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14. Juni 2008Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Kulturkraftwerk

Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.

Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.

Kriegszerstörungen und die Vernachlässigung in DDR-Zeiten liessen grosse Teile der Bausubstanz von Cottbus, der mit heute 100 000 Einwohnern zweitgrössten Stadt des Landes Brandenburg, zerfallen. Nun wurden im Rahmen des «Stadtumbaus Ost» der Kern der Innenstadt und einige in ihrer Substanz erhalten gebliebene Randquartiere restauriert. Am Altmarkt beispielsweise wurde die zerbombte Ruine des historischen Rathauses geschleift und die entstandene Freifläche dem Markt zugeschlagen. Doppelt so gross wie vor dem Krieg und gleichwohl dem Stadtgefüge angemessen, ist dieser von stattlichen barocken, klassizistischen und historistischen Bürgerhäusern und einigen Plattenbauten gesäumte Platz Laufsteg und Agora, wo man flaniert, kommuniziert und isst. Nur am Nordrand erinnert noch etwas Lokalverkehr daran, dass hier die einst von Halle nach Breslau führende «Alte Salzstrasse» den Platz querte.Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.

Niedergang und Aufbruch

Diese ebenso schmucke wie gut funktionierende Platzanlage bildet zusammen mit den angrenzenden Strassen und Gassen die Visitenkarte von Cottbus. Unmittelbar daneben haust der einer desaströsen Ökonomie geschuldete Mangel, und dies, obwohl Textilindustrie und Braunkohleförderung, die einstigen Pfeiler des Wohlstands der Stadt, zu DDR-Zeiten weiterhin prosperierten – so sehr sogar, dass sich die Einwohnerzahl von 55 000 vor dem Krieg bis zur Wende auf 130 000 mehr als verdoppelt hatte. Dies erwies sich als Segen und Fluch zugleich. Um für die vielen neuen Einwohner Siedlungsraum zu schaffen, wurden in den umliegenden Gemeinden Satellitenstädte mit allen nötigen Einrichtungen für Bildung, Konsum, Verkehr und Freizeit erstellt.

Doch nach dem Fall der Mauer verliessen mehr als 30 000 Menschen Cottbus und Umgebung. Obwohl heute den Cottbusern das Stadtgewand längst zu weit ist, wurden hier anfangs die gleichen Fehler gemacht wie allüberall im Osten Deutschlands. Am Stadtrand wuchsen Einkaufszentren, öffentliche Sanierungsgelder flossen in Plattensiedlungen, der Innenstadt blieben Sonntagsreden und Privatinvestoren. Jetzt aber beginnt man das Zentrum wiederzuentdecken. Obwohl sogar an passablen Kundenlagen die Geschäfte schwächeln und Bemühungen, das darbende Gewerbeleben zu stützen, wenig erfolgreich waren, hofft man nun, den Kaufkraftabfluss auf die grüne Wiese zu stoppen. Dazu soll die westliche Innenstadt durch ein Shopping-Paradies belebt werden. Die Carl-Blechen-Carré genannte Anlage wird Ende 2008 mehrere Strassenblöcke im Schatten der alten Stadtmauer einnehmen und 20 000 Quadratmeter Verkaufs- und Freizeitfläche bieten. Dass auch altehrwürdige Namen nicht unbedingt Gütesiegel sind, bezeugt die Fürst-Pückler-Passage neben dem Hauptbahnhof. Eine Nachwendescheusslichkeit in unwirtlichem Niemandsland, das jüngst durch den Abriss weiterer Häuserblocks weiter verunstaltet wurde. So wird das einst quirlige Quartier rund um den Bahnhof wohl für längere Zeit eine Stadtsteppe bleiben.

Nun aber versucht Cottbus sich gegen das vielbeschworene Schrumpfen zu stemmen und innovative «Leuchttürme» zu errichten oder noch funktionierende Bereiche zu reaktivieren. Der grösste Erfolg gelang mit der 1991 gegründeten Brandenburgischen Technischen Universität. Mit 5000 Studenten und 1200 Beschäftigten ist sie für die vorwiegend proletarisch-kleinbürgerlich geprägte Stadt über den Wirtschaftsfaktor hinaus höchst effiziente Imagepolitur – dies nicht zuletzt dank der Architektur. So erhielt die innenstadtnahe Campus-Universität, für die ein ehemaliger Schulkomplex modernisiert und durch Anbauten städtebaulich attraktiv erweitert wurde, mit dem Bibliotheksneubau des Basler Architekturbüros Herzog & de Meuron ein weltweit beachtetes Wahrzeichen. Aber auch mit ihrer in der Wirklichkeit verankerten Internetplattform «Wolkenkuckucksheim» lenkt sie internationale Aufmerksamkeit in die Region. Der dort geführte Diskurs um Architektur und Städtebau wirkt hinein in die Stadt und nutzt diese zugleich als Studienobjekt.

Kunstmuseum im Industriepalast

Beispielhaft nämlich bietet Cottbus die ganze urbanistische Problempalette. Begegnet man dem Bevölkerungsschwund mittlerweile mit Abriss und Rückbau in den aus sozialistischer Zeit stammenden Siedlungen, kann man vor allem in gründerzeitlichen Rand- und Kerngebieten beachtliche Sanierungserfolge vorzeigen. So erscheinen heute zwischen Universität, Innenstadt und Spree ganze Strassenzüge wie aus dem Ei gepellt – mit funktionierenden städtischen Strukturen und kleinen bis mittleren Gewerbebetrieben. Gleichzeitig setzt man auf Kultur.

Als einzige Kommune in ganz Brandenburg besitzt Cottbus eine Sammlung zeitgenössischer Kunst. Bereits in den 1970er Jahren begründet, bezieht diese jetzt ein stattliches Domizil: Ein 1928 nach Plänen von Werner Issel (1884–1974) erbautes ehemaliges Dieselkraftwerk wurde vom Berliner Büro Anderhalten Architekten (Claus Anderhalten, Hubertus Schwabe und Petra Vondenhof) restauriert und in ein ansehnliches Kunstmuseum mit 1200 Quadratmetern Ausstellungsfläche verwandelt. Die backsteinerne Anlage mit ihren Anklängen an die Neue Sachlichkeit und das Art déco erhebt sich malerisch am Amtsteich. Die Maschinenhalle, die Funktionsgebäude und den Turm für abgehende Stromleitungen komponierte Issel zu einem Ensemble unterschiedlich hoher Kuben mit hohen Öffnungen, die an Kirchenfenster erinnern.

