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26. Juli 2019Christian Marquart
Bauwelt

Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim

Die Justizvollzugsanstalt ist ein Ort der Zeitgeschichte und wurde stetig ergänzt. Im Juni eröffnete nebenan das bestens gesicherte Prozessgebäude. Eine Veröffentlichung ist nur begrenzt möglich. Auf Grundrisse mussten wir ganz verzichten.

Die Justizvollzugsanstalt ist ein Ort der Zeitgeschichte und wurde stetig ergänzt. Im Juni eröffnete nebenan das bestens gesicherte Prozessgebäude. Eine Veröffentlichung ist nur begrenzt möglich. Auf Grundrisse mussten wir ganz verzichten.

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Bauwelt 2019|15 jung, frisch, neu

16. Juni 2017Christian Marquart
Bauwelt

Jenseits von Arkadien

„Draußen“ heißt die aktuelle Ausstellung des Architekturmuseums der TU München: Das klingt im Kontext des Untertitels „Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain“ plausibel. Andererseits sorgt die Globalisierung dafür, dass dieses spezifische „Draußen“ der Landschaftsarchitektur längst zu einem ambivalenten „Drinnen“ geworden ist. Jene, die in Afrika, Asien und Südamerika mit mächtigen Strategen des „land grabbing“ zu tun haben, wissen das.

„Draußen“ heißt die aktuelle Ausstellung des Architekturmuseums der TU München: Das klingt im Kontext des Untertitels „Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain“ plausibel. Andererseits sorgt die Globalisierung dafür, dass dieses spezifische „Draußen“ der Landschaftsarchitektur längst zu einem ambivalenten „Drinnen“ geworden ist. Jene, die in Afrika, Asien und Südamerika mit mächtigen Strategen des „land grabbing“ zu tun haben, wissen das.

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Bauwelt 2017|12 Zukunft Multihalle

08. August 2014Christian Marquart
Der Standard

Ein Haus als Gast in der Siedlung

Im Stuttgarts denkmalgeschützter Weißenhofsiedlung wurde erstmals seit Jahrzehnten neu gebaut. Werner Sobeks Haus „B10“ ist eine wahre Wundertüte an Ideen.

Im Stuttgarts denkmalgeschützter Weißenhofsiedlung wurde erstmals seit Jahrzehnten neu gebaut. Werner Sobeks Haus „B10“ ist eine wahre Wundertüte an Ideen.

Zur Mittagszeit wird in Stuttgarts berühmter Weißenhofsiedlung aus dem Jahr 1927 unter grauem Himmel ein neues Haus der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine kleine Sensation, denn die wiederbelebte Adresse „Bruckmannweg 10“ ist eine alte, geheiligte Brache, erzeugt von einer Fliegerbombe des Zweiten Weltkriegs; die räumte ein Haus des Architekten Richard Döcker gründlich ab. Jahrzehntelang hatten die „Freunde der Weißenhofsiedlung“, die Denkmalpflege und die Kommunalpolitik jedes Neubauvorhaben in der begehrten, grün überwucherten Baulücke zum Sakrileg erklärt, wenn es nicht wenigstens originalgetreu sowohl die alte Wohnfunktion wie auch das verlorene Gebäude wieder herstellen würde.

Jetzt steht dort ein Fertighaus namens „B10“ in minimalistischem Design, entworfen auf der Grundlage eines modularen Systems, das ein schwäbisches Unternehmen als „Flying Space“ anbietet. Ein weißer Bungalow, zusammengefügt in einem Tag aus vorgefertigten Elementen, aber ausgestattet mit einer Menge technischer Features, die es in dieser Konfiguration noch nicht gab. Zur Straße hin ein offener, fließender, voll verglaster Raum; entlang der geschlossenen Rückfront reihen sich Funktionsbereiche mit geringer Tiefe auf: Haustechnik, digitale Gebäudesteuerung, Küchenzeile, Sanitärräume. Diese Box aus Holz, Glas, Metall und einer textilen Bespannung figuriert auch als Prototyp und Grundelement einer neuen Generation des verdichteten Wohnungsbaus. Eine Wohnmaschine? Nicht sofort. Zunächst wird „B10“ ein Jahr lang von jungen Kreativen als kleine Arbeitswelt getestet.

Das Haus ist im Weißenhof- Ensemble also nur Gast: ein „Living Lab“ auf Zeit, konzipiert zur Erforschung und Einübung ressourcenschonender Lebensstile in der Stadt. Ein weites Feld. Das Erscheinungsbild des Bungalows sagt deshalb wenig aus darüber, ob seine künftige Performance, die wissenschaftlich begleitet wird, wirklich die erhofften Impulse geben kann, die 2011 in Deutschland ausgerufene Energiewende endlich in die Städte und Ballungsräume zu bringen - dorthin, wo sie am dringendsten „greifen“ müsste und wo die Verschränkungen von Stadtwohnen und Mobilität nicht nur energetisch und unter dem Aspekt der (zu vermeidenden) Emissionen von größter Bedeutung sind.

