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08. Juni 1996Vera Purtscher
Spectrum

Am Ende einfach ausgespuckt

Nobel, zurückhaltend - oder ein starkes künstlerisches Gegengewicht? Alfred Brandstätters Gestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg ist weder das eine noch das andere. Eine Enttäuschung.

Nobel, zurückhaltend - oder ein starkes künstlerisches Gegengewicht? Alfred Brandstätters Gestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg ist weder das eine noch das andere. Eine Enttäuschung.

Endlich Frühlingserwachen, saftiges Grün der Bäume. Allerorts keimt die Lust aufs Bummeln und Flanieren. Die Zeit ist wieder reif für einen Ansturm der Touristen. Das Millenniumsjahr bietet zahlreiche Attraktionen, und Österreich wird sicher zu Recht 1996 sehr gefragt sein. Zwischen das temporäre Aktuelle schiebt sich aber auch seit einem Jahr die Neugestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg. Schon der Name klingt verlockend, und doch fristete die Silberkammer seit ihrer Eröffnung, 1914, ein Schattendasein neben der „Konkurrenz“ der Kaiserappartements.

Die Sammlung historischen Küchen- und Tafelgeräts aus kaiserlichem Besitz ist als Bestand der Bundesmobilienverwaltung dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten unterstellt. Nur ein Teil des Bestandes konnte in sechs Räumen des Michaelertraktes der Hofburg ausgestellt werden - diese Sammlung ist bis heute fast unbekannt geblieben. Aus der ersten „Museumsmilliarde“ wurden die Sanierung der Silberkammer und gemeinsame Kassen, WC-Anlagen, das Entree und der Museumsshop für beide Schaustellungen - Hoftafelkammer und Kaiserappartements - finanziert.

Die imperialen Gerätschaften werden im nördlichen Teil der Hofburg gezeigt: in einem unregelmäßigen, kleinteiligen Gefüge barocker und späthistoristicher Räumlichkeiten. Drei quadratische Höfe, ein betont länglicher Hof und die neobarocke Kaiserstiege ließen nicht viel Platz. So hat man sich für die Überdachung von Spitz-, Kaiser- und Marschallhof und einer Passage entschieden. Mauern wurden verlegt oder neu errichtet.

Der Zugang führt vom Inneren Burghof zum Kaisertor. Hier fällt eine - als Museumsblickfang sattsam bekannte - architektonische Lösung ins Auge: eine Glaspyramide, sehr viel weniger gekonnt als die in Paris, dafür aber verdoppelt. En miniature dient sie als Glassturz für Ludwig Baumanns Modell des Kaiserforums. In die Tür- oder Fensterlaibungen des pyramidal gedeckten Kaiserhofes wurden Vitrinen eingebaut, die Kupferformen, kleines Porzellan und Gläser zeigen. Die entstehenden Durchblicke machen neugierig. Eine Steinbank mit ausgeprägter Fehlproportion läßt man gerne hinter sich, um den Besichtigungsobolus zu entrichten.

Die Homogenisierung der bestehenden, großteils gewölbten Räume durch den Umbau - gleiche Höhen und Fußbodenniveaus, einheitlicher Bodenbelag, durchgehend weiße Farbgebung - beraubt das Gebäude der Spuren seiner Baugeschichte und nimmt ihm Spannung. Außerdem vermißt man eine klare Raumabfolge, die den Ausstellungsbesuch erleichtern würde.

Nun muß anerkennend erwähnt werden, daß Umbauten viel Mühe und Ärger und nur selten Dank bringen. Die Aufgabe, in heruntergekommenen, historisch bedeutsamen Räumen alle sicherheits- und haustechnischen sowie die musealen Erfordernisse unter einen Hut zu bringen und dabei behindertengerecht zu verfahren, zwingt den Planer in ein starres Korsett. Der Großteil der Unsummen verschlingenden baulichen Maßnahmen bleibt dem Auge verborgen: Architekt Alfred Brandstätter hat eine undankbare Aufgabe übernommen.

Er hat auch jenen Vitrinentyp entwickelt, der sich in allen Räumen findet: Egal, ob die Vitrinen freistehend oder mit der Wand verbunden, hoch oder niedrig, tief oder seicht sind - sie sind weiße Behälter auf einem mühsam gefügten Stabkonvolut. Viertelkreisförmig angeschnittene Rundhölzer nehmen zuoberst auf dem Gestänge die Vitrine selber auf. Der Abschluß ist immer halbkreisförmig ausgebildet - laut Architekt inspiriert durch die Linienführung der Gewölbe. Stehlampen in weißen Röhren geben sich unscheinbar, verschwinden nahezu. Manchmal findet sich eine kleine Apsis, in der, halbkreisförmig angeordnet, größere Objektgruppen gezeigt werden. Tatsächlich spürt man, daß es sich um übriggebliebene Nischen handelt.

Kein Bezug der Schaustücke zueinander ist erkennbar, die Aufstellung erscheint völlig beliebig. Wer hat denn nur die herrlichen Stücke angehäuft? Das kostbare Gut, haufenweise aufgetürmt, läßt dieses billig erscheinen. Weniger wäre mehr gewesen! Es scheint so schwer gewesen zu sein, eine Auswahl zu treffen, daß zu allem Überfluß mancherorts auch noch große Spiegel die zahlreichen Exponate optisch verdoppeln.

Der Mailänder Tafelaufsatz von 1838 endet halbrund - ein Anlaß, auch den Raum halbrund münden zu lassen. Da treppt sich nun, sakral anmutend, eine Apside in die Höhe und stellt, von oben mit ausreichendem Licht versehen, vielerlei aus. Man fragt sich dennoch ratlos, weswegen für das Glasdach solch postmoderne Formen aufgegriffen werden mußten.

Dieser kleine, neu überdachte Lichthof wird ringsum von Fenstern begleitet. Diese sind bemerkenswert, handelt es sich doch um die einzigen originalen Hildebrandtschen Fenster mitsamt den ursprünglichen, verzinnten Beschlägen. Aus Mooreiche gefertigt, überlebten sie, mehrfach überstrichen, bis ihre Einzigartigkeit vom Architekten entdeckt und ans Tageslicht geholt wurde. Durch diese Fenster darf der Besucher, allerdings behindert durch die Barriere einer Vitrine, auf den berühmten Tafelaufsatz blicken. Wieder das Thema des seltsam anmutenden Gestänges. Brandstätter sieht darin die „barocke Allüre des geschwungenen Tischbeins“. Sein Motiv war das „Rohr“: Die gesamte Ausstellung ist eine Deklination des „Rohres“. Brandstätters Interpretation erscheint eher mutwillig modisch und kaumnachvollziehbar.

Im Raum E häufen sich jene Steinbänke, die schon beim Zugang Bestürzung ausgelöst haben. Darf es denn sein, daß Design dieser Qualität an so prominentem Ort aufgestellt wird? 20 Zentimeter hohe Steinbalken ruhen auf stählernen T-Trägern, an die je ein Röhrchen geschweißt wurde. Der spaltbare Stein - die beigegrauen Kehlheimer- Platten tun am Boden ihren Dienst - wird bei der Bank zu einem massiven Stück: im Mittelteil gerundet, am Ende scharfkantig und leicht ornamentiert. Instinktiv spürt man die Vergewaltigung des Materials.

Im Raum G atmet man auf. Hier wird, in altväterischer Weise den Wänden entlang, gezeigt, was man hat. Die ursprüngliche Silberkammer, ein Geheimtip für Insider, wurde generalsaniert. Unter Linoleum moderte zuvor Parkettboden, die alten Vitrinen waren teilweise desolat. Architekt Brandstätter übte sich hier in Zurückhaltung, und die Sanierung kann als durchaus geglückt gelten.

Dieser auf der Seite der Schauflergasse gelegene Trakt repräsentiert viel mehr Großzügigkeit und Nonchalance als der überfrachtete, zuvor beschriebene Teil. Konventionelle museale Präsentation - nicht aufregend, aber aufschlußreich, nicht spektakulär, aber angemessen. Ich rede nicht einer ausschließlich konservativen Auffassung von Ausstellungsgestaltung das Wort - nur läßt sich an Hand der Wiener Tafelsilbersammlung geradezu exemplarisch eine falsch verstandene Überinszenierung mit einer traditionellen Schaustellung vergleichen. Der Gast, der auch die Kaiserappartements besucht, wundert sich über die museale Wegführung. Am Ende begleitet ihn und das Treppenhaus bewegt fließender Stuck. Mir nichts, dir nichts findet er sich im Freien wieder - auf den Ballhausplatz „ausgespuckt“, muß er verdutzt feststellen.

Ein Staatswesen präsentiert sich in vielfältiger Weise. Museen dienen der Selbstdarstellung. Es gilt also, ihrer Gestaltung besonderes Augenmerk zu schenken. Im Umgang mit prachtvollen Exponaten muß der Entwerfer eine deutliche formale Lösung bieten - subtil, nobel, zurückhaltend - oder mit starkem gestalterischem Gegengewicht antworten. Beides ist in der Silberkammer nicht geschehen. Glanz und imperiale Pracht werden nicht reflektiert, die Anordnung der Exponate ist dekorativ, zufällig, jeder Zusammenhang wird vermißt. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

Spectrum, Sa., 1996.06.08



verknüpfte Bauwerke
Neugestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg

24. Februar 1996Vera Purtscher
Spectrum

Vom Kuckucksei zum Kreißsaal

Ahornholz, Lichtkuppeln, Glasbausteine: Mit der neuen Gynäkologischen Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ist Franziska Ullmann aus den Zwängen der Spitalsnorm ausgebrochen.

Ahornholz, Lichtkuppeln, Glasbausteine: Mit der neuen Gynäkologischen Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ist Franziska Ullmann aus den Zwängen der Spitalsnorm ausgebrochen.

Gebären, Geburtswehen, Blut, Schmerz, Kreißsaal - Grenzsituation und auch: Wunder, Menschwerdung. Wieviel bleibt in modernen Spitälern von Natur und vom Wunder übrig? Steril und desinfiziert, kalt und glatt die Oberflächen, scharf die Kanten, glänzend die Materialien, High-Tech, Apparaturen zur Überwachung, Wehenschreiber, Gestänge, Instrumente: So technisch „umfangen“, wird die Geburt zur „Fruchtausstoßung“. Wie anders muß es noch gewesen sein in Zeiten, als die Hebamme durch das Dorf eilte, um im elterlichen Schlafzimmer einem Erdenbürger auf die Welt zu helfen. Wer sagt, man müßte sich das wieder herbeiwünschen? Die Mortalitätsrate der Mütter ist seither drastisch gesunken, die der Säuglinge erst recht - dank dem medizinischen Fortschritt. Nur, wie wohl tut es dem Gefühl und dem Seelenfrieden, wenn der Mensch zwischen Apparaturen sich eher als schwer kontrollierbares Störelement fühlt? Schon seit längerem versucht man deswegen, eine freundlichere, wärmere Atmosphäre in Krankenhäusern zu schaffen.

Als das behäbigste und ungeheuerlichste Spitalsmonster gilt das AKH - und das weit über Österreichs Grenzen hinweg! Es handelt sich im Grunde um eine rationelle Addition von funktionellen Boxen, deren Raumzusammenhänge einzig durch Beschriftung nachvollziehbar sind. Der Koloß aus den sechziger und siebziger Jahren erfährt, ob seiner hervorragenden technischen Ausrüstung und der ärztlichen Kapazitäten, doch - zu Recht - viel Lob. Was das Gebäude angeht, kann man aber nur entsetzt verstummen. Jeder, der jemals seinen Fuß in diese Riesenmaschinerie gesetzt hat, kennt deren vielfältige Mängel: Unübersichtlichkeit, endlose Wege, „kalte Zimmer“.

Hier nun wurde 1992 die Entscheidung getroffen, eine neue gynäkologische Abteilung zu bauen. Vor allem mußte die intensive Säuglingsbetreuung, die Neonatologie, räumlich an die Geburtsstation angebunden werden: Die Entfernung zwischen den beiden Stationen war unhaltbar geworden, außerdem gab es den Wunsch nach natürlicher Entbindung. So wurde die Architektin Franziska Ullmann zur Ausarbeitung einer Studie geladen. Sie hatte bereits einen guten Ruf in diesem Metier: Das Geburtshaus Nußdorf, in dem ambulante, natürliche Entbindungen erstmals in dieser Art in Wien angeboten worden waren, diente zum Teil auch als Vorbild für das AKH.

Der AKH-Raster beträgt 1,35 Meter, alle acht Meter trägt eine Stütze Lasten ab. Die Wände sind generell höchst leitfähige Stahlwände von der Voest. Die „AKH-Norm“ regelt von den Garderobeschränken bis zur Bettbeleuchtung alles. Franziska Ullmann unterwarf sich dieser Norm und plante zuerst innerhalb dieses engen Systems. Bald stellte sich jedoch heraus, daß viele AKH-Standardteile nicht mehr erhältlich und die in Reserve gelagerten aufgebraucht waren.

Die Stahlwände nachbauen zu lassen wäre erheblich teurer gewesen, als auf übliche Halbprodukte zurückzugreifen: eine Revolution in der Ausstattung des AKH! Auch der rot- schwarz-flammige Semperit-Boden von damals war glücklicherweise nicht mehr am Markt erhältlich.

Mit Gipskarton beplankte Ständerwände, Holzoberflächen und Linoleumböden: ein Kukkucksei im großen AKH? Gott sei Dank ist die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe keine übliche Krankenstation - Kinderkriegen ist ja keine Krankheit! Und so durfte diese Station einen Sonderstatus bekommen. Nach und nach entwickelte sich innerhalb der vorgegebenen Struktur auf 2500 Quadratmetern eine funktionell gut durchorganisierte, technisch einwandfreie Station, die dennoch warm und sympathisch wirkt.

Franziska Ullmann kam noch eine räumliche Gegebenheit entgegen: Die gynäkologische Geburtshilfeklinik ist im neunten Obergeschoß des Flachtraktes des AKHs untergebracht, somit im obersten Stock. Die Architektin konnte demzufolge mehrere Lichtkuppeln ins Dach schneiden und in ehemals finstere Ecken Tageslicht holen. Der Deckenhohlraum beträgt 1,50 Meter. Der „Schacht“ bis zum Licht ist nicht banal rechtwinklig, sondern allseitig leicht konvex gebogen. Man sieht also den Glaskuppelanschluß nicht, hat ein dynamisches Raumdetail und bei allen Sonneneinstrahlungswinkeln eine interessante Lichtverteilung imInneren.

Zusätzlich wurden die gekrümmten vier Seitenteile mit kleinen, quadratischen Einbaulichtern versehen, sodaß auch bei Nacht diese poetischen Nischen des Lichts Helligkeit spenden, ohne Tageslicht vorzutäuschen. Kaum zu glauben, was sich im Hohlraum oberhalb der abgehängten Decke alles an Installationen verbirgt: tausendfache Leitungsführung, Klimatisierung, Elektrifizierung, Sprinklerversorgung, Alarm, Belüftung. In diesem Gewirr zusätzlich etwas unterzubringen ist höchst schwierig.

Mit den Lichtkuppeln ist es an sechs Punkten gelungen: Es sind vor allem „Schwesternstützpunkte“ - zentrale Krankenüberwachungsstellen - und rezeptionsähnliche Bereiche, die auf diese Weise aufgewertet wurden. - Intensivem Gedankenaustausch ist es zu verdanken, daß medizinisch-technische Notwendigkeiten mit Augenmaß gewählt wurden. Die Ergebnisse der Rücksprache mit Schwestern und Hebammen - unter Leitung von Professor Husslein - beflügelten auch die anfangs skeptischen Spartenplaner und Haustechniker. Einzig die Medizintechnikplaner wehrten sich bis zum Schluß gegen neue Denkansätze und sparsame Lösungen.

Die AKH-Normdecke ist natürlich auch aus Stahlblechkassetten mit metallischem Bandraster, allerdings nicht niveaugleich. Da die Raumhöhe von 2,70 Metern ohnehin nicht großzügig zu nennen ist und eine ruhige Raumsituation geschaffen werden sollte, blieb nicht mehr genügend „Luft“ für die AKH-Norm-Deckenrasterleuchten. Welch ein Glück! Plötzlich erfüllt eine spielerische Verteilung der kreisrunden Einbau-DownLights nicht nur gestalterische und raumpsychologische Wünsche, sondern freut auch noch die Haustechniker, weil eben an manchen Stellen Platz für eine Einbauleuchte ist, an anderen hingegen nicht.

Oft konnten die Architektin und ihre Mitarbeiterin, Barbara Aull, diese Erfahrung machen: Das zuerst mit Vehemenz abgelehnte Ausbrechen aus der Norm erwies sich sonders hilfreich für alle Beteiligten.

Ein Operationssaal, drei Intensivgebärzimmer, drei alternative Gebärzimmer, Zwei Entspannungs-, und eine Entbindungsbadewanne, die präpartale Station, die Neonatologie sowie die diversen Arzt-, Warte- und Nebenräume mußten funktionell und räumlich klug verknüpft werden. Der Hygieniker und die Feuererpolizei verlangen von im Spital verwendeten Materialien besondere Eigenschaften. Ausserdem gilt bei dieser Gebäudehöhe bereits die - verschärfte - Hochhausnorm.

Und es war doch möglich, in der Neonatologie und der Präpartalstation Ahornholz zu verwenden. Helles Blau und zartes Gelb mit Lila werden bei jenen Möbeloberflächen, die aus Laminatplatten gefertigt wurden, dazukombiniert. Für die Entbindungsstation sind Buchenholzmöbel gewählt worden. Natürlich muß jedes Risiko vermieden werden, und dazu sind auch Apparaturen nötig. Solange diese aber nicht gebraucht werden, verstecken sie sich in einer Wandnische, durch einen hellen Vorhang verhängt.

Möglichst schalldicht sind diese Räume gegen die Gangzonen. Zum „Flanieren“ vor dem Gebären sind diese Zonen freundlich, hell und - wegen der besseren Orientierung und Belichtung - mit Außenbezug gestaltet worden. Wieder sind die spielerisch verstreuten, dimmbaren Deckenlichtpunkte zu erwähnen.

Die Nischen für medizinisch-technische Geräte sind blau gestrichen; das Wartezimmer an der Südwestecke des Gebäudes ist, in Anlehnung an türkische Wohnzimmer, mit an den Wänden entlanglaufenden, gepolsterten Bänken ausgestattet.

Zwei viertelkreisförmige Räume, deren begrenzende Wände ganz in Glasbausteinen ausgeführt wurden, runden, im wahrsten Sinne des Wortes, die Gehzonen ab. Diese gebogenen Wände verstecken hinter ihren mattierten weißen Glasbausteinen Entspannungsbadewannen.

Bei Tag eine angenehme Irritation im rechtwinkligen Raster, die bei Nacht noch verstärkt wird durch den sanften Schimmer, der von der Innenbeleuchtung in die Korridorzone dringt: Räume wie Lampions.

Ein poetischer Vergleich angesichts einer Station, die auch einen „Fruchtausstoßraum“ beherbergt? Das Leben ist eben mehr als nur das eine oder nur das andere! Die Augenblicke der Geburt sind absolut. Jede Faser des Seins ist auf dieses Ereignis konzentriert. So bleibt in den wichtigsten Minuten der Raum bedeutungslos.

Ob Taxi, Parkbank oder High-Tech-Kreißzimmer: Was die Natur abverlangt, geschieht. Ein Wunder ist es überall. Aber die Stunden davor und danach werden durch liebevolle räumliche Gestaltungen, wie zum Beispiel die von Franziska Ullmann, angenehmer erlebt.

Spectrum, Sa., 1996.02.24



verknüpfte Bauwerke
Gynäkologische Abteilung, AKH Wien

23. Dezember 1995Vera Purtscher
Spectrum

Mit Fischgrät und Fußmaß

Aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt es, das Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg. Hans Puchhammer hat es neu gestaltet. Protokoll einer erfolgreichen Verwandlung.

Aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt es, das Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg. Hans Puchhammer hat es neu gestaltet. Protokoll einer erfolgreichen Verwandlung.

Carnuntum war nicht irgendein römisches Städtchen, sondern spielte, an Donau, Limes und Bernsteinstraße gelegen, in kultur- und wirtschaftspolitischer Hinsicht eine zentrale Rolle. Etwa drei Quadratkilometer Ausdehnung erlangte das selbstverwaltete Gemeinwesen, das nach dem Beispiel antiker italienischer Städte errichtet wurde. Offiziell hieß es Municipium Aelium Carnuntum, nachdem es Lucius Septimius Severus in den Rang einer „colonia“ erhoben hatte.

Jahrhunderte später, im Jahr 1900, beauftragte das k. u. k. Unterrichtsministerium die Architekten Friedrich Ohmann und August Kirstein mit der Planung eines archäologischen Museums: nicht im Zentrum der ehemaligen Zivilstadt, im heutigen Petronell, sondern in Bad Deutsch-Altenburg, wo sich ein Kurbetrieb entwickelt hatte. 1904 wurde es eröffnet: ein Bauensemble im Stil einer römischen Landvilla mit Gartenanlage und Lapidarium. Doch Zerstörungen im Krieg und Plünderungen während der russischen Besatzungszeit hinterließen tiefe Spuren.

Eher hilflos wurde nach dem Krieg versucht, das Haus wiederzubeleben. Als 1988 weitere Sanierungsschritte geplant waren, um das Museum auf den heutigen Sicherheits- und Ausstellungsstand zu bringen, wurde Architekt Puchhammer gerade noch rechtzeitig eingeschaltet. Dieser hatte schon mit dem Hallstatt- und dem Ephesosmuseum Erfahrungen gesammelt und erwies sich als engagierter zeitgenössischer Architekt, der sich begeistert in eine Aufgabe stürzte, die vor allem persönliche Bescheidenheit verlangte. Galt es doch, einen historisch für Österreich einmaligen Bau mehr oder weniger zu rekonstruieren, andererseits aber als Architekt unter Rücksichtnahme auf die Wirkung der Exponate in den Hintergrund zu treten.

Keine Gelegenheit also, sich ein architektonisches Denkmal zu setzen. Vielmehr ein Tüfteln am noch Bestehenden, ein Suchen nach Überresten, das Erforschen von Archivmaterial. Alte Photos wurden stark vergrößert und dadurch Fensterteilungen, Geländerausbildungen, Brüstungsmauern, Reste starken Farbauftrags und dekorative Friesmalereien wieder sichtbar gemacht.

Am Ende des Kurparks blickt Kaiser Franz Joseph vom Postament in die Baumreihen, die den Weg zum Museum säumen. Eine Gartenmauer begrenzt das höherliegende Museumsareal. Die steinerne Treppenanlage wird von zwei Säulen flankiert, die Büsten römischer Kaiser tragen. Dahinter, völlig symmetrisch, der Hauptgebäudeteil mit zwei Seitenflügeln, die straßenseitig Laubengänge beherbergen, gartenseitig Pergolen vorgeblendet haben. Diesen Flügeln wurden jeweils Eckrisalite zugeordnet. Die symmetrische äußere Gestalt spiegelt sich im Inneren wider.

Durch die herrlich gearbeitete bronzene Eingangstür betritt man den zentralen Raum, der klar definiert wird durch die große Aussparung in der Decke – Galerie mit Glasdach –, die eckbegrenzenden Pfeiler, die einen Umgang dieses Zentralraumes markieren, und, ostseitig daran anschließend, einen vertieften Bereich, der einem großen Relief Platz bietet: Den Kulten gewidmet, hier dem Mithraskult, signalisiert dieser tiefere Bereich Andacht, Ehrfurcht und Stille.

