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20. Oktober 2009Bruno Taut
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Glossar - Personen- und Sachverzeichnis

Taut hat in der Architekturlehre als auch in den Architekturüberlegungen Erläuterungen zu zeitgenössischen Personen und Bauwerken nicht für nötig befunden. Ein Grund dafür könnte sein, daß er viele von ihnen in seinem bekannten Buch „Die neue Baukunst in Europa und Amerika“ von 1929 ausführlich behandelt hat. Zum Vergleich sind die Abbildungsnummern der „Neuen Baukunst“ in eckigen Klammern angegeben.

Taut hat in der Architekturlehre als auch in den Architekturüberlegungen Erläuterungen zu zeitgenössischen Personen und Bauwerken nicht für nötig befunden. Ein Grund dafür könnte sein, daß er viele von ihnen in seinem bekannten Buch „Die neue Baukunst in Europa und Amerika“ von 1929 ausführlich behandelt hat. Zum Vergleich sind die Abbildungsnummern der „Neuen Baukunst“ in eckigen Klammern angegeben.

Ashbee, Charles Robert (1863–1942), Architekt und Designer, Sozialreformer; entwickelte aus der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung, die auf William Morris und John Ruskin zurückgeht, Ansätze für ein Industriedesign. Seine Land- und Stadthäuser stellen mit klaren und dekorfreien Formen eine auf das Wesentliche reduzierte, traditionelle Baukunst dar. Er war Vorbild für Hermann Muthesius, der ihm einen wichtigen Platz in seinem Werk „Das englische Haus“ (1904–05) einräumte. [14]

Bashô, Matsuo (1644–94), japanischer Dichter; vervollkommnete die Kunst des Haiku, des Kurzgedichtes aus 5–7–5 Silben. Berühmtestes Werk ist sein poetisches Tagebuch „oku no hoso michi“ (1694), englisch: „The Narrow Road to the Deep North and Other Travel Sketches“, hrsg. v. Nobuyuki Yuasa, Penguin Books 1966.

Behrens, Peter (1868–1940), Maler, Architekt, Designer. Sein einflußreichstes Werk entstand während seiner Tätigkeit als künstlerischer Beirat der AEG Berlin (1907–14): Turbinenhalle der AEG (1909), Kleinmotorenfabrik (1911), Design von Lampen und Elektrogeräten, Wohn- und Ausstellungsbauten. Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe gingen bei ihm in die Lehre, mit Le Corbusier arbeitete er zusammen. Lit.: Tilmann Buddensieg (Hrsg.), „Industriekultur, Peter Behrens und die AEG 1907–1914“, Berlin 1979. [27]

Berlage, Hendrik Petrus (1856–1934), holländischer Architekt. Reform der eklektizistischen Baustile hin zu einer konstruktiven und rationalen Baukunst. Hauptwerk: Die Börse in Amsterdam (1896–1903). Politisch links-liberal, förderte und beteiligte er im Rahmen seiner städtebaulichen Planung Amsterdam-Süd die jungen „Expressionisten“ Michel de Klerk, Piet Kramer u.a. Lit.: Manfred Bock, „Anfänge einer neuen Architektur“, ’s-Gravenhage/Wiesbaden 1983. [38]

Bonatz, Paul (1877–1956), Architekt, ab 1908 Professor an der TH Stuttgart als Nachfolger von Theodor Fischer. Entwickelte einen reduzierten Historismus mit monumentalen Ausdrucksformen. Hauptwerk: Hauptbahnhof in Stuttgart (1911–28). In den späten 20er Jahren Tendenzen zur Moderne: Hotel Graf Zeppelin, Stuttgart. Ab 1938 schuf er u.a. monumentale Brücken für die Reichsautobahnen. Lit.: Norbert Bongartz, Peter Dübbers, Frank Werner, „Paul Bonatz 1877–1956“, Stuttgart 1977.

École des Beaux-Arts, seit 1823 Bezeichnung der französischen Kunstakademien. Im Paris des 19. Jahrhunderts war sie die führende Ausbildungsstätte für Architektur. Sie vertrat eine neobarocke Architektursprache, deren Merkmale Symmetrie und historistische Bauformen waren. Lit.: Donald Drew Egbert, „The Beaux-Arts Tradition in French Architecture“, Princeton 1980.

Eiffel, Alexandre Gustave (1832–1923), französischer Ingenieur und Unternehmer. Sein berühmtestes Werk ist der nach ihm benannte Eiffelturm in Paris, der für die Weltausstellung 1889 erbaut wurde. Mit 300 Metern war er bis 1930 das höchste Bauwerk der Welt. Eisen war das alleinige gestalterische Material. An der Stahlkonstruktion der Freiheitsstatue in New York (1885) war er ebenfalls beteiligt. Lit.: Henri Loyrette, „Gustave Eiffel, Ein Ingenieur und sein Werk“, Stuttgart 1985. [15]

Fischer von Erlach, Johann Bernhard (1656–1723), führender Barockarchitekt in Österreich. Ab 1704 Wiener Hofarchitekt. Sein Meisterwerk wurde die Karlskirche in Wien (begonnen 1716). Erbauer der Wiener Hofbibliothek, heute Nationalbibliothek in der Wiener Hofburg, begonnen 1723 und vollendet 1726 von seinem Sohn Josef Emanuel Fischer.

Freyssinet, Eugène (1879–1962), französischer Ingenieur, bedeutend vor allem durch seine Spannbeton-Konstruktionen. Für die Luftschiffhalle in Orly bei Paris (1916) entwarf er eine gefaltete, schlank dimensionierte Eisenbetontonne in der Form einer Parabel. 1928 reichte er ein Patent zur Vorspannung von bewehrtem Beton ein, das 1930 erteilt wurde. Lit.: Jupp Grote, Bernard Marrey, „Freyssinet, der Spannbeton und Europa“, Paris 2000.

Garnier, Tony (1869–1954), französischer Architekt. Als Prix de Rome-Stipendiat entwarf er die „Cité Industrielle“, eine selbständige Industriestadt für 35.000 Einwohner mit Bauten in Eisenbeton, und publizierte sie 1917 in Paris. Ab 1905 eigenes Büro in Lyon, wo er die großen Projekte wie Viehmarkt, Krankenhaus und Sportstadion im Sinne seiner „Cité Industrielle“ verwirklichen konnte. Lit.: „Tony Garnier. L’œuvre complète“, Ausstellungskatalog, Paris 1989. [34]

Gropius, Walter (1883–1969), Architekt, Gründer des Bauhauses in Weimar (1919) und Dessau (1925). Nach unterbrochenem Studium arbeitete er 1909 bei Peter Behrens, 1910–25 gemeinsames Büro mit Adolf Meyer. Bedeutend für sein Œuvre sind die Faguswerke in Alfeld an der Leine (1911–14) sowie das Bauhausgebäude in Dessau (1925–26). Lit.: Reginald R. Isaacs, „Walter Gropius. Der Mensch und sein Werk“, Berlin 1983–1984. [24, 27, 199]

Haeckel, Ernst (1834–1919), Professor für vergleichende Anatomie und Zoologie in Jena, Naturphilosoph. Meeresbiologische Forschungsreisen führten zu Arbeiten über Radiolaren, Schwämme und Medusen, die er unter ästhetischen Gesichtspunkten zeichnete und publizierte: „Kunstformen der Natur“ (1899–1904). Sie hatten Einfluß auf Künstler des Jugendstils. Unermüdlicher Kämpfer für den Darwinismus. Begründung einer monistischen (atheistischen) Weltanschauung.

Hagia Sophia, Konstantinopel (heute Istanbul), erbaut von Anthemios von Tralles und Isidor von Milet (532–537), nach einem Erdbeben 557 mit höherer Kuppelkonstruktion erneuert, Durchmesser 31,5 Meter.

Haussmann, Baron George Eugène (1809–91), ab 1853 Präfekt unter Napoleon III. Umgestaltung des Pariser Stadtbildes mittels Straßendurchbrüchen, die ein System von Boulevards bilden und sternförmig in runden Plätzen zusammentreffen. Mit den Durchbrüchen entstand auch die 7- bis 8-geschossige Straßenbebauung mit den charakteristischen Mansarddächern, die das Straßenbild der Stadt prägen. Lit.: Howard Saalman, „Haussmann, Paris Transformed“, New York 1971.

Holl, Elias (1573–1646), Renaissancebaumeister. Nach einem Italienaufenthalt wurde er 1602 Stadtbaumeister in Augsburg. Viele öffentliche Bauten, darunter Schulen und Spital. Bedeutendstes Bauwerk ist das Rathaus (1615–20), einfach und streng gestaltet mit gleichmäßigem Fensterraster, aber je nach Funktion in unterschiedlichen Größen symmetrisch zusammengefaßt. Lit.: Bernd Roeck, „Elias Holl, 1573–1646. Architekt einer europäischen Stadt“, Regensburg 1985.

Horeau, Hector (1801–72), französischer Architekt, bekannt für die Lithographien seiner Ägyptenreise (erschienen 1841). Seine Vorschläge zur Verwendung von Eisenkonstruktionen im Monumentalbau fanden Eingang in seinen Siegerentwurf für den Wettbewerb (1850) zur Weltausstellung in London, dessen Dach aus Glas und Wände aus Platten von Porzellan, Terrakotta und farbigem Glas bestehen sollten. Realisiert wurde jedoch Joseph Paxtons Kristallpalast (1851).

Ise-Schreine, Mie Präfektur, Japan. Shinto-Heiligtum bestehend aus „antikem“ Kultspeicher und Nebenbauten. Alle Bauten einschließlich der 120 „Nebenschreine“ werden alle 20 Jahre neu errichtet. Erste dokumentierte Erneuerung 690 n. Chr. Im Inneren (Naiku) Schrein wird die Sonnengöttin Amaterasu verehrt, die als mythologische Ahnengöttin des japanischen Kaisers angesehen wird. Lit.: Kenzo Tange, Noboru Kawagoe, „Ise: Prototype of Japanese Architecture“, Cambridge, Mass. 1965.

Katsura-Palast, bei Kioto, Japan. Kaiserliche Wohnbauten und Teepavillons mit Landschaftsgarten, in drei Abschnitten 1617, 1642–45 und 1658–63 erbaut. Stilistische Merkmale führten zur Zuschreibung an den Fürst und Teemeister Kobori Enshu. Die „Entdeckung“ durch Bruno Taut 1934 machte dieses „architektonische Weltwunder Japans“ weltberühmt. Lit.: Arata Isozaki, Osamu Sato, Yasuhiro Ishimoto, „Katsura, Raum und Form“, Stuttgart/Zürich 1987; Arata Isozaki, Virginia Ponciroli (Hrsg.), „Katsura: The Imperial Villa“, Mailand 2007.

Le Corbusier, eigentlich Charles-Édouard Jeanneret (1887–1965), Architekt und Maler. Ab 1918 in Paris; begründete mit Amédée Ozenfant den sog. Purismus. Ab 1920 Herausgabe der Zeitschrift „L’Esprit Nouveau“, in der seine programmatischen Texte erschienen, die später die Basis seines einflußreichen Buches „Vers une architecture“ bildeten. Von 1920 bis zu seinem Tode die dominierende Persönlichkeit der modernen Architektur. Lit.: Willy Boesiger (Hrsg.), „Le Corbusier, Œuvre Complète, 1910–1965“, Zürich, bis 1965. [51, 186, 203]

Lunatscharski, Anatoli W. (1875–1933), russischer Politiker und Schriftsteller. Nach seiner Rückkehr aus westeuropäischer Emigration war er 1917–29 Leiter des Volkskommissariats für Erziehungswesen in der USSR und förderte die Vielseitigkeit der Kunst- und Architekturströmungen. Persönliche Bekanntschaft mit Bruno Taut; besuchte dessen Siedlungen in Berlin. Lit.: Barbara Kreis (Hrsg.), „Bruno Taut. Moskauer Briefe 1932–1933. Schönheit, Sachlichkeit und Sozialismus“, Berlin 2006.