Ein Kleinstkraftwerk

Nicht zuletzt ist das Haus ein Kleinstkraftwerk, das auch der Nachbarschaft dient. „Weltweit erstes Aktivhaus“ lautet die Schlagzeile der Pressemitteilung. Das Gebäude - finanziert aus gemeinnützigen und privaten Mitteln - erntet trotz seiner geduckten Position in der Siedlung voraussichtlich doppelt so viel Sonnenenergie, wie es selbst benötigt. Es verfügt über einen Eisspeicher im Boden, über ein automatisiertes, vernetztes, „selbstlernendes“ Gebäudemanagement, das sowohl auf Gewohnheiten der Nutzer reagiert als auch auf die Signale eines angeschlossenen virtuellen Kraftwerks und Prognosen der Wetterdienste. Die Photovoltaik auf dem Dach ist intelligent verschaltet und darüber hinaus kombiniert mit solarthermischen Modulen. Der gewonnene Überschuss an Strom wird einem kleinen Fuhrpark aus E-Mobilen und einem energetisch kaum zu ertüchtigenden Baudenkmal in der Nachbarschaft zugeführt - dem „Großen Corbusier“, jenem Doppelhaus, in dem heute das Weißenhofmuseum untergebracht ist.

Der Ingenieur-Architekt des Hauses „B10“, Werner Sobek, hat für diesen energetischen Altruismus in Stuttgarts bauhistorischem Edel-Kiez den Begriff der Schwesterlichkeit gewählt. Sein Ziel ist, der trägen europäischen Energie- und Umweltpolitik Beine zu machen - mit einem intelligenten Pilotprojekt, öffentlichkeitswirksam platziert an prominenter Stelle und in einem triftigen, aber reichlich komplexen Problemfeld: Man könne, sagt Sobek, weder Jahrzehnte warten, bis der Gebäudebestand unserer Städte energetisch komplett gedämmt sei (mit Materialien, die später als Sondermüll zur Last fallen); noch könne man zulassen, dass delikate Architekturen und schöne alte Quartiere durch isolierende Verpackungsorgien geschändet werden. Wenn aber Neubauten mit positiver Energiebilanz ihre älteren, energetisch schwächelnden Nachbarn „aktiv“ unterstützen, sei viel gewonnen.

Mit erneuerbaren Energien, wenn sie verfügbar sind, kann man großzügig umgehen. Sobeks Strategien sind systemkonform und subversiv zugleich: Am günstigsten, sagt er, seien erneuerbare Energien dort zu produzieren, wo sie gebraucht werden. In der Diktion des Ingenieurs klingt das ganz einfach und plausibel - und nicht wie eine verdeckte Kampfansage an große Energiekonzerne. Jene erkennen schon in der Perspektive einer dezentralisierten Energieversorgung einen Anschlag auf ihre Marktanteile.

Nachhaltigkeit ist ein Wort, das Sobek lieber nicht mehr benutzt. Längst ist es zur billigen Formel verkommen, die nur noch dem „Greenwashing“ fragwürdiger Konsumgewohnheiten und Produktionsweisen dient. Aber selbstverständlich hat Sobek das Haus „B10“ nachhaltig konzipiert - das war sich der Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen“ (DGNB) schuldig.

Das Publikum schmunzelt, wenn jenes kleine E-Mobil, das leger in einem Winkel des Hauses mit dem Heck zur Straße geparkt ist und wie ein exzentrisches Möbelstück wirkt, auf einer Drehscheibe wendet: Eine kleine Aufmerksamkeit für ungeübte Fahrer, die befürchten, bei der Ausfahrt mit dem Auto noch im Wohnbereich anzuecken. Die Idee, dem Auto in der Wohnung ein Ruheplätzchen einzurichten, ist keine Schrulle: Mancher bequeme oder ältere Hausbewohner wird es schätzen, Einkäufe nur den kurzen Weg bis zur Küchenzeile tragen zu müssen. Wie kommt das Auto von der Wohnung auf die Straße und zurück? Über eine hydraulische Mini-Brücke. Der Bungalow ruht - mit Rücksicht auf die kargen Überreste des alten Döcker-Hauses im Untergrund, die als Bodendenkmal unter Schutz gestellt sind - auf einem Stahlrost über dem Boden, getragen von Punktstützen. An dem Rost sind hochklappbare Terrassenelemente aufgehängt, mit denen das Gebäude sich auch schließen lässt. Als geschlossene Box ist das Haus in Abwesenheit der Bewohner maximal wärmegedämmt.

Sobeks „B10“ ist ein wahre Wundertüte an Ideen, Konzepten und Funktionskreisläufen. Alle haben mit menschlichen Wohnbedürfnissen im weitesten Sinne zu tun - dem Wohnen zu Hause, dem Leben in der Nachbarschaft, dem Alltag in der Stadt. Und alle ordnen sich dem Prinzip Verantwortung unter: der Verantwortung, die jeder Einzelne für unsere gefährdete Lebenswelt mitträgt.

Parallel zu den Feierlichkeiten am Weißenhof zur Premiere von „B10“ macht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Peking das geschmeidige Wort „Nachhaltigkeit“ zum Thema eines Vortrags an der Tsinghua-Universität. Es bietet ihr die Chance, bei den chinesischen Studenten Reklame für etwas mehr Demokratie zu machen - diplomatisch und unverbindlich. Das konnte sie in den 90er-Jahren als Umweltministerin im Kabinett Helmut Kohls schon gut üben. Im „B10“ zu Stuttgart läuft derweil eine frohe, recht deutlich gesprochene Videobotschaft des schwäbischen EU-Kommissars für Energie, Günter Oettinger. Er war einst Ministerpräsident in Baden-Württemberg, dem seine Automobilindustrie besonders am Herzen liegt. Möglicherweise hat ihn am Haus „B10“ am meisten fasziniert, dass es Teil eines Forschungsprojekts „Schaufenster Elektromobilität“ ist.

Der Standard, Fr., 2014.08.08

21. Juli 2012Christian Marquart
Der Standard

Tango im Labor

Das neue Fraunhofer- Institut von UN Studio in Stuttgart macht sich selbst und seine Mitarbeiter zum Forschungsobjekt. Ein Spaziergang.

