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Graue Energie: Wo optimieren?

Je niedriger der Betriebsenergiebedarf eines Gebäudes ist, umso mehr fällt die für die Erstellung eingesetzte Energie in einer Lebenszyklusbetrachtung ins Gewicht. Damit rückt die Optimierung dieser sogenannten grauen Energie ins Blickfeld. Welche Parameter eines Gebäudes dabei den stärksten Ausschlag geben, zeigt ein Vergleich von drei Neubauten und vier instandgestellten Gebäuden der Stadt Zürich.

Je niedriger der Betriebsenergiebedarf eines Gebäudes ist, umso mehr fällt die für die Erstellung eingesetzte Energie in einer Lebenszyklusbetrachtung ins Gewicht. Damit rückt die Optimierung dieser sogenannten grauen Energie ins Blickfeld. Welche Parameter eines Gebäudes dabei den stärksten Ausschlag geben, zeigt ein Vergleich von drei Neubauten und vier instandgestellten Gebäuden der Stadt Zürich.

53 % der gesamten durch ein neues Wohngebäude bestimmten Treibhausgasemissionen entfallen gemäss Merkblatt SIA 2040 SIA-Effizienzpfad Energie1 auf die Erstellung, lediglich 16 % auf die Betriebsenergie und 31 % auf die durch das Gebäude verursachte Mobilität (Abb. 11). Diese Richtwerte beziehen sich auf 2000-Watt-kompatible Gebäude. Betrachtet man anstelle der Treibhausgasemissionen die nicht erneuerbare Primärenergie, verschieben sich die Anteile, weil die Baustoffproduktion wesentlich mehr Treibhausgasemissionen je Energieeinheit verursacht als die Betriebsenergie. 25 % entfallen auf die Erstellung, 45 % auf die Betriebsenergie und 30 % auf die Mobilität. Ohne Optimierung der grauen Treibhausgasemissionen und der grauen Energie sind klimaverträgliche und ressourceneffiziente Häuser also kaum denkbar.

Herausforderung für das Planungsteam

Trotz der immensen Bedeutung mangelt es jedoch an Vorgaben für die Erstellungsenergie von Gebäuden, ganz im Gegensatz zur Betriebsenergie, die durch eine Vielzahl von Normen und Vorschriften geregelt ist. Im SIA-Effizienzpfad Energie werden erstmals entsprechende Richtwerte für graue Energie und graue Treibhausgasemissionen festgelegt.[1] Bei einer gesamtheitlichen Quantifizierung stellt sich die Frage, welcher Fachplaner damit beauftragt wird: die Architektin? Der Kostenplaner? Die Bauphysikerin? Davon unabhängig muss sichergestellt sein, dass der Gesamtleiter der Planung, also in der Regel die Architektin, die relevanten Parameter zur Optimierung der grauen Energie respektive der grauen Treibhausgasemissionen kennt. Diese Verantwortlichkeit ist insofern von Bedeutung, als der Erstellungsaufwand sehr stark vom Gebäudekonzept abhängig ist – also von der Form und der Kompaktheit eines Gebäudes, vom statischen Konzept und von der Materialisierung. Da mit einer zunehmenden Sensibilisierung von Bauherrschaften für dieses Thema zu rechnen ist, sind der Architekt und sein Fachplanungsteam gleichermassen gefordert.

Instandsetzung oder Neubau?

Aus energetischer Sicht kann die Frage, ob ein Ersatzneubau einer Sanierung vorzuziehen sei, nicht generell beantwortet werden. Zwar braucht die Instandsetzung nur rund die Hälfte an grauer Energie im Vergleich zum Neubau, weil der Aushub der Baugrube und die Primärstruktur des Gebäudes bereits als abgeschrieben gelten. Dies ist mit ein Grund, dass die 2000-Watt-Kompatibilität fallweise mit einer Instandsetzung günstiger erreicht werden kann als mit einem Neubau, obwohl die Betriebsenergie im sanierten Haus in der Regel grösser ist. Häufig halten sich aber bei einem Neubau der Mehraufwand an grauer Energie und der Minderaufwand im Betrieb gegenüber einer Instandsetzung die Waage. 2000-Watt-verträgliche Lösungen lassen sich demnach mit beiden Strategien verfolgen. Energieeffizienz alleine kann daher kein Grund sein, ein Gebäude abzureissen. Ausschlaggebend für die Abwägung zwischen Ersatzneubau und Instandsetzung sind vielmehr die Gebrauchstauglichkeit, Grundrisse mit hoher Flexibilität und das Erweiterungspotenzial eines Objektes, mitunter auch baurechtliche Fragen, beispielsweise Grenzabstände.

Instandsetzungen: Gebäudetechnik schlägt zu Buche

Das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich hat von sieben städtischen Gebäuden – vier Instandsetzungen und drei Neubauten – den Erstellungs- respektive Instandsetzungsaufwand detailliert erhoben (Abb. 1 bis 7, 12).[2] Die Auswertung zeigt, dass die Baugrube und die Tragstruktur in einer Bilanz der Treibhausgase kräftig zu Buche schlagen. Bei den drei Neubauten entfallen gut ein Drittel bis knapp die Hälfte der Treibhausgasemissionen durch die Erstellung auf diese Positionen. Bei den Instandsetzungen sind diese Anteile naturgemäss sehr viel kleiner. Plausibel ist auch der Befund, dass der Aufwand für die Gebäudetechnik in ihrer absoluten Grösse weitgehend unabhängig davon ist, ob das Gebäude neu erstellt oder instandgesetzt wird. Durch diese Übereinstimmung in den absoluten Grössen ergeben sich bei Instandsetzungen grosse Anteile für die gebäudetechnischen Installationen, wie die Beispiele Dorflinde und Milchbuck illustrieren. Im Altersheim Dorflinde entfallen über 40 % der grauen Treibhausgasemissionen auf diese Position. Erheblich sind auch die durch die Herstellung der Fenster und den Innenausbau verursachten Treibhausgasemissionen.

Grosse Bedeutung von Ausmass und Materialisierung

Die Interpretation der Daten zeigt auch, dass die Materialisierung und das Ausmass der Bauteile, bezogen auf die Energiebezugsfläche, von grosser Bedeutung sind. Typisch dafür ist das Schulhaus Holderbach mit nur zwei Vollgeschossen, dessen Aussenbauteile, insbesondere das Dach, im Verhältnis zur Energiebezugsfläche ein grosses Ausmass haben. Das Objekt in der für die 1950er-Jahre typischen Pavillonbauweise ist wenig kompakt. Dass der Schulhaustrakt bei der Instandsetzung wiederum mit Aluminium eingedeckt wurde, akzentuiert diesen Effekt.

Der Stellenwert der Materialisierung – als Folge der gewählten Konstruktion – kommt auch in einem Vergleich der Aussenwände in der Wohnsiedlung Paradies und im Altersheim Dorflinde zum Ausdruck. Im «Paradies» fallen die Putzträgerplatten der hinterlüfteten Fassade und die Unterkonstruktion aus Aluminium ins Gewicht, während die 18 cm Steinwolle sich nur marginal auswirken. In der «Dorflinde» dagegen wird die Aussenwand raumseitig mit 14 cm Porenbeton nachgerüstet. Diese Lösung kommt ohne Verkleidung und Unterkonstruktion aus, was zu sehr tiefen Werten der grauen Energie führt (Abb. 8–10). Sofern die bauphysikalischen Bedingungen gegeben sind, erweist sich eine Innendämmung als vorteilhaft, umso mehr, als dadurch – wie im Fall «Dorflinde» – die Fassade keine grundlegenden Eingriffe erfährt und dadurch die architektonische Qualität erhalten bleibt.