Nur an dieser Stelle ist ein tönerner Bodenbelag verlegt. Im Hallenbereich liegt ein heller Steinboden, sonst im gesamten Museum rötliches Fischgrätparkett. Die Aula ist den orientalischen Religionen gewidmet. Anders als Ohmann, legte Puchhammer Wert auf gezielt reduzierte Schaustellung. Wo sich früher auf tellerbordähnlichen Regalen viele Exponate drängten, stand jetzt die strenge Auswahl der besten Stücke im Vordergrund. Wer weiß schon, daß von der Sammlung des Museums Carnuntinum nicht mehr als fünf Prozent gezeigt werden können? Im Obergeschoß herrschen gute Lichtverhältnisse – vom Glasdach und den drei hohen straßenseitigen Fenstern wird der Zentralraum gut ausgeleuchtet. Dieser Galeriebereich liegt höher als die Seitenflügel, zu denen vier Stufen hinunterführen. Das Raumkontinuum erfährt so an dieser exponierten Stelle die entsprechende Dominanz. Klein in den Abmessungen, doch nicht kleinlich im Eindruck, übersichtlich und klar, niemals überfrachtet oder verwirrend zeigt sich die streng hierarchische und leicht ablesbare Raumabfolge.

Bei der Präsentation der Objekte konnte sich Architekt Puchhammer liebevoll der Gestaltung von Vitrinen und dem Lichtsystem zuwenden. Die schwer wirkenden, truhenähnlichen Vitrinen von 1904 waren verschwunden. So entwickelte der mit Ausstellungsgestaltung bereits vertraute Architekt Schaukästen, die in vielerlei Hinsicht ideal erscheinen: was die Lichtführung angeht, aber auch sicherheitstechnisch und konservatorisch.

Es handelt sich meist um hohe, schlanke Holzpodeste, in matt-dumpfem Taubenblau gestrichen, in denen die Entfeuchtungsanlage versteckt ist. Immerhin erreicht die Luftfeuchtigkeit im Sommer Werte bis zu 90 Prozent. Auf dem Sockel sitzen hohe Glasvitrinen, luft- und staubdicht und von außen beleuchtet, sodaß sie beim Auswechseln des Leuchtmittels nicht geöffnet werden müssen. Konservatoren und Putzfrauen nehmen solche praktischen Feinheiten voll Dankbarkeit an. Alle Maße sind auf ein mal eineinhalb Fuß aufgebaut (ein Fuß entspricht etwa 30 Zentimetern). So sind die kleinsten Vitrinen besonders gut dazu geeignet, Münzen, Gemmen und Schmuck zu präsentieren.

Die Kostbarkeiten werden auf dünnen Glasstäben schräg angebracht, damit das Licht optimal darauf fällt und jede Oberfläche, jedes Relief und jede Struktur perfekt sichtbar werden. In die Wand eingelassene Schaukästen sind von zarten Messingprofilen gefaßt. Große Vitrinen folgen dem Gesamtkonzept; das streng angewandte Fußmaßsystem schafft Einheitlichkeit und Ruhe.

Das Lichtsystem für die Ausleuchtung der Räume ist in die dunkel gebeizten Holzdecken integriert. Schwenkbare, halbkugelige Leuchten sind unaufdringlich eingefügt und unterstützen das Anstrahlen der Exponate im Randbereich. Aus konservatorischen Gründen werden Reliefplatten heute nicht mehr in die Wand eingelassen, sondern freigestellt.

Rot sind im Obergeschoß die Räume der Seitenflügel – ein mattes, schmeichelndes und doch kräftiges pompejanisches Rot. Das sanfte, bläuliche Petrolgrün des Mittelrisalites harmoniert gut damit und unterstreicht die räumliche Differenzierung. Aber auch in den Büros und Sozialräumen hat man subtil Mut zur Farbe bewiesen.

Jeder Reisende hat schon erfahren, daß eine Farbe an verschiedenen Orten anders wirkt. Warum? Weil die Lichtqualität eine jeweils andere ist. Wenn ein „römisches“ Rot bei uns so ausschauen soll wie in Pompeji, muß mehr Gelbanteil beigemischt werden.

Auch starken jahreszeitlichen Schwankungen ist die Lichtqualität unterworfen. Fürs Museum Carnuntinum wurden Farbmuster aufgetragen, die im Sommer und im Winter kontrolliert wurden. Der Museumsdirektor und Archäologe Werner Jobst, der Farbspezialist Oskar Putz und Architekt Puchhammer wählten gemeinsam mit Beauftragten des Denkmalamtes jene Farben aus, die dem Besucher einen Eindruck davon vermitteln, wie sich's im alten Rom gelebt haben mag.

Die Dachdeckung mit Wiener Taschen entsprach nicht dem Originalzustand. Heute ist wieder die ursprüngliche Mönchs- und Nonnendeckung angebracht – das römische „Tegulas“-Dach. Heizkörper, die früher auf Pfeilern plaziert waren, sind unter den Fenstern, hinter quadratischem, rot lackiertem Lochblech verschwunden. Diese Fenster mußten wieder in den dreiteiligen Urzustand zurückversetzt werden. Die Türen wurden wie zur Jahrhundertwende in Kammzugtechnik bearbeitet. Fertigteilelemente, von Ohmann als Brüstungsmauern im Gartenbereich verwendet, wurden ausgegraben und wiederverwendet.

Breit gelagert steht die alte römische Ohmann-Villa im Kurpark von Deutsch-Altenburg. Puchhammer hat sich hinter der Antike oder Ohmann nicht versteckt, sondern verneigt. Keine Kleinigkeit in unserer Zeit.

Spectrum, Sa., 1995.12.23



verknüpfte Bauwerke
Museum Carnuntum

30. September 1995Vera Purtscher
Spectrum

Die Chemie sieht rot

Kürzlich wurde sein 75. Geburtstag gefeiert. Dennoch ist Ernst Hiesmayrs Chemiegebäude für die Technische Universität Wien von jugendlichem Gedankengut geprägt: ein Maßstab für moderne Architektur.

Kürzlich wurde sein 75. Geburtstag gefeiert. Dennoch ist Ernst Hiesmayrs Chemiegebäude für die Technische Universität Wien von jugendlichem Gedankengut geprägt: ein Maßstab für moderne Architektur.

Wer die Wiener „Zweierlinie“ Richtung Secession geht oder fährt, wer von der Rahlstiege zur Gumpendorfer Straße schaut, vom Schillerplatz zum Getreidemarkt – der wird neugierig: Was zeigt sich da so rot-markant? Die Gestaltung der Feuermauer eines Hochhauses. Nichts weiter. Versteckt im engen, strukturlosen Konglomerat von Hochschulbauten verschiedensten Alters. Im Areal zwischen Getreidemarkt, Lehárgasse, Gumpendorfer Straße und dem Semperdepot an seiner Schmalseite errichtete man in den sechziger Jahren nach Plänen von Karl Kupsky das Chemiehochhaus der Technischen Universität – allerdings nur dessen erste Hälfte. Bis auf weiteres mußten die chemischen Institute damit zufrieden sein.

Unter unglaublichen Arbeitsbedingungen hatten seither vor allem die „Organische Chemie“ im Lehár-Trakt und die „Verfahrenstechnik“ im sogenannten „Geniegebäude“ am Getreidemarkt zu leiden; daß irgendwann auch „nüchterne“ Techniker zornig werden, bewiesen sie bei einem Sitzstreik auf dem Getreidemarkt. Die Verantwortlichen in den Ministerien schafften es trotz knapper werdender Mitteln, die notwendigen Verbesserungen voranzutreiben: Eine ganzheitliche Lösung für das Areal war das erklärte Ziel. Der erste Teil der von Ernst Hiesmayr gestalteten Gesamtplanung ist nun fertiggestellt.

Um die Sicherheit im Hochhaus zu verbessern, konstruierte Hiesmayr filigrane Niro-Fluchtbalkone und entwickelte ein stufenweises Konzept zur Bewältigung der akuten Probleme und zur Annäherung an eine ideale städtebauliche Lösung. Vor allem mußte endlich Platz geschaffen werden. Ein gewaltiges logistisches Problem: Ohne Unterbrechung des Lehr- und Forschungsbetriebes war Schritt für Schritt ein Institut nach dem anderen zu bauen, abzubrechen, ein-, aus- und umzusiedeln.

Der Neubau hatte zwei Gebäude verschiedener Entstehungszeit zu verbinden: Richtung Gumpendorfer Straße einen Bau aus dem Jahr 1920 und das Kupsky-Haus aus den Sechzigern. Beide natürlich mit unterschiedlichen Achs- und Rastermaßen, unterschiedlichen Stockwerkhöhen, unterschiedlichen Material- und Stilmitteln – und geprägt von grundverschiedenen Architekturauffassungen. Ernst Hiesmayr mußte also äußere Fluchten und innere Achsen finden, der Rhythmus in der Abfolge gemeinsamer Einrichtungen war neu zu definieren, das Sicherheitskonzept für die drei aneinandergereihten Bauten mußte funktionieren, deren Haustechnik wurde „entflochten“. Es galt, alles zu einem Ganzen zu vereinen.

Die Sockelzone von Hiesmayrs Neubau ist von Stahlbetonpfeilern im klaren, konstruktiven Raster geprägt: Die bodennahen Geschoße liegen dahinter zurückgesetzt, während die vier Stockwerke in deren Anschluß auf diesen Pfeilern aufliegen. Außen eine nüchterne Glasfassade ohne Schnickschnack.

Das Thema der Fluchtbalkone wurde hier variiert: Am Hochhaus sind sie noch als Hängekonstruktion ausgeführt, hier nun kragen die tragenden Elemente weiter aus – Ort der Fluchtwege –, um schützend eine zweite, losgelöste Fassadenschicht zu tragen. Diese ist aus Streckmetallfeldern gebildet, sorgt in „Normalzeiten“ für Beschattung und dient im Falle eines Unglücks als Geländer für die zwischen Glasfassade und Streckmetallfassade Flüchtenden. Filigrane, horizontale Elemente verbinden den Institutsneubau mit dem Hochhaus.

Die Fassade zum Getreidemarkt ist derzeit, eingezwängt zwischen den beiden Flügelbauten des getreidemarktseitigen Altbaus, noch nicht richtig zu erfassen; sie wird erst nach ihrer „Freilegung“ in ihrer eleganten Längserstreckung zur Geltung kommen.

Hier – nordostseitig – sind keine Sonnenschutzgitter vor der Glasfassade nötig. Das Thema der Fluchtbalkone wiederholt sich, doch noch „luftiger“ wirkt diese Wand – befreit von jeglicher Applikation. Und ganz transparent wird sie zuoberst: „Krönender“ Abschluß dieser Fassade ist eine gläserne Schallschutzkonstruktion, die das laute Technikgeschoß im sechsten Stock gegen die umliegende Bebauung abschirmt, aber den Lichteinfall nicht beeinträchtigt.

Doch was allerorten sosehr die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, ist die schon erwähnte Feuermauer. Eine gläserne Scheibe, fast fünf Stockwerke hoch – und dabei erst in der sechsten Ebene beginnend –, und dann auch noch rot! Allerdings handelt es sich nicht um eine dichte rote Barriere, sondern um ein transluzentes Glasgebilde, eine schräge Glaswand, die eine asymmetrische Vertiefung erfährt. Ein dreiseitiges Umfangen eines leicht nach hinten versetzten Schildes. Und das Umklammernde wechselt von ganz hell, transparent an seiner äußeren Kante zu stark rot an seinen beiden Enden. Das Eingedrückte hingegen vollzieht diesen Wechsel von weiß nach rot gegenläufig.

Das hier angewandte Litexsystem versieht die Glasscheiben mit einem – in diesem Fall roten – Punkteraster, dessen dichter oder lockerer Verlauf die Transparenz der Scheiben bestimmt. Wer zeichnet für diese Großskulptur mitten in der Stadt verantwortlich? Werner Würtinger, akademischer Bildhauer, arbeitete konzeptionell und im praktischen Versuch schon länger mit Flächen und Farben, die zueinander in Beziehung stehen. Diese Aufgabe sprengte jedoch in ihrer Dimension bei weitem alles bisher erprobte.

Eine langsame intellektuelle – und doch intuitive – Annäherung an die erste Idee der Architekten, die Feuermauer von Kupskys Hochhaus formal in eine schräggestellte, schwebende Scheibe umzudeuten, rief zuerst Scheu vor der Größe hervor. Für Werner Würtinger wurde es ebenso zum spannenden Projekt wie für Hiesmayrs Atelier, dem die technische Umsetzung zur Gänze oblag.

Nun also zeigt sich ein mutiges Stück rotchangierender Glasfassade – ein Spiel mit Form und Farbe, mit Spiegelungen gegenüberliegender Fassaden in Überlappung mit dem hinter der Feuermauer liegenden Teil des Hochhauses. Der darübergelegte „Rasterfilm“ zwingt dazu, neu zu schauen. Haben Sie die Kuppel des Kunsthistorischen Museums schon einmal rotgetupft gesehen? Der Wechsel von weiß zu rot als Symbol für Chemie: der Übergang vom Kalten zum Glühen, Veränderung, Wandel.

Einen beeindruckenden Wandel bemerken auch die hier Arbeitenden: endlich „ordentliche“ Arbeitsbedingungen in der „Chemie“. Diese sind tatsächlich äußerst angenehm. Helle Räume, die Decken „schwebend“. Ernst Hiesmayr, der seinen Studenten immer schon das „hohe Lied der Fuge“ sang, zeigt an diesem Bau in etlichen Details, wie man's macht. Zum Beispiel läßt die abgehängte Decke ringsum einen Schlitz zur Wand, was die Führung von Gasleitungen im Hohlraum erlaubt, Vorteile für die Revision, aber auch für die Optik ergibt. Beim Stiegenhaus läuft die Stufe nicht gegen die Wand – ein Niro-Streifen sorgt für die nötige Fuge. So fügt sich eins ans andere, aber mit dem erforderlichen Abstand, der klärt, gliedert und definiert.

Das Stiegenhaus ist hell; südseitig fällt viel Licht durch die Glasfassade. Die Handläufe sind leicht gekrümmte, ein Zentimeter starke Aluplatten auf den Stockwerkebenen, im Treppenbereich Nurglas-Scheiben mit Niro-Handläufen.

Man darf nicht versäumen, ins Untergeschoß zu gehen: Es hat nichts Kellerhaftes. Um das Raumprogramm zu erfüllen, mußte ein Weg in tieferen Regionen gefunden werden: Das Großlabor als ständiger Arbeitsplatz verlangt natürliche Belichtung und rasche, einfache Fluchtmöglichkeit. Durch einen tiefen Geländeschnitt wurde erreicht, daß eine Glaswand südseitig in einen terrassenähnlichen Platz mit Stiegenaufgang mündet. Hinaufgeführt auf Eingangsniveau, ist in der gesamten Länge des tiefliegenden Labortraktes zusätzlich eine dreieckförmige Oberlichtverglasung als Abschluß besagter Glaswand sichtbar. Über dem Labor ist die Feuerwehrzufahrt plaziert, ein streng längsrechteckiger Straßenraum, der auf der einen Seite von der Schrägverglasung begleitet wird und auf der anderen Seite von einer Reihe von „Lichtsarkophagen“: Kuben, rund einen halben Meter aus dem Erdreich ragend, mit einer Glasplattendecke versehen. Bald wird Efeu die Grabassoziationen verschwinden lassen.

Ernst Hiesmayr setzt mit diesem Bau einmal mehr Maßstäbe moderner Architektur in Wien (gilt er doch als „wahrer Moderner“ spätestens seit dem Bau des „Juridicums“). Kürzlich wurde sein 75. Geburtstag gefeiert – in seiner „Chemie“ freilich manifestiert sich ein durchaus „jugendliches“ architektonisches Gedankengut. Der Komplex am Getreidemarkt ist aber auch sein Manifest als Lehrer: Seine jungen Partner, Reinhardt Gallister, Peter Waldbauer und Gerhard Kratochwill, haben ein gut Teil der Arbeit geleistet und machen ihrem Lehrer alle Ehre.

Spectrum, Sa., 1995.09.30



verknüpfte Bauwerke
Chemiehochhaus der TU

05. August 1995Vera Purtscher
Spectrum

Das Stück Heimat in der Hand

Urlaub machen heißt: Quartier beziehen in einer fremden Welt. In Nobelherbergen, Landgasthäusern oder Kuranstalten. Meist ist die Bleibe auf Zeit ein gesichtsloses Einerlei: ein „Hotel ohne Seele“.

Urlaub machen heißt: Quartier beziehen in einer fremden Welt. In Nobelherbergen, Landgasthäusern oder Kuranstalten. Meist ist die Bleibe auf Zeit ein gesichtsloses Einerlei: ein „Hotel ohne Seele“.

Das Glück, „zu Hause“ zu sein. Heimat zu spüren. Identität. Hingehören. Dazugehören. Und doch: Nun urlaubt es allerorten. Keiner will mehr zu Hause sein, die temporäre Massenflucht hat wieder mit voller Wucht eingesetzt. Und schon findet man sich in einer anderen Welt? Monddestinationen werden ja noch nicht angeboten. Unser Planet ist groß und geheimnisvoll genug, daß er selbst in einem langen Menschenleben nicht restlos oder auch nur halbwegs entdeckt zu werden vermag. Und wer will denn ewig rastlos sein? Da heißt es auch: Verweile! Die selbstauferlegte Eintönigkeit der verstreichenden Tage – Gratwanderung zwischen Langeweile und erholsamer Ruhe. Addition von Tagen, Wiederholung von Aktivitäten, die eher Passivitäten genannt werden sollten.

So das regelmäßige Zum-Essen-Gehen. Ausspeisung. Abspeisung? Sich möglichst rasch aus der dominanten Vertikalen in Sitzposition begeben, von den dienstbaren Geistern nun besser überschaubar. Essen: Bedürfnisbefriedigung? Bedürfnis? Hunger? Gusto? Appetit? Wo ist die Gier? Die Lust? Kalorienminimierung, Gewichtskontrolle, Konditionssteigerung. Reglementierung – so weit das Auge reicht. Je weniger kontrolliert, beherrscht, gesittet, desto unappetitlicher. (Wie der ißt! Grauslich!) Hingegen: wohlgeübt und kontrolliert das Vergnügen zelebrieren, „genüßlich“ die Köstlichkeiten für den Gaumen preisen, Komplimente feilhalten. Die gleichförmig verrinnenden Stunden und Tage: Urlaube bieten keinen Rückzug ins Gewohnte, in das Sicherheit Verleihende.

Die Anonymität des Hotelzimmers. Nur zögernd wird es von uns in Besitz genommen. Lediglich die herumliegende Wäsche und die verstreuten Bücher zeugen davon. Der eben erst abgereiste „Vorgänger“ wird ins Nichts entlassen; der nächste Gast ist schon vergessen, bevor er seine Koffer ausgepackt hat. Das Hotelzimmer: ein Raum, der nur der Funktionserfüllung dient.

Geschäftstüchtige Dienstleistung. Und die „Seele“ des Raumes? Wer braucht schon so etwas beängstigend Undefinierbares? „Seele“ hat der Gast. Hat er sie wirklich? Und die Atmosphäre des Raumes? Klingt nach Atmen und Kosmos. Beides verängstigt: Spricht man vom Atmen, geht der Atem plötzlich nicht mehr spontan, sondern stockend. Unangenehm. Und Kosmos klingt nach Unendlichkeit und Tod. Auch das beeinträchtigt die Urlaubslaune.

So neutral gehaltene, funktionstüchtige Hotelräume entsprechen also dem „neutralen“ Gast – er ist nicht wirklich stark, das ist er zu Hause; aber auch nicht wirklich schwach. Denn: Er ist ja König als Gast, und Könige sind mächtig. Denn Geld regiert die Welt, noch so eine Redensart. Entsprechen soll er, der Raum für den Gast. Nicht widersprechen, nicht ansprechen. Entsprechen. Der Gast kann bleiben. Bleiben! Das Hotel ist eine „Bleibe“. Wer spricht denn von „Absteige“? Das liegt doch viele Stufen darunter und impliziert außerdem Aktivität: ab-steigen. Oder vielleicht doch auch Passivität: von etwas – vielleicht dem Leben – gestoßen werden. Das Bild jedenfalls ist klar: tief unten, abgestiegen – vielleicht sogar „vom hohen Roß“.

In der Absteige reibt sich so manche Gestalt an der andern. Und so verlieren dort neutrale Räume ihre Sterilität. Ein Schnarchen hier, ein Räuspern dort; Gestank; das erzwungene Gespräch – was immer. Absteige ist „Übervölkerung“, ist Schäbiges, Billiges.

Und der „Naturmensch“? Unter Gottes freiem Himmel – und doch im Zelt. Dieses leuchtende Orange schmerzt im Auge; Natur unter und über den synthetischen Teilen. Der Tee wird im knallblauen Gaskocher zubereitet, den man mitgeschleppt hat. „Dieses griechische Joghurt, welch unverdorbener Ziegenmilchgenuß!“ Im Plastikbecher natürlich. Das eine Messer, mit dem alles geschnitten wird, hinterläßt die Spuren des davor Geschnittenen. Abwaschen; die Haare waschen – Shampoo in Gottes freier Natur; Spülmittel und Becher zurücklassen. Zusammenpacken. Ordnen. Schlichten. Schleppen. Das Stück Heimat am Buckel. Schneckenhausmentalität. Naturverbunden? Offen? Einfach? Wohin nun mit uns anspruchsvollen Welten-Hetzern (denn zum Bummeln hat ja keiner mehr Zeit)?

Wir suchen Authentizität an dem Ort, an dem wir bleiben wollen. Ein klarer Rahmen, in den wir uns einfügen können, ohne Widerstände, ohne Krämpfe. Selbstverständlichkeit befreit. Man lese in „Der Liebhaber ohne festen Wohnsitz“ von Fruttero und Lucentini nach, was ein perfekter Portier ist – und, nicht zu vergessen, was ein perfekter Gast. Routine benötigen beide, und Erfahrung. So bürde ich die Verantwortung nicht allein dem Hotelier auf.

Im Gegenteil: Der Gast muß seinen Teil der Rolle genauso beherrschen. Je besser, desto geglückter der Aufenthalt. Sollten in Zukunft vielleicht Kurse angeboten werden: Wie verhält sich der perfekte Gast? Wer weiß. Vielleicht habe ich mit meinen kritischen Bemerkungen eine Marktnische entdeckt. Romantik-Hotels, Designer-Hotels, Nobel-Hotels, Fitneß-Anstalten, Kur-Häuser, Gast-Häuser, Jugend-Herbergen, Fremden-Zimmer. Hunderte Möglichkeiten, während seiner kostbaren Urlaubstage Logis zu nehmen.

Dieser Raum, den man für begrenzte Zeit in „Besitz“ nimmt, kann nicht jedem Gast zu 100 Prozent entsprechen. So wird oft ein fades Einerlei gewählt, das 100 Prozent der Gäste nicht wirklich gefällt. Daß solche Räume für den kurzfristigen Aufenthalt trotz der Bescheidenheit an Quadratmetern, Material und Equipment auch Qualität haben können, bewiesen und beweisen Architekten immer wieder. Le Corbusier zum Beispiel, der das Dominikanerkloster La Tourette in der Nähe von Lyon entworfen hat – mit 100 Zimmern für Studenten und Professoren und der notwendigen Infrastruktur.