Das neue Fraunhofer- Institut von UN Studio in Stuttgart macht sich selbst und seine Mitarbeiter zum Forschungsobjekt. Ein Spaziergang.

Wie unsere Arbeitswelten morgen und übermorgen aussehen sollen, darüber wird schon seit längerem nachgedacht - neuerdings noch einen Tick intensiver. Die Globalisierung bietet nämlich nicht nur Chancen, sie erzeugt auch Probleme, wo die industrielle Produktion abwandert und dringend durch neue Formen der Kopfarbeit ersetzt werden muss. Wie nur können wir uns kreativer machen, wenn doch auf den Märkten der Zukunft vor allem revolutionäre, kostbare, profitable Ideen und Konzepte gehandelt werden?

Die Zeit scheint reif, einschlägige Erkenntnisse und Hypothesen über die Arbeit in postindustriellen Gesellschaften wieder einmal in neu gebaute Realitäten zu übersetzen. Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) machte gleich sich selbst und seine Belegschaft zum Forschungsgegenstand, indem es ein Haus der Wissensarbeit bauen ließ, ein sogenanntes „Zentrum für virtuelles Engineering“. So der offizielle Titel.

Dort können sich die Mitarbeiter bei der täglichen Forschungsarbeit in einem technisch hochgerüsteten Gebäude gegenseitig zusehen und analysieren. Die auffällige Architektur des Hauses ist darauf abgestellt, eine attraktive Umgebung zu schaffen, die den Wissenschaftern zwar konzentriertes Arbeiten ermöglicht, sie aber vor allem zum permanenten Wissens- und Gesprächsaustausch animieren soll. Das Konzept - die Formensprache ist unmissverständlich - stammt von Ben van Berkel vom Amsterdamer Büro UN Studio.

Das neue Gebäude des Fraunhofer-IAO wurde folglich zum „Living Lab“, dessen Mitarbeiter sich in die Versuchsanordnungen nicht nur als Beobachter, sondern auch als Versuchspersonen einbringen. Der Clou: Diese Versuchsanordnungen sind im Wesentlichen „virtuell“. Sie bilden mithilfe von Hochleistungsrechnern und einer Vielzahl von Softwareprogrammen die Eigenschaften von Gebäuden und Städten nach. Sie simulieren all die Ereignisse, die dort ablaufen - angefangen bei natürlichen Phänomenen wie Klima, Licht und Wetter bis hin zu technischen und gesellschaftlichen Prozessen wie etwa Design, industrielle Produktion, Büroarbeit, Stadtplanung und Infrastruktur.

Was haben Angestellte in den letzten Jahrzehnten nicht alles erdulden müssen: das laute, nervige Großraumbüro der Siebziger- und Achtzigerjahre; in den Neunzigern dann die neuerliche Segmentierung des Großraums mit Computerarbeitsplätzen und hoher Fluktuationsrate, mit akustisch eingefriedeten Besprechungszonen, Teeküchen und anspruchslosen Grünpflanzen; und schließlich um das Jahr 2000 die Erfindung des enorm platzsparenden und medial bejubelten nonterritorialen Büros mit Rollcontainern, ein wenig Lounge-Mobiliar und gläsernen Separées für temporäre Meisterdenker.

Coole Kopfarbeit

Mittlerweile dürfen die Mitarbeiter europäischer Firmen wieder zurück an ihre gewohnten Schreibtische - wenn sie denn bereit sind, statt des üblichen Smalltalks zwischendurch wieder gezielt professionelle Diskurse mit den Kollegen zu führen. Schwarmintelligenz macht Vergnügen. Da stecken drei, vier, fünf Kollegen überm Cappuccino die Köpfe zusammen, und schon ist ein Problem gelöst. Oder sie treffen sich halb zufällig, halb absichtsvoll auf den Bürogängen, setzen sich in eine nette, kleine Lounge oder schwärmen bei schönem Wetter auf eine der Terrassen aus, die den Blick auf das benachbarte Institut freigeben, wo die Forscherkollegen wahrscheinlich über verwandten Fragen brüten.

So funktioniert Forschung! So geht Innovation! Und so ungefähr sieht es aus, dort auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen, am südwestlichen Rand der baden-württembergischen Landeshauptstadt, wo Ben van Berkel in Zusammenarbeit mit ASPlan Architekten aus Kaiserslautern den weißen, bunten, futuristischen Neubau des Fraunhofer-IAO plante. Vor wenigen Wochen wurde das Gebäude eröffnet und seiner Nutzung übergeben.

Diese Arbeitsgemeinschaft aus UN Studio und ASPlan entbehrt nicht einer gewissen Delikatesse: Gewonnen hatten den Architektenwettbewerb nämlich die Pfälzer. Die Niederländer hatten gar nicht erst teilgenommen. Aber das Fraunhofer-Institut holte entschlossen Ben van Berkel mit ins Boot, der sich wenige Jahre zuvor mit dem spektakulären Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum für alle Zeiten empfohlen hatte. Und nachdem die Bauherren ihrerseits über entsprechend moderne technische Instrumente verfügen, trafen sich alle Beteiligten regelmäßig vor einer sogenannten Powerwall. Das 3-D-Projektionssystem ermöglicht es, virtuell ins Haus einzutauchen, sich darin zu bewegen und es, falls nötig, mit einem Klick zu verändern. Mit dem Ergebnis ihrer gemeinsamen Anstrengungen sind die Beteiligten zufrieden.