Die Kompaktheit eines Gebäudes ist also einer der wichtigsten Faktoren bei der Optimierung des Erstellungsaufwandes. Die Daten zeigen aber auch, dass die im Effizienzpfad Energie dokumentierten Richtwerte bei Instandsetzungen – trotz grosser Eingriffstiefe – dank sorgfältiger Materialwahl erreicht werden können.[3]

Hilfsmittel zur Berechnung

Mit dem Merkblatt 2032 hat der SIA für die Planung eine praxisgerechte Methode zur Berechnung der grauen Energie nach einheitlichen Grundsätzen geschaffen.[4] Mit den «Ökobilanzdaten im Baubereich» ist eine aktuelle Datengrundlage mit repräsentativen Daten für den schweizerischen Baustoffmarkt vorhanden.[5]

Den interessierten Planenden und Auftraggebern stehen mittlerweile geeignete Hilfsmittel zur Berücksichtigung von grauen Daten bei der Erstellung oder der Instandsetzung zur Verfügung, beispielsweise die ECO-BKP-Merkblätter für Instandsetzungen und Neubauten[6] sowie die Zertifizierung nach Minergie-Eco. Geeignet für die Berechnung sind das webgestützte Tool www.bauteilkatalog.ch sowie – für eine grobe Orientierung in Vorstudien oder Vorprojekten – der Anhang D des SIA-Merkblattes 2032 Graue Energie von Gebäuden.

Wichtig ist dabei, dass die Datenerhebung und die Optimierung frühzeitig erfolgen. Bauten nach dem SIA-Effizienzpfad Energie, nach Minergie-Eco 2011 und nach dem neuen Standard Minergie-A, der Anfang März 2011 lanciert werden soll, bedingen ohnehin einen Nachweis der grauen Energie.


Anmerkungen:
[01] Merkblatt SIA 2040 SIA-Effizienzpfad Energie, in Vernehmlassung, Zürich 2010
[02] Fürer, Yvonne; Heinrich Gugerli: Graue Energie und Graue Treibhausgasemissionen von Instandsetzungen. 16. Status-Seminar, 2. und 3. September 2010, ETH Zürich
[03] Instandsetzung. Das Potenzial liegt im Bestand. Stadt Zürich, Hochbaudepartement, 2011. www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen
[04] Merkblatt 2032 Graue Energie von Gebäuden, SIA, Zürich 2009
[05] Empfehlung 2009/1 Ökobilanzdaten im Baubereich, KBOB, eco-bau, IPB, Bern 2009, www.kbob.ch
[06] Eco-BKP 2009. Merkblätter zum ökologischen Bauen nach Baukostenplan BKP, Verein eco-bau, Bern 2009, www.eco-bau.ch

Weitere Informationen:
www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen

TEC21, Fr., 2011.01.28



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2011|05-06 Energien bilanzieren

Baustoffmanagement optimieren

Mithilfe eines Ressourcenmodells wurden die in Gebäuden und Infrastruktur der Stadt Zürich eingebauten Mengen an Baumaterial sowie die Materialflüsse abgeschätzt. In einem zweiten Schritt wurde ermittelt, mit welcher Strategie – verstärkte Sanierungs- oder Ersatzneubauraten – sich das «Bauwerk Stadt Zürich» zukünftig am effizientesten im Hinblick auf Material- und Energieverbrauch gestalten lässt

Mithilfe eines Ressourcenmodells wurden die in Gebäuden und Infrastruktur der Stadt Zürich eingebauten Mengen an Baumaterial sowie die Materialflüsse abgeschätzt. In einem zweiten Schritt wurde ermittelt, mit welcher Strategie – verstärkte Sanierungs- oder Ersatzneubauraten – sich das «Bauwerk Stadt Zürich» zukünftig am effizientesten im Hinblick auf Material- und Energieverbrauch gestalten lässt

Das Amt für Hochbauten und das Tiefbauamt der Stadt Zürich streben im Rahmen des Legislaturschwerpunktes «Nachhaltige Stadt Zürich – auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft » eine ressourceneffiziente Bewirtschaftung der mineralischen Baustoffflüsse und -lager an. Dabei wird auch der beabsichtigte energetische Umbau des Gebäudeparks in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft berücksichtigt. Das entwickelte Ressourcenmodell zeigt, wie sich die Situation für das «Bauwerk Stadt Zürich» heute darstellt und wie die Entwicklung bis 2050 aussehen könnte.[1,2,3]

Erfassung des Ist-Zustandes

Zur Erfassung des Ausgangszustandes wurden zunächst der bestehende Gebäudepark und die bestehende Infrastruktur analysiert: Zu jedem der 55 000 Gebäude in der Stadt Zürich wurde ein Datensatz mit Angaben zu Gebäudevolumen, Gebäudegeometrie und Bauteildaten angelegt, unterteilt nach Nutzungs- und Altersklassen. Daraus konnten die in den Gebäuden gebundenen Materialmengen berechnet werden. Ein wichtiger Parameter ist dabei die Materialisierung der Gebäude in Abhängigkeit vom Gebäudealter, die eine Abnahme des Mauerwerkanteils zugunsten von Beton zeigt (Abb. 2). Entsprechend wird sich auch die Zusammensetzung des Rückbaumaterials hin zu einem höheren Anteil an Betonabbruch und einem abnehmenden Anteil an Mischabbruch verändern. Die Materialflüsse wurden für das Modell über die Neubau-, Ersatzneubau- und Sanierungsraten ermittelt. Für die Infrastrukturanlagen standen bereits detaillierte Angaben zu den Strassen- und Leitungslängen, zu den entsprechenden Querschnitten sowie zu den Sanierungs- und Erneuerungsraten zur Verfügung.

Die Untersuchung umfasst die mineralischen Baustoffe Beton, Mauerwerk, Kies/Sand, Belag und Restfraktion (Gips, Keramik, Glas). In Abb. 1 sind die Materiallager und -flüsse der Gesteinskörnungen im Beton dargestellt: Der Input in den Gebäudepark ist mit 780 000 t pro Jahr deutlich höher als im Tiefbau (104 000 t/a). Aus dem Gebäudepark fliessen jährlich 276 000 t Rückbaustoffe. Das Lager im Gebäudepark wächst somit jährlich um rund 500 000 t. In der Infrastruktur wird hingegen von einem Fliessgleichgewicht ausgegangen. Insgesamt fallen rund 380 000 t Rückbaumaterial an, wovon 300 000 t wieder als Recyclinggesteinskörnung eingesetzt werden. Allerdings fliessen aufgrund fehlender Einsatzmöglichkeiten nur zwei Drittel davon wieder in die Stadt Zürich zurück. Der Rest muss ausserhalb der Stadt verwertet werden.

Mithilfe des Ressourcenmodells lässt sich einfach ermitteln, wo und wie das System ressourceneffizienter gestaltet werden kann. Würde der Anteil des Recyclingbetons am Betoninput in die Gebäude von derzeit 20 auf 50 % erhöht, liessen sich die heute «exportierten » 95 000 t Betongranulate in der Stadt Zürich verwerten (Abb. 1). Es müssten gar 140 000 t Recyclingbaustoffe von ausserhalb importiert werden bzw. Mischabbruch alsweiterer Recyclingbaustoff eingesetzt werden. Der Bedarf an natürlicher Gesteinskörnung könnte somit um jährlich 234 000 t bzw. um rund 35 % reduziert werden. Um das zu erreichen, sind beispielsweise Fördermassnahmen zum vermehrten Einsatz von Recyclinggesteinskörnung im Konstruktionsbeton sinnvoll.

Langzeitbetrachtung durch Simulationen

Nach der Erfassung des Ist-Zustandes wurde in einem zweiten Schritt ein dynamisches Modell aufgebaut, mit dessen Hilfe sich die Entwicklung bis 2050 abschätzen lässt. Neben den mineralischen Baustofffl üssen wurde in diesem Modell auch die zeitliche Entwicklung der Endenergie (Heizen und Warmwasser) sowie der grauen Energie simuliert (Abb. 3). Dies ermöglicht eine umfassende Beurteilung des Ressourcenbedarfs für den Bau und den Betrieb des Gebäudeparks in der Stadt Zürich. Grundsätzlich kann der Umbau in einen energieeffi zienten Gebäudepark über die Sanierung, den Ersatzneubau oder über die Kombination dieser Szenarien realisiert werden. Ein Ersatzneubau lässt aus energetischer Sicht effi zientere Lösungen zu, ist allerdings deutlich ressourcenintensiver als eine Sanierung.