Für Beherbergungsbauten gelten dieselben Regeln wie sonst auch in der Architektur: Reagieren auf die Lage, die Umgebung, die natürlichen Gegebenheiten; Proportionen; räumliche und funktionelle Qualitäten; Materialwahl, Ausführungsqualität und Detaillösungen.

Wenn die Bauaufgabe aber lautet, Räume für Erholungsuchende zu schaffen, dann ist kühle Erfüllung von Bedürfnissen, dann ist die reine Zweckmäßigkeit vielleicht doch zuwenig. Einen Ort zum Verkriechen braucht man möglicherweise genauso wie einen, an dem man sich in Pose werfen kann. Wo man beobachten kann und selber gesehen werden kann. Dunklere Zonen sind also vonnöten, lichtdurchflutete ebenso.

Ein klar definiertes Zentrum, das eine gewisse Großzügigkeit verlangt, ist nicht nur im Hinblick auf die funktionellen Erfordernisse wichtig. Und der Gast wünscht sich, schon wenn er sich ans Rezeptionspult lehnt, ein Mobiliar, das sich angenehm anfühlt. Für die stark beanspruchten Räume gilt es, strapazfähige Oberflächen zu schaffen, damit sie nicht rasch unappetitlich wirken. Bei der Gestaltung der Oberflächen muß aber das Raumklima im Auge behalten werden. Um eine angenehme Raumstimmung zu erzeugen, bedarf es des sensiblen Umgangs mit Material, Oberfläche, Farbe und Licht. Es wird für den Gast gebaut, er soll sich schließlich wohl fühlen. In einem Dienstleistungsbetrieb gehört auch die freundliche Bedienung zum Wohlfühlen – die Architektur kann nur trachten, auch für die Arbeitenden beste räumliche Voraussetzungen zu schaffen. Freundlich müssen sie dann aber schon selber sein.

Was kann des Reisens Ziel nur sein? Quartier beziehen in einer fremden Welt – deren Fremdheit ich respektiere, vielleicht gerade suche und die mich in meinem Anderssein nur soweit „erschüttert“, daß ich sie als positive Erweiterung meines Erfahrungsschatzes erleben kann.

Touristen sind wir alle. Piraten somit, Schatzräuber. Die dabei den Schatz, von dem sie träumen, gleichzeitig zerstören. Was ist Erholung? Re-lax: re = wieder; lax = nachlässig, schlaff, locker. Re-creation = Wieder-Errichtung, Wieder-Aufbau. So lebt der Tourismus von Zerstörung. Nicht nur von der der Landschaft; er lebt auch von den „Zerstörten“, die da kommen.

Von den „Gästen“. Die „Gäste“: ein temporäre Gemeinschaft unter gemeinsamem Dach. Würde nun dieses Dach auch den Besitzer beherbergen, hätte es vielleicht auch individuelle Züge. Ist es aber ein zu einer großen Maschinerie angewachsener Betrieb, läuft die Betreuung des Gastes fließbandmäßig ab. Und neutral eben.

A uf der Suche nach Glück. Leben wie Gott in Frankreich. Bleibt die Frage, ob der Tourist im Urlaub „lebt“ oder Funktionen erfüllt. Bleibt die Frage, ob Animation, welcher Art auch immer, nicht nur ein Ziel verfolgt: die Urlaubstage zu füllen. Damit man dann erstaunt feststellen kann, daß es Zeit ist, zurückzukehren. Alle sind froh: die Animatoren über den Gästewechsel – neues Publikum, alte Späße, neuer Applaus; die Heimkehrer, weil der Urlaub „ausgefüllt“ war – erholt, zurück-geholt ins alte Sein. Erinnerungen auf Endlosvideos. Das sind Beweise, Belege, Dokumente, die bleiben.

Und sonst? Die Bleibe am Urlaubsort. Sie bleibt, wo sie ist. Bestätigungen (die Eintrittskarten von Museen etwa) – Erinnerungen? Die Nostalgie? („Heimweh“ bedeutet das Wort im Französischen und Italienischen). Ja, soll denn, fragt man sich, irgend etwas bleiben? Bleibende Erinnerung? Steht das nicht auf dem Grabstein? So vergilbt der Urlaub schon beim Verlassen des Hotels. Schemen bleiben.

Spectrum, Sa., 1995.08.05

10. Juni 1995Vera Purtscher
Spectrum

Wer hat die Schule geknickt?

15.500 Kubikmeter umbauter Raum: Wie packt man ein solches Volumen in einen kleinräumigen Siedlungsbereich? Die Antwort steht in Vorarlberg: das neue Schulsportheim von Tschagguns.

15.500 Kubikmeter umbauter Raum: Wie packt man ein solches Volumen in einen kleinräumigen Siedlungsbereich? Die Antwort steht in Vorarlberg: das neue Schulsportheim von Tschagguns.

Tschagguns, eine 2500-Seelen-Gemeinde im Montafon. Überall steigt das Gelände an. Die meisten Häuser tun so, als ob sie in der Ebene stünden – nur ist auf der einen Seite ein Stock weniger sichtbar. In „Zelfen“ – so heißt ein Ortsteil – stehen etliche Pensionen und kleine Hotels garnis, die zwei- oder sogar dreistöckig gebaut sind. Vorherrschend sind Lochputzfassaden, oft mit diversen Malereien oder sonstigen Ornamenten versehen, manchmal finden sich Teile aus Glasbausteinen, auf jeden Fall aber „holzgeländerte“ Balkone.

Die Architekten Martin Häusle und Gottfried Partl wurden beauftragt, an diesem Ort ein Schulsportheim zu bauen: 4400 Quadratmeter Nutzfläche, 15.500 Kubikmeter umbauter Raum waren notwendig, um die Interessen der Sportschule und des Internats zu befriedigen. Wie packt man nun so ein Volumen in solch einen kleinräumigen Siedlungsbereich, ohne maßstablos zu werden?

Die Schmalseite des Baukörpers gibt sich bescheiden: Sie ist kleiner als die nachbarlichen Pensionen. Aber anders! Wellblechverkleidet steht das Gebäude am abfallenden Hang. Diese trapezförmige Seite schaut gegen den Besucher und gegen Südwest und hat eine quadratische Öffnung als Eingang zu zwei Dienstwohnungen. Das Gelände fällt hier in zwei Richtungen. Die Eingangstür liegt deswegen schon dreieinhalb Meter höher als die linke untere Ecke. Das Flachdach darüber dient als Terrasse. Zurückversetzt wurde nämlich ein weiteres Geschoß plaziert: Ein flach geneigtes Pultdach liegt auf eierschalenfarbenen, eternitverkleideten Wänden den Dienstwohnungen auf.

Hier erkennt man erstmals, daß sich dieses Gebäude vehement in die Länge zieht. Vor den Dienstwohnungen breitet sich eine Wiese aus, dann bricht plötzlich ein tiefer, in spitzem Winkel zulaufender Stützmauernspalt auf. Da ahnt man, daß dieses Gebäude noch für einige Überraschungen gut sein könnte, zeigt sich doch, daß die Länge des Baukörpers durch einen Knick gebrochen wurde. Und weiters ein beinahe parallelogrammförmiges Blechdach, das den zweiten Teil des langgestreckten Baukörpers schön – fast skulptural – deckt. Diese eher private Seite gegen Südosten spielt keine großen Architekturtrümpfe aus. Die zwei rund 90 Quadratmeter großen Wohnungen werden anständig im Grundriß bewältigt, doch nach außen ordnen sie sich bescheiden dem „großen Wurf“ unter. Dieser zeigt sich erstmals auf der gegenüberliegenden Seite. Die Zufahrtsstraße und Parkplätze begleiten die Nordwest-Fassade. 84 Meter lang liegt die Wellblechfront wie gestrandet auf dem Hanggrundstück. Dem fallenden Gelände entsprechend, zwei- oder dreigeschoßig.

Das Horizontal-Hingestreckte dieser 84-Meter-Wand wird noch verstärkt durch Bandfenster, welche durch querliegende Alu-Jalousien verdunkelt werden können. In diesem silbern gebänderten Monochrom, das vor allem durch Licht- und Schatten und die Reflexion von verschiedenem Wetter in der metallenen Oberfläche lebt, sind einige präzise Farbtupfer gesetzt. Kobaltblau, flaschengrün und maisgelb zeigen sich gefärbte Gläser, die ohne sichtbare Reihung zwischen die Bandfenster geschoben wurden. Hier stoßen im Inneren die Trennwände an die Außenmauer.

Der „Knick“ im Haus ist an jene Stelle gerückt, an der auch der nächste starke „Knick“ im Gelände stattfindet: Hier fällt das Terrain noch einmal in die Tiefe – auf ein kleines Wäldchen zu, das vom Ganzanahler Bach gesäumt wird. Hier „fällt“ aber auch das Schisportheim in die Tiefe. Und so markiert dieser Punkt die letzte Abtreppung der Dachsilhouette. Längst schon vor den Wohnungen nur noch Terrasse, springt der leicht verschwenkte „neue“ Baukörper nun ein Geschoß tiefer. Am letzten – höchsten – Punkt der beschriebenen Wellblechfassade ist also der Haupteingang plaziert: Alemannisch nüchtern und einfach, vielleicht auch noch dem Gebot nach besonderer (Schischuh-) Beanspruchung gehorchend, öffnen sich die Türen. Aber beenden wir zuerst noch den Spaziergang ums Haus: Der geknickte Baukörper mißt rund 23 mal zwölf Meter und gewinnt jenes Geschoß, auf das er im Dach verzichten mußte, durch den Geländefall tiefer unten zurück. Die Nordost/Nordwest-Ecke ist verglast und beherbergt ein Nottreppenhaus, das zu den Internatsräumen führt. Bei dem massiv, ja körperhaft wirkenden Dach handelt es sich um ein schwach geneigtes Pultdach, das auf einem dreieckförmigen Stahlträger ruht. Trapezblechverkleidet mündet es an seinem höchsten Punkt in die Außenwand (diese ist schräggestellt), annähernd einen rechten Winkel mit dem Dach bildend.

Als Gegenbewebung zu dieser himmelwärts blickenden Wand zeigt sich dieses Pultdach nordwestseitig nur als dicker Wulst. Wegen des Dachüberstandes auf der schmalen Nordostseite hingegen wird das Volumen deutlich. An dieser Seite zieht sich das Wellblech noch rund sechs Meter ungestört an der Außenwand entlang. Dann ändert sich die Nordostfassade, wieder mehr zum Privaten hin: So sind die Fensterbänder zwischen Eternitgroßtafeln gesetzt; drei Stockwerke beherbergen hier die Zimmer der jungen Sportler. Diverse technische Einbauten wie Wärmetauscher sind eher „Skulptur am Bau“, denn arge Notwendigkeit. Dem Architekten ging es um Schichtungen. Wo gibt es Nahtstellen zwischen Natur und Architektur, und wie behandelt man sie? Martin Häusle versucht ein zusätzlich entspannendes und gleichzeitig spannendes Element hinzuzufügen. Das ist dann die „künstliche Natur“ – die Dachterrassen.

Für Martin Häusle bedeutete der Wettbewerbsgewinn einen großen Schritt – immerhin ist dieser Bau bei weitem der größte, den er bisher gebaut hat. Davor hat er vor allem mit einer Brücke – dem „Illsteg“ in Feldkirch – von sich reden gemacht. Hier nun durfte er eine „Zeichnung“ in die Landschaft setzen.

Im Inneren verwundert zunächst die Eingangshalle, die den Blick zum Turnsaal durch großformatige Glasflächen freigibt. Damit wird die zweigeschoßige, lichtdurchflutete Halle optisch wesentlich erweitert durch den gleichsam inkludierten Turnsaal. Ein Fachwerk-Stahlträger bildet das besprochene, ungewöhnliche Dach. Dreieckförmig ragen die Träger zur Glasfassade hinaus – so scheint es. Doch wegen der unerwünschten Wärmebrücken ist es tatsächlich eine darüberliegende Holzkonstruktion, die ins Freie reicht und dort den erwähnten „Wulst“ bildet.

Im ersten Stock blickt man vom Speisesaal in den Turnsaal. Von den 100 Sitzplätzen aus kann man aber auch rechts und links in die Landschaft und durchs schräge Fensterband gen Himmel schauen. Die ungewohnte Kombination von Warten, Begrüßen, Essen und Turnen verlangt neue Blickwinkel von Raumdefinitionen. Öffnen, transparent machen, Übergänge schaffen: das alles wird in diesem Schisportheim mit architektonischen Mitteln versucht. Ein Heim für eine aufgeschlossene Jugend?

25 Internatszimmer gehören organisatorisch zur Schihauptschule Schruns, 20 weitere Zimmer mit je drei Betten dienen dem Schi-Schulheimtrakt, der mit diversen Nebenräumen für Landschulwochen angemietet werden kann. Die Zimmer sind äußerst sparsam eingerichtet. Es fehlt an sympathischer Atmosphäre und Wärme. Umso erfreulicher das „Rundherum“: Hier zeigt sich eine wohltuende Großzügigkeit.

Erst sieben Jahre nach dem Wettbewerbssieg wurde das Gebäude fertiggestellt; in dieser Zeit mußten einige Abstriche vom ursprünglichen Konzept gemacht werden. Und doch glückte es Martin Häusle, seinen zweihüftigen Bau so in die Landschaft zu setzten, daß er – ganz fremd an diesem Ort – sich fügt, einfügt, ohne voller Unsicherheit „ganz zu verschwinden“! Er ist klein, wo es ihm guttut, bricht seine Länge, die Fall-Linie begleitend, wo es notwendig ist, und läßt den Besucher von der Natur in die Architektur und wieder in die künstliche Natur wechseln.

Spectrum, Sa., 1995.06.10



verknüpfte Bauwerke
Schulschiheim

08. April 1995Vera Purtscher
Spectrum

Wege in der Spirale

Hundert liebevolle Details, tausend ungenormte Kleinigkeiten: Boris Podreccas Einfamilienhaus in Wien-Liesing besticht durch Reichtum an Raumqualitäten - bei gleichzeitiger Beschränkung auf wenige Farben und Materialien.

Hundert liebevolle Details, tausend ungenormte Kleinigkeiten: Boris Podreccas Einfamilienhaus in Wien-Liesing besticht durch Reichtum an Raumqualitäten - bei gleichzeitiger Beschränkung auf wenige Farben und Materialien.

Liesing ist in Teilgebieten eine von Wiens besten Adressen für Wohnbauten. Schon fast bei Niederösterreich, wirkt die Gegend am Ende der Breitenfurter Straße beinahe ländlich. Vorbei an Rob Kriers postmodernem Wohnbau tröpfelt die Bebauung immer mehr in den Einfamilienhaustyp aus. Am Badfeld, einer kurzen Gasse inmitten eines kleinen Siedlungsteppichs, wurde nun ein Haus fertiggestellt. Ein namhafter Architekt hat es entworfen. Und doch schlägt es nicht mit formalen Aussagen um sich. Ganz bescheiden tut es.

Zur Straßenseite hin sind die Hinweise auf eine souveräne Entwurfshandschrift ganz subtil. Beim achtlosen Vorbeifahren könnte man es fast verpassen: Eine Putzfassade in hellem Grau sieht man da. Die wenigen Öffnungen sind in der Mitte der Fassade zusammengezogen, bilden dort eine kleine Fenster-Lisenen-Collage. Dann treppt sich ein fast filigranes Zugangsdächlein zum Eingang, und zwei – mit flachem Tonnendach gedeckte – Garagenboxen stehen da.

Umfriedet ist das Grundstück zur Straße hin mit einem Metallgitter. Spätestens jetzt entdeckt man hundert liebevolle Details, tausend ungenormte Kleinigkeiten: etwa wie die Wasserrinne zwischen den Garagentonnendächern an ihrem Austritt geformt ist – fast wie eine weit herausgestreckte Zunge –, um dann in einen Kupfereimer zu gleiten, der am Ende seines Rinnenfortsatzes ebenso kunstschlosserhaft skulptural wirkt; oder die Wahl einer massiven, aber schwach geneigten vertikalen Geländersprosse bei der Einfriedung; oder das Eingangstürchen aus massivem Nirosta, das ein großes rötliches Feld enthält. Wem diese Türe geöffnet wird, dem öffnet sich der fast zerbrechlich wirkende Vordachbereich in demselben pompejanischen Rot.

Generell entwickelt sich das Raumprogramm diese Hauses auf drei Hauptebenen. Doch schafft der Architekt – Boris Podrecca ist der Meister der geschilderten liebevollen Details – tatsächlich ein Raumkontinuum auf neun Niveaus. Eine tragende Pfeilerreihe läuft parallel zur Straße durchs Haus und weiter: Im Garten begleitet die Pfeilerreihe den Swimmingpool. Leicht gegen diese Reihe verschwenkt, steht mit rund eineinhalb Meter Abstand eine tragende Mittelmauer; deren tragende Funktion meint weniger das konstruktive Abtragen, das die Pfeilerreihe übernimmt, sondern mehr das Tragen von Bildern, Konsolen, Containern: im weitesten Sinne eine Gegenüberstellung des männlichen und des weiblichen Prinzips. Die Außenwände sind verputzt, weiß oder hellgrau gestrichen. Die Holzfenster sind in pompejanischem Rot lackiert, die Innenwände sind überall weiß, außer dort, wo sie von Ahornverkleidungen verdeckt sind. Aus Ahorn sind auch alle Möbel, entworfen von Podrecca, gefertigt von einem Murauer Tischler.

Aber gehen wir weiter durchs Haus: Im Eingangsbereich bieten sich bereits drei Wege an (ein ständig wiederkehrendes Motiv in diesem Haus: die Wahl der Richtung). Scharf links geht's an der schräg gearbeiteten Garderobe vorbei zum WC. Durch die Schräge des raumhohen Möbels entsteht eine perspektivische Verengung, die eine kleine Gasse signalisiert. Wendet man sich nur 90 Grad nach links, begleiten drei weitere Podeste in Terrazzo – mit eingelegten, eckigen, weißen Marmorstücken in strengem Muster – in den Wohnraum hinunter, schwach links steigt man zwei Stufen zum Eßbereich hinauf.

Von dort führt eine zweiflügelige Pendeltür in die Küche, die einerseits den Zugang zum Haus und die Eingangszone überblickt, anderseits in der Ostfassade ein kreisrundes Fenster hat. Vom Eßbereich führt eine Tür ins Freie. Eine Stufe höher befindet man sich im „Bereich der Frau“, von welchem man über ein Treppchen in den schon erwähnten Wohnbereich gelangt. Die offene Pfeilerreihe und der fast gänzliche Verzicht auf Türen oder sonstige eindeutige Raumteiler läßt überall hin-schauen. So überblickt die Dame alle besprochenen Bereiche – bis hin zum „Bereich des Herrn“, der vom Wohnbereich höher steigt, um hinter der pompejanisch-roten Mittelmauer seinen Tätigkeiten – immerhin teilweise verborgen – nachzugehen. Sie bemerken, daß ich nicht von „Räumen“ spreche, sondern von „Bereichen“. Podrecca strebt in diesem Haus eine „Neutralität“ der Räume an. Antihierarchisch sollen sie sein, austauschbar. Die Zonierung – auch mit den Mitteln des „Raumplanes“ – bewerkstelligt dies zum einen, die einheitliche Materialwahl und formale Entsprechung der Möbelstücke zum anderen.

Die Westfassade ist im Bereich der Wohnzone – bei Podrecca heißt sie „Piazetta“ – weit geöffnet. Der Blick fällt auf die weitergezogene Pfeilerreihe, das Schwimmbad, die begleitenden Terrakottatöpfe und den Baumbestand des Grundstücks. Wo das Sofa seinen Platz erhält, ist nur ein kleines quadratisches Fenster hoch genug gesetzt, um das Licht oberhalb der Sofalehne hereinfallen zu lassen. Das „große“ Licht des verglasten Bereiches gleitet noch in die nächst tiefer gelegene Ebene: Hier ist das Kaminzimmer, eine versteckte Welt im Bauch des Hauses.

Im Keller gibt es Platz für Wirtschafts- und Fitneßräume sowie für eine Einliegerwohnung, die nicht auf Tageslicht verzichten muß. Auch hier sind die Murauer Tischler am Werk gewesen. Fast unbewußt huscht man an der Privatheit der Einliegerwohnung vorbei, geht noch zwei Stufen tiefer. Selbst im Keller der Versuch, antihierarchisch zu sein und kein Ende zu finden in diesem „spiraligen“ Haus mit so vielen Wegen.

Zurück zum Ausgangspunkt beim Windfang: Nehmen wir nun die Treppe zum ersten Stock. „Tektonisch gewachsen“ nennt sie der Architekt. Eine massive Treppe hier, während die ins zweite Obergeschoß eine eingehängte Glastreppe ist – und somit wieder Lichtspender. Bleiben wir aber im ersten Stock: Das rechteckige Haus beginnt sich hier entlang der Pfeilerreihe plötzlich zu „teilen“, und es entwächst ihm ein im Grundriß kreissegmentförmiger Baukörper. Wie zur Straße hin aufgedrückt. Dort zeigt sich freilich einzig eine mächtige, kubische Ausladung: verschlossen, streng. Die gekurvte Seite jedoch öffnet sich in Glas – gegen das Grundstück und ins eigene Innere.

Diese Kurve wird fortgeführt bis zum „gläsernen“ Treppenansatz – und zwar in runden, kobaltblauen, raumhohen Säulen. Im annähernd viertelkreisförmigen Bereich ist Platz für Klavier und Kontemplation. Die Fensterfront hinter den blauen Säulen zieht sich tiefer ins Haus, als es dem Gebäudegrundriß entspricht. So entsteht im freibleibenden Zwickel zur Pfeilerreihe ein Balkon für den Sohn des Hauses, dessen Zimmer am Treppenende liegt. Zwischen seinem Zimmer und dem seiner Schwester, die sich eine kleine Loggia wünschte und oberhalb des Windfangs auch bekam, ist das Kinderbad plaziert. Mittels Mosaiken werden hier „Teppiche“ an die Wand „gehängt“. Umlaufend leuchtend farbige Bänder, die große, hellgraue Flächen umgarnen, vorher noch eine Abstufung in Dunkelgrau.

Eine einfache, konisch nach unten zulaufende Lampe wurde speziell für dieses Haus entwickelt. Die Möbel im Kinderzimmer sind aus Ahorn, aber partiell lackiert: einzige, vorsichtige Unterscheidung, um der Austauschbarkeit der Räume keinen Abbruch zu tun. Diese Zimmer der Rückzugsmöglichkeiten sind mehr „verschlossen“ als die anderen Räume. Eine durchgehende, horizontale Linie, 50 Zentimeter unter der Decke, ist hier holzverkleidet, im Musikzimmer und im Elternschlafzimmer hingegen verglast – eine handwerkliche Meisterleistung, waren doch in diesen Bereichen radial gelegte Sparren entsprechend mittig mit dem Glas anzuschneiden beziehungsweise dann normal darauf wieder Glasfelder anzufügen. Daß es offensichtlich noch gutes Handwerk in Österreich gibt, beweist dieses Haus in allen Gewerken.