Ein Raum bittet zum Tanz

Denn die Architektur des IAO, deren strahlendes Äußeres schon das große Versprechen eines aufregenden Raumerlebnisses gibt, um es im Inneren auch gleich bravourös einzulösen, fordert sowohl Passanten wie auch die Besucher und erst recht die Nutzer des Gebäudes auf, sich zu „verhalten“. Man wird neugierig, will hinein, will den vielen Sichtachsen folgend - weg vom lichten Atrium und wieder dorthin zurück -, die schwingenden Treppen auf und ab laufen und sich gleichsam den Tangorhythmen hingeben, mit denen die Architekten die Räume optisch zum Tanzen brachten. Die glatten, weißen Oberflächen scheinen in Bewegung. Regelmaß herrscht nur an jener zackig abgerundeten Südwestfassade, wo die neueste Sonnenschutztechnik es erlaubt, selbst im vollen Gegenlicht ins Freie zu sehen.

An den Peripherien des neuen Hauses, das ein wenig an Erich Mendelsohns berühmten Einsteinturm in Potsdam erinnert, herrscht eine gespannte Ruhe. Hier wird methodisch-linear nachgedacht, nicht lateral-schweifend wie eben noch rund ums Atrium. Es dominiert die Laborarbeit, doch der Blick hinüber in einen anderen Arbeitsbereich bleibt wach und offen: Was machen die dort gerade? Alles hier wirkt so, als sei gerade eine spannende Ausstellung im Entstehen, und man müsse eben mal rüber zu den Kollegen, um ja nichts zu verpassen.

Es versteht sich von selbst, dass das neue Fraunhofer-IAO auch gebäudetechnisch auf dem neuesten Stand ist: Geothermie, Betonkernaktivierung, Abwärmenutzung und eine ausgefuchste Klimatechnik machen das Haus, dessen Baukosten Fraunhofer streng geheim hält, besonders energieeffizient. Effizient ist übrigens auch das günstige Verhältnis von Gebäudeoberfläche und Glasfassaden, obwohl es dem Haus keineswegs an natürlichem Tageslicht mangelt. Das ruhige Spiel der Schatten auf den hellen, amorphen Flächen erzeugt erst jenen Charme, den dieses Haus in seiner unerhört gelassenen Art ausstrahlt.

Der Standard, Sa., 2012.07.21

09. April 2010Christian Marquart
Bauwelt

Beamte, Gäste und Konsumenten

Ministerien des Landes Baden-Württemberg, ein Hotel, Einzelhandelsflächen und Gastronomie sollen in das Quartier am Karlsplatz einziehen und der Stuttgarter Innenstadt zu neuem Glanz verhelfen. Teil der Wettbewerbsauslobung war auch die umstrittene Gedenkstätte im ehemaligen Hotel Silber.

Ministerien des Landes Baden-Württemberg, ein Hotel, Einzelhandelsflächen und Gastronomie sollen in das Quartier am Karlsplatz einziehen und der Stuttgarter Innenstadt zu neuem Glanz verhelfen. Teil der Wettbewerbsauslobung war auch die umstrittene Gedenkstätte im ehemaligen Hotel Silber.

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Bauwelt 2010|14 Public Places

13. November 2009Christian Marquart
Bauwelt

Nun also Ramsauer

Die Spitze des Bundesministeriums für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung ist nach der Bundestagswahl neu besetzt worden. Wer sind die Akteure, was ist von ihnen zu erwarten?

Die Spitze des Bundesministeriums für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung ist nach der Bundestagswahl neu besetzt worden. Wer sind die Akteure, was ist von ihnen zu erwarten?

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Bauwelt 2009|43 Die Wiederkehr der Gotteshäuser

13. März 2008Christian Marquart
Bauwelt

Landratsamt Ludwigsburg

Als Garnisonsstadt mit Tradition kann es Ludwigsburg im deutschen Südwesten durchaus mit dem preußisch-brandenburgischen Potsdam aufnehmen: barocke Schlösser, rechtwinkliger Städtebau, üppige Magistralen, wuchtige Kasernen – und alles vergleichbar gut erhalten; mit dem kleinen Unterschied, dass Potsdam immer noch Landeshauptstadt ist und Ludwigsburg nach kurzer Blüte als württembergische Residenz bloß noch Kreisstadt. Dennoch floriert auch hier die Bürokratie: Nachdem Herzog Eberhard Ludwig der Residenz 1718 einen eigenen Amtsbezirk zuwiesen hatte, stieg die Zahl der Beschäftigten im „Oberamt“ – dem späteren Landratsamt, dessen Zentralverwaltung heute „Kreishaus“ heißt – im Wege diverser Reformen unaufhaltsam an, besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Als Garnisonsstadt mit Tradition kann es Ludwigsburg im deutschen Südwesten durchaus mit dem preußisch-brandenburgischen Potsdam aufnehmen: barocke Schlösser, rechtwinkliger Städtebau, üppige Magistralen, wuchtige Kasernen – und alles vergleichbar gut erhalten; mit dem kleinen Unterschied, dass Potsdam immer noch Landeshauptstadt ist und Ludwigsburg nach kurzer Blüte als württembergische Residenz bloß noch Kreisstadt. Dennoch floriert auch hier die Bürokratie: Nachdem Herzog Eberhard Ludwig der Residenz 1718 einen eigenen Amtsbezirk zuwiesen hatte, stieg die Zahl der Beschäftigten im „Oberamt“ – dem späteren Landratsamt, dessen Zentralverwaltung heute „Kreishaus“ heißt – im Wege diverser Reformen unaufhaltsam an, besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

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Landratsamt Ludwigsburg



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Bauwelt 2008|11 Dienststellen

Publikationen

Presseschau 12

26. Juli 2019Christian Marquart
Bauwelt

Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim

Die Justizvollzugsanstalt ist ein Ort der Zeitgeschichte und wurde stetig ergänzt. Im Juni eröffnete nebenan das bestens gesicherte Prozessgebäude. Eine Veröffentlichung ist nur begrenzt möglich. Auf Grundrisse mussten wir ganz verzichten.

