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10. Mai 2010Sue Lüthi
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Fesselnde Fassade

Vor dieser Fassade bleibt die Betrachterin rätselnd stehen: Was ist so faszinierend? Nicht nur die Farben, sondern die Verkleidungselemente. Alle sind...

Vor dieser Fassade bleibt die Betrachterin rätselnd stehen: Was ist so faszinierend? Nicht nur die Farben, sondern die Verkleidungselemente. Alle sind...

Vor dieser Fassade bleibt die Betrachterin rätselnd stehen: Was ist so faszinierend? Nicht nur die Farben, sondern die Verkleidungselemente. Alle sind gleichen Ausmasses, eingespannt zwischen zwei Deckenstirnen, aber die einen lassen sich vor die Fenster schieben. Nur welche und wo verbergen sich Fenster? Ganz gleich in welcher Position die Läden stehen, das Gesamtbild stimmt immer. Es ist von grosser Raffinesse, wie die Architektin den Solitär verkleidete. Das siebengeschossige Gebäude liegt hinter dem Bahnhof Winterthur im Neuwiesenquartier. Es bildet zusammen mit dem U-förmigen Nachbarneubau einen Blockrand mit Innenhof. Die 41 Mietwohnungen gruppieren sich um einen Betonkern aus zwei Treppenhäusern und den Nassräumen. Andere Raumteilungen sind auf den Bodenbelag montiert. Jede Wohnung hat mindestens einen Balkon und alle haben Zutritt auf die Dachterrasse. Dort schufen die Planer mit wenig Einrichtung eine Idylle mit Sicht über die Stadt. Das Haus weist das von der Bauherrschaft geforderte Minergie-Eco-Zertifikat auf.

hochparterre, Mo., 2010.05.10



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02. März 2010Sue Lüthi
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Im Nachhaltigkeitsdschungel

Die 2000-Watt-Richtlinien lassen der Architektur genug Spielraum, sagt Mathias Heinz der Pool Architekten und erklärt ihr neustes Projekt.

Die 2000-Watt-Richtlinien lassen der Architektur genug Spielraum, sagt Mathias Heinz der Pool Architekten und erklärt ihr neustes Projekt.

An der Badenerstrasse 380 in Zürich entsteht der erste Neubau nach den Richtlinien der 2000-Watt-Gesellschaft. Bauherrin ist die Baugenossenschaft Zurlinden, geplant wurde der Bau von Pool Architekten. Mathias Heinz von Pool Architekten über die neuen Richtlinien.

Was zeichnet das Gebäude an der Badenerstrasse in Bezug auf die 2000-Watt-Anforderungen aus?
Das interessante ist, dass die Nachhaltigkeit nicht explizit thematisiert wurde und wir so ein Gebäude mit einer eigenen Architektursprache realisieren konnten. Das Gebäude soll nicht ausstrahlen: Ich bin ein Ökohaus. Auch ist es nicht ein superkompaktes Haus, wie man es von einem energiesparenden Gebäude erwartet. Hier konnten wir beweisen, dass es möglich ist, ein energetisch sehr gutes Haus zu erstellen, das nicht als massiver Klotz in Erscheinung tritt.

Wie entstand die Gebäudeform?
Primär hat die Gebäudeform architektonische Gründe. Wir haben versucht, an dieser Lage ein Gebäude zu entwerfen, das zweiseitig orientiert ist, einerseits zur Badenerstrasse, andererseits zum neuen Stadtpark. Das Gebäude hat zwei vollwertige Schaufassaden statt einer Strassenfassade und einer Hoffassade. Das führte zu den sechs Baukörpern, die ab dem 1. Obergeschoss zueinander verschoben sind. Sekundär haben wir damit die Lärmproblematik gelöst. Ohne Speziallösung hätten die Räume zur Badenerstrasse hin wegen des Lärms nicht natürlich belüftet werden dürfen. Diese Vorschrift steht in direktem Widerspruch zu kompakten Baukörpern, wie dies für energetisch nachhaltige Gebäude ideal wäre. So entstand die prägnante Form. Klar, das Verhältnis der Fassadenfläche zum Volumen ist schlecht, diesen Nachteil konnten wir aber problemlos wettmachen, indem wir in anderen Bereichen besser gebaut haben.

Es ist demnach ein Vorurteil, dass Energiesparhäuser architektonisch nicht attraktiv sind?
Für Architekten ist es eine kulturelle Herausforderung, mit den veränderten Anforderungen gute Architektur zu entwickeln. Jedes Amt und jede Bausparte hat eigene Normen entwickelt, die für den Entwurf oft sehr prägend sind. Jetzt gilt es, diese Normen zusammen- und umzusetzen — unter der Berücksichtigung der Architektur. Es kann nicht sein, dass man einfach eine energiesparende Box baut, ohne die kulturelle Nachhaltigkeit der Architektur mit zu berücksichtigen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, bleibt auch das energetisch beste Haus nicht nachhaltig. Es gehört dazu, dass es in den städtebaulichen Kontext eingepasst ist und von den Bewohnern getragen wird. Die Richtlinien der 2000-Watt-Gesellschaft setzen hier an der richtigen Stelle an: Sie basieren auf einem Gesamtwert, betrachten das gesamte Gebäude und bearbeiten nicht Einzeldisziplinen. Die Grenzwerte beim Minergie-Standard sind zwar gut gemeinte Ansätze, aber als Ganzes passen sie nicht zusammen.

Braucht es andere Ansätze als Minergie?
Minergie ist ein Label und beruht auf einer Berechnung mit klaren rechnerischen Grenzwerten, was nur wenige Kommastellen darüber liegt, ist ungenügend. Und obwohl auch ein solches Gebäude sehr gut ist, erhält es kein Label. Von diesem «Label-Denken» sollte man Abstand nehmen. Jeder kennt die Kurve zwischen Ertrag und Aufwand. Lieber ein energetisch sinnvolles Gebäude mehr, statt Bauherren mit unflexiblen Grenzwerten abzuschrecken, weil der Aufwand für die letzten fünf Prozent eine überproportionale Investition erfordert. Die 2000-Watt-Gesellschaft ermöglicht eine andere Betrachtungsweise. Die Richtlinie ist offener; man verwaltet ein Energiebudget. Wie man dieses innerhalb des Bauprozesses erreicht, ist dem Planer überlassen. Man kann an einer Stelle mehr investieren und dies kompensieren, wo es weniger schmerzt.

Zum Beispiel?
Bei der Fassadenverkleidung: Die Wahl der Glasfaserbeton-Profile hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen. Sie schneiden punkto Nachhaltigkeit sehr gut ab. Das Werk liegt in der Nähe, womit kurze Transportwege gegeben sind, die Produktion ist relativ energiearm, da das Material in eine Form gegossen wird und an der Luft austrocknet. Die Entsorgung am Ende des Lebenszyklus ist auch unproblematisch, da das Material rein mineralisch ist. Zudem braucht unser eigens gestaltetes Profil weniger Aluminium- Unterkonstruktion, das spart Kosten und vermindert Wärmebrücken. Wir konnten also mehr in die sichtbare Verkleidung investieren. Es ist spannend, wie manchmal Ökologie und Ökonomie parallel verlaufen.

Das Gebäude ist ein kompletter Holzbau, wie sind Sie auf diese Bauweise gekommen?
Wir haben die einzelnen Bauteile so nachhaltig wie möglich ausgewählt mit Berücksichtigung der grauen Energie, um so den Energiekennwert A der 2000-Watt-Gesellschaft zu erreichen. Die Wahl der Holzbauweise beruht auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft und Planern. Interview: Sue Lüthi, Fotos: Henzi & Micchiché Für ein anderes Objekt hatte die Bauherrschaft das «Top-Wall-System» entwickelt und uns gebeten, dieses zu prüfen. Wir sind dann einen Schritt weitergegangen und haben ein komplettes Holzhaus vorgeschlagen. Die Schottenstruktur mit Spannweiten unter sechs Meter eignete sich vorzüglich. Die Erkenntnis ist, dass Holz gegenüber Backstein und Beton für den Rohbau ein gleichwertiger Baustoff ist. Jedes Material sollte künftig so eingesetzt werden, dass seine konstruktiven Eigenschaften optimal genutzt werden, immer unter der Berücksichtigung der Nachhaltigkeit.