Weiter zur Glasstiege, die ins zweite Dachgeschoß führt. So viele Glastreppen habe ich schon gesehen, aber diese ist besonders geglückt. Die Glasbrüstungen, ein schlanker Nirostahandlauf, die freigespielte Spindel lassen viel Licht hinuntergleiten. Das Mittelfeld der Trittstufe ist mattiert, die Nirostaanschlüsse und Halterungen sind schlank dimensioniert: So gleitet man zur Terrasse. Diese ist südorientiert, läßt aber auch zur Straße einen kleinen Durchblick frei. Pergolen werden bald verwachsen sein, und dann werden der Nordfassade sozusagen „Locken in die Stirn fallen“. Denn in dieser Wand „kleben“ an den oberen zwei Eckpunkten die Fenster der Kinderzimmer wie große Glupschaugen. Ein bescheidenes Badezimmerfenster sitzt dazwischen, verschoben darunter die Tür vom Eßbereich in den Garten, geschützt durch ein kleines, steiles Glasdach, das mit vielen, regelmäßig plazierten Nirostastöpseln – als Schneerechen – versehen wurde.

Die Dreiteilung des Hauses wird besonders an der Westfassade deutlich: die abweisende Straßenwand, in Putz, eingeschoßig; die mittlere Zone des Stiegenhauses – höher, pompejanisch rot, als tragende Mitte gegen die Anonymität der Straßenansicht. Und zuletzt der zweigeschoßige Körper, der sich Richtung Kalksburg weit öffnet.

Dieser Trakt wird wie ein Bild gefaßt: Putzlisenen ziehen sich allseitig der Terrasse entlang, die gegen West und Ost verschlossen bleibt. Und wo sich in der ganzen edlen Zurückhaltung nun die gekurvte Glaswand des Musikzimmers, der Balkon im entstehenden Zwickel, die Glaswand zum Stiegenhaus im ersten Obergeschoß und zum Wohnbereich im Erdgeschoß zeigen, scheint der freudige Funke plötzlich überzuspringen, wird doch die Wand unter der auskragend gekurvten mit Cipollino verkleidet. Ein stark gefladerter, grünlicher Marmor steht hier in dicken Platten über die Wand. Es genügen ja zehn Zentimeter seitlicher Überstand, um deutlich zu machen, daß der Stein hier Ver- oder Bekleidung ist. Im Zentrum dieses fast expressiv anmutenden Wandstücks sitzt jenes kleine Fenster, das im Inneren dem beispielsweise Zeitungslesenden das Licht über die Schulter aufs Blatt wirft.

Podrecca versuchte, des Bauherrn Beglückung durchs Einfamilienhaus mit einer rangfreien Neutralität der Räume zu kombinieren. Trotz der Selbstbeschränkung auf wenige Materialien und Farben gelang ihm eine Vielfalt, ja ein Reichtum an Raumqualitäten. Für den Besucher sind diese gepaart mit einem emotional unbekümmerten Zugang. So fein, gediegen, subtil diese Architektur ist – sie drängt sich niemals auf.

Spectrum, Sa., 1995.04.08



verknüpfte Bauwerke
Wohnhaus Glaser

18. März 1995Vera Purtscher
Spectrum

Der Gewinn der Mitte

Einst pulsierender Verkehrsknotenpunkt, dann Schutthalde, Minenfeld – und nun die größte Baustelle Deutschlands: Potsdamer und Leipziger Platz in Berlin.

Einst pulsierender Verkehrsknotenpunkt, dann Schutthalde, Minenfeld – und nun die größte Baustelle Deutschlands: Potsdamer und Leipziger Platz in Berlin.

Die Berliner Mauer ist gefallen, nun werden die Wunden verdeckt, Ost mit West verzahnt, nun wird der Versuch unternommen, vergessen zu machen, was fast fünf Jahrzehnte ein Mahnmal politischen Fanatismus' war. 350 Milliarden Schilling sind im Großraum Berlin allein für Neubauten verplant. Ein aufregendes Experiment, das vor allem den 4,2 Millionen Einwohnern zugute kommen wird. Der Wohnbau geht jedoch unter im Blitzlichtgewitter für Architekten, Wettbewerbe, Bauten mit hohem Prestigeanspruch.

Wie sollen sich nun aber Highlights zu einem städtischen Gesamtbild fügen? Und sollen sie das überhaupt? Wie soll denn heutzutage Stadt sein? Und wer wird sie bevölkern? In der Altersstufe bis 30 stellen Ausländer bereits ein Drittel der Berliner Bevölkerung. Ob sie nicht auf lange Sicht das Stadtbild mehr prägen werden als alle Neubauten? Doch in der Neuplanung ist wenig Raum – in beiderlei Bedeutung des Wortes – für Zwischenbereiche. Der „Kiez“, die enge Mischung von Arbeit und Wohnen, von Versorgung und Freizeit für verschiedene Bevölkerungsschichten, fällt dem Wandel zum Opfer. Die berühmten Berliner Hinterhöfe machen heute Einkaufspassagen oder Büro-Atrien Platz.

Im Zentrum Berlins sind folgende Projekte in Planung: Die Zentralstation des Lehrter Bahnhofs, das Kanzleramt mit Kanzlergarten, die Büros für die Parlamentarier, der Deutsche Bundesrat, der Reichstag, Planungen am Alexanderplatz, Pariser Platz und in der Friedrichsstraße, weiters Ländervertretungen.

Was sich am Leipziger/Potsdamer Platz tun wird, zeigt bis 26. März das Frankfurter Architekturmuseum auf vier Geschossen. Die breite Leipziger Straße als Ost-West-Verbindung der Stadt endete im Leipziger und Potsdamer Platz. Wenn die zwei auch nicht so recht den Namen „Platz“ verdienten und immer mehr zum chaotischen Verkehrsknoten wurden. Und doch gab es zahlreiche planerische Bemühungen, die achteckige Platzfigur zu schließen. Berühmt sind Schinkels Zollhäuschen. 1909 versucht sich – am Reißbrett – Bruno Schmitz an einem Rundbau, einem Hochhaus, um das „Ausfließen“ des Platzes zu verhindern. 1930 rekonstruiert Erich Mendelsohn, auf Papier freilich nur, Schinkels Zollhäuschen und baut das „Columbus Haus“, ein Werk des früheren Modernismus. Ein Kaufhaus – fast gläsern damals, mit seinen konsequenten Band-Fenstern entlang der vorsichtig gekurvten Fassade. 1940 zeichnet Albert Speer einen Plan mit Bauten rund um den Leipziger Platz. 1945 ist der Krieg zu Ende, die Mauer kriecht nach und nach dort hervor, wo's früher nur so brodelte.

1946 schlägt Max Taut eine aufgelockerte Bebauung vor. Viel ist zerstört nach dem Krieg, doch noch viel mehr wird in den Jahrzehnten danach niedergerissen: offenbar entwurzelt im Niemandsland um verminte Regionen. Es bleiben einzig das Weinhaus Gut und Teile des Hotels Esplanade stehen. 1958 wird in einem internationalen Wettbewerb über die „Hauptstadt Berlin“ nachgedacht, die reale Trennung ignorierend. In der Nähe dieser real existierenden Barriere entsteht 1962 bis 1967 Mies van der Rohes Nationalgalerie und fast zeitgleich Hans Scharouns Staatsbibliothek. Im November 1989 fällt am Potsdamer Platz die „Mauer“. Ein halbes Jahr davor hatte Daimler-Benz ein großes Stück des Grundstückes erworben, mit dem Gedanken, das städtische Areal dort aufzuwerten. Sony, Hertie, ABB kaufen die restlichen Grundstücke.

Dem Stadtsenat wird vorgeworfen, geschichtsträchtiges (Wieder-)Kernland an Multis vergeben zu haben, ohne Rücksicht auf urbane Erfordernisse. Er schreibt also 1990 einen Wettbewerb aus, der Richtlinien für die vier großen Investoren festlegen soll. Oswald Mathias Ungers schlägt zehn Stück Turmhäuser mit 180 Meter Höhe vor, William Alsop und Jan Störmer versuchen mit insektoid anmutenden Bauten die corbusianische Idee des Freihaltens der Parkflächen in ihre Architektursprache zu übersetzen, allerdings teilweise gepaart mit historischer Rekonstruktion. Hans Kollhoff plaziert sieben Hochhäuser (200 bis 290 Meter hoch) am Potsdamer Platz und erntet besonders „Ost-Kritik“: Ein Belagerungsring der großen Konzerne im Herzen Berlins würde einem Siegesmal des Kapitalismus über die DDR gleichkommen. Hilmer und Sattler gewannen den ersten Preis. Eine Blockrand-Bebauung mit maximaler Traufenhöhe von 22 Metern war ihr Vorschlag. Ein Stichkanal sollte zum Potsdamer Platz geführt werden, und eine Erinnerung an die Schinkelschen Zollhäuser sollte sich hier wiederfinden.

1992/93 lädt nun der größte Investor – Daimler-Benz – zu einem Wettbewerb. Dieser bringt etliche Überarbeitungen des Hilmer-Sattler-Planes zutage. Renzo Piano und Christoph Kohlbecker erhalten von der Jury 20 Stimmen gegen eine. Sie übernehmen die Blockbebauung von Sattler/Hilmer, setzen aber den bestehenden Solitärbauten – Staatsbibliothek und Nationalgalerie – „Echos“ gegenüber. Neubauten, die auf die amorphe Gestalt von Scharouns Bau reagieren und urbane Funktionen übernehmen – Musical Theater und Spielbank . Sie sollen von der „Bürowelt“ der Investoren zur „Kunstwelt“ überleiten.

Die bestehenden Solitäre sollen sich im Wasser spiegeln, der Stichkanal hingegen verschwindet. Renzos geschickte Anbindung an Scharouns Bau begrenzt das Wettbewerbsgebiet im Westen, und zugleich unterstreicht der Entwurf die alte Achse der Potsdamerstraße.

Um die Vielfalt dort zu schaffen, wo die Eigentumsverhältnisse völlig homogen sind, werden einige Teilnehmer des Wettbewerbes von 1992 zur Mitarbeit gebeten. Hans Kollhoff plant eines der dominanten Hochhäuser am Potsdamer Platz – auf spitzwinkeligem Grundriß wächst es klinkerverkleidet in Stufen empor.

Piano selber baut das niedrigere Hochhaus und sieben weitere Bauten – gerasterte Ziegel-Glas-Stahl-Fassaden mit Lüftungslamellen werden für gestalterische Einheitlichkeit sorgen. Richard Rogers sind drei Wohn- und Bürohäuser zuzuschreiben: Transparente Stahlskelettbauten sind gegen Osten geöffnet, um die Innenhöfe zu belichten.

José Rafael Moneo und die weniger bekannten Berliner Architekten Ulrike Lauber/Wolfram Wöhr üben sich in zurückhaltender Formensprache. Arata Isozaki plant eine zweihüftige Büroanlage. Der Sony-Wettbewerb wird von Helmut Jahn gewonnen. Eine aufgeblähte Shopping Mall wird sich im Zentrum Berlins ungewöhnlich machen. Unter Giorgio Grassi entsteht für ABB eine Baugruppe mit Lochfassaden. Und zwar schon sehr bald und vor allem sehr rasch: 1998 muß die Bautätigkeit abgeschlossen sein.

Hat dieser Platz nicht eine eigenartige Geschichte? Stetig ist er gewachsen, ständig wurde er „beplant“, zerstört. Die gähnende Leere wird nun innerhalb kürzester Zeit „zugepflastert“ mit allem, was das Architektenherz so begehrt. Wird dann jede Erinnerung an die Leere verlöschen? Wird man später ein Mahnmal an die Mauer errichten müssen?

Spectrum, Sa., 1995.03.18

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Presseschau 12

08. Juni 1996Vera Purtscher
Spectrum

Am Ende einfach ausgespuckt

Nobel, zurückhaltend - oder ein starkes künstlerisches Gegengewicht? Alfred Brandstätters Gestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg ist weder das eine noch das andere. Eine Enttäuschung.

Nobel, zurückhaltend - oder ein starkes künstlerisches Gegengewicht? Alfred Brandstätters Gestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg ist weder das eine noch das andere. Eine Enttäuschung.

Endlich Frühlingserwachen, saftiges Grün der Bäume. Allerorts keimt die Lust aufs Bummeln und Flanieren. Die Zeit ist wieder reif für einen Ansturm der Touristen. Das Millenniumsjahr bietet zahlreiche Attraktionen, und Österreich wird sicher zu Recht 1996 sehr gefragt sein. Zwischen das temporäre Aktuelle schiebt sich aber auch seit einem Jahr die Neugestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg. Schon der Name klingt verlockend, und doch fristete die Silberkammer seit ihrer Eröffnung, 1914, ein Schattendasein neben der „Konkurrenz“ der Kaiserappartements.

Die Sammlung historischen Küchen- und Tafelgeräts aus kaiserlichem Besitz ist als Bestand der Bundesmobilienverwaltung dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten unterstellt. Nur ein Teil des Bestandes konnte in sechs Räumen des Michaelertraktes der Hofburg ausgestellt werden - diese Sammlung ist bis heute fast unbekannt geblieben. Aus der ersten „Museumsmilliarde“ wurden die Sanierung der Silberkammer und gemeinsame Kassen, WC-Anlagen, das Entree und der Museumsshop für beide Schaustellungen - Hoftafelkammer und Kaiserappartements - finanziert.

Die imperialen Gerätschaften werden im nördlichen Teil der Hofburg gezeigt: in einem unregelmäßigen, kleinteiligen Gefüge barocker und späthistoristicher Räumlichkeiten. Drei quadratische Höfe, ein betont länglicher Hof und die neobarocke Kaiserstiege ließen nicht viel Platz. So hat man sich für die Überdachung von Spitz-, Kaiser- und Marschallhof und einer Passage entschieden. Mauern wurden verlegt oder neu errichtet.

Der Zugang führt vom Inneren Burghof zum Kaisertor. Hier fällt eine - als Museumsblickfang sattsam bekannte - architektonische Lösung ins Auge: eine Glaspyramide, sehr viel weniger gekonnt als die in Paris, dafür aber verdoppelt. En miniature dient sie als Glassturz für Ludwig Baumanns Modell des Kaiserforums. In die Tür- oder Fensterlaibungen des pyramidal gedeckten Kaiserhofes wurden Vitrinen eingebaut, die Kupferformen, kleines Porzellan und Gläser zeigen. Die entstehenden Durchblicke machen neugierig. Eine Steinbank mit ausgeprägter Fehlproportion läßt man gerne hinter sich, um den Besichtigungsobolus zu entrichten.

Die Homogenisierung der bestehenden, großteils gewölbten Räume durch den Umbau - gleiche Höhen und Fußbodenniveaus, einheitlicher Bodenbelag, durchgehend weiße Farbgebung - beraubt das Gebäude der Spuren seiner Baugeschichte und nimmt ihm Spannung. Außerdem vermißt man eine klare Raumabfolge, die den Ausstellungsbesuch erleichtern würde.

Nun muß anerkennend erwähnt werden, daß Umbauten viel Mühe und Ärger und nur selten Dank bringen. Die Aufgabe, in heruntergekommenen, historisch bedeutsamen Räumen alle sicherheits- und haustechnischen sowie die musealen Erfordernisse unter einen Hut zu bringen und dabei behindertengerecht zu verfahren, zwingt den Planer in ein starres Korsett. Der Großteil der Unsummen verschlingenden baulichen Maßnahmen bleibt dem Auge verborgen: Architekt Alfred Brandstätter hat eine undankbare Aufgabe übernommen.

Er hat auch jenen Vitrinentyp entwickelt, der sich in allen Räumen findet: Egal, ob die Vitrinen freistehend oder mit der Wand verbunden, hoch oder niedrig, tief oder seicht sind - sie sind weiße Behälter auf einem mühsam gefügten Stabkonvolut. Viertelkreisförmig angeschnittene Rundhölzer nehmen zuoberst auf dem Gestänge die Vitrine selber auf. Der Abschluß ist immer halbkreisförmig ausgebildet - laut Architekt inspiriert durch die Linienführung der Gewölbe. Stehlampen in weißen Röhren geben sich unscheinbar, verschwinden nahezu. Manchmal findet sich eine kleine Apsis, in der, halbkreisförmig angeordnet, größere Objektgruppen gezeigt werden. Tatsächlich spürt man, daß es sich um übriggebliebene Nischen handelt.

Kein Bezug der Schaustücke zueinander ist erkennbar, die Aufstellung erscheint völlig beliebig. Wer hat denn nur die herrlichen Stücke angehäuft? Das kostbare Gut, haufenweise aufgetürmt, läßt dieses billig erscheinen. Weniger wäre mehr gewesen! Es scheint so schwer gewesen zu sein, eine Auswahl zu treffen, daß zu allem Überfluß mancherorts auch noch große Spiegel die zahlreichen Exponate optisch verdoppeln.

Der Mailänder Tafelaufsatz von 1838 endet halbrund - ein Anlaß, auch den Raum halbrund münden zu lassen. Da treppt sich nun, sakral anmutend, eine Apside in die Höhe und stellt, von oben mit ausreichendem Licht versehen, vielerlei aus. Man fragt sich dennoch ratlos, weswegen für das Glasdach solch postmoderne Formen aufgegriffen werden mußten.

Dieser kleine, neu überdachte Lichthof wird ringsum von Fenstern begleitet. Diese sind bemerkenswert, handelt es sich doch um die einzigen originalen Hildebrandtschen Fenster mitsamt den ursprünglichen, verzinnten Beschlägen. Aus Mooreiche gefertigt, überlebten sie, mehrfach überstrichen, bis ihre Einzigartigkeit vom Architekten entdeckt und ans Tageslicht geholt wurde. Durch diese Fenster darf der Besucher, allerdings behindert durch die Barriere einer Vitrine, auf den berühmten Tafelaufsatz blicken. Wieder das Thema des seltsam anmutenden Gestänges. Brandstätter sieht darin die „barocke Allüre des geschwungenen Tischbeins“. Sein Motiv war das „Rohr“: Die gesamte Ausstellung ist eine Deklination des „Rohres“. Brandstätters Interpretation erscheint eher mutwillig modisch und kaumnachvollziehbar.

Im Raum E häufen sich jene Steinbänke, die schon beim Zugang Bestürzung ausgelöst haben. Darf es denn sein, daß Design dieser Qualität an so prominentem Ort aufgestellt wird? 20 Zentimeter hohe Steinbalken ruhen auf stählernen T-Trägern, an die je ein Röhrchen geschweißt wurde. Der spaltbare Stein - die beigegrauen Kehlheimer- Platten tun am Boden ihren Dienst - wird bei der Bank zu einem massiven Stück: im Mittelteil gerundet, am Ende scharfkantig und leicht ornamentiert. Instinktiv spürt man die Vergewaltigung des Materials.

Im Raum G atmet man auf. Hier wird, in altväterischer Weise den Wänden entlang, gezeigt, was man hat. Die ursprüngliche Silberkammer, ein Geheimtip für Insider, wurde generalsaniert. Unter Linoleum moderte zuvor Parkettboden, die alten Vitrinen waren teilweise desolat. Architekt Brandstätter übte sich hier in Zurückhaltung, und die Sanierung kann als durchaus geglückt gelten.

Dieser auf der Seite der Schauflergasse gelegene Trakt repräsentiert viel mehr Großzügigkeit und Nonchalance als der überfrachtete, zuvor beschriebene Teil. Konventionelle museale Präsentation - nicht aufregend, aber aufschlußreich, nicht spektakulär, aber angemessen. Ich rede nicht einer ausschließlich konservativen Auffassung von Ausstellungsgestaltung das Wort - nur läßt sich an Hand der Wiener Tafelsilbersammlung geradezu exemplarisch eine falsch verstandene Überinszenierung mit einer traditionellen Schaustellung vergleichen. Der Gast, der auch die Kaiserappartements besucht, wundert sich über die museale Wegführung. Am Ende begleitet ihn und das Treppenhaus bewegt fließender Stuck. Mir nichts, dir nichts findet er sich im Freien wieder - auf den Ballhausplatz „ausgespuckt“, muß er verdutzt feststellen.

Ein Staatswesen präsentiert sich in vielfältiger Weise. Museen dienen der Selbstdarstellung. Es gilt also, ihrer Gestaltung besonderes Augenmerk zu schenken. Im Umgang mit prachtvollen Exponaten muß der Entwerfer eine deutliche formale Lösung bieten - subtil, nobel, zurückhaltend - oder mit starkem gestalterischem Gegengewicht antworten. Beides ist in der Silberkammer nicht geschehen. Glanz und imperiale Pracht werden nicht reflektiert, die Anordnung der Exponate ist dekorativ, zufällig, jeder Zusammenhang wird vermißt. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

Spectrum, Sa., 1996.06.08



verknüpfte Bauwerke
Neugestaltung der Silberkammer in der Wiener Hofburg

24. Februar 1996Vera Purtscher
Spectrum

Vom Kuckucksei zum Kreißsaal

Ahornholz, Lichtkuppeln, Glasbausteine: Mit der neuen Gynäkologischen Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ist Franziska Ullmann aus den Zwängen der Spitalsnorm ausgebrochen.

Ahornholz, Lichtkuppeln, Glasbausteine: Mit der neuen Gynäkologischen Abteilung des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ist Franziska Ullmann aus den Zwängen der Spitalsnorm ausgebrochen.

Gebären, Geburtswehen, Blut, Schmerz, Kreißsaal - Grenzsituation und auch: Wunder, Menschwerdung. Wieviel bleibt in modernen Spitälern von Natur und vom Wunder übrig? Steril und desinfiziert, kalt und glatt die Oberflächen, scharf die Kanten, glänzend die Materialien, High-Tech, Apparaturen zur Überwachung, Wehenschreiber, Gestänge, Instrumente: So technisch „umfangen“, wird die Geburt zur „Fruchtausstoßung“. Wie anders muß es noch gewesen sein in Zeiten, als die Hebamme durch das Dorf eilte, um im elterlichen Schlafzimmer einem Erdenbürger auf die Welt zu helfen. Wer sagt, man müßte sich das wieder herbeiwünschen? Die Mortalitätsrate der Mütter ist seither drastisch gesunken, die der Säuglinge erst recht - dank dem medizinischen Fortschritt. Nur, wie wohl tut es dem Gefühl und dem Seelenfrieden, wenn der Mensch zwischen Apparaturen sich eher als schwer kontrollierbares Störelement fühlt? Schon seit längerem versucht man deswegen, eine freundlichere, wärmere Atmosphäre in Krankenhäusern zu schaffen.

Als das behäbigste und ungeheuerlichste Spitalsmonster gilt das AKH - und das weit über Österreichs Grenzen hinweg! Es handelt sich im Grunde um eine rationelle Addition von funktionellen Boxen, deren Raumzusammenhänge einzig durch Beschriftung nachvollziehbar sind. Der Koloß aus den sechziger und siebziger Jahren erfährt, ob seiner hervorragenden technischen Ausrüstung und der ärztlichen Kapazitäten, doch - zu Recht - viel Lob. Was das Gebäude angeht, kann man aber nur entsetzt verstummen. Jeder, der jemals seinen Fuß in diese Riesenmaschinerie gesetzt hat, kennt deren vielfältige Mängel: Unübersichtlichkeit, endlose Wege, „kalte Zimmer“.

