Übersicht

Texte

06. April 2018David Cohn
db

Körper und Seele

Da an der Gestaltung gerne als allererstes gespart wird, sind Minimalisten klar im Vorteil, sofern sie aus der Ressourcenknappheit Profit zu schlagen verstehen. Alberto Campo Baeza brachte auf dem Campus einer spanischen Privatuniversität ein vielfältiges Raumangebot für sportliche Aktivitäten, aber auch für Seminare und Feierlichkeiten in einem simplen Baukörper unter, und verschloss sich dabei nicht dem spröden Charme eines Rohbaus, hauchte aber v.a. der Sporthalle mit ­gekonnter poetischer Schlichtheit viel Seele ein.

Da an der Gestaltung gerne als allererstes gespart wird, sind Minimalisten klar im Vorteil, sofern sie aus der Ressourcenknappheit Profit zu schlagen verstehen. Alberto Campo Baeza brachte auf dem Campus einer spanischen Privatuniversität ein vielfältiges Raumangebot für sportliche Aktivitäten, aber auch für Seminare und Feierlichkeiten in einem simplen Baukörper unter, und verschloss sich dabei nicht dem spröden Charme eines Rohbaus, hauchte aber v.a. der Sporthalle mit ­gekonnter poetischer Schlichtheit viel Seele ein.

Als »Lichtgefäß« beschreibt Alberto Campo Baeza seine Sporthalle für die Universität Francisco de Vitoria in Madrid, und tatsächlich ist jedes Detail des Entwurfs dieser Leitidee gewidmet. Auch wenn sie nur einen Teil des von ihm entworfenen Campus-Bausteins bildet – neben Sport findet hier auch Unterricht statt –, ist die Halle doch eindeutig sein Lieblingselement in diesem Projekt. Mattiertes Glas, das in großen Scheiben den oberen Teil der Außen­wände nach Nordwesten und Nordosten bildet, lässt indirektes Nordlicht ins Innere fluten. Alles, was dort visuell ablenken könnte, ist farblich gedämpft, jede Oberfläche weiß gestaltet, damit nichts mit dem Spiel des Lichts konkurrieren kann. Die Oberflächen nehmen das Licht auf und streuen es so, dass es eine räumliche, fast greifbare Präsenz erhält. Als wir das Gebäude an einem wolkigen Wintertag begehen, scheint es drinnen heller zu sein als draußen, worauf Campo Baeza sehr zufrieden hinweist. Der Raum sammelt und verdichtet das Licht auf ganz einzigartige Weise.

Die Halle bietet Platz für zwei aneinander grenzende Basketballfelder bzw. ein hallenfüllendes Fußballfeld. Im hellen, weiß gebleichten Holzboden markieren blass-dunkle Linien die Spielfelder. Sie dienen sowohl dem Training als auch Spielbegegnungen der Universitätsliga. Boden und Decke sind mit guter Schallabsorption ausgestattet, sodass der Raum auch als Veranstaltungssaal zu nutzen ist. Bis zu 1 300 bewegliche Klappsitze haben hier Platz.

Wie auf der Außenseite sind die Wände auch innen mit unbehandelten, glasfaserbewehrten Betonpaneelen bekleidet. Ein geschosshoher Streifen großformatiger, matt glasierter Keramikfliesen schützt die Wände vor Stößen.

Darüber führen frei liegende Stahlbinder den gestalterischen Vorsitz. Das in Quadrate unterteilte Fachwerk wirkt gleichzeitig filigran und solide, es flirrt und könnte in seiner Fügung doch kaum aufgeräumter sein.

Die Sitzstufen für die Zuschauer, die ebenfalls mit weißen Keramikfliesen ­belegt sind, erstrecken sich entlang der verglasten Nordostseite. Sie liegen ein Geschoss über der Hauptebene und bilden die Decke für die darunter liegenden Umkleideräume, die als langer Streifen zwischen den Eingangsbereich und die Halle geschoben sind. Auf der Höhe der Sitzreihen ist die Verglasung transparent und von Türen unterbrochen, die auf eine Terrasse hinausführen. Diese bildet das Dach der Eingangshalle und wird auf der gegenüberliegenden Seite von den beiden oberen Geschossen des Unterrichtstrakts begrenzt.

Auf der anderen Hallenseite fügte Campo Baeza auf Eingangsniveau einen weiteren langen Streifen aus transparentem Glas ein, ebenfalls mit Türen samt Ausblick auf einen zukünftigen Platz. Dieser Glasstreifen faltet sich rahmenlos um die Gebäudeecken, sodass der Eindruck entsteht, das massive Volumen schwebe über einem skulpturalen Einschnitt, obwohl das Defilee der Stahlstützen vor der Glasfront doch eigentlich unübersehbar ist.

