 vor den Faschisten nach Frankreich fliehen, wo er zur Schule ging. Er schloss später sein Studium in Turin ab, baute aber in Europa nur ein einziges Objekt: eine keramische Fabrik in Vietri sul Mare, wo Soleri die Fertigkeit erlernte, die er später für seine Glocken nutzte.

Mitte der 1950er-Jahre zog er mit Frau und Töchtern nach Scottsdale in Arizona. Anfang Dezember wird dort eine neue Fußgängerbrücke von Soleri eröffnet. In Arizona wurde er auch zum Begründer der „Arcology“ (eine Wortschöpfung aus den Begriffen „architecture“ und „ecology“). Mit dieser frühen Antwort auf das Phänomen des „urban sprawl“, also der flächenverschlingenden Zersiedelung des Umlandes von Städten, die sich an Autos orientiert und Innenstädte sterben lässt, wurde er zu einem Vorreiter des ökologischen Städtebaus. Arcology propagiert Städte, die flächenschonend in die Höhe wachsen, Solar- und Windenergie nutzen und auf Fußgänger ausgerichtet sind.

Zabriskie Point und Arcosanti

1970 kam Michelangelo Antonionis legendärer Film Zabriskie Point, der mit einer gigantischen Explosion in die Filmgeschichte eingehen sollte, in die Kinos - und damit auch ein Haus, das Paolo Soleri entworfen hatte. Im selben Jahr begann der Architekt gemeinsam mit seiner 1982 verstorbenen Frau, Colly Soleri, auf einem Grundstück nahe Cordes Junction seine eigene Utopie in Sichtbetonbauten zu übersetzen.

Am Südhang eines grünen Canyons, 100 Kilometer nördlich von Phoenix, entstanden die ersten Kuppeln von Arcosanti. Die Häuser gehen wie organisch gewachsen, aber in strengen geometrischen Formen ineinander über und schmiegen sich übereinander verschachtelt an den Hang.

Umgeben ist die Siedlung, an der über Jahrzehnte tausende Idealisten aus aller Welt mitbauten, nicht von der für Südarizona typischen Vegetation von Kakteen und Büschen, sondern von Zypressen und Olivenbäumen: ein Gruß aus Soleris Heimat.

Für etwa 8000 Menschen wurde die Stadt, in der Autos keinen Platz haben, die man aber ohne Auto nicht erreichen kann, geplant. Im Herbst 2010 führt noch immer ein kilometerlanger Schotterweg mit Schlaglöchern dorthin. Bevor man sich im Nirgendwo verloren glaubt, ermuntert einen ein rundes Metallschild auf halbem Weg, nicht umzukehren: „Welcome to Arcosanti, An Urban Laboratory“. Etwa 80 Leute leben und arbeiten heute hier: Einerseits Althippies, die hier blieben, andererseits, junge Soziologie- oder Architekturstudierende, die manchmal hier „hängenbleiben“.

Auf den ruhigen Wegen des Areals ist nicht viel, aber immer etwas los: Es gibt ein Amphitheater, in dem regelmäßig Aufführungen statt finden, ein Café und die Galerie, wo man mit dem Kauf eines Windspiels das Projekt unterstützen kann. Laufend werden Architekturworkshops abgehalten. Eine Gruppe von Studenten macht gerade eine Führung und blickt auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche am Fuße eines steilen Hangs hinunter. Bald wird hier die Olivenernte beginnen. Gäste, die nicht mitarbeiten wollen, können ab 30 Dollar pro Nacht bleiben.

Wer in dem Mann, der dies alles initiierte, einen Träumer erwartet, liegt falsch. Ein schneller analytischer Denker sitzt am Schreibtisch in der kleinen Wohnung in Arcosanti, die er einmal pro Woche als Rückzugsort vor Vorlesungen nutzt. Neue Ideen wurden gerade feinsäuberlich in ein Notizbuch eingetragen. Dann führt er mit leiser Stimme präzise aus, warum Autos „mit den tiefen Spuren, die sie im Land hinterlassen haben, unsere Welt zerstören“. Formal fühlt sich Soleri von Le Corbusier, Erich Mendelsohn und Walter Gropius beeinflusst. Von „den jüngeren“ gefällt ihm Frank Gehry.

Manchmal huscht ein Lächeln über seine Lippen, das von Traurigkeit begleitet wird. Ob er sich von den Entwicklungen dieser Welt bestätigt fühlt? „Ich rede jetzt seit 50 Jahren, niemand hört mir zu. Ich habe aufgegeben“, seufzt er. Doch Resignation ist das nicht, denn er setzt nach: „Ich mache einfach weiter meine Arbeit.“ Und schon tippt er energisch auf die Ausgabe einer Reihe von Heften, die er über seine Cosanti Foundation selbst verlegt. „Lean Linear City“ heißt sein neues Projekt.