Spielt die Wahl der Unternehmer eine Rolle?
Die Bauherrrin, die Baugenossenschaft Zurlinden, ist eine Unternehmergenossenschaft, die schon seit ein paar Jahren nach den Prinzipien der 2000-Watt baut. Damit waren die Bauunternehmer am Werk, die bereit waren, den richtigen Weg einzuschlagen. Aber egal, mit welchem Unternehmer man baut, man muss bei der Planung die Vorgaben als Bedingung setzen, damit man das gewünschte Produkt erhält.

Ist der Planungsaufwand beim Holzbau höher?
Nach unserer Erfahrung bleibt der Planungsaufwand beim vorgefertigten Elementbau derselbe wie beim Massivbau, nur ist er zeitlich verlagert. Der Grossteil der Planung muss in einer frühen Phase des Baus definitiv bestimmt werden. Das ist auch für die Bauherrschaft interessant, da weniger Überraschungen auftreten. Das bringt auch eine grössere Kostensicherheit.

Hat sich die Bauweise auf die Bauzeit und die Arbeitsabläufe ausgewirkt?
Absolut. Der Elementbau ist unwahrscheinlich schnell, der Zimmermann hat pro Tag ein Stockwerk (pro Haus) aufgerichtet. Somit spart man Bauzeit und Geld, womit die Mehrkosten des Rohbaus ausgeglichen werden. Noch ein Vorteil ist, dass Elemente wie Fenster und Installationswände bereits während des Baus ins richtige Geschoss geliefert werden konnten, was den Bauablauf ebenfalls effizienter gestaltet. Allerdings müssen die Unternehmer auch enger zusammenarbeiten, es ist mehr Kommunikation verlangt, damit der Bau reibungslos abläuft. Dies erspart der Bauleitung aber auch Konfliktlösungen, die oft durch mangelnde Kommunikation verursacht werden.

Wie bewährt sich der Effizienzpfad Energie des SIA in der Praxis?
Wir wurden durch das Architekturbüro Hansruedi Preisig begleitet. Preisig ist Mitautor des Effizienzpfads Energie. Eine Begleitung während des ganzen Bauablaufs von der Zielsetzung bis zur Bauausführung ist übrigens jeder Bauherrschaft zu empfehlen, denn das Gebiet ist sehr komplex. Es ist schwierig, sich in dem Nachhaltigkeitsdschungel zurecht zu finden. Alles ist im Fluss, es gibt laufend neue Erkenntnisse. Daher ist es sehr hilfreich, wenn eine Fachperson bei allen Baukommissions- und Fachplanersitzungen dabei ist und immer wieder den Finger auf die wunden Punkte hält.

Braucht es mehr Richtlinien oder Gesetze fürs nachhaltige Bauen?
Nein, die Ziele des Effizienzpfads Energie zu erreichen, ist schon eine grosse Herausforderung. Und die Energiewerte, zum Beispiel der Badenerstrasse, sind nun so gut, dass eine zusätzliche Verbesserung ein Riesenaufwand bedeuten würde. Aber man sollte andere Faktoren betrachten, den Standort und das Verhalten zum Beispiel. Es bringt nichts, wenn ich ein Haus mit Minergiezertifikat habe oder ein Haus nach 2000-Watt-Richtlinien baue und jeden Tag eine Stunde mit dem Auto zum Arbeitsplatz fahre. Das ist der falsche Weg.

Ist nachhaltiges Bauen teurer als konventionelles?
Das ist so, aber der Mieter erhält auch mehr. Die Bauherrschaft an der Badenerstrasse investierte bewusst mehr in die Konstruktion, kann dafür auch leicht höhere Mieten verlangen, da die Nebenkosten so gering sind, dass unter dem Strich die Mieten günstiger sind als bei Vergleichsobjekten. Dies wird sich noch stärker auswirken, wenn die Energiepreise ansteigen. Wir wissen zum Beispiel schon jetzt, dass für die Mieter an der Badenerstrasse mehr Nebenkosten für das Brauchwasser als fürs Heizen anfallen werden. Da das Wasser die nächste knappe Ressource sein wird, erhielt jede Wohnung einen separaten Wasserzähler.

Können die Mieter ihre Nebenkosten durch das Wohnverhalten beeinflussen?
Ja, auf jeden Fall, und zwar wie sie lüften und wie sie heizen. Das bestkonstruierte Haus nützt nichts, wenn kein Bewusstsein für diese Themen vorhanden ist. Wenn man die Wohnungen im Winter etwas weniger heizen und vielleicht einen Pullover anziehen würde, statt nur ein T-Shirt. Oder wenn man die Schlafräume weniger heizen würde, könnten massiv Energiekosten eingespart werden.

Wie schwierig war der Bau des ersten 2000-Watt-Hauses, gemessen an einer Bergtour?
Ein Wanderweg mit einer rechten Steigung, aber nie gefährlich und wir waren in guter Begleitung.

hochparterre, Di., 2010.03.02



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25. Februar 2009Sue Lüthi
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Motörchen am Heizkörper

Forscher und Techniker wollen die Auto­mation der Gebäude populär machen. Die meisten Architekten sind noch skeptisch.

Forscher und Techniker wollen die Auto­mation der Gebäude populär machen. Die meisten Architekten sind noch skeptisch.

Die Hochschule Luzern — Technik & Architektur schickt eine neue Botschaft in Sachen Energiesparen hinaus. Sie nennt sich iHomeLab. Das modische Kürzel aus der Welt der Apple-Community verbindet Forschung und Ingenieurpraxis. Ale­xander Klapproth, Professor und Leiter des «Center of Excellence for Embedded System Applied Research» (Ceesar) der Hochschule Luzern, hat mit drei Millionen Franken ein Labor aufbauen können. Hier wird «intelligentes Wohnen» erforscht und präsentiert.

Im iHomeLab auf dem Schulcampus in Horw sieht es allerdings nicht aus wie zu Hause. Im weis­sen Empfangsraum steht ein Korpus, nebenan ein paar Sitzkissen. Aus den Ecken schallt Musik und die virtuelle Stimme von Lisa. Sie informiert die Besucherin. Plötzlich öffnet sich die Projektionswand — Sesam öffne dich! — und man steht in einem grossen, weissen Raum. Er gleicht eher einem Computerladen als einer Stube: Rundum Gestelle mit Tableaus, Geräten, Bildschirmen. Im Bo­den und an den Wänden verlaufen Schienen, auf denen Wände ein- und ausgefahren werden.
In diesem Labor zukünftigen Wohnens wird untersucht, wie verschiedene Geräte vom Heizkessel bis zur Stereoanlage von einem Ort aus überwacht und gesteuert werden können. Hier wird der grösste Stromfresser im Haus ermittelt oder studiert, wie eine Bedienung vereinfacht werden kann. Klapproth machts vor: Mit seinem iPhone verändert er das Licht und stellt Lisa auf stumm.

Verbessern und informieren

Mit dem Auftritt will der For­scher die Technik des iHome­Lab mas­­sen­­­tauglich machen. Im Kern geht es um Ge­bäudeautomation, die Heizungs-, Elektro- und Lüftungstechnik, aber auch Rollläden und Multi­mediageräte zentral steuert. Sie soll zuerst die Energieeffizienz eines Hauses verbesseren: Die Temperatur wird bei Abwesenheit gesenkt, die Waschmaschine läuft bei billigem Nachtstrom. Gebäudeautomation will aber auch das Leben im Haus vereinfachen. Und schliesslich die Sicher­heit erhöhen. Von der Haus­türe über Wetterfühler bis zum Timer an der Kaffeemaschine werden alle Apparate zentral gesteuert.

Das iHomeLab ist, wie erwähnt, nicht nur eine technische Werkstatt, sondern auch ein Showroom. Die Technik selbst ist zwar schon weit entwickelt, aber noch zu kompliziert und zu teuer. Erst im grossen Massstab angewendet wird sie günstiger. Darum sei Information ein wichtiger Teil der Hochschule, betont Alexander Klapproth:
«Wir sind präsent mit der Website, dem News­­letter, Mailings und Publikationen, wir gestalten Veranstaltungen und Kongresse mit, um auch die wissenschaftliche Seite abzudecken.» Kurz: Die Hochschule will das interdisziplinäre Netzwerk rund ums künftige Wohnen ausbauen.