Auch die Umbaugeschwindigkeit ist von Bedeutung. Das dynamische Modell sollte zeigen, ob sich die energetischen Ziele der Stadt Zürich über den Weg von Sanierung oder Ersatzneubau im betrachteten Zeitraum von 40 Jahren überhaupt erreichen lassen und welche Materialfl üsse damit verbunden sind.auswirkung verschiedener erneuerungsstrategien Kern des dynamischen Modells ist die Beschreibung der Veränderung des Gebäudebestandes von 1995 bis 2050. Das totale Gebäudevolumen wird durch die prognostizierte Entwicklung exogener Faktoren bestimmt: Wohnbevölkerung, Arbeitsplätze und deren spezifischer Flächenbedarf. Daraus lässt sich die jährliche Nachfrage nach Gebäudevolumen ableiten, die durch Neubauten oder Ersatzneubauten gedeckt werden muss. Der Gebäudebestand wächst in der Stadt Zürich bis 2050 in allen Szenarien um rund 40 Mio. m3 auf über 200 Mio. m3.

Um die Auswirkungen unterschiedlicher Erneuerungsstrategien abzubilden, wurden vier Szenarien untersucht. Im Referenzszenario «konstant» werden die Sanierungs- und Rückbauraten über den betrachteten Zeitraum konstant auf dem Ausgangswert (Durchschnitt 2000–2005) belassen. Beim Szenario «sanieren» werden die Sanierungsraten jeweils bis ins Jahr 2050 um die Faktoren 1.5 (Nichtwohnen) bzw. 3 (Wohnen) linear erhöht und für das Szenario «ersetzen» die Rückbauraten, die um etwa eine Grössenordnung tiefer liegen als die Sanierungsraten, um den Faktor 3 (Nichtwohnen) bzw. 4 (Wohnen) linear entwickelt. Im Szenario «kombiniert» steigen sowohl die Sanierungs- als auch die Rückbauraten um die jeweiligen Faktoren. Um die Entwicklung des Energiebedarfs des Gebäudeparks berechnen zu können, wurden ausserdem Annahmen für die Entwicklung des nach einem baulichen Eingriff erreichten Energiestandards getroffen: Die Anteile von Minergie- und Minergie-PGebäuden nehmen mit jedem Jahr zu.

Die Resultate der verschiedenen Szenarien zeigen, dass beim Szenario «ersetzen» die Materialintensität deutlich höher ist als beim Szenario «konstant» (Abb. 3). Während der Rückbaumaterialfluss im Szenario «konstant» beinahe unverändert bleibt, steigt dieser beim Szenario «sanieren» bis 2050 von 0.8 auf 1.1 Mio. Tonnen an. Massiver sind die Auswirkungen bei den Szenarien «ersetzen» und «kombiniert»: Hier ist mit einer annähernden Verdoppelung der Rückbauflüsse auf 1.4 bzw. 1.6 Mio. Tonnen pro Jahr zu rechnen.

Ein materialintensiver Umbau des Gebäudeparks lässt sich somit nur rechtfertigen, wenn dies gleichzeitig zu einer deutlichen Reduktion des Energiebedarfs führt. Dies ist auch tatsächlich der Fall: Im Szenario «kombiniert» kann beispielsweise der Endenergiebedarf pro Person für Raumwärme und Warmwasser auf 40 % des heutigen Bedarfs reduziert werden. Allerdings führt die zusätzliche Reduktion der Endenergie bei den Szenarien «ersetzen» und «kombiniert»zu einer deutlichen Zunahme der grauen Energie. In dieser Hinsicht schneidet das Szenario «sanieren» besser ab.

Die Resultate aus den Modellierungen zeigen, dass wir im Bereich des Baustoffmanagements vor grossen Herausforderungen stehen. Es müssen nicht nur Recyclingkapazitäten und Absatzmöglichkeiten für die ansteigenden Rückbaumaterialflüsse ausgebaut werden, sondern auch neue Lösungen für die Aushubentsorgung gefunden werden (s. Kasten S. 20). Auf diese Entwicklungen müssen wir frühzeitig reagieren und Strategien zu deren Bewirtschaftung entwickeln.


Anmerkungen:
[01] Gugerli, H., Rubli, St.: Ressourcenstrategie Bauwerk Stadt Zürich, Materialflüsse und Energiebedarf bis 2050. Amt für Hochbauten und Tiefbauamt der Stadt Zürich, Zürich, Oktober 2009.
[02] Schneider, M., Rubli, St.: Baustoffmanagement: Entwicklung eines Ressourcenmodells für mineralische Baustoffe für die Stadt Zürich. Umwelt Perspektiven, Illnau, Dezember 2007.
[03] Schneider, M., Rubli, St.: Ressourcenmodell der mineralischen Baustoffe auf der Ebene Stadt Zürich: Dynamische Modellierung 1995–2050. Amt für Hochbauten und Tiefbauamt der Stadt Zürich, 2009.
[04] Schneider M., Rubli St.: Rohstoff- und Aushubflüsse im Kanton Zürich - Ein dynamisches Modell der Materialflüsse für die Jahre 1995–2025. Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich, AWEL, Zürich, 2009.

Weitere Informationen zum Thema Ressourcen sind verfügbar unter www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen > 2000-Watt-Gesellschaft > Ressourcen


[Stefan Rubli, Dr. sc. techn., dipl. Umweltnaturwissenschafter ETH, Energie- und Ressourcen- Management GmbH, Schlieren
Heinrich Gugerli, Dr. Ing., dipl. Ing. ETH/SIA, Leiter Fachstelle Nachhaltiges Bauen, Amt für Hochbauten der Stadt Zürich
Rolf Wagner, Ressourcenwirtschafter NDS, Amt für Abfall, Energie, Wasser und Luft (AWEL) des Kantons Zürich, Zürich]

TEC21, Fr., 2010.06.11



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2010|24 Recycling-Beton

Minergie-Eco: mehr Lebensqualität und geringere Umweltbelastung

Der Verein Minergie lancierte am 22. Juni ein neues Label mit dem Namen Minergie-Eco. Damit wird das erfolgreiche Label Minergie mit einer gesunden und ökologischen Bauweise kombiniert. Grundlage dazu bildet das Gebäudelabel eco-bau des gleichnamigen Vereins. Dank dem neuen, einfach bedienbaren und logisch aufgebauten Nachweisinstrument steht dem Komfort und der Gesundheit der Menschen, die solche Gebäude nutzen, sowie einer umweltschonenden Bauweise nichts mehr im Weg.

Der Verein Minergie lancierte am 22. Juni ein neues Label mit dem Namen Minergie-Eco. Damit wird das erfolgreiche Label Minergie mit einer gesunden und ökologischen Bauweise kombiniert. Grundlage dazu bildet das Gebäudelabel eco-bau des gleichnamigen Vereins. Dank dem neuen, einfach bedienbaren und logisch aufgebauten Nachweisinstrument steht dem Komfort und der Gesundheit der Menschen, die solche Gebäude nutzen, sowie einer umweltschonenden Bauweise nichts mehr im Weg.

Ein Label erlaubt eine einfach verständliche Kommunikation von bestimmten Eigenschaften eines Produktes. Was für Bananen oder Bildschirme schon längst selbstverständlich ist, fehlte bisher in der Schweiz im Bereich der Nachhaltigkeit von Bauten. Im Ausland gibt es verschiedene solcher Labels. Diese sind aber entweder zu wenig praxisgerecht oder aufgrund abweichender länderspezifischer Bedingungen kaum anwendbar.