Energie und Landschaft

In die ehemalige Turbinenhalle wurde eine zweite Ebene eingezogen; diesen beiden Raumgefügen je ein White Cube als Haus im Haus eingefügt, um so lichtgeschützte Ausstellungsflächen zu schaffen. Das «Schalthaus» wurde entkernt und zu Büros, Cafeteria und Ausstellungsräumen umgestaltet. Denkmalgerecht gestalteten die Berliner Architekten die Anlage um, überglasten einen Innenhof zum eleganten Entrée und akzentuierten Baudetails wie Gitter und Fensterrahmen durch eine dem Original verpflichtete Farbgebung in Signalrot und Preussischblau. Obwohl die Beleuchtung der nicht von Tageslicht erhellten Räume kaum zu überzeugen vermag, darf das Kunstmuseum Dieselkraftwerk als ein repräsentatives Schauhaus bezeichnet werden.

Beispielhaft eingewoben in einen Grüngürtel, dürfte das Haus zu einem zugkräftigen Magneten der touristisch sich neu definierenden Stadt und Region werden. Weitere Anziehungspunkte sind das 1908 von Bernhard Sehring, dem Architekten des Berliner Theaters des Westens, in einem ungewöhnlich funktionalistischen Jugendstil errichtete, sorgfältig restaurierte Staatstheater sowie das Festival des osteuropäischen Films, welches im 1911 erbauten Filmtheater Weltspiegel gastiert. Besser präsentiert werden könnten die berühmtesten Künstler der Stadt: Hermann Fürst Pückler-Muskau und Carl Blechen. Im Schloss und Park Branitz, dem Alterswerk des Fürsten, wird zwar auch ein ansehnlicher Querschnitt durch das Œuvre des Malers Blechen gezeigt. In ihrer Selbstdarstellung indes wird ihm die Spreestadt nicht gerecht – eine Fehlstelle in der Strategie der kulturellen Vermarktung, mit der Cottbus die städtebauliche Konsolidierung befördern möchte.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2008.06.14



verknüpfte Bauwerke
Kunstmuseum Dieselkraftwerk

06. Februar 2008Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Phantom der Popkultur

Unter der Bezeichnung «Zénith» sind seit 1984 in Frankreich vierzehn Konzerthallen entstanden. Der neuste, vom Architekten Massimiliano Fuksas geplante Bau wurde soeben in Strassburg eröffnet.

Unter der Bezeichnung «Zénith» sind seit 1984 in Frankreich vierzehn Konzerthallen entstanden. Der neuste, vom Architekten Massimiliano Fuksas geplante Bau wurde soeben in Strassburg eröffnet.

Von der Antike bis in die jüngere Vergangenheit befanden sich die Vergnügungsstätten mitten in der Stadt. Nun aber logieren wir sie in die Umgebung aus. Ist uns der Sinn fürs genuin Städtische abhandengekommen – oder ist alles nur eine Frage der Infrastruktur? Wie nämlich sollen Tausende von Vergnügungsuchenden in die Stadtzentren hinein- und wieder herausbefördert werden? Dieses Problem stellte sich jüngst auch in Strassburg, als man eine Zénith genannte Konzerthalle für «musique populaire» von Rock und Pop bis hin zum Musical plante. Bereits vierzehn Städte Frankreichs besitzen Zénith-Hallen. Diese müssen über plurifunktionale technische Einrichtungen, eine veränderbare Bühne sowie eine ausgefeilte Akustik verfügen, Platz für mindestens dreitausend Leute bieten und im Notfall schnell geräumt werden können. Nur wenn diese Vorgaben erfüllt sind, dürfen sie den Namen Zénith tragen. Seit Jack Lang 1981 die Idee der Zénith-Hallen lancierte, setzt das Kultusministerium die Rahmenbedingungen, vergibt Subventionen und fordert künstlerische Mindeststandards – auch bezüglich der architektonischen Gestaltung.

Die erste Zénith-Musikhalle entstand 1984 nach Plänen von Philippe Chaix und Jean-Paul Morel im Pariser Parc de la Villette. Obwohl später Hallen meist an wenig attraktiven Orten entstanden, wurden sie – auf Wunsch der städtischen Bauherren – oft von renommierten Architekten wie Norman Foster, Rem Koolhaas oder Bernard Tschumi entworfen. Die Pläne für die beiden jüngsten, formal eng miteinander verwandten Zénith-Bauten, von denen der eine soeben in Strassburg eröffnet wurde, der andere im Sommer in Amiens eingeweiht werden soll, stammen von Massimiliano Fuksas.

Seine Strassburger Schöpfung bezeichnet der 1944 geborene italienische Architekt als «Laterna magica». Wie ein Leuchtturm nämlich steht sie als kultureller Wegweiser an der «Viaropa» genannten Entwicklungsachse, die vom äussersten Südwestrand der Stadt über die Europabrücke bis nach Kehl auf der deutschen Rheinseite weist. Vorerst indes leuchtet Fuksas' «Lampe des Aladin» vornehmlich den Automobilisten auf der nahen Autobahn sowie den Besuchern dieses multimedialen Kulturtempels. Aus welcher Richtung und zu welcher Tageszeit man sich ihm auch nähert, er schleicht sich unweigerlich über die Netzhaut in unser Bewusstsein, zieht uns magisch an. Die Frage kommt auf, was sich wohl hinter dem fremdartig erscheinenden Objekt verbirgt. Knallig orangerot erhebt es sich in wirkungsvollem Komplementärkontrast auf der mattgrünen Wiese. Nachts von innen heraus leuchtend, verleiht es träumerischen Phantasien Flügel. Aufeinandergeschichtete Ellipsoide scheinen bei diesem Phantom der Popkultur aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Oben laden sie weiter aus als unten und verleihen so dem Koloss eine dynamische Ausstrahlung.

Hinter der Hülle verbirgt sich zunächst nichts als Luft: Ein gigantischer Reifrock ist dem eigentlichen Bauwerk übergezogen. Zehntausend Quadratmeter transluzentes, selbstreinigendes Gewebe, die – hinterleuchtet – zugleich Laterne und gewaltige Anzeigentafel sein können, sind mittels eines Stahlgestänges an den eigentlichen Bau montiert. Dieser birgt ein amphitheatralisches Halbrund und eine flexible, bis zu 7000 Quadratmeter grosse Bühne. Dank einer dreissig Zentimeter starken Betonschale dringt selbst bei infernalischem Lärm kaum ein Ton hinaus in die Nachbarschaft. Mit dem Strassburger Bauwerk haben die Zénith-Hallen ihren einstweiligen Höhepunkt erreicht: Dank den zehntausend orangeroten Sitzplätzen, von denen aus das Publikum bald Rockkonzerte, «Holiday on Ice» oder die Oldie-but-Goldie-Show «Age tendre et les têtes de bois» verfolgen kann, ist sie nicht nur die grösste Halle ihrer Art, sondern stellt auch architektonisch etwas Besonderes dar. Denn auf der Suche nach «einer volkstümlichen Architektursprache» bezog Fuksas seine Inspirationen «aus Kunst, Filmen sowie der Landschaft».