Die Vernetzung und vor allem die Überwachung der Geräte ist elementar für die Durchset­zung der Energieeffizienz. Nur so sieht der Hausbewohner, wo wie viel Energie verbraucht oder eingespart wird. Dank Gebäudeautomation kann bereits heute ein Neubau mit 30 Prozent weniger Energie auskommen, an bestehenden Gebäuden können 20 Prozent eingespart werden. Die Luzer­ner Forschenden, aber auch Verbände und die In­dustrie tragen die Aufrufe des Bundesam­ts für Energie (BFE) weiter. Gemäss BFE verbrauchen Gebäude knapp 50 Prozent der Gesamt­energie des Landes: 30 Prozent für Heizung, Klimatisierung und Warmwasser, 14 Prozent in Form von Elektrizität und etwa 6 Prozent für die Herstellung und den Unterhalt. Zum Vergleich: Der Verkehr verschlingt 30 Prozent der Gesamtenergie.

Architekten stehen abseits

Doch wessen Aufgabe ist es, sich für Gebäudeautomation stark zu machen? Man denkt zuerst an die Ar­chi­­tekten: Sie sind die Berater der Bauherrschaft, sie steuern den Hausbau. Doch das Interesse hält sich in Grenzen. Energieeffizienz hat für viele Ar­chitekten bisher nichts mit dem Job zu tun. Sie bringt mehr Planungsaufwand, ist teuer und kom­pliziert. Alexander Klapproth fasst seine Erfahrung so zusammen: «Das Gebäudebild der Ar­chi­tekten ist stark vom Material, der Form und Gestaltung geprägt, die Technik und vor allem neue Entwicklungen sind für die Gestalter schwer fassbar.» Deshalb werde Technik nur als Neben­-schauplatz oder notwendiges Übel wahr­ge­nom­men. Kommt dazu, dass Techniker und Archi­tek­ten unterschiedliche Wahrnehmungen haben und verschiedene Sprachen sprechen. Klapproth ist des­halb realistisch: «Es braucht Zeit, die unterschiedlichen Weltbilder kompatibel zu machen.»

Trotz des verbreiteten Desinteresses der Architekten an technisch avancierten Lösungen hat für ihn die ausgeklügelte Haustechnik Zukunft: «Die Klima- und Heizungsregelung ist weit fortgeschritten und die Multimedia- und IT-Infrastruktur hat sich etabliert. Aber diese Teilsysteme sind noch nicht integriert und zum Beispiel mit den Elektrogewerken nicht vernetzt.» Auch der Komfort lasse noch zu Wünschen übrig. Die Bedienung der komplexen Technik müsse einfacher werden. Trotzdem sei die Technik nicht mehr zu stoppen, nicht zuletzt wegen der steigenden Energiepreise. «Ich rechne damit, dass in zwei bis drei Jahren die Energieeffizienz dank Gebäudesteuerung bei den Wohnbauten markante Resultate zeigen wird», prognostiziert Klapproth.

Keine Hexerei

Bei Neubauten energiesparende Technik einzubauen oder mindestens die Installation dafür vorzusehen, ist keine Hexerei: Von einem Tableau im Keller führen die Leitungen sternförmig zu allen gesteuerten Geräten, vom Lichtschalter bis zum Sonnenschutz. Diese sind mit Kabeln oder per Funk mit dem Bedien­element verbunden. In der Planung und beim Ein­zug braucht es einen Systemintegrator, der die Bedürfnisse der Hausbewohner aufnimmt, programmiert und das Tableau im Keller überwacht. Die Bewohner kommen dann aber mit einer Fernbedienung, dem Mobiltelefon oder einem fix installierten Schaltkästchen aus.

Und der Preis? Die Neubaukosten seien gegenüber konventioneller Technik nicht viel höher, sagt Alex Wettstein. Er hat als Bauherr modernste Technik in einem Wohn- und Geschäftshaus in Bivio integriert. René Senn, Leiter von Raum Consulting, einem Beratungsbüro für in­tel­ligentes Woh­nen, nennt für einfache Installationen in Neu­-bauten Mehrkosten von zwei bis vier Prozent.
Geht es um die Sanierung von bestehenden Gebäuden, macht es wenig Sinn, den Backofen mit dem Fernsehgerät zu vernetzen. Hier gilt es vorab, die Heizungen nachzurüsten. Schon mit einer einfachen Steuerung der Heizkörper kann ein Ein­­familienhaus mit bis zu einem Drittel weniger Öl auskommen. Eine einfache Nachrüstung ist zum Beispiel ein Kästchen, das über Funk die Regler an den Radiatoren dirigiert. Man stellt Zeit und Raumtemperatur ein und die Regler — ausgerüs­tet mit Temperaturmessung und Motörchen — drehen die Heizkörper auf und zu. Neue Leitungen sind keine nötig und Elektrosmog-Angst ist unbegründet, die Sendeleistungen sind gering und nicht permanent. Eine Minute mobil telefonieren entspricht einer Strahlenbelastung von 15 Jahren Wohnen mit Funk-Heizungsregler. Und damit die Abwehrargumente der hohen Kosten ins rechte Licht gerückt sind: Ein Gerät für ein Einfamilienhaus, zum Beispiel «Synco living» von Siemens, kostet 3600 Franken — Montage inklusiv.

Die Normen

> Der SIA setzt mit dem Merkblatt «Energieausweis für Gebäude» und der Norm 386.110 (in Europa seit 2007 die EN 15232) an. Das Merkblatt sagt, wie der Hausbesitzer zu einem Energieausweis kommt. Dieser Ausweis ist eine Bestandesaufnahme eines Gebäudes, der zeigt, wie viel von welcher Energie ein Haus verbraucht und wo das Sparpotenzial liegt. Zurzeit wird das Merkblatt von den Kantonen koordiniert und optimiert. Es soll im Sommer 2009 zur Vorschrift und breit gestreut werden.

> Die SIA-Norm 386.110 «Energieeffizienz von Gebäu­-
den — Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement» ist seit einem Jahr in Kraft. Sie gibt unter anderem Vereinheitlichungs- und Berechnungsmethoden zur Energieeffizienz vor. Die Norm teilt die Gebäudeautomation in die vier Effizienzklassen A, B, C, D ein, von hoch effizient bis nicht effizient.

> Das Bundesamt für Energie befasst sich mit der Um­-
setzung der Norm EN 15232 «Energieeffizienz von Gebäuden — Auswirkungen der Gebäudeautomation und des Gebäudemanagements», die die EU 2007 erliess. Stefan Wiederkehr vom BFE betont, dass es wichtig sei, Normen nicht nur für den Bau zu er­lassen, sondern auch zu prüfen, dass die Geräte rich­tig bedient werden. Deshalb beauftragte das Amt den Ve­rein «energho», sich beim Bau und bei Sa­nie­run­gen von öffentlichen Gebäuden bei der Bauherr­schaft einzuschalten und sie explizit über die Gebäudeautomation zu informieren. Allein mit der Optimierung
der bestehenden Gebäudetechnik könnten die Energiekosten um 10 Prozent gesenkt werden.

[ Daniel Lischer (47) ist Architekt ETH, war unter anderem bei Cruz und Ortiz, Sevilla, und Jean Nouvel, Paris, tätig und führt das Büro Lischer Partner Architekten Planer in Luzern. ]

hochparterre, Mi., 2009.02.25



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27. April 2006Sue Lüthi
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Der Ruf der Stadt

Mitten in der Stadt Zürich schreibt das Amt für Hochbauten einen offenen Wettbewerb aus. Über 100 Architekturbüros haben sich beteiligt, fast die Hälfte davon stammt aus Deutschland. Warum scheuen die Stadt und die Beteiligten diesen Aufwand nicht? Zum Betrachten und Mitmachen eine lustvolle Aufgabe, für die Stadt ein qualitativ hoch stehendes Resultat.

Mitten in der Stadt Zürich schreibt das Amt für Hochbauten einen offenen Wettbewerb aus. Über 100 Architekturbüros haben sich beteiligt, fast die Hälfte davon stammt aus Deutschland. Warum scheuen die Stadt und die Beteiligten diesen Aufwand nicht? Zum Betrachten und Mitmachen eine lustvolle Aufgabe, für die Stadt ein qualitativ hoch stehendes Resultat.