Alle Linien sind aufeinander bezogen. So, die Höhen des verglasten Einschnitts wie die der Fliesenstreifen. Die mattierten Glasflächen darüber und der abgeknickte transparente Glasstreifen treffen sich in einem Punkt, um den herum sich massive und gläserne Flächen wie auf einem Schachbrett abwechseln. Hinter diesem unmöglich erscheinenden Gelenk zeigt sich das Tragwerk, in gewissenhafter Erfüllung seiner Funktion, ein weiteres Mal ganz ­unverhohlen. Der Architekt ließ in die Eckverglasung das lateinische Motto »Hoc vitrum angulare mense Octobre A. D. MMXVI positu« eingravieren und wies in Anlehnung an die Ecksteine in historischen Natursteinmauern auf den Zeitpunkt der Positionierung dieses gläsernen Ecksteins hin.

Grossskulptur

Auch wenn Campo Baeza den Großteil seiner Aufmerksamkeit der Sporthalle widmete, so lohnt der Rest des Entwurfs doch ebenfalls einen Blick, selbst ­angesichts der spröde zu nennenden, streng funktional gehaltenen Gestaltung der Funktionsräume. Die Verteilung der Massen bringt eine auffällige Dua­lität hervor: Der schmale Riegel mit den ­Seminarräumen wächst, wie die Sporthalle, glatt und schlicht entlang der ­Sockelkanten bis zur selben Höhe empor, deutlich separiert durch den leeren Raum über der oberen Terrasse voneinander getrennt.
Die Verteilung der Massen erinnert an die Beziehung zwischen Campo ­Baezas Hauptsitz der Caja de Granada von 2001, einem quadratischen, siebengeschossigen Volumen mit monumentalem »Licht-Impluvium«, und dem benachbarten Museo de la Memoria de Andalucía von 2010, aus dessen niedrigem Sockel ein spektakulärer schmaler, vertikaler Riegel bis zur Höhe des Bankgebäudes emporstrebt; dazwischen entsteht gefühltermaßen ein abgeschlossener Raum, obwohl die beiden Gebäude in Wirklichkeit nicht bündig zueinander stehen. In Madrid ist diese kompositorische Idee komprimierter und schlüssiger verwirklicht, wenn auch deutlich weniger monumental.

Im Museum in Granada findet sich einerseits viel vom extremen Formalismus eines Boullée, andererseits erinnert der gekonnt reduzierte Grundriss an die räumliche Organisation von Beaux-Art-Gebäuden und zugleich an die kompositorischen Strategien von postmodernen Protominimalisten wie Aldo Rossi. Diese Strategien finden wir im Sockel des Sportneubaus wieder, wo schmale Spangen für Verkehrsflächen und Technikräume zwischen die größeren programmatischen Einheiten geschaltet sind. Die breite Eingangshalle erstreckt sich über die gesamte Tiefe des Gebäudes, flankiert von einer Bar und einer Reihe von Büros. Auf der untersten Ebene befinden sich eine Schwimmhalle auf der einen Seite und auf der anderen, unter der Sporthalle, mehrere Fitnessräume – dazwischen eine schmale Achse beidseitig zugänglicher Umkleideräume. Die an den Außenseiten gelegenen Funktionsräume bekommen wie der Schwimmbereich natürliches Licht von tiefen Einschnitten, patios ­ingléses (Tiefhöfe) genannt, die das Gebäude an drei Seiten auf ganzer Länge begleiten. Durch raumhohe Verglasungen, die auch hier wieder vom regel­mäßigen Rhythmus der Betonstützen begleitet werden, gelangt das von den versunkenen Höfen reflektierte Tageslicht mit überraschender, raffinierter Zartheit in die ansonsten extrem funktional gehaltenen Räume.