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2008.02.06



verknüpfte Bauwerke
Konzerthalle «Zénith»

24. Mai 2002Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Sehnsucht nach der verlorenen Mitte

Die sächsische Industriestadt Chemnitz wurde von Krieg und rigorosem Wiederaufbau schwer gezeichnet. Nun errichtet die Stadt am Fuss des Erzgebirges auf dem Palimpsest ihrer ausradierten Mitte eine neue City. Nach den Exzessen der Nachwende-Euphorie gehen die Stadtplaner den zweiten Wiederaufbau mit Bedacht an.

Die sächsische Industriestadt Chemnitz wurde von Krieg und rigorosem Wiederaufbau schwer gezeichnet. Nun errichtet die Stadt am Fuss des Erzgebirges auf dem Palimpsest ihrer ausradierten Mitte eine neue City. Nach den Exzessen der Nachwende-Euphorie gehen die Stadtplaner den zweiten Wiederaufbau mit Bedacht an.

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10. September 2001Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Kulturbastion mit Verwaltungshaus

Der Düsseldorfer Kunstpalast von Oswald Mathias Ungers

Der Düsseldorfer Kunstpalast von Oswald Mathias Ungers

Kaum zwei Katzensprünge von der Königsallee entfernt, fristete das Düsseldorfer Kunstkarree «Ehrenhof» lang ein Schattendasein. Wo Mitte der zwanziger Jahre mit der «Gesolei» - einer Gewerbe- und Kunstschau - und ihren von Wilhelm Kreis neusachlich überformten und neu geschaffenen Ausstellungsbauten auch architektonischer Aufbruch herrschte, machte sich nach kurzer Nachkriegsblüte bald Desinteresse breit. Denn das um einen stillen Innenhof angelegte klösterliche Ensemble verführte Besucher wie Betreiber eher zu Kontemplation denn zu Aktion. Obwohl das hier Anfang des 20. Jahrhunderts begründete Kunstmuseum, das neben einem Kaleidoskop mitteleuropäischer Kunst mit der Akademiesammlung einen Schatz grafischer Blätter von Weltrang beherbergt, als Hort der Düsseldorfer Malschule des 19. Jahrhunderts galt, herrschte Stillstand, ja Rückschritt: Nur eine Notoperation rettete in den achtziger Jahren den Westflügel des Ehrenhofs, der östliche war so marode, dass er aufgegeben wurde, um neu aufgeführt zu werden.


Private Geldspritze

Ein Zusammengehen der öffentlichen Hand mit dem Energiekonzern E.ON sicherte über eine Stiftung den 60 Millionen Mark teuren Neubau und garantiert darüber hinaus rund 30 Millionen Mark für den laufenden Betrieb der nächsten zehn Jahre. Dafür überliess die Stadt der E.ON für rund 20 Millionen Mark ein unmittelbar an den Ehrenhof grenzendes Grundstück, auf dem diese einen ambitiösen Verwaltungsbau errichten liess - und nun am Mehrwert der von ihr mitfinanzierten Kunst teilhat: Das neckisch «museum kunst palast» titulierte Institut ist nämlich sowohl räumlich als auch infrastrukturell und ideell kurzgeschlossen mit der Energiezentrale. Architektonisch konzipiert wurde das Ensemble vom Kölner Altmeister der konstruktiven Reduktion, Oswald Mathias Ungers. Man mag lächeln über Ungers' Manie, immer neu und immer gleich und doch immer wieder variiert seine Ode an das Quadrat vorzutragen. Dabei gelingen ihm gelegentlich zumindest äusserlich eindrückliche Bauwerke wie im Falle dieses Düsseldorfer Doppelbaus, auch wenn das Verwaltungshaus hineingezwängt werden musste zwischen Kreis' denkmalpflegerisch sakrosankten Ehrenhof und den Kolossalkomplex einer Versicherung.

Auf dem durch Teilabriss des Ostflügels freigeräumten Grundstück errichtete Ungers ein neues Gehäuse, das statt der einstigen 13 000 m 2 nur noch 3000 m 2 Ausstellungsfläche aufweist. Die Ungers'sche Neuschöpfung orientiert sich hinter der erhaltenen Klinkerbandfassade von Kreis in Mass und Masse am erhaltenen Westflügel. Entstanden ist ein scharfkantiger, langgestreckter Kubus, dem auf der Rückseite ein doppelschaliger, über einem Kreissegment sich erhebender Bau gegenübersteht. Skrupulös abgestimmt auf die Höhenlinien des architektonischen Bestands und die dadurch vorgegebenen Sichtachsen, hält sich der von zehn auf sechs Geschosse terrassierte Doppelhalbkreis vornehm zurück. Granitenes Pflaster vermittelt zwischen dem rechteckigen, mit Muschelkalk und Klinker verkleideten Kunstriegel und dem gekurvten Verwaltungsbau in römischem Travertin. Die steinerne Fläche lockert ein Buchsbaum-Labyrinth auf, zu dem hin sich die Terrasse einer Cafeteria orientiert, die zugleich Kantine der E.On ist wie «Café des Artistes» fürs Museumsquartier.

Obwohl räumlich separiert, sind Kunst und Kapital durchdrungen von einem virtuellen Beziehungsgeflecht. So schmückt sich einerseits der Verwaltungsbau mit künstlerischen Federn, wenn die «Glasgalerie», eine spektakuläre Skylobby zwischen den beiden Ringbauten, Ausstellungen der E.On-Kulturabteilung zeigt. Und umgekehrt reklamieren die Geldgeber den im neuen Museumstrakt wieder eingerichteten, multifunktional instrumentierten Robert-Schumann-Kammermusiksaal für gelegentlichen Eigenbedarf. Dieses Schatzkästlein schmückte der Architekt mit seigneuralem Interieur. Eingebunden in die Gebäude-Organisation, kommt der längsrechteckige, 850 Besucher fassende Veranstaltungssaal mit seinen Pfeilerreihen, Arkaden und Galerien auch akustischen Anforderungen entgegen. Selbstverständlich unterteilte Ungers auch hier das Rechteck in Quadrate. Markant besonders im Deckenraster, worin Licht- und Klangeinrichtungen hinter dunkelbraunen Paneelen ihren Dienst tun. Wände und Decken sind gekleidet in bienenwachsfarbenes Spitzahornfurnier, dem Parkett aus rötlichem Schweizer Birnbaum sind kaffeebraune Mooreichenquadrate intarsiert.


Kunst in der Zyklopenhalle

Das gediegene Design vermag hier noch am ehesten eine Schwäche von Ungers' Innenräumen zu kaschieren: Mit viel Detailgenauigkeit verkleidet er Wände, Säulen und Treppenläufe. Wirken die quadratischen Pfeiler im Konzertsaal noch halbwegs proportioniert, laufen die Massverhältnisse in den Ausstellungsräumen aus dem Ruder. Dies zeigt sich schon im Entrée. Erschlossen wird der 133 Meter lange, 21 Meter tiefe Kunstriegel von einem mittigen Foyer, das knapp 20 Meter aufstrebt. Zwanzig quadratische, um die quadratische Aula postierte Stützen nehmen die Lasten auf, quer liegende Träger bilden die Stockwerksteilungen ab. Bekrönt ist dieser Raum von einer 12,5 Meter weiten Flachkuppel, in deren Tambour ein Kranz quadratischer Fenster Licht einfliessen lässt - und die ungeschlachten Dimensionen der leider nur im Ansatz gut gegliederten Konstruktion beleuchtet.