Die Adresse lockt, die Stadt lädt ein: Zur Ausstellung der 106 Wettbewerbsprojekte, die beim Zürcher Amt für Hochbauten für einen Neubau an der Ecke Langstrasse- Neugasse in Zürich eingegangen sind. Das ist ei-ne ungeheure Zahl, wenn man bedenkt, dass es sich bei der Aufgabe um ein einzelnes Wohnhaus mit nur neun Wohnungen und Gebäudekosten von 3,2 Millionen Franken handelt. In der Ausstellung kommt man nicht aus dem Staunen: In den spektakulärsten Farben und Formen präsentieren die Pläne den Neubau. «Einige Teilnehmende sahen hier den Ort für eine überspannte, fast monumentalisierende Geste als gegeben», ist dem Jurybericht zu entnehmen. Ein A0-Papierausdruck pro Projekt verhilft zum schnellen Überblick und Erfassen der Ideen und soll den Aufwand auf allen Seiten aufs Minimum begrenzen. Diese Abgabeform und das kleine Gebäudevolumen von 4770 Kubikmeter lockten viele Büros zur Beteiligung.

Hohe Beteiligung aus Deutschland Doch vor allem hat dieser Ort eine magische Anziehung – nicht für die Beleber des Zürcher Rotlichtmilieus, für sie ist das alte Haus unbedeutend – aber für Architektinnen und Architekten: Der Entwurf eines Wohngebäudes im Blockrand von 1895 an einer grossen Strasse mitten in der Stadt Zürich reizte Planer bis weit über die Landesgrenzen. 37 Büros aus Deutschland haben sich an der Konkurrenz beteiligt (HP 11/04), 41 aus der Stadt Zürich und jedes investierte im Durchschnitt über 200 Stunden Arbeit.

Nur wenige sahen ihre Teilnahme als «Gag» mit limitiertem zeitlichen Einsatz, um Ideen zu liefern und spielerisch auszuprobieren, was sich mit der Ecke anstellen liesse. Wie kommt ein Büro aus Berlin, Leipzig oder Wien dazu, sich mit dieser verrufenen Ecke auseinander zu setzen? Genau der Ruf sei es, so der Inhaber der Archifactory aus Bochum, nämlich der Ruf von hoher architektonischer Qua-lität in der Schweiz, dazu die genannte städtebauliche Attraktion und das kleine Volumen. Ferner loben Architekten aus Deutschland die perfekte Organisation der Wettbewerbe in der Schweiz, im speziellen die klare, überblickbare Aufgabe, vorzügliche Unterlagen, nachher eine Ausstellung und ein schön gestalteter Jurybericht mit allen Projekten. Dickes Lob auch von den Zürcher Büros für die Ausloberin. Für die Stadt plant man gern, die Beurteilung ist von hoher Qualität und die Projekte werden realisiert, ergänzt die Zürcher Architektin Zita Cotti, die Verfasserin des Siegerprojekts.

Jeder Neubau ein Wettbewerb

Die Stadt Zürich sucht sich für alle ihre Neubauten Planungspartner mittels Wettbewerb. Dieses vorbildliche Ver- halten ist ein Beitrag an die Baukultur und Nachwuchsförderung. Doch es kostet. 100 000 Franken Eigenaufwand pro Wettbewerb, etwa zehn pro Jahr fallen an, eingerechnet auch jene, welche die Stadt als Dienstleistung für andere Bauherrschaften organisiert, wie zum Beispiel für Wohnbaugenossenschaften. Diese entscheiden sich meist für einen selektiven Wettbewerb – die vielen Eingaben schrecken Private vom offenen Verfahren ab. Das Amt für Hochbau-ten aber setzt das Werkzeug ‹offener Wettbewerb› wo immer möglich ein (HP 10/05), er ist ein «faires, transparentes Vorge-hen für die Auswahl des Architekten und vor allem auch eine Qualitätssicherung für die ganze Projektphase», wie Ursula Müller vom Amt für Hochbauten begründet, «und eine effiziente Projektentwicklung zahlt sich aus»

Lohnt sich diese Arbeit denn auch beim kleinen Wettbewerb ‹Langstrasse›? Klar steht in diesem Fall der Aufwand des Wettbewerbs in keinem Verhältnis zur Bausumme, das ist sich das Amt für Hochbauten bewusst. Doch eine Wettbewerbsveranstaltung koste nun mal so viel, der administrative Aufwand sei enorm, ob offen oder selektiv. Der Wettbewerbsorganisator Volker Götz holt aus: 300 Programme versenden, 106 Pakete öffnen und sortieren, Pläne aufhängen, CDs checken, Fragen aufnehmen und beantworten, ungültigen E-Mail-Adressen nachrennen und so weiter. Die Grösse des Projekts fällt dabei gar nicht so sehr ins Gewicht. Bei selektiven Wettbewerben ist zwar meistens die Zahl der Beteiligten geringer, jedoch aber sind sie intensiver in der Vorprüfung, weil zum Beispiel die Ämter miteinbezogen werden, erklärt Götz, der Vorprüfer des Wettbewerbs ‹Langstrasse›.

Beim offenen Verfahren wird die Vorprüfung auf einen Check auf Vollständigkeit, termingerechte Abgabe und baurechtliche Korrektheit reduziert. Schon bei dieser Sichtung – im Durchschnitt drei Minuten pro Projekt – stellte Volker Götz bei 70 Prozent der Projekte Lärmschutz-Ver-stösse fest. Und dies, obwohl das Wettbewerbsprogramm klar auf die Problematik Lärmschutz und Belüftung hingechwiesen hatte. Trotzdem wurden sie zur Beurteilung zuge-lassen, zu viele hätten ausgeschlossen werden müssen und man wollte sich keinen guten Grundriss entgehen lassen. Schlussendlich bleiben einige Namen und Eindrücke der Teilnehmer bei der Jury haften und es kann vorkommen, dass ein positiv auffallendes Architekturbüro in die Jury oder gar zu einem Wettbewerb eingeladen werden.

Die Stadt ist nicht überrascht über die hohe Teilnehmerzahl. Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich 300 Büros bewerben und 100 einreichen. Interessant ist jedoch, dass beim Wettbewerb an der Langstrasse sämtliche sechs Preisgelder an Zürcher Büros vergeben wurden (‹Offener Projektwettbewerb›, unten). Liegt es an der Darstellung oder der Bearbeitungstiefe der Projekte? «Nein», ist die klare Antwort der Architektin Ursula Müller, Vorsitzende der Fachjury. Dieser Regionalismus ist der Stadt zwar bekannt, doch auch ihr ein Rätsel. Fast nie kommt ein ausländisches Büro in die Ränge, selten eines aus einem anderen Kanton. Ein Grund dafür kann die Ortskenntnis, die Nähe zur Situation, aber vielleicht auch die Jury sein, spekuliert Ursula Müller. Obwohl sie bei der Zusammensetzung des Preisgerichts auf einen guten Mix von Ortsansässigkeit, Alter und Geschlecht achten – was nicht einfach sei –, eine Gemeinsamkeit ist da: Fast alle sind ETH-Zürich-Abgänger. Der Hochschulregio-nalismus? Das Phänomen der lokalen Sieger ist weit bekannt. Es trifft auch auf Lausanne, Basel oder Berlin zu.

Der Weg zum Auftrag

Auch die Deutschen wundern sich, dass alle sechs Ränge an Zürcher Büros gingen, würdigen aber gleichzeitig die hohe Qualität der Schweizer Architektur. Dass sich so viele Büros aus Deutschland beteiligen, liegt nicht nur an Zürichs Attraktivität, sondern auch an der dortigen desolaten Auftragslage in der Branche. Es gebe einfach zu viele Architekten, ist auf Anfrage zu hören, zudem sind offene Wettbewerbe selten. Bei den wenigen schnellt die Zahl der eingereichten Projekte zum Beispiel auf 890 für den Neubau einer Schule bei München, wovon 30 in die zweite Stufe aufgenommen wurden.

Die deutschen Büros, die sich in Zürich beteiligt haben, konnten sich bis jetzt mit Direktaufträgen über Wasser halten, keines der angefragten gewann durch einen Wettbewerb einen Auftrag. Nicht so für die prämierten Zürcher Büros: Sie gaben an, dass für sie der Wettbewerb der einzige Weg ist, um an Aufträge zu gelangen. Zürich ist ein hartes, aber verlockendes Architekturpflaster.

hochparterre, Do., 2006.04.27



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Presseschau 12

10. Mai 2010Sue Lüthi
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Fesselnde Fassade

Vor dieser Fassade bleibt die Betrachterin rätselnd stehen: Was ist so faszinierend? Nicht nur die Farben, sondern die Verkleidungselemente. Alle sind...

