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21. Juli 2008Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Eine Welt von Licht und Schatten

Seit zwanzig Jahren fotografiert Hélène Binet bahnbrechende Gebäude und arbeitet mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Caruso St. John zusammen. Neulich weilte sie in Zürich, um im Rahmen der SIA-Veranstaltungsreihe «Werkberichte» ihre sinnlich-poetischen Arbeiten vorzustellen.

Seit zwanzig Jahren fotografiert Hélène Binet bahnbrechende Gebäude und arbeitet mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Caruso St. John zusammen. Neulich weilte sie in Zürich, um im Rahmen der SIA-Veranstaltungsreihe «Werkberichte» ihre sinnlich-poetischen Arbeiten vorzustellen.

Viele Stunden – die sich oftmals zu mehreren Tagen fügen – verbringt Hélène Binet damit, ein Gebäude zu studieren. Sie sucht die verschiedenen Stimmungen, Licht und Schatten, die Ecken, Kanten und Rundungen, die Böden und dunklen Räume, die einen Bau so einzigartig machen. Erst dann, wenn sie das Objekt erfasst hat, beginnt sie mit ihrer Arbeit – und fotografiert. Dann nimmt sie das, was um sie herum ist, nicht mehr wahr. Sie vergisst ihre Umgebung völlig und sich selbst, fühlt nichts mehr und denkt nicht daran, zu essen und zu trinken. Wie in Trance arbeite sie dann, erzählt die fast ein wenig scheu wirkende Fotografin im Café des Hotels Schweizerhof über ihren Cappuccino gebeugt. Neulich hat sie auf Einladung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) einen Vortrag über ihre Arbeit gehalten. «Im Moment des Fotografierens gebe ich mein Bestes und bin hochkonzentriert. Schliesslich liegt es an mir, was herauskommt.» Hinter der fast ein wenig banal klingenden Beschreibung verbirgt sich eine leidenschaftliche Obsession, die jedes Mal in einen Kampf mit sich selbst mündet, die Qualitäten von Licht, Struktur, Material und Form so zu fokussieren, bis die Foto ein eigenständiges Kunstwerk wird.

Schatten erzählt von der Stille

Seit zwanzig Jahren arbeitet die 1959 in Genf geborene Binet als Architekturfotografin. In dieser Zeit hat sie unzählige bahnbrechende Gebäude mit der Kamera festgehalten und mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Daniel Libeskind, Zaha Hadid, John Hejduk, Caruso St. John und David Chipperfield zusammengearbeitet. Hélène Binet wuchs in Rom auf, «im Zentrum der Architektur». Hier studierte sie am Europäischen Design-Institut (IED) Fotografie. Anschliessend arbeitete sie zwei Jahre lang als Bühnenfotografin am Theater in Genf und pendelte zwischen ihrem Arbeitsort und London, dem Wohnort ihres Partners. Dann zog Hélène Binet ganz nach London, wo sie auch heute noch mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann lebt.

Zur Architekturfotografie fand Hélène Binet Mitte der achtziger Jahre durch die Begegnung mit dem New Yorker Architekten John Hejduk, den sie als ihren Mentor bezeichnet. Durch die Auseinandersetzung mit ihm habe sie gelernt, Architektur zu verstehen. Gleich zu Beginn ihrer Karriere lernte sie auch Zaha Hadid kennen, die zu jener Zeit noch nicht als Architektin bekannt war. Binet fotografierte damals ihre Möbel. Als Hadid 1993 ihr erstes Gebäude realisieren konnte, das Feuerwehrhaus von Vitra in Weil am Rhein, liess sie es von Hélène Binet dokumentieren. Wie alle ihre Bauten, die darauf folgten.

Die Kamera setzt Hélène Binet als Werkzeug ein, mit dem sie das Wesen eines Gebäudes zu erfassen versucht. Ihre Arbeiten dienen dabei nicht nur als Dokumentation für Architekturbüros. Mittlerweile sind zahlreiche Bücher mit ihren Fotografien erschienen. Und auch in verschiedenen bedeutenden Ausstellungen wurden Binets Bilder gezeigt.

In ihren Fotografien konzentriert sich Hélène Binet auf Phänomene wie die Veränderungen des Lichts während des Tages, Konstruktion und Volumetrie. Dabei arbeitet sie fast ausschliesslich mit Schwarz-Weiss, das für sie das einzige Mittel ist, die wesentlichen Aspekte eines Gebäudes im Bild herausholen zu können. «Kontrolle» ist ein Wort, das bei ihr oft fällt, wenn sie über ihre Arbeitsweise spricht. Es sei unerlässlich, während des Fotografierens immer alles kontrollieren zu können, um das richtige Ergebnis zu bekommen, sagt sie. Auch deshalb arbeitet die Fotografin selten mit Farbbildern. Farbe könne man nicht kontrollieren. Sie lenke den Betrachter vom Wesentlichen ab, erklärt die 49-Jährige. In Schwarzweissfotos dagegen könne sie das Wesen von Material, Form und Struktur deutlich machen. «Schwarz-Weiss lässt die Qualität von Licht und Schatten besser verstehen.»

Der Schatten ist ein weiteres Mittel, mit dem sie bewusst arbeitet. Im Rahmen einer Ausstellung über Licht und Schatten in der Architektur im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt fotografierte Hélène Binet vor sechs Jahren das Kloster La Tourette von Le Corbusier. Es war eine prägende Erfahrung für sie, ein solch bedeutendes Werk nur unter diesem einen Aspekt anzuschauen und fotografisch festzuhalten. Schatten sei die Absenz von Energie, von Licht. Er erzähle von der Stille, erläutert sie. Durch Schatten entsteht Volumen. Die Betonwände im Kloster La Tourette werden durch das Licht-und-Schatten-Spiel in Binets Bildern so plastisch, dass man sie fast fühlen kann. Zur Komposition einer Aufnahme gehören für die Fotografin Rahmung, Freistellung und Anordnung. Mit dem Rahmen lege sie fest, was gesehen werden soll. Genauso hätten auch die holländischen Maler des 17. Jahrhunderts gearbeitet, sagt Binet. Von deren Techniken, Landschaften, Räume und Stillleben zu komponieren, holte sie sich ihre Inspiration. Auffallend viele ihrer Fotografien sind quadratisch. Das Format wählt sie, wenn sie Phänomene deutlicher und intensiver zeigen will. Ausserdem gebe es keine Hierarchien, im Quadrat sei alles gleich wichtig, selbst das kleinste Detail.