Solch kölnischer Neoklassizismus beherrscht auch die vier neuen Ausstellungsräume. Nachgerade herkulisch wuchtet Ungers die Plafonds über Stützpfeiler, die ohne Not kolossal aufgebläht wurden. Darauf lasten die üppig durchfensterten Kunstlichtdecken - ausgerüstet für illusionistischen Wolkenzug (!) - mit einem optischen Gewicht, als seien sie hier nur versehentlich verwendete Module einer Zyklopenhalle. Das wird überdeutlich in der zur Wiedereröffnung vom neuen Direktor Jean-Hubert Martin inszenierten Schau «Altäre - Kunst zum Niederknien». Einmal abgesehen vom problematischen Ansatz, kann es kaum überzeugen, noch den läppischsten Fetisch zeitgenössischer Religiosität in die Schau aufzunehmen und so der aus aller Welt zusammengetragenen Kitsch-Menagerie höhere Weihen zu verleihen. Doch diese bonbonbunt und jahrmarktslaut auftrumpfende Talmiprozession wird übertönt von Ungers ' präpotenter Fortifikationsarchitektur. Städtebauliche Zeichen sind bei Ungers in guten Händen, museologische Raumgestaltung indes ist seine Sache nicht.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2001.09.10



verknüpfte Bauwerke
museum kunst palast Ausstellungsgebäude

06. Februar 1998Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Eine Seh-Schule

Die zwischen Schwarzwald und Rhein gelegene Stadt Freiburg i. Br. setzt seit den achtziger Jahren auf Expansion. Für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs...

Die zwischen Schwarzwald und Rhein gelegene Stadt Freiburg i. Br. setzt seit den achtziger Jahren auf Expansion. Für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs...

Die zwischen Schwarzwald und Rhein gelegene Stadt Freiburg i. Br. setzt seit den achtziger Jahren auf Expansion. Für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs reichten die vorhandenen Verdichtungsräume in aufgelassenen Militär- und Gewerbezonen nicht aus. Also projektierte man einen neuen Stadtteil: Auf dem einstigen „Rieselfeld“, mit 78 Hektaren eines der grössten Neustadtprojekte Deutschlands seit den siebziger Jahren, sollen bis zum Jahr 2005 etwa 3000 Wohnungen entstehen. Entsprechend derzeit gültigen Erkenntnissen der Urbanistik sollen die 12 000 bis 15 000 Einwohner hier in einer weitgehend autarken Stadt leben. So werden auf dem einem grossen Gewerbegebiet benachbarten Rieselfeld noch einmal 1000 Arbeitsplätze geschaffen: in Gewerbe, Einzelhandel, Kultur und Bildung.

Mit dem jüngst eingeweihten Kepler-Gymnasium des Basler Architekten Ernst Spycher erhielt das Neubauviertel auch eine eigene Mittelschule, die bereits vor der Vollendung heftigen umstritten war. Menschenverachtend sei der Neubau, ein „martialisches Monster“. Selbst mit dem Faschismusvorwurf hielt man nicht zurück. Vielleicht ist es die lapidare Gelassenheit, die zum Widerspruch herausfordert. Gross, grün, grau und gerade hebt sich das Schulhaus aus seiner Umgebung. Im rechten Winkel umgrenzen das eigentliche Lehrgebäude und die über eine Umfassungsmauer angebundene Sporthalle einen vom angrenzenden Wohngebiet separierten Pausenhof. Beinahe 90 Meter lang ist die Schaufront, vier Etagen hoch, flach gedeckt und gekleidet in ein bald sumpfgrün schimmerndes, bald echsengrau spröde wirkendes Klinkergewand. - Senkrechte, Gerade, rechter Winkel, Diagonale sind Spychers Alphabet. Gleichförmig aneinandergereiht, blicken die hohen Fensteröffnungen aus der Lochfassade. Diese wird von einem leicht vorspringenden Dachgesims gefasst.

Der virtuosen Modulation entspricht das souveräne Arrangement der Grossform. Die Masse des Unterrichtstrakts organisiert und dynamisiert Spycher in einem mäandernden Gebäudefluss. U-förmig umschliesst dieser im Westen eine Art Cour d'honneur. Darüber schwebt ein rhombisch perforiertes Flugdach. Es beschattet das Entrée. Dieses führt in ein offenes Foyer, das Aula und zentrales Stiegenhaus in einem ist. Als wären sie Kulissen zu M. C. Eschers Vexierräumen, erschliessen zwei labyrinthische Treppenläufe die in jeder Etage ringsumlaufenden Galerien. Eine fixe Folie verschleiert das opake Glas der flachen Laterne, die den gesamten Hallenraum überfängt. Die Folge ist an trüben Tagen Tristesse im Treppenhaus. Gerade hier, wo Sichtbeton sein graues Regiment führt, könnte mehr Helligkeit die sorgfältig verarbeiteten, von Spycher favorisierten „gewöhnlichen Materialien“ in ihrer verhaltenen Farbigkeit, ihrem Charme der Einfachheit in ein günstigeres Licht setzen. Die einfachen Stahlprofile der verglasten Laubengänge, die naturbelassenen Holzfenster und Wandpaneele, die „anständig nüchternen“ Werksteingewände sind Insignien eines kostengünstigen, rationellen Bauens, das industrielle Vorprodukte nutzt und dabei gleichwohl ästhetisch anspruchsvolle Lösungen hervorbringt.

Spychers Gymnasium setzt ein Zeichen: Klar und übersichtlich, analog der Sachlogik des Schulbetriebs, ist der Raumplan organisiert. Ausgeführt in einer Sprache des „Elementaren“, wie sie Mies van der Rohe bereits 1924 postulierte: „Baukunst ist zusammengefasster Zeitwille. Gestaltet die Form aus dem Wesen der Aufgabe mit den Mitteln unserer Zeit.“ Die Schönheit des Rationalen freilich scheint sich dem Clin d'oeil zu verschliessen. Doch wirkt die Spychersche Lehranstalt seit dem herbstlichen Unterrichtsbeginn nachgerade als Seh-Schule zur Einübung in architektonisches Schauen: Die hohen Wogen der Verstörung jedenfalls, ausgelöst vom aufgeregten Suchen nach Vertrautem, werden allmählich geglättet durch die stille Qualität.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1998.02.06



verknüpfte Bauwerke
Kepler-Gymnasium/Sepp-Glaser-Sporthalle

Presseschau 12

14. Juni 2008Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Kulturkraftwerk

Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.

Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.