Die Justizvollzugsanstalt ist ein Ort der Zeitgeschichte und wurde stetig ergänzt. Im Juni eröffnete nebenan das bestens gesicherte Prozessgebäude. Eine Veröffentlichung ist nur begrenzt möglich. Auf Grundrisse mussten wir ganz verzichten.

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Bauwelt 2019|15 jung, frisch, neu

16. Juni 2017Christian Marquart
Bauwelt

Jenseits von Arkadien

„Draußen“ heißt die aktuelle Ausstellung des Architekturmuseums der TU München: Das klingt im Kontext des Untertitels „Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain“ plausibel. Andererseits sorgt die Globalisierung dafür, dass dieses spezifische „Draußen“ der Landschaftsarchitektur längst zu einem ambivalenten „Drinnen“ geworden ist. Jene, die in Afrika, Asien und Südamerika mit mächtigen Strategen des „land grabbing“ zu tun haben, wissen das.

„Draußen“ heißt die aktuelle Ausstellung des Architekturmuseums der TU München: Das klingt im Kontext des Untertitels „Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain“ plausibel. Andererseits sorgt die Globalisierung dafür, dass dieses spezifische „Draußen“ der Landschaftsarchitektur längst zu einem ambivalenten „Drinnen“ geworden ist. Jene, die in Afrika, Asien und Südamerika mit mächtigen Strategen des „land grabbing“ zu tun haben, wissen das.

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Bauwelt 2017|12 Zukunft Multihalle

08. August 2014Christian Marquart
Der Standard

Ein Haus als Gast in der Siedlung

Im Stuttgarts denkmalgeschützter Weißenhofsiedlung wurde erstmals seit Jahrzehnten neu gebaut. Werner Sobeks Haus „B10“ ist eine wahre Wundertüte an Ideen.

Im Stuttgarts denkmalgeschützter Weißenhofsiedlung wurde erstmals seit Jahrzehnten neu gebaut. Werner Sobeks Haus „B10“ ist eine wahre Wundertüte an Ideen.

Zur Mittagszeit wird in Stuttgarts berühmter Weißenhofsiedlung aus dem Jahr 1927 unter grauem Himmel ein neues Haus der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine kleine Sensation, denn die wiederbelebte Adresse „Bruckmannweg 10“ ist eine alte, geheiligte Brache, erzeugt von einer Fliegerbombe des Zweiten Weltkriegs; die räumte ein Haus des Architekten Richard Döcker gründlich ab. Jahrzehntelang hatten die „Freunde der Weißenhofsiedlung“, die Denkmalpflege und die Kommunalpolitik jedes Neubauvorhaben in der begehrten, grün überwucherten Baulücke zum Sakrileg erklärt, wenn es nicht wenigstens originalgetreu sowohl die alte Wohnfunktion wie auch das verlorene Gebäude wieder herstellen würde.

Jetzt steht dort ein Fertighaus namens „B10“ in minimalistischem Design, entworfen auf der Grundlage eines modularen Systems, das ein schwäbisches Unternehmen als „Flying Space“ anbietet. Ein weißer Bungalow, zusammengefügt in einem Tag aus vorgefertigten Elementen, aber ausgestattet mit einer Menge technischer Features, die es in dieser Konfiguration noch nicht gab. Zur Straße hin ein offener, fließender, voll verglaster Raum; entlang der geschlossenen Rückfront reihen sich Funktionsbereiche mit geringer Tiefe auf: Haustechnik, digitale Gebäudesteuerung, Küchenzeile, Sanitärräume. Diese Box aus Holz, Glas, Metall und einer textilen Bespannung figuriert auch als Prototyp und Grundelement einer neuen Generation des verdichteten Wohnungsbaus. Eine Wohnmaschine? Nicht sofort. Zunächst wird „B10“ ein Jahr lang von jungen Kreativen als kleine Arbeitswelt getestet.

Das Haus ist im Weißenhof- Ensemble also nur Gast: ein „Living Lab“ auf Zeit, konzipiert zur Erforschung und Einübung ressourcenschonender Lebensstile in der Stadt. Ein weites Feld. Das Erscheinungsbild des Bungalows sagt deshalb wenig aus darüber, ob seine künftige Performance, die wissenschaftlich begleitet wird, wirklich die erhofften Impulse geben kann, die 2011 in Deutschland ausgerufene Energiewende endlich in die Städte und Ballungsräume zu bringen - dorthin, wo sie am dringendsten „greifen“ müsste und wo die Verschränkungen von Stadtwohnen und Mobilität nicht nur energetisch und unter dem Aspekt der (zu vermeidenden) Emissionen von größter Bedeutung sind.