Mackintosh, Charles Rennie (1868–1928), englischer Architekt und Designer; bildete zusammen mit Margaret und Frances MacDonald sowie James Herbert McNair die bekannte Jugendstil-Künstlergruppe „The Four“. Bedeutendstes Werk ist die Glasgow School of Art (1897–99 und 1907–09), eine Art dreidimensionales Ornament. Das Design zeigt Parallelen zu den Wiener Werkstätten, aber auch zu Frank Lloyd Wright. Lit.: Alan Crawford, „Charles Rennie Mackintosh“, London 1995. [14, 16, 17]

Mendelsohn, Erich (1887–1953), Architekt, prägte den Begriff der „dynamischen Funktion“ für seine vom Eisenbeton angeregten plastisch-organischen Architekturvisionen (1917/18). Der Einsteinturm in Potsdam (1919–21) wurde jedoch gemauert. Seine zahlreichen Fabriken, Geschäfts- und Warenhäuser suggerieren mit ihrer fließenden Linienführung, ihren Eckausbildungen und ihrer rhythmischen Gliederung Bewegung. Mendelsohn emigrierte 1933 (London, Palästina, ab 1941 USA). Lit.: Regina Stephan (Hrsg.), „Erich Mendelsohn. Gebaute Welten. Arbeiten für Europa, Palästina und Amerika“, Stuttgart 1998. [124, 127]

Messel, Alfred (1853–1909), Architekt. Bedeutendster Bau war das im Krieg zerstörte Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz in Berlin (1896–1997, 1904–05), dessen oft kopierte Fassade eine kraftvolle, an Gotik erinnernde Bauskulptur bildete. Messel war kein Neuerer, wurde aber von den Zeitgenossen für die Ausdruckskraft seiner „Architektur der Großstadt“ bewundert. Lit.: Julius Posener, „Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur. Das Zeitalter Wilhelms II.“, München 1979. [18]

Mies van der Rohe, Ludwig (1888–1969), einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Er entwickelte in den 20er Jahren die grundlegenden Bauformen einer Materialästhetik der modernen Architektur. Höhepunkt war der deutsche Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona (1929). Mies emigrierte 1938 in die USA. Mit den Bauten des IIT in Chicago, z.B. der Crown Hall (1956), zahlreichen Wohn- und Bürohochhäusern wie dem Seagram Building in New York (1958) sowie der Neuen Nationalgalerie in Berlin (1962–68) gewann er dem sichtbaren Stahlskelett eine moderne Klassizität ab. Lit.: Jean-Louis Cohen, „Ludwig Mies van der Rohe“, Basel/Berlin/Boston 1995. [120, 153, 171, 218]

Newton, William Godfrey (1885–1949), englischer Architekt, Professor für Architektur an der Royal College of Art; Sohn des einflußreichen Architekten Ernest Newton, dessen zahlreiche Wohnbauten Hermann Muthesius in sein Buch „Das englische Haus“ (1904–05) aufnahm.

Östberg, Ragnar (1866–1945), schwedischer Architekt. Ruhm erlangte er mit dem Bau des Rathauses von Stockholm (1909–23), das durch vereinfachende Bauformen zwischen Historismus und 20. Jahrhundert vermittelt, dabei mit malerischem Turm und großflächigen Ziegelmauern schwedische Atmosphäre ausstrahlt. Ähnlich wie Berlages Börse in Amsterdam wurde es als Meisterwerk geschätzt. Lit.: Elias Cornell, „Ragnar Östberg – en svensk arkitekt“, Stockholm 1972.

Ostendorf, Friedrich (1871–1915), Architekt und Theoretiker. Er entwickelte eine Entwurfslehre der Raumästhetik mit klaren Raumfolgen und eindeutigen Symmetrien, dargelegt in den unvollendeten „Sechs Büchern vom Bauen“ (Berlin 1913–22), die eine Gegenposition zu den funktionalen Differenzierungen der englischen Landhäuser bildete, die Hermann Muthesius propagierte. Lit.: Werner Oechslin, „„Entwerfen heißt die einfachste Erscheinungsform zu finden.„ Mißverständnisse zum Zeitlosen, Historischen, Modernen und Klassischen bei Friedrich Ostendorf“, in: Vittorio M. Lampugnani u. Romana Schneider (Hrsg.): „Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform und Tradition“, Stuttgart 1992, S. 29–53.

Osthaus, Karl Ernst (1874–1921), Mäzen, Sammler; gründete in Hagen, Westfalen, das Museum Folkwang, das 1902 von Henry van de Velde ausgebaut wurde. Privat und als Vorstandsmitglied des Deutschen Werkbundes förderte er u.a. van de Velde, Richard Riemerschmid, Bruno Taut, Peter Behrens, Walter Gropius und Mathieu Lauweriks. Die Planung einer reform-pädagogischen Folkwangschule in Hohenhagen (1919–20), mit der Taut betraut wurde, konnte er nicht vollenden. Lit.: Herta Hesse-Frielinghaus u.a., „Karl Ernst Osthaus, Leben und Werk“, Recklinghausen 1971.

Oud, Jakobus Johannes Pieter (1890–1963), holländischer Architekt. 1917 Mitbegründer der Künstlerbewegung und Zeitschrift „De Stijl“. Von 1918–33 Stadtarchitekt im Wohnungsbauamt der Stadt Rotterdam: u.a. Wohnblöcke in Spangen (1919–20), Siedlungen in Hoek van Holland (1924–-27) und De Kiefhoek (1925–29), die sich durch eine sorgfältige Durchgestaltung der Alltagseinrichtungen auszeichnen. Lit.: Günther Stamm, „J. J. P. Oud, Bauten und Projekte 1906 bis 1963“, Mainz/Berlin 1984. [41, 42, 138, 158, 159]

Palladio, Andrea (1508–80), italienischer Architekt. Entwickelte eine Villen-Typologie, die Elemente antiker Tempelarchitektur wie Säulenportikus, Symmetrie und harmonische Proportionen auf Wohnhäuser überträgt. Im Veneto schuf er zahlreiche Villen, die einem humanistischen Ideal folgen, u.a. Villa Rotonda (ab 1550). Bedeutende Kirchen in Venedig: San Giorgio Maggiore (1566) und Il Redentore (1576). Lit.: „Vier Bücher zur Architektur“, 1570, deutsch: hrsg. v. Andreas Beyer und Ulrich Schütte, Zürich/München 1984.

Parthenon, Tempel der Athene auf der Athener Akropolis, 447–438 v. Chr. von Iktinos erbaut. Lit.: Manolis Korres, „Die klassische Architektur und der Parthenon“, in: Antikensammlung der SMPK Berlin (Hrsg), „Die griechische Klassik – Idee oder Wirklichkeit“, Mainz 2002, S. 364–373.

Perret, Auguste (1874–1954), französischer Architekt. Perrets Bauten blieben trotz des Einsatzes von Eisenbeton einem klassizistischen Formenrepertoire aus kannelierten Säulen, Andeutungen von Kapitellen und Gesimsen treu: Apartmenthaus in der Rue Franklin (1903), Garage in der Rue de Ponthieu (1906–07), Kirche Notre-Dame in Le Raincy (1922–23), Hôtel de Mobilier National in Paris (1934–36), Musée des Travaux Publics (1936–48). Lit.: Roberto Gargiani, „Auguste Perret 1874–1954, teoria e opere“, Mailand 1993. [98, 217, 221]

Pöppelmann, Matthäus Daniel (1662–1736), seit 1705 Landbaumeister Augusts des Starken; Erbauer des Dresdener Zwinger (1711–22), einem Meisterwerk des Rokoko. Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bildhauer und Architekt ergab eine prachtvolle, geschlossene Wirkung der ganzen Anlage, die allerdings nicht vollendet wurde. 1944 zerstört, wurde der Zwinger nach dem 2. Weltkrieg wiederaufgebaut. Lit.: Hermann Heckmann, „M. D. Pöppelmann (1662–1736), Leben und Werk“, München/Berlin 1972.

R.I.B.A., Abkürzung für Royal Institute of British Architects, entspricht in etwa den deutschen Architektenkammern.

Scheerbart, Paul (1863–1915), Dichter phantastischer Literatur, wirkte u.a. im Kreis der Berliner Expressionisten um Herwarth Walden und dessen Zeitschrift „Der Sturm“. Seine Orientphantasien und Texte über Glasarchitektur beflügelten die Visionen von Architekten und Künstlern um Bruno Taut. Er dichtete für den Kölner Glaspavillon von Taut (1914) launige Reime. Tauts Buch „Alpine Architektur“ verdankt seine Anregungen Scheerbart. Lit.: Mechthild Rausch, „ Paul Scheerbart, 70 Trillionen Weltgrüsse. Eine Biographie in Briefen 1889–1915“, Berlin 1990.

Schinkel, Karl Friedrich (1781–1841), bedeutendster deutscher Architekt des frühen 19. Jahrhunderts. Ab 1815 im Dienst des preußischen Staatsbauamts. Sein streng klassizistischer Stil veranschaulicht mit architektonischen Mitteln die Trennung von tragenden und füllenden Bauteilen: u.a. in Berlin die Neue Wache (1816), das Schauspielhaus (1818–21), das Alte Museum (1822–28) und die Bauakademie (1831–36). Wichtigstes theoretisches Werk sind die Skizzen und Texte zu einem architektonischen Lehrbuch. Lit.: Goerd Peschken, „Das architektonische Lehrbuch“, Band 14 der Reihe: „Karl Friedrich Schinkel. Lebenswerk“, Berlin 1979. [7]

Schmitz, Bruno (1858–1916), Architekt; Erbauer zahlreicher Nationaldenkmäler der wilhelminischen Zeit, so auf dem Kyffhäuser (1896), an der Porta Westfalica (1896), am Deutschen Eck in Koblenz (1897) sowie des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig (1898–1913). Für den Wettbewerb Hauptstadt Groß-Berlin (1910) entwickelte er mit Otto Blum und Havestadt & Contag die Vision einer monumentalen Stadt. Lit.: Julius Posener, „Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur. Das Zeitalter Wilhelms II.“, München 1979, Kapitel „Wilhelminismus“, S. 81–105.

Scott, Baillie M. H. (1865–1945), englischer Architekt, spezialisiert auf Wohnhäuser. Er gewann den Wettbewerb „Das Haus für einen Kunstfreund“, den Alexander Koch, Herausgeber der Zeitschrift „Innendekoration“, 1901 in Darmstadt ausschrieb. Beteiligt hatten sich auch Charles Rennie Mackintosh. 1912 wurde sein Buch „Häuser und Gärten“ bei Wasmuth in Berlin verlegt, in dem er anhand eigener Häuser einfache und wohnliche Räume demonstriert.

Semper, Gottfried (1803–1879), Architekt und Theoretiker; wurde mit seiner Publikation über die Polychromie der antiken Architektur (1834) sowie dem Bau der Dresdener Oper (1838–41) und der Gemäldegalerie im Zwinger (1857–54) bekannt. Wegen seiner Beteiligung am Dresdener Maiaufstand 1949 floh er über Paris nach London. 1855–71 lehrte er am neugegründeten Polytechnikum in Zürich (heute ETH), dessen Hauptgebäude (1858–64) er entwarf. 1871–76 Arbeit am Kaiserforum in Wien. Nach seiner materialistischen Theorie der Stile entstehen Ornamente und Bauformen aus den Techniken der Bearbeitung und Übertragung auf andere Materialien. So entwickelten sich aus der Verkleidung der Konstruktion die sekundären Elemente wie Fassaden, Putz oder Schmuck (Bekleidungstheorie). Hauptschrift: „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten“, 1860–63. Lit.: Winfried Nerdinger, Werner Oechslin, „Gottfried Semper 1803–1879, Architektur und Wissenschaft“, Zürich/München 2003.

Sesshû Tôyô (1420–1506), japanischer Maler von Landschaften in Tusche. Lebte 1467–69 in China, wo er die Malerei der Song- und der Ming-Dynastie studierte. Sein berühmtestes Tuschebild im Stil des Ming-Meisters Yujian, „Haboku Landschaft“ (1495), suggeriert mit abstrakten, dynamischen Pinselklecksen und -strichen Klippen, Bäume und Häuser. Zu seinem Repertoire gehörten auch fein ausgemalte Szenenbilder.