Kriegszerstörungen und die Vernachlässigung in DDR-Zeiten liessen grosse Teile der Bausubstanz von Cottbus, der mit heute 100 000 Einwohnern zweitgrössten Stadt des Landes Brandenburg, zerfallen. Nun wurden im Rahmen des «Stadtumbaus Ost» der Kern der Innenstadt und einige in ihrer Substanz erhalten gebliebene Randquartiere restauriert. Am Altmarkt beispielsweise wurde die zerbombte Ruine des historischen Rathauses geschleift und die entstandene Freifläche dem Markt zugeschlagen. Doppelt so gross wie vor dem Krieg und gleichwohl dem Stadtgefüge angemessen, ist dieser von stattlichen barocken, klassizistischen und historistischen Bürgerhäusern und einigen Plattenbauten gesäumte Platz Laufsteg und Agora, wo man flaniert, kommuniziert und isst. Nur am Nordrand erinnert noch etwas Lokalverkehr daran, dass hier die einst von Halle nach Breslau führende «Alte Salzstrasse» den Platz querte.Nach Jahren des Niedergangs ringt Cottbus um eine neue Identität. Alte Viertel werden saniert und bedeutende Neubauten errichtet. Soeben konnte das Kunstmuseum in einem vom Berliner Büro Anderhalten Architekten umgebauten Dieselkraftwerk eröffnet werden.

Niedergang und Aufbruch

Diese ebenso schmucke wie gut funktionierende Platzanlage bildet zusammen mit den angrenzenden Strassen und Gassen die Visitenkarte von Cottbus. Unmittelbar daneben haust der einer desaströsen Ökonomie geschuldete Mangel, und dies, obwohl Textilindustrie und Braunkohleförderung, die einstigen Pfeiler des Wohlstands der Stadt, zu DDR-Zeiten weiterhin prosperierten – so sehr sogar, dass sich die Einwohnerzahl von 55 000 vor dem Krieg bis zur Wende auf 130 000 mehr als verdoppelt hatte. Dies erwies sich als Segen und Fluch zugleich. Um für die vielen neuen Einwohner Siedlungsraum zu schaffen, wurden in den umliegenden Gemeinden Satellitenstädte mit allen nötigen Einrichtungen für Bildung, Konsum, Verkehr und Freizeit erstellt.

Doch nach dem Fall der Mauer verliessen mehr als 30 000 Menschen Cottbus und Umgebung. Obwohl heute den Cottbusern das Stadtgewand längst zu weit ist, wurden hier anfangs die gleichen Fehler gemacht wie allüberall im Osten Deutschlands. Am Stadtrand wuchsen Einkaufszentren, öffentliche Sanierungsgelder flossen in Plattensiedlungen, der Innenstadt blieben Sonntagsreden und Privatinvestoren. Jetzt aber beginnt man das Zentrum wiederzuentdecken. Obwohl sogar an passablen Kundenlagen die Geschäfte schwächeln und Bemühungen, das darbende Gewerbeleben zu stützen, wenig erfolgreich waren, hofft man nun, den Kaufkraftabfluss auf die grüne Wiese zu stoppen. Dazu soll die westliche Innenstadt durch ein Shopping-Paradies belebt werden. Die Carl-Blechen-Carré genannte Anlage wird Ende 2008 mehrere Strassenblöcke im Schatten der alten Stadtmauer einnehmen und 20 000 Quadratmeter Verkaufs- und Freizeitfläche bieten. Dass auch altehrwürdige Namen nicht unbedingt Gütesiegel sind, bezeugt die Fürst-Pückler-Passage neben dem Hauptbahnhof. Eine Nachwendescheusslichkeit in unwirtlichem Niemandsland, das jüngst durch den Abriss weiterer Häuserblocks weiter verunstaltet wurde. So wird das einst quirlige Quartier rund um den Bahnhof wohl für längere Zeit eine Stadtsteppe bleiben.

Nun aber versucht Cottbus sich gegen das vielbeschworene Schrumpfen zu stemmen und innovative «Leuchttürme» zu errichten oder noch funktionierende Bereiche zu reaktivieren. Der grösste Erfolg gelang mit der 1991 gegründeten Brandenburgischen Technischen Universität. Mit 5000 Studenten und 1200 Beschäftigten ist sie für die vorwiegend proletarisch-kleinbürgerlich geprägte Stadt über den Wirtschaftsfaktor hinaus höchst effiziente Imagepolitur – dies nicht zuletzt dank der Architektur. So erhielt die innenstadtnahe Campus-Universität, für die ein ehemaliger Schulkomplex modernisiert und durch Anbauten städtebaulich attraktiv erweitert wurde, mit dem Bibliotheksneubau des Basler Architekturbüros Herzog & de Meuron ein weltweit beachtetes Wahrzeichen. Aber auch mit ihrer in der Wirklichkeit verankerten Internetplattform «Wolkenkuckucksheim» lenkt sie internationale Aufmerksamkeit in die Region. Der dort geführte Diskurs um Architektur und Städtebau wirkt hinein in die Stadt und nutzt diese zugleich als Studienobjekt.

Kunstmuseum im Industriepalast

Beispielhaft nämlich bietet Cottbus die ganze urbanistische Problempalette. Begegnet man dem Bevölkerungsschwund mittlerweile mit Abriss und Rückbau in den aus sozialistischer Zeit stammenden Siedlungen, kann man vor allem in gründerzeitlichen Rand- und Kerngebieten beachtliche Sanierungserfolge vorzeigen. So erscheinen heute zwischen Universität, Innenstadt und Spree ganze Strassenzüge wie aus dem Ei gepellt – mit funktionierenden städtischen Strukturen und kleinen bis mittleren Gewerbebetrieben. Gleichzeitig setzt man auf Kultur.

Als einzige Kommune in ganz Brandenburg besitzt Cottbus eine Sammlung zeitgenössischer Kunst. Bereits in den 1970er Jahren begründet, bezieht diese jetzt ein stattliches Domizil: Ein 1928 nach Plänen von Werner Issel (1884–1974) erbautes ehemaliges Dieselkraftwerk wurde vom Berliner Büro Anderhalten Architekten (Claus Anderhalten, Hubertus Schwabe und Petra Vondenhof) restauriert und in ein ansehnliches Kunstmuseum mit 1200 Quadratmetern Ausstellungsfläche verwandelt. Die backsteinerne Anlage mit ihren Anklängen an die Neue Sachlichkeit und das Art déco erhebt sich malerisch am Amtsteich. Die Maschinenhalle, die Funktionsgebäude und den Turm für abgehende Stromleitungen komponierte Issel zu einem Ensemble unterschiedlich hoher Kuben mit hohen Öffnungen, die an Kirchenfenster erinnern.