Lineare Städte

Wenig später erklärt er die Linear City, für die sich chinesische Städte bereits intensiv interessierten, einer Gruppe von Studenten: Bereits bestehende Städte sollen nicht durch Straßen, sondern durch autofreie, energieautarke Siedlungen verbunden werden, also zusammenwachsen. Die Studenten hängen an seinen Lippen, und einer meint: „Ich würde gern einem Gespräch zwischen Ihnen und Steve Jobs beiwohnen.“

Tatsächlich verhinderten bisher fehlende Milliarden und Soleris Radikalität, die keine Kompromisse zulässt, den Vollausbau seiner Stadtvisionen. „Ach“, antwortet da Soleris Assistentin, „Paolo hat schon Bill Gates und jedem Präsidenten geschrieben - ohne Antwort“. Es wird Aufgabe der Studenten sein, seine Ideen in die Welt hinauszutragen.

Der Standard, Sa., 2010.11.27

20. Mai 2010Colette M. Schmidt
Der Standard

Tiefen und Höhen der Baukultur

Die Architekturtage in der Steiermark entführen die Besucher in Tunnel und Türme. Vergnügliche Straßenbahnfahrten stehen ebenso auf dem Programm wie etwa ein Besuch auf der Grazer „Banale“.

Die Architekturtage in der Steiermark entführen die Besucher in Tunnel und Türme. Vergnügliche Straßenbahnfahrten stehen ebenso auf dem Programm wie etwa ein Besuch auf der Grazer „Banale“.

Graz - Architektur prägt. Sie ist oft unbewusst Teil des Alltags und kann diesen positiv, aber auch negativ beeinflussen. Aufgrund der Tradition avantgardistischer Bauten und der hohen Dichte von Architekturbüros ist dies in der Steiermark noch mehr der Fall als anderswo. Daher will man sich heuer - auch kritisch - mit Baukultur und ihren Sonnen- und Schattenseiten auseinandersetzen. Wie schon im Vorjahr soll dem Publikum die Möglichkeit geboten werden, Gebäude, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind, näher kennenzulernen.

Erst Kanal, dann Kirchturm

Nicht nur bereits in Betrieb befindliche Bauten werden dabei unter die Lupe genommen, sondern auch Baustellen und stadtentwicklerische Konzepte. Startend vom Grazer Haus der Architektur (HDA) geleiten zwei geführte Touren in verborgene Tiefen sowie in luftige Höhen: Der Rundgang „Architektur der Infrastruktur“ lädt am Freitag in tief unter der Erde liegende Schmutzwasserkanäle, Versorgungstunnel und Technikgeschoße.

Nur zwei Stunden später kann man sich mit Karin Tschavgova zu den höchsten Aussichtspunkten der Stadt begeben. Der Rundgang „Von hoch oben herab“ umfasst ein Studentenheim, einen Chirurgieturm, einen Kirchturm, ein Silo sowie das Posthochhaus am Griesplatz. „Graz erfahren im Takt. Pro Halt ein Bauwerk“ wiederum verspricht eine vergnügliche Fahrt mit der Straßenbahnlinie 1 vom westlichen zum östlichen Stadtrand.

Doch auch im restlichen Bundesland gibt es viel zu entdecken, wenngleich man dafür auch auf andere Verkehrsmittel umsteigen muss. Von der umgebauten Freiwilligen Feuerwehr in Bruck an der Mur (Meinhard Neugebauer) über diverse Belebungsversuche in der Provinz (mit Konzert von Binder & Krieglstein) bis hin zu jenen Ergebnissen, die Kindberger Schülern beim Nachdenken über ihren neuen Hauptplatz in den Sinn gekommen sind. Drei unterschiedliche Touren in Stadt und Land führen außerdem zu jenen Schauplätzen, die im preisgekrönten Jahrbuch Von Menschen und Häusern zu sehen sind.

Ein Comeback gibt es heuer an der TU Graz zu feiern: Nach zehn Jahren laden Studierende erstmals wieder zu der sogenannten „Banale“. Die selbstorganisierte Schau, die in den Neunzigern legendär war, umfasst Kunst und Architektur. Teilnehmen darf jeder ohne Tabus und ohne Auswahlverfahren - sofern man natürlich früh genug kommt, um sich in den Gängen der altehrwürdigen TU einen Platz zu sichern.

Der Standard, Do., 2010.05.20

05. Juli 2008Colette M. Schmidt
Der Standard

Die beste Sandkiste Europas

Auf dem Grazer Reininghaus-Areal, wo ein neuer Stadtteil entstehen soll, diskutierten Stadtplaner von Miami bis Tokio über die Zukunft von Städten.

Auf dem Grazer Reininghaus-Areal, wo ein neuer Stadtteil entstehen soll, diskutierten Stadtplaner von Miami bis Tokio über die Zukunft von Städten.

Die Situation ist der Wunschtraum eines Städteplaners, eine große Sandkiste für Architekten und andere Raumerfinder: Im Westen der zweitgrößten Stadt Österreichs, nur 1,8 Kilometer vom Altstadtzentrum, das mittelalterlich, schön, aber teilweise von der Unesco-Welterbe-Erstarrung bedroht ist, liegt ein grünes Loch mit den Ausmaßen von 54 Hektar. Für Grazer ist es ein blinder Fleck, es sei denn, sie gehörten zu jenen Arbeitern, die hier einst an der Produktion von Bier beteiligt waren.