Hier nun wurde 1992 die Entscheidung getroffen, eine neue gynäkologische Abteilung zu bauen. Vor allem mußte die intensive Säuglingsbetreuung, die Neonatologie, räumlich an die Geburtsstation angebunden werden: Die Entfernung zwischen den beiden Stationen war unhaltbar geworden, außerdem gab es den Wunsch nach natürlicher Entbindung. So wurde die Architektin Franziska Ullmann zur Ausarbeitung einer Studie geladen. Sie hatte bereits einen guten Ruf in diesem Metier: Das Geburtshaus Nußdorf, in dem ambulante, natürliche Entbindungen erstmals in dieser Art in Wien angeboten worden waren, diente zum Teil auch als Vorbild für das AKH.

Der AKH-Raster beträgt 1,35 Meter, alle acht Meter trägt eine Stütze Lasten ab. Die Wände sind generell höchst leitfähige Stahlwände von der Voest. Die „AKH-Norm“ regelt von den Garderobeschränken bis zur Bettbeleuchtung alles. Franziska Ullmann unterwarf sich dieser Norm und plante zuerst innerhalb dieses engen Systems. Bald stellte sich jedoch heraus, daß viele AKH-Standardteile nicht mehr erhältlich und die in Reserve gelagerten aufgebraucht waren.

Die Stahlwände nachbauen zu lassen wäre erheblich teurer gewesen, als auf übliche Halbprodukte zurückzugreifen: eine Revolution in der Ausstattung des AKH! Auch der rot- schwarz-flammige Semperit-Boden von damals war glücklicherweise nicht mehr am Markt erhältlich.

Mit Gipskarton beplankte Ständerwände, Holzoberflächen und Linoleumböden: ein Kukkucksei im großen AKH? Gott sei Dank ist die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe keine übliche Krankenstation - Kinderkriegen ist ja keine Krankheit! Und so durfte diese Station einen Sonderstatus bekommen. Nach und nach entwickelte sich innerhalb der vorgegebenen Struktur auf 2500 Quadratmetern eine funktionell gut durchorganisierte, technisch einwandfreie Station, die dennoch warm und sympathisch wirkt.

Franziska Ullmann kam noch eine räumliche Gegebenheit entgegen: Die gynäkologische Geburtshilfeklinik ist im neunten Obergeschoß des Flachtraktes des AKHs untergebracht, somit im obersten Stock. Die Architektin konnte demzufolge mehrere Lichtkuppeln ins Dach schneiden und in ehemals finstere Ecken Tageslicht holen. Der Deckenhohlraum beträgt 1,50 Meter. Der „Schacht“ bis zum Licht ist nicht banal rechtwinklig, sondern allseitig leicht konvex gebogen. Man sieht also den Glaskuppelanschluß nicht, hat ein dynamisches Raumdetail und bei allen Sonneneinstrahlungswinkeln eine interessante Lichtverteilung imInneren.

Zusätzlich wurden die gekrümmten vier Seitenteile mit kleinen, quadratischen Einbaulichtern versehen, sodaß auch bei Nacht diese poetischen Nischen des Lichts Helligkeit spenden, ohne Tageslicht vorzutäuschen. Kaum zu glauben, was sich im Hohlraum oberhalb der abgehängten Decke alles an Installationen verbirgt: tausendfache Leitungsführung, Klimatisierung, Elektrifizierung, Sprinklerversorgung, Alarm, Belüftung. In diesem Gewirr zusätzlich etwas unterzubringen ist höchst schwierig.

Mit den Lichtkuppeln ist es an sechs Punkten gelungen: Es sind vor allem „Schwesternstützpunkte“ - zentrale Krankenüberwachungsstellen - und rezeptionsähnliche Bereiche, die auf diese Weise aufgewertet wurden. - Intensivem Gedankenaustausch ist es zu verdanken, daß medizinisch-technische Notwendigkeiten mit Augenmaß gewählt wurden. Die Ergebnisse der Rücksprache mit Schwestern und Hebammen - unter Leitung von Professor Husslein - beflügelten auch die anfangs skeptischen Spartenplaner und Haustechniker. Einzig die Medizintechnikplaner wehrten sich bis zum Schluß gegen neue Denkansätze und sparsame Lösungen.

Die AKH-Normdecke ist natürlich auch aus Stahlblechkassetten mit metallischem Bandraster, allerdings nicht niveaugleich. Da die Raumhöhe von 2,70 Metern ohnehin nicht großzügig zu nennen ist und eine ruhige Raumsituation geschaffen werden sollte, blieb nicht mehr genügend „Luft“ für die AKH-Norm-Deckenrasterleuchten. Welch ein Glück! Plötzlich erfüllt eine spielerische Verteilung der kreisrunden Einbau-DownLights nicht nur gestalterische und raumpsychologische Wünsche, sondern freut auch noch die Haustechniker, weil eben an manchen Stellen Platz für eine Einbauleuchte ist, an anderen hingegen nicht.

Oft konnten die Architektin und ihre Mitarbeiterin, Barbara Aull, diese Erfahrung machen: Das zuerst mit Vehemenz abgelehnte Ausbrechen aus der Norm erwies sich sonders hilfreich für alle Beteiligten.

Ein Operationssaal, drei Intensivgebärzimmer, drei alternative Gebärzimmer, Zwei Entspannungs-, und eine Entbindungsbadewanne, die präpartale Station, die Neonatologie sowie die diversen Arzt-, Warte- und Nebenräume mußten funktionell und räumlich klug verknüpft werden. Der Hygieniker und die Feuererpolizei verlangen von im Spital verwendeten Materialien besondere Eigenschaften. Ausserdem gilt bei dieser Gebäudehöhe bereits die - verschärfte - Hochhausnorm.

Und es war doch möglich, in der Neonatologie und der Präpartalstation Ahornholz zu verwenden. Helles Blau und zartes Gelb mit Lila werden bei jenen Möbeloberflächen, die aus Laminatplatten gefertigt wurden, dazukombiniert. Für die Entbindungsstation sind Buchenholzmöbel gewählt worden. Natürlich muß jedes Risiko vermieden werden, und dazu sind auch Apparaturen nötig. Solange diese aber nicht gebraucht werden, verstecken sie sich in einer Wandnische, durch einen hellen Vorhang verhängt.

Möglichst schalldicht sind diese Räume gegen die Gangzonen. Zum „Flanieren“ vor dem Gebären sind diese Zonen freundlich, hell und - wegen der besseren Orientierung und Belichtung - mit Außenbezug gestaltet worden. Wieder sind die spielerisch verstreuten, dimmbaren Deckenlichtpunkte zu erwähnen.

Die Nischen für medizinisch-technische Geräte sind blau gestrichen; das Wartezimmer an der Südwestecke des Gebäudes ist, in Anlehnung an türkische Wohnzimmer, mit an den Wänden entlanglaufenden, gepolsterten Bänken ausgestattet.

Zwei viertelkreisförmige Räume, deren begrenzende Wände ganz in Glasbausteinen ausgeführt wurden, runden, im wahrsten Sinne des Wortes, die Gehzonen ab. Diese gebogenen Wände verstecken hinter ihren mattierten weißen Glasbausteinen Entspannungsbadewannen.

Bei Tag eine angenehme Irritation im rechtwinkligen Raster, die bei Nacht noch verstärkt wird durch den sanften Schimmer, der von der Innenbeleuchtung in die Korridorzone dringt: Räume wie Lampions.

Ein poetischer Vergleich angesichts einer Station, die auch einen „Fruchtausstoßraum“ beherbergt? Das Leben ist eben mehr als nur das eine oder nur das andere! Die Augenblicke der Geburt sind absolut. Jede Faser des Seins ist auf dieses Ereignis konzentriert. So bleibt in den wichtigsten Minuten der Raum bedeutungslos.

Ob Taxi, Parkbank oder High-Tech-Kreißzimmer: Was die Natur abverlangt, geschieht. Ein Wunder ist es überall. Aber die Stunden davor und danach werden durch liebevolle räumliche Gestaltungen, wie zum Beispiel die von Franziska Ullmann, angenehmer erlebt.

Spectrum, Sa., 1996.02.24



verknüpfte Bauwerke
Gynäkologische Abteilung, AKH Wien

23. Dezember 1995Vera Purtscher
Spectrum

Mit Fischgrät und Fußmaß

Aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt es, das Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg. Hans Puchhammer hat es neu gestaltet. Protokoll einer erfolgreichen Verwandlung.

Aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt es, das Museum Carnuntinum in Bad Deutsch-Altenburg. Hans Puchhammer hat es neu gestaltet. Protokoll einer erfolgreichen Verwandlung.

Carnuntum war nicht irgendein römisches Städtchen, sondern spielte, an Donau, Limes und Bernsteinstraße gelegen, in kultur- und wirtschaftspolitischer Hinsicht eine zentrale Rolle. Etwa drei Quadratkilometer Ausdehnung erlangte das selbstverwaltete Gemeinwesen, das nach dem Beispiel antiker italienischer Städte errichtet wurde. Offiziell hieß es Municipium Aelium Carnuntum, nachdem es Lucius Septimius Severus in den Rang einer „colonia“ erhoben hatte.

Jahrhunderte später, im Jahr 1900, beauftragte das k. u. k. Unterrichtsministerium die Architekten Friedrich Ohmann und August Kirstein mit der Planung eines archäologischen Museums: nicht im Zentrum der ehemaligen Zivilstadt, im heutigen Petronell, sondern in Bad Deutsch-Altenburg, wo sich ein Kurbetrieb entwickelt hatte. 1904 wurde es eröffnet: ein Bauensemble im Stil einer römischen Landvilla mit Gartenanlage und Lapidarium. Doch Zerstörungen im Krieg und Plünderungen während der russischen Besatzungszeit hinterließen tiefe Spuren.

Eher hilflos wurde nach dem Krieg versucht, das Haus wiederzubeleben. Als 1988 weitere Sanierungsschritte geplant waren, um das Museum auf den heutigen Sicherheits- und Ausstellungsstand zu bringen, wurde Architekt Puchhammer gerade noch rechtzeitig eingeschaltet. Dieser hatte schon mit dem Hallstatt- und dem Ephesosmuseum Erfahrungen gesammelt und erwies sich als engagierter zeitgenössischer Architekt, der sich begeistert in eine Aufgabe stürzte, die vor allem persönliche Bescheidenheit verlangte. Galt es doch, einen historisch für Österreich einmaligen Bau mehr oder weniger zu rekonstruieren, andererseits aber als Architekt unter Rücksichtnahme auf die Wirkung der Exponate in den Hintergrund zu treten.

Keine Gelegenheit also, sich ein architektonisches Denkmal zu setzen. Vielmehr ein Tüfteln am noch Bestehenden, ein Suchen nach Überresten, das Erforschen von Archivmaterial. Alte Photos wurden stark vergrößert und dadurch Fensterteilungen, Geländerausbildungen, Brüstungsmauern, Reste starken Farbauftrags und dekorative Friesmalereien wieder sichtbar gemacht.

Am Ende des Kurparks blickt Kaiser Franz Joseph vom Postament in die Baumreihen, die den Weg zum Museum säumen. Eine Gartenmauer begrenzt das höherliegende Museumsareal. Die steinerne Treppenanlage wird von zwei Säulen flankiert, die Büsten römischer Kaiser tragen. Dahinter, völlig symmetrisch, der Hauptgebäudeteil mit zwei Seitenflügeln, die straßenseitig Laubengänge beherbergen, gartenseitig Pergolen vorgeblendet haben. Diesen Flügeln wurden jeweils Eckrisalite zugeordnet. Die symmetrische äußere Gestalt spiegelt sich im Inneren wider.

Durch die herrlich gearbeitete bronzene Eingangstür betritt man den zentralen Raum, der klar definiert wird durch die große Aussparung in der Decke – Galerie mit Glasdach –, die eckbegrenzenden Pfeiler, die einen Umgang dieses Zentralraumes markieren, und, ostseitig daran anschließend, einen vertieften Bereich, der einem großen Relief Platz bietet: Den Kulten gewidmet, hier dem Mithraskult, signalisiert dieser tiefere Bereich Andacht, Ehrfurcht und Stille.

Nur an dieser Stelle ist ein tönerner Bodenbelag verlegt. Im Hallenbereich liegt ein heller Steinboden, sonst im gesamten Museum rötliches Fischgrätparkett. Die Aula ist den orientalischen Religionen gewidmet. Anders als Ohmann, legte Puchhammer Wert auf gezielt reduzierte Schaustellung. Wo sich früher auf tellerbordähnlichen Regalen viele Exponate drängten, stand jetzt die strenge Auswahl der besten Stücke im Vordergrund. Wer weiß schon, daß von der Sammlung des Museums Carnuntinum nicht mehr als fünf Prozent gezeigt werden können? Im Obergeschoß herrschen gute Lichtverhältnisse – vom Glasdach und den drei hohen straßenseitigen Fenstern wird der Zentralraum gut ausgeleuchtet. Dieser Galeriebereich liegt höher als die Seitenflügel, zu denen vier Stufen hinunterführen. Das Raumkontinuum erfährt so an dieser exponierten Stelle die entsprechende Dominanz. Klein in den Abmessungen, doch nicht kleinlich im Eindruck, übersichtlich und klar, niemals überfrachtet oder verwirrend zeigt sich die streng hierarchische und leicht ablesbare Raumabfolge.

Bei der Präsentation der Objekte konnte sich Architekt Puchhammer liebevoll der Gestaltung von Vitrinen und dem Lichtsystem zuwenden. Die schwer wirkenden, truhenähnlichen Vitrinen von 1904 waren verschwunden. So entwickelte der mit Ausstellungsgestaltung bereits vertraute Architekt Schaukästen, die in vielerlei Hinsicht ideal erscheinen: was die Lichtführung angeht, aber auch sicherheitstechnisch und konservatorisch.

Es handelt sich meist um hohe, schlanke Holzpodeste, in matt-dumpfem Taubenblau gestrichen, in denen die Entfeuchtungsanlage versteckt ist. Immerhin erreicht die Luftfeuchtigkeit im Sommer Werte bis zu 90 Prozent. Auf dem Sockel sitzen hohe Glasvitrinen, luft- und staubdicht und von außen beleuchtet, sodaß sie beim Auswechseln des Leuchtmittels nicht geöffnet werden müssen. Konservatoren und Putzfrauen nehmen solche praktischen Feinheiten voll Dankbarkeit an. Alle Maße sind auf ein mal eineinhalb Fuß aufgebaut (ein Fuß entspricht etwa 30 Zentimetern). So sind die kleinsten Vitrinen besonders gut dazu geeignet, Münzen, Gemmen und Schmuck zu präsentieren.

Die Kostbarkeiten werden auf dünnen Glasstäben schräg angebracht, damit das Licht optimal darauf fällt und jede Oberfläche, jedes Relief und jede Struktur perfekt sichtbar werden. In die Wand eingelassene Schaukästen sind von zarten Messingprofilen gefaßt. Große Vitrinen folgen dem Gesamtkonzept; das streng angewandte Fußmaßsystem schafft Einheitlichkeit und Ruhe.

Das Lichtsystem für die Ausleuchtung der Räume ist in die dunkel gebeizten Holzdecken integriert. Schwenkbare, halbkugelige Leuchten sind unaufdringlich eingefügt und unterstützen das Anstrahlen der Exponate im Randbereich. Aus konservatorischen Gründen werden Reliefplatten heute nicht mehr in die Wand eingelassen, sondern freigestellt.

Rot sind im Obergeschoß die Räume der Seitenflügel – ein mattes, schmeichelndes und doch kräftiges pompejanisches Rot. Das sanfte, bläuliche Petrolgrün des Mittelrisalites harmoniert gut damit und unterstreicht die räumliche Differenzierung. Aber auch in den Büros und Sozialräumen hat man subtil Mut zur Farbe bewiesen.

Jeder Reisende hat schon erfahren, daß eine Farbe an verschiedenen Orten anders wirkt. Warum? Weil die Lichtqualität eine jeweils andere ist. Wenn ein „römisches“ Rot bei uns so ausschauen soll wie in Pompeji, muß mehr Gelbanteil beigemischt werden.

Auch starken jahreszeitlichen Schwankungen ist die Lichtqualität unterworfen. Fürs Museum Carnuntinum wurden Farbmuster aufgetragen, die im Sommer und im Winter kontrolliert wurden. Der Museumsdirektor und Archäologe Werner Jobst, der Farbspezialist Oskar Putz und Architekt Puchhammer wählten gemeinsam mit Beauftragten des Denkmalamtes jene Farben aus, die dem Besucher einen Eindruck davon vermitteln, wie sich's im alten Rom gelebt haben mag.

Die Dachdeckung mit Wiener Taschen entsprach nicht dem Originalzustand. Heute ist wieder die ursprüngliche Mönchs- und Nonnendeckung angebracht – das römische „Tegulas“-Dach. Heizkörper, die früher auf Pfeilern plaziert waren, sind unter den Fenstern, hinter quadratischem, rot lackiertem Lochblech verschwunden. Diese Fenster mußten wieder in den dreiteiligen Urzustand zurückversetzt werden. Die Türen wurden wie zur Jahrhundertwende in Kammzugtechnik bearbeitet. Fertigteilelemente, von Ohmann als Brüstungsmauern im Gartenbereich verwendet, wurden ausgegraben und wiederverwendet.

Breit gelagert steht die alte römische Ohmann-Villa im Kurpark von Deutsch-Altenburg. Puchhammer hat sich hinter der Antike oder Ohmann nicht versteckt, sondern verneigt. Keine Kleinigkeit in unserer Zeit.

Spectrum, Sa., 1995.12.23



verknüpfte Bauwerke
Museum Carnuntum

30. September 1995Vera Purtscher
Spectrum

Die Chemie sieht rot

Kürzlich wurde sein 75. Geburtstag gefeiert. Dennoch ist Ernst Hiesmayrs Chemiegebäude für die Technische Universität Wien von jugendlichem Gedankengut geprägt: ein Maßstab für moderne Architektur.

Kürzlich wurde sein 75. Geburtstag gefeiert. Dennoch ist Ernst Hiesmayrs Chemiegebäude für die Technische Universität Wien von jugendlichem Gedankengut geprägt: ein Maßstab für moderne Architektur.

Wer die Wiener „Zweierlinie“ Richtung Secession geht oder fährt, wer von der Rahlstiege zur Gumpendorfer Straße schaut, vom Schillerplatz zum Getreidemarkt – der wird neugierig: Was zeigt sich da so rot-markant? Die Gestaltung der Feuermauer eines Hochhauses. Nichts weiter. Versteckt im engen, strukturlosen Konglomerat von Hochschulbauten verschiedensten Alters. Im Areal zwischen Getreidemarkt, Lehárgasse, Gumpendorfer Straße und dem Semperdepot an seiner Schmalseite errichtete man in den sechziger Jahren nach Plänen von Karl Kupsky das Chemiehochhaus der Technischen Universität – allerdings nur dessen erste Hälfte. Bis auf weiteres mußten die chemischen Institute damit zufrieden sein.

Unter unglaublichen Arbeitsbedingungen hatten seither vor allem die „Organische Chemie“ im Lehár-Trakt und die „Verfahrenstechnik“ im sogenannten „Geniegebäude“ am Getreidemarkt zu leiden; daß irgendwann auch „nüchterne“ Techniker zornig werden, bewiesen sie bei einem Sitzstreik auf dem Getreidemarkt. Die Verantwortlichen in den Ministerien schafften es trotz knapper werdender Mitteln, die notwendigen Verbesserungen voranzutreiben: Eine ganzheitliche Lösung für das Areal war das erklärte Ziel. Der erste Teil der von Ernst Hiesmayr gestalteten Gesamtplanung ist nun fertiggestellt.

Um die Sicherheit im Hochhaus zu verbessern, konstruierte Hiesmayr filigrane Niro-Fluchtbalkone und entwickelte ein stufenweises Konzept zur Bewältigung der akuten Probleme und zur Annäherung an eine ideale städtebauliche Lösung. Vor allem mußte endlich Platz geschaffen werden. Ein gewaltiges logistisches Problem: Ohne Unterbrechung des Lehr- und Forschungsbetriebes war Schritt für Schritt ein Institut nach dem anderen zu bauen, abzubrechen, ein-, aus- und umzusiedeln.

Der Neubau hatte zwei Gebäude verschiedener Entstehungszeit zu verbinden: Richtung Gumpendorfer Straße einen Bau aus dem Jahr 1920 und das Kupsky-Haus aus den Sechzigern. Beide natürlich mit unterschiedlichen Achs- und Rastermaßen, unterschiedlichen Stockwerkhöhen, unterschiedlichen Material- und Stilmitteln – und geprägt von grundverschiedenen Architekturauffassungen. Ernst Hiesmayr mußte also äußere Fluchten und innere Achsen finden, der Rhythmus in der Abfolge gemeinsamer Einrichtungen war neu zu definieren, das Sicherheitskonzept für die drei aneinandergereihten Bauten mußte funktionieren, deren Haustechnik wurde „entflochten“. Es galt, alles zu einem Ganzen zu vereinen.

Die Sockelzone von Hiesmayrs Neubau ist von Stahlbetonpfeilern im klaren, konstruktiven Raster geprägt: Die bodennahen Geschoße liegen dahinter zurückgesetzt, während die vier Stockwerke in deren Anschluß auf diesen Pfeilern aufliegen. Außen eine nüchterne Glasfassade ohne Schnickschnack.

Das Thema der Fluchtbalkone wurde hier variiert: Am Hochhaus sind sie noch als Hängekonstruktion ausgeführt, hier nun kragen die tragenden Elemente weiter aus – Ort der Fluchtwege –, um schützend eine zweite, losgelöste Fassadenschicht zu tragen. Diese ist aus Streckmetallfeldern gebildet, sorgt in „Normalzeiten“ für Beschattung und dient im Falle eines Unglücks als Geländer für die zwischen Glasfassade und Streckmetallfassade Flüchtenden. Filigrane, horizontale Elemente verbinden den Institutsneubau mit dem Hochhaus.

Die Fassade zum Getreidemarkt ist derzeit, eingezwängt zwischen den beiden Flügelbauten des getreidemarktseitigen Altbaus, noch nicht richtig zu erfassen; sie wird erst nach ihrer „Freilegung“ in ihrer eleganten Längserstreckung zur Geltung kommen.

Hier – nordostseitig – sind keine Sonnenschutzgitter vor der Glasfassade nötig. Das Thema der Fluchtbalkone wiederholt sich, doch noch „luftiger“ wirkt diese Wand – befreit von jeglicher Applikation. Und ganz transparent wird sie zuoberst: „Krönender“ Abschluß dieser Fassade ist eine gläserne Schallschutzkonstruktion, die das laute Technikgeschoß im sechsten Stock gegen die umliegende Bebauung abschirmt, aber den Lichteinfall nicht beeinträchtigt.

Doch was allerorten sosehr die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, ist die schon erwähnte Feuermauer. Eine gläserne Scheibe, fast fünf Stockwerke hoch – und dabei erst in der sechsten Ebene beginnend –, und dann auch noch rot! Allerdings handelt es sich nicht um eine dichte rote Barriere, sondern um ein transluzentes Glasgebilde, eine schräge Glaswand, die eine asymmetrische Vertiefung erfährt. Ein dreiseitiges Umfangen eines leicht nach hinten versetzten Schildes. Und das Umklammernde wechselt von ganz hell, transparent an seiner äußeren Kante zu stark rot an seinen beiden Enden. Das Eingedrückte hingegen vollzieht diesen Wechsel von weiß nach rot gegenläufig.