Energie und Landschaft

In die ehemalige Turbinenhalle wurde eine zweite Ebene eingezogen; diesen beiden Raumgefügen je ein White Cube als Haus im Haus eingefügt, um so lichtgeschützte Ausstellungsflächen zu schaffen. Das «Schalthaus» wurde entkernt und zu Büros, Cafeteria und Ausstellungsräumen umgestaltet. Denkmalgerecht gestalteten die Berliner Architekten die Anlage um, überglasten einen Innenhof zum eleganten Entrée und akzentuierten Baudetails wie Gitter und Fensterrahmen durch eine dem Original verpflichtete Farbgebung in Signalrot und Preussischblau. Obwohl die Beleuchtung der nicht von Tageslicht erhellten Räume kaum zu überzeugen vermag, darf das Kunstmuseum Dieselkraftwerk als ein repräsentatives Schauhaus bezeichnet werden.

Beispielhaft eingewoben in einen Grüngürtel, dürfte das Haus zu einem zugkräftigen Magneten der touristisch sich neu definierenden Stadt und Region werden. Weitere Anziehungspunkte sind das 1908 von Bernhard Sehring, dem Architekten des Berliner Theaters des Westens, in einem ungewöhnlich funktionalistischen Jugendstil errichtete, sorgfältig restaurierte Staatstheater sowie das Festival des osteuropäischen Films, welches im 1911 erbauten Filmtheater Weltspiegel gastiert. Besser präsentiert werden könnten die berühmtesten Künstler der Stadt: Hermann Fürst Pückler-Muskau und Carl Blechen. Im Schloss und Park Branitz, dem Alterswerk des Fürsten, wird zwar auch ein ansehnlicher Querschnitt durch das Œuvre des Malers Blechen gezeigt. In ihrer Selbstdarstellung indes wird ihm die Spreestadt nicht gerecht – eine Fehlstelle in der Strategie der kulturellen Vermarktung, mit der Cottbus die städtebauliche Konsolidierung befördern möchte.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 2008.06.14



verknüpfte Bauwerke
Kunstmuseum Dieselkraftwerk

06. Februar 2008Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Phantom der Popkultur

Unter der Bezeichnung «Zénith» sind seit 1984 in Frankreich vierzehn Konzerthallen entstanden. Der neuste, vom Architekten Massimiliano Fuksas geplante Bau wurde soeben in Strassburg eröffnet.

Unter der Bezeichnung «Zénith» sind seit 1984 in Frankreich vierzehn Konzerthallen entstanden. Der neuste, vom Architekten Massimiliano Fuksas geplante Bau wurde soeben in Strassburg eröffnet.

Von der Antike bis in die jüngere Vergangenheit befanden sich die Vergnügungsstätten mitten in der Stadt. Nun aber logieren wir sie in die Umgebung aus. Ist uns der Sinn fürs genuin Städtische abhandengekommen – oder ist alles nur eine Frage der Infrastruktur? Wie nämlich sollen Tausende von Vergnügungsuchenden in die Stadtzentren hinein- und wieder herausbefördert werden? Dieses Problem stellte sich jüngst auch in Strassburg, als man eine Zénith genannte Konzerthalle für «musique populaire» von Rock und Pop bis hin zum Musical plante. Bereits vierzehn Städte Frankreichs besitzen Zénith-Hallen. Diese müssen über plurifunktionale technische Einrichtungen, eine veränderbare Bühne sowie eine ausgefeilte Akustik verfügen, Platz für mindestens dreitausend Leute bieten und im Notfall schnell geräumt werden können. Nur wenn diese Vorgaben erfüllt sind, dürfen sie den Namen Zénith tragen. Seit Jack Lang 1981 die Idee der Zénith-Hallen lancierte, setzt das Kultusministerium die Rahmenbedingungen, vergibt Subventionen und fordert künstlerische Mindeststandards – auch bezüglich der architektonischen Gestaltung.

Die erste Zénith-Musikhalle entstand 1984 nach Plänen von Philippe Chaix und Jean-Paul Morel im Pariser Parc de la Villette. Obwohl später Hallen meist an wenig attraktiven Orten entstanden, wurden sie – auf Wunsch der städtischen Bauherren – oft von renommierten Architekten wie Norman Foster, Rem Koolhaas oder Bernard Tschumi entworfen. Die Pläne für die beiden jüngsten, formal eng miteinander verwandten Zénith-Bauten, von denen der eine soeben in Strassburg eröffnet wurde, der andere im Sommer in Amiens eingeweiht werden soll, stammen von Massimiliano Fuksas.

Seine Strassburger Schöpfung bezeichnet der 1944 geborene italienische Architekt als «Laterna magica». Wie ein Leuchtturm nämlich steht sie als kultureller Wegweiser an der «Viaropa» genannten Entwicklungsachse, die vom äussersten Südwestrand der Stadt über die Europabrücke bis nach Kehl auf der deutschen Rheinseite weist. Vorerst indes leuchtet Fuksas' «Lampe des Aladin» vornehmlich den Automobilisten auf der nahen Autobahn sowie den Besuchern dieses multimedialen Kulturtempels. Aus welcher Richtung und zu welcher Tageszeit man sich ihm auch nähert, er schleicht sich unweigerlich über die Netzhaut in unser Bewusstsein, zieht uns magisch an. Die Frage kommt auf, was sich wohl hinter dem fremdartig erscheinenden Objekt verbirgt. Knallig orangerot erhebt es sich in wirkungsvollem Komplementärkontrast auf der mattgrünen Wiese. Nachts von innen heraus leuchtend, verleiht es träumerischen Phantasien Flügel. Aufeinandergeschichtete Ellipsoide scheinen bei diesem Phantom der Popkultur aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Oben laden sie weiter aus als unten und verleihen so dem Koloss eine dynamische Ausstrahlung.

Hinter der Hülle verbirgt sich zunächst nichts als Luft: Ein gigantischer Reifrock ist dem eigentlichen Bauwerk übergezogen. Zehntausend Quadratmeter transluzentes, selbstreinigendes Gewebe, die – hinterleuchtet – zugleich Laterne und gewaltige Anzeigentafel sein können, sind mittels eines Stahlgestänges an den eigentlichen Bau montiert. Dieser birgt ein amphitheatralisches Halbrund und eine flexible, bis zu 7000 Quadratmeter grosse Bühne. Dank einer dreissig Zentimeter starken Betonschale dringt selbst bei infernalischem Lärm kaum ein Ton hinaus in die Nachbarschaft. Mit dem Strassburger Bauwerk haben die Zénith-Hallen ihren einstweiligen Höhepunkt erreicht: Dank den zehntausend orangeroten Sitzplätzen, von denen aus das Publikum bald Rockkonzerte, «Holiday on Ice» oder die Oldie-but-Goldie-Show «Age tendre et les têtes de bois» verfolgen kann, ist sie nicht nur die grösste Halle ihrer Art, sondern stellt auch architektonisch etwas Besonderes dar. Denn auf der Suche nach «einer volkstümlichen Architektursprache» bezog Fuksas seine Inspirationen «aus Kunst, Filmen sowie der Landschaft».