Steinformationen

Als einen Meilenstein in ihrem Werk bezeichnet Hélène Binet das Buch «Peter Zumthor. Häuser 1979–1997», das in einer sehr engen Zusammenarbeit mit dem Architekten und dem Verleger Lars Müller entstanden ist. Das Buch, das selbst wie ein Stück Architektur funktioniert, wurde Vorbild für zahlreiche Architekturbücher. Zentraler Bau in diesem Buch ist das 1996 errichtete Thermalbad in Vals. Hélène Binet dokumentierte in ihren Aufnahmen, wie Natur, Wasser und Stein in diesem Gebäude interagieren. Entstanden sind Bilder von einer grossen sinnlichen und poetischen Kraft. Im August wird Hélène Binet wieder in Vals sein und für das Thermalbad fotografieren. Aber dieses Mal werden es ausschliesslich Landschaften sein, ein Thema, das neuerdings immer wichtiger für sie wird. Sie liebe es, Steinformationen zu fotografieren, sagt die Fotografin. Es seien die gleichen Themen wie in der Architektur: Licht, Schatten, Material.

Hélène Binet hofft, sich künftig mehr den Landschaftsbildern widmen zu können. Aber Architektur wird sie auch weiterhin mit ihrem sensiblen Blick durch die Kamera dokumentieren. Zurzeit arbeitet sie intensiv an einem Buch über ihr bisheriges Werk, das 2009 bei Phaidon erscheinen wird. Ab dem 19. Juli wird sie zudem an der europäischen Biennale für zeitgenössische Kunst «Manifesta 7», die heuer in Südtirol stattfindet, vertreten sein, mit einem Fotobuch über die bei Bozen gelegene Burg Fortezza, eine trutzige Festung aus dem späten 19. Jahrhundert und das Zentrum der Biennale.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2008.07.21



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Binet Hélène

04. April 2008Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Platz für den Architekturdiskurs in der Öffentlichkeit

Das Architekturforum ist vom Neumarkt 17 in die Räume einer ehemaligen Autowerkstatt an der Brauerstrasse im Kreis 4 gezügelt. Mit einer Ausstellung über Miller & Maranta feiert die Institution ihre Wiedereröffnung.

Das Architekturforum ist vom Neumarkt 17 in die Räume einer ehemaligen Autowerkstatt an der Brauerstrasse im Kreis 4 gezügelt. Mit einer Ausstellung über Miller & Maranta feiert die Institution ihre Wiedereröffnung.

20 Jahre lang hat das Architekturforum Zürich an seinem alten Standort in der Altstadt Ausstellungen und vielerlei Veranstaltungen zu den Themen Architektur und Städtebau durchgeführt. Doch am Neumarkt 17 waren die Räumlichkeiten gerade für grössere Ausstellungen zu klein. Bei Vorträgen, wie etwa der Reihe über junge Schweizer Architekten, platzte das Forum aufgrund der wachsenden Zuhörerzahl buchstäblich aus den Nähten. Mit dem Umzug an die Brauerstrasse im Kreis 4 hat sich die Institution nun den lange gehegten Wunsch nach adäquateren Räumen erfüllt. Seinen neuen Sitz hat das Forum in einer ehemaligen Autowerkstatt gefunden. Dort, wo früher Ferraris und Alfa Romeos in den Schaufenstern standen und im hinteren Werkstattraum repariert wurden, werden nun künftig Ausstellungen zu aktuellen Architekturthemen, Vorträge und Diskussionen stattfinden.

Eröffnet werden die neuen Räumlichkeiten am Samstag mit einer Ausstellung über die Basler Architekten Quintus Miller und Paola Maranta, die auch den Umbau konzipiert und gestalterisch begleitet haben. 180 Quadratmeter, aufgeteilt auf zwei Räume, stehen dem Forum zur Verfügung. Dabei ist der ursprüngliche Laden- und Werkstattcharakter geblieben: Schwarz gestrichene Metallfenster, schlichte weisse Wände, dunkler Gussasphaltboden und die orange Hebebühne im hinteren Teil halten die Erinnerung an die produktive Vergangenheit wach.

Der vordere Raum öffnet sich mit grossen Schaufenstern zur Brauerstrasse hin. Von dieser Öffnung nach aussen erhofft sich Josef Schätti, seit einem Jahr administrativer Leiter des Architekturforums, auch eine breitere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Bisher wurden die Veranstaltungen des Forums ausschliesslich von Architektenkreisen beachtet. Mit dem Umzug in das belebte, trendige Quartier mit seinen neu entstehenden Galerien, Läden und Cafés wolle man, sagt Vorstandsmitglied Stefan Rotzler, von diesem «Soho-Effekt» profitieren und vermehrt auch ganz allgemein an Architektur- und Städtebau-Themen Interessierte ansprechen. Inhaltlich wird das Architekturforum sein bekanntes Programm weiterführen. Pro Jahr sind vier Schwerpunkt-Ausstellungen geplant sowie Kurse und Vorträge. Neu ist jedoch laut Josef Schätti eine Diskussionsrunde, die «Dienstagsdebatte», die vier- bis sechsmal im Jahr stattfinden soll. Sie startet am 15. April mit einer Diskussion über die Stadtentwicklung in Zürich. Ausserdem sollen künftig Kurzausstellungen gezeigt werden, mit denen das Leitungsteam schneller auf aktuelle Themen und Anlässe wie etwa das Andermatt-Projekt von Samih Sawiris oder wichtige Architekturwettbewerbe reagieren möchte.

Im rückwärtigen Teil des neuen Forums, einige Stufen tiefer gelegen als der strassenseitige Raum, befindet sich die alte Werkstatt, die sich mit einem grossen Metalltor zum Innenhof öffnet. Dieser längliche Raum soll vor allem für Vorträge und Diskussionen dienen, aber auch mit grösseren Ausstellungen bespielt werden. Für diesen Bereich entwarfen die Architekten ein System, das den Raum mit einem rundum verlaufenden schwarzen Vorhang in eine Art Black Box verwandeln kann.

Wie das 40-köpfige Team um Quintus Miller und Paola Maranta genau entwirft und arbeitet, lässt sich in der derzeitigen Werkschau nachvollziehen, mit der das Architekturforum dieses Wochenende seine Wiedereröffnung feiert. Im vorderen Raum sind Zeichnungen, Modelle, Bilder und eine grosse Mustersammlung ausgestellt, welche die Arbeitsmethodik und Denkweise des 1994 gegründeten Büros anschaulich machen: das Abtasten, Suchen, Annähern und Überprüfen der Architekten, das Vergleichen und Abwägen, das Modellieren und ständige Reiben von der ersten Idee bis zum fertigen Bauwerk. Im zweiten Raum zeigt die Schau eine fotografische und literarische Annäherung an die Bauten der Basler Architekten. Zusammen mit dem Fotografen Ruedi Walti wurden vier Schriftsteller – Ruth Schweikert, Ulrich Knellwolf, Ilma Rakusa und Peter Jakob Kelting – zu je einem realisierten Bau von Miller & Maranta geschickt. Ergebnis der Spurensuche sind Bildserien über das Hotel Waldhaus in Sils Maria, die Markthalle Färberplatz in Aarau, die Seniorenresidenz Spirgarten in Zürich und das Wohnhaus Schwarzpark in Basel, die sich mit den literarischen Texten verbinden. Die auf diese Weise entstandenen unterschiedlichen Lesarten der Projekte spiegeln das assoziative Vorgehen von Miller & Maranta beim Entwurf wider.