Sinan (1489?–1588), bedeutendster osmanischer Architekt; erbaute über 300 Moscheen, Schulen, Krankenhäuser, Bäder, Brücken und Paläste. Die Hagia Sophia in Konstantinopel (heute Istanbul) diente ihm als Vorbild für die Entwicklung der Kuppelmoschee: u.a. Süleyman-Moschee in Istanbul (1550–67), Sultan Selim Moschee in Edirne (1569–75). Lit.: Ernst Egli, „Sinan, der Baumeister osmanischer Glanzzeit“, Zürich/Stuttgart 1954 (1974); Wolfgang Voigt (Hrsg.), „Die Moschee von Sinan. Sinan’s Mosque“, Tübingen/Berlin 2008.

Sullivan, Louis Henry (1856–1924), amerikanischer Architekt; Pionier der Chicagoer Schule, die aus den konstruktiven Bedingungen des Stahlskelettes und den funktionalen Anforderungen an ein Hochhaus die sachliche Form zu gewinnen suchte. Seine theoretischen Betrachtungen in „The Tall Office Building Artistically Considered“ (1896) kulminierten in der Formel: „Die Form folgt der Funktion“. Lit.: Sherman Paul, „Louis H. Sullivan. Ein amerikanischer Architekt und Denker“, Bauwelt Fundamente 5, Berlin 1965. [35, 37]

Ueno, Isaburo (1892–1972), japanischer Architekt. 1922 Weiterstudium der Baukonstruktion in Berlin, ab 1924 an der Universität in Wien, anschließend Arbeit im Architekturbüro von Josef Hoffmann. 1925 Rückkehr nach Japan. 1927 Mitbegründer des „Internationalen Architektenbundes in Japan“. Ab 1929 Mitherausgeber der Zeitschrift „Arkitekturo Internacia“, dem Organ des Verbandes. Ueno wurde nach Tauts Weggang aus Japan 1936 dessen Nachfolger im Kogeisho (Werkstatt für kunstgewerbliche Gegenstände) in Takasaki.

Unwin, Raymond (1863–1940), englischer Architekt; Planer und Erbauer der Gartenstädte Letchworth (ab 1903) und Hampstead (1905–14). Sein Ziel war es, einen Bezug zur Landschaft herzustellen sowie das „Gefühl einer lokalen Gebietsgemeinschaft“ mittels einer Ortsmitte, dem Civic Center, hervorzurufen. Sein theoretisches Hauptwerk ist „Town Planning in Practice“ (London 1909, deutsch: „Grundlagen des Städtebaus“, Berlin 1910). Lit.: Mervyn Miller, „Raymond Unwin. Garden Cities and Town Planning“, Leicester 1992.

Uragami, Gyokudô (1745–1820), japanischer Maler, Musiker und Dichter, entstammt einer Samurai-Familie. Um 1790 begann er mit Tusche Landschaften im Stil der Literati zu malen. Überlagerungen von grauer und schwarzer Tusche, von verwaschenen Flächen und scharfen Strichen, ausgefüllt von Linien und Punkten, kennzeichnen die Berglandschaften. Erst im 20. Jahrhundert fanden seine Bilder gebührende Anerkennung. Unter den Bewunderern war auch Bruno Taut.

Van de Velde, Henry (1863–1957), belgischer Architekt und Designer. Ursprünglich Maler, entwarf er als Autodidakt 1895 sein Wohnhaus Bloemenwerf in Uccle bei Brüssel und die gesamte Innenausstattung. Sein organisches Linienornament in der Treppenhalle des Folkwang-Museums (siehe Osthaus) wurde eine Ikone des Jugendstils. Ab 1902 mit der Gründung und Leitung einer Kunstgewerbeschule in Weimar betraut, für die er die Bauten der Kunstschule (1904–11) und die Kunstgewerbeschule (1905–06) entwarf. 1919 ging daraus unter der Leitung von Walter Gropius das Bauhaus hervor. Beim Werkbundstreit 1914 trat van de Velde für die Individualität der Kunst und gegen Hermann Muthesius’ Thesen zur Typenbildung und Industrialisierung ein. Spätwerk: Museum Kröller-Müller in Otterlo (1936–53). Lit.: Henry van de Velde, „Geschichte meines Lebens“, München/Zürich 1986; Klaus-Jürgen Sembach, „Henry van de Velde“, Stuttgart 1989. [26]

Viollet-Le-Duc, Eugène Emanuel (1814–79), französischer Architekt und Theoretiker, einflußreicher Forscher und Restaurator der französischen Romanik und Gotik. Sah in der Gotik eine rationale Bauweise, die aus dem Skelett der Rippen und den membranartigen Füllungen der Gewölbe bestehe. Dieses konstruktive Prinzip übertrug er auf die Eisenskelettkonstruktion seiner Zeit. Veröffentlichungen: „Entretiens sur l’architecture“ (1863/72). Seine theoretischen Überlegungen beeinflußten Antonio Gaudí. Lit.: Bruno Foucart u.a. (Hrsg.), „Viollet-Le-Duc“, Ausstellungskatalog, Galeries nationales du Grand Palais, Paris 1980.

Vitruv (Vitruvius Pollio) (ca. 84 v. Chr.), römischer Architekt und Ingenieur, Verfasser der „Zehn Bücher über Architektur“ (ab ca. 33 v. Chr.), einer Sammlung des technischen und ästhetischen Wissens über die Baukunst seiner Zeit und der griechischen Antike. Deren Wiederentdeckung (Gianfrancesco Poggio Bracciolini) und Drucklegung 1486 in Rom hatte eine nachhaltige Wirkung auf die italienische Renaissance. Lit.: Günther Fischer, „Vitruv NEU oder Was ist Architektur?“, Bauwelt Fundamente 141, Basel/Berlin/Boston 2008.

Wagner, Otto (1841–1918), österreichischer Architekt. Als künstlerischer Beirat beim Bau der Wiener Stadtbahn entstanden bis 1900 zahlreiche Stationsgebäude, Brücken und Viadukte nach seinen Plänen, u.a. das Stationsgebäude am Karlsplatz mit einer eleganten Eisenkonstruktion und Jugendstilornamenten. Beim Wiener Postsparkassenamt (1903–06) wird die sichtbare Montage der dünnen Natursteinplatten zum Fassadenornament (s. Semper: Bekleidungstheorie). Als Lehrer an der Wiener Akademie (1894–1915) war Wagner der einflußreichste Künstler in der Donaumonarchie. Werk: Otto Wagner, „Moderne Architektur. Seinen Schülern ein Führer auf diesem Kunstgebiete“, Wien 1896. Lit.: Otto Antonia Graf, „Otto Wagner, Das Werk des Architekten“, Wien/Köln/Graz 1985. [19, 20]

Wesnin, Alexander Alexandrowitsch (1883–1959), russischer Maler, Bühnenbildner, Architekt; Leitfigur des „russischen Konstruktivismus“, Professor an der WChUTEMAS. 1926–30 Mitherausgeber der Zeitschrift „Sovremennaja Architektura“ („Zeitgenössische Architektur“). Werke: Arbeiterklub- und Theaterhäuser, Warenhaus MOSTORG (1927), Dnjepr-Kraftwerk (1927–32). Wettbewerbsarbeiten: u.a. Palast der Arbeit, Sowjetpalast, Gebäude des Volkskommissariats für Schwerindustrie. Lit.: Selim O Chan-Magomedow, „Alexander Wesnin und der Konstruktivismus“, Stuttgart 1987. [46, 214]

Wright, Frank Lloyd (1867–1959), amerikanischer Architekt; 1888–93 bei Louis Sullivan. In Oak Park und River Forest, Chicago, entwickelte er bis 1910 Einfamilienhäuser für den Mittleren Westen, die er „Prairie Houses“ nannte, u.a. Robie House (1908–10). Während seines Europa-Aufenthaltes 1910 publizierte er bei Wasmuth in Berlin das Mappenwerk „Ausgeführte Bauten und Entwürfe von Frank Lloyd Wright“ (1910/11), das nachhaltigen Einfluß auf deutsche und niederländische Architekten haben sollte. Ab 1911 Aufbau seines Wohnhauses samt landwirtschaftlichem Betrieb in Taliesin, Spring Green, Wisconsin. Sein bekanntestes Meisterwerk: Haus Kaufmann (Fallingwater), Bear Run, Pennsylvania (1934–37). Lit.: Peter Gössel, Gabriele Leuthäuser (Hrsg.), „Frank Lloyd Wright“, Köln 1994. [36, 37, 174]

Yoshida, Tetsuro (1894–1956), japanischer Architekt. Er vertrat eine „moderate“ Moderne, die ihre Vorbilder in Paul Bonatz und Ragnar Östberg sah: Hauptpostämter in Tokio (1929–30) und Osaka (1939). Yoshida war gleichermaßen in der traditionellen japanischen Architektur versiert: Haus Baba in Tokio (1928). Er half Bruno Taut bei der Detaillierung der Gesellschaftsräume der Hyuga Villa in Atami (1935). Veröffentlichungen im Wasmuth Verlag: „Das japanische Wohnhaus“ (1935, 2. Aufl. 1954), „Japanische Architektur“ (1952), „Der japanische Garten“ (1957).

Zeppelin, Ferdinand Graf von (1838–1917), Begründer des Starr-Luftschiffes mit Ganzmetallgerüst. 1898 gründete er eine eigene „AG zur Förderung der Luftschiffe“ und errichtete bei Friedrichshafen am Bodensee eine schwimmende Halle als Zeppelinwerft. Das erste Luftschiff startete am 2.7.1900, insgesamt wurden etwa 100 gebaut. 1909 gründete er zusammen mit Maybach in Friedrichshafen eine Fabrik zur Herstellung von Motoren für Luftschiffe. Am 19.8.1929 landete Zeppelin in Japan.

ARCH+, Di., 2009.10.20



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Artikel 12

20. Oktober 2009Julius Posener
ARCH+

Bruno Taut

Vor genau dreißig Jahren, im Dezember 1979, erschien der erste Vorlesungszyklus von Julius Posener zur modernen Architektur als ARCH Heft Nummer 48. Bis 1983 erschienen insgesamt fünf Ausgaben, die, später als Posener-Schuber zusammengefaßt, Generationen von Architekturstudenten und Architekten das Grundwissen über die Geschichte der modernen Architektur vermittelt haben. Als Referenz an die Anfänge der ARCH Vorlesungsreihe, die mit Bruno Tauts „Architekturlehre“ ihre Fortsetzung findet, sei hier ein kurzer Auszug aus Poseners Rede zum fünfzigsten Todestag von Taut abgedruckt, nicht zuletzt deshalb, weil sich Posener als einer der wenigen Theoretiker mit der „Architekturlehre“ von Taut auseinandergesetzt hat. Manfred Speidel widmet ihr in seinem Nachwort am Ende der Ausgabe eine ausführliche Analyse.

Vor genau dreißig Jahren, im Dezember 1979, erschien der erste Vorlesungszyklus von Julius Posener zur modernen Architektur als ARCH Heft Nummer 48. Bis 1983 erschienen insgesamt fünf Ausgaben, die, später als Posener-Schuber zusammengefaßt, Generationen von Architekturstudenten und Architekten das Grundwissen über die Geschichte der modernen Architektur vermittelt haben. Als Referenz an die Anfänge der ARCH Vorlesungsreihe, die mit Bruno Tauts „Architekturlehre“ ihre Fortsetzung findet, sei hier ein kurzer Auszug aus Poseners Rede zum fünfzigsten Todestag von Taut abgedruckt, nicht zuletzt deshalb, weil sich Posener als einer der wenigen Theoretiker mit der „Architekturlehre“ von Taut auseinandergesetzt hat. Manfred Speidel widmet ihr in seinem Nachwort am Ende der Ausgabe eine ausführliche Analyse.

Bruno Taut ist vor fünfzig Jahren gestorben, zu Weihnachten 1938. Er war noch keine sechzig Jahre alt. Er starb in Istanbul, wohin die Emigration ihn schließlich verschlagen hatte. Die Hauptorte seiner Tätigkeit waren Berlin, Magdeburg, wieder Berlin, Tokio, Istanbul. Eine Zeitlang hat er auch versucht, in Sowjet-Rußland zu arbeiten. Zufällig habe ich ihn am Tage nach einer Rückkehr von dort in seinem Berliner Büro in der Linkstraße gesehen: er wirkte verstört.