Vor dieser Fassade bleibt die Betrachterin rätselnd stehen: Was ist so faszinierend? Nicht nur die Farben, sondern die Verkleidungselemente. Alle sind...

Vor dieser Fassade bleibt die Betrachterin rätselnd stehen: Was ist so faszinierend? Nicht nur die Farben, sondern die Verkleidungselemente. Alle sind gleichen Ausmasses, eingespannt zwischen zwei Deckenstirnen, aber die einen lassen sich vor die Fenster schieben. Nur welche und wo verbergen sich Fenster? Ganz gleich in welcher Position die Läden stehen, das Gesamtbild stimmt immer. Es ist von grosser Raffinesse, wie die Architektin den Solitär verkleidete. Das siebengeschossige Gebäude liegt hinter dem Bahnhof Winterthur im Neuwiesenquartier. Es bildet zusammen mit dem U-förmigen Nachbarneubau einen Blockrand mit Innenhof. Die 41 Mietwohnungen gruppieren sich um einen Betonkern aus zwei Treppenhäusern und den Nassräumen. Andere Raumteilungen sind auf den Bodenbelag montiert. Jede Wohnung hat mindestens einen Balkon und alle haben Zutritt auf die Dachterrasse. Dort schufen die Planer mit wenig Einrichtung eine Idylle mit Sicht über die Stadt. Das Haus weist das von der Bauherrschaft geforderte Minergie-Eco-Zertifikat auf.

hochparterre, Mo., 2010.05.10



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02. März 2010Sue Lüthi
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Im Nachhaltigkeitsdschungel

Die 2000-Watt-Richtlinien lassen der Architektur genug Spielraum, sagt Mathias Heinz der Pool Architekten und erklärt ihr neustes Projekt.

Die 2000-Watt-Richtlinien lassen der Architektur genug Spielraum, sagt Mathias Heinz der Pool Architekten und erklärt ihr neustes Projekt.

An der Badenerstrasse 380 in Zürich entsteht der erste Neubau nach den Richtlinien der 2000-Watt-Gesellschaft. Bauherrin ist die Baugenossenschaft Zurlinden, geplant wurde der Bau von Pool Architekten. Mathias Heinz von Pool Architekten über die neuen Richtlinien.

Was zeichnet das Gebäude an der Badenerstrasse in Bezug auf die 2000-Watt-Anforderungen aus?
Das interessante ist, dass die Nachhaltigkeit nicht explizit thematisiert wurde und wir so ein Gebäude mit einer eigenen Architektursprache realisieren konnten. Das Gebäude soll nicht ausstrahlen: Ich bin ein Ökohaus. Auch ist es nicht ein superkompaktes Haus, wie man es von einem energiesparenden Gebäude erwartet. Hier konnten wir beweisen, dass es möglich ist, ein energetisch sehr gutes Haus zu erstellen, das nicht als massiver Klotz in Erscheinung tritt.

Wie entstand die Gebäudeform?
Primär hat die Gebäudeform architektonische Gründe. Wir haben versucht, an dieser Lage ein Gebäude zu entwerfen, das zweiseitig orientiert ist, einerseits zur Badenerstrasse, andererseits zum neuen Stadtpark. Das Gebäude hat zwei vollwertige Schaufassaden statt einer Strassenfassade und einer Hoffassade. Das führte zu den sechs Baukörpern, die ab dem 1. Obergeschoss zueinander verschoben sind. Sekundär haben wir damit die Lärmproblematik gelöst. Ohne Speziallösung hätten die Räume zur Badenerstrasse hin wegen des Lärms nicht natürlich belüftet werden dürfen. Diese Vorschrift steht in direktem Widerspruch zu kompakten Baukörpern, wie dies für energetisch nachhaltige Gebäude ideal wäre. So entstand die prägnante Form. Klar, das Verhältnis der Fassadenfläche zum Volumen ist schlecht, diesen Nachteil konnten wir aber problemlos wettmachen, indem wir in anderen Bereichen besser gebaut haben.

Es ist demnach ein Vorurteil, dass Energiesparhäuser architektonisch nicht attraktiv sind?
Für Architekten ist es eine kulturelle Herausforderung, mit den veränderten Anforderungen gute Architektur zu entwickeln. Jedes Amt und jede Bausparte hat eigene Normen entwickelt, die für den Entwurf oft sehr prägend sind. Jetzt gilt es, diese Normen zusammen- und umzusetzen — unter der Berücksichtigung der Architektur. Es kann nicht sein, dass man einfach eine energiesparende Box baut, ohne die kulturelle Nachhaltigkeit der Architektur mit zu berücksichtigen. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, bleibt auch das energetisch beste Haus nicht nachhaltig. Es gehört dazu, dass es in den städtebaulichen Kontext eingepasst ist und von den Bewohnern getragen wird. Die Richtlinien der 2000-Watt-Gesellschaft setzen hier an der richtigen Stelle an: Sie basieren auf einem Gesamtwert, betrachten das gesamte Gebäude und bearbeiten nicht Einzeldisziplinen. Die Grenzwerte beim Minergie-Standard sind zwar gut gemeinte Ansätze, aber als Ganzes passen sie nicht zusammen.

Braucht es andere Ansätze als Minergie?
Minergie ist ein Label und beruht auf einer Berechnung mit klaren rechnerischen Grenzwerten, was nur wenige Kommastellen darüber liegt, ist ungenügend. Und obwohl auch ein solches Gebäude sehr gut ist, erhält es kein Label. Von diesem «Label-Denken» sollte man Abstand nehmen. Jeder kennt die Kurve zwischen Ertrag und Aufwand. Lieber ein energetisch sinnvolles Gebäude mehr, statt Bauherren mit unflexiblen Grenzwerten abzuschrecken, weil der Aufwand für die letzten fünf Prozent eine überproportionale Investition erfordert. Die 2000-Watt-Gesellschaft ermöglicht eine andere Betrachtungsweise. Die Richtlinie ist offener; man verwaltet ein Energiebudget. Wie man dieses innerhalb des Bauprozesses erreicht, ist dem Planer überlassen. Man kann an einer Stelle mehr investieren und dies kompensieren, wo es weniger schmerzt.

Zum Beispiel?
Bei der Fassadenverkleidung: Die Wahl der Glasfaserbeton-Profile hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen. Sie schneiden punkto Nachhaltigkeit sehr gut ab. Das Werk liegt in der Nähe, womit kurze Transportwege gegeben sind, die Produktion ist relativ energiearm, da das Material in eine Form gegossen wird und an der Luft austrocknet. Die Entsorgung am Ende des Lebenszyklus ist auch unproblematisch, da das Material rein mineralisch ist. Zudem braucht unser eigens gestaltetes Profil weniger Aluminium- Unterkonstruktion, das spart Kosten und vermindert Wärmebrücken. Wir konnten also mehr in die sichtbare Verkleidung investieren. Es ist spannend, wie manchmal Ökologie und Ökonomie parallel verlaufen.

Das Gebäude ist ein kompletter Holzbau, wie sind Sie auf diese Bauweise gekommen?
Wir haben die einzelnen Bauteile so nachhaltig wie möglich ausgewählt mit Berücksichtigung der grauen Energie, um so den Energiekennwert A der 2000-Watt-Gesellschaft zu erreichen. Die Wahl der Holzbauweise beruht auf einer engen Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft und Planern. Interview: Sue Lüthi, Fotos: Henzi & Micchiché Für ein anderes Objekt hatte die Bauherrschaft das «Top-Wall-System» entwickelt und uns gebeten, dieses zu prüfen. Wir sind dann einen Schritt weitergegangen und haben ein komplettes Holzhaus vorgeschlagen. Die Schottenstruktur mit Spannweiten unter sechs Meter eignete sich vorzüglich. Die Erkenntnis ist, dass Holz gegenüber Backstein und Beton für den Rohbau ein gleichwertiger Baustoff ist. Jedes Material sollte künftig so eingesetzt werden, dass seine konstruktiven Eigenschaften optimal genutzt werden, immer unter der Berücksichtigung der Nachhaltigkeit.