Deshalb stellte der Verein eco-bau Anfang letzten Jahres das Gebäudelabel eco-bau vor. Der Verein ist eine Plattform öffentlicher Bauherrschaften von Bund, Kantonen und Städten zur Förderung des nachhaltigen Bauens und hat über viele Jahre diverse Werkzeuge wie Checklisten oder Merkblätter geschaffen, die laufend aktualisiert wurden und sich in der Praxis gut bewährt haben. Mit der Entwicklung des Labels eco-bau wurde eine verbindlichere Anwendung der bestehenden Vorgaben und deren Zusammenfassung in einem Instrument angestrebt. Das Label entstand in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und dem Aushub-, Rückbau- und Recycling-Verband Schweiz (ARV). An mehr als zehn Testobjekten ist das Gebäudelabel inzwischen eingehend und erfolgreich erprobt worden. Ausgehend von diesen Erfahrungen wurde die Methode nochmals stark vereinfacht und ihre Anwenderfreundlichkeit verbessert.

Nutzung von Synergien

Bereits während der Entwicklung von eco-bau wurde eine Kombination mit dem Label Minergie vorgesehen. Mitte letzten Jahres beschlossen die beiden Vereine eine Kooperation, um gemeinsam ein Label zu entwickeln. Dies ermöglicht die Nutzung von Synergien in den Bereichen Marketing und Zertifizierung; zugleich kann Minergie vom fachlichen Know-how von eco-bau profitieren. Neben dem Abgleich der zu erfüllenden Kriterien mit Minergie erfolgte eine starke Reduktion des Umfangs der einzureichenden Informationen sowie eine Neuentwicklung des computerbasierten Nachweisinstruments. Dank der Kooperation mit Minergie steht eco-bau, das für öffentliche Bauten entwickelt wurde, nun auch dem privaten Bausektor zur Verfügung.

Unter dem gemeinsamen Dach von Minergie-Eco stehen Minergie für Komfort und Energieeffizienz und Eco für Gesundheit und Bauökologie (siehe Bild 1). Beim Komfort geht es um hohe thermische Behaglichkeit, optimalen sommerlichen Wärmeschutz und systematische Lufterneuerung. Bezüglich Energieeffizienz wird vorgegeben, dass der gesamte Energieverbrauch mindestens 25 Prozent und der fossile Energieverbrauch mindestens 50 Prozent unter dem durchschnittlichen Stand der Technik liegen muss. Bei der Gesundheit stellt das Zertifikat Anforderungen an die drei Kriterien Licht, Lärm und Raumluft. Konkret geht es um gute Tageslichtverhältnisse, geringe Lärmimmissionen, geringe Schadstoffbelastungen und tiefe Immissionen durch ionisierende Strahlung. Die Kriterien zur Bauökologie beinhalten umweltrelevante Auswirkungen bei der Herstellung respektive Verarbeitung der für das Gebäude notwendigen Baustoffe und Systeme. Aber auch deren Rückbaufähigkeit und Wiederverwertbarkeit sowie der Einsatz von Recyclingbaustoffen sind wichtige Aspekte. Grundlage für diese Anforderungen sind anerkannte Planungswerkzeuge wie die bereits erwähnten Instrumente des Vereins eco-bau oder SIA-Normen. Zudem ist das Label mit der SIA-Empfehlung 112/1 «Nachhaltiges Bauen» abgestimmt. Anwendbar ist Minergie-Eco vorerst für Verwaltungsbauten, Schulen und Mehrfamilienhäuser. Für Einfamilienhäuser und Sanierungen ist ein entsprechendes Angebot geplant.

Die Methode zur Bewertung

Die systematische Bewertung von Projekten basiert auf einem Fragenkatalog, der in ein EDV-Instrument integriert ist. Die Beantwortung der Fragen erfolgt in zwei Schritten: einerseits in den Phasen Vorstudien und Projektierung, anderseits in Ausschreibung und Realisierung. Dabei nutzt das Label die für die Planungs- und Baupraxis typischen Ordnungssysteme und ermöglicht damit Synergien im Planungsalltag.

Zur erfolgreichen Zertifizierung mit Minergie-Eco muss ein Gebäude zunächst den Minergie-Nachweis erbringen. Anschliessend sind drei Hürden zu nehmen. Als Erstes müssen alle Ausschlusskriterien eingehalten werden. Dazu zählen beispielsweise schwermetallhaltige Baustoffe, mit SF6-Gas gefüllte Schallschutzverglasungen oder Biozide und Holzschutzmittel in Innenräumen. Als Zweites müssen Mindestanforderungen für die sechs Kriterien Licht, Lärm, Raumluft, Rohstoffe, Herstellung und Rückbau erfüllt werden. Dabei ordnet das EDV-Instrument den mit Ja beantworteten Fragen automatisch Punkte zu. Liegt die gesamte Punktzahl eines Kriteriums über 50 Prozent der möglichen Punkte, gilt dieses als erfüllt. Bewertet werden ausschliesslich Fragen, die für das Objekt auch relevant sind. So sind beispielsweise Vorgaben für Dachziegel bei Gebäuden mit einem Flachdach nicht relevant. Als Drittes muss die Summe der Punkte für jeden der zwei Bereiche Gesundheit und Bauökologie mindestens 67 Prozent der möglichen Punkte erreichen. Zusätzliche Punkte können durch den Einsatz von Materialien mit bestimmten Produktlabeln wie Natureplus erzielt werden.

Der Weg zur Zertifizierung

Die Zertifizierung für Minergie-Eco erfolgt – analog zu Minergie – in zwei Schritten. Das provisorische Zertifikat wird auf der Basis von Projektunterlagen erteilt. Die definitive Zertifizierung erfolgt erst nach Fertigstellung des Gebäudes. Da die Erfüllung der Minergie-Anforderungen Voraussetzung ist, reicht die Bauherrschaft oder die Projektleitung die notwendigen Unterlagen an die kantonale Minergie-Zertifizierungsstelle ein. Diese leitet den Eco-Nachweis an die zentrale Zertifizierungsstelle Minergie-Eco weiter. Dort werden die Unterlagen geprüft, wobei natürlich ein besonderes Augenmerk auf der Wahl von Produkten und Materialien liegt. Die Fachleute der Stelle sind zudem befugt, auf Baustellen Kontrollen oder Messungen durchzuführen.

Die gesamten Kosten für die Zertifizierung werden nach der Energiebezugsfläche des Objekts berechnet und liegen zwischen 5000 und 10000 Franken. Generell ist die Frage der Wirtschaftlichkeit eines Projektes ein unverzichtbares Kriterium für das Zertifikat. Angebote für Baustoffe und Bauweisen, für Komponenten und Systeme müssen zu konkurrenzfähigen Preisen verfügbar sein. Für Minergie-Bauten sind Mehrkosten von höchstens zehn Prozent zulässig. Dies gilt auch für Minergie-Eco, denn die gesundheitlichen und die bau-ökologischen Qualitäten führen in der Regel nicht zu zusätzlichen Kosten.

Durch die Anwendung von Minergie-Eco entsteht ein grosser Mehrwert. Dank optimalen Tageslichtverhältnissen, gutem Lärmschutz und schadstoffarmen Innenräumen zeichnen sich solche Gebäude durch sehr gute Arbeitsbedingungen respektive eine hohe Wohnqualität aus. Daraus resultiert auch eine höhere Wertbeständigkeit der Gebäude, weshalb Finanzierungsinstitute Hypotheken zu Vorzugskonditionen gewähren. Weitere, jedoch kaum finanziell bezifferbare, aber nicht weniger wichtige Vorteile sind die Schonung der Ressourcen und der Umwelt.

Mit dem neuen Label Minergie-Eco steht erstmals ein anwenderfreundliches Nachweisinstrument zur Verfügung, das zu nachhaltig gebauten, gesundheitsschonenden, nutzerfreundlichen Gebäuden führt – und zudem die Qualität in der Planung, bei der Ausschreibung und bei der Realisierung sichert.

TEC21, Fr., 2006.06.23



verknüpfte Zeitschriften
tec21 2006|26 Energie plus Umwelt

Presseschau 12

Graue Energie: Wo optimieren?