Ein Kleinstkraftwerk

Nicht zuletzt ist das Haus ein Kleinstkraftwerk, das auch der Nachbarschaft dient. „Weltweit erstes Aktivhaus“ lautet die Schlagzeile der Pressemitteilung. Das Gebäude - finanziert aus gemeinnützigen und privaten Mitteln - erntet trotz seiner geduckten Position in der Siedlung voraussichtlich doppelt so viel Sonnenenergie, wie es selbst benötigt. Es verfügt über einen Eisspeicher im Boden, über ein automatisiertes, vernetztes, „selbstlernendes“ Gebäudemanagement, das sowohl auf Gewohnheiten der Nutzer reagiert als auch auf die Signale eines angeschlossenen virtuellen Kraftwerks und Prognosen der Wetterdienste. Die Photovoltaik auf dem Dach ist intelligent verschaltet und darüber hinaus kombiniert mit solarthermischen Modulen. Der gewonnene Überschuss an Strom wird einem kleinen Fuhrpark aus E-Mobilen und einem energetisch kaum zu ertüchtigenden Baudenkmal in der Nachbarschaft zugeführt - dem „Großen Corbusier“, jenem Doppelhaus, in dem heute das Weißenhofmuseum untergebracht ist.

Der Ingenieur-Architekt des Hauses „B10“, Werner Sobek, hat für diesen energetischen Altruismus in Stuttgarts bauhistorischem Edel-Kiez den Begriff der Schwesterlichkeit gewählt. Sein Ziel ist, der trägen europäischen Energie- und Umweltpolitik Beine zu machen - mit einem intelligenten Pilotprojekt, öffentlichkeitswirksam platziert an prominenter Stelle und in einem triftigen, aber reichlich komplexen Problemfeld: Man könne, sagt Sobek, weder Jahrzehnte warten, bis der Gebäudebestand unserer Städte energetisch komplett gedämmt sei (mit Materialien, die später als Sondermüll zur Last fallen); noch könne man zulassen, dass delikate Architekturen und schöne alte Quartiere durch isolierende Verpackungsorgien geschändet werden. Wenn aber Neubauten mit positiver Energiebilanz ihre älteren, energetisch schwächelnden Nachbarn „aktiv“ unterstützen, sei viel gewonnen.

Mit erneuerbaren Energien, wenn sie verfügbar sind, kann man großzügig umgehen. Sobeks Strategien sind systemkonform und subversiv zugleich: Am günstigsten, sagt er, seien erneuerbare Energien dort zu produzieren, wo sie gebraucht werden. In der Diktion des Ingenieurs klingt das ganz einfach und plausibel - und nicht wie eine verdeckte Kampfansage an große Energiekonzerne. Jene erkennen schon in der Perspektive einer dezentralisierten Energieversorgung einen Anschlag auf ihre Marktanteile.

Nachhaltigkeit ist ein Wort, das Sobek lieber nicht mehr benutzt. Längst ist es zur billigen Formel verkommen, die nur noch dem „Greenwashing“ fragwürdiger Konsumgewohnheiten und Produktionsweisen dient. Aber selbstverständlich hat Sobek das Haus „B10“ nachhaltig konzipiert - das war sich der Mitbegründer der „Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen“ (DGNB) schuldig.

Das Publikum schmunzelt, wenn jenes kleine E-Mobil, das leger in einem Winkel des Hauses mit dem Heck zur Straße geparkt ist und wie ein exzentrisches Möbelstück wirkt, auf einer Drehscheibe wendet: Eine kleine Aufmerksamkeit für ungeübte Fahrer, die befürchten, bei der Ausfahrt mit dem Auto noch im Wohnbereich anzuecken. Die Idee, dem Auto in der Wohnung ein Ruheplätzchen einzurichten, ist keine Schrulle: Mancher bequeme oder ältere Hausbewohner wird es schätzen, Einkäufe nur den kurzen Weg bis zur Küchenzeile tragen zu müssen. Wie kommt das Auto von der Wohnung auf die Straße und zurück? Über eine hydraulische Mini-Brücke. Der Bungalow ruht - mit Rücksicht auf die kargen Überreste des alten Döcker-Hauses im Untergrund, die als Bodendenkmal unter Schutz gestellt sind - auf einem Stahlrost über dem Boden, getragen von Punktstützen. An dem Rost sind hochklappbare Terrassenelemente aufgehängt, mit denen das Gebäude sich auch schließen lässt. Als geschlossene Box ist das Haus in Abwesenheit der Bewohner maximal wärmegedämmt.

Sobeks „B10“ ist ein wahre Wundertüte an Ideen, Konzepten und Funktionskreisläufen. Alle haben mit menschlichen Wohnbedürfnissen im weitesten Sinne zu tun - dem Wohnen zu Hause, dem Leben in der Nachbarschaft, dem Alltag in der Stadt. Und alle ordnen sich dem Prinzip Verantwortung unter: der Verantwortung, die jeder Einzelne für unsere gefährdete Lebenswelt mitträgt.

Parallel zu den Feierlichkeiten am Weißenhof zur Premiere von „B10“ macht die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in Peking das geschmeidige Wort „Nachhaltigkeit“ zum Thema eines Vortrags an der Tsinghua-Universität. Es bietet ihr die Chance, bei den chinesischen Studenten Reklame für etwas mehr Demokratie zu machen - diplomatisch und unverbindlich. Das konnte sie in den 90er-Jahren als Umweltministerin im Kabinett Helmut Kohls schon gut üben. Im „B10“ zu Stuttgart läuft derweil eine frohe, recht deutlich gesprochene Videobotschaft des schwäbischen EU-Kommissars für Energie, Günter Oettinger. Er war einst Ministerpräsident in Baden-Württemberg, dem seine Automobilindustrie besonders am Herzen liegt. Möglicherweise hat ihn am Haus „B10“ am meisten fasziniert, dass es Teil eines Forschungsprojekts „Schaufenster Elektromobilität“ ist.

Der Standard, Fr., 2014.08.08

21. Juli 2012Christian Marquart
Der Standard

Tango im Labor

Das neue Fraunhofer- Institut von UN Studio in Stuttgart macht sich selbst und seine Mitarbeiter zum Forschungsobjekt. Ein Spaziergang.