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2008.02.06



verknüpfte Bauwerke
Konzerthalle «Zénith»

24. Mai 2002Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Sehnsucht nach der verlorenen Mitte

Die sächsische Industriestadt Chemnitz wurde von Krieg und rigorosem Wiederaufbau schwer gezeichnet. Nun errichtet die Stadt am Fuss des Erzgebirges auf dem Palimpsest ihrer ausradierten Mitte eine neue City. Nach den Exzessen der Nachwende-Euphorie gehen die Stadtplaner den zweiten Wiederaufbau mit Bedacht an.

Die sächsische Industriestadt Chemnitz wurde von Krieg und rigorosem Wiederaufbau schwer gezeichnet. Nun errichtet die Stadt am Fuss des Erzgebirges auf dem Palimpsest ihrer ausradierten Mitte eine neue City. Nach den Exzessen der Nachwende-Euphorie gehen die Stadtplaner den zweiten Wiederaufbau mit Bedacht an.

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10. September 2001Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Kulturbastion mit Verwaltungshaus

Der Düsseldorfer Kunstpalast von Oswald Mathias Ungers

Der Düsseldorfer Kunstpalast von Oswald Mathias Ungers

Kaum zwei Katzensprünge von der Königsallee entfernt, fristete das Düsseldorfer Kunstkarree «Ehrenhof» lang ein Schattendasein. Wo Mitte der zwanziger Jahre mit der «Gesolei» - einer Gewerbe- und Kunstschau - und ihren von Wilhelm Kreis neusachlich überformten und neu geschaffenen Ausstellungsbauten auch architektonischer Aufbruch herrschte, machte sich nach kurzer Nachkriegsblüte bald Desinteresse breit. Denn das um einen stillen Innenhof angelegte klösterliche Ensemble verführte Besucher wie Betreiber eher zu Kontemplation denn zu Aktion. Obwohl das hier Anfang des 20. Jahrhunderts begründete Kunstmuseum, das neben einem Kaleidoskop mitteleuropäischer Kunst mit der Akademiesammlung einen Schatz grafischer Blätter von Weltrang beherbergt, als Hort der Düsseldorfer Malschule des 19. Jahrhunderts galt, herrschte Stillstand, ja Rückschritt: Nur eine Notoperation rettete in den achtziger Jahren den Westflügel des Ehrenhofs, der östliche war so marode, dass er aufgegeben wurde, um neu aufgeführt zu werden.


Private Geldspritze

Ein Zusammengehen der öffentlichen Hand mit dem Energiekonzern E.ON sicherte über eine Stiftung den 60 Millionen Mark teuren Neubau und garantiert darüber hinaus rund 30 Millionen Mark für den laufenden Betrieb der nächsten zehn Jahre. Dafür überliess die Stadt der E.ON für rund 20 Millionen Mark ein unmittelbar an den Ehrenhof grenzendes Grundstück, auf dem diese einen ambitiösen Verwaltungsbau errichten liess - und nun am Mehrwert der von ihr mitfinanzierten Kunst teilhat: Das neckisch «museum kunst palast» titulierte Institut ist nämlich sowohl räumlich als auch infrastrukturell und ideell kurzgeschlossen mit der Energiezentrale. Architektonisch konzipiert wurde das Ensemble vom Kölner Altmeister der konstruktiven Reduktion, Oswald Mathias Ungers. Man mag lächeln über Ungers' Manie, immer neu und immer gleich und doch immer wieder variiert seine Ode an das Quadrat vorzutragen. Dabei gelingen ihm gelegentlich zumindest äusserlich eindrückliche Bauwerke wie im Falle dieses Düsseldorfer Doppelbaus, auch wenn das Verwaltungshaus hineingezwängt werden musste zwischen Kreis' denkmalpflegerisch sakrosankten Ehrenhof und den Kolossalkomplex einer Versicherung.

Auf dem durch Teilabriss des Ostflügels freigeräumten Grundstück errichtete Ungers ein neues Gehäuse, das statt der einstigen 13 000 m 2 nur noch 3000 m 2 Ausstellungsfläche aufweist. Die Ungers'sche Neuschöpfung orientiert sich hinter der erhaltenen Klinkerbandfassade von Kreis in Mass und Masse am erhaltenen Westflügel. Entstanden ist ein scharfkantiger, langgestreckter Kubus, dem auf der Rückseite ein doppelschaliger, über einem Kreissegment sich erhebender Bau gegenübersteht. Skrupulös abgestimmt auf die Höhenlinien des architektonischen Bestands und die dadurch vorgegebenen Sichtachsen, hält sich der von zehn auf sechs Geschosse terrassierte Doppelhalbkreis vornehm zurück. Granitenes Pflaster vermittelt zwischen dem rechteckigen, mit Muschelkalk und Klinker verkleideten Kunstriegel und dem gekurvten Verwaltungsbau in römischem Travertin. Die steinerne Fläche lockert ein Buchsbaum-Labyrinth auf, zu dem hin sich die Terrasse einer Cafeteria orientiert, die zugleich Kantine der E.On ist wie «Café des Artistes» fürs Museumsquartier.

Obwohl räumlich separiert, sind Kunst und Kapital durchdrungen von einem virtuellen Beziehungsgeflecht. So schmückt sich einerseits der Verwaltungsbau mit künstlerischen Federn, wenn die «Glasgalerie», eine spektakuläre Skylobby zwischen den beiden Ringbauten, Ausstellungen der E.On-Kulturabteilung zeigt. Und umgekehrt reklamieren die Geldgeber den im neuen Museumstrakt wieder eingerichteten, multifunktional instrumentierten Robert-Schumann-Kammermusiksaal für gelegentlichen Eigenbedarf. Dieses Schatzkästlein schmückte der Architekt mit seigneuralem Interieur. Eingebunden in die Gebäude-Organisation, kommt der längsrechteckige, 850 Besucher fassende Veranstaltungssaal mit seinen Pfeilerreihen, Arkaden und Galerien auch akustischen Anforderungen entgegen. Selbstverständlich unterteilte Ungers auch hier das Rechteck in Quadrate. Markant besonders im Deckenraster, worin Licht- und Klangeinrichtungen hinter dunkelbraunen Paneelen ihren Dienst tun. Wände und Decken sind gekleidet in bienenwachsfarbenes Spitzahornfurnier, dem Parkett aus rötlichem Schweizer Birnbaum sind kaffeebraune Mooreichenquadrate intarsiert.


Kunst in der Zyklopenhalle

Das gediegene Design vermag hier noch am ehesten eine Schwäche von Ungers' Innenräumen zu kaschieren: Mit viel Detailgenauigkeit verkleidet er Wände, Säulen und Treppenläufe. Wirken die quadratischen Pfeiler im Konzertsaal noch halbwegs proportioniert, laufen die Massverhältnisse in den Ausstellungsräumen aus dem Ruder. Dies zeigt sich schon im Entrée. Erschlossen wird der 133 Meter lange, 21 Meter tiefe Kunstriegel von einem mittigen Foyer, das knapp 20 Meter aufstrebt. Zwanzig quadratische, um die quadratische Aula postierte Stützen nehmen die Lasten auf, quer liegende Träger bilden die Stockwerksteilungen ab. Bekrönt ist dieser Raum von einer 12,5 Meter weiten Flachkuppel, in deren Tambour ein Kranz quadratischer Fenster Licht einfliessen lässt - und die ungeschlachten Dimensionen der leider nur im Ansatz gut gegliederten Konstruktion beleuchtet.