Je niedriger der Betriebsenergiebedarf eines Gebäudes ist, umso mehr fällt die für die Erstellung eingesetzte Energie in einer Lebenszyklusbetrachtung ins Gewicht. Damit rückt die Optimierung dieser sogenannten grauen Energie ins Blickfeld. Welche Parameter eines Gebäudes dabei den stärksten Ausschlag geben, zeigt ein Vergleich von drei Neubauten und vier instandgestellten Gebäuden der Stadt Zürich.

Je niedriger der Betriebsenergiebedarf eines Gebäudes ist, umso mehr fällt die für die Erstellung eingesetzte Energie in einer Lebenszyklusbetrachtung ins Gewicht. Damit rückt die Optimierung dieser sogenannten grauen Energie ins Blickfeld. Welche Parameter eines Gebäudes dabei den stärksten Ausschlag geben, zeigt ein Vergleich von drei Neubauten und vier instandgestellten Gebäuden der Stadt Zürich.

53 % der gesamten durch ein neues Wohngebäude bestimmten Treibhausgasemissionen entfallen gemäss Merkblatt SIA 2040 SIA-Effizienzpfad Energie1 auf die Erstellung, lediglich 16 % auf die Betriebsenergie und 31 % auf die durch das Gebäude verursachte Mobilität (Abb. 11). Diese Richtwerte beziehen sich auf 2000-Watt-kompatible Gebäude. Betrachtet man anstelle der Treibhausgasemissionen die nicht erneuerbare Primärenergie, verschieben sich die Anteile, weil die Baustoffproduktion wesentlich mehr Treibhausgasemissionen je Energieeinheit verursacht als die Betriebsenergie. 25 % entfallen auf die Erstellung, 45 % auf die Betriebsenergie und 30 % auf die Mobilität. Ohne Optimierung der grauen Treibhausgasemissionen und der grauen Energie sind klimaverträgliche und ressourceneffiziente Häuser also kaum denkbar.

Herausforderung für das Planungsteam

Trotz der immensen Bedeutung mangelt es jedoch an Vorgaben für die Erstellungsenergie von Gebäuden, ganz im Gegensatz zur Betriebsenergie, die durch eine Vielzahl von Normen und Vorschriften geregelt ist. Im SIA-Effizienzpfad Energie werden erstmals entsprechende Richtwerte für graue Energie und graue Treibhausgasemissionen festgelegt.[1] Bei einer gesamtheitlichen Quantifizierung stellt sich die Frage, welcher Fachplaner damit beauftragt wird: die Architektin? Der Kostenplaner? Die Bauphysikerin? Davon unabhängig muss sichergestellt sein, dass der Gesamtleiter der Planung, also in der Regel die Architektin, die relevanten Parameter zur Optimierung der grauen Energie respektive der grauen Treibhausgasemissionen kennt. Diese Verantwortlichkeit ist insofern von Bedeutung, als der Erstellungsaufwand sehr stark vom Gebäudekonzept abhängig ist – also von der Form und der Kompaktheit eines Gebäudes, vom statischen Konzept und von der Materialisierung. Da mit einer zunehmenden Sensibilisierung von Bauherrschaften für dieses Thema zu rechnen ist, sind der Architekt und sein Fachplanungsteam gleichermassen gefordert.

Instandsetzung oder Neubau?

Aus energetischer Sicht kann die Frage, ob ein Ersatzneubau einer Sanierung vorzuziehen sei, nicht generell beantwortet werden. Zwar braucht die Instandsetzung nur rund die Hälfte an grauer Energie im Vergleich zum Neubau, weil der Aushub der Baugrube und die Primärstruktur des Gebäudes bereits als abgeschrieben gelten. Dies ist mit ein Grund, dass die 2000-Watt-Kompatibilität fallweise mit einer Instandsetzung günstiger erreicht werden kann als mit einem Neubau, obwohl die Betriebsenergie im sanierten Haus in der Regel grösser ist. Häufig halten sich aber bei einem Neubau der Mehraufwand an grauer Energie und der Minderaufwand im Betrieb gegenüber einer Instandsetzung die Waage. 2000-Watt-verträgliche Lösungen lassen sich demnach mit beiden Strategien verfolgen. Energieeffizienz alleine kann daher kein Grund sein, ein Gebäude abzureissen. Ausschlaggebend für die Abwägung zwischen Ersatzneubau und Instandsetzung sind vielmehr die Gebrauchstauglichkeit, Grundrisse mit hoher Flexibilität und das Erweiterungspotenzial eines Objektes, mitunter auch baurechtliche Fragen, beispielsweise Grenzabstände.

Instandsetzungen: Gebäudetechnik schlägt zu Buche

Das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich hat von sieben städtischen Gebäuden – vier Instandsetzungen und drei Neubauten – den Erstellungs- respektive Instandsetzungsaufwand detailliert erhoben (Abb. 1 bis 7, 12).[2] Die Auswertung zeigt, dass die Baugrube und die Tragstruktur in einer Bilanz der Treibhausgase kräftig zu Buche schlagen. Bei den drei Neubauten entfallen gut ein Drittel bis knapp die Hälfte der Treibhausgasemissionen durch die Erstellung auf diese Positionen. Bei den Instandsetzungen sind diese Anteile naturgemäss sehr viel kleiner. Plausibel ist auch der Befund, dass der Aufwand für die Gebäudetechnik in ihrer absoluten Grösse weitgehend unabhängig davon ist, ob das Gebäude neu erstellt oder instandgesetzt wird. Durch diese Übereinstimmung in den absoluten Grössen ergeben sich bei Instandsetzungen grosse Anteile für die gebäudetechnischen Installationen, wie die Beispiele Dorflinde und Milchbuck illustrieren. Im Altersheim Dorflinde entfallen über 40 % der grauen Treibhausgasemissionen auf diese Position. Erheblich sind auch die durch die Herstellung der Fenster und den Innenausbau verursachten Treibhausgasemissionen.

Grosse Bedeutung von Ausmass und Materialisierung

Die Interpretation der Daten zeigt auch, dass die Materialisierung und das Ausmass der Bauteile, bezogen auf die Energiebezugsfläche, von grosser Bedeutung sind. Typisch dafür ist das Schulhaus Holderbach mit nur zwei Vollgeschossen, dessen Aussenbauteile, insbesondere das Dach, im Verhältnis zur Energiebezugsfläche ein grosses Ausmass haben. Das Objekt in der für die 1950er-Jahre typischen Pavillonbauweise ist wenig kompakt. Dass der Schulhaustrakt bei der Instandsetzung wiederum mit Aluminium eingedeckt wurde, akzentuiert diesen Effekt.

Der Stellenwert der Materialisierung – als Folge der gewählten Konstruktion – kommt auch in einem Vergleich der Aussenwände in der Wohnsiedlung Paradies und im Altersheim Dorflinde zum Ausdruck. Im «Paradies» fallen die Putzträgerplatten der hinterlüfteten Fassade und die Unterkonstruktion aus Aluminium ins Gewicht, während die 18 cm Steinwolle sich nur marginal auswirken. In der «Dorflinde» dagegen wird die Aussenwand raumseitig mit 14 cm Porenbeton nachgerüstet. Diese Lösung kommt ohne Verkleidung und Unterkonstruktion aus, was zu sehr tiefen Werten der grauen Energie führt (Abb. 8–10). Sofern die bauphysikalischen Bedingungen gegeben sind, erweist sich eine Innendämmung als vorteilhaft, umso mehr, als dadurch – wie im Fall «Dorflinde» – die Fassade keine grundlegenden Eingriffe erfährt und dadurch die architektonische Qualität erhalten bleibt.