[ Architekturforum Zürich (www.architekturforum-zuerich.ch), Brauerstrasse 16, Ausstellung Carte Blanche V: Miller & Maranta, 6. April bis 17. Mai. Geöffnet Di, Mi, Fr 12–18, Do 16–22 h. Vernissage der Ausstellung: 5. April, 18 h. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.04.04

05. Januar 2007Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Neues Innenleben für alte Häuser

Umbauten von Hotels sind derzeit bei Architekten beliebt. Davon zeugt die Erweiterung des Hotels «Tschuggen» durch Mario Botta in Arosa ebenso wie jene des «Dolder» in Zürich durch Norman Foster. Stellvertretend für all diese Erneuerungen soll hier das von Buchner Bründler revitalisierte Parkhotel «Bellevue» in Adelboden betrachtet werden.

Umbauten von Hotels sind derzeit bei Architekten beliebt. Davon zeugt die Erweiterung des Hotels «Tschuggen» durch Mario Botta in Arosa ebenso wie jene des «Dolder» in Zürich durch Norman Foster. Stellvertretend für all diese Erneuerungen soll hier das von Buchner Bründler revitalisierte Parkhotel «Bellevue» in Adelboden betrachtet werden.

Die schweizerische Hotelszene ist im Umbruch. Nach jahrelanger Zurückhaltung haben die Hoteliers die Architektur als Zugpferd entdeckt. Eine Vorreiterrolle kam Peter Zumthors Therme in Vals zu; und gerade konnte der von Mario Botta gestaltete Wellnessbereich des Hotels «Tschuggen» in Arosa eröffnet werden. Die meisten Interventionen betreffen bestehende Bauten. Denn historische Hotels sind seit einiger Zeit beim Publikum wieder beliebt. Doch entsprechen viele dieser baulichen Zeitzeugen nicht mehr den räumlichen und technischen Anforderungen. Hier sind kreative Architekten gefragt. So baute etwa Ben van Berkel einen Teil des Hotels «Castell» in Zuoz in einen Fifties-Revival um, während der andere vom St. Moritzer Architekten Hans- Jörg Ruch in einem Arvenholz-Minimalismus gestaltet wurde. Schon zuvor hatten Quintus Miller und Paola Maranta das Erdgeschoss des «Waldhauses» in Sils Maria einer sensiblen Renovierung unterzogen. Diener & Diener verhalfen dem ehrwürdigen «Schweizerhof» in Luzern zu einem zeitgemässen Auftritt, dieweil Franz Romero und Markus Schaefle das Zürcher Hotel «Greulich» in eine innerstädtische Oase verwandelten.

Bildhaftigkeit

Jüngstes Beispiel für einen gelungenen architektonischen Eingriff in einen traditionsreichen Hotelkomplex ist das Parkhotel «Bellevue» in Adelboden. Das Haupthaus wurde 1931 in der Formensprache der Moderne von den Interlakner Architekten Urfer & Stähli gebaut. Über die Jahrzehnte hinweg wurde das Gebäude erweitert und in seinem ursprünglichen Charakter verändert. Für den jüngst realisierten Umbau zeichnen Daniel Buchner und Andreas Bründler verantwortlich. Die beiden jungen Basler Architekten haben bis anhin vor allem Wohnbauten realisiert - etwa das Lofthaus an der Colmarerstrasse in Basel, für das sie 2002 die «Auszeichnung für gutes Bauen» erhielten. Die Projekte spiegeln das Interesse der beiden Architekten am freien Modellieren von Baukörpern in vielfältigen Formen und Materialien. Die Faszination für plastische Gestaltung wird auch in Adelboden spürbar.

Der Umbau umfasst den Restaurant- und Lounge-Bereich im Erdgeschoss sowie neun Doppelzimmer und drei Juniorsuiten. Die Schwierigkeit des Auftrags bestand darin, eine Allgemeingültigkeit für den heterogenen Hotelkomplex zu schaffen. Die Räume sollten wieder eine klare Linienführung und Bildhaftigkeit erhalten. Als Referenz wählten die Architekten das Haupthaus und seine Geschichte. Bei der Gestaltung und Möblierung der Räume wurde die Nähe zu den dreissiger Jahren gesucht, aber auch zur Verspieltheit und Üppigkeit des Art déco.

Nach der Neugestaltung wirkt das Treppenhaus nun offen und luftig. Dadurch dass die Korridore bis in den Gartenflügel vereinheitlicht und begradigt wurden, hat das Hotel ein neues Rückgrat erhalten. Grundrissveränderungen im Erdgeschoss führten zu einer neuen Grosszügigkeit. Vor dem Umbau bestand dieser Bereich aus drei unterschiedlichen Räumen. Jetzt sind es nur noch zwei: die Eingangshalle mit Speisesaal, die in den neunziger Jahren umgebaut worden war, sowie das von Buchner Bründler gestaltete Restaurant mit Bar und Lounge. Dieses öffnet sich jetzt mit grossen Panoramafenstern zum Garten und zu den Bergen hin.

Für die Innenraumgestaltung suchten die Architekten einen Bezug zur Natur und setzten Hölzer ein sowie die Naturfarben Grün und Braun. Das Alpine thematisierten sie aber auch auf einer bildhaft abstrakten Ebene. Ausgehend von der Idee der Waldlichtung, schufen sie eine aus beleuchteten Holzästen konstruierte Wand in der Lounge, die Ein- und Ausblicke gewährt. Im Restaurant sorgt eine abgehängte Holzdecke mit ihren zu Ornamenten arrangierten, hinterleuchteten Öffnungen für ein Licht-und-Schatten- Spiel, das wie ein Blick in eine Baumkrone wirkt. Die Bar, ein leuchtender Korpus aus brüniertem Messing, Glas und Mooreiche, dient als Scharnier zwischen Restaurant und Lounge. In der Lounge dominieren Rot- und Brauntöne, die eine abendlich feierliche Stimmung signalisieren sollen.