Für rund 12.000 Menschen, die hier schon 2017 leben, studieren, arbeiten und spielen sollen, wolle man „keine Trabantensiedlung errichten“ wie Roland Koppensteiner, Vorstand der Immobilienentwicklungs AG Asset One, die das Gelände besitzt, betont, sondern einen neuen Stadtteil. Vielleicht auch ein weiteres Stadtzentrum, ein zweites Gesicht von Graz. Nur eines wolle seitens der Asset One, die seit 2005 mit Experten aus aller Welt über verschiedene Philosophien des Phänomens Stadt nachdenkt, nicht: einen Schnellschuss. Deshalb lud man diese Woche sieben Experten mit klingenden Namen und viel Erfahrung im internationalen Städtebau ein: Dietmar Leyk und Philipp Oswalt aus, Joan Busquets aus Barcelona, Vittorio Magnago aus Mailand, Duane Phillips aus Miami, Erick van Egeraat aus Rotterdam und Kazunari Sakamoto dachten zwei Tage gemeinsam in Graz nach.

Man stellte sich Fragen, wie etwa: Was heißt Urbanität - abseits von inszenierten Events - im Alltag? Welche Form der Mobilität hat Zukunft? Was kann man gegen Shoppingmall-Speckgürtel-Umlandgemeinden tun?

Städte-Recycling

Joan Busquets, Architekt und jahrelang Stadtbaudirektor von Barcelona, erklärte eines der grundsätzlichsten Probleme historischer Städte: Im 19. Jahrhundert sei es eine große Errungenschaft gewesen, Stadtmauern als Begrenzungen loszuwerden. „Doch im 20. Jahrhundert konnten sie dann alles demolieren, wir zerstörten viele Städte“ - mit dem Ergebnis, dass „alle Menschen Städte aus dem 19. Jahrhundert lieben, aber Städte des 20. Jahrhunderts hassen“.

Was solle man also im 21. Jahrhundert machen? Ins 19. zurückgehen? Nein, meint Busquets, man müsse nachhaltige Entwicklungen anstreben: „Wir müssen die Städte recyceln, nicht ausdehnen!“ Dass für Graz die Fläche der Stadt reichen müsste, ohne dass ein Speckgürtel die Innenstadt gefährde, zeigt ein simpler Vergleich: Den 290.000 Bewohnern und Pendlern der Stadt steht eine Fläche zur Verfügung, die größer als Manhattan oder Barcelona ist.

Für nachhaltige Planung hat man sich seitens der Asset One Millionen und Jahre reserviert. Die internationalen Städtebauer fürchten das Wort „Masterplan“ als Synonym für Reißbrettarchitektur aus den 60ern wie der Teufel das Weihwasser. Architekt Max Rieder, der die Gespräche über Stadtszenarien leitete, brachte es auf den Punkt: „Jeder Masterplan ist innerhalb von einem Jahr überholt.“ Kazunari Sakamoto, einer der wichtigsten Architekten Japans, sieht das ähnlich: „Alle Wohnanlagen aus den 50ern und 60ern, nicht nur in Frankreich, Deutschland oder England, sondern auch in Japan sind nicht mehr attraktiv für die Leute“. Dass es in Graz die Möglichkeit gebe, gegen solche „hastig geplanten Misserfolge“ anzudenken, habe ihn angezogen: „Ich wurde auch nach Schanghai und Dubai eingeladen, aber ich will keine schnell hingeworfenen Konzepte.“

Eine Stippvisite der Stadträtin für Stadtplanung, Eva Maria Fluch (VP), bei der prominenten Runde sollte wohl signalisieren, dass das offizielle Graz derzeit freundliche Signale ins neue Viertel sendet. Vielleicht hat die Vision, die Erick van Egeraat formulierte, tatsächlich Chancen, Realität zu werden: „Wenn es hier nicht gelingt, die beste Stadt Europas zu bauen, dann nirgendwo.“

Der Standard, Sa., 2008.07.05



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u11_Statdtszenario Reininghaus

26. Juni 2008Colette M. Schmidt
Der Standard

Eine vielseitig bespielbare Maschine

Eine gläserne Soundmaschine wird als jüngstes Grazer Theater am 1. März 2009 eröffnet - das Mumuth

Eine gläserne Soundmaschine wird als jüngstes Grazer Theater am 1. März 2009 eröffnet - das Mumuth

Das Mumuth (Haus für Theater und Musiktheater) des niederländischen Architekten Ben van Berkel wuchs mit beeindruckender Geschwindigkeit neben dem altehrwürdigen Palais der Grazer Kunst-Uni: Der Spatenstich fand vor etwas mehr als zwei Jahren statt, am 13. August soll es von der Bundesimmobiliengesellschaft an die Kunstuniversität übergeben werden.

Was letztlich schnell ging, begann schon 1963 mit der Forderung der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst nach einem eigenen Aufführungsort. Allein der heute emeritierte Langzeitrektor Otto Kolleritsch kämpfte über zwanzig Jahre für das Haus.