Die Kompaktheit eines Gebäudes ist also einer der wichtigsten Faktoren bei der Optimierung des Erstellungsaufwandes. Die Daten zeigen aber auch, dass die im Effizienzpfad Energie dokumentierten Richtwerte bei Instandsetzungen – trotz grosser Eingriffstiefe – dank sorgfältiger Materialwahl erreicht werden können.[3]

Hilfsmittel zur Berechnung

Mit dem Merkblatt 2032 hat der SIA für die Planung eine praxisgerechte Methode zur Berechnung der grauen Energie nach einheitlichen Grundsätzen geschaffen.[4] Mit den «Ökobilanzdaten im Baubereich» ist eine aktuelle Datengrundlage mit repräsentativen Daten für den schweizerischen Baustoffmarkt vorhanden.[5]

Den interessierten Planenden und Auftraggebern stehen mittlerweile geeignete Hilfsmittel zur Berücksichtigung von grauen Daten bei der Erstellung oder der Instandsetzung zur Verfügung, beispielsweise die ECO-BKP-Merkblätter für Instandsetzungen und Neubauten[6] sowie die Zertifizierung nach Minergie-Eco. Geeignet für die Berechnung sind das webgestützte Tool www.bauteilkatalog.ch sowie – für eine grobe Orientierung in Vorstudien oder Vorprojekten – der Anhang D des SIA-Merkblattes 2032 Graue Energie von Gebäuden.

Wichtig ist dabei, dass die Datenerhebung und die Optimierung frühzeitig erfolgen. Bauten nach dem SIA-Effizienzpfad Energie, nach Minergie-Eco 2011 und nach dem neuen Standard Minergie-A, der Anfang März 2011 lanciert werden soll, bedingen ohnehin einen Nachweis der grauen Energie.


Anmerkungen:
[01] Merkblatt SIA 2040 SIA-Effizienzpfad Energie, in Vernehmlassung, Zürich 2010
[02] Fürer, Yvonne; Heinrich Gugerli: Graue Energie und Graue Treibhausgasemissionen von Instandsetzungen. 16. Status-Seminar, 2. und 3. September 2010, ETH Zürich
[03] Instandsetzung. Das Potenzial liegt im Bestand. Stadt Zürich, Hochbaudepartement, 2011. www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen
[04] Merkblatt 2032 Graue Energie von Gebäuden, SIA, Zürich 2009
[05] Empfehlung 2009/1 Ökobilanzdaten im Baubereich, KBOB, eco-bau, IPB, Bern 2009, www.kbob.ch
[06] Eco-BKP 2009. Merkblätter zum ökologischen Bauen nach Baukostenplan BKP, Verein eco-bau, Bern 2009, www.eco-bau.ch

Weitere Informationen:
www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen

TEC21, Fr., 2011.01.28



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TEC21 2011|05-06 Energien bilanzieren

Baustoffmanagement optimieren

Mithilfe eines Ressourcenmodells wurden die in Gebäuden und Infrastruktur der Stadt Zürich eingebauten Mengen an Baumaterial sowie die Materialflüsse abgeschätzt. In einem zweiten Schritt wurde ermittelt, mit welcher Strategie – verstärkte Sanierungs- oder Ersatzneubauraten – sich das «Bauwerk Stadt Zürich» zukünftig am effizientesten im Hinblick auf Material- und Energieverbrauch gestalten lässt

Mithilfe eines Ressourcenmodells wurden die in Gebäuden und Infrastruktur der Stadt Zürich eingebauten Mengen an Baumaterial sowie die Materialflüsse abgeschätzt. In einem zweiten Schritt wurde ermittelt, mit welcher Strategie – verstärkte Sanierungs- oder Ersatzneubauraten – sich das «Bauwerk Stadt Zürich» zukünftig am effizientesten im Hinblick auf Material- und Energieverbrauch gestalten lässt

Das Amt für Hochbauten und das Tiefbauamt der Stadt Zürich streben im Rahmen des Legislaturschwerpunktes «Nachhaltige Stadt Zürich – auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft » eine ressourceneffiziente Bewirtschaftung der mineralischen Baustoffflüsse und -lager an. Dabei wird auch der beabsichtigte energetische Umbau des Gebäudeparks in Richtung 2000-Watt-Gesellschaft berücksichtigt. Das entwickelte Ressourcenmodell zeigt, wie sich die Situation für das «Bauwerk Stadt Zürich» heute darstellt und wie die Entwicklung bis 2050 aussehen könnte.[1,2,3]

Erfassung des Ist-Zustandes

Zur Erfassung des Ausgangszustandes wurden zunächst der bestehende Gebäudepark und die bestehende Infrastruktur analysiert: Zu jedem der 55 000 Gebäude in der Stadt Zürich wurde ein Datensatz mit Angaben zu Gebäudevolumen, Gebäudegeometrie und Bauteildaten angelegt, unterteilt nach Nutzungs- und Altersklassen. Daraus konnten die in den Gebäuden gebundenen Materialmengen berechnet werden. Ein wichtiger Parameter ist dabei die Materialisierung der Gebäude in Abhängigkeit vom Gebäudealter, die eine Abnahme des Mauerwerkanteils zugunsten von Beton zeigt (Abb. 2). Entsprechend wird sich auch die Zusammensetzung des Rückbaumaterials hin zu einem höheren Anteil an Betonabbruch und einem abnehmenden Anteil an Mischabbruch verändern. Die Materialflüsse wurden für das Modell über die Neubau-, Ersatzneubau- und Sanierungsraten ermittelt. Für die Infrastrukturanlagen standen bereits detaillierte Angaben zu den Strassen- und Leitungslängen, zu den entsprechenden Querschnitten sowie zu den Sanierungs- und Erneuerungsraten zur Verfügung.

Die Untersuchung umfasst die mineralischen Baustoffe Beton, Mauerwerk, Kies/Sand, Belag und Restfraktion (Gips, Keramik, Glas). In Abb. 1 sind die Materiallager und -flüsse der Gesteinskörnungen im Beton dargestellt: Der Input in den Gebäudepark ist mit 780 000 t pro Jahr deutlich höher als im Tiefbau (104 000 t/a). Aus dem Gebäudepark fliessen jährlich 276 000 t Rückbaustoffe. Das Lager im Gebäudepark wächst somit jährlich um rund 500 000 t. In der Infrastruktur wird hingegen von einem Fliessgleichgewicht ausgegangen. Insgesamt fallen rund 380 000 t Rückbaumaterial an, wovon 300 000 t wieder als Recyclinggesteinskörnung eingesetzt werden. Allerdings fliessen aufgrund fehlender Einsatzmöglichkeiten nur zwei Drittel davon wieder in die Stadt Zürich zurück. Der Rest muss ausserhalb der Stadt verwertet werden.

Mithilfe des Ressourcenmodells lässt sich einfach ermitteln, wo und wie das System ressourceneffizienter gestaltet werden kann. Würde der Anteil des Recyclingbetons am Betoninput in die Gebäude von derzeit 20 auf 50 % erhöht, liessen sich die heute «exportierten » 95 000 t Betongranulate in der Stadt Zürich verwerten (Abb. 1). Es müssten gar 140 000 t Recyclingbaustoffe von ausserhalb importiert werden bzw. Mischabbruch alsweiterer Recyclingbaustoff eingesetzt werden. Der Bedarf an natürlicher Gesteinskörnung könnte somit um jährlich 234 000 t bzw. um rund 35 % reduziert werden. Um das zu erreichen, sind beispielsweise Fördermassnahmen zum vermehrten Einsatz von Recyclinggesteinskörnung im Konstruktionsbeton sinnvoll.

Langzeitbetrachtung durch Simulationen

Nach der Erfassung des Ist-Zustandes wurde in einem zweiten Schritt ein dynamisches Modell aufgebaut, mit dessen Hilfe sich die Entwicklung bis 2050 abschätzen lässt. Neben den mineralischen Baustofffl üssen wurde in diesem Modell auch die zeitliche Entwicklung der Endenergie (Heizen und Warmwasser) sowie der grauen Energie simuliert (Abb. 3). Dies ermöglicht eine umfassende Beurteilung des Ressourcenbedarfs für den Bau und den Betrieb des Gebäudeparks in der Stadt Zürich. Grundsätzlich kann der Umbau in einen energieeffi zienten Gebäudepark über die Sanierung, den Ersatzneubau oder über die Kombination dieser Szenarien realisiert werden. Ein Ersatzneubau lässt aus energetischer Sicht effi zientere Lösungen zu, ist allerdings deutlich ressourcenintensiver als eine Sanierung.