Poesie des Ortes

Die neugestalteten Gästezimmer wollen durch die teilweise von zwei Seiten begehbaren Bäder möglichst grosszügig erscheinen. In der Wand zwischen Bad und Zimmer ist jeweils ein rotes Glasfenster mit Reliefarbeiten eingelassen, das den Hausberg in Adelboden, den Wildstrubel, zeigt. Schliffscheiben genannte Glasarbeiten aus dem Engstligental inspirierten die Architekten zu sandgestrahlten Reliefarbeiten. Auch das Naturthema wird in den Zimmern farblich und in der Materialwahl weitergezogen. Dabei sind die mit italienischen Möbeln sehr modern gehaltenen Juniorsuiten weniger der Poesie und Materialität des Ortes verbunden als die vor allem mit dänischen Möbelklassikern von Hans J. Wegner ausgestatteten Doppelzimmer. Auch in diesen handwerklich präzise gearbeiteten Stücken mit ihrer schlichten, innovativen Formensprache, die Ruhe und Zeitlosigkeit ausdrückt, sehen die Architekten einen Bezug zu den Bergen, wo Handarbeit und Handwerk immer noch verbreitet sind.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.01.05



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Umbau Parkhotel Bellevue

07. Juli 2006Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Gläserner Schleier im Stadtraum

Ein Medienhaus von Burkard Meyer Architekten setzt einen Akzent an Aaraus Bahnhofstrasse

Ein Medienhaus von Burkard Meyer Architekten setzt einen Akzent an Aaraus Bahnhofstrasse

Aarau hat in den letzten Jahren mit der Realisierung einiger herausragender Bauten gezeigt, dass die Stadt den Wert guter Architektur erkannt zu haben scheint. Davon zeugen die Markthalle von Miller & Maranta ebenso wie die Kunsthaus-Erweiterung von Herzog & de Meuron. Beide Bauten haben das deutliche Signal gesetzt, dass letztlich nur mit identitätsstiftenden Eingriffen das städtische Gleichgewicht erhalten werden kann. Nun ist vor kurzem mit dem AZ-Medienhaus von Burkard Meyer Architekten ein weiteres Beispiel für eine überzeugende Stadtreparatur hinzugekommen, das sich durch seine sensible räumliche Ausgestaltung im Stadtraum verankert und wie selbstverständlich in die innerstädtische Situation einfügt. Nachdem mit der Markthalle dem Färberplatz eine neue Identität verliehen worden war, gelang auch Burkard Meyer Architekten ein architektonisch und städtebaulich präzise gesetzter Bau.

Klassizistische Geste

Mit ihrem skulpturalen Neubau hatten die Basler Miller & Maranta gezeigt, wie mit einem einzigen Gebäude eine grundlegende urbanistische Fragestellung auf den Punkt gebracht werden kann. Zugleich offenbart der Bau ein Gespür für einen respektvollen Umgang mit den zahlreichen Leerstellen rund um die historischen Gebäude am Rande der Altstadt. Auch Herzog & de Meuron schufen mit dem Um- und Erweiterungsbau am Aargauer Kunsthaus ein Gebäude, welches sich als Resultat einer sorgfältigen Analyse der städtebaulichen Anlage und des architektonischen Kontextes erweist. Im Gegensatz zum ursprünglich im Wettbewerb gewünschten unterirdischen Erweiterungsbau haben sie eine urbanistische Lösung und bauliche Verdichtung in Form eines transparenten Annexbaus geschaffen, mit der das Kunsthaus stärker an die Stadt gebunden wird. Nun wertet der neue Stadtblock von Burkard Meyer Architekten die Bahnhofstrasse durch seine Durchlässigkeit auf und fördert die Verbindung zwischen City und Altstadt. Auf diese Weise haben die Architekten mit dem AZ-Medienhaus ein weiteres Stück Stadt geschaffen, das die von Miller & Maranta sowie Herzog & de Meuron begonnene Transformation des Stadtraums konsequent weiterführt.

Das AZ-Medienhaus tritt mit einer klassischen, ja fast schon klassizistischen Geste auf. Die fein differenzierte Fassade des 70 Meter langen und 25 Meter breiten Baukörpers gliedert sich in Sockelgeschoss, Mittelteil und Attika und reagiert so auf ihre städtische Umgebung. Dabei besteht das Gebäude aus einer ausgeklügelten Doppelkonstruktion. Die äussere Schicht aus Glaselementen ruht wie ein Schleier vor einer zurückversetzten Ebene, die als rötlich lackierte Holzfassade ausgestaltet ist. Mit der Trennung von Aussen- und Innenhülle wird ein Spiel zwischen Oberfläche und Tiefe inszeniert, das seine Entsprechung in den stattlichen Nachbargebäuden aus der vorletzten Jahrhundertwende findet, wie etwa dem Sandsteinbau des Hauptsitzes der Neuen Aargauer Bank, den die Architekten Curjel & Moser 1913 erbauten.

Die geschosshohen Glasflächen sind jeweils auf der linken oberen Ecke nach innen abgeknickt. Mit diesem Kunstgriff, der an einen Faltenwurf erinnert, wird das Spiegelbild aufgebrochen und dem Gebäude ein leichteres und luftigeres Erscheinungsbild verliehen. Mit geringen Abdrehungen in der Fassade vermieden die Architekten zusätzlich eine unnötige Sperrigkeit des Hauses, das sich so mühelos in die Reihe der repräsentativen Bauten entlang der Bahnhofstrasse einfügt und den Nachbarbauten genug Luft lässt. Selbstbewusst reiht sich der Bau in die Schauseite der aus napoleonischer Planung hervorgegangenen Vorstadt ein und setzt einen neuen Akzent an Aaraus Hauptachse. Gleichzeitig verzahnt er sich auf seiner rückwärtigen Seite als städtischer Block mit der kleinteiligen städtischen Struktur. So unterstreichen der Platz vor der Bar und der neu geschaffene Gassenraum den öffentlichen Charakter des Gebäudes. Mit der quer durch das Haus führenden Ladenpassage sind zudem neue Fussgängerverbindungen entstanden. Damit knüpft das AZ-Medienhaus an die vorhandene urbane Struktur an, die in dem sorgsam geplanten Nutzungskonzept mit einem urbanen Mix akkurat weitergeführt wird: Im Erdgeschoss des Gebäudes sind eine Buchhandlung und ein Restaurant untergebracht. Die oberen Geschosse werden von der AZ-Medien- Gruppe genutzt. Im fünften Stockwerk befinden sich sieben komfortable Stadtwohnungen.

Irritierende Perspektiven

Die Glashülle ist nicht nur ein prachtvolles Gewand, sondern auch Klimapuffer und Konvektionsgehäuse. In dem Raum zwischen Glashaut und Holzschicht lassen sich die Fenster der Büros und der Wohnungen bei jeder Witterung öffnen. Der Schutz vor Strassenlärm und Wärme wird so zu einem mehrdeutigen Filter. Konstruktiv und räumlich ist das AZ-Medienhaus einfach aufgebaut. Der dreibündige Grundriss ist stützenfrei, mit einer tragenden, verkleideten Aussenwand und einem tragenden inneren Kern. Innerhalb des Bundes befinden sich zwei Lichthöfe, die in den Geschossen zu ungewöhnlichen Aus- und Durchblicken führen und das Gebäude auch innen eng mit dem Stadtraum verbinden. Die Belebtheit der Strasse wird so in das Innere geholt. Der Schleier der spiegelnden Fensterscheiben löst ein Changieren zwischen innen und aussen aus, das je nach Standort ganz unterschiedlich erlebt werden kann.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.07.07



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AZ Medienhaus

Presseschau 12

21. Juli 2008Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Eine Welt von Licht und Schatten

Seit zwanzig Jahren fotografiert Hélène Binet bahnbrechende Gebäude und arbeitet mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Caruso St. John zusammen. Neulich weilte sie in Zürich, um im Rahmen der SIA-Veranstaltungsreihe «Werkberichte» ihre sinnlich-poetischen Arbeiten vorzustellen.