Spielt die Wahl der Unternehmer eine Rolle?
Die Bauherrrin, die Baugenossenschaft Zurlinden, ist eine Unternehmergenossenschaft, die schon seit ein paar Jahren nach den Prinzipien der 2000-Watt baut. Damit waren die Bauunternehmer am Werk, die bereit waren, den richtigen Weg einzuschlagen. Aber egal, mit welchem Unternehmer man baut, man muss bei der Planung die Vorgaben als Bedingung setzen, damit man das gewünschte Produkt erhält.

Ist der Planungsaufwand beim Holzbau höher?
Nach unserer Erfahrung bleibt der Planungsaufwand beim vorgefertigten Elementbau derselbe wie beim Massivbau, nur ist er zeitlich verlagert. Der Grossteil der Planung muss in einer frühen Phase des Baus definitiv bestimmt werden. Das ist auch für die Bauherrschaft interessant, da weniger Überraschungen auftreten. Das bringt auch eine grössere Kostensicherheit.

Hat sich die Bauweise auf die Bauzeit und die Arbeitsabläufe ausgewirkt?
Absolut. Der Elementbau ist unwahrscheinlich schnell, der Zimmermann hat pro Tag ein Stockwerk (pro Haus) aufgerichtet. Somit spart man Bauzeit und Geld, womit die Mehrkosten des Rohbaus ausgeglichen werden. Noch ein Vorteil ist, dass Elemente wie Fenster und Installationswände bereits während des Baus ins richtige Geschoss geliefert werden konnten, was den Bauablauf ebenfalls effizienter gestaltet. Allerdings müssen die Unternehmer auch enger zusammenarbeiten, es ist mehr Kommunikation verlangt, damit der Bau reibungslos abläuft. Dies erspart der Bauleitung aber auch Konfliktlösungen, die oft durch mangelnde Kommunikation verursacht werden.

Wie bewährt sich der Effizienzpfad Energie des SIA in der Praxis?
Wir wurden durch das Architekturbüro Hansruedi Preisig begleitet. Preisig ist Mitautor des Effizienzpfads Energie. Eine Begleitung während des ganzen Bauablaufs von der Zielsetzung bis zur Bauausführung ist übrigens jeder Bauherrschaft zu empfehlen, denn das Gebiet ist sehr komplex. Es ist schwierig, sich in dem Nachhaltigkeitsdschungel zurecht zu finden. Alles ist im Fluss, es gibt laufend neue Erkenntnisse. Daher ist es sehr hilfreich, wenn eine Fachperson bei allen Baukommissions- und Fachplanersitzungen dabei ist und immer wieder den Finger auf die wunden Punkte hält.

Braucht es mehr Richtlinien oder Gesetze fürs nachhaltige Bauen?
Nein, die Ziele des Effizienzpfads Energie zu erreichen, ist schon eine grosse Herausforderung. Und die Energiewerte, zum Beispiel der Badenerstrasse, sind nun so gut, dass eine zusätzliche Verbesserung ein Riesenaufwand bedeuten würde. Aber man sollte andere Faktoren betrachten, den Standort und das Verhalten zum Beispiel. Es bringt nichts, wenn ich ein Haus mit Minergiezertifikat habe oder ein Haus nach 2000-Watt-Richtlinien baue und jeden Tag eine Stunde mit dem Auto zum Arbeitsplatz fahre. Das ist der falsche Weg.

Ist nachhaltiges Bauen teurer als konventionelles?
Das ist so, aber der Mieter erhält auch mehr. Die Bauherrschaft an der Badenerstrasse investierte bewusst mehr in die Konstruktion, kann dafür auch leicht höhere Mieten verlangen, da die Nebenkosten so gering sind, dass unter dem Strich die Mieten günstiger sind als bei Vergleichsobjekten. Dies wird sich noch stärker auswirken, wenn die Energiepreise ansteigen. Wir wissen zum Beispiel schon jetzt, dass für die Mieter an der Badenerstrasse mehr Nebenkosten für das Brauchwasser als fürs Heizen anfallen werden. Da das Wasser die nächste knappe Ressource sein wird, erhielt jede Wohnung einen separaten Wasserzähler.

Können die Mieter ihre Nebenkosten durch das Wohnverhalten beeinflussen?
Ja, auf jeden Fall, und zwar wie sie lüften und wie sie heizen. Das bestkonstruierte Haus nützt nichts, wenn kein Bewusstsein für diese Themen vorhanden ist. Wenn man die Wohnungen im Winter etwas weniger heizen und vielleicht einen Pullover anziehen würde, statt nur ein T-Shirt. Oder wenn man die Schlafräume weniger heizen würde, könnten massiv Energiekosten eingespart werden.

Wie schwierig war der Bau des ersten 2000-Watt-Hauses, gemessen an einer Bergtour?
Ein Wanderweg mit einer rechten Steigung, aber nie gefährlich und wir waren in guter Begleitung.

hochparterre, Di., 2010.03.02



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25. Februar 2009Sue Lüthi
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Motörchen am Heizkörper

Forscher und Techniker wollen die Auto­mation der Gebäude populär machen. Die meisten Architekten sind noch skeptisch.

Forscher und Techniker wollen die Auto­mation der Gebäude populär machen. Die meisten Architekten sind noch skeptisch.

Die Hochschule Luzern — Technik & Architektur schickt eine neue Botschaft in Sachen Energiesparen hinaus. Sie nennt sich iHomeLab. Das modische Kürzel aus der Welt der Apple-Community verbindet Forschung und Ingenieurpraxis. Ale­xander Klapproth, Professor und Leiter des «Center of Excellence for Embedded System Applied Research» (Ceesar) der Hochschule Luzern, hat mit drei Millionen Franken ein Labor aufbauen können. Hier wird «intelligentes Wohnen» erforscht und präsentiert.

Im iHomeLab auf dem Schulcampus in Horw sieht es allerdings nicht aus wie zu Hause. Im weis­sen Empfangsraum steht ein Korpus, nebenan ein paar Sitzkissen. Aus den Ecken schallt Musik und die virtuelle Stimme von Lisa. Sie informiert die Besucherin. Plötzlich öffnet sich die Projektionswand — Sesam öffne dich! — und man steht in einem grossen, weissen Raum. Er gleicht eher einem Computerladen als einer Stube: Rundum Gestelle mit Tableaus, Geräten, Bildschirmen. Im Bo­den und an den Wänden verlaufen Schienen, auf denen Wände ein- und ausgefahren werden.
In diesem Labor zukünftigen Wohnens wird untersucht, wie verschiedene Geräte vom Heizkessel bis zur Stereoanlage von einem Ort aus überwacht und gesteuert werden können. Hier wird der grösste Stromfresser im Haus ermittelt oder studiert, wie eine Bedienung vereinfacht werden kann. Klapproth machts vor: Mit seinem iPhone verändert er das Licht und stellt Lisa auf stumm.

Verbessern und informieren

Mit dem Auftritt will der For­scher die Technik des iHome­Lab mas­­sen­­­tauglich machen. Im Kern geht es um Ge­bäudeautomation, die Heizungs-, Elektro- und Lüftungstechnik, aber auch Rollläden und Multi­mediageräte zentral steuert. Sie soll zuerst die Energieeffizienz eines Hauses verbesseren: Die Temperatur wird bei Abwesenheit gesenkt, die Waschmaschine läuft bei billigem Nachtstrom. Gebäudeautomation will aber auch das Leben im Haus vereinfachen. Und schliesslich die Sicher­heit erhöhen. Von der Haus­türe über Wetterfühler bis zum Timer an der Kaffeemaschine werden alle Apparate zentral gesteuert.

Das iHomeLab ist, wie erwähnt, nicht nur eine technische Werkstatt, sondern auch ein Showroom. Die Technik selbst ist zwar schon weit entwickelt, aber noch zu kompliziert und zu teuer. Erst im grossen Massstab angewendet wird sie günstiger. Darum sei Information ein wichtiger Teil der Hochschule, betont Alexander Klapproth:
«Wir sind präsent mit der Website, dem News­­letter, Mailings und Publikationen, wir gestalten Veranstaltungen und Kongresse mit, um auch die wissenschaftliche Seite abzudecken.» Kurz: Die Hochschule will das interdisziplinäre Netzwerk rund ums künftige Wohnen ausbauen.