Auch die Umbaugeschwindigkeit ist von Bedeutung. Das dynamische Modell sollte zeigen, ob sich die energetischen Ziele der Stadt Zürich über den Weg von Sanierung oder Ersatzneubau im betrachteten Zeitraum von 40 Jahren überhaupt erreichen lassen und welche Materialfl üsse damit verbunden sind.auswirkung verschiedener erneuerungsstrategien Kern des dynamischen Modells ist die Beschreibung der Veränderung des Gebäudebestandes von 1995 bis 2050. Das totale Gebäudevolumen wird durch die prognostizierte Entwicklung exogener Faktoren bestimmt: Wohnbevölkerung, Arbeitsplätze und deren spezifischer Flächenbedarf. Daraus lässt sich die jährliche Nachfrage nach Gebäudevolumen ableiten, die durch Neubauten oder Ersatzneubauten gedeckt werden muss. Der Gebäudebestand wächst in der Stadt Zürich bis 2050 in allen Szenarien um rund 40 Mio. m3 auf über 200 Mio. m3.

Um die Auswirkungen unterschiedlicher Erneuerungsstrategien abzubilden, wurden vier Szenarien untersucht. Im Referenzszenario «konstant» werden die Sanierungs- und Rückbauraten über den betrachteten Zeitraum konstant auf dem Ausgangswert (Durchschnitt 2000–2005) belassen. Beim Szenario «sanieren» werden die Sanierungsraten jeweils bis ins Jahr 2050 um die Faktoren 1.5 (Nichtwohnen) bzw. 3 (Wohnen) linear erhöht und für das Szenario «ersetzen» die Rückbauraten, die um etwa eine Grössenordnung tiefer liegen als die Sanierungsraten, um den Faktor 3 (Nichtwohnen) bzw. 4 (Wohnen) linear entwickelt. Im Szenario «kombiniert» steigen sowohl die Sanierungs- als auch die Rückbauraten um die jeweiligen Faktoren. Um die Entwicklung des Energiebedarfs des Gebäudeparks berechnen zu können, wurden ausserdem Annahmen für die Entwicklung des nach einem baulichen Eingriff erreichten Energiestandards getroffen: Die Anteile von Minergie- und Minergie-PGebäuden nehmen mit jedem Jahr zu.

Die Resultate der verschiedenen Szenarien zeigen, dass beim Szenario «ersetzen» die Materialintensität deutlich höher ist als beim Szenario «konstant» (Abb. 3). Während der Rückbaumaterialfluss im Szenario «konstant» beinahe unverändert bleibt, steigt dieser beim Szenario «sanieren» bis 2050 von 0.8 auf 1.1 Mio. Tonnen an. Massiver sind die Auswirkungen bei den Szenarien «ersetzen» und «kombiniert»: Hier ist mit einer annähernden Verdoppelung der Rückbauflüsse auf 1.4 bzw. 1.6 Mio. Tonnen pro Jahr zu rechnen.

Ein materialintensiver Umbau des Gebäudeparks lässt sich somit nur rechtfertigen, wenn dies gleichzeitig zu einer deutlichen Reduktion des Energiebedarfs führt. Dies ist auch tatsächlich der Fall: Im Szenario «kombiniert» kann beispielsweise der Endenergiebedarf pro Person für Raumwärme und Warmwasser auf 40 % des heutigen Bedarfs reduziert werden. Allerdings führt die zusätzliche Reduktion der Endenergie bei den Szenarien «ersetzen» und «kombiniert»zu einer deutlichen Zunahme der grauen Energie. In dieser Hinsicht schneidet das Szenario «sanieren» besser ab.

Die Resultate aus den Modellierungen zeigen, dass wir im Bereich des Baustoffmanagements vor grossen Herausforderungen stehen. Es müssen nicht nur Recyclingkapazitäten und Absatzmöglichkeiten für die ansteigenden Rückbaumaterialflüsse ausgebaut werden, sondern auch neue Lösungen für die Aushubentsorgung gefunden werden (s. Kasten S. 20). Auf diese Entwicklungen müssen wir frühzeitig reagieren und Strategien zu deren Bewirtschaftung entwickeln.


Anmerkungen:
[01] Gugerli, H., Rubli, St.: Ressourcenstrategie Bauwerk Stadt Zürich, Materialflüsse und Energiebedarf bis 2050. Amt für Hochbauten und Tiefbauamt der Stadt Zürich, Zürich, Oktober 2009.
[02] Schneider, M., Rubli, St.: Baustoffmanagement: Entwicklung eines Ressourcenmodells für mineralische Baustoffe für die Stadt Zürich. Umwelt Perspektiven, Illnau, Dezember 2007.
[03] Schneider, M., Rubli, St.: Ressourcenmodell der mineralischen Baustoffe auf der Ebene Stadt Zürich: Dynamische Modellierung 1995–2050. Amt für Hochbauten und Tiefbauamt der Stadt Zürich, 2009.
[04] Schneider M., Rubli St.: Rohstoff- und Aushubflüsse im Kanton Zürich - Ein dynamisches Modell der Materialflüsse für die Jahre 1995–2025. Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich, AWEL, Zürich, 2009.

Weitere Informationen zum Thema Ressourcen sind verfügbar unter www.stadt-zuerich.ch/nachhaltiges-bauen > 2000-Watt-Gesellschaft > Ressourcen


[Stefan Rubli, Dr. sc. techn., dipl. Umweltnaturwissenschafter ETH, Energie- und Ressourcen- Management GmbH, Schlieren
Heinrich Gugerli, Dr. Ing., dipl. Ing. ETH/SIA, Leiter Fachstelle Nachhaltiges Bauen, Amt für Hochbauten der Stadt Zürich
Rolf Wagner, Ressourcenwirtschafter NDS, Amt für Abfall, Energie, Wasser und Luft (AWEL) des Kantons Zürich, Zürich]

TEC21, Fr., 2010.06.11



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TEC21 2010|24 Recycling-Beton

Minergie-Eco: mehr Lebensqualität und geringere Umweltbelastung

Der Verein Minergie lancierte am 22. Juni ein neues Label mit dem Namen Minergie-Eco. Damit wird das erfolgreiche Label Minergie mit einer gesunden und ökologischen Bauweise kombiniert. Grundlage dazu bildet das Gebäudelabel eco-bau des gleichnamigen Vereins. Dank dem neuen, einfach bedienbaren und logisch aufgebauten Nachweisinstrument steht dem Komfort und der Gesundheit der Menschen, die solche Gebäude nutzen, sowie einer umweltschonenden Bauweise nichts mehr im Weg.

Der Verein Minergie lancierte am 22. Juni ein neues Label mit dem Namen Minergie-Eco. Damit wird das erfolgreiche Label Minergie mit einer gesunden und ökologischen Bauweise kombiniert. Grundlage dazu bildet das Gebäudelabel eco-bau des gleichnamigen Vereins. Dank dem neuen, einfach bedienbaren und logisch aufgebauten Nachweisinstrument steht dem Komfort und der Gesundheit der Menschen, die solche Gebäude nutzen, sowie einer umweltschonenden Bauweise nichts mehr im Weg.

Ein Label erlaubt eine einfach verständliche Kommunikation von bestimmten Eigenschaften eines Produktes. Was für Bananen oder Bildschirme schon längst selbstverständlich ist, fehlte bisher in der Schweiz im Bereich der Nachhaltigkeit von Bauten. Im Ausland gibt es verschiedene solcher Labels. Diese sind aber entweder zu wenig praxisgerecht oder aufgrund abweichender länderspezifischer Bedingungen kaum anwendbar.