Seit zwanzig Jahren fotografiert Hélène Binet bahnbrechende Gebäude und arbeitet mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Caruso St. John zusammen. Neulich weilte sie in Zürich, um im Rahmen der SIA-Veranstaltungsreihe «Werkberichte» ihre sinnlich-poetischen Arbeiten vorzustellen.

Viele Stunden – die sich oftmals zu mehreren Tagen fügen – verbringt Hélène Binet damit, ein Gebäude zu studieren. Sie sucht die verschiedenen Stimmungen, Licht und Schatten, die Ecken, Kanten und Rundungen, die Böden und dunklen Räume, die einen Bau so einzigartig machen. Erst dann, wenn sie das Objekt erfasst hat, beginnt sie mit ihrer Arbeit – und fotografiert. Dann nimmt sie das, was um sie herum ist, nicht mehr wahr. Sie vergisst ihre Umgebung völlig und sich selbst, fühlt nichts mehr und denkt nicht daran, zu essen und zu trinken. Wie in Trance arbeite sie dann, erzählt die fast ein wenig scheu wirkende Fotografin im Café des Hotels Schweizerhof über ihren Cappuccino gebeugt. Neulich hat sie auf Einladung des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) einen Vortrag über ihre Arbeit gehalten. «Im Moment des Fotografierens gebe ich mein Bestes und bin hochkonzentriert. Schliesslich liegt es an mir, was herauskommt.» Hinter der fast ein wenig banal klingenden Beschreibung verbirgt sich eine leidenschaftliche Obsession, die jedes Mal in einen Kampf mit sich selbst mündet, die Qualitäten von Licht, Struktur, Material und Form so zu fokussieren, bis die Foto ein eigenständiges Kunstwerk wird.

Schatten erzählt von der Stille

Seit zwanzig Jahren arbeitet die 1959 in Genf geborene Binet als Architekturfotografin. In dieser Zeit hat sie unzählige bahnbrechende Gebäude mit der Kamera festgehalten und mit international renommierten Architekten wie Peter Zumthor, Daniel Libeskind, Zaha Hadid, John Hejduk, Caruso St. John und David Chipperfield zusammengearbeitet. Hélène Binet wuchs in Rom auf, «im Zentrum der Architektur». Hier studierte sie am Europäischen Design-Institut (IED) Fotografie. Anschliessend arbeitete sie zwei Jahre lang als Bühnenfotografin am Theater in Genf und pendelte zwischen ihrem Arbeitsort und London, dem Wohnort ihres Partners. Dann zog Hélène Binet ganz nach London, wo sie auch heute noch mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann lebt.

Zur Architekturfotografie fand Hélène Binet Mitte der achtziger Jahre durch die Begegnung mit dem New Yorker Architekten John Hejduk, den sie als ihren Mentor bezeichnet. Durch die Auseinandersetzung mit ihm habe sie gelernt, Architektur zu verstehen. Gleich zu Beginn ihrer Karriere lernte sie auch Zaha Hadid kennen, die zu jener Zeit noch nicht als Architektin bekannt war. Binet fotografierte damals ihre Möbel. Als Hadid 1993 ihr erstes Gebäude realisieren konnte, das Feuerwehrhaus von Vitra in Weil am Rhein, liess sie es von Hélène Binet dokumentieren. Wie alle ihre Bauten, die darauf folgten.

Die Kamera setzt Hélène Binet als Werkzeug ein, mit dem sie das Wesen eines Gebäudes zu erfassen versucht. Ihre Arbeiten dienen dabei nicht nur als Dokumentation für Architekturbüros. Mittlerweile sind zahlreiche Bücher mit ihren Fotografien erschienen. Und auch in verschiedenen bedeutenden Ausstellungen wurden Binets Bilder gezeigt.

In ihren Fotografien konzentriert sich Hélène Binet auf Phänomene wie die Veränderungen des Lichts während des Tages, Konstruktion und Volumetrie. Dabei arbeitet sie fast ausschliesslich mit Schwarz-Weiss, das für sie das einzige Mittel ist, die wesentlichen Aspekte eines Gebäudes im Bild herausholen zu können. «Kontrolle» ist ein Wort, das bei ihr oft fällt, wenn sie über ihre Arbeitsweise spricht. Es sei unerlässlich, während des Fotografierens immer alles kontrollieren zu können, um das richtige Ergebnis zu bekommen, sagt sie. Auch deshalb arbeitet die Fotografin selten mit Farbbildern. Farbe könne man nicht kontrollieren. Sie lenke den Betrachter vom Wesentlichen ab, erklärt die 49-Jährige. In Schwarzweissfotos dagegen könne sie das Wesen von Material, Form und Struktur deutlich machen. «Schwarz-Weiss lässt die Qualität von Licht und Schatten besser verstehen.»

Der Schatten ist ein weiteres Mittel, mit dem sie bewusst arbeitet. Im Rahmen einer Ausstellung über Licht und Schatten in der Architektur im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt fotografierte Hélène Binet vor sechs Jahren das Kloster La Tourette von Le Corbusier. Es war eine prägende Erfahrung für sie, ein solch bedeutendes Werk nur unter diesem einen Aspekt anzuschauen und fotografisch festzuhalten. Schatten sei die Absenz von Energie, von Licht. Er erzähle von der Stille, erläutert sie. Durch Schatten entsteht Volumen. Die Betonwände im Kloster La Tourette werden durch das Licht-und-Schatten-Spiel in Binets Bildern so plastisch, dass man sie fast fühlen kann. Zur Komposition einer Aufnahme gehören für die Fotografin Rahmung, Freistellung und Anordnung. Mit dem Rahmen lege sie fest, was gesehen werden soll. Genauso hätten auch die holländischen Maler des 17. Jahrhunderts gearbeitet, sagt Binet. Von deren Techniken, Landschaften, Räume und Stillleben zu komponieren, holte sie sich ihre Inspiration. Auffallend viele ihrer Fotografien sind quadratisch. Das Format wählt sie, wenn sie Phänomene deutlicher und intensiver zeigen will. Ausserdem gebe es keine Hierarchien, im Quadrat sei alles gleich wichtig, selbst das kleinste Detail.