In Rußland war er auf eine Art des Widerstandes gestoßen, welche über seine Vorstellung ging: auf ein Trägheitsmoment, wenn man den Mangel an Organisation mit diesem Worte bezeichnen darf. Es machte ihn buchstäblich wild. Diese Erfahrung hat ihm bestätigt, daß er in einem Lande arbeiten mußte, in dem man beides versteht: die Organisation der Bauaufgabe und die Freiheit dessen, der plant. Ob das Deutschland heute ist, weiß ich nicht. Damals war es Deutschland; weshalb Bruno Taut 1933 gezögert hat, wegzugehen.

Freunde mußten ihn erst darauf aufmerksam machen, daß er im Dritten Reich persona non grata sein würde. Dieses Zögern darf uns nicht wundern: Gropius ist bis in die späten dreißiger Jahre geblieben, Mies desgleichen. Architekten, die in den zwanziger Jahren in Deutschland eine neue Architektur geschaffen hatten, haben sich nicht leicht von Deutschland getrennt. Poelzig ist sozusagen auf gepackten Koffern gestorben. Auch er sollte in die Türkei gehen, aber er konnte sich dazu nicht bringen. Taut ist 1933 fortgegangen. Das ist bemerkenswert, nicht, wie ungern er gegangen ist. Er ging nach Japan. Manfred Speidel[01] hat vor nicht langer Zeit festgestellt, daß er 600 Entwürfe für Möbel und andere Hausgegenstände in Japan gemacht hat. Er hat sie nicht als einer gemacht, der die Resultate eines produktiven Lebens in ein fremdes Land mitbringt; was Bruno Taut in Japan gemacht hat, setzt sich mit Japan auseinander, ist für Japan gedacht. Er hat sich sogleich mit der neuen Architektur in Japan beschäftigt – und mit der japanischen Tradition. Er hat uns darüber nach Paris einen Aufsatz geschickt: „Traditionelle und neue Architektur in Japan“.

Uns, das war die Zeitschrift L’Architecture d’Aujourd’hui, an der ich damals gearbeitet habe.[02] Sicher hätte er diese neuen Erfahrungen lieber in Deutschland mitgeteilt. Nun schickte er, der Emigrant, sie einem Emigranten, und so blieben sie gewissermaßen in Deutschland; genauer, in der Internationale des emigrierten Deutschland. Japan war ihm eine Bereicherung. Man stelle sich das vor: Bruno Taut hatte ein umfangreiches Werk als Architekt und als Planer geschaffen. Gemeinsam mit seinem Freunde und Landsmann Martin Wagner – beide kamen aus Königsberg –, der seit 1926 Stadtbaurat in Berlin war, des ganzen Berlin, welches erst seit 1920 besteht, hatte Bruno Taut Planung und Bau der großen Siedlungen am Berliner Stadtrand vorangetrieben, mehr als irgendeiner der anderen Architekten, welche an der Planung und am Bau dieser Siedlungen teilgenommen hatten. Das geschah in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. [...] Zur Zeit seiner Emigration war er weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Und dann kommt es zu einem Neubeginn in Japan. Das ist nicht das gleiche wie die amerikanische Erfahrung später emigrierter Architekten wie Mies und Gropius; es ist auch nicht das gleiche wie die Versuche jüdischer Architekten in Palästina, sich als Europäer mit einem Lande auseinanderzusetzen, welches sie als das ihre ansehen wollten. Tauts Schicksal und seine Reaktion auf dieses Schicksal stehen allein.

Auch in Japan begegneten dem Architekten, der aus Europa kam, Versuche einer neuen Architektur, welche von der europäischen Moderne beeinflußt waren. Wichtiger war für Taut die Begegnung mit Zeugen einer traditionellen Architektur, einer bis in alle Einzelheiten festgelegten Konstruktion aus Holz, welche er in der kaiserlichen Villa in Katsura für sich entdeckt hat – und für uns –, und in dem Ise-Tempel, der seit alten Zeiten immer wieder in der ursprünglichen Gestalt neu konstruiert wird. Das war nicht eine Architektur, welche der Vergangenheit angehörte; sie lebte weiter, ebenso wie die Form der Tee-Zeremonie und gewisse Formen der Bedienung weiterleben.

Auch konnte man die Elemente von Katsura in den hölzernen Häusern japanischer Dörfer wiederfinden. Bruno Taut kam als ein Lernender. Gleichzeitig hat er versucht, zwischen Katsura und der neuen Architektur in Europa, an deren Entstehen er selbst beteiligt war, Beziehungen herzustellen. In seiner posthum veröffentlichten „Architekturlehre“, von der wir Genaueres später sagen wollen, findet er die Prinzipien der neuen Architektur durch Katsura bestätigt; gleichzeitig prüft er diese Prinzipien an Katsura und erweitert sie, ja, man kann sagen, daß er sie verwandelt hat. Er war Bruno Taut, einer, der in einem neuen Lande die Augen weit offenhielt und bereit war, selbst ein Neuer zu werden. [...]

Für Bruno Taut wurde Katsura ein klassisches Gebäude. Eines jener Gebäude, in denen Architektur sich manifestiert; und es sollte nicht das letzte bleiben, denn er ist ja von Japan nach der Türkei weitergezogen, und dort hat er wieder die Augen weit geöffnet, und die Moscheen des Sinan den Bauten hinzugefügt, in denen Architektur sich manifestiert; besonders die Süleymaniye in Istanbul.

Wieder geht er zu der im Lande eigenen Architektur. Er spricht nur wenig von der Hagia Sophia, der byzantinischen Kirche. Diese war vom Standpunkt der türkischen Architektur eine Vorstufe. Der türkische Raum wird erst durch Sinan verwirklicht, etwa tausend Jahre nach der Hagia Sophia. Man fragt sich, welche Gebäude er diesem Universum hinzugefügt hätte, wäre er weitergewandert. Aber er ist in Istanbul gestorben. Das war seine letzte Erfahrung, aber man kann das beinahe einen Zufall nennen. [...]

Taut hat sich in seinem posthumen Werk, der „Architekturlehre“, über seine Art zu komponieren ausgesprochen. [...]
„Man muß manchmal warten, man muß auch die Kraft zum Warten haben, trotzdem man zur raschen Fertigstellung gedrängt wird. Man muß warten, bis das, was bisher Schema war, beginnt, sich mit Leben zu füllen, bis man aufhört zu denken und tatsächlich nur fühlt.

Alles Ähnliche, was bisher gebaut ist, hat man bis dahin überdacht; jetzt gelangt man dazu, die besonderen neuen Voraussetzungen wie ein neues Leben vor sich zu sehen, es wächst ganz unklar im Gefühl das, was man die „Idee“ nennt. Das Gefühl ist wie ein Filter; es hält nur die Erfahrungen und das Wissen fest, das für diese neue Aufgabe zu gebrauchen ist. Dann beginnt schließlich die Hand zu zeichnen, beinahe automatisch oder bewußtlos. Der Kopf ist ausgeschaltet. Die Hand zeichnet abstrakte Linien auf das Papier, sie teilt die Straßen ein, die Baublöcke, die Häuser; sie gliedert das erste Schema so, daß die Einteilung der ganzen Sache harmonisch wird.“[03] [...]

Die Stelle aus der „Architekturlehre“ [...] bezieht sich [...] auf die Arbeit mit der GEHAG, in deren Büro der Ortsplan „wissenschaftlich“ schlüssig ausgearbeitet worden war. Taut nimmt diese Pläne nach Hause und unterwirft sie der Formung durch das Unbewußte. Er beschreibt in der „Architekturlehre“ auch, wie er auf ähnliche Art mit den Fassadenzeichnungen verfahren ist; daß ein Fenster auch dann noch an der richtigen Stelle sitzt, wenn es ein wenig verschoben wird, nicht, weil der neue Ort „wissenschaftlich“ noch besser wäre.

Die Genauigkeit, die er wissenschaftlich nennt – man könnte sie ebensogut funktional nennen –, genügt ihm nicht, ja, er will sagen, daß sie nicht nur ihm nicht genüge: sie genügt überhaupt nicht. Aus der korrekten Lösung der Gleichung muß etwas anderes gemacht werden, nicht, damit das daraus werde, was man Kunst nennt – oder Architektur –, sondern damit es bewohnbar werde: bewohnbar nicht in dem Sinne, daß die Küche funktioniert, das Wohnzimmer, das Kinderzimmer, die natürliche Beleuchtung etc.: das alles gehört zur Lösung der Gleichung. Wenn alles das funktioniert, meinte Taut, sei das gleichwohl noch nicht bewohnbar; um es bewohnbar zu machen – den Ort und das Haus –, müsse man es in Proportion bringen. Das Kapitel der „Architekturlehre“, in dem Taut von dieser Umwandlung durchs Unbewußte spricht, überschreibt er „Die Proportion“.

Nun ist der Architekt daran gewöhnt, dieses Wort Proportion in einem anderen Sinne zu gebrauchen. Die Männer der Renaissance haben es so gebraucht – und Le Corbusier. Ihnen war Proportion eine Maßbeziehung, sie mag arithmetisch sein wie die Angaben, welche Vitruv uns aus der späten Antike übermittelt hat, oder geometrisch wie das, was Le Corbusier dann „tracés régulateurs“ genannt hat: das ist die geometrische Grundfigur, welcher alle Teile einer architektonischen Komposition sich einzufügen haben. Bruno Taut setzt sich in der „Architekturlehre“ mit dieser Auffassung – und besonders mit Le Corbusier – auseinander. Er spricht davon, daß man solche Maßbeziehungen oder geometrischen Figuren auf die Fläche angewendet habe und stellt fest:
„Das gibt schon äußerst schwierige Entscheidungen, welche Punkte man als Maßteilungen anzusehen hat, ob man vertikale und horizontale Flächen gleich wichtig nehmen soll, ob nicht Wände mit Fenstern und Türen anders zu bewerten sind als glatte Wände, mit denen sie zusammenstoßen. Dann kommt das Licht dazu. Die Verschiedenheit des Materials, auch die Farbe, gibt Wänden, Decken und Fußböden einen sehr verschiedenartigen Charakter.“ Und weiter:
„Alle starren Regeln aber zerbricht das Tageslicht, die Sonne, der bedeckte Himmel, seine verschiedene Qualität je nach den Längen- und Breitengraden eines Ortes; kurz, die Kette der Voraussetzungen für eine systematische Architekturästhetik ist unendlich. Man möge am Parthenon oder gotischen Dom solange [...] studieren, so viel man will. Aber alle Regeln, die man da entdecken wird, werden zusammen etwa wie diejenigen einer Sprache sein, die immerfort durch Ausnahmen unterbrochen werden.“[04]

Diese Bemerkungen sind dem entgegengesetzt, was Le Corbusier über den „Modulor“ gesagt hat; und schon seiner frühen Bemerkung in „Vers une Architecture“, an die ich nur eben erinnern will:
„Il est une chose qui nous ravit, c’est la mesure.“[05]
Und allem, was er dann über das Lösen der Gleichung sagt. All dies, da es in der Fläche bleibt, da es auch die Front des Parthenon, welche keine Fläche ist – und die des gotischen Domes, die es wohl noch weniger ist, auf die Fläche zurückführt, scheint Taut irrelevant. Es ist beinahe eine Trotzhandlung, wenn nun er das Wort Proportion anders gebraucht. Blicken wir noch einmal in die „Architekturlehre“.

Er spricht von den Änderungen, die er in den wissenschaftlich genauen Plänen der GEHAG vorgenommen hat.
„Was im ersten Vorgang gemacht war, nämlich die guten Proportionen des Lageplans, das ist in der Wirklichkeit, wenn die Siedlung gebaut ist, nicht direkt zu sehen. Aber die Leute, die dort wohnen oder da spazieren gehen, fühlen bewußt, daß das Ganze harmonisch geordnet ist.“[06]

Man sieht, wie schwer sich Taut das Leben macht: dieses „fühlen bewußt“ steht hier als eine Abschwächung der allzu bestimmten Behauptung, daß die „Proportionen“ des Lageplans nicht direkt zu sehen seien. So ganz auffällig sind sie schon deshalb nicht, weil sie in Tauts späten Siedlungen (etwa „Onkel Tom“) als Abweichungen von einem im Grunde schematischen Plan in Erscheinung treten. Sie erscheinen allerdings nicht sogleich. Aber die Tatsache, daß sie durchaus sichtbar sind, mag Taut zu jenem merkwürdigen Wort veranlasst haben, daß die Leute „bewußt fühlen“. Aber hören wir ihn weiter: „Der Bau muß zweckmäßig sein, und doch erwartet jeder vom Architekten mehr als die banale Nützlichkeit seiner Bauten. Er erwartet, daß ein Neubau nicht nur benutzbar ist, sondern daß er auch ein besseres und schöneres Leben ermöglicht. In der Praxis bedeutet das, daß der Architekt mit seiner Arbeit für die Proportion bereits beim Programm für einen Neubau zu beginnen hat, ehe er überhaupt zeichnet.“ [...]