Was der neue Rektor, Georg Schulz, nun hingestellt bekommt, ist ein Gebäude um 18 Millionen Euro, das optisch auffällt, aber - anders als etwa die Blase des Kunsthauses - in seinem Inneren eine vielseitig bespielbare Black Box verbirgt. Der erste Blick beim Betreten der Baustelle fällt jedoch auf den sogenannten „Twist“, eine Spirale, die sich durch drei Etagen mit einem breiten Treppenaufgang einer gläsernen Decke entgegendreht, während der restliche Raum zu schweben scheint. Für die aufwändige Betonkonstruktion wurden ein paar Extramonate Bauzeit in Kauf genommen - nur eine Firma war in der Lage, sie zu verwirklichen.

Der für 500 Besucher konzipierte Bühnenraum kann durch 108 Hebepodeste verschieden bestuhlt werden. Für die variable Akustik, die es europaweit nur noch in Berlin und Prag gibt, holte man sich Fachleute aus dem kalifornischen Berkeley. „Wir können auf Knopfdruck einen Kammermusiksaal oder eine Kathedrale haben“, erzählt Vizerektor Robert Höldrich dem Standard. Außerdem sind die Hauptbühne auf der mittleren Ebene, der Probenraum im Parterre und die Probebühne auf der obersten Etage gleichzeitig bespielbar. Zur Eröffnung wird Mozarts Zauberflöte gegeben: Eine Hommage an Otto Kolleritsch, aber nicht typisch für das künftige Programm, das „zeitgenössische und zeitgemäße Musik bieten soll“.

Der Standard, Do., 2008.06.26



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MUMUTH - Haus für Musik und Musiktheater

10. Mai 2008Colette M. Schmidt
Der Standard

Schlesische Geschichte unter Tag

Die Bodenschätze hat man hier schon abgebaut. Ab 2012 sollen kulturelle Schätze Schlesiens in der einstigen Zeche im Stadtzentrum von Katowice im Boden gehortet werden.

Die Bodenschätze hat man hier schon abgebaut. Ab 2012 sollen kulturelle Schätze Schlesiens in der einstigen Zeche im Stadtzentrum von Katowice im Boden gehortet werden.

Es herrscht Stille auf dem weitläufigen Areal, auf dem mehrere leere Gebäude stehen. Kaum zu glauben, dass man sich in der Nähe des Stadtzentrums einer Millionenmetropole befindet. Manche Wege sind zugewachsen, einzelne kleine Quadrate der Fensterscheiben fehlen, rostige Warnschilder führen Selbstgespräche, und die schwarze Patina aus Kohlenstaub, die in Katowice jedem Haus anhaftet, hat auch das Ziegelrot der wunderschönen alten Industriegebäude verdunkelt, damit sie in Ruhe von der Betriebsamkeit ihrer Vergangenheit träumen können. Denn die Zeche, die sich im Frühling 2008 im tiefen Winterschlaf befindet, ist längst stillgelegt.

Identität in zwölf Metern Tiefe

Ab 2010 werden hier die Grazer Architekten Florian Riegler und Roger Riewe zwölf Meter unter der Erde ein Museum um 56,7 Millionen Euro errichten, in dem die kulturelle Identität Oberschlesiens nach 70 Jahren wieder eine feste Bleibe bekommen soll. Das Projekt, mit dem das Büro Riegler Riewe 2007 den Wettbewerb gewann, sorgt international für Aufsehen und wird zu 60 Prozent mit EU-Mitteln finanziert.

Das letzte schlesische Museum, in dem ein Teil der mittlerweile auf insgesamt über 75.000 Stücke (ethnologische und archäologische sowie Kunstwerke) angewachsenen Sammlung untergebracht war, war einer der Höhepunkte der Architektur der Moderne in Schlesien: Das achtstöckige Gebäude des Architekten Karol Schayers, dessen Hinterfront einem stilisierten fliegenden Adler glich, war die Antwort auf ein Museum in dem Teil Schlesiens, das an Deutschland gefallen war. Beide Häuser wollten unter anderem zeigen, dass - je nachdem - deutsche oder polnische Siedlungen die ersten vor Ort waren.

Urbane Blüte der Moderne

Katowice, das im 18. Jahrhundert nach dem ersten Schlesischen Krieg an Preußen ging und zu Kattowitz wurde, erhielt erst Mitte des 19. Jahrhunderts das Stadtrecht. So konnte sich hier vorher keine polnische Tradition des urbanen Bauens entwickeln. Den preußischen, klassizistischen Stil aber lehnte man, als der Landkreis Kattowitz nach dem dritten Schlesischen Aufstand 1922 an Polen ging, ab. So war Katowice in den 20ern ein fruchtbarer Boden für die Ideen von ganz Neuem: Man findet neben den Gründerzeithäusern Beispiele, die von Bauhaus, Le Corbusier, Neues Bauen und auch von der Chicago School inspiriert wurden. 1931 wurde hier der erste Wolkenkratzer Polens im amerikanischen Stil errichtet. Die Schwerindustrie und der Kohleabbau hatten eine Metropole aus dem einstigen Dorf gemacht.