Steinformationen

Als einen Meilenstein in ihrem Werk bezeichnet Hélène Binet das Buch «Peter Zumthor. Häuser 1979–1997», das in einer sehr engen Zusammenarbeit mit dem Architekten und dem Verleger Lars Müller entstanden ist. Das Buch, das selbst wie ein Stück Architektur funktioniert, wurde Vorbild für zahlreiche Architekturbücher. Zentraler Bau in diesem Buch ist das 1996 errichtete Thermalbad in Vals. Hélène Binet dokumentierte in ihren Aufnahmen, wie Natur, Wasser und Stein in diesem Gebäude interagieren. Entstanden sind Bilder von einer grossen sinnlichen und poetischen Kraft. Im August wird Hélène Binet wieder in Vals sein und für das Thermalbad fotografieren. Aber dieses Mal werden es ausschliesslich Landschaften sein, ein Thema, das neuerdings immer wichtiger für sie wird. Sie liebe es, Steinformationen zu fotografieren, sagt die Fotografin. Es seien die gleichen Themen wie in der Architektur: Licht, Schatten, Material.

Hélène Binet hofft, sich künftig mehr den Landschaftsbildern widmen zu können. Aber Architektur wird sie auch weiterhin mit ihrem sensiblen Blick durch die Kamera dokumentieren. Zurzeit arbeitet sie intensiv an einem Buch über ihr bisheriges Werk, das 2009 bei Phaidon erscheinen wird. Ab dem 19. Juli wird sie zudem an der europäischen Biennale für zeitgenössische Kunst «Manifesta 7», die heuer in Südtirol stattfindet, vertreten sein, mit einem Fotobuch über die bei Bozen gelegene Burg Fortezza, eine trutzige Festung aus dem späten 19. Jahrhundert und das Zentrum der Biennale.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2008.07.21



verknüpfte Akteure
Binet Hélène

04. April 2008Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Platz für den Architekturdiskurs in der Öffentlichkeit

Das Architekturforum ist vom Neumarkt 17 in die Räume einer ehemaligen Autowerkstatt an der Brauerstrasse im Kreis 4 gezügelt. Mit einer Ausstellung über Miller & Maranta feiert die Institution ihre Wiedereröffnung.

Das Architekturforum ist vom Neumarkt 17 in die Räume einer ehemaligen Autowerkstatt an der Brauerstrasse im Kreis 4 gezügelt. Mit einer Ausstellung über Miller & Maranta feiert die Institution ihre Wiedereröffnung.

20 Jahre lang hat das Architekturforum Zürich an seinem alten Standort in der Altstadt Ausstellungen und vielerlei Veranstaltungen zu den Themen Architektur und Städtebau durchgeführt. Doch am Neumarkt 17 waren die Räumlichkeiten gerade für grössere Ausstellungen zu klein. Bei Vorträgen, wie etwa der Reihe über junge Schweizer Architekten, platzte das Forum aufgrund der wachsenden Zuhörerzahl buchstäblich aus den Nähten. Mit dem Umzug an die Brauerstrasse im Kreis 4 hat sich die Institution nun den lange gehegten Wunsch nach adäquateren Räumen erfüllt. Seinen neuen Sitz hat das Forum in einer ehemaligen Autowerkstatt gefunden. Dort, wo früher Ferraris und Alfa Romeos in den Schaufenstern standen und im hinteren Werkstattraum repariert wurden, werden nun künftig Ausstellungen zu aktuellen Architekturthemen, Vorträge und Diskussionen stattfinden.

Eröffnet werden die neuen Räumlichkeiten am Samstag mit einer Ausstellung über die Basler Architekten Quintus Miller und Paola Maranta, die auch den Umbau konzipiert und gestalterisch begleitet haben. 180 Quadratmeter, aufgeteilt auf zwei Räume, stehen dem Forum zur Verfügung. Dabei ist der ursprüngliche Laden- und Werkstattcharakter geblieben: Schwarz gestrichene Metallfenster, schlichte weisse Wände, dunkler Gussasphaltboden und die orange Hebebühne im hinteren Teil halten die Erinnerung an die produktive Vergangenheit wach.

Der vordere Raum öffnet sich mit grossen Schaufenstern zur Brauerstrasse hin. Von dieser Öffnung nach aussen erhofft sich Josef Schätti, seit einem Jahr administrativer Leiter des Architekturforums, auch eine breitere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Bisher wurden die Veranstaltungen des Forums ausschliesslich von Architektenkreisen beachtet. Mit dem Umzug in das belebte, trendige Quartier mit seinen neu entstehenden Galerien, Läden und Cafés wolle man, sagt Vorstandsmitglied Stefan Rotzler, von diesem «Soho-Effekt» profitieren und vermehrt auch ganz allgemein an Architektur- und Städtebau-Themen Interessierte ansprechen. Inhaltlich wird das Architekturforum sein bekanntes Programm weiterführen. Pro Jahr sind vier Schwerpunkt-Ausstellungen geplant sowie Kurse und Vorträge. Neu ist jedoch laut Josef Schätti eine Diskussionsrunde, die «Dienstagsdebatte», die vier- bis sechsmal im Jahr stattfinden soll. Sie startet am 15. April mit einer Diskussion über die Stadtentwicklung in Zürich. Ausserdem sollen künftig Kurzausstellungen gezeigt werden, mit denen das Leitungsteam schneller auf aktuelle Themen und Anlässe wie etwa das Andermatt-Projekt von Samih Sawiris oder wichtige Architekturwettbewerbe reagieren möchte.

Im rückwärtigen Teil des neuen Forums, einige Stufen tiefer gelegen als der strassenseitige Raum, befindet sich die alte Werkstatt, die sich mit einem grossen Metalltor zum Innenhof öffnet. Dieser längliche Raum soll vor allem für Vorträge und Diskussionen dienen, aber auch mit grösseren Ausstellungen bespielt werden. Für diesen Bereich entwarfen die Architekten ein System, das den Raum mit einem rundum verlaufenden schwarzen Vorhang in eine Art Black Box verwandeln kann.

Wie das 40-köpfige Team um Quintus Miller und Paola Maranta genau entwirft und arbeitet, lässt sich in der derzeitigen Werkschau nachvollziehen, mit der das Architekturforum dieses Wochenende seine Wiedereröffnung feiert. Im vorderen Raum sind Zeichnungen, Modelle, Bilder und eine grosse Mustersammlung ausgestellt, welche die Arbeitsmethodik und Denkweise des 1994 gegründeten Büros anschaulich machen: das Abtasten, Suchen, Annähern und Überprüfen der Architekten, das Vergleichen und Abwägen, das Modellieren und ständige Reiben von der ersten Idee bis zum fertigen Bauwerk. Im zweiten Raum zeigt die Schau eine fotografische und literarische Annäherung an die Bauten der Basler Architekten. Zusammen mit dem Fotografen Ruedi Walti wurden vier Schriftsteller – Ruth Schweikert, Ulrich Knellwolf, Ilma Rakusa und Peter Jakob Kelting – zu je einem realisierten Bau von Miller & Maranta geschickt. Ergebnis der Spurensuche sind Bildserien über das Hotel Waldhaus in Sils Maria, die Markthalle Färberplatz in Aarau, die Seniorenresidenz Spirgarten in Zürich und das Wohnhaus Schwarzpark in Basel, die sich mit den literarischen Texten verbinden. Die auf diese Weise entstandenen unterschiedlichen Lesarten der Projekte spiegeln das assoziative Vorgehen von Miller & Maranta beim Entwurf wider.