Deshalb stellte der Verein eco-bau Anfang letzten Jahres das Gebäudelabel eco-bau vor. Der Verein ist eine Plattform öffentlicher Bauherrschaften von Bund, Kantonen und Städten zur Förderung des nachhaltigen Bauens und hat über viele Jahre diverse Werkzeuge wie Checklisten oder Merkblätter geschaffen, die laufend aktualisiert wurden und sich in der Praxis gut bewährt haben. Mit der Entwicklung des Labels eco-bau wurde eine verbindlichere Anwendung der bestehenden Vorgaben und deren Zusammenfassung in einem Instrument angestrebt. Das Label entstand in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und dem Aushub-, Rückbau- und Recycling-Verband Schweiz (ARV). An mehr als zehn Testobjekten ist das Gebäudelabel inzwischen eingehend und erfolgreich erprobt worden. Ausgehend von diesen Erfahrungen wurde die Methode nochmals stark vereinfacht und ihre Anwenderfreundlichkeit verbessert.

Nutzung von Synergien

Bereits während der Entwicklung von eco-bau wurde eine Kombination mit dem Label Minergie vorgesehen. Mitte letzten Jahres beschlossen die beiden Vereine eine Kooperation, um gemeinsam ein Label zu entwickeln. Dies ermöglicht die Nutzung von Synergien in den Bereichen Marketing und Zertifizierung; zugleich kann Minergie vom fachlichen Know-how von eco-bau profitieren. Neben dem Abgleich der zu erfüllenden Kriterien mit Minergie erfolgte eine starke Reduktion des Umfangs der einzureichenden Informationen sowie eine Neuentwicklung des computerbasierten Nachweisinstruments. Dank der Kooperation mit Minergie steht eco-bau, das für öffentliche Bauten entwickelt wurde, nun auch dem privaten Bausektor zur Verfügung.

Unter dem gemeinsamen Dach von Minergie-Eco stehen Minergie für Komfort und Energieeffizienz und Eco für Gesundheit und Bauökologie (siehe Bild 1). Beim Komfort geht es um hohe thermische Behaglichkeit, optimalen sommerlichen Wärmeschutz und systematische Lufterneuerung. Bezüglich Energieeffizienz wird vorgegeben, dass der gesamte Energieverbrauch mindestens 25 Prozent und der fossile Energieverbrauch mindestens 50 Prozent unter dem durchschnittlichen Stand der Technik liegen muss. Bei der Gesundheit stellt das Zertifikat Anforderungen an die drei Kriterien Licht, Lärm und Raumluft. Konkret geht es um gute Tageslichtverhältnisse, geringe Lärmimmissionen, geringe Schadstoffbelastungen und tiefe Immissionen durch ionisierende Strahlung. Die Kriterien zur Bauökologie beinhalten umweltrelevante Auswirkungen bei der Herstellung respektive Verarbeitung der für das Gebäude notwendigen Baustoffe und Systeme. Aber auch deren Rückbaufähigkeit und Wiederverwertbarkeit sowie der Einsatz von Recyclingbaustoffen sind wichtige Aspekte. Grundlage für diese Anforderungen sind anerkannte Planungswerkzeuge wie die bereits erwähnten Instrumente des Vereins eco-bau oder SIA-Normen. Zudem ist das Label mit der SIA-Empfehlung 112/1 «Nachhaltiges Bauen» abgestimmt. Anwendbar ist Minergie-Eco vorerst für Verwaltungsbauten, Schulen und Mehrfamilienhäuser. Für Einfamilienhäuser und Sanierungen ist ein entsprechendes Angebot geplant.

Die Methode zur Bewertung

Die systematische Bewertung von Projekten basiert auf einem Fragenkatalog, der in ein EDV-Instrument integriert ist. Die Beantwortung der Fragen erfolgt in zwei Schritten: einerseits in den Phasen Vorstudien und Projektierung, anderseits in Ausschreibung und Realisierung. Dabei nutzt das Label die für die Planungs- und Baupraxis typischen Ordnungssysteme und ermöglicht damit Synergien im Planungsalltag.

Zur erfolgreichen Zertifizierung mit Minergie-Eco muss ein Gebäude zunächst den Minergie-Nachweis erbringen. Anschliessend sind drei Hürden zu nehmen. Als Erstes müssen alle Ausschlusskriterien eingehalten werden. Dazu zählen beispielsweise schwermetallhaltige Baustoffe, mit SF6-Gas gefüllte Schallschutzverglasungen oder Biozide und Holzschutzmittel in Innenräumen. Als Zweites müssen Mindestanforderungen für die sechs Kriterien Licht, Lärm, Raumluft, Rohstoffe, Herstellung und Rückbau erfüllt werden. Dabei ordnet das EDV-Instrument den mit Ja beantworteten Fragen automatisch Punkte zu. Liegt die gesamte Punktzahl eines Kriteriums über 50 Prozent der möglichen Punkte, gilt dieses als erfüllt. Bewertet werden ausschliesslich Fragen, die für das Objekt auch relevant sind. So sind beispielsweise Vorgaben für Dachziegel bei Gebäuden mit einem Flachdach nicht relevant. Als Drittes muss die Summe der Punkte für jeden der zwei Bereiche Gesundheit und Bauökologie mindestens 67 Prozent der möglichen Punkte erreichen. Zusätzliche Punkte können durch den Einsatz von Materialien mit bestimmten Produktlabeln wie Natureplus erzielt werden.

Der Weg zur Zertifizierung

Die Zertifizierung für Minergie-Eco erfolgt – analog zu Minergie – in zwei Schritten. Das provisorische Zertifikat wird auf der Basis von Projektunterlagen erteilt. Die definitive Zertifizierung erfolgt erst nach Fertigstellung des Gebäudes. Da die Erfüllung der Minergie-Anforderungen Voraussetzung ist, reicht die Bauherrschaft oder die Projektleitung die notwendigen Unterlagen an die kantonale Minergie-Zertifizierungsstelle ein. Diese leitet den Eco-Nachweis an die zentrale Zertifizierungsstelle Minergie-Eco weiter. Dort werden die Unterlagen geprüft, wobei natürlich ein besonderes Augenmerk auf der Wahl von Produkten und Materialien liegt. Die Fachleute der Stelle sind zudem befugt, auf Baustellen Kontrollen oder Messungen durchzuführen.

Die gesamten Kosten für die Zertifizierung werden nach der Energiebezugsfläche des Objekts berechnet und liegen zwischen 5000 und 10000 Franken. Generell ist die Frage der Wirtschaftlichkeit eines Projektes ein unverzichtbares Kriterium für das Zertifikat. Angebote für Baustoffe und Bauweisen, für Komponenten und Systeme müssen zu konkurrenzfähigen Preisen verfügbar sein. Für Minergie-Bauten sind Mehrkosten von höchstens zehn Prozent zulässig. Dies gilt auch für Minergie-Eco, denn die gesundheitlichen und die bau-ökologischen Qualitäten führen in der Regel nicht zu zusätzlichen Kosten.

Durch die Anwendung von Minergie-Eco entsteht ein grosser Mehrwert. Dank optimalen Tageslichtverhältnissen, gutem Lärmschutz und schadstoffarmen Innenräumen zeichnen sich solche Gebäude durch sehr gute Arbeitsbedingungen respektive eine hohe Wohnqualität aus. Daraus resultiert auch eine höhere Wertbeständigkeit der Gebäude, weshalb Finanzierungsinstitute Hypotheken zu Vorzugskonditionen gewähren. Weitere, jedoch kaum finanziell bezifferbare, aber nicht weniger wichtige Vorteile sind die Schonung der Ressourcen und der Umwelt.

Mit dem neuen Label Minergie-Eco steht erstmals ein anwenderfreundliches Nachweisinstrument zur Verfügung, das zu nachhaltig gebauten, gesundheitsschonenden, nutzerfreundlichen Gebäuden führt – und zudem die Qualität in der Planung, bei der Ausschreibung und bei der Realisierung sichert.

TEC21, Fr., 2006.06.23



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