Die Vernetzung und vor allem die Überwachung der Geräte ist elementar für die Durchset­zung der Energieeffizienz. Nur so sieht der Hausbewohner, wo wie viel Energie verbraucht oder eingespart wird. Dank Gebäudeautomation kann bereits heute ein Neubau mit 30 Prozent weniger Energie auskommen, an bestehenden Gebäuden können 20 Prozent eingespart werden. Die Luzer­ner Forschenden, aber auch Verbände und die In­dustrie tragen die Aufrufe des Bundesam­ts für Energie (BFE) weiter. Gemäss BFE verbrauchen Gebäude knapp 50 Prozent der Gesamt­energie des Landes: 30 Prozent für Heizung, Klimatisierung und Warmwasser, 14 Prozent in Form von Elektrizität und etwa 6 Prozent für die Herstellung und den Unterhalt. Zum Vergleich: Der Verkehr verschlingt 30 Prozent der Gesamtenergie.

Architekten stehen abseits

Doch wessen Aufgabe ist es, sich für Gebäudeautomation stark zu machen? Man denkt zuerst an die Ar­chi­­tekten: Sie sind die Berater der Bauherrschaft, sie steuern den Hausbau. Doch das Interesse hält sich in Grenzen. Energieeffizienz hat für viele Ar­chitekten bisher nichts mit dem Job zu tun. Sie bringt mehr Planungsaufwand, ist teuer und kom­pliziert. Alexander Klapproth fasst seine Erfahrung so zusammen: «Das Gebäudebild der Ar­chi­tekten ist stark vom Material, der Form und Gestaltung geprägt, die Technik und vor allem neue Entwicklungen sind für die Gestalter schwer fassbar.» Deshalb werde Technik nur als Neben­-schauplatz oder notwendiges Übel wahr­ge­nom­men. Kommt dazu, dass Techniker und Archi­tek­ten unterschiedliche Wahrnehmungen haben und verschiedene Sprachen sprechen. Klapproth ist des­halb realistisch: «Es braucht Zeit, die unterschiedlichen Weltbilder kompatibel zu machen.»

Trotz des verbreiteten Desinteresses der Architekten an technisch avancierten Lösungen hat für ihn die ausgeklügelte Haustechnik Zukunft: «Die Klima- und Heizungsregelung ist weit fortgeschritten und die Multimedia- und IT-Infrastruktur hat sich etabliert. Aber diese Teilsysteme sind noch nicht integriert und zum Beispiel mit den Elektrogewerken nicht vernetzt.» Auch der Komfort lasse noch zu Wünschen übrig. Die Bedienung der komplexen Technik müsse einfacher werden. Trotzdem sei die Technik nicht mehr zu stoppen, nicht zuletzt wegen der steigenden Energiepreise. «Ich rechne damit, dass in zwei bis drei Jahren die Energieeffizienz dank Gebäudesteuerung bei den Wohnbauten markante Resultate zeigen wird», prognostiziert Klapproth.

Keine Hexerei

Bei Neubauten energiesparende Technik einzubauen oder mindestens die Installation dafür vorzusehen, ist keine Hexerei: Von einem Tableau im Keller führen die Leitungen sternförmig zu allen gesteuerten Geräten, vom Lichtschalter bis zum Sonnenschutz. Diese sind mit Kabeln oder per Funk mit dem Bedien­element verbunden. In der Planung und beim Ein­zug braucht es einen Systemintegrator, der die Bedürfnisse der Hausbewohner aufnimmt, programmiert und das Tableau im Keller überwacht. Die Bewohner kommen dann aber mit einer Fernbedienung, dem Mobiltelefon oder einem fix installierten Schaltkästchen aus.

Und der Preis? Die Neubaukosten seien gegenüber konventioneller Technik nicht viel höher, sagt Alex Wettstein. Er hat als Bauherr modernste Technik in einem Wohn- und Geschäftshaus in Bivio integriert. René Senn, Leiter von Raum Consulting, einem Beratungsbüro für in­tel­ligentes Woh­nen, nennt für einfache Installationen in Neu­-bauten Mehrkosten von zwei bis vier Prozent.
Geht es um die Sanierung von bestehenden Gebäuden, macht es wenig Sinn, den Backofen mit dem Fernsehgerät zu vernetzen. Hier gilt es vorab, die Heizungen nachzurüsten. Schon mit einer einfachen Steuerung der Heizkörper kann ein Ein­­familienhaus mit bis zu einem Drittel weniger Öl auskommen. Eine einfache Nachrüstung ist zum Beispiel ein Kästchen, das über Funk die Regler an den Radiatoren dirigiert. Man stellt Zeit und Raumtemperatur ein und die Regler — ausgerüs­tet mit Temperaturmessung und Motörchen — drehen die Heizkörper auf und zu. Neue Leitungen sind keine nötig und Elektrosmog-Angst ist unbegründet, die Sendeleistungen sind gering und nicht permanent. Eine Minute mobil telefonieren entspricht einer Strahlenbelastung von 15 Jahren Wohnen mit Funk-Heizungsregler. Und damit die Abwehrargumente der hohen Kosten ins rechte Licht gerückt sind: Ein Gerät für ein Einfamilienhaus, zum Beispiel «Synco living» von Siemens, kostet 3600 Franken — Montage inklusiv.

Die Normen

> Der SIA setzt mit dem Merkblatt «Energieausweis für Gebäude» und der Norm 386.110 (in Europa seit 2007 die EN 15232) an. Das Merkblatt sagt, wie der Hausbesitzer zu einem Energieausweis kommt. Dieser Ausweis ist eine Bestandesaufnahme eines Gebäudes, der zeigt, wie viel von welcher Energie ein Haus verbraucht und wo das Sparpotenzial liegt. Zurzeit wird das Merkblatt von den Kantonen koordiniert und optimiert. Es soll im Sommer 2009 zur Vorschrift und breit gestreut werden.

> Die SIA-Norm 386.110 «Energieeffizienz von Gebäu­-
den — Einfluss von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement» ist seit einem Jahr in Kraft. Sie gibt unter anderem Vereinheitlichungs- und Berechnungsmethoden zur Energieeffizienz vor. Die Norm teilt die Gebäudeautomation in die vier Effizienzklassen A, B, C, D ein, von hoch effizient bis nicht effizient.

> Das Bundesamt für Energie befasst sich mit der Um­-
setzung der Norm EN 15232 «Energieeffizienz von Gebäuden — Auswirkungen der Gebäudeautomation und des Gebäudemanagements», die die EU 2007 erliess. Stefan Wiederkehr vom BFE betont, dass es wichtig sei, Normen nicht nur für den Bau zu er­lassen, sondern auch zu prüfen, dass die Geräte rich­tig bedient werden. Deshalb beauftragte das Amt den Ve­rein «energho», sich beim Bau und bei Sa­nie­run­gen von öffentlichen Gebäuden bei der Bauherr­schaft einzuschalten und sie explizit über die Gebäudeautomation zu informieren. Allein mit der Optimierung
der bestehenden Gebäudetechnik könnten die Energiekosten um 10 Prozent gesenkt werden.

[ Daniel Lischer (47) ist Architekt ETH, war unter anderem bei Cruz und Ortiz, Sevilla, und Jean Nouvel, Paris, tätig und führt das Büro Lischer Partner Architekten Planer in Luzern. ]

hochparterre, Mi., 2009.02.25



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27. April 2006Sue Lüthi
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Der Ruf der Stadt

Mitten in der Stadt Zürich schreibt das Amt für Hochbauten einen offenen Wettbewerb aus. Über 100 Architekturbüros haben sich beteiligt, fast die Hälfte davon stammt aus Deutschland. Warum scheuen die Stadt und die Beteiligten diesen Aufwand nicht? Zum Betrachten und Mitmachen eine lustvolle Aufgabe, für die Stadt ein qualitativ hoch stehendes Resultat.

Mitten in der Stadt Zürich schreibt das Amt für Hochbauten einen offenen Wettbewerb aus. Über 100 Architekturbüros haben sich beteiligt, fast die Hälfte davon stammt aus Deutschland. Warum scheuen die Stadt und die Beteiligten diesen Aufwand nicht? Zum Betrachten und Mitmachen eine lustvolle Aufgabe, für die Stadt ein qualitativ hoch stehendes Resultat.