Doch die Nationalsozialisten machten dieser Blüte der Moderne ein brutales Ende. Das Schlesische Museum, das im Herzen der Stadt, nahe dem Schlesischen Parlament, als Symbol für das Polentum und die schlesische Autonomiebewegung stand, war erst seit einigen Tagen fertig, als die Nazis es im September 1939 gleich nach ihrem Einmarsch völlig zerstörten. In der selben Nacht wurden auch die Synagoge von Katowice und das jüdische Viertel, wo rund 8000 meist deutschsprachige Juden gelebt hatten, in Brand gesetzt und der jüdische Friedhof geschändet. Schayer selbst floh und lebte und arbeitete bis in die 70er-Jahre in Beirut.

Das monumentale schlesische Parlament aus Sandstein steht heute noch gut erhalten in Katowice. Die Nazis funktionierten es während ihrer Besetzung zum sogenannten „Gauhaus“ um.

In der Nachkriegszeit sollte Katowice eine kommunistische Herzeigestadt werden, hieß sogar zwischen 1953 und 1956 Stalinogród (Stalinstadt). Architektonisch hat diese Zeit ihre Spuren vor allem in Plattenbauten hinterlassen - auch auf Kosten ganzer Straßen von Gründerzeitgebäuden. Heute hat sich viel Glas und Stahl in das Bild der Stadt gemischt. Im Ziel-eins-Fördergebiet Polen wurde viel und fast überall gebaut: Büro- und Geschäftsbauten machen deutlich, dass der Schwerindustrie nicht mehr die alleinige wirtschaftliche Bedeutung zufällt.

Das Parlamentsgebäude ist nun Sitz des Marschalls der Woiwodschaft Schlesien. Teile der Sammlung des Museums, das kurze Zeit einen Steinwurf entfernt stand, wurden erst in den 80ern teilweise in einem ehemaligen Neorenaissance-Hotel untergebracht und werden bis heute dort gezeigt. Eine lange Zwischenstation bis 2012: Dann soll das neue Museum großteils fertig sein.

Unterirdische Projekte haben in Polen Tradition. Stillgelegte Salzbergwerke, natürliche Höhlen oder ehemalige Militärobjekte werden für den Fremdenverkehr genutzt. Man kann unter Tag shoppen, speisen und - in der Kapelle der Heiligen Kinga in Bochnia - sogar heiraten. Im 70 Kilometer von Katowice entfernten Krakau gibt es Restaurants in den miteinander verbundenen Kellern unter dem Marktplatz.

Doch das Projekt, mit dem Riegler Riewe letztes Jahr den Wettbewerb für die Zeche Katowice gewannen, wobei längerfristig ein ganzes Kulturgelände samt Musiktheater entstehen soll, ist auch technisch sehr ambitioniert: Auf zwei Geschoßen, die über zwei ineinander verschlungene Rampen erreichbar sind, werden die ständige Sammlung, andererseits temporäre Ausstellungen gezeigt werden. Sie sollen mit Tageslicht ausgeleuchtet werden, das mittels großer Spiegel in die Tiefe „geholt“ wird. An der Oberfläche werden nur einige Glaskuben das Museum mit einer insgesamten Nutzfläche von 30.000 Quadratmetern „verraten“, wie Roger Riewe beim Lokalaugenschein des steirischen Landeshauptmannes Franz Voves anhand des Modells ausführten.

Wasserheizung aus der Zeche

Das warme Wasser aus den Tiefen der Zeche soll heraufgepumpt und zur Beheizung des Komplexes genutzt werden. Neben dem Museum selbst wird auch ein Café in einem der alten, ziegelroten Häuser, von denen nicht alle erhalten werden, entstehen. Der alte Förderturm wird restauriert und mit einem Lift bestückt zum Aussichtsturm mutieren.

Das Wiederbeleben von Industriearchitektur ist in Polen derzeit hip: Auch in Lódz wurde auf dem Areal einer Weberei ein riesiges Shoppingcenter, die „Manufaktura“, errichtet. Im 19. Jh. hatte hier der Industrielle Izrael Poznanski Werkshallen, Wohnungen und Schulen für seine Arbeiter errichtet. Heute baut auch die österreichische Porr AG das Hotel „Andel's“ in eine der Textilmanufakturhallen.

Der Standard, Sa., 2008.05.10

08. Mai 2008Colette M. Schmidt
Der Standard

Bauen in alle Himmelsrichtungen

Spannende Grazer Rundgänge, steirische Ausflüge und internationale Symposien

Spannende Grazer Rundgänge, steirische Ausflüge und internationale Symposien

Graz - Die hohe Dichte von Architekturbüros gehört zu Graz wie der Uhrturm - oder die TU. Doch in den letzten Jahren kam es zur Häufung innerhalb der Häufung: Der ehemalige Arbeiterbezirk Lend zog während seiner langsamen, aber stetigen Erneuerung nicht nur Künstler, sondern auch Architekten an. Waren anfangs noch die niedrigen Mieten ein Grund, wird sich das wohl langsam aufhören. Denn der Bezirk Lend, der im Süden von der blauen Blase des Kunsthauses begrenzt wird, hat sich längst in das erweiterte Stadtzentrum hineinmutiert. Unlängst zog das Haus der Architektur (HDA) selbst dort hin.