Seele in der Kargheit

Bei der Universität handelt es sich um eine private, staatlich anerkannte Institution, die 1993 von der Ordensgemeinschaft »Legionäre Christi« gegründet wurde, die in Spanien viel Zuspruch seitens nationalkonservativer Katholiken erfährt. Etwa 5 000 junge Menschen studieren hier. Der Sportbau ist Teil des großen und weiter wachsenden Campus in einem wohlhabenden nördlichen Vorort von Madrid nahe der Ringstraße M-40. Bislang wurden keine Bauten errichtet, die der Rede wert gewesen wären. Und auch beim Sportpavillon hatte Campo Baeza einige Mühe, die Bauherren davon zu überzeugen, mehr als nur einen kahlen Minimalbau errichten zu lassen. Bedauerlicherweise ­habe man darauf verzichtet, die außen liegenden Glasfaserzement-Platten durch einen Anstrich zu schützen oder die der Witterung ausgesetzte Technik auf dem Dach einzuhausen. Die klimatechnische Ausstattung entspricht dem spanischen Mindeststandard; dazu gehören Solarpaneele für Warmwasser, Wärmerückgewinnung in der Raumluftkonditionierung sowie effiziente Kühleinheiten, Wärmepumpen und gasbetriebene Boiler. Wenn es das Wetter erlaubt, ist auch natürliche Belüftung möglich.

Laut Felipe Samarán, dem Direktor der Architekturfakultät, soll der weiter wachsende Campus künftig um drei Plätze herum organisiert sein, die jeweils dem Körper, dem Geist und der Seele gewidmet sein werden. Dass der Sportpavillon sich dem zukünftigen Platz der Seele zuwendet, wo später auch eine Kapelle und das Rektorat stehen werden, überrascht. Andererseits: Bedenkt man Campo Baezas leidenschaftliches Engagement für das transzendentale Erlebnis von Raum, Licht und Geometrie, könnte sich sein Beitrag leicht als der seelenvollste auf dem ganzen Campus erweisen. Unter der ganzen Weiße vibriert das platonische Ideal absoluter, göttlicher Wahrheit, Geometrie und Gottesfurcht – und eine Ahnung der Bedeutungslosigkeit weltlicher Existenz im Schatten all dieses göttlichen Lichts inmitten wohl­geordneten Raums. Welche Rolle sollen da profane Seminarräume spielen …

db, Fr., 2018.04.06



verknüpfte Zeitschriften
db 2018|04 Sportbauten

17. November 2017David Cohn
Bauwelt

Plastic Spaceship

Das neue Kulturzentrum von José Selgas und Lucia Cano in Plasencia liegt in der Extremadura kurz vor der portugiesischen Grenze. Es wurde in diesem Sommer eröffnet und zeigt, wie mutig auch im Hinterland gebaut werden kann.

Das neue Kulturzentrum von José Selgas und Lucia Cano in Plasencia liegt in der Extremadura kurz vor der portugiesischen Grenze. Es wurde in diesem Sommer eröffnet und zeigt, wie mutig auch im Hinterland gebaut werden kann.

Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2017|23 Außenseiter Kunst

11. Dezember 2015David Cohn
Bauwelt

Geometrisierte Landschaft

Das Berliner Architekturbüro Grüntuch Ernst hat am nördlichen Stadtrand von Madrid den Neubau für die Deutsche Schule errichtet. Kindergarten, Grundschule und Gymnasium sind für 1600 Schüler ausgelegt.

Das Berliner Architekturbüro Grüntuch Ernst hat am nördlichen Stadtrand von Madrid den Neubau für die Deutsche Schule errichtet. Kindergarten, Grundschule und Gymnasium sind für 1600 Schüler ausgelegt.

Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2015|47 Schule machen

28. Januar 2011David Cohn
Bauwelt

Das Glasscheibenspiel

In El Chapparal können Kleinkinder Scheerbart’scher Esoterik nachspüren. Mit bunten Glas und traufübergreifenden Fenstern hat Alejandro Muñoz Miranda expressionistische Farbräume komponiert, welche die Welt unter der gleißenden Sonne Südspaniens neu sehen lehren.

In El Chapparal können Kleinkinder Scheerbart’scher Esoterik nachspüren. Mit bunten Glas und traufübergreifenden Fenstern hat Alejandro Muñoz Miranda expressionistische Farbräume komponiert, welche die Welt unter der gleißenden Sonne Südspaniens neu sehen lehren.

Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2011|05 Kindergärten als Bildungsstätten

01. März 2009David Cohn
db

Keine kalte Kiste

Die meisten Eissporthallen sehen aus wie Kühlschränke, meint Luca Brunelli, funktionale Kisten wären sie, deren Hauptaufgabe es sei, eine konstant kühle Innentemperatur von ungefähr 13 Grad Celsius zu halten, kalt genug, um das Eis zu kühlen, ohne die Eisläufer zu verkühlen. Ziel ihres Entwurfes wäre es dagegen gewesen, »ein Gebäude, das normalerweise fast hermetisch abgeschlossen sei, nach den Grundsätzen eines öffentlichen Platzes zu gestalten«. Und das ist den Architekten in sehreigenwilliger aber überzeugender Weise gelungen.