Der Ort der möglichen Veränderung, die zur Proportion führt, ist das, was Taut den Spielraum nennt: „Die Realität läßt also immer einen Spielraum offen. Es tut nichts zur Sache, wie groß dieser Spielraum ist. Auf alle Fälle liegt in ihm der eigentliche Punkt, an dem die Proportion ihr Leben beginnt.“[06]

Bruno Taut, der in einer Zeit gewirkt hat, welche von verschiedenen Theorien und Definitionen der Architektur beherrscht war, einer neuen Architektur, hält es am Ende in der „Architekturlehre“ für notwendig, sich mit ihnen allen auseinanderzusetzen. Le Corbusier wird genannt; ebenso könnte Häring genannt werden, welcher die Meinung vertrat, daß die lebendige Form sich aus der genauen Befolgung der Aufgabe „ergebe“, und Gropius, welcher das Heil von einer Industrialisierung des Bauvorganges erwartete und noch andere. Taut hat nachträglich seinen Zugang zur Architektur gegen alle diese Abstraktionen bekräftigt; und er tat es, indem er immer wieder auf die Vielfalt hinwies, welche einem gebauten Gegenstande innewohnt, welcher konkret ist, da er körperlich unter der Sonne und den Wolken steht – hier und am Äquator – und da er immer mit dem Menschen zu tun hat, er sei nun was er sei. Dies ist das Ergebnis eines Lebens der Utopie und der Produktion bis 1933 und der produktiven Beobachtung in zwei Ländern nach 1933. Das Ergebnis, die „Architekturlehre“, ist keineswegs gut geschrieben. Le Corbusier hat besser geschrieben, Häring auch. Aber diese nicht sehr gut geschriebene „Architekturlehre“ macht es dem Leser plausibel, warum Bruno Tauts Siedlungsbauten uns jeden Tag aufs neue ansprechen, während so vieles von dem, was andere in den zwanziger Jahren gebaut haben, in die eigene Zeit zurückzusinken scheint.

Sehen wir die Probe aufs Exempel an […]. Nehmen wir „Onkel Tom“ und dort wieder den jüngsten Teil, nördlich der Argentinischen Allee.

Im Grunde ist der Plan des Teiles dieser Siedlung, den wir näher ansehen wollen, schematisch, man kann ihn klassizistisch nennen; die Nord-Süd-Straßen treffen jedesmal auf eine Lücke in der Bebauung der südlichen Straße; aber Taut hat es so eingerichtet, daß sie nicht auf diese Lücke zu treffen scheinen: es wirkt eher wie ein Zufall. Er hat auch von Süden her niedrige Mauern in die nach Norden gehende Straße gezogen; aber diese hören nach einer Weile auf: sie leiten nur in die Straße ein. Hierfür aber sind sie unentbehrlich. Tritt in einer Nord-Süd-Straße ein Gebäude vor, so wird das niemals auf der anderen Straßenseite wiederholt. Das würde einen Tor-Effekt ergeben; die Straße würde dadurch in verschiedene Räume geteilt. Erscheint ein Vorsprung auf der anderen Straßenseite, so wird er an einer anderen Stelle stehen.

Man ist in der Tat wieder beim Akazienplatz, nicht aber bei dem Gesamtplan der Siedlung Falkenberg. Dieser war reich gegliedert, man wäre durch eine Vielzahl verschiedener Räume gegangen. „Onkel Tom“ ist im Grunde einfach geplant; aber die Mittel der Planung sind sehr entschieden eingesetzt. Die Wirkung der breiten Avenue, welche vom Untergrundbahnhof „Onkel Tom“ nach Süden führt und an deren beiden Seiten zweigeschossige Häuser mit Wohnungen stehen, in verschiedenem Abstand von der Straße und von sehr verschiedener Form: auf der einen Seite flächig, auf der anderen gegliedert, ist eine der eindrucksvollsten Straßen, welche dieses Jahrhundert geschaffen hat.

Auch die Farbe wird nun anders behandelt: nicht mehr als eine provozierende Absichtserklärung: das war sie in Falkenberg und noch in Magdeburg; die Farbe wird systematisch in das Erscheinungsbild der Siedlung eingebracht. In den Nord-Süd-Straßen des Nordteils von „Onkel Tom“ ist die nach Westen gerichtete Seite der Straße rot, die nach Osten gerichtete grün gefärbt. Das ist der Gesamtanstrich, aber die Farbe wird in Einzelheiten differenziert.

Das geht bis in die Färbung der festen und der beweglichen Fensterrahmen. […]
Da wir von Einzelheiten dieser Siedlung sprechen, müssen wir die Fenster erwähnen. Diese Fenster, nicht mehr klein unterteilt wie in den Häusern vor 1914 – aber auch noch nicht ohne jede Teilung, wie man gegenwärtig Fenster macht […]: diese Fenster, logisch unterteilt, überzeugen heute noch […]. Die Fenster sind recht eigentlich das, was diesen Fronten Sinn, Leben, Form gibt: Proportion, im Tautschen Sinne. Die Fronten sind wohl das Beste, was Taut uns hinterlassen hat. Dem Bauhaus-Formalismus stehen sie fern. Jede Hausfront ist mit Fenstern und Eingangstüren „geschmückt“, welche nicht utilitär sind, nicht „funktionalistisch“, sondern „in Proportion“. Je öfter man sie sieht, um so besser werden sie in den Augen des Beschauers. Es ist leider wahr, daß keine ebensogute häusliche Architektur seitdem entstanden ist. Und es ist – wieder leider – ebensowahr, daß wir diese nicht wiederholen dürfen: sie gehört einer anderen Zeit an. [...]

So weit ist Bruno Taut in seiner Arbeit in Deutschland gekommen, als er unterbrochen wurde. Er war der einzige nicht. Er war auch nicht der einzige Architekt, der versucht hat, einem Lande gerecht zu werden, das ihm neu war. Bruno Taut ist in Japan einer Kultur begegnet, welche gerade in der Architektur Bedeutendstes hervorgebracht hat, und er hat die Erfahrung dieser Baukultur, die eine Hausbaukultur gewesen ist, in sich aufgenommen. Er hat sehr bald den Rang eines Gebäudes wie Katsura erkannt, und er benutzt den Rang dieses Hauses, um die Grundgedanken der modernen Architektur an diesem klassischen Gebäude zu prüfen. Die Grundgedanken, sage ich, die allgemeinsten Begriffe; denn Kristiana Hartmann hat ganz gewiß recht, wenn sie sagt: „Taut hat „seine Moderne“ sozusagen selbst gefunden. Dies mag überspitzt klingen.

Wir sind jedoch der Meinung, daß die Tautsche „Moderne“ kein „Modernismus“ war, keine ängstliche Annäherung oder Anpassung an internationale Übereinstimmungen [...].“[07]

Einige wenige Grundbegriffe also prüft Bruno Taut an dem Palast von Katsura. Diese Prüfung ist der Inhalt seiner posthum veröffentlichten „Architekturlehre“. Katsura spielt dabei eine große Rolle. Taut hätte sich vielleicht auf Katsura, einen Wohnbau, beschränken können. Er hat das, meine ich, darum nicht getan, weil die moderne Architektur dem Bauen, das dem Wohnen gewidmet ist, zwar einen hohen Rang einräumt; sie hat sich indes auch auf Bauten anderer Bestimmung bezogen. Dies ist, meine ich, der Grund, warum Taut eine Reihe von Gebäuden verschiedener Bestimmung – und verschiedener Kulturen – als klassisch akzeptiert. An ihnen, nicht an Katsura allein, prüft er die Leitsätze der modernen Architektur: Technik, Konstruktion, Funktion, nachdem er schon am Anfang seiner Lehre den Begriff der Proportion eingeführt hat, wie er ihn versteht, um imstande zu sein, die Begriffe, auf die die moderne Architektur Wert legt, auf diesen seinen Proportionsbegriff zu beziehen. Es würde zu weit führen, die ganze Prüfung hier nachzuvollziehen; begnügen wir uns damit, der Prüfung des Funktionsbegriffes nachzugehen, welche er vornimmt, indem er diesen Begriff auf Katsura bezieht. Er sagt:
„Die Funktion hat hier den Charakter der totalen Allseitigkeit; ihre Ausstrahlungen und Beziehungen hören nirgends auf. Sie zeigt sich als Nützlichkeit für das praktische Alltagsleben bei den Wohn- und Schlafräumen, dem Bad, der Toilette usw., ebenso als Annehmlichkeit für die Sinne mit schattigen, Wind durchzogenen Räumen, äußerst beruhigendem Licht und einer unerhört raffinierten Kunst, den Garten in den Räumen des Hauses zu genießen.“ Und weiter:
„Darin ist dieser Bau in seinem Prinzip ein vollendetes Vorbild für die moderne Architektur. Er deckt sich vollständig mit seiner Bestimmung und seinen Zwecken, die hier, bei einem Wohngebäude, viel differenzierter sind als bei einem Tempel oder einer Kirche […]“. „Wer sich auch nur ein bißchen das japanische Leben vorstellen kann, wird in Katsura die Funktion genießen, die zur Form geworden ist. Aber die Schönheit wird sich ihm auch dann mitteilen, wenn er sich gar nicht bewußt ist, daß es hier in der Hauptsache die Funktion war, deren sich die Proportion zur Architekturschöpfung bediente. In Katsura kann man wirklich sehen: Was gut funktioniert, sieht gut aus.“[08]

Hier spricht noch der moderne Architekt. […] Aber Taut geht weiter in seinem Argument:
„Bei der Erschaffung eines Bauwerks befindet sich die Funktion in Einheit mit der Proportion. Aber ihre Lebensdauer ist nicht sicher; sie stirbt im Verlauf der Zeiten entweder ganz oder in einigen ihrer Eigenschaften. Die Proportion aber lebt auch ohne sie weiter.“ Und weiter:
„Wenn man also die Funktion ganz und gar von ihrer Ordnung durch die Proportion trennt, so hat sie für den Architekten kein Interesse. Sie wird zur Wissenschaft und kann allein nicht Wirklichkeit werden.“ Das erkennen wir an; aber nun zieht Taut Folgerungen, welche uns wundern. Er sagt:
„Wir befassen uns hier aber mit der Architektur, das heißt der Kunst der Proportion. Infolgedessen kann man [...] ruhig behaupten, daß die alten, engen, trüben und muffigen Häuser wohl den modernen hygienisch, technisch und sozial unterlegen sind. Aber in der weitaus größeren Mehrzahl sind sie architektonisch überlegen und werden es bleiben.“[09]

Ich sagte, diese Folgerung wundere uns, da Taut sie zieht. Unter der Hand nämlich hat der Begriff Proportion hier seinen Sinn geändert: von dem, was dem Menschen angemessen ist, wird er zum Formbegriff in dem Sinne, in dem bereits die Renaissance ihn gebraucht hat. […]

Ich habe aber nicht aus der „Architekturlehre“ zitiert, um Taut, den Autor, ins Unrecht zu setzen. Er hat seine Augen offengehalten. Er hat den Parthenon angesehen und festgestellt, wie falsch jeder Versuch ist, die Projektion dieser Front in eine senkrechte Ebene als Maßstabsstudie zu gebrauchen; da das ja nur eine Projektion ist, während das Gebäude selbst körperlich ist. Er hat auch Katsura so angesehen, als etwas, das man anfassen kann, das Raum ist und Raum schafft, und Körper, und Textur, und Farbe, mit einem Wort als das Lebende, das jeder Begrifflichkeit widersteht. Nur hat er sich gleichzeitig als moderner Architekt, der über die Begrifflichkeit dieser Architektur hinauszugehen wünschte, gedrungen gefühlt, diese Begriffe im einzelnen abzuhandeln. Er ist wieder gedanklich bis zum Extrem gegangen. Räumen wir ein, daß auch die Architekturtheorie, wie eigentlich alles, was er geschrieben hat, problematisch ist. Wir dürfen das einräumen, solange wir uns daran erinnern, daß vieles Extreme, was er gesagt hat – in welcher Richtung nun immer –, sich letzten Endes auf jene Einheit bezieht, die er Proportion genannt hat: das Angemessene im Ganzen und in jeder Einzelheit: die Einheit, die er in verschiedenen Richtungen gesucht hat, und die zu bauen ihm selbst in den späten zwanziger Jahren gelungen ist. […]


Der Text ist ein kurzer Auszug aus der Rede von Julius Posener anläßlich des fünfzigsten Todestages Bruno Tauts im Dezember 1988, erschienen in der Reihe: Anmerkungen zur Zeit, Heft 28, Akademie der Künste, Berlin 1989.