Die Architekturtage Steiermark nehmen daher unter anderem genau dieses Viertel unter die Lupe. Allerdings ist „Lokal Heroes“ keine Nabelschau der Planenden und Bauenden, sondern eine praktische Auseinandersetzung vor Ort. Sowohl der öffentliche Raum zwischen dem Südtirolerplatz, dem Mariahilferplatz und dem Lendplatz als auch Büros und Geschäftslokale werden zum Schauplatz von künstlerischen Interpretationen der Entwicklung dieses kreativen Stadtviertels.

Architektur aus dem Bus

In einem Symposium lösen sich die Lokalhelden dann auf einer theoretischen Ebene vom Lend und stellen internationale Vergleiche in Sachen Stadtentwicklung und Aufwertung an. Doch steirische Architektur findet natürlich auch im restlichen Bundesland statt: Für die Architekturausflüge starten am Samstag (17. 5.) beim HDA Busse in den Norden, Westen und Osten der Steiermark, um bereits gebaute Projekte oder solche, die noch im Entstehen sind, zu besichtigen. Unter anderem geht es zur Therme Aqualux von Titus und Walter Pernthaler in Köflach, zum um- und ausgebauten LKH in Knittelfeld von „fasch & fuchs“, zum Musikerheim, Pflegeheim und Supermarkt von Gerhard Mitterberger in Stallhofen und zur ganz neuen Kairostherme in Bad Gleichenberg von den norwegischen Architekten Jensen & Skodvin.

Stellvertretend für den Süden wird Graz erkundet. Hier kann man das spektakuläre Wohn- und Bürogebäude „Rondo“ im Lend von Markus Pernthaler genauso besuchen wie einen Dachbodenausbau im gutbürgerlichen Gründerzeitviertel in der Mandellstraße von Gangoly & Kristiner.

Der Standard, Do., 2008.05.08

18. Februar 2005Colette M. Schmidt
Der Standard

Futurismus mit Retro-Flair

Die irakische Stararchitektin Zaha Hadid setzt mit ihrem Londoner Büro derzeit in drei österreichischen Städten Akzente mit Aufsehen erregenden Bauten. Ihr jüngstes Projekt ist ein „Boarding House“ mit einer Hightech-Fassade in Graz. Der Baubeginn ist für 2006 geplant.

Die irakische Stararchitektin Zaha Hadid setzt mit ihrem Londoner Büro derzeit in drei österreichischen Städten Akzente mit Aufsehen erregenden Bauten. Ihr jüngstes Projekt ist ein „Boarding House“ mit einer Hightech-Fassade in Graz. Der Baubeginn ist für 2006 geplant.

Einen Ausflug in die Zukunft der Architektur konnte man in Graz im Kulturhauptstadtjahr 2003 in der Ausstellung „Latente Utopien“ unternehmen. Kuratorin der viel beachteten Schau war eine der erfolgreichsten Architektinnen der Welt, die im Irak geborenen Pritzker-Preisträgerin Zaha Hadid. Im selben Jahr erfreute Hadid, die seit 2001 auch eine Professur an der Universität für Angewandte Kunst innehat, die Grazer mit einem Bühnenbild zu Beat Furrers Musiktheater „Begehren“.

Zwei Jahre später ist die Stararchitektin in ganz Österreich gegenwärtig wie nie zu vor: In Innsbruck plant Hadid nach der Bergisel-Sprungschanze die Stationen Kongress- und Löwenhaus sowie Hungerburg für die 76 Jahre alte Nordkettenbahn auf das Hafelekar, an der Spittelauer Lände in Wien setzt sie mit drei kantigen Bauten über den Stadtbahnbögen Akzente im Wohnbau und 2006 beginnen die Arbeiten an jener Baustelle in Graz, wo einst das heiß umkämpfte „Kommodhaus“ aus dem Biedermeier stand. An der Ecke Burggasse/Einspinnergasse entsteht auf einer 450 Quadratmeter großen Baulücke ein „Boarding House“ - etwa für Künstler, die eine Zeit lang an Projekten in Graz arbeiten - mit transparenter Zellenstruktur entstehen, in dessen Erdgeschoss ein Restaurant den Blick nach innen und außen öffnet.

„Die Lust am Leben“ soll in dem lichtdurchfluteten Gebäude mit Retro-Variationen aus den 60er-Jahren Einzug halten. Hannes Sorger, Geschäftsführer der Projektabwickler denkbar&so, einer Tochter der Bauträgerin Wegraz, schätzt die Kosten für das Projekt im STANDARD-Gespräch auf 7,5 Millionen Euro. Viel Glas und Materialien wie Aluminium, Kunststoff, Schaumbeton oder Komposit sind derzeit für die Hightech-Fassade im Gespräch. Sie sollen für die kühle Eleganz und Leichtigkeit sorgen.