Die meisten Eissporthallen sehen aus wie Kühlschränke, meint Luca Brunelli, funktionale Kisten wären sie, deren Hauptaufgabe es sei, eine konstant kühle Innentemperatur von ungefähr 13 Grad Celsius zu halten, kalt genug, um das Eis zu kühlen, ohne die Eisläufer zu verkühlen. Ziel ihres Entwurfes wäre es dagegen gewesen, »ein Gebäude, das normalerweise fast hermetisch abgeschlossen sei, nach den Grundsätzen eines öffentlichen Platzes zu gestalten«. Und das ist den Architekten in sehreigenwilliger aber überzeugender Weise gelungen.

Valdemoro mit seinen 60 000 Einwohnern ist eine vorwiegend von Arbeitern bewohnte Satellitenstadt im Speckgürtel von Madrid, etwa 27 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, die seit einiger Zeit durch ihre Förderung junger madrilenischer Architekten auf sich aufmerksam macht.

So hat María Auxiliadora Gálvez, die in Projektpartnerschaft mit Luca Brunelli für die neue Eissporthalle verantwortlich zeichnet, gemeinsam mit Izabela Wieczorek, mit der sie seit vielen Jahren eine Arbeitskooperation (Galvez Wieczorek Arquitectos) pflegt, hier kürzlich zwei Kindertagesstätten bauen können. Und von Alberto Nicolau stammt ein Hallenbad, das ebenso wie die Eissporthalle 2007 eröffnete. In dem kleinen Park rund um die Halle findet sich außerdem eine Sporthalle samt Schwimmhalle der Madrider Architekten María Fraile und Javier Revillo aus dem Jahr 1998 – eines ihrer ersten Projekte, mit dem diese sehr unmittelbar ihren eigenen, fast rau anmutenden, ruhigen Minimalismus etablierten.
Gemeinsam mit Izabela Wieczorek und Ana Bonet, Brunellis Frau, mieteten Gálvez und Brunelli 2000 ein Atelier an, in dem sie seitdem in wechselnden Arbeitsgemeinschaften Projekte realisieren. Gálvez hatte ihr Architekturstudium an der Escuela Técnica Superior de Arquitectura de Madrid 1998 abgeschlossen und anschließend dort zwei Jahre für das Büro Ábalos &Herreros gearbeitet. Brunelli beendete sein Architekturstudium in Italien an der Politecnico di Torino 1995. Seit Kurzem firmiert er als Bblab. Mittlerweile haben sich der Gemeinschaft weitere freie Architekten hinzugesellt.

Resonanzkörper mit Lichtspiel

Gálvez bezeichnet das dem Gebäude zugrunde liegende Entwurfskonzept als das »eines sinnlichen Resonanzkörpers«, in dem das farbige Licht der Fenster mit ihren unterschiedlichen Grün-Gelb-Nuancen einen spielerischen Dialog mit den reflektierenden Oberflächen der Decke und Wände sowie der Eisfläche eingeht und die Fenster außerdem komponierte Blicke auf die umgebende Vegetation erlauben.

Mit dem Madrider Bauunternehmen Teconsa hatten Gálvez und Brunelli 2004 gegen fünf Mitbewerber die Generalunternehmerausschreibung der Stadt für die Eishalle gewonnen. Ihre darauf beruhende Vertragssituation mit dem Unternehmen machte es ihnen in der Folge nicht immer leicht, ihre hohen Qualitätsansprüche in der Ausführung umzusetzen. Aber, so berichtet Brunelli, vonseiten der Kommune erhielten sie dabei große Unterstützung. So akzeptierte diese eine Kostensteigerung des ursprünglich mit ungefähr 3,8 Millionen Euro angebotenen Projekts auf 4,5 Millionen. Betreiber der Eislaufhalle im Auftrag der Stadt ist ein Privatunternehmen, das mit städtischen Fördermitteln unterstützt wird, unter anderem auch, um die Eintrittspreise gering zu halten.
In dem Gebiet rund um den Bauplatz der Eishalle gab es schon eine Vielzahl weiterer Freizeiteinrichtungen. Neben dem eingangs erwähnten Sportcenter von Fraile und Revillo befinden sich hier Basketball Courts, ein Spielplatz, eine kleine Stierkampfarena und ein schmaler Park. Und auf dem direkt hinter der Halle gelegenen Grundstück war ein augenblicklich in Fertigstellung begriffener, L-förmiger Wohnblock vorgesehen. Da die Halle im tiefstgelegenen Punkt im Inneren des Wohnblocks entstehen, dabei aber von zwei Seiten direkt von der Straße erschlossen werden sollte, entschieden sich Gálvez und Brunelli, die Eisfläche mit Ausmaßen von 30 x 60 Metern diagonal in die L-Form einzupassen und um sie herum eine unregelmäßige Hülle zu gestalten, die auf die Topografie reagiert und sich durch ihre ausgeprägte auskragende Dachform hin zu den freien Flächen orientiert. Die Serviceräume liegen im Rücken der Halle zum Wohnblock hin. Das Dach akzentuiert zum einen die weitläufige Freifläche vor dem Eingangsbereich und bildet zum anderen an der Gebäudesüdseite, dem Park gegenüber, vor der Cafeteria einen klar definierten Außenbereich, der zum Verweilen einladen soll. An dieser Stelle findet sich mit 17 Metern Dachüberstand auch die weiteste Auskragung.