Anmerkungen:
* Anm. d. Red.: Taut starb im Dezember 1938 in Istanbul. Die Rede hielt Julius Posener anläßlich des fünfzigsten Todestages von Taut 1988 an der Akademie der Künste Berlin.

[01] Mitteilung von Manfred Speidel, welcher Tauts Werk in Japan vor kurzem noch einmal gründlich untersucht hat.
[02] Ich habe Bruno Taut gegen 1930 als Korrespondent für Mitteleuropa der damals gegründeten Zeitschrift L’Architecture d’Aujourd’hui kennengelernt. Seit Mai 1933 habe ich dann in der Redaktion in Paris gearbeitet und mit Bruno Taut Kontakt gehalten.
[03] Siehe S. 42 (deutsche Erstausgabe, hrsg. von Goerd Peschken und Tilmann Heinisch, Hamburg/Berlin 1977; türkische Ausgabe: Istanbul 1938; japanische Ausgabe: Tokio 1948)
[04] Siehe S. 48
[05] Le Corbusier, „Vers une Architecture“, Paris 1953, S. 130 (zuerst erschienen 1923)
[06] Siehe S. 43
[07] Kristiana Hartmann, „Bruno Taut“, in: Wolfgang Ribbe/Wolfgang Schäche (Hrsg.), „Baumeister, Architekten, Stadtplaner. Biographien zur baulichen Entwicklung Berlins“, Berlin 1987, S. 419.
[08] Siehe S. 111
[09] Siehe S. 112


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20. Oktober 2009Bruno Taut
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Glossar - Personen- und Sachverzeichnis

Taut hat in der Architekturlehre als auch in den Architekturüberlegungen Erläuterungen zu zeitgenössischen Personen und Bauwerken nicht für nötig befunden. Ein Grund dafür könnte sein, daß er viele von ihnen in seinem bekannten Buch „Die neue Baukunst in Europa und Amerika“ von 1929 ausführlich behandelt hat. Zum Vergleich sind die Abbildungsnummern der „Neuen Baukunst“ in eckigen Klammern angegeben.

Taut hat in der Architekturlehre als auch in den Architekturüberlegungen Erläuterungen zu zeitgenössischen Personen und Bauwerken nicht für nötig befunden. Ein Grund dafür könnte sein, daß er viele von ihnen in seinem bekannten Buch „Die neue Baukunst in Europa und Amerika“ von 1929 ausführlich behandelt hat. Zum Vergleich sind die Abbildungsnummern der „Neuen Baukunst“ in eckigen Klammern angegeben.

Ashbee, Charles Robert (1863–1942), Architekt und Designer, Sozialreformer; entwickelte aus der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung, die auf William Morris und John Ruskin zurückgeht, Ansätze für ein Industriedesign. Seine Land- und Stadthäuser stellen mit klaren und dekorfreien Formen eine auf das Wesentliche reduzierte, traditionelle Baukunst dar. Er war Vorbild für Hermann Muthesius, der ihm einen wichtigen Platz in seinem Werk „Das englische Haus“ (1904–05) einräumte. [14]

Bashô, Matsuo (1644–94), japanischer Dichter; vervollkommnete die Kunst des Haiku, des Kurzgedichtes aus 5–7–5 Silben. Berühmtestes Werk ist sein poetisches Tagebuch „oku no hoso michi“ (1694), englisch: „The Narrow Road to the Deep North and Other Travel Sketches“, hrsg. v. Nobuyuki Yuasa, Penguin Books 1966.

Behrens, Peter (1868–1940), Maler, Architekt, Designer. Sein einflußreichstes Werk entstand während seiner Tätigkeit als künstlerischer Beirat der AEG Berlin (1907–14): Turbinenhalle der AEG (1909), Kleinmotorenfabrik (1911), Design von Lampen und Elektrogeräten, Wohn- und Ausstellungsbauten. Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe gingen bei ihm in die Lehre, mit Le Corbusier arbeitete er zusammen. Lit.: Tilmann Buddensieg (Hrsg.), „Industriekultur, Peter Behrens und die AEG 1907–1914“, Berlin 1979. [27]

Berlage, Hendrik Petrus (1856–1934), holländischer Architekt. Reform der eklektizistischen Baustile hin zu einer konstruktiven und rationalen Baukunst. Hauptwerk: Die Börse in Amsterdam (1896–1903). Politisch links-liberal, förderte und beteiligte er im Rahmen seiner städtebaulichen Planung Amsterdam-Süd die jungen „Expressionisten“ Michel de Klerk, Piet Kramer u.a. Lit.: Manfred Bock, „Anfänge einer neuen Architektur“, ’s-Gravenhage/Wiesbaden 1983. [38]

Bonatz, Paul (1877–1956), Architekt, ab 1908 Professor an der TH Stuttgart als Nachfolger von Theodor Fischer. Entwickelte einen reduzierten Historismus mit monumentalen Ausdrucksformen. Hauptwerk: Hauptbahnhof in Stuttgart (1911–28). In den späten 20er Jahren Tendenzen zur Moderne: Hotel Graf Zeppelin, Stuttgart. Ab 1938 schuf er u.a. monumentale Brücken für die Reichsautobahnen. Lit.: Norbert Bongartz, Peter Dübbers, Frank Werner, „Paul Bonatz 1877–1956“, Stuttgart 1977.

École des Beaux-Arts, seit 1823 Bezeichnung der französischen Kunstakademien. Im Paris des 19. Jahrhunderts war sie die führende Ausbildungsstätte für Architektur. Sie vertrat eine neobarocke Architektursprache, deren Merkmale Symmetrie und historistische Bauformen waren. Lit.: Donald Drew Egbert, „The Beaux-Arts Tradition in French Architecture“, Princeton 1980.

Eiffel, Alexandre Gustave (1832–1923), französischer Ingenieur und Unternehmer. Sein berühmtestes Werk ist der nach ihm benannte Eiffelturm in Paris, der für die Weltausstellung 1889 erbaut wurde. Mit 300 Metern war er bis 1930 das höchste Bauwerk der Welt. Eisen war das alleinige gestalterische Material. An der Stahlkonstruktion der Freiheitsstatue in New York (1885) war er ebenfalls beteiligt. Lit.: Henri Loyrette, „Gustave Eiffel, Ein Ingenieur und sein Werk“, Stuttgart 1985. [15]

Fischer von Erlach, Johann Bernhard (1656–1723), führender Barockarchitekt in Österreich. Ab 1704 Wiener Hofarchitekt. Sein Meisterwerk wurde die Karlskirche in Wien (begonnen 1716). Erbauer der Wiener Hofbibliothek, heute Nationalbibliothek in der Wiener Hofburg, begonnen 1723 und vollendet 1726 von seinem Sohn Josef Emanuel Fischer.

Freyssinet, Eugène (1879–1962), französischer Ingenieur, bedeutend vor allem durch seine Spannbeton-Konstruktionen. Für die Luftschiffhalle in Orly bei Paris (1916) entwarf er eine gefaltete, schlank dimensionierte Eisenbetontonne in der Form einer Parabel. 1928 reichte er ein Patent zur Vorspannung von bewehrtem Beton ein, das 1930 erteilt wurde. Lit.: Jupp Grote, Bernard Marrey, „Freyssinet, der Spannbeton und Europa“, Paris 2000.

Garnier, Tony (1869–1954), französischer Architekt. Als Prix de Rome-Stipendiat entwarf er die „Cité Industrielle“, eine selbständige Industriestadt für 35.000 Einwohner mit Bauten in Eisenbeton, und publizierte sie 1917 in Paris. Ab 1905 eigenes Büro in Lyon, wo er die großen Projekte wie Viehmarkt, Krankenhaus und Sportstadion im Sinne seiner „Cité Industrielle“ verwirklichen konnte. Lit.: „Tony Garnier. L’œuvre complète“, Ausstellungskatalog, Paris 1989. [34]

Gropius, Walter (1883–1969), Architekt, Gründer des Bauhauses in Weimar (1919) und Dessau (1925). Nach unterbrochenem Studium arbeitete er 1909 bei Peter Behrens, 1910–25 gemeinsames Büro mit Adolf Meyer. Bedeutend für sein Œuvre sind die Faguswerke in Alfeld an der Leine (1911–14) sowie das Bauhausgebäude in Dessau (1925–26). Lit.: Reginald R. Isaacs, „Walter Gropius. Der Mensch und sein Werk“, Berlin 1983–1984. [24, 27, 199]

Haeckel, Ernst (1834–1919), Professor für vergleichende Anatomie und Zoologie in Jena, Naturphilosoph. Meeresbiologische Forschungsreisen führten zu Arbeiten über Radiolaren, Schwämme und Medusen, die er unter ästhetischen Gesichtspunkten zeichnete und publizierte: „Kunstformen der Natur“ (1899–1904). Sie hatten Einfluß auf Künstler des Jugendstils. Unermüdlicher Kämpfer für den Darwinismus. Begründung einer monistischen (atheistischen) Weltanschauung.

Hagia Sophia, Konstantinopel (heute Istanbul), erbaut von Anthemios von Tralles und Isidor von Milet (532–537), nach einem Erdbeben 557 mit höherer Kuppelkonstruktion erneuert, Durchmesser 31,5 Meter.

Haussmann, Baron George Eugène (1809–91), ab 1853 Präfekt unter Napoleon III. Umgestaltung des Pariser Stadtbildes mittels Straßendurchbrüchen, die ein System von Boulevards bilden und sternförmig in runden Plätzen zusammentreffen. Mit den Durchbrüchen entstand auch die 7- bis 8-geschossige Straßenbebauung mit den charakteristischen Mansarddächern, die das Straßenbild der Stadt prägen. Lit.: Howard Saalman, „Haussmann, Paris Transformed“, New York 1971.

Holl, Elias (1573–1646), Renaissancebaumeister. Nach einem Italienaufenthalt wurde er 1602 Stadtbaumeister in Augsburg. Viele öffentliche Bauten, darunter Schulen und Spital. Bedeutendstes Bauwerk ist das Rathaus (1615–20), einfach und streng gestaltet mit gleichmäßigem Fensterraster, aber je nach Funktion in unterschiedlichen Größen symmetrisch zusammengefaßt. Lit.: Bernd Roeck, „Elias Holl, 1573–1646. Architekt einer europäischen Stadt“, Regensburg 1985.

Horeau, Hector (1801–72), französischer Architekt, bekannt für die Lithographien seiner Ägyptenreise (erschienen 1841). Seine Vorschläge zur Verwendung von Eisenkonstruktionen im Monumentalbau fanden Eingang in seinen Siegerentwurf für den Wettbewerb (1850) zur Weltausstellung in London, dessen Dach aus Glas und Wände aus Platten von Porzellan, Terrakotta und farbigem Glas bestehen sollten. Realisiert wurde jedoch Joseph Paxtons Kristallpalast (1851).

Ise-Schreine, Mie Präfektur, Japan. Shinto-Heiligtum bestehend aus „antikem“ Kultspeicher und Nebenbauten. Alle Bauten einschließlich der 120 „Nebenschreine“ werden alle 20 Jahre neu errichtet. Erste dokumentierte Erneuerung 690 n. Chr. Im Inneren (Naiku) Schrein wird die Sonnengöttin Amaterasu verehrt, die als mythologische Ahnengöttin des japanischen Kaisers angesehen wird. Lit.: Kenzo Tange, Noboru Kawagoe, „Ise: Prototype of Japanese Architecture“, Cambridge, Mass. 1965.