Für den Wettbewerb um das Eckhaus in der Grazer Innenstadt reichten auch Architekturgrößen wie Ernst Giselbrecht und Klaus Kada prämierte Entwürfe ein. Zu sehen sind die Modelle noch heute, Freitag in einer Ausstellung im Grazer Haus der Architektur in der Engelgasse.

Hadids Londoner Büro baut unterdessen in halb Europa: Das Nationalmuseum für Gegenwartskunst in Rom, das Ordrupgaard Museum in Kopenhagen, das BMW-Werk in Leipzig sowie einen Bahnhof im spanischen Durango und einen neuen Fährhafen in Salerno. Geplant sind auch Hochhäuser in Mailand, Marseille und Moskau. Der Bewerb für den Schwimmkomplex des Londoner Olympiaparks, wo man 2012 die Olympischen Spiele abzuhalten hofft, wurde ebenso von der 54-jährigen Architektin gewonnen wie jener für das Stadtkasino in Basel.

Zeit für ihre Studenten in Wien hat Hadid dennoch. Susanne John von der Angewandten erzählt: „Sie kommt im Schnitt dreimal im Semester, um die Projekte ihrer Studenten zu betreuen.“

Der Standard, Fr., 2005.02.18

11. Juli 2004Colette M. Schmidt
Der Standard

Sozialer Architekt im Widerstand

„Totes Leben gibt es nicht“, schrieb einst der Grazer Architekt Herbert Eichholzer, ein konsequenter Vertreter der Moderne der Zwischenkriegszeit, in Bezug...

„Totes Leben gibt es nicht“, schrieb einst der Grazer Architekt Herbert Eichholzer, ein konsequenter Vertreter der Moderne der Zwischenkriegszeit, in Bezug...

„Totes Leben gibt es nicht“, schrieb einst der Grazer Architekt Herbert Eichholzer, ein konsequenter Vertreter der Moderne der Zwischenkriegszeit, in Bezug auf lebendige Tradition im Bauen. Eine Monografie, die das Zitat als Titel führt, und eine Ausstellung an der Grazer TU arbeiten das Leben des sozialdemokratischen Kosmopoliten, der auch in seiner politischen Haltung stets konsequent blieb, auf. 1943 wurde Eichholzer von den Nazis erst vierzigjährig enthauptet.

In Graz sind nur wenige seiner Bauten im Originalzustand erhalten geblieben. Neben einigen Einfamilienhäusern oder einem Arbeiterwohnhaus im steirischen Judenburg gehört auch die Operngarage in Graz, die 1933 in der Tagespost als „Hotel für Autos“ begrüßt wurde, zum Erbe Eichholzers, der auch in Paris und Ankara arbeitete.

Das Buch und die Schau sind die Ergebnisse der interdisziplinären Forschungen von Kunsthistorikerin Antje de Grancy, Zeithistoriker Heimo Halbrainer und Architekt Günter Koberg. Ergänzend dazu publizierte Halbrainer im Verlag des Geschichtsvereins Clio den Band „Abessinische Reise 1925/26“: Eine Dokumentation der Reisen Eichholzers ins heutige Äthiopien.

In seiner urbanen Architektur der einfachen, klaren Formen sind deutlich die Einflüsse von Ludwig Mies van der Rohe, Josef Frank und nicht zuletzt von Le Corbusier, in dessen Atelier Eichholzer von 1928 bis 1929 arbeitete, abzulesen. Zudem schuf er funktionelle Möbel und die Holzspielzeugserie „Klump“, die die kindliche Fantasie unterstützen sollte.

Das politische Engagement begann während des Studiums in Graz. Im Februar 1934 kämpfte Eichholzer im Republikanischen Schutzbund und musste in der Folge fliehen. 1940 kehrte Eichholzer mit Margarete Schütte-Lihotzky nach Österreich zurück, um im Auftrag der KPÖ im Widerstand gegen die Nazis zu kämpfen.

[ „Totes Leben gibt es nicht“. Hg. von der TU Graz. Springer Verlag, 230 Seiten, 25 Euro. ]

Der Standard, So., 2004.07.11



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Totes Leben gibt es nicht

30. Juni 2003Colette M. Schmidt
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Im Bauch des Kunsthauses

Die blaue Blase nimmt auch in ihrem Inneren seltsame Formen an.

Die blaue Blase nimmt auch in ihrem Inneren seltsame Formen an.

Graz - „Friendly Alien“, „Trinkerleber“, „Eislutscher“ oder schlicht „Blase“ - die Grazer haben schon einige Namen für ihr neues Kunsthaus, das im September eröffnet wird. Das gigantische blaue Organ mit seinen „Nozzles“, wie die Architekten Peter Cook und Colin Fournier die fühlerartigen Fenster nennen, quillt aus der Rückseite des denkmalgeschützten Eisernen Hauses.