Das neue Fraunhofer- Institut von UN Studio in Stuttgart macht sich selbst und seine Mitarbeiter zum Forschungsobjekt. Ein Spaziergang.

Wie unsere Arbeitswelten morgen und übermorgen aussehen sollen, darüber wird schon seit längerem nachgedacht - neuerdings noch einen Tick intensiver. Die Globalisierung bietet nämlich nicht nur Chancen, sie erzeugt auch Probleme, wo die industrielle Produktion abwandert und dringend durch neue Formen der Kopfarbeit ersetzt werden muss. Wie nur können wir uns kreativer machen, wenn doch auf den Märkten der Zukunft vor allem revolutionäre, kostbare, profitable Ideen und Konzepte gehandelt werden?

Die Zeit scheint reif, einschlägige Erkenntnisse und Hypothesen über die Arbeit in postindustriellen Gesellschaften wieder einmal in neu gebaute Realitäten zu übersetzen. Das Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) machte gleich sich selbst und seine Belegschaft zum Forschungsgegenstand, indem es ein Haus der Wissensarbeit bauen ließ, ein sogenanntes „Zentrum für virtuelles Engineering“. So der offizielle Titel.

Dort können sich die Mitarbeiter bei der täglichen Forschungsarbeit in einem technisch hochgerüsteten Gebäude gegenseitig zusehen und analysieren. Die auffällige Architektur des Hauses ist darauf abgestellt, eine attraktive Umgebung zu schaffen, die den Wissenschaftern zwar konzentriertes Arbeiten ermöglicht, sie aber vor allem zum permanenten Wissens- und Gesprächsaustausch animieren soll. Das Konzept - die Formensprache ist unmissverständlich - stammt von Ben van Berkel vom Amsterdamer Büro UN Studio.

Das neue Gebäude des Fraunhofer-IAO wurde folglich zum „Living Lab“, dessen Mitarbeiter sich in die Versuchsanordnungen nicht nur als Beobachter, sondern auch als Versuchspersonen einbringen. Der Clou: Diese Versuchsanordnungen sind im Wesentlichen „virtuell“. Sie bilden mithilfe von Hochleistungsrechnern und einer Vielzahl von Softwareprogrammen die Eigenschaften von Gebäuden und Städten nach. Sie simulieren all die Ereignisse, die dort ablaufen - angefangen bei natürlichen Phänomenen wie Klima, Licht und Wetter bis hin zu technischen und gesellschaftlichen Prozessen wie etwa Design, industrielle Produktion, Büroarbeit, Stadtplanung und Infrastruktur.

Was haben Angestellte in den letzten Jahrzehnten nicht alles erdulden müssen: das laute, nervige Großraumbüro der Siebziger- und Achtzigerjahre; in den Neunzigern dann die neuerliche Segmentierung des Großraums mit Computerarbeitsplätzen und hoher Fluktuationsrate, mit akustisch eingefriedeten Besprechungszonen, Teeküchen und anspruchslosen Grünpflanzen; und schließlich um das Jahr 2000 die Erfindung des enorm platzsparenden und medial bejubelten nonterritorialen Büros mit Rollcontainern, ein wenig Lounge-Mobiliar und gläsernen Separées für temporäre Meisterdenker.

Coole Kopfarbeit

Mittlerweile dürfen die Mitarbeiter europäischer Firmen wieder zurück an ihre gewohnten Schreibtische - wenn sie denn bereit sind, statt des üblichen Smalltalks zwischendurch wieder gezielt professionelle Diskurse mit den Kollegen zu führen. Schwarmintelligenz macht Vergnügen. Da stecken drei, vier, fünf Kollegen überm Cappuccino die Köpfe zusammen, und schon ist ein Problem gelöst. Oder sie treffen sich halb zufällig, halb absichtsvoll auf den Bürogängen, setzen sich in eine nette, kleine Lounge oder schwärmen bei schönem Wetter auf eine der Terrassen aus, die den Blick auf das benachbarte Institut freigeben, wo die Forscherkollegen wahrscheinlich über verwandten Fragen brüten.

So funktioniert Forschung! So geht Innovation! Und so ungefähr sieht es aus, dort auf dem Campus in Stuttgart-Vaihingen, am südwestlichen Rand der baden-württembergischen Landeshauptstadt, wo Ben van Berkel in Zusammenarbeit mit ASPlan Architekten aus Kaiserslautern den weißen, bunten, futuristischen Neubau des Fraunhofer-IAO plante. Vor wenigen Wochen wurde das Gebäude eröffnet und seiner Nutzung übergeben.

Diese Arbeitsgemeinschaft aus UN Studio und ASPlan entbehrt nicht einer gewissen Delikatesse: Gewonnen hatten den Architektenwettbewerb nämlich die Pfälzer. Die Niederländer hatten gar nicht erst teilgenommen. Aber das Fraunhofer-Institut holte entschlossen Ben van Berkel mit ins Boot, der sich wenige Jahre zuvor mit dem spektakulären Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum für alle Zeiten empfohlen hatte. Und nachdem die Bauherren ihrerseits über entsprechend moderne technische Instrumente verfügen, trafen sich alle Beteiligten regelmäßig vor einer sogenannten Powerwall. Das 3-D-Projektionssystem ermöglicht es, virtuell ins Haus einzutauchen, sich darin zu bewegen und es, falls nötig, mit einem Klick zu verändern. Mit dem Ergebnis ihrer gemeinsamen Anstrengungen sind die Beteiligten zufrieden.