Katsura-Palast, bei Kioto, Japan. Kaiserliche Wohnbauten und Teepavillons mit Landschaftsgarten, in drei Abschnitten 1617, 1642–45 und 1658–63 erbaut. Stilistische Merkmale führten zur Zuschreibung an den Fürst und Teemeister Kobori Enshu. Die „Entdeckung“ durch Bruno Taut 1934 machte dieses „architektonische Weltwunder Japans“ weltberühmt. Lit.: Arata Isozaki, Osamu Sato, Yasuhiro Ishimoto, „Katsura, Raum und Form“, Stuttgart/Zürich 1987; Arata Isozaki, Virginia Ponciroli (Hrsg.), „Katsura: The Imperial Villa“, Mailand 2007.

Le Corbusier, eigentlich Charles-Édouard Jeanneret (1887–1965), Architekt und Maler. Ab 1918 in Paris; begründete mit Amédée Ozenfant den sog. Purismus. Ab 1920 Herausgabe der Zeitschrift „L’Esprit Nouveau“, in der seine programmatischen Texte erschienen, die später die Basis seines einflußreichen Buches „Vers une architecture“ bildeten. Von 1920 bis zu seinem Tode die dominierende Persönlichkeit der modernen Architektur. Lit.: Willy Boesiger (Hrsg.), „Le Corbusier, Œuvre Complète, 1910–1965“, Zürich, bis 1965. [51, 186, 203]

Lunatscharski, Anatoli W. (1875–1933), russischer Politiker und Schriftsteller. Nach seiner Rückkehr aus westeuropäischer Emigration war er 1917–29 Leiter des Volkskommissariats für Erziehungswesen in der USSR und förderte die Vielseitigkeit der Kunst- und Architekturströmungen. Persönliche Bekanntschaft mit Bruno Taut; besuchte dessen Siedlungen in Berlin. Lit.: Barbara Kreis (Hrsg.), „Bruno Taut. Moskauer Briefe 1932–1933. Schönheit, Sachlichkeit und Sozialismus“, Berlin 2006.

Mackintosh, Charles Rennie (1868–1928), englischer Architekt und Designer; bildete zusammen mit Margaret und Frances MacDonald sowie James Herbert McNair die bekannte Jugendstil-Künstlergruppe „The Four“. Bedeutendstes Werk ist die Glasgow School of Art (1897–99 und 1907–09), eine Art dreidimensionales Ornament. Das Design zeigt Parallelen zu den Wiener Werkstätten, aber auch zu Frank Lloyd Wright. Lit.: Alan Crawford, „Charles Rennie Mackintosh“, London 1995. [14, 16, 17]

Mendelsohn, Erich (1887–1953), Architekt, prägte den Begriff der „dynamischen Funktion“ für seine vom Eisenbeton angeregten plastisch-organischen Architekturvisionen (1917/18). Der Einsteinturm in Potsdam (1919–21) wurde jedoch gemauert. Seine zahlreichen Fabriken, Geschäfts- und Warenhäuser suggerieren mit ihrer fließenden Linienführung, ihren Eckausbildungen und ihrer rhythmischen Gliederung Bewegung. Mendelsohn emigrierte 1933 (London, Palästina, ab 1941 USA). Lit.: Regina Stephan (Hrsg.), „Erich Mendelsohn. Gebaute Welten. Arbeiten für Europa, Palästina und Amerika“, Stuttgart 1998. [124, 127]

Messel, Alfred (1853–1909), Architekt. Bedeutendster Bau war das im Krieg zerstörte Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz in Berlin (1896–1997, 1904–05), dessen oft kopierte Fassade eine kraftvolle, an Gotik erinnernde Bauskulptur bildete. Messel war kein Neuerer, wurde aber von den Zeitgenossen für die Ausdruckskraft seiner „Architektur der Großstadt“ bewundert. Lit.: Julius Posener, „Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur. Das Zeitalter Wilhelms II.“, München 1979. [18]

Mies van der Rohe, Ludwig (1888–1969), einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Er entwickelte in den 20er Jahren die grundlegenden Bauformen einer Materialästhetik der modernen Architektur. Höhepunkt war der deutsche Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona (1929). Mies emigrierte 1938 in die USA. Mit den Bauten des IIT in Chicago, z.B. der Crown Hall (1956), zahlreichen Wohn- und Bürohochhäusern wie dem Seagram Building in New York (1958) sowie der Neuen Nationalgalerie in Berlin (1962–68) gewann er dem sichtbaren Stahlskelett eine moderne Klassizität ab. Lit.: Jean-Louis Cohen, „Ludwig Mies van der Rohe“, Basel/Berlin/Boston 1995. [120, 153, 171, 218]

Newton, William Godfrey (1885–1949), englischer Architekt, Professor für Architektur an der Royal College of Art; Sohn des einflußreichen Architekten Ernest Newton, dessen zahlreiche Wohnbauten Hermann Muthesius in sein Buch „Das englische Haus“ (1904–05) aufnahm.

Östberg, Ragnar (1866–1945), schwedischer Architekt. Ruhm erlangte er mit dem Bau des Rathauses von Stockholm (1909–23), das durch vereinfachende Bauformen zwischen Historismus und 20. Jahrhundert vermittelt, dabei mit malerischem Turm und großflächigen Ziegelmauern schwedische Atmosphäre ausstrahlt. Ähnlich wie Berlages Börse in Amsterdam wurde es als Meisterwerk geschätzt. Lit.: Elias Cornell, „Ragnar Östberg – en svensk arkitekt“, Stockholm 1972.

Ostendorf, Friedrich (1871–1915), Architekt und Theoretiker. Er entwickelte eine Entwurfslehre der Raumästhetik mit klaren Raumfolgen und eindeutigen Symmetrien, dargelegt in den unvollendeten „Sechs Büchern vom Bauen“ (Berlin 1913–22), die eine Gegenposition zu den funktionalen Differenzierungen der englischen Landhäuser bildete, die Hermann Muthesius propagierte. Lit.: Werner Oechslin, „„Entwerfen heißt die einfachste Erscheinungsform zu finden.„ Mißverständnisse zum Zeitlosen, Historischen, Modernen und Klassischen bei Friedrich Ostendorf“, in: Vittorio M. Lampugnani u. Romana Schneider (Hrsg.): „Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform und Tradition“, Stuttgart 1992, S. 29–53.

Osthaus, Karl Ernst (1874–1921), Mäzen, Sammler; gründete in Hagen, Westfalen, das Museum Folkwang, das 1902 von Henry van de Velde ausgebaut wurde. Privat und als Vorstandsmitglied des Deutschen Werkbundes förderte er u.a. van de Velde, Richard Riemerschmid, Bruno Taut, Peter Behrens, Walter Gropius und Mathieu Lauweriks. Die Planung einer reform-pädagogischen Folkwangschule in Hohenhagen (1919–20), mit der Taut betraut wurde, konnte er nicht vollenden. Lit.: Herta Hesse-Frielinghaus u.a., „Karl Ernst Osthaus, Leben und Werk“, Recklinghausen 1971.

Oud, Jakobus Johannes Pieter (1890–1963), holländischer Architekt. 1917 Mitbegründer der Künstlerbewegung und Zeitschrift „De Stijl“. Von 1918–33 Stadtarchitekt im Wohnungsbauamt der Stadt Rotterdam: u.a. Wohnblöcke in Spangen (1919–20), Siedlungen in Hoek van Holland (1924–-27) und De Kiefhoek (1925–29), die sich durch eine sorgfältige Durchgestaltung der Alltagseinrichtungen auszeichnen. Lit.: Günther Stamm, „J. J. P. Oud, Bauten und Projekte 1906 bis 1963“, Mainz/Berlin 1984. [41, 42, 138, 158, 159]

Palladio, Andrea (1508–80), italienischer Architekt. Entwickelte eine Villen-Typologie, die Elemente antiker Tempelarchitektur wie Säulenportikus, Symmetrie und harmonische Proportionen auf Wohnhäuser überträgt. Im Veneto schuf er zahlreiche Villen, die einem humanistischen Ideal folgen, u.a. Villa Rotonda (ab 1550). Bedeutende Kirchen in Venedig: San Giorgio Maggiore (1566) und Il Redentore (1576). Lit.: „Vier Bücher zur Architektur“, 1570, deutsch: hrsg. v. Andreas Beyer und Ulrich Schütte, Zürich/München 1984.

Parthenon, Tempel der Athene auf der Athener Akropolis, 447–438 v. Chr. von Iktinos erbaut. Lit.: Manolis Korres, „Die klassische Architektur und der Parthenon“, in: Antikensammlung der SMPK Berlin (Hrsg), „Die griechische Klassik – Idee oder Wirklichkeit“, Mainz 2002, S. 364–373.

Perret, Auguste (1874–1954), französischer Architekt. Perrets Bauten blieben trotz des Einsatzes von Eisenbeton einem klassizistischen Formenrepertoire aus kannelierten Säulen, Andeutungen von Kapitellen und Gesimsen treu: Apartmenthaus in der Rue Franklin (1903), Garage in der Rue de Ponthieu (1906–07), Kirche Notre-Dame in Le Raincy (1922–23), Hôtel de Mobilier National in Paris (1934–36), Musée des Travaux Publics (1936–48). Lit.: Roberto Gargiani, „Auguste Perret 1874–1954, teoria e opere“, Mailand 1993. [98, 217, 221]

Pöppelmann, Matthäus Daniel (1662–1736), seit 1705 Landbaumeister Augusts des Starken; Erbauer des Dresdener Zwinger (1711–22), einem Meisterwerk des Rokoko. Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Bildhauer und Architekt ergab eine prachtvolle, geschlossene Wirkung der ganzen Anlage, die allerdings nicht vollendet wurde. 1944 zerstört, wurde der Zwinger nach dem 2. Weltkrieg wiederaufgebaut. Lit.: Hermann Heckmann, „M. D. Pöppelmann (1662–1736), Leben und Werk“, München/Berlin 1972.

R.I.B.A., Abkürzung für Royal Institute of British Architects, entspricht in etwa den deutschen Architektenkammern.

Scheerbart, Paul (1863–1915), Dichter phantastischer Literatur, wirkte u.a. im Kreis der Berliner Expressionisten um Herwarth Walden und dessen Zeitschrift „Der Sturm“. Seine Orientphantasien und Texte über Glasarchitektur beflügelten die Visionen von Architekten und Künstlern um Bruno Taut. Er dichtete für den Kölner Glaspavillon von Taut (1914) launige Reime. Tauts Buch „Alpine Architektur“ verdankt seine Anregungen Scheerbart. Lit.: Mechthild Rausch, „ Paul Scheerbart, 70 Trillionen Weltgrüsse. Eine Biographie in Briefen 1889–1915“, Berlin 1990.

Schinkel, Karl Friedrich (1781–1841), bedeutendster deutscher Architekt des frühen 19. Jahrhunderts. Ab 1815 im Dienst des preußischen Staatsbauamts. Sein streng klassizistischer Stil veranschaulicht mit architektonischen Mitteln die Trennung von tragenden und füllenden Bauteilen: u.a. in Berlin die Neue Wache (1816), das Schauspielhaus (1818–21), das Alte Museum (1822–28) und die Bauakademie (1831–36). Wichtigstes theoretisches Werk sind die Skizzen und Texte zu einem architektonischen Lehrbuch. Lit.: Goerd Peschken, „Das architektonische Lehrbuch“, Band 14 der Reihe: „Karl Friedrich Schinkel. Lebenswerk“, Berlin 1979. [7]

Schmitz, Bruno (1858–1916), Architekt; Erbauer zahlreicher Nationaldenkmäler der wilhelminischen Zeit, so auf dem Kyffhäuser (1896), an der Porta Westfalica (1896), am Deutschen Eck in Koblenz (1897) sowie des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig (1898–1913). Für den Wettbewerb Hauptstadt Groß-Berlin (1910) entwickelte er mit Otto Blum und Havestadt & Contag die Vision einer monumentalen Stadt. Lit.: Julius Posener, „Berlin auf dem Wege zu einer neuen Architektur. Das Zeitalter Wilhelms II.“, München 1979, Kapitel „Wilhelminismus“, S. 81–105.