„Neutrale Ikone“

„Es gibt Museen, die durch ihr ikonenhaftes Äußeres auffallen, andere halten sich durch neutrale Grundrisse zugunsten der gezeigten Exponate zurück“, erklärt Kunsthaus-Architekt Fournier bei einer Baustellenführung durch die „Bubble“. Das Grazer Kunsthaus will beide Ansprüche erfüllen. Zudem musste man die 1848 errichtete, denkmalgeschützte Gusseisenkonstruktion, das Eiserne Haus, durch die so genannte „Needle“ mit dem neuen Teil verbinden. Diese ragt wie eine ausgestreckte Zunge in luftigen Höhen aus der Blase, ist aber noch nicht begehbar.

Das Eiserne Haus erstrahlt dank aufwändiger Restaurierung in neuem Glanz. In der jahrelang von Witterungseinflüssen beschädigten Fassade, deren ursprüngliche Schönheit nun wieder sichtbar ist, liegt auch der Haupteingang des Kunsthauses am Südtiroler Platz. Durch ihn führten Fournier und der ausführende Architekt Herfried Peyker am Samstag in die bereits begehbaren Teile des Neubaus.

Der noch nicht fertig gestellte „Travelator“, ein Fließband für Menschen, wie man es von Flughäfen kennt, durchstößt im Erdgeschoß, wo sich ein Café befinden wird, die Haut der Blase. Er führt in die verschiedenen Ausstellungsebenen: Im „Kinderbauch“, wie das Geschoß für Kinder- und Jugendarbeit heißt, fühlen sich Erwachsene der Decke recht nah. Aus der 900 Quadratmeter großen Ausstellungsebene darüber führt ein Steg ins zweite Obergeschoß des Eisernen Hauses, die neue Heimat der Camera Austria.

In der obersten Ebene, einer 1100 Quadratmeter großen kuppelförmigen Halle, kann man ausschließlich durch die nach Norden gerichteten „Nozzles“ in den Himmel blicken. Denn eine vollständig transparente Außenhaut war weder „machbar noch geplant“, betont Peyker. Ein Fühler ist genau auf den Uhrturm samt Schatten gerichtet.

Der Standard, Mo., 2003.06.30



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Kunsthaus Graz

21. November 2002Colette M. Schmidt
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Synergien im Gesundheitspark

Ernst Giselbrecht baut in Bad Aussee ein Zentrum für kranke und ältere Menschen

Ernst Giselbrecht baut in Bad Aussee ein Zentrum für kranke und ältere Menschen

Auf einer Wiesenkuppe im steirischen Ausseerland entsteht ein moderner „Gesundheitspark“, in dem eine Privatklinik für psychosomatisch Erkrankte, ein Landeskrankenhaus und ein Pflegeheim für Senioren untergebracht werden sollen. Dabei will man nicht nur in Harmonie mit der umliegenden Berglandschaft bauen, sondern auch sich überlappende Bedürfnisse aller drei Institutionen so nutzen, dass betriebswirtschaftlich, aber nicht qualitativ gespart werden kann.

Architekt Ernst Giselbrecht und sein Team haben mit ihrem Entwurf zu diesem ambitionierten Projekt einen EU-weit ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen.

Rückzugsgebiete

Von den drei Häusern, die mit ihren länglichen, leicht anmutenden Baukörpern eine städtebauliche Einheit bilden, sind zwei - das LKH und die Privatklinik - durch ein „Synergiemodul“ mit einander verbunden. Das heißt, sie teilen sich den transparenten Eingangsbereich, einen Speisesaal, die Cafeteria und Therapieräume.

Aus der engen Nachbarschaft ziehen die Patienten beider Kliniken Vorteile: Das LKH hält eine medizinische Ausrüstung bereit, die sich eine Privatklinik nur schwer leisten könnte, während die Privatklinik etwa ein Schwimmbad und Fangobäder für alle Patienten anbietet.

Das Seniorenheim - es wird das 17. sein, das die Volkshilfe in der Steiermark betreibt - ist zwar auf einem eigenen Grundstück mit eigener Zufahrt gelegen, doch auch hier gilt als oberstes Prinzip: Transparenz mit gleichzeitigen Rückzugsmöglichkeiten für die Senioren. Sei es in Aufenthaltsräumen, die auch Privatsphäre zulassen, oder in einem mit Sträuchern begrenzten Rosengarten. Bernd Federspiel, ein Mitarbeiter Giselbrechts: „Es war uns wichtig, keine Zäune um das Heim aufzuziehen, stattdessen geht das Grundstück in eine weitläufige Wiese über.“

Für die 70 Bewohner, die auf zwei Stationen in 16 Doppel- und 38 Einzelzimmern untergebracht sind, ist die Nähe zum Krankenhaus wichtig, trotzdem leben sie in einem selbstständig geführten Heim.

Außerdem ist am Grundstück noch der Fuhrpark für die mobile Heimbetreuung untergebracht für die Senioren in der Region, denen es körperlich noch halbwegs gut geht.

Der Standard, Do., 2002.11.21



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Neubau Seniorenzentrum Bad Aussee

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