Ein Raum bittet zum Tanz

Denn die Architektur des IAO, deren strahlendes Äußeres schon das große Versprechen eines aufregenden Raumerlebnisses gibt, um es im Inneren auch gleich bravourös einzulösen, fordert sowohl Passanten wie auch die Besucher und erst recht die Nutzer des Gebäudes auf, sich zu „verhalten“. Man wird neugierig, will hinein, will den vielen Sichtachsen folgend - weg vom lichten Atrium und wieder dorthin zurück -, die schwingenden Treppen auf und ab laufen und sich gleichsam den Tangorhythmen hingeben, mit denen die Architekten die Räume optisch zum Tanzen brachten. Die glatten, weißen Oberflächen scheinen in Bewegung. Regelmaß herrscht nur an jener zackig abgerundeten Südwestfassade, wo die neueste Sonnenschutztechnik es erlaubt, selbst im vollen Gegenlicht ins Freie zu sehen.

An den Peripherien des neuen Hauses, das ein wenig an Erich Mendelsohns berühmten Einsteinturm in Potsdam erinnert, herrscht eine gespannte Ruhe. Hier wird methodisch-linear nachgedacht, nicht lateral-schweifend wie eben noch rund ums Atrium. Es dominiert die Laborarbeit, doch der Blick hinüber in einen anderen Arbeitsbereich bleibt wach und offen: Was machen die dort gerade? Alles hier wirkt so, als sei gerade eine spannende Ausstellung im Entstehen, und man müsse eben mal rüber zu den Kollegen, um ja nichts zu verpassen.

Es versteht sich von selbst, dass das neue Fraunhofer-IAO auch gebäudetechnisch auf dem neuesten Stand ist: Geothermie, Betonkernaktivierung, Abwärmenutzung und eine ausgefuchste Klimatechnik machen das Haus, dessen Baukosten Fraunhofer streng geheim hält, besonders energieeffizient. Effizient ist übrigens auch das günstige Verhältnis von Gebäudeoberfläche und Glasfassaden, obwohl es dem Haus keineswegs an natürlichem Tageslicht mangelt. Das ruhige Spiel der Schatten auf den hellen, amorphen Flächen erzeugt erst jenen Charme, den dieses Haus in seiner unerhört gelassenen Art ausstrahlt.

Der Standard, Sa., 2012.07.21

09. April 2010Christian Marquart
Bauwelt

Beamte, Gäste und Konsumenten

Ministerien des Landes Baden-Württemberg, ein Hotel, Einzelhandelsflächen und Gastronomie sollen in das Quartier am Karlsplatz einziehen und der Stuttgarter Innenstadt zu neuem Glanz verhelfen. Teil der Wettbewerbsauslobung war auch die umstrittene Gedenkstätte im ehemaligen Hotel Silber.

Ministerien des Landes Baden-Württemberg, ein Hotel, Einzelhandelsflächen und Gastronomie sollen in das Quartier am Karlsplatz einziehen und der Stuttgarter Innenstadt zu neuem Glanz verhelfen. Teil der Wettbewerbsauslobung war auch die umstrittene Gedenkstätte im ehemaligen Hotel Silber.

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Bauwelt 2010|14 Public Places

13. November 2009Christian Marquart
Bauwelt

Nun also Ramsauer

Die Spitze des Bundesministeriums für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung ist nach der Bundestagswahl neu besetzt worden. Wer sind die Akteure, was ist von ihnen zu erwarten?

Die Spitze des Bundesministeriums für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung ist nach der Bundestagswahl neu besetzt worden. Wer sind die Akteure, was ist von ihnen zu erwarten?

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Bauwelt 2009|43 Die Wiederkehr der Gotteshäuser

13. März 2008Christian Marquart
Bauwelt

Landratsamt Ludwigsburg

Als Garnisonsstadt mit Tradition kann es Ludwigsburg im deutschen Südwesten durchaus mit dem preußisch-brandenburgischen Potsdam aufnehmen: barocke Schlösser, rechtwinkliger Städtebau, üppige Magistralen, wuchtige Kasernen – und alles vergleichbar gut erhalten; mit dem kleinen Unterschied, dass Potsdam immer noch Landeshauptstadt ist und Ludwigsburg nach kurzer Blüte als württembergische Residenz bloß noch Kreisstadt. Dennoch floriert auch hier die Bürokratie: Nachdem Herzog Eberhard Ludwig der Residenz 1718 einen eigenen Amtsbezirk zuwiesen hatte, stieg die Zahl der Beschäftigten im „Oberamt“ – dem späteren Landratsamt, dessen Zentralverwaltung heute „Kreishaus“ heißt – im Wege diverser Reformen unaufhaltsam an, besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Als Garnisonsstadt mit Tradition kann es Ludwigsburg im deutschen Südwesten durchaus mit dem preußisch-brandenburgischen Potsdam aufnehmen: barocke Schlösser, rechtwinkliger Städtebau, üppige Magistralen, wuchtige Kasernen – und alles vergleichbar gut erhalten; mit dem kleinen Unterschied, dass Potsdam immer noch Landeshauptstadt ist und Ludwigsburg nach kurzer Blüte als württembergische Residenz bloß noch Kreisstadt. Dennoch floriert auch hier die Bürokratie: Nachdem Herzog Eberhard Ludwig der Residenz 1718 einen eigenen Amtsbezirk zuwiesen hatte, stieg die Zahl der Beschäftigten im „Oberamt“ – dem späteren Landratsamt, dessen Zentralverwaltung heute „Kreishaus“ heißt – im Wege diverser Reformen unaufhaltsam an, besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

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