Die Adresse lockt, die Stadt lädt ein: Zur Ausstellung der 106 Wettbewerbsprojekte, die beim Zürcher Amt für Hochbauten für einen Neubau an der Ecke Langstrasse- Neugasse in Zürich eingegangen sind. Das ist ei-ne ungeheure Zahl, wenn man bedenkt, dass es sich bei der Aufgabe um ein einzelnes Wohnhaus mit nur neun Wohnungen und Gebäudekosten von 3,2 Millionen Franken handelt. In der Ausstellung kommt man nicht aus dem Staunen: In den spektakulärsten Farben und Formen präsentieren die Pläne den Neubau. «Einige Teilnehmende sahen hier den Ort für eine überspannte, fast monumentalisierende Geste als gegeben», ist dem Jurybericht zu entnehmen. Ein A0-Papierausdruck pro Projekt verhilft zum schnellen Überblick und Erfassen der Ideen und soll den Aufwand auf allen Seiten aufs Minimum begrenzen. Diese Abgabeform und das kleine Gebäudevolumen von 4770 Kubikmeter lockten viele Büros zur Beteiligung.

Hohe Beteiligung aus Deutschland Doch vor allem hat dieser Ort eine magische Anziehung – nicht für die Beleber des Zürcher Rotlichtmilieus, für sie ist das alte Haus unbedeutend – aber für Architektinnen und Architekten: Der Entwurf eines Wohngebäudes im Blockrand von 1895 an einer grossen Strasse mitten in der Stadt Zürich reizte Planer bis weit über die Landesgrenzen. 37 Büros aus Deutschland haben sich an der Konkurrenz beteiligt (HP 11/04), 41 aus der Stadt Zürich und jedes investierte im Durchschnitt über 200 Stunden Arbeit.

Nur wenige sahen ihre Teilnahme als «Gag» mit limitiertem zeitlichen Einsatz, um Ideen zu liefern und spielerisch auszuprobieren, was sich mit der Ecke anstellen liesse. Wie kommt ein Büro aus Berlin, Leipzig oder Wien dazu, sich mit dieser verrufenen Ecke auseinander zu setzen? Genau der Ruf sei es, so der Inhaber der Archifactory aus Bochum, nämlich der Ruf von hoher architektonischer Qua-lität in der Schweiz, dazu die genannte städtebauliche Attraktion und das kleine Volumen. Ferner loben Architekten aus Deutschland die perfekte Organisation der Wettbewerbe in der Schweiz, im speziellen die klare, überblickbare Aufgabe, vorzügliche Unterlagen, nachher eine Ausstellung und ein schön gestalteter Jurybericht mit allen Projekten. Dickes Lob auch von den Zürcher Büros für die Ausloberin. Für die Stadt plant man gern, die Beurteilung ist von hoher Qualität und die Projekte werden realisiert, ergänzt die Zürcher Architektin Zita Cotti, die Verfasserin des Siegerprojekts.

Jeder Neubau ein Wettbewerb

Die Stadt Zürich sucht sich für alle ihre Neubauten Planungspartner mittels Wettbewerb. Dieses vorbildliche Ver- halten ist ein Beitrag an die Baukultur und Nachwuchsförderung. Doch es kostet. 100 000 Franken Eigenaufwand pro Wettbewerb, etwa zehn pro Jahr fallen an, eingerechnet auch jene, welche die Stadt als Dienstleistung für andere Bauherrschaften organisiert, wie zum Beispiel für Wohnbaugenossenschaften. Diese entscheiden sich meist für einen selektiven Wettbewerb – die vielen Eingaben schrecken Private vom offenen Verfahren ab. Das Amt für Hochbau-ten aber setzt das Werkzeug ‹offener Wettbewerb› wo immer möglich ein (HP 10/05), er ist ein «faires, transparentes Vorge-hen für die Auswahl des Architekten und vor allem auch eine Qualitätssicherung für die ganze Projektphase», wie Ursula Müller vom Amt für Hochbauten begründet, «und eine effiziente Projektentwicklung zahlt sich aus»

Lohnt sich diese Arbeit denn auch beim kleinen Wettbewerb ‹Langstrasse›? Klar steht in diesem Fall der Aufwand des Wettbewerbs in keinem Verhältnis zur Bausumme, das ist sich das Amt für Hochbauten bewusst. Doch eine Wettbewerbsveranstaltung koste nun mal so viel, der administrative Aufwand sei enorm, ob offen oder selektiv. Der Wettbewerbsorganisator Volker Götz holt aus: 300 Programme versenden, 106 Pakete öffnen und sortieren, Pläne aufhängen, CDs checken, Fragen aufnehmen und beantworten, ungültigen E-Mail-Adressen nachrennen und so weiter. Die Grösse des Projekts fällt dabei gar nicht so sehr ins Gewicht. Bei selektiven Wettbewerben ist zwar meistens die Zahl der Beteiligten geringer, jedoch aber sind sie intensiver in der Vorprüfung, weil zum Beispiel die Ämter miteinbezogen werden, erklärt Götz, der Vorprüfer des Wettbewerbs ‹Langstrasse›.

Beim offenen Verfahren wird die Vorprüfung auf einen Check auf Vollständigkeit, termingerechte Abgabe und baurechtliche Korrektheit reduziert. Schon bei dieser Sichtung – im Durchschnitt drei Minuten pro Projekt – stellte Volker Götz bei 70 Prozent der Projekte Lärmschutz-Ver-stösse fest. Und dies, obwohl das Wettbewerbsprogramm klar auf die Problematik Lärmschutz und Belüftung hingechwiesen hatte. Trotzdem wurden sie zur Beurteilung zuge-lassen, zu viele hätten ausgeschlossen werden müssen und man wollte sich keinen guten Grundriss entgehen lassen. Schlussendlich bleiben einige Namen und Eindrücke der Teilnehmer bei der Jury haften und es kann vorkommen, dass ein positiv auffallendes Architekturbüro in die Jury oder gar zu einem Wettbewerb eingeladen werden.

Die Stadt ist nicht überrascht über die hohe Teilnehmerzahl. Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich 300 Büros bewerben und 100 einreichen. Interessant ist jedoch, dass beim Wettbewerb an der Langstrasse sämtliche sechs Preisgelder an Zürcher Büros vergeben wurden (‹Offener Projektwettbewerb›, unten). Liegt es an der Darstellung oder der Bearbeitungstiefe der Projekte? «Nein», ist die klare Antwort der Architektin Ursula Müller, Vorsitzende der Fachjury. Dieser Regionalismus ist der Stadt zwar bekannt, doch auch ihr ein Rätsel. Fast nie kommt ein ausländisches Büro in die Ränge, selten eines aus einem anderen Kanton. Ein Grund dafür kann die Ortskenntnis, die Nähe zur Situation, aber vielleicht auch die Jury sein, spekuliert Ursula Müller. Obwohl sie bei der Zusammensetzung des Preisgerichts auf einen guten Mix von Ortsansässigkeit, Alter und Geschlecht achten – was nicht einfach sei –, eine Gemeinsamkeit ist da: Fast alle sind ETH-Zürich-Abgänger. Der Hochschulregio-nalismus? Das Phänomen der lokalen Sieger ist weit bekannt. Es trifft auch auf Lausanne, Basel oder Berlin zu.

Der Weg zum Auftrag

Auch die Deutschen wundern sich, dass alle sechs Ränge an Zürcher Büros gingen, würdigen aber gleichzeitig die hohe Qualität der Schweizer Architektur. Dass sich so viele Büros aus Deutschland beteiligen, liegt nicht nur an Zürichs Attraktivität, sondern auch an der dortigen desolaten Auftragslage in der Branche. Es gebe einfach zu viele Architekten, ist auf Anfrage zu hören, zudem sind offene Wettbewerbe selten. Bei den wenigen schnellt die Zahl der eingereichten Projekte zum Beispiel auf 890 für den Neubau einer Schule bei München, wovon 30 in die zweite Stufe aufgenommen wurden.

Die deutschen Büros, die sich in Zürich beteiligt haben, konnten sich bis jetzt mit Direktaufträgen über Wasser halten, keines der angefragten gewann durch einen Wettbewerb einen Auftrag. Nicht so für die prämierten Zürcher Büros: Sie gaben an, dass für sie der Wettbewerb der einzige Weg ist, um an Aufträge zu gelangen. Zürich ist ein hartes, aber verlockendes Architekturpflaster.

hochparterre, Do., 2006.04.27



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