Solch kölnischer Neoklassizismus beherrscht auch die vier neuen Ausstellungsräume. Nachgerade herkulisch wuchtet Ungers die Plafonds über Stützpfeiler, die ohne Not kolossal aufgebläht wurden. Darauf lasten die üppig durchfensterten Kunstlichtdecken - ausgerüstet für illusionistischen Wolkenzug (!) - mit einem optischen Gewicht, als seien sie hier nur versehentlich verwendete Module einer Zyklopenhalle. Das wird überdeutlich in der zur Wiedereröffnung vom neuen Direktor Jean-Hubert Martin inszenierten Schau «Altäre - Kunst zum Niederknien». Einmal abgesehen vom problematischen Ansatz, kann es kaum überzeugen, noch den läppischsten Fetisch zeitgenössischer Religiosität in die Schau aufzunehmen und so der aus aller Welt zusammengetragenen Kitsch-Menagerie höhere Weihen zu verleihen. Doch diese bonbonbunt und jahrmarktslaut auftrumpfende Talmiprozession wird übertönt von Ungers ' präpotenter Fortifikationsarchitektur. Städtebauliche Zeichen sind bei Ungers in guten Händen, museologische Raumgestaltung indes ist seine Sache nicht.

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 2001.09.10



verknüpfte Bauwerke
museum kunst palast Ausstellungsgebäude

06. Februar 1998Werner Jacob
Neue Zürcher Zeitung

Eine Seh-Schule

Die zwischen Schwarzwald und Rhein gelegene Stadt Freiburg i. Br. setzt seit den achtziger Jahren auf Expansion. Für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs...

Die zwischen Schwarzwald und Rhein gelegene Stadt Freiburg i. Br. setzt seit den achtziger Jahren auf Expansion. Für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs...

Die zwischen Schwarzwald und Rhein gelegene Stadt Freiburg i. Br. setzt seit den achtziger Jahren auf Expansion. Für den prognostizierten Bevölkerungszuwachs reichten die vorhandenen Verdichtungsräume in aufgelassenen Militär- und Gewerbezonen nicht aus. Also projektierte man einen neuen Stadtteil: Auf dem einstigen „Rieselfeld“, mit 78 Hektaren eines der grössten Neustadtprojekte Deutschlands seit den siebziger Jahren, sollen bis zum Jahr 2005 etwa 3000 Wohnungen entstehen. Entsprechend derzeit gültigen Erkenntnissen der Urbanistik sollen die 12 000 bis 15 000 Einwohner hier in einer weitgehend autarken Stadt leben. So werden auf dem einem grossen Gewerbegebiet benachbarten Rieselfeld noch einmal 1000 Arbeitsplätze geschaffen: in Gewerbe, Einzelhandel, Kultur und Bildung.

Mit dem jüngst eingeweihten Kepler-Gymnasium des Basler Architekten Ernst Spycher erhielt das Neubauviertel auch eine eigene Mittelschule, die bereits vor der Vollendung heftigen umstritten war. Menschenverachtend sei der Neubau, ein „martialisches Monster“. Selbst mit dem Faschismusvorwurf hielt man nicht zurück. Vielleicht ist es die lapidare Gelassenheit, die zum Widerspruch herausfordert. Gross, grün, grau und gerade hebt sich das Schulhaus aus seiner Umgebung. Im rechten Winkel umgrenzen das eigentliche Lehrgebäude und die über eine Umfassungsmauer angebundene Sporthalle einen vom angrenzenden Wohngebiet separierten Pausenhof. Beinahe 90 Meter lang ist die Schaufront, vier Etagen hoch, flach gedeckt und gekleidet in ein bald sumpfgrün schimmerndes, bald echsengrau spröde wirkendes Klinkergewand. - Senkrechte, Gerade, rechter Winkel, Diagonale sind Spychers Alphabet. Gleichförmig aneinandergereiht, blicken die hohen Fensteröffnungen aus der Lochfassade. Diese wird von einem leicht vorspringenden Dachgesims gefasst.

Der virtuosen Modulation entspricht das souveräne Arrangement der Grossform. Die Masse des Unterrichtstrakts organisiert und dynamisiert Spycher in einem mäandernden Gebäudefluss. U-förmig umschliesst dieser im Westen eine Art Cour d'honneur. Darüber schwebt ein rhombisch perforiertes Flugdach. Es beschattet das Entrée. Dieses führt in ein offenes Foyer, das Aula und zentrales Stiegenhaus in einem ist. Als wären sie Kulissen zu M. C. Eschers Vexierräumen, erschliessen zwei labyrinthische Treppenläufe die in jeder Etage ringsumlaufenden Galerien. Eine fixe Folie verschleiert das opake Glas der flachen Laterne, die den gesamten Hallenraum überfängt. Die Folge ist an trüben Tagen Tristesse im Treppenhaus. Gerade hier, wo Sichtbeton sein graues Regiment führt, könnte mehr Helligkeit die sorgfältig verarbeiteten, von Spycher favorisierten „gewöhnlichen Materialien“ in ihrer verhaltenen Farbigkeit, ihrem Charme der Einfachheit in ein günstigeres Licht setzen. Die einfachen Stahlprofile der verglasten Laubengänge, die naturbelassenen Holzfenster und Wandpaneele, die „anständig nüchternen“ Werksteingewände sind Insignien eines kostengünstigen, rationellen Bauens, das industrielle Vorprodukte nutzt und dabei gleichwohl ästhetisch anspruchsvolle Lösungen hervorbringt.

Spychers Gymnasium setzt ein Zeichen: Klar und übersichtlich, analog der Sachlogik des Schulbetriebs, ist der Raumplan organisiert. Ausgeführt in einer Sprache des „Elementaren“, wie sie Mies van der Rohe bereits 1924 postulierte: „Baukunst ist zusammengefasster Zeitwille. Gestaltet die Form aus dem Wesen der Aufgabe mit den Mitteln unserer Zeit.“ Die Schönheit des Rationalen freilich scheint sich dem Clin d'oeil zu verschliessen. Doch wirkt die Spychersche Lehranstalt seit dem herbstlichen Unterrichtsbeginn nachgerade als Seh-Schule zur Einübung in architektonisches Schauen: Die hohen Wogen der Verstörung jedenfalls, ausgelöst vom aufgeregten Suchen nach Vertrautem, werden allmählich geglättet durch die stille Qualität.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1998.02.06



verknüpfte Bauwerke
Kepler-Gymnasium/Sepp-Glaser-Sporthalle

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