Das hier angewandte Litexsystem versieht die Glasscheiben mit einem – in diesem Fall roten – Punkteraster, dessen dichter oder lockerer Verlauf die Transparenz der Scheiben bestimmt. Wer zeichnet für diese Großskulptur mitten in der Stadt verantwortlich? Werner Würtinger, akademischer Bildhauer, arbeitete konzeptionell und im praktischen Versuch schon länger mit Flächen und Farben, die zueinander in Beziehung stehen. Diese Aufgabe sprengte jedoch in ihrer Dimension bei weitem alles bisher erprobte.

Eine langsame intellektuelle – und doch intuitive – Annäherung an die erste Idee der Architekten, die Feuermauer von Kupskys Hochhaus formal in eine schräggestellte, schwebende Scheibe umzudeuten, rief zuerst Scheu vor der Größe hervor. Für Werner Würtinger wurde es ebenso zum spannenden Projekt wie für Hiesmayrs Atelier, dem die technische Umsetzung zur Gänze oblag.

Nun also zeigt sich ein mutiges Stück rotchangierender Glasfassade – ein Spiel mit Form und Farbe, mit Spiegelungen gegenüberliegender Fassaden in Überlappung mit dem hinter der Feuermauer liegenden Teil des Hochhauses. Der darübergelegte „Rasterfilm“ zwingt dazu, neu zu schauen. Haben Sie die Kuppel des Kunsthistorischen Museums schon einmal rotgetupft gesehen? Der Wechsel von weiß zu rot als Symbol für Chemie: der Übergang vom Kalten zum Glühen, Veränderung, Wandel.

Einen beeindruckenden Wandel bemerken auch die hier Arbeitenden: endlich „ordentliche“ Arbeitsbedingungen in der „Chemie“. Diese sind tatsächlich äußerst angenehm. Helle Räume, die Decken „schwebend“. Ernst Hiesmayr, der seinen Studenten immer schon das „hohe Lied der Fuge“ sang, zeigt an diesem Bau in etlichen Details, wie man's macht. Zum Beispiel läßt die abgehängte Decke ringsum einen Schlitz zur Wand, was die Führung von Gasleitungen im Hohlraum erlaubt, Vorteile für die Revision, aber auch für die Optik ergibt. Beim Stiegenhaus läuft die Stufe nicht gegen die Wand – ein Niro-Streifen sorgt für die nötige Fuge. So fügt sich eins ans andere, aber mit dem erforderlichen Abstand, der klärt, gliedert und definiert.

Das Stiegenhaus ist hell; südseitig fällt viel Licht durch die Glasfassade. Die Handläufe sind leicht gekrümmte, ein Zentimeter starke Aluplatten auf den Stockwerkebenen, im Treppenbereich Nurglas-Scheiben mit Niro-Handläufen.

Man darf nicht versäumen, ins Untergeschoß zu gehen: Es hat nichts Kellerhaftes. Um das Raumprogramm zu erfüllen, mußte ein Weg in tieferen Regionen gefunden werden: Das Großlabor als ständiger Arbeitsplatz verlangt natürliche Belichtung und rasche, einfache Fluchtmöglichkeit. Durch einen tiefen Geländeschnitt wurde erreicht, daß eine Glaswand südseitig in einen terrassenähnlichen Platz mit Stiegenaufgang mündet. Hinaufgeführt auf Eingangsniveau, ist in der gesamten Länge des tiefliegenden Labortraktes zusätzlich eine dreieckförmige Oberlichtverglasung als Abschluß besagter Glaswand sichtbar. Über dem Labor ist die Feuerwehrzufahrt plaziert, ein streng längsrechteckiger Straßenraum, der auf der einen Seite von der Schrägverglasung begleitet wird und auf der anderen Seite von einer Reihe von „Lichtsarkophagen“: Kuben, rund einen halben Meter aus dem Erdreich ragend, mit einer Glasplattendecke versehen. Bald wird Efeu die Grabassoziationen verschwinden lassen.

Ernst Hiesmayr setzt mit diesem Bau einmal mehr Maßstäbe moderner Architektur in Wien (gilt er doch als „wahrer Moderner“ spätestens seit dem Bau des „Juridicums“). Kürzlich wurde sein 75. Geburtstag gefeiert – in seiner „Chemie“ freilich manifestiert sich ein durchaus „jugendliches“ architektonisches Gedankengut. Der Komplex am Getreidemarkt ist aber auch sein Manifest als Lehrer: Seine jungen Partner, Reinhardt Gallister, Peter Waldbauer und Gerhard Kratochwill, haben ein gut Teil der Arbeit geleistet und machen ihrem Lehrer alle Ehre.

Spectrum, Sa., 1995.09.30



verknüpfte Bauwerke
Chemiehochhaus der TU

05. August 1995Vera Purtscher
Spectrum

Das Stück Heimat in der Hand

Urlaub machen heißt: Quartier beziehen in einer fremden Welt. In Nobelherbergen, Landgasthäusern oder Kuranstalten. Meist ist die Bleibe auf Zeit ein gesichtsloses Einerlei: ein „Hotel ohne Seele“.

Urlaub machen heißt: Quartier beziehen in einer fremden Welt. In Nobelherbergen, Landgasthäusern oder Kuranstalten. Meist ist die Bleibe auf Zeit ein gesichtsloses Einerlei: ein „Hotel ohne Seele“.

Das Glück, „zu Hause“ zu sein. Heimat zu spüren. Identität. Hingehören. Dazugehören. Und doch: Nun urlaubt es allerorten. Keiner will mehr zu Hause sein, die temporäre Massenflucht hat wieder mit voller Wucht eingesetzt. Und schon findet man sich in einer anderen Welt? Monddestinationen werden ja noch nicht angeboten. Unser Planet ist groß und geheimnisvoll genug, daß er selbst in einem langen Menschenleben nicht restlos oder auch nur halbwegs entdeckt zu werden vermag. Und wer will denn ewig rastlos sein? Da heißt es auch: Verweile! Die selbstauferlegte Eintönigkeit der verstreichenden Tage – Gratwanderung zwischen Langeweile und erholsamer Ruhe. Addition von Tagen, Wiederholung von Aktivitäten, die eher Passivitäten genannt werden sollten.

So das regelmäßige Zum-Essen-Gehen. Ausspeisung. Abspeisung? Sich möglichst rasch aus der dominanten Vertikalen in Sitzposition begeben, von den dienstbaren Geistern nun besser überschaubar. Essen: Bedürfnisbefriedigung? Bedürfnis? Hunger? Gusto? Appetit? Wo ist die Gier? Die Lust? Kalorienminimierung, Gewichtskontrolle, Konditionssteigerung. Reglementierung – so weit das Auge reicht. Je weniger kontrolliert, beherrscht, gesittet, desto unappetitlicher. (Wie der ißt! Grauslich!) Hingegen: wohlgeübt und kontrolliert das Vergnügen zelebrieren, „genüßlich“ die Köstlichkeiten für den Gaumen preisen, Komplimente feilhalten. Die gleichförmig verrinnenden Stunden und Tage: Urlaube bieten keinen Rückzug ins Gewohnte, in das Sicherheit Verleihende.

Die Anonymität des Hotelzimmers. Nur zögernd wird es von uns in Besitz genommen. Lediglich die herumliegende Wäsche und die verstreuten Bücher zeugen davon. Der eben erst abgereiste „Vorgänger“ wird ins Nichts entlassen; der nächste Gast ist schon vergessen, bevor er seine Koffer ausgepackt hat. Das Hotelzimmer: ein Raum, der nur der Funktionserfüllung dient.

Geschäftstüchtige Dienstleistung. Und die „Seele“ des Raumes? Wer braucht schon so etwas beängstigend Undefinierbares? „Seele“ hat der Gast. Hat er sie wirklich? Und die Atmosphäre des Raumes? Klingt nach Atmen und Kosmos. Beides verängstigt: Spricht man vom Atmen, geht der Atem plötzlich nicht mehr spontan, sondern stockend. Unangenehm. Und Kosmos klingt nach Unendlichkeit und Tod. Auch das beeinträchtigt die Urlaubslaune.

So neutral gehaltene, funktionstüchtige Hotelräume entsprechen also dem „neutralen“ Gast – er ist nicht wirklich stark, das ist er zu Hause; aber auch nicht wirklich schwach. Denn: Er ist ja König als Gast, und Könige sind mächtig. Denn Geld regiert die Welt, noch so eine Redensart. Entsprechen soll er, der Raum für den Gast. Nicht widersprechen, nicht ansprechen. Entsprechen. Der Gast kann bleiben. Bleiben! Das Hotel ist eine „Bleibe“. Wer spricht denn von „Absteige“? Das liegt doch viele Stufen darunter und impliziert außerdem Aktivität: ab-steigen. Oder vielleicht doch auch Passivität: von etwas – vielleicht dem Leben – gestoßen werden. Das Bild jedenfalls ist klar: tief unten, abgestiegen – vielleicht sogar „vom hohen Roß“.

In der Absteige reibt sich so manche Gestalt an der andern. Und so verlieren dort neutrale Räume ihre Sterilität. Ein Schnarchen hier, ein Räuspern dort; Gestank; das erzwungene Gespräch – was immer. Absteige ist „Übervölkerung“, ist Schäbiges, Billiges.

Und der „Naturmensch“? Unter Gottes freiem Himmel – und doch im Zelt. Dieses leuchtende Orange schmerzt im Auge; Natur unter und über den synthetischen Teilen. Der Tee wird im knallblauen Gaskocher zubereitet, den man mitgeschleppt hat. „Dieses griechische Joghurt, welch unverdorbener Ziegenmilchgenuß!“ Im Plastikbecher natürlich. Das eine Messer, mit dem alles geschnitten wird, hinterläßt die Spuren des davor Geschnittenen. Abwaschen; die Haare waschen – Shampoo in Gottes freier Natur; Spülmittel und Becher zurücklassen. Zusammenpacken. Ordnen. Schlichten. Schleppen. Das Stück Heimat am Buckel. Schneckenhausmentalität. Naturverbunden? Offen? Einfach? Wohin nun mit uns anspruchsvollen Welten-Hetzern (denn zum Bummeln hat ja keiner mehr Zeit)?

Wir suchen Authentizität an dem Ort, an dem wir bleiben wollen. Ein klarer Rahmen, in den wir uns einfügen können, ohne Widerstände, ohne Krämpfe. Selbstverständlichkeit befreit. Man lese in „Der Liebhaber ohne festen Wohnsitz“ von Fruttero und Lucentini nach, was ein perfekter Portier ist – und, nicht zu vergessen, was ein perfekter Gast. Routine benötigen beide, und Erfahrung. So bürde ich die Verantwortung nicht allein dem Hotelier auf.

Im Gegenteil: Der Gast muß seinen Teil der Rolle genauso beherrschen. Je besser, desto geglückter der Aufenthalt. Sollten in Zukunft vielleicht Kurse angeboten werden: Wie verhält sich der perfekte Gast? Wer weiß. Vielleicht habe ich mit meinen kritischen Bemerkungen eine Marktnische entdeckt. Romantik-Hotels, Designer-Hotels, Nobel-Hotels, Fitneß-Anstalten, Kur-Häuser, Gast-Häuser, Jugend-Herbergen, Fremden-Zimmer. Hunderte Möglichkeiten, während seiner kostbaren Urlaubstage Logis zu nehmen.

Dieser Raum, den man für begrenzte Zeit in „Besitz“ nimmt, kann nicht jedem Gast zu 100 Prozent entsprechen. So wird oft ein fades Einerlei gewählt, das 100 Prozent der Gäste nicht wirklich gefällt. Daß solche Räume für den kurzfristigen Aufenthalt trotz der Bescheidenheit an Quadratmetern, Material und Equipment auch Qualität haben können, bewiesen und beweisen Architekten immer wieder. Le Corbusier zum Beispiel, der das Dominikanerkloster La Tourette in der Nähe von Lyon entworfen hat – mit 100 Zimmern für Studenten und Professoren und der notwendigen Infrastruktur.

Für Beherbergungsbauten gelten dieselben Regeln wie sonst auch in der Architektur: Reagieren auf die Lage, die Umgebung, die natürlichen Gegebenheiten; Proportionen; räumliche und funktionelle Qualitäten; Materialwahl, Ausführungsqualität und Detaillösungen.

Wenn die Bauaufgabe aber lautet, Räume für Erholungsuchende zu schaffen, dann ist kühle Erfüllung von Bedürfnissen, dann ist die reine Zweckmäßigkeit vielleicht doch zuwenig. Einen Ort zum Verkriechen braucht man möglicherweise genauso wie einen, an dem man sich in Pose werfen kann. Wo man beobachten kann und selber gesehen werden kann. Dunklere Zonen sind also vonnöten, lichtdurchflutete ebenso.

Ein klar definiertes Zentrum, das eine gewisse Großzügigkeit verlangt, ist nicht nur im Hinblick auf die funktionellen Erfordernisse wichtig. Und der Gast wünscht sich, schon wenn er sich ans Rezeptionspult lehnt, ein Mobiliar, das sich angenehm anfühlt. Für die stark beanspruchten Räume gilt es, strapazfähige Oberflächen zu schaffen, damit sie nicht rasch unappetitlich wirken. Bei der Gestaltung der Oberflächen muß aber das Raumklima im Auge behalten werden. Um eine angenehme Raumstimmung zu erzeugen, bedarf es des sensiblen Umgangs mit Material, Oberfläche, Farbe und Licht. Es wird für den Gast gebaut, er soll sich schließlich wohl fühlen. In einem Dienstleistungsbetrieb gehört auch die freundliche Bedienung zum Wohlfühlen – die Architektur kann nur trachten, auch für die Arbeitenden beste räumliche Voraussetzungen zu schaffen. Freundlich müssen sie dann aber schon selber sein.

Was kann des Reisens Ziel nur sein? Quartier beziehen in einer fremden Welt – deren Fremdheit ich respektiere, vielleicht gerade suche und die mich in meinem Anderssein nur soweit „erschüttert“, daß ich sie als positive Erweiterung meines Erfahrungsschatzes erleben kann.

Touristen sind wir alle. Piraten somit, Schatzräuber. Die dabei den Schatz, von dem sie träumen, gleichzeitig zerstören. Was ist Erholung? Re-lax: re = wieder; lax = nachlässig, schlaff, locker. Re-creation = Wieder-Errichtung, Wieder-Aufbau. So lebt der Tourismus von Zerstörung. Nicht nur von der der Landschaft; er lebt auch von den „Zerstörten“, die da kommen.

Von den „Gästen“. Die „Gäste“: ein temporäre Gemeinschaft unter gemeinsamem Dach. Würde nun dieses Dach auch den Besitzer beherbergen, hätte es vielleicht auch individuelle Züge. Ist es aber ein zu einer großen Maschinerie angewachsener Betrieb, läuft die Betreuung des Gastes fließbandmäßig ab. Und neutral eben.

A uf der Suche nach Glück. Leben wie Gott in Frankreich. Bleibt die Frage, ob der Tourist im Urlaub „lebt“ oder Funktionen erfüllt. Bleibt die Frage, ob Animation, welcher Art auch immer, nicht nur ein Ziel verfolgt: die Urlaubstage zu füllen. Damit man dann erstaunt feststellen kann, daß es Zeit ist, zurückzukehren. Alle sind froh: die Animatoren über den Gästewechsel – neues Publikum, alte Späße, neuer Applaus; die Heimkehrer, weil der Urlaub „ausgefüllt“ war – erholt, zurück-geholt ins alte Sein. Erinnerungen auf Endlosvideos. Das sind Beweise, Belege, Dokumente, die bleiben.

Und sonst? Die Bleibe am Urlaubsort. Sie bleibt, wo sie ist. Bestätigungen (die Eintrittskarten von Museen etwa) – Erinnerungen? Die Nostalgie? („Heimweh“ bedeutet das Wort im Französischen und Italienischen). Ja, soll denn, fragt man sich, irgend etwas bleiben? Bleibende Erinnerung? Steht das nicht auf dem Grabstein? So vergilbt der Urlaub schon beim Verlassen des Hotels. Schemen bleiben.

Spectrum, Sa., 1995.08.05

10. Juni 1995Vera Purtscher
Spectrum

Wer hat die Schule geknickt?

15.500 Kubikmeter umbauter Raum: Wie packt man ein solches Volumen in einen kleinräumigen Siedlungsbereich? Die Antwort steht in Vorarlberg: das neue Schulsportheim von Tschagguns.

15.500 Kubikmeter umbauter Raum: Wie packt man ein solches Volumen in einen kleinräumigen Siedlungsbereich? Die Antwort steht in Vorarlberg: das neue Schulsportheim von Tschagguns.

Tschagguns, eine 2500-Seelen-Gemeinde im Montafon. Überall steigt das Gelände an. Die meisten Häuser tun so, als ob sie in der Ebene stünden – nur ist auf der einen Seite ein Stock weniger sichtbar. In „Zelfen“ – so heißt ein Ortsteil – stehen etliche Pensionen und kleine Hotels garnis, die zwei- oder sogar dreistöckig gebaut sind. Vorherrschend sind Lochputzfassaden, oft mit diversen Malereien oder sonstigen Ornamenten versehen, manchmal finden sich Teile aus Glasbausteinen, auf jeden Fall aber „holzgeländerte“ Balkone.

Die Architekten Martin Häusle und Gottfried Partl wurden beauftragt, an diesem Ort ein Schulsportheim zu bauen: 4400 Quadratmeter Nutzfläche, 15.500 Kubikmeter umbauter Raum waren notwendig, um die Interessen der Sportschule und des Internats zu befriedigen. Wie packt man nun so ein Volumen in solch einen kleinräumigen Siedlungsbereich, ohne maßstablos zu werden?

Die Schmalseite des Baukörpers gibt sich bescheiden: Sie ist kleiner als die nachbarlichen Pensionen. Aber anders! Wellblechverkleidet steht das Gebäude am abfallenden Hang. Diese trapezförmige Seite schaut gegen den Besucher und gegen Südwest und hat eine quadratische Öffnung als Eingang zu zwei Dienstwohnungen. Das Gelände fällt hier in zwei Richtungen. Die Eingangstür liegt deswegen schon dreieinhalb Meter höher als die linke untere Ecke. Das Flachdach darüber dient als Terrasse. Zurückversetzt wurde nämlich ein weiteres Geschoß plaziert: Ein flach geneigtes Pultdach liegt auf eierschalenfarbenen, eternitverkleideten Wänden den Dienstwohnungen auf.

Hier erkennt man erstmals, daß sich dieses Gebäude vehement in die Länge zieht. Vor den Dienstwohnungen breitet sich eine Wiese aus, dann bricht plötzlich ein tiefer, in spitzem Winkel zulaufender Stützmauernspalt auf. Da ahnt man, daß dieses Gebäude noch für einige Überraschungen gut sein könnte, zeigt sich doch, daß die Länge des Baukörpers durch einen Knick gebrochen wurde. Und weiters ein beinahe parallelogrammförmiges Blechdach, das den zweiten Teil des langgestreckten Baukörpers schön – fast skulptural – deckt. Diese eher private Seite gegen Südosten spielt keine großen Architekturtrümpfe aus. Die zwei rund 90 Quadratmeter großen Wohnungen werden anständig im Grundriß bewältigt, doch nach außen ordnen sie sich bescheiden dem „großen Wurf“ unter. Dieser zeigt sich erstmals auf der gegenüberliegenden Seite. Die Zufahrtsstraße und Parkplätze begleiten die Nordwest-Fassade. 84 Meter lang liegt die Wellblechfront wie gestrandet auf dem Hanggrundstück. Dem fallenden Gelände entsprechend, zwei- oder dreigeschoßig.

Das Horizontal-Hingestreckte dieser 84-Meter-Wand wird noch verstärkt durch Bandfenster, welche durch querliegende Alu-Jalousien verdunkelt werden können. In diesem silbern gebänderten Monochrom, das vor allem durch Licht- und Schatten und die Reflexion von verschiedenem Wetter in der metallenen Oberfläche lebt, sind einige präzise Farbtupfer gesetzt. Kobaltblau, flaschengrün und maisgelb zeigen sich gefärbte Gläser, die ohne sichtbare Reihung zwischen die Bandfenster geschoben wurden. Hier stoßen im Inneren die Trennwände an die Außenmauer.

Der „Knick“ im Haus ist an jene Stelle gerückt, an der auch der nächste starke „Knick“ im Gelände stattfindet: Hier fällt das Terrain noch einmal in die Tiefe – auf ein kleines Wäldchen zu, das vom Ganzanahler Bach gesäumt wird. Hier „fällt“ aber auch das Schisportheim in die Tiefe. Und so markiert dieser Punkt die letzte Abtreppung der Dachsilhouette. Längst schon vor den Wohnungen nur noch Terrasse, springt der leicht verschwenkte „neue“ Baukörper nun ein Geschoß tiefer. Am letzten – höchsten – Punkt der beschriebenen Wellblechfassade ist also der Haupteingang plaziert: Alemannisch nüchtern und einfach, vielleicht auch noch dem Gebot nach besonderer (Schischuh-) Beanspruchung gehorchend, öffnen sich die Türen. Aber beenden wir zuerst noch den Spaziergang ums Haus: Der geknickte Baukörper mißt rund 23 mal zwölf Meter und gewinnt jenes Geschoß, auf das er im Dach verzichten mußte, durch den Geländefall tiefer unten zurück. Die Nordost/Nordwest-Ecke ist verglast und beherbergt ein Nottreppenhaus, das zu den Internatsräumen führt. Bei dem massiv, ja körperhaft wirkenden Dach handelt es sich um ein schwach geneigtes Pultdach, das auf einem dreieckförmigen Stahlträger ruht. Trapezblechverkleidet mündet es an seinem höchsten Punkt in die Außenwand (diese ist schräggestellt), annähernd einen rechten Winkel mit dem Dach bildend.

Als Gegenbewebung zu dieser himmelwärts blickenden Wand zeigt sich dieses Pultdach nordwestseitig nur als dicker Wulst. Wegen des Dachüberstandes auf der schmalen Nordostseite hingegen wird das Volumen deutlich. An dieser Seite zieht sich das Wellblech noch rund sechs Meter ungestört an der Außenwand entlang. Dann ändert sich die Nordostfassade, wieder mehr zum Privaten hin: So sind die Fensterbänder zwischen Eternitgroßtafeln gesetzt; drei Stockwerke beherbergen hier die Zimmer der jungen Sportler. Diverse technische Einbauten wie Wärmetauscher sind eher „Skulptur am Bau“, denn arge Notwendigkeit. Dem Architekten ging es um Schichtungen. Wo gibt es Nahtstellen zwischen Natur und Architektur, und wie behandelt man sie? Martin Häusle versucht ein zusätzlich entspannendes und gleichzeitig spannendes Element hinzuzufügen. Das ist dann die „künstliche Natur“ – die Dachterrassen.

Für Martin Häusle bedeutete der Wettbewerbsgewinn einen großen Schritt – immerhin ist dieser Bau bei weitem der größte, den er bisher gebaut hat. Davor hat er vor allem mit einer Brücke – dem „Illsteg“ in Feldkirch – von sich reden gemacht. Hier nun durfte er eine „Zeichnung“ in die Landschaft setzen.