Mit der großzügigen Glasfassade, die die niedrigen Einfallwinkel der nachmittäglichen Wintersonne einfängt, und der aus dem Gebäudeinneren bis in die auskragende Dachebene fortgeführten, reflektierenden Metalldecke wollten die Architekten ein Gebäude schaffen, das eine direkte Korrespondenz zwischen Innen und Außen ermöglicht und so ein einladendes umschlossenes städtisches Ambiente gestalten. Die sich in diesen öffentlichen Bereich dahinschlängelnde Gebäudekontur wird akzentuiert durch einen geschosshohen Betonsockel, der unter das Dach eingeschoben scheint. Darin sind der Eingang, die Kassen, die Umkleiden, die Cafeteria, Büroräume und die Haustechnik untergebracht. Er gleicht zudem den Geländeversatz aus. Darüber sitzt umlaufend die obere Fensterreihe als elegante Vorhangfassade, einem farbigen Lichtvorhang gleich, mit ihrem Wechsel von klaren Isolierglasscheiben, eingefärbten Scheiben und dazwischen akzentuierenden Metallpaneelen. Um den Eindruck der Durchgängigkeit zwischen dem Außen- und dem Innenraum zu verstärken, befinden sich die eigentliche Eisfläche und die sie umgebende Ebene ohne Versatz auf gleicher Höhe und auch die Decke geht scheinbar nahtlos von innen nach außen über.

Kein Käfig

Im Inneren der großen Halle sind die sich an der Eisfläche »entlangschlängelnden« Nebenräume mit kleinteilig perforierten Metallpaneelen, wie sie als Erschließungsstege im Gerüstbau verwendet werden, verkleidet, die die Architekten in unterschiedlichen Grüntönen streichen ließen. Im hinteren Teil, wo sich oberhalb der Nassräume und Umkleiden eine kleine Aussichtsplattform für die Besucher von Hockeyspielen befindet, wurden an den Wänden vertikal angeordnete Metallpaneele angebracht, die eine etwas gröbere Struktur aufweisen. Verchromte Abdeckleisten, eigens dafür entworfen, verleihen diesen gedämmten Wandelementen eine sehr homogene Erscheinungsweise.
Die schimmernde Decke ist mit wärmegedämmten Sandwichpaneelen verkleidet, die an der Oberfläche eine fein strukturierte Metallfläche zeigen, wobei einige farbige Metallpaneele streifenartig die sehr homogen graue Ansichtsfläche durchbrechen und beleben. Sehr ähnliche, vertikal angeordnete Paneele verwendeten die Architekten an der Fassade. Mit großer Sorgfalt wurden diese an den Gebäudekanten gebogen um die Ecken geführt. Ihre Oberflächen, die sorgfältig komponierte Farbigkeit sowie die ebenso sorgfältig detaillierten Lichtbänder verleihen der Eishalle eine Qualität, die sie weit über die Lieblosigkeit standardisiert vorgefertigter Hallen erhebt. Auch bei der Gestaltung des weit auskragenden Dachabschlusses ist diese Sorgfalt erlebbar. Die hier gewählten Paneele mussten zum Schutz vor Beschädigungen eine gewisse Dicke aufweisen. Hier wählten die Architekten möglichst schmale Profile, um die Kontinuität der Dachlandschaft zu erhalten. In direktem Gegensatz dazu stehen die eher grob ausgeführten Betonansichtsflächen, die zeigen, dass der Bauunternehmer die Qualitätsansprüche der Architekten nicht ganz teilte. Glücklicherweise ergibt der Gegensatz zwischen den feinen und der eher groben Oberfläche einen reizvollen Kontrast, der dem Gebäude nichts von seiner Qualität nimmt.

Eiskalt und nachhaltig

Um die großen Spannweiten des Hallendaches über der Eisfläche sowie die Dachauskragung zu realisieren, entschieden sich die Planer für eine Konstruktion aus Fachwerkträgern für das Dach, die, dem »schlängelnden« Grundriss folgend, auf unregelmäßig in der Halle angeordneten, runden Betonstützen ruhen. Die bis zu 3, 5 Meter hohen Träger weisen geneigte Oberzüge auf (siehe Detailbogen S. 99). Stützen und Fachwerkträger sind biege-steif miteinander verbunden.

Die Klimatisierung erfolgt zum einen über eine Heizungsanlage für die Umkleide-, Aufhalts- und Servicebereiche, zum anderen über eine Kühlanlage, die zum einen der Eisproduktion dient und zum anderen die Temperatur im Hallenbereich kontrolliert. Vollständig ausgelastet mit der Eisherstellung ist sie nur, wenn es gilt, die komplette Fläche zu erneuern. Zur späteren Kühlung des Eises wird nur eine Drittel ihrer Leistung benötigt, so dass die übrige Kapazität zur Temperierung der Halle zur Verfügung steht und damit auch der Kondensatbildung vorbeugt. Die Eisproduktion sowie die Kühlung der Fläche erfolgt über strahlenförmig unter der Lauffläche verlegte Polyehtylen-Röhren. Durch die Auslegung sowohl für das Eis als auch zur Hallenklimatisierung konnten neben den Anlagenkosten auch die Betriebs- und damit Energiekosten im Sinne der Nachhaltigkeit günstig beeinflusst werden. Den größten Nachhaltigkeitseffekt sieht Brunelli allerdings in der Tatsache, dass die Halle im Sommer geschlossen wird – anders als ganzjährig betriebene Freizeit-Skipiste in einem nahe gelegenen Einkaufcenter.

Die Eishalle tritt in einen spannenden Dialog über Zeit und wechselnde Moden mit dem Sportcenter von Fraile und Revillo: Statt auf sich selbst fokus-iert zu sein, öffnet sie sich ihrer Umgebung gezielt, ihre äußere Gestalt ist eher intuitiv als konsequent funktional entwickelt. Und ihre Materialwahl und Farbgebung, eine scheinbar willkürlich-spielerische Variation des Themas Pixelierung, wendet sich gegen das Diktat der Materialwahrhaftigkeit.

Gálvez, die auch als Entwurfsarchitektin für Vorschulen Erfahrung hat, ist eine erklärte Anhängerin Aldo van Eycks. So zeigt sich in dem Entwurf der beiden Architekten gerade auch ihr Bewusstsein für die Bedeutung von Orten sozialer Begegnung und kontrastiert mit dem eher mystisch-mies’chen Raumverständnis von Fraile und Revillo. Dabei weisen die beiden Gebäude auch klare Gemeinsamkeiten auf. In ihrer sehr gradlinigen, bescheidenen Materialwahl und dem Beharren auf hoher architektonischer Qualität auch und gerade im Umfeld der Vorstädte führen beide Projekte die lange künstlerische Tradition eines barock zu nennenden Realismus fort, bei dem bescheidene, alltägliche Aufgaben mit einer spartanisch zu nennenden Noblesse »geschmückt« werden.

db, So., 2009.03.01



verknüpfte Bauwerke
Eissporthalle



verknüpfte Zeitschriften
db 2009|03 Sportlich

01. November 2007David Cohn
db

Geheimnisvolle Architektur – hohe Ingenieurkunst

Ein Park, der eigentlich eine Straßenbahnhaltestelle ist, silberne »Käsestangen«, die in der Luft zu schweben scheinen, in Alicante wurde, nach Bürgerprotesten, aus notwendiger Infrastrukturarchitektur ein Ort des Erlebens und Verweilens.

Ein Park, der eigentlich eine Straßenbahnhaltestelle ist, silberne »Käsestangen«, die in der Luft zu schweben scheinen, in Alicante wurde, nach Bürgerprotesten, aus notwendiger Infrastrukturarchitektur ein Ort des Erlebens und Verweilens.

Subarquitectura, das sind Andrés Silanes, Fernando Valderrama und Carlos Bañón, drei junge Absolventen des erst kürzlich eingerichteten Architekturstudiengangs der Universität von Alicante. Für den Entwurf einer Haltestelle der neuen Linie 4 der Tram Metropolitano im spanischen Alicante, die mehrere Küstenstädte miteinander verbindet, bediente sich das ortsansässige junge Büro eines weniger in der Architektur als in der TV-Werbung erfolgreichen Ansatzes, dem Spiel mit der Verführungskraft traumartiger Bilder, dem scheinbar Unmöglichen, der Kraft des Rätselhaften.
Die Station Sergio Cardell Plaza stellt das Bindeglied zwischen dem Stadtzentrum und den Wohngebieten von San Juan dar. Schon ihre Lage ist einzigartig, eine Verkehrsinsel inmitten eines großzügig bemessenen Kreisels, den die Architekten in einen kleinen Stadtpark verwandelten. Zwischen Palmen und Olivenbäumen scheinen, futuristischen Waggons gleich, zwei silbermetallisch schimmernde Lichtkörper schwerelos entlang der Gleise zu schweben.
Die 36 Meter langen Metallstränge sind durchstanzt von unzähligen Löchern unterschiedlichster Größe, die neben funktionaler auch konstruktive Bedeutung haben. Sie spenden tagsüber Schatten im heißen Klima der Küstenregion, sind durchlässig für leichte Brisen und leuchten des Nachts durch »tanzend« diagonal im Inneren angeordnete Neonröhren.

Der besondere Reiz, und das führt zum eingangs erwähnten Vergleich mit der Newtons Gesetz der Gravitation enthobenen Welt der Werbespots, liegt in der scheinbaren Schwerelosigkeit der metallenen Körper. Auf den ersten flüchtigen Blick ist vom Tragwerk nichts zu spüren und man wird – wie in einem Werbespot – zum wiederholten, intensiven Hinschauen gezwungen. Die Metallboxen werden jeweils nur von zwei flachen, verspiegelten, außermittig im ersten Drittel angeordneten Fachwerkstützen getragen. Ihr extrem schlanker Querschnitt entspricht der Wanddicke der Boxen. Zwei Abspannseile halten, fast unsichtbar, die beachtliche Auskragung von 22 Metern in der Balance.

Hohe Ingenieurkunst

Die Lastverteilung gelingt über ein komplexes Zusammenspiel: Die Oberflächen der doppelwandigen Scheiben sind auf Fachwerkträgern befestigt. So konnte die notwendige Queraussteifung der Boxen minimiert werden. Außerdem werden zur Aussteifung auch die Laibungen der Löcher herangezogen: Ihre Ränder sind jeweils mit der inneren und der äußeren Stahlplatte biegesteif verbunden. So erklärt sich, dass die Anzahl der Löcher dort am höchsten ist, wo die größten Lasten auftreten. Für zusätzliche Stabilität sorgen schlanke, diagonal im Luftraum der Körper befestigte Stabstähle.
Diese Konstruktion wurde von den Architekten nicht nur selbst entwickelt, sondern auch berechnet. Einen hinzuge-zogenen Bauingenieur hätten sie, so das selbstbewusste Statement, bei der Suche nach einer Lösung eher als Hemmnis empfunden. Sicher auch ein Resultat der sehr tiefgehenden und intensiven konstruktiven Ausbildung, die sie an der neuen Architekturfakultät in Alicante erfahren haben. Schließlich gehörten sie 2002 zu den ersten sechs Absolventen des neuen Studiengangs. Aber auch ein Zeichen für die nach wie vor umfangreichen Befugnisse und Verantwortlichkeiten spanischer Architekten. Trotzdem ließ der Bauunternehmer die ihm vorgelegten Berechnungen noch einmal von einem Bauingenieur gegenprüfen – nur zur Sicherheit –, bevor er sie dann in Zwölf-Meter-Modulen fertigte, die auf der Baustelle montiert wurden.
Die Löcher ermöglichen nicht nur die Belüftung der schwebenden Metallstränge, sie geben dem Ort auch zu jeder Tageszeit eine eigene Identität. Schon heißt es bei den Bewohnern der umliegenden, meist von jungen Familien bewohnten neuen Wohnkomplexe, wenn man sich in den Cafés rund um die Haltestelle verabredet, ganz salopp: »Wir sehen uns beim Gruyere.« Wobei man wissen muss, dass Gruyère im Spanischen als Synonym für Schweizer Käse verwendet wird; ausgerechnet die Sorte, die nun mit Abstand die wenigsten Löcher aufweist.

Thema mit Variationen

Noch ist der Anblick der im Juni in Betrieb genommenen Haltestelle ungetrübt von Beschilderungen. Damit auch künftig kein Schilderwald den Eindruck der in einer Parklandschaft schwebenden Boxen verzerrt, wird sich das Leitsystem dezent auf frei stehende transparente Tafeln beschränken.
Entlang des verästelten Wegenetzes zu beiden Seiten der Bahnsteige haben die Architekten rechteckige Sitzbänke aus Metallgitter »verstreut«, die abends ebenfalls beleuchtet sind; eine spielerische Wiederholung des Themas der schwebenden Metallkörper. Die Zwischenräume der sorgfältig um den Baumbestand geführten Wege wurden mit Erde aufgefüllt und bilden kleine, grasbewachsene Inseln – ein großer Luxus im trockenen Klima der Region.
Ebenso wie die schwebenden Boxen der Haltestelle schaffen auch die gräsernen Hügel und die diagonal geführten Wege einen klar definierten Ort, ohne diesen von der Umgebung abzugrenzen. Vom Rand der Verkehrsinsel aus gesehen verstärken die Hügelchen sogar noch die scheinbare Loslösung der Metallkörper vom Untergrund.

»Väter« und Söhne

Andrés Silanes, Fernando Valderrama und Carlos Bañón gründeten Subarquitectura 2004. Schon 2005 wurden sie auf besonderen Wunsch von Javier García-Solera, einem ihrer früheren Professoren, zur Teilnahme am Wettbewerb für die Haltestelle eingeladen. García-Solera war von der Stadt Alicante als Berater beauftragt worden, nachdem es unter den Anwohnern des Viertels Proteste gegen einen ersten Entwurf gegeben hatte, den das für das Gesamtprojekt verantwortliche Ingenieurbüro vorgestellt hatte. García-Solera selbst hatte einen der U-Bahnhöfe im Stadtzentrum entworfen.
Die Drei präsentieren die zweite Generation der so genannten Alicante-Schule mit ihren sehr eigenen regionalen Bezügen. Die »Elterngeneration«, dazu zählen maßgeblich Jose García-Solera, Alfredo Payá, Dolores Alonso und die im benachbarten Murcia ansässige Architektin María Torres Nadal, die sich alle mittlerweile einen Namen gemacht haben, gehörten zu den ersten Lehrern der Fakulität und hatten, so erinnern sich Silanes, Valderrama und Bañon, einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Ausrichtung des Lehrplans.
Obwohl sie sich alle der klassischen Moderne verpflichtet fühlen, hat jeder von ihnen eine sehr eigene Sprache entwickelt. Während García-Soleras Architektur geprägt ist von einem geradlinigen, an Mies orientierten Funktionalismus und seine Bauten sich durch eine sehr sorgfältige Detailplanung auszeichnen, zeigt Alonso in ihren Entwürfen formale Experimentierfreude. Payá hingegen hat sich, das wird an seinen Bauten deutlich, im Laufe der Zeit eher den sozialen und psychologischen Aspekten des Entwerfens zugewandt und Torres Nadal ist sicher mit ihren auffälligen, fast schon flamboyanten Arbeiten der Paradiesvogel unter den Vieren.
Die Arbeiten von Subarquitectura stehen zwar klar erkennbar in der Tradition ihrer Lehrer und damit der Moderne, haben aber einen bewussten Schritt in eine sehr eigene Richtung genommen; als jünger, unbeschwerter und fast beiläufig spielerisch könnte man ihren Ansatz beschreiben.
Augenblicklich arbeiten sie gemeinsam mit Torres Nadal an einem sozialen Wohnbauprojekt in Valencia im Entwicklungsgebiet Sociopolis, entwarfen ein energieoptimiertes Laborgebäude mit gläsernen Atrien für die Miguel-Hernández-Universität in Orihuela (Alicante), eine Sporthalle für Pedrequer und ein Wohnhaus außerhalb von Madrid.

db, Do., 2007.11.01



verknüpfte Bauwerke
Strassenbahnhaltestelle »Sergio Cardell«



verknüpfte Zeitschriften
db 2007|11 Am Wegesrand

Presseschau 12

06. April 2018David Cohn
db

Körper und Seele

Da an der Gestaltung gerne als allererstes gespart wird, sind Minimalisten klar im Vorteil, sofern sie aus der Ressourcenknappheit Profit zu schlagen verstehen. Alberto Campo Baeza brachte auf dem Campus einer spanischen Privatuniversität ein vielfältiges Raumangebot für sportliche Aktivitäten, aber auch für Seminare und Feierlichkeiten in einem simplen Baukörper unter, und verschloss sich dabei nicht dem spröden Charme eines Rohbaus, hauchte aber v.a. der Sporthalle mit ­gekonnter poetischer Schlichtheit viel Seele ein.

Da an der Gestaltung gerne als allererstes gespart wird, sind Minimalisten klar im Vorteil, sofern sie aus der Ressourcenknappheit Profit zu schlagen verstehen. Alberto Campo Baeza brachte auf dem Campus einer