[ Architekturforum Zürich (www.architekturforum-zuerich.ch), Brauerstrasse 16, Ausstellung Carte Blanche V: Miller & Maranta, 6. April bis 17. Mai. Geöffnet Di, Mi, Fr 12–18, Do 16–22 h. Vernissage der Ausstellung: 5. April, 18 h. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.04.04

05. Januar 2007Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Neues Innenleben für alte Häuser

Umbauten von Hotels sind derzeit bei Architekten beliebt. Davon zeugt die Erweiterung des Hotels «Tschuggen» durch Mario Botta in Arosa ebenso wie jene des «Dolder» in Zürich durch Norman Foster. Stellvertretend für all diese Erneuerungen soll hier das von Buchner Bründler revitalisierte Parkhotel «Bellevue» in Adelboden betrachtet werden.

Umbauten von Hotels sind derzeit bei Architekten beliebt. Davon zeugt die Erweiterung des Hotels «Tschuggen» durch Mario Botta in Arosa ebenso wie jene des «Dolder» in Zürich durch Norman Foster. Stellvertretend für all diese Erneuerungen soll hier das von Buchner Bründler revitalisierte Parkhotel «Bellevue» in Adelboden betrachtet werden.

Die schweizerische Hotelszene ist im Umbruch. Nach jahrelanger Zurückhaltung haben die Hoteliers die Architektur als Zugpferd entdeckt. Eine Vorreiterrolle kam Peter Zumthors Therme in Vals zu; und gerade konnte der von Mario Botta gestaltete Wellnessbereich des Hotels «Tschuggen» in Arosa eröffnet werden. Die meisten Interventionen betreffen bestehende Bauten. Denn historische Hotels sind seit einiger Zeit beim Publikum wieder beliebt. Doch entsprechen viele dieser baulichen Zeitzeugen nicht mehr den räumlichen und technischen Anforderungen. Hier sind kreative Architekten gefragt. So baute etwa Ben van Berkel einen Teil des Hotels «Castell» in Zuoz in einen Fifties-Revival um, während der andere vom St. Moritzer Architekten Hans- Jörg Ruch in einem Arvenholz-Minimalismus gestaltet wurde. Schon zuvor hatten Quintus Miller und Paola Maranta das Erdgeschoss des «Waldhauses» in Sils Maria einer sensiblen Renovierung unterzogen. Diener & Diener verhalfen dem ehrwürdigen «Schweizerhof» in Luzern zu einem zeitgemässen Auftritt, dieweil Franz Romero und Markus Schaefle das Zürcher Hotel «Greulich» in eine innerstädtische Oase verwandelten.

Bildhaftigkeit

Jüngstes Beispiel für einen gelungenen architektonischen Eingriff in einen traditionsreichen Hotelkomplex ist das Parkhotel «Bellevue» in Adelboden. Das Haupthaus wurde 1931 in der Formensprache der Moderne von den Interlakner Architekten Urfer & Stähli gebaut. Über die Jahrzehnte hinweg wurde das Gebäude erweitert und in seinem ursprünglichen Charakter verändert. Für den jüngst realisierten Umbau zeichnen Daniel Buchner und Andreas Bründler verantwortlich. Die beiden jungen Basler Architekten haben bis anhin vor allem Wohnbauten realisiert - etwa das Lofthaus an der Colmarerstrasse in Basel, für das sie 2002 die «Auszeichnung für gutes Bauen» erhielten. Die Projekte spiegeln das Interesse der beiden Architekten am freien Modellieren von Baukörpern in vielfältigen Formen und Materialien. Die Faszination für plastische Gestaltung wird auch in Adelboden spürbar.

Der Umbau umfasst den Restaurant- und Lounge-Bereich im Erdgeschoss sowie neun Doppelzimmer und drei Juniorsuiten. Die Schwierigkeit des Auftrags bestand darin, eine Allgemeingültigkeit für den heterogenen Hotelkomplex zu schaffen. Die Räume sollten wieder eine klare Linienführung und Bildhaftigkeit erhalten. Als Referenz wählten die Architekten das Haupthaus und seine Geschichte. Bei der Gestaltung und Möblierung der Räume wurde die Nähe zu den dreissiger Jahren gesucht, aber auch zur Verspieltheit und Üppigkeit des Art déco.

Nach der Neugestaltung wirkt das Treppenhaus nun offen und luftig. Dadurch dass die Korridore bis in den Gartenflügel vereinheitlicht und begradigt wurden, hat das Hotel ein neues Rückgrat erhalten. Grundrissveränderungen im Erdgeschoss führten zu einer neuen Grosszügigkeit. Vor dem Umbau bestand dieser Bereich aus drei unterschiedlichen Räumen. Jetzt sind es nur noch zwei: die Eingangshalle mit Speisesaal, die in den neunziger Jahren umgebaut worden war, sowie das von Buchner Bründler gestaltete Restaurant mit Bar und Lounge. Dieses öffnet sich jetzt mit grossen Panoramafenstern zum Garten und zu den Bergen hin.

Für die Innenraumgestaltung suchten die Architekten einen Bezug zur Natur und setzten Hölzer ein sowie die Naturfarben Grün und Braun. Das Alpine thematisierten sie aber auch auf einer bildhaft abstrakten Ebene. Ausgehend von der Idee der Waldlichtung, schufen sie eine aus beleuchteten Holzästen konstruierte Wand in der Lounge, die Ein- und Ausblicke gewährt. Im Restaurant sorgt eine abgehängte Holzdecke mit ihren zu Ornamenten arrangierten, hinterleuchteten Öffnungen für ein Licht-und-Schatten- Spiel, das wie ein Blick in eine Baumkrone wirkt. Die Bar, ein leuchtender Korpus aus brüniertem Messing, Glas und Mooreiche, dient als Scharnier zwischen Restaurant und Lounge. In der Lounge dominieren Rot- und Brauntöne, die eine abendlich feierliche Stimmung signalisieren sollen.

Poesie des Ortes

Die neugestalteten Gästezimmer wollen durch die teilweise von zwei Seiten begehbaren Bäder möglichst grosszügig erscheinen. In der Wand zwischen Bad und Zimmer ist jeweils ein rotes Glasfenster mit Reliefarbeiten eingelassen, das den Hausberg in Adelboden, den Wildstrubel, zeigt. Schliffscheiben genannte Glasarbeiten aus dem Engstligental inspirierten die Architekten zu sandgestrahlten Reliefarbeiten. Auch das Naturthema wird in den Zimmern farblich und in der Materialwahl weitergezogen. Dabei sind die mit italienischen Möbeln sehr modern gehaltenen Juniorsuiten weniger der Poesie und Materialität des Ortes verbunden als die vor allem mit dänischen Möbelklassikern von Hans J. Wegner ausgestatteten Doppelzimmer. Auch in diesen handwerklich präzise gearbeiteten Stücken mit ihrer schlichten, innovativen Formensprache, die Ruhe und Zeitlosigkeit ausdrückt, sehen die Architekten einen Bezug zu den Bergen, wo Handarbeit und Handwerk immer noch verbreitet sind.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2007.01.05



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Umbau Parkhotel Bellevue

07. Juli 2006Brigitte Selden
Neue Zürcher Zeitung

Gläserner Schleier im Stadtraum

Ein Medienhaus von Burkard Meyer Architekten setzt einen Akzent an Aaraus Bahnhofstrasse

Ein Medienhaus von Burkard Meyer Architekten setzt einen Akzent an Aaraus Bahnhofstrasse

Aarau hat in den letzten Jahren mit der Realisierung einiger herausragender Bauten gezeigt, dass die Stadt den Wert guter Architektur erkannt zu haben scheint. Davon zeugen die Markthalle von Miller & Maranta ebenso wie die Kunsthaus-Erweiterung von Herzog & de Meuron. Beide Bauten haben das deutliche Signal gesetzt, dass letztlich nur mit identitätsstiftenden Eingriffen das städtische Gleichgewicht erhalten werden kann. Nun ist vor kurzem mit dem AZ-Medienhaus von Burkard Meyer Architekten ein weiteres Beispiel für eine überzeugende Stadtreparatur hinzugekommen, das sich durch seine sensible räumliche Ausgestaltung im Stadtraum verankert und wie selbstverständlich in die innerstädtische Situation einfügt. Nachdem mit der Markthalle dem Färberplatz eine neue Identität verliehen worden war, gelang auch Burkard Meyer Architekten ein architektonisch und städtebaulich präzise gesetzter Bau.

Klassizistische Geste

Mit ihrem skulpturalen Neubau hatten die Basler Miller & Maranta gezeigt, wie mit einem einzigen Gebäude eine grundlegende urbanistische Fragestellung auf den Punkt gebracht werden kann. Zugleich offenbart der Bau ein Gespür für einen respektvollen Umgang mit den zahlreichen Leerstellen rund um die historischen Gebäude am Rande der Altstadt. Auch Herzog & de Meuron schufen mit dem Um- und Erweiterungsbau am Aargauer Kunsthaus ein Gebäude, welches sich als Resultat einer sorgfältigen Analyse der städtebaulichen Anlage und des architektonischen Kontextes erweist. Im Gegensatz zum ursprünglich im Wettbewerb gewünschten unterirdischen Erweiterungsbau haben sie eine urbanistische Lösung und bauliche Verdichtung in Form eines transparenten Annexbaus geschaffen, mit der das Kunsthaus stärker an die Stadt gebunden wird. Nun wertet der neue Stadtblock von Burkard Meyer Architekten die Bahnhofstrasse durch seine Durchlässigkeit auf und fördert die Verbindung zwischen City und Altstadt. Auf diese Weise haben die Architekten mit dem AZ-Medienhaus ein weiteres Stück Stadt geschaffen, das die von Miller & Maranta sowie Herzog & de Meuron begonnene Transformation des Stadtraums konsequent weiterführt.

Das AZ-Medienhaus tritt mit einer klassischen, ja fast schon klassizistischen Geste auf. Die fein differenzierte Fassade des 70 Meter langen und 25 Meter breiten Baukörpers gliedert sich in Sockelgeschoss, Mittelteil und Attika und reagiert so auf ihre städtische Umgebung. Dabei besteht das Gebäude aus einer ausgeklügelten Doppelkonstruktion. Die äussere Schicht aus Glaselementen ruht wie ein Schleier vor einer zurückversetzten Ebene, die als rötlich lackierte Holzfassade ausgestaltet ist. Mit der Trennung von Aussen- und Innenhülle wird ein Spiel zwischen Oberfläche und Tiefe inszeniert, das seine Entsprechung in den stattlichen Nachbargebäuden aus der vorletzten Jahrhundertwende findet, wie etwa dem Sandsteinbau des Hauptsitzes der Neuen Aargauer Bank, den die Architekten Curjel & Moser 1913 erbauten.

Die geschosshohen Glasflächen sind jeweils auf der linken oberen Ecke nach innen abgeknickt. Mit diesem Kunstgriff, der an einen Faltenwurf erinnert, wird das Spiegelbild aufgebrochen und dem Gebäude ein leichteres und luftigeres Erscheinungsbild verliehen. Mit geringen Abdrehungen in der Fassade vermieden die Architekten zusätzlich eine unnötige Sperrigkeit des Hauses, das sich so mühelos in die Reihe der repräsentativen Bauten entlang der Bahnhofstrasse einfügt und den Nachbarbauten genug Luft lässt. Selbstbewusst reiht sich der Bau in die Schauseite der aus napoleonischer Planung hervorgegangenen Vorstadt ein und setzt einen neuen Akzent an Aaraus Hauptachse. Gleichzeitig verzahnt er sich auf seiner rückwärtigen Seite als städtischer Block mit der kleinteiligen städtischen Struktur. So unterstreichen der Platz vor der Bar und der neu geschaffene Gassenraum den öffentlichen Charakter des Gebäudes. Mit der quer durch das Haus führenden Ladenpassage sind zudem neue Fussgängerverbindungen entstanden. Damit knüpft das AZ-Medienhaus an die vorhandene urbane Struktur an, die in dem sorgsam geplanten Nutzungskonzept mit einem urbanen Mix akkurat weitergeführt wird: Im Erdgeschoss des Gebäudes sind eine Buchhandlung und ein Restaurant untergebracht. Die oberen Geschosse werden von der AZ-Medien- Gruppe genutzt. Im fünften Stockwerk befinden sich sieben komfortable Stadtwohnungen.

Irritierende Perspektiven

Die Glashülle ist nicht nur ein prachtvolles Gewand, sondern auch Klimapuffer und Konvektionsgehäuse. In dem Raum zwischen Glashaut und Holzschicht lassen sich die Fenster der Büros und der Wohnungen bei jeder Witterung öffnen. Der Schutz vor Strassenlärm und Wärme wird so zu einem mehrdeutigen Filter. Konstruktiv und räumlich ist das AZ-Medienhaus einfach aufgebaut. Der dreibündige Grundriss ist stützenfrei, mit einer tragenden, verkleideten Aussenwand und einem tragenden inneren Kern. Innerhalb des Bundes befinden sich zwei Lichthöfe, die in den Geschossen zu ungewöhnlichen Aus- und Durchblicken führen und das Gebäude auch innen eng mit dem Stadtraum verbinden. Die Belebtheit der Strasse wird so in das Innere geholt. Der Schleier der spiegelnden Fensterscheiben löst ein Changieren zwischen innen und aussen aus, das je nach Standort ganz unterschiedlich erlebt werden kann.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2006.07.07



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AZ Medienhaus

Profil

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