Scott, Baillie M. H. (1865–1945), englischer Architekt, spezialisiert auf Wohnhäuser. Er gewann den Wettbewerb „Das Haus für einen Kunstfreund“, den Alexander Koch, Herausgeber der Zeitschrift „Innendekoration“, 1901 in Darmstadt ausschrieb. Beteiligt hatten sich auch Charles Rennie Mackintosh. 1912 wurde sein Buch „Häuser und Gärten“ bei Wasmuth in Berlin verlegt, in dem er anhand eigener Häuser einfache und wohnliche Räume demonstriert.

Semper, Gottfried (1803–1879), Architekt und Theoretiker; wurde mit seiner Publikation über die Polychromie der antiken Architektur (1834) sowie dem Bau der Dresdener Oper (1838–41) und der Gemäldegalerie im Zwinger (1857–54) bekannt. Wegen seiner Beteiligung am Dresdener Maiaufstand 1949 floh er über Paris nach London. 1855–71 lehrte er am neugegründeten Polytechnikum in Zürich (heute ETH), dessen Hauptgebäude (1858–64) er entwarf. 1871–76 Arbeit am Kaiserforum in Wien. Nach seiner materialistischen Theorie der Stile entstehen Ornamente und Bauformen aus den Techniken der Bearbeitung und Übertragung auf andere Materialien. So entwickelten sich aus der Verkleidung der Konstruktion die sekundären Elemente wie Fassaden, Putz oder Schmuck (Bekleidungstheorie). Hauptschrift: „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten“, 1860–63. Lit.: Winfried Nerdinger, Werner Oechslin, „Gottfried Semper 1803–1879, Architektur und Wissenschaft“, Zürich/München 2003.

Sesshû Tôyô (1420–1506), japanischer Maler von Landschaften in Tusche. Lebte 1467–69 in China, wo er die Malerei der Song- und der Ming-Dynastie studierte. Sein berühmtestes Tuschebild im Stil des Ming-Meisters Yujian, „Haboku Landschaft“ (1495), suggeriert mit abstrakten, dynamischen Pinselklecksen und -strichen Klippen, Bäume und Häuser. Zu seinem Repertoire gehörten auch fein ausgemalte Szenenbilder.

Sinan (1489?–1588), bedeutendster osmanischer Architekt; erbaute über 300 Moscheen, Schulen, Krankenhäuser, Bäder, Brücken und Paläste. Die Hagia Sophia in Konstantinopel (heute Istanbul) diente ihm als Vorbild für die Entwicklung der Kuppelmoschee: u.a. Süleyman-Moschee in Istanbul (1550–67), Sultan Selim Moschee in Edirne (1569–75). Lit.: Ernst Egli, „Sinan, der Baumeister osmanischer Glanzzeit“, Zürich/Stuttgart 1954 (1974); Wolfgang Voigt (Hrsg.), „Die Moschee von Sinan. Sinan’s Mosque“, Tübingen/Berlin 2008.

Sullivan, Louis Henry (1856–1924), amerikanischer Architekt; Pionier der Chicagoer Schule, die aus den konstruktiven Bedingungen des Stahlskelettes und den funktionalen Anforderungen an ein Hochhaus die sachliche Form zu gewinnen suchte. Seine theoretischen Betrachtungen in „The Tall Office Building Artistically Considered“ (1896) kulminierten in der Formel: „Die Form folgt der Funktion“. Lit.: Sherman Paul, „Louis H. Sullivan. Ein amerikanischer Architekt und Denker“, Bauwelt Fundamente 5, Berlin 1965. [35, 37]

Ueno, Isaburo (1892–1972), japanischer Architekt. 1922 Weiterstudium der Baukonstruktion in Berlin, ab 1924 an der Universität in Wien, anschließend Arbeit im Architekturbüro von Josef Hoffmann. 1925 Rückkehr nach Japan. 1927 Mitbegründer des „Internationalen Architektenbundes in Japan“. Ab 1929 Mitherausgeber der Zeitschrift „Arkitekturo Internacia“, dem Organ des Verbandes. Ueno wurde nach Tauts Weggang aus Japan 1936 dessen Nachfolger im Kogeisho (Werkstatt für kunstgewerbliche Gegenstände) in Takasaki.

Unwin, Raymond (1863–1940), englischer Architekt; Planer und Erbauer der Gartenstädte Letchworth (ab 1903) und Hampstead (1905–14). Sein Ziel war es, einen Bezug zur Landschaft herzustellen sowie das „Gefühl einer lokalen Gebietsgemeinschaft“ mittels einer Ortsmitte, dem Civic Center, hervorzurufen. Sein theoretisches Hauptwerk ist „Town Planning in Practice“ (London 1909, deutsch: „Grundlagen des Städtebaus“, Berlin 1910). Lit.: Mervyn Miller, „Raymond Unwin. Garden Cities and Town Planning“, Leicester 1992.

Uragami, Gyokudô (1745–1820), japanischer Maler, Musiker und Dichter, entstammt einer Samurai-Familie. Um 1790 begann er mit Tusche Landschaften im Stil der Literati zu malen. Überlagerungen von grauer und schwarzer Tusche, von verwaschenen Flächen und scharfen Strichen, ausgefüllt von Linien und Punkten, kennzeichnen die Berglandschaften. Erst im 20. Jahrhundert fanden seine Bilder gebührende Anerkennung. Unter den Bewunderern war auch Bruno Taut.

Van de Velde, Henry (1863–1957), belgischer Architekt und Designer. Ursprünglich Maler, entwarf er als Autodidakt 1895 sein Wohnhaus Bloemenwerf in Uccle bei Brüssel und die gesamte Innenausstattung. Sein organisches Linienornament in der Treppenhalle des Folkwang-Museums (siehe Osthaus) wurde eine Ikone des Jugendstils. Ab 1902 mit der Gründung und Leitung einer Kunstgewerbeschule in Weimar betraut, für die er die Bauten der Kunstschule (1904–11) und die Kunstgewerbeschule (1905–06) entwarf. 1919 ging daraus unter der Leitung von Walter Gropius das Bauhaus hervor. Beim Werkbundstreit 1914 trat van de Velde für die Individualität der Kunst und gegen Hermann Muthesius’ Thesen zur Typenbildung und Industrialisierung ein. Spätwerk: Museum Kröller-Müller in Otterlo (1936–53). Lit.: Henry van de Velde, „Geschichte meines Lebens“, München/Zürich 1986; Klaus-Jürgen Sembach, „Henry van de Velde“, Stuttgart 1989. [26]

Viollet-Le-Duc, Eugène Emanuel (1814–79), französischer Architekt und Theoretiker, einflußreicher Forscher und Restaurator der französischen Romanik und Gotik. Sah in der Gotik eine rationale Bauweise, die aus dem Skelett der Rippen und den membranartigen Füllungen der Gewölbe bestehe. Dieses konstruktive Prinzip übertrug er auf die Eisenskelettkonstruktion seiner Zeit. Veröffentlichungen: „Entretiens sur l’architecture“ (1863/72). Seine theoretischen Überlegungen beeinflußten Antonio Gaudí. Lit.: Bruno Foucart u.a. (Hrsg.), „Viollet-Le-Duc“, Ausstellungskatalog, Galeries nationales du Grand Palais, Paris 1980.

Vitruv (Vitruvius Pollio) (ca. 84 v. Chr.), römischer Architekt und Ingenieur, Verfasser der „Zehn Bücher über Architektur“ (ab ca. 33 v. Chr.), einer Sammlung des technischen und ästhetischen Wissens über die Baukunst seiner Zeit und der griechischen Antike. Deren Wiederentdeckung (Gianfrancesco Poggio Bracciolini) und Drucklegung 1486 in Rom hatte eine nachhaltige Wirkung auf die italienische Renaissance. Lit.: Günther Fischer, „Vitruv NEU oder Was ist Architektur?“, Bauwelt Fundamente 141, Basel/Berlin/Boston 2008.

Wagner, Otto (1841–1918), österreichischer Architekt. Als künstlerischer Beirat beim Bau der Wiener Stadtbahn entstanden bis 1900 zahlreiche Stationsgebäude, Brücken und Viadukte nach seinen Plänen, u.a. das Stationsgebäude am Karlsplatz mit einer eleganten Eisenkonstruktion und Jugendstilornamenten. Beim Wiener Postsparkassenamt (1903–06) wird die sichtbare Montage der dünnen Natursteinplatten zum Fassadenornament (s. Semper: Bekleidungstheorie). Als Lehrer an der Wiener Akademie (1894–1915) war Wagner der einflußreichste Künstler in der Donaumonarchie. Werk: Otto Wagner, „Moderne Architektur. Seinen Schülern ein Führer auf diesem Kunstgebiete“, Wien 1896. Lit.: Otto Antonia Graf, „Otto Wagner, Das Werk des Architekten“, Wien/Köln/Graz 1985. [19, 20]

Wesnin, Alexander Alexandrowitsch (1883–1959), russischer Maler, Bühnenbildner, Architekt; Leitfigur des „russischen Konstruktivismus“, Professor an der WChUTEMAS. 1926–30 Mitherausgeber der Zeitschrift „Sovremennaja Architektura“ („Zeitgenössische Architektur“). Werke: Arbeiterklub- und Theaterhäuser, Warenhaus MOSTORG (1927), Dnjepr-Kraftwerk (1927–32). Wettbewerbsarbeiten: u.a. Palast der Arbeit, Sowjetpalast, Gebäude des Volkskommissariats für Schwerindustrie. Lit.: Selim O Chan-Magomedow, „Alexander Wesnin und der Konstruktivismus“, Stuttgart 1987. [46, 214]

Wright, Frank Lloyd (1867–1959), amerikanischer Architekt; 1888–93 bei Louis Sullivan. In Oak Park und River Forest, Chicago, entwickelte er bis 1910 Einfamilienhäuser für den Mittleren Westen, die er „Prairie Houses“ nannte, u.a. Robie House (1908–10). Während seines Europa-Aufenthaltes 1910 publizierte er bei Wasmuth in Berlin das Mappenwerk „Ausgeführte Bauten und Entwürfe von Frank Lloyd Wright“ (1910/11), das nachhaltigen Einfluß auf deutsche und niederländische Architekten haben sollte. Ab 1911 Aufbau seines Wohnhauses samt landwirtschaftlichem Betrieb in Taliesin, Spring Green, Wisconsin. Sein bekanntestes Meisterwerk: Haus Kaufmann (Fallingwater), Bear Run, Pennsylvania (1934–37). Lit.: Peter Gössel, Gabriele Leuthäuser (Hrsg.), „Frank Lloyd Wright“, Köln 1994. [36, 37, 174]

Yoshida, Tetsuro (1894–1956), japanischer Architekt. Er vertrat eine „moderate“ Moderne, die ihre Vorbilder in Paul Bonatz und Ragnar Östberg sah: Hauptpostämter in Tokio (1929–30) und Osaka (1939). Yoshida war gleichermaßen in der traditionellen japanischen Architektur versiert: Haus Baba in Tokio (1928). Er half Bruno Taut bei der Detaillierung der Gesellschaftsräume der Hyuga Villa in Atami (1935). Veröffentlichungen im Wasmuth Verlag: „Das japanische Wohnhaus“ (1935, 2. Aufl. 1954), „Japanische Architektur“ (1952), „Der japanische Garten“ (1957).

Zeppelin, Ferdinand Graf von (1838–1917), Begründer des Starr-Luftschiffes mit Ganzmetallgerüst. 1898 gründete er eine eigene „AG zur Förderung der Luftschiffe“ und errichtete bei Friedrichshafen am Bodensee eine schwimmende Halle als Zeppelinwerft. Das erste Luftschiff startete am 2.7.1900, insgesamt wurden etwa 100 gebaut. 1909 gründete er zusammen mit Maybach in Friedrichshafen eine Fabrik zur Herstellung von Motoren für Luftschiffe. Am 19.8.1929 landete Zeppelin in Japan.

ARCH+, Di., 2009.10.20



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ARCH+ 194 Bruno Taut: Architekturlehre

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