Im Inneren verwundert zunächst die Eingangshalle, die den Blick zum Turnsaal durch großformatige Glasflächen freigibt. Damit wird die zweigeschoßige, lichtdurchflutete Halle optisch wesentlich erweitert durch den gleichsam inkludierten Turnsaal. Ein Fachwerk-Stahlträger bildet das besprochene, ungewöhnliche Dach. Dreieckförmig ragen die Träger zur Glasfassade hinaus – so scheint es. Doch wegen der unerwünschten Wärmebrücken ist es tatsächlich eine darüberliegende Holzkonstruktion, die ins Freie reicht und dort den erwähnten „Wulst“ bildet.

Im ersten Stock blickt man vom Speisesaal in den Turnsaal. Von den 100 Sitzplätzen aus kann man aber auch rechts und links in die Landschaft und durchs schräge Fensterband gen Himmel schauen. Die ungewohnte Kombination von Warten, Begrüßen, Essen und Turnen verlangt neue Blickwinkel von Raumdefinitionen. Öffnen, transparent machen, Übergänge schaffen: das alles wird in diesem Schisportheim mit architektonischen Mitteln versucht. Ein Heim für eine aufgeschlossene Jugend?

25 Internatszimmer gehören organisatorisch zur Schihauptschule Schruns, 20 weitere Zimmer mit je drei Betten dienen dem Schi-Schulheimtrakt, der mit diversen Nebenräumen für Landschulwochen angemietet werden kann. Die Zimmer sind äußerst sparsam eingerichtet. Es fehlt an sympathischer Atmosphäre und Wärme. Umso erfreulicher das „Rundherum“: Hier zeigt sich eine wohltuende Großzügigkeit.

Erst sieben Jahre nach dem Wettbewerbssieg wurde das Gebäude fertiggestellt; in dieser Zeit mußten einige Abstriche vom ursprünglichen Konzept gemacht werden. Und doch glückte es Martin Häusle, seinen zweihüftigen Bau so in die Landschaft zu setzten, daß er – ganz fremd an diesem Ort – sich fügt, einfügt, ohne voller Unsicherheit „ganz zu verschwinden“! Er ist klein, wo es ihm guttut, bricht seine Länge, die Fall-Linie begleitend, wo es notwendig ist, und läßt den Besucher von der Natur in die Architektur und wieder in die künstliche Natur wechseln.

Spectrum, Sa., 1995.06.10



verknüpfte Bauwerke
Schulschiheim

08. April 1995Vera Purtscher
Spectrum

Wege in der Spirale

Hundert liebevolle Details, tausend ungenormte Kleinigkeiten: Boris Podreccas Einfamilienhaus in Wien-Liesing besticht durch Reichtum an Raumqualitäten - bei gleichzeitiger Beschränkung auf wenige Farben und Materialien.

Hundert liebevolle Details, tausend ungenormte Kleinigkeiten: Boris Podreccas Einfamilienhaus in Wien-Liesing besticht durch Reichtum an Raumqualitäten - bei gleichzeitiger Beschränkung auf wenige Farben und Materialien.

Liesing ist in Teilgebieten eine von Wiens besten Adressen für Wohnbauten. Schon fast bei Niederösterreich, wirkt die Gegend am Ende der Breitenfurter Straße beinahe ländlich. Vorbei an Rob Kriers postmodernem Wohnbau tröpfelt die Bebauung immer mehr in den Einfamilienhaustyp aus. Am Badfeld, einer kurzen Gasse inmitten eines kleinen Siedlungsteppichs, wurde nun ein Haus fertiggestellt. Ein namhafter Architekt hat es entworfen. Und doch schlägt es nicht mit formalen Aussagen um sich. Ganz bescheiden tut es.

Zur Straßenseite hin sind die Hinweise auf eine souveräne Entwurfshandschrift ganz subtil. Beim achtlosen Vorbeifahren könnte man es fast verpassen: Eine Putzfassade in hellem Grau sieht man da. Die wenigen Öffnungen sind in der Mitte der Fassade zusammengezogen, bilden dort eine kleine Fenster-Lisenen-Collage. Dann treppt sich ein fast filigranes Zugangsdächlein zum Eingang, und zwei – mit flachem Tonnendach gedeckte – Garagenboxen stehen da.

Umfriedet ist das Grundstück zur Straße hin mit einem Metallgitter. Spätestens jetzt entdeckt man hundert liebevolle Details, tausend ungenormte Kleinigkeiten: etwa wie die Wasserrinne zwischen den Garagentonnendächern an ihrem Austritt geformt ist – fast wie eine weit herausgestreckte Zunge –, um dann in einen Kupfereimer zu gleiten, der am Ende seines Rinnenfortsatzes ebenso kunstschlosserhaft skulptural wirkt; oder die Wahl einer massiven, aber schwach geneigten vertikalen Geländersprosse bei der Einfriedung; oder das Eingangstürchen aus massivem Nirosta, das ein großes rötliches Feld enthält. Wem diese Türe geöffnet wird, dem öffnet sich der fast zerbrechlich wirkende Vordachbereich in demselben pompejanischen Rot.

Generell entwickelt sich das Raumprogramm diese Hauses auf drei Hauptebenen. Doch schafft der Architekt – Boris Podrecca ist der Meister der geschilderten liebevollen Details – tatsächlich ein Raumkontinuum auf neun Niveaus. Eine tragende Pfeilerreihe läuft parallel zur Straße durchs Haus und weiter: Im Garten begleitet die Pfeilerreihe den Swimmingpool. Leicht gegen diese Reihe verschwenkt, steht mit rund eineinhalb Meter Abstand eine tragende Mittelmauer; deren tragende Funktion meint weniger das konstruktive Abtragen, das die Pfeilerreihe übernimmt, sondern mehr das Tragen von Bildern, Konsolen, Containern: im weitesten Sinne eine Gegenüberstellung des männlichen und des weiblichen Prinzips. Die Außenwände sind verputzt, weiß oder hellgrau gestrichen. Die Holzfenster sind in pompejanischem Rot lackiert, die Innenwände sind überall weiß, außer dort, wo sie von Ahornverkleidungen verdeckt sind. Aus Ahorn sind auch alle Möbel, entworfen von Podrecca, gefertigt von einem Murauer Tischler.

Aber gehen wir weiter durchs Haus: Im Eingangsbereich bieten sich bereits drei Wege an (ein ständig wiederkehrendes Motiv in diesem Haus: die Wahl der Richtung). Scharf links geht's an der schräg gearbeiteten Garderobe vorbei zum WC. Durch die Schräge des raumhohen Möbels entsteht eine perspektivische Verengung, die eine kleine Gasse signalisiert. Wendet man sich nur 90 Grad nach links, begleiten drei weitere Podeste in Terrazzo – mit eingelegten, eckigen, weißen Marmorstücken in strengem Muster – in den Wohnraum hinunter, schwach links steigt man zwei Stufen zum Eßbereich hinauf.

Von dort führt eine zweiflügelige Pendeltür in die Küche, die einerseits den Zugang zum Haus und die Eingangszone überblickt, anderseits in der Ostfassade ein kreisrundes Fenster hat. Vom Eßbereich führt eine Tür ins Freie. Eine Stufe höher befindet man sich im „Bereich der Frau“, von welchem man über ein Treppchen in den schon erwähnten Wohnbereich gelangt. Die offene Pfeilerreihe und der fast gänzliche Verzicht auf Türen oder sonstige eindeutige Raumteiler läßt überall hin-schauen. So überblickt die Dame alle besprochenen Bereiche – bis hin zum „Bereich des Herrn“, der vom Wohnbereich höher steigt, um hinter der pompejanisch-roten Mittelmauer seinen Tätigkeiten – immerhin teilweise verborgen – nachzugehen. Sie bemerken, daß ich nicht von „Räumen“ spreche, sondern von „Bereichen“. Podrecca strebt in diesem Haus eine „Neutralität“ der Räume an. Antihierarchisch sollen sie sein, austauschbar. Die Zonierung – auch mit den Mitteln des „Raumplanes“ – bewerkstelligt dies zum einen, die einheitliche Materialwahl und formale Entsprechung der Möbelstücke zum anderen.

Die Westfassade ist im Bereich der Wohnzone – bei Podrecca heißt sie „Piazetta“ – weit geöffnet. Der Blick fällt auf die weitergezogene Pfeilerreihe, das Schwimmbad, die begleitenden Terrakottatöpfe und den Baumbestand des Grundstücks. Wo das Sofa seinen Platz erhält, ist nur ein kleines quadratisches Fenster hoch genug gesetzt, um das Licht oberhalb der Sofalehne hereinfallen zu lassen. Das „große“ Licht des verglasten Bereiches gleitet noch in die nächst tiefer gelegene Ebene: Hier ist das Kaminzimmer, eine versteckte Welt im Bauch des Hauses.

Im Keller gibt es Platz für Wirtschafts- und Fitneßräume sowie für eine Einliegerwohnung, die nicht auf Tageslicht verzichten muß. Auch hier sind die Murauer Tischler am Werk gewesen. Fast unbewußt huscht man an der Privatheit der Einliegerwohnung vorbei, geht noch zwei Stufen tiefer. Selbst im Keller der Versuch, antihierarchisch zu sein und kein Ende zu finden in diesem „spiraligen“ Haus mit so vielen Wegen.

Zurück zum Ausgangspunkt beim Windfang: Nehmen wir nun die Treppe zum ersten Stock. „Tektonisch gewachsen“ nennt sie der Architekt. Eine massive Treppe hier, während die ins zweite Obergeschoß eine eingehängte Glastreppe ist – und somit wieder Lichtspender. Bleiben wir aber im ersten Stock: Das rechteckige Haus beginnt sich hier entlang der Pfeilerreihe plötzlich zu „teilen“, und es entwächst ihm ein im Grundriß kreissegmentförmiger Baukörper. Wie zur Straße hin aufgedrückt. Dort zeigt sich freilich einzig eine mächtige, kubische Ausladung: verschlossen, streng. Die gekurvte Seite jedoch öffnet sich in Glas – gegen das Grundstück und ins eigene Innere.

Diese Kurve wird fortgeführt bis zum „gläsernen“ Treppenansatz – und zwar in runden, kobaltblauen, raumhohen Säulen. Im annähernd viertelkreisförmigen Bereich ist Platz für Klavier und Kontemplation. Die Fensterfront hinter den blauen Säulen zieht sich tiefer ins Haus, als es dem Gebäudegrundriß entspricht. So entsteht im freibleibenden Zwickel zur Pfeilerreihe ein Balkon für den Sohn des Hauses, dessen Zimmer am Treppenende liegt. Zwischen seinem Zimmer und dem seiner Schwester, die sich eine kleine Loggia wünschte und oberhalb des Windfangs auch bekam, ist das Kinderbad plaziert. Mittels Mosaiken werden hier „Teppiche“ an die Wand „gehängt“. Umlaufend leuchtend farbige Bänder, die große, hellgraue Flächen umgarnen, vorher noch eine Abstufung in Dunkelgrau.

Eine einfache, konisch nach unten zulaufende Lampe wurde speziell für dieses Haus entwickelt. Die Möbel im Kinderzimmer sind aus Ahorn, aber partiell lackiert: einzige, vorsichtige Unterscheidung, um der Austauschbarkeit der Räume keinen Abbruch zu tun. Diese Zimmer der Rückzugsmöglichkeiten sind mehr „verschlossen“ als die anderen Räume. Eine durchgehende, horizontale Linie, 50 Zentimeter unter der Decke, ist hier holzverkleidet, im Musikzimmer und im Elternschlafzimmer hingegen verglast – eine handwerkliche Meisterleistung, waren doch in diesen Bereichen radial gelegte Sparren entsprechend mittig mit dem Glas anzuschneiden beziehungsweise dann normal darauf wieder Glasfelder anzufügen. Daß es offensichtlich noch gutes Handwerk in Österreich gibt, beweist dieses Haus in allen Gewerken.

Weiter zur Glasstiege, die ins zweite Dachgeschoß führt. So viele Glastreppen habe ich schon gesehen, aber diese ist besonders geglückt. Die Glasbrüstungen, ein schlanker Nirostahandlauf, die freigespielte Spindel lassen viel Licht hinuntergleiten. Das Mittelfeld der Trittstufe ist mattiert, die Nirostaanschlüsse und Halterungen sind schlank dimensioniert: So gleitet man zur Terrasse. Diese ist südorientiert, läßt aber auch zur Straße einen kleinen Durchblick frei. Pergolen werden bald verwachsen sein, und dann werden der Nordfassade sozusagen „Locken in die Stirn fallen“. Denn in dieser Wand „kleben“ an den oberen zwei Eckpunkten die Fenster der Kinderzimmer wie große Glupschaugen. Ein bescheidenes Badezimmerfenster sitzt dazwischen, verschoben darunter die Tür vom Eßbereich in den Garten, geschützt durch ein kleines, steiles Glasdach, das mit vielen, regelmäßig plazierten Nirostastöpseln – als Schneerechen – versehen wurde.

Die Dreiteilung des Hauses wird besonders an der Westfassade deutlich: die abweisende Straßenwand, in Putz, eingeschoßig; die mittlere Zone des Stiegenhauses – höher, pompejanisch rot, als tragende Mitte gegen die Anonymität der Straßenansicht. Und zuletzt der zweigeschoßige Körper, der sich Richtung Kalksburg weit öffnet.

Dieser Trakt wird wie ein Bild gefaßt: Putzlisenen ziehen sich allseitig der Terrasse entlang, die gegen West und Ost verschlossen bleibt. Und wo sich in der ganzen edlen Zurückhaltung nun die gekurvte Glaswand des Musikzimmers, der Balkon im entstehenden Zwickel, die Glaswand zum Stiegenhaus im ersten Obergeschoß und zum Wohnbereich im Erdgeschoß zeigen, scheint der freudige Funke plötzlich überzuspringen, wird doch die Wand unter der auskragend gekurvten mit Cipollino verkleidet. Ein stark gefladerter, grünlicher Marmor steht hier in dicken Platten über die Wand. Es genügen ja zehn Zentimeter seitlicher Überstand, um deutlich zu machen, daß der Stein hier Ver- oder Bekleidung ist. Im Zentrum dieses fast expressiv anmutenden Wandstücks sitzt jenes kleine Fenster, das im Inneren dem beispielsweise Zeitungslesenden das Licht über die Schulter aufs Blatt wirft.

Podrecca versuchte, des Bauherrn Beglückung durchs Einfamilienhaus mit einer rangfreien Neutralität der Räume zu kombinieren. Trotz der Selbstbeschränkung auf wenige Materialien und Farben gelang ihm eine Vielfalt, ja ein Reichtum an Raumqualitäten. Für den Besucher sind diese gepaart mit einem emotional unbekümmerten Zugang. So fein, gediegen, subtil diese Architektur ist – sie drängt sich niemals auf.

Spectrum, Sa., 1995.04.08



verknüpfte Bauwerke
Wohnhaus Glaser

18. März 1995Vera Purtscher
Spectrum

Der Gewinn der Mitte

Einst pulsierender Verkehrsknotenpunkt, dann Schutthalde, Minenfeld – und nun die größte Baustelle Deutschlands: Potsdamer und Leipziger Platz in Berlin.

Einst pulsierender Verkehrsknotenpunkt, dann Schutthalde, Minenfeld – und nun die größte Baustelle Deutschlands: Potsdamer und Leipziger Platz in Berlin.

Die Berliner Mauer ist gefallen, nun werden die Wunden verdeckt, Ost mit West verzahnt, nun wird der Versuch unternommen, vergessen zu machen, was fast fünf Jahrzehnte ein Mahnmal politischen Fanatismus' war. 350 Milliarden Schilling sind im Großraum Berlin allein für Neubauten verplant. Ein aufregendes Experiment, das vor allem den 4,2 Millionen Einwohnern zugute kommen wird. Der Wohnbau geht jedoch unter im Blitzlichtgewitter für Architekten, Wettbewerbe, Bauten mit hohem Prestigeanspruch.

Wie sollen sich nun aber Highlights zu einem städtischen Gesamtbild fügen? Und sollen sie das überhaupt? Wie soll denn heutzutage Stadt sein? Und wer wird sie bevölkern? In der Altersstufe bis 30 stellen Ausländer bereits ein Drittel der Berliner Bevölkerung. Ob sie nicht auf lange Sicht das Stadtbild mehr prägen werden als alle Neubauten? Doch in der Neuplanung ist wenig Raum – in beiderlei Bedeutung des Wortes – für Zwischenbereiche. Der „Kiez“, die enge Mischung von Arbeit und Wohnen, von Versorgung und Freizeit für verschiedene Bevölkerungsschichten, fällt dem Wandel zum Opfer. Die berühmten Berliner Hinterhöfe machen heute Einkaufspassagen oder Büro-Atrien Platz.

Im Zentrum Berlins sind folgende Projekte in Planung: Die Zentralstation des Lehrter Bahnhofs, das Kanzleramt mit Kanzlergarten, die Büros für die Parlamentarier, der Deutsche Bundesrat, der Reichstag, Planungen am Alexanderplatz, Pariser Platz und in der Friedrichsstraße, weiters Ländervertretungen.

Was sich am Leipziger/Potsdamer Platz tun wird, zeigt bis 26. März das Frankfurter Architekturmuseum auf vier Geschossen. Die breite Leipziger Straße als Ost-West-Verbindung der Stadt endete im Leipziger und Potsdamer Platz. Wenn die zwei auch nicht so recht den Namen „Platz“ verdienten und immer mehr zum chaotischen Verkehrsknoten wurden. Und doch gab es zahlreiche planerische Bemühungen, die achteckige Platzfigur zu schließen. Berühmt sind Schinkels Zollhäuschen. 1909 versucht sich – am Reißbrett – Bruno Schmitz an einem Rundbau, einem Hochhaus, um das „Ausfließen“ des Platzes zu verhindern. 1930 rekonstruiert Erich Mendelsohn, auf Papier freilich nur, Schinkels Zollhäuschen und baut das „Columbus Haus“, ein Werk des früheren Modernismus. Ein Kaufhaus – fast gläsern damals, mit seinen konsequenten Band-Fenstern entlang der vorsichtig gekurvten Fassade. 1940 zeichnet Albert Speer einen Plan mit Bauten rund um den Leipziger Platz. 1945 ist der Krieg zu Ende, die Mauer kriecht nach und nach dort hervor, wo's früher nur so brodelte.

1946 schlägt Max Taut eine aufgelockerte Bebauung vor. Viel ist zerstört nach dem Krieg, doch noch viel mehr wird in den Jahrzehnten danach niedergerissen: offenbar entwurzelt im Niemandsland um verminte Regionen. Es bleiben einzig das Weinhaus Gut und Teile des Hotels Esplanade stehen. 1958 wird in einem internationalen Wettbewerb über die „Hauptstadt Berlin“ nachgedacht, die reale Trennung ignorierend. In der Nähe dieser real existierenden Barriere entsteht 1962 bis 1967 Mies van der Rohes Nationalgalerie und fast zeitgleich Hans Scharouns Staatsbibliothek. Im November 1989 fällt am Potsdamer Platz die „Mauer“. Ein halbes Jahr davor hatte Daimler-Benz ein großes Stück des Grundstückes erworben, mit dem Gedanken, das städtische Areal dort aufzuwerten. Sony, Hertie, ABB kaufen die restlichen Grundstücke.

Dem Stadtsenat wird vorgeworfen, geschichtsträchtiges (Wieder-)Kernland an Multis vergeben zu haben, ohne Rücksicht auf urbane Erfordernisse. Er schreibt also 1990 einen Wettbewerb aus, der Richtlinien für die vier großen Investoren festlegen soll. Oswald Mathias Ungers schlägt zehn Stück Turmhäuser mit 180 Meter Höhe vor, William Alsop und Jan Störmer versuchen mit insektoid anmutenden Bauten die corbusianische Idee des Freihaltens der Parkflächen in ihre Architektursprache zu übersetzen, allerdings teilweise gepaart mit historischer Rekonstruktion. Hans Kollhoff plaziert sieben Hochhäuser (200 bis 290 Meter hoch) am Potsdamer Platz und erntet besonders „Ost-Kritik“: Ein Belagerungsring der großen Konzerne im Herzen Berlins würde einem Siegesmal des Kapitalismus über die DDR gleichkommen. Hilmer und Sattler gewannen den ersten Preis. Eine Blockrand-Bebauung mit maximaler Traufenhöhe von 22 Metern war ihr Vorschlag. Ein Stichkanal sollte zum Potsdamer Platz geführt werden, und eine Erinnerung an die Schinkelschen Zollhäuser sollte sich hier wiederfinden.

1992/93 lädt nun der größte Investor – Daimler-Benz – zu einem Wettbewerb. Dieser bringt etliche Überarbeitungen des Hilmer-Sattler-Planes zutage. Renzo Piano und Christoph Kohlbecker erhalten von der Jury 20 Stimmen gegen eine. Sie übernehmen die Blockbebauung von Sattler/Hilmer, setzen aber den bestehenden Solitärbauten – Staatsbibliothek und Nationalgalerie – „Echos“ gegenüber. Neubauten, die auf die amorphe Gestalt von Scharouns Bau reagieren und urbane Funktionen übernehmen – Musical Theater und Spielbank . Sie sollen von der „Bürowelt“ der Investoren zur „Kunstwelt“ überleiten.

Die bestehenden Solitäre sollen sich im Wasser spiegeln, der Stichkanal hingegen verschwindet. Renzos geschickte Anbindung an Scharouns Bau begrenzt das Wettbewerbsgebiet im Westen, und zugleich unterstreicht der Entwurf die alte Achse der Potsdamerstraße.

Um die Vielfalt dort zu schaffen, wo die Eigentumsverhältnisse völlig homogen sind, werden einige Teilnehmer des Wettbewerbes von 1992 zur Mitarbeit gebeten. Hans Kollhoff plant eines der dominanten Hochhäuser am Potsdamer Platz – auf spitzwinkeligem Grundriß wächst es klinkerverkleidet in Stufen empor.

Piano selber baut das niedrigere Hochhaus und sieben weitere Bauten – gerasterte Ziegel-Glas-Stahl-Fassaden mit Lüftungslamellen werden für gestalterische Einheitlichkeit sorgen. Richard Rogers sind drei Wohn- und Bürohäuser zuzuschreiben: Transparente Stahlskelettbauten sind gegen Osten geöffnet, um die Innenhöfe zu belichten.

José Rafael Moneo und die weniger bekannten Berliner Architekten Ulrike Lauber/Wolfram Wöhr üben sich in zurückhaltender Formensprache. Arata Isozaki plant eine zweihüftige Büroanlage. Der Sony-Wettbewerb wird von Helmut Jahn gewonnen. Eine aufgeblähte Shopping Mall wird sich im Zentrum Berlins ungewöhnlich machen. Unter Giorgio Grassi entsteht für ABB eine Baugruppe mit Lochfassaden. Und zwar schon sehr bald und vor allem sehr rasch: 1998 muß die Bautätigkeit abgeschlossen sein.

Hat dieser Platz nicht eine eigenartige Geschichte? Stetig ist er gewachsen, ständig wurde er „beplant“, zerstört. Die gähnende Leere wird nun innerhalb kürzester Zeit „zugepflastert“ mit allem, was das Architektenherz so begehrt. Wird dann jede Erinnerung an die Leere verlöschen? Wird man später ein Mahnmal an die Mauer errichten müssen?

Spectrum, Sa., 1995.03.18

25. Februar 1995Vera Purtscher
Spectrum

Schwechat oder: Was in Graz zu lernen wäre

Wer meint, man müßte nur edles, teures Material verwenden und automatisch entstünde gute Architektur, der irrt gewaltig! Beweis? Franz Fehringers Zubauten zum Flughafen Wien-Schwechat.

Wer meint, man müßte nur edles, teures Material verwenden und automatisch entstünde gute Architektur, der irrt gewaltig! Beweis? Franz Fehringers Zubauten zum Flughafen Wien-Schwechat.

Wer meint, man müßte nur edles, teures Material verwenden und automatisch entstünde gute Architektur, der irrt gewaltig! So viel Naturstein, Chrom, Messing und Massivholz Franz Fehringer auch in Schwechats Flughafen gepackt hat, so miserabel bleibt das Endergebnis.

Nähert man sich via S-Bahn, so dringt man durch unterirdische „Gedärme“ vom dunklen zum hellen Niveau. Kommt man via Bus oder Auto, öffnen sich die Glastüren für ein Erlebnis der besonderen Art. Im alten Teil des Schwechater Flughafens durchbrechen hohe Fenster zwischen leicht geneigten Rahmen aus Stahlbeton die Fassade. Darunter sind jeweils die Schalter der Fluglinien und gegenüber Check-in-Schalter situiert. Dazwischen der längsgerichtete Raum mit grauschwarz gestreiftem Konglomeratgestein am Boden und einer homogen gelochten weißen Deckenuntersicht. Zwei Zugänge zu den Flugsteigen respektive zwei Paßkontrollen finden sich jeweils am Ende jener Hallen, die normal zur Zugangszone liegen.

Neuerdings führt in der Mitte zwischen den Check-in-Schaltern eine Treppe in die Höhe. Unter einem balkonartigen Pflanzentrog (wie gießt man hier wohl?) hindurch entführt eine Rolltreppe nebst blauer Keramik-Stiege zu drei verschiedenen Lokalen.

Was sich da an Karos tut: diagonal und gerade, in Bahnen und versetzt, im Dreieck endend oder Öffnungen in der Decke aussparend, die Lichtkuppeln vortäuschen sollen. Alles natürlich x-fach angereichert durch technische Einbauten wie Lautsprecher, Lüftungsgitter, Strahler, Notbeleuchtung und Brandmelder.

Flankiert ist der Rolltreppenaufgang von chromgefaßten Glasbausteinen, natürlich auch diese schräg gestellt und ihr Ende somit eine Zickzacklinie bildend. Das scheint das Motto hier zu sein: Wieder ist es ein unmotiviert im spitzen Winkel zum Boden geführtes Fliesen-Dreieck, das dorthin leitet, wo Glastüren in diverse „internationale“ Melange-Gourmettempel führen.

Ein kleines, rundes Glasdach – zum Kegel geformt – markiert den Gastbereich. Darin Tischchen, Spiegelchen. Gleich dahinter kommt es tatsächlich zur Melange: nichts, was sich hier nicht mit etwas anderem verbündete.

Wirklich weh tut es, wenn man am großen, kreisrunden Lichthof vorbeigeht: Der klare Glaskegel, diesmal in Großausführung, soll das Licht weiter hinunter führen. Glaswände ringsum verhindern das Stolpern Neugieriger. Dahinter Pflanzentröge, damit möglichst hermetisch abgeriegelt wird, was als matt-schmutzige Glasscheibe besagtes Licht doch tiefer führen soll.

Nun also befindet sich der Wartende vor diversen Selbstbedienungstresen, die er passiert, um zum freien Blick auf die Rollbahn zu gelangen. Nur nicht zurückschauen! Denn hier konkurrieren Decken-Untersichten mit Wandteilern, polierte keramische Fliesen mit grünen Teppichen, diese wieder mit den roten Stühlen. Hin und wieder stehen zwischen den Tischen in Holz eingespannte Glasscheiben, gewähren Durchsicht, wo sie glasklar sind, evozieren Intimität, wo sie matt ausgeführt wurden.

Kreisförmig quält sich dieser Zubau Richtung Flugfeld. Das mag ja eine maximale Außenwand mit Blickrichtung Rollfeld ermöglichen, ja könnte zu einer besonders ruhigen Gestaltung führen. Aber ruhig ist hier nur eines: der Fensterraster. Fix verglast zwischen den konstruktiven Stehern, tut sich hier (fast) nichts Überflüssiges (abgesehen vom gerafften, innenliegenden textilen Sonnenschutz).

Der Halbkreis um diese bevorzugten Fensterblick-Plätze wurde schalldämpfend „beteppicht“. Peinlich wird es dort, wo Säulen zum Teil auf Teppich, zum Teil auf rot-weiß kariertem keramischen Bodenbelag zu stehen kommen. Die Sesselleiste wird da eben in Spannteppichmaterial hingeschnuddelt – und an diesem bequemen Prinzip wird auch noch an jenen Stellen festgehalten, wo die Säulen zur Gänze aus dem Fliesenboden wachsen.

Spiegel gibt es hier, Grünpflanzen, blauen Naturstein bei den Selbstbedienungs-Tresen, Holzkassettierungen darunter, chrom- und messingfunkelnde Garderobenhaken und Säulen. Abgetreppte Deckensprünge markieren den Übergangsbereich vom Rundbau zum Hauptgebäude und bei Niveausprüngen. Spinnennetzartig markiert ein riesiges Deckenlicht das Zentrum des Selbstbedienungsbereichs. Einzige Erholung für das überstrapazierte Auge bietet der Blick auf das weite Rollfeld, wo ja äußerst selten etwas passiert.

Der Flüchtende versucht nun, eine andere Richtung einzuschlagen. Rechts ab geht es zum Restaurant mit Bedienung. Doch allfällige Hoffnungen trügen – auch hier hieß es, modisch, nicht modern zu sein! Daß die Gestaltung dieser Restaurant-Bereiche in die (Un-)Verantwortung englischer Innenraumgestalter fällt, wird doppelt die Frage auf, nach welchen Kriterien die Wiener Flughafenbetriebsgesellschaft ihre Planer aussucht.

Zurück also, via Rolltreppe in die alte Abflughalle. Nach links sich wendend, findet sich als augenfälligstes Merkmal der neuen Halle deren Deckenuntersicht: Schmale Halbtonnen strecken sich, leicht durchhängend, vom Eingangsbereich zum Flugfeld hin. Zwischen den Halbtonnen, dort, wo die Rippen aufeinandertreffen, entstehen verschieden breite Stege, die für Rasterleuchten Platz lassen. Ansonsten durchstoßen allerorten zylindrische Leuchtkörper den Hohlraum der Rippen und versehen die Decke mit zahlreichen Lichtpunkten, die sich im Steinboden spiegeln.

Ein nahezu unvergleichlicher Höhepunkt an architektonischer Lichtführung mißlang mittels kaum zu beschreibender Dachflächenfenster, die keine sind. Schneidet man die Tonne schräg an, ergeben sich schispitzenähnliche Dachfenster. Damit kein Loch entsteht, plante Fehringer ein weiteres parabolförmiges Fenster ein, das im rechten Winkel wieder zur Rippenaußenseite streben muß. Das Loch ist zu! Und doch dringt kaum diffuses Licht herein. Wozu die böse Untersicht, der schlimme Eingriff, die teure Ausführung? Der Architekt wird es wissen.

Am Ende der neuen Halle wird es enger: Eine Bar nimmt die Hälfte der Halle in Beschlag. An ihr vorbei gelangt man in einen zirka drei Meter hohen Raumtunnel und freut sich an einer Passage, die ein gläsernes Satteldach aufweist. Diese Stegkonstruktion führt zum noch unvollendeten Pier West. Die Metall-Sparren stehen allerdings für den durchschreitenden Fluggast dem Licht im Weg, sodaß der Gang zwar erhellt wird, die Lichtquelle jedoch verborgen bleibt.".

Teure Natursteinverkleidungen an den Wänden dürfen alle fünf Meter unter 45 Grad zurückspringen, gleich wieder den Rückweg antreten und so kleine Nischen bilden. Dort findet auch ein rotgestrichenes, metallisches Säulchen Platz, das als Kapitell drei Konsolen tragen darf, die dem gestalterischen Übermut eines Entwerfers entsprungen sein müssen, der hoffentlich in Zukunft keine öffentlichen Bauten mehr „ausschmücken“ darf.

Sie wollen nun all das hinter sich lassen, zücken Ihre Boarding Card und den Paß. Nach der Kontrolle öffnet sich die automatische Schiebetüre:4 &&gAuf tut sich das Abbild einer kleinkarierten Vorstellung von Internationalität. Fast erdrückt wird man von der Raumhöhe. Wer sich orientieren will, verliert sich zwischen Mozartkugeln und Daunenbettwäsche. Sie haben eben Vienna's International Labyrinth betreten, oder ist es ein Gang durch eine Shopping-Geisterbahn? Wo sternförmig sechs Gänge in einen runden „Platz“ münden, krönt eine gläserne, bunte Glaskuppel das Irdische mit einem Himmelszelt.

Später darf der erstaunte Fluggast die diversen modischen Gags an den „Fingern“ und am neuen Hauptgebäude des Flughafens bewundern. Zwischen Pier Ost und Pier West ragt leuchtend gelb eine tonnenförmige Stahlkonstruktion, an Seile gehängt, über einen runden Gelenksbau. Zu viel Schnickschnack und schlecht proportioniert, erwartet man darunter doch eine Freiluftplattform Richtung Rollfeld. Weit gefehlt! Der aufwendige Disney-World-Technologie-Effekt ist nichts weiter als mutwillige Dachgestaltung. Niemand wird je diese Untersicht bewundern können. Erst nach der darunterliegenden Decke, dem eigentlichen Dach, findet sich wieder ein Restaurant. Keiner ahnt dort, was über seinem Kopfe schwebt.

Über die Fassade treppt sich unerklärlich ein blaues Band. Ein Sprung im Gebäude nimmt zu guter Letzt schon vorweg, wohin diese Architektur gehört. In der bläulichen Glasfassade wagt es dieser Riß, sich auch noch farblich und plastisch besonders hervorzutun: Ein grüner Wulst quält sich der Linie nach.

Ob Pars pro toto oder vice versa: Der Flughafen Wien Schwechat ist eine Schande. Weniger Luxus an der Oberfläche und mehr Tiefe und Sensibilität im Entwurf hätten Österreich eine Blamage ersparen können. – Weltweit wurden im Zuge des zunehmenden Flugverkehrs Flughäfen gebaut. Die Liste der guten Beispiele ist lang, die Namen der Architekten sind einem geläufig. Bei Österreichs Haupt-Flughafen ist beides nicht der Fall.

Vielleicht sollte man sich angewöhnen, in Graz zu landen und dann mit dem Bus nach Wien zu fahren. Die Provinzstadt kann der Bundeshauptstadt in Sachen Flughafen nämlich noch einiges vormachen!

Spectrum, Sa., 1995.02.25

14. Januar 1995Vera Purtscher
Spectrum

Das Gute, der Feind des Guten

Wolfurt, Vorarlberg. Ein Haus mit vier verschiedenen Außenwänden und einem experimentellen Garagentrakt: alles schön, nur zuviel von allem. Besuch im Potpourri.

Wolfurt, Vorarlberg. Ein Haus mit vier verschiedenen Außenwänden und einem experimentellen Garagentrakt: alles schön, nur zuviel von allem. Besuch im Potpourri.

Die Architekten Dietmar Eberle und Carlo Baumschlager errichteten im Süden von Bregenz ein Bauwerk mit Experimentalcharakter: die „Lagertechnik Wolfurt“. Versetzen Sie sich in einen lichtdurchfluteten, 26 mal 26 Meter großen Raum im dritten Stock. Es ist ein Großraumbüro der besonders sympathischen Art: der helle Industrie-Holzfußboden, die kammartig aufgestellten Arbeitstische, der verdreht eingefügte Konferenzraum, der, halb durchscheinend, nur halb abschirmt; sind es die hellen Ahornmöbel, die Lichtkuppeln, die Öffnung zum darunterliegenden Bürogeschoß, oder ist es die verschiedene Ausformung der vier Seitenwände? Was macht diesen Raum so unglaublich reizvoll?

Die Komposition ist es. Das Zusammenfügen dieser Elemente zu einem harmonischen Ganzen. Denn trotz der vielfältigsten Gestaltungselemente gelingt es Eberle/Baumschlager, statt Chaos Ruhe, statt räumlicher Verunsicherung klar definierte Zonen zu schaffen.

Die Eingangstüre aus gelochten Ahorn-Platten mit dazwischenliegendem Glas führt vom Liftfoyer über einen kleinen Steg direkt ins Großraumbüro. Man blickt rechts und links ins darunterliegende Bürogeschoß und wird von oben hell beleuchtet. Ein Dachschlitz läßt L-förmig an dieser innenliegenden Wand und an der angrenzenden Ostfassade entlang das Licht hinabströmen. Ein paar Schritte weiter verengt sich der weite Raum rechts durch eine Wand, die drei Einzelbüros vom Großbüro ausgliedert, links durch ein Industrieglas-umschlossenes Konferenzzimmer. Ein Rezeptions-Möbel am Ort dieser Engstelle schließt den Reigen architektonischer Regieführung vom öffentlichen über den halböffentlichen Raum bis zum Arbeitsplatz. Über dem Wartenden wurde eine kreisrunde Lichtkuppel plaziert. In einer Linie fortgeführt noch drei weitere.

Die Brüstungen der Galeriebereiche und der zwei einläufigen Stiegen, die als interne Verbindung zwischen den Büro-Ebenen dienen, sind klug als Möbel genutzt. Ordnerschränke aus Ahorn, als offene Regale ausgebildet, vereinen Praktisches mit formal Ansprechendem; erscheint doch diese dritte Etage schwebender, ohne massiv gemauerte Brüstung.
Die Südseite ist eine reine Glasfassade - hochisolierendes Glas mit vorgeblendeten, horizontal verlegten, starren, vom Computer errechneten Alu-Lamellen, Nord- und Ostseitig der Deckenschlitz und Südseitig riesige Fensterscheiben, wenngleich mit Verdunkelungsmöglichkeiten durch Holzschiebetüren: sollte es hier nicht zu heiß werden? Die Architekten sind zuversichtlich.

Laut Computerberechnungen müßte auch das klimatische Wohlbefinden in diesen Räumen gewährleistet sein. Der Glasschlitz am Dach soll nicht nur Licht, sondern auch Wärme ins Haus bringen. Was zuviel des Guten sei, diene andererseits als Wärmepuffer. Vom Dach hängen textile, blaue Rolljalousien als Barriere gegen den möglichen Hitzestau. Eine gelochte, weiße Gipskarton-Decke löst das Schallproblem.

Das Großraumbüro im zweiten Stock entspricht dem darüberliegenden. Hier ist der verschobene Kobel nicht aus Profilit, sondern schalldämpfend ausgebildet, dunkel gestrichen und dient als Plotterraum. Das strahlende Licht ist hier schon viel weniger leuchtkräftig, die Glasschlitze in der Ost- und Westwand, die sozusagen vom Dachschlitz noch hinuntergeführt wurden, tun hier besonders wohl, da sie die besten Richtungsweiser ins darüberliegende Geschoß sind und den Wunsch nach räumlicher Großzügigkeit unterstreichen. - Nun verlassen wir die Büro-Arbeitsplätze und betreten das Stiegenhaus: Grüner, stark gefladerter Verde Guatemala ist hier am Boden verlegt worden. Auch die Liftwand erhielt diese Natursteinverkleidung, darin die Niro-Türe mittig sitzt. Rechts und links flankiert von Mattglastüren, die zu den WCs führen. Spartanisch hier: weiß gestrichene Wände, keine Fliesen, ein Niro-Waschtisch, in derselben Breite eine Spiegelbahn hochgezogen, Seifenspender und ein Haken für's Handtuch genügen.

Bei der Stiege gönnten sich Architekten und Bauherrschaft einen gewissen Luxus. Wurde doch einem rechteckigen Raum ein Parabel-Segment eingeschrieben, das „toten Raum“ zurückläßt. Die simple Betonstiege, weiß gestrichen, jeweils pro Stufe oder Podest mit einer Platte des grünen Natursteines beklebt, ergeben ein starkes graphisches Motiv: hell - dunkel, horizontal - vertikal, weiche Form - harte Form. Denn die Stiege wendelt sich sanft um das Parabel-Segment-Loch. Beim Antritt beginnend, immer sanfter in die Gerade der begleitenden Wand übergehend, um dann vor den letzten fünf Stufen akkurat die Richtung zu wechseln und streng rechtwinklig abzuzweigen.

In der gesamten Foyer-Breite und in voller Raumhöhe bilden querliegende Glasscheiben die Außenwand. Es scheint, als wären Reispapier-Einlagen zwischen die Isolierglasscheiben geschoben worden. Das Stiegenhaus ist taghell, sogar bis in den Keller. Das elegant vorsichtige Fächermotiv des Geschwungenen kontrastiert mit dem streng Geometrischen und beide verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung.
Im Erdgeschoß darüber sind Werkstätten und das dazugehörende Büro untergebracht: vom edel-bescheidenen Foyer betritt der Besucher wieder jene große „Fuge“, die auch hier zweigeschoßig das Licht von der Ost- und Westfassade einfängt. Jene Fuge, die den eigentlichen Bau vom davorgestellten Glaskubus trennt. Auch hier ist Eberle/Baumschlager eine Innen-Treppe besonders geschmackvoll geglückt. Massive Eichenbohlen wurden zwischen zwei Mauern gespannt und die freibleibenden Setzstufen als Glasstreifen nahtlos eingepaßt. Fast strahlenförmig zeichnet sich demzufolge der Schattenwurf auf die zwei Wangenwände: ein kontemplatives Moment auf den groben Betonwänden. Die Werkshalle ist hell, die Natur zum Greifen nahe. Der Stahlbeton-Stützraster der Büroräume von sieben mal sieben Metern findet sich hier wieder, vielfach von Kranbahnen, metallischen Stapelregalen und Maschinen fast verdeckt.

Nun soll auch das Experimentielle an diesem Bauwerk besprochen werden: es sind zum einen seine vier Fassaden, zum anderen der Glaskubus, der den Bau zur Zufahrt hin dominiert. Durchschimmernd nur, nicht durchsichtig, läßt er doch dahinter Autos erkennen. Ein neu entwickeltes Stapel-Garagierungsmodell kann an diesem Prototyp Interessierten vorgeführt werden.

Die querliegenden Glasbänder sind an vier Stellen von großen Türöffnungen durchbrochen. Drei dienen den Autos, eine edlere den Besuchern. Dieser Glaskubus ist um einen Halbstock höher als der quadratische Baukörper dahinter, der die beschriebenen Nutzungen erfüllt. Zwischen diesen höheren und niedrigeren Block schiebt sich besagte Licht-Fuge. Die Westfassade zeigt ihr Stahlbetonskelett unbehandelt, und facht die großen Öffnungen jeweils mittels dreier Holz-Schiebe-Elemente aus. Die dahinterliegenden Glasscheiben, die sich auch öffnen lassen, sind wahlweise ein Drittel oder zur Gänze versteckt. Eine zweigeschoßige Niro-Tür läßt große Lasten ihren Ein- und Ausweg finden. Ansonsten spielt das Zufallsprinzip (welcher Mitarbeiter schiebt seinen Fensterladen wohin) bei dieser Fassade eine große Rolle. Sein klarer Raster und seine Strenge halten aber immer Balance.
Neunzig Grad gewandt zeigt sich die Südfassade anders: eine Glasfassade mit horizontalen Alu-Lamellen zum Beschatten. Und nochmals um die Ecke gebogen, weist eine Betonmauer ab, mancherorten durchstanzt von querliegenden, außenbündig sitzenden Glasscheiben. Die demontable Südfassade, die eine Erweiterung des Baues in die Tiefe des Grundstückes zuließe, soll ohne Beschränkung zu den Wohnbauten blicken. Die Schiebeelemente der Westfassade können ja geschlossen werden, wenn es einmal keine Erdbeerfelder mehr dort gäbe.
Ein Haus, vier Seiten (hieß es nicht einmal: ein Mann ein Wort?). So routiniert und souverän Eberle/Baumschlager das Repertoir moderner Architektur beherrschen, gelingt es ihnen doch nicht, den Eindruck eines in sich gefügten Ganzen entstehen zu lassen. Die Verunsicherung darüber, was gute oder schlechte zeitgemäße Architektur ist, wird durch dieses Beispiel nicht geringer! Jede Seite der „Lagertechnik Wolfurt“ ist reizvoll, qualitätvoll, gekonnt. Aber muß denn ein Potpourri daraus gemacht werden?
Theo Sommer, Herausgeber der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“, meint: "Ganz gewiß müssen auch die Intellektuellen des Landes in sich gehen. Viele von ihnen haben die Selbstverwirklichung bis zum Exzeß gepredigt; haben Tugend, Anstand, Stil verlacht; haben die postmoderne Beliebigkeit eine zeitlang so weit getrieben, daß nach der Devise „Alles geht“ nichts mehr verpönt war."

Alle Schaffenden tragen Verantwortung, auch Architekten und deren Kritiker. Vielleicht gibt es im ausgehenden Jahrtausend eine Rückbesinnung eben darauf. Nur in diesem Sinne dient mir der durchaus lobenswerte Bau von Eberle/Baumschlager gleichzeitig als Warnung.

Spectrum, Sa., 1995.01.14



verknüpfte Bauwerke
Betriebsgebäude Lagertechnik Wolfurt

Profil

Architektur Studium TU Wien, Diplom bei Prof. Ernst Hiesmayr, Mitarbeit im Atelier von Prof. Holzbauer Wilhelm. ZT Prüfung und selbstständiges Architektur Büro in Wien. Ab 2002 in Vorarlberg. Produkt Design als Hobby wird vermehrt zur Hauptbeschäftigung. 2015 Umzug in die Schweiz. Firma nennt sich seither VERA PURE

Lehrtätigkeit

Funktionelle Assistenz auf der Universität für Angewandte Kunst. Guest Critics ebendort. Vorträge auf Symposien, Fachhochschulen, Seminaren.

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
AIANI- Austria-Israel Academic Network Innsbruck, Archiv für Bau.Kunst.Geschichte der LFU Innsbruck, VAI - Vorarlberger Architektur Institut, Heimatpflege- und Museumsvereins Lech-Tannberg, Internationale Vereinigung für Walsertum,

Publikationen

Schriftenreihe KUB, „Halle In Syros“ von Walter Pichler, div. Artikel im „Spektrum“ der Presse, in den „Perspektiven“, „Möbel - Raum- Design“ und „Bauforum“

Veranstaltungen

Architektur: „Das ungebaute Wien“ im Historischen Museum der Stadt Wien (heute: WienMuseum), „Context and Continuity“ in NY und Chicago.
Design: div. Beteiligungen an Ausstellungen und Messen in Mailand, NY, Venedig, Ljubljana, Eindhoven, Carrara, Wien.

Auszeichnungen

1. Preis für Kunst- und Kulturvermittlung in Österreich
Gold Winner NY Product Design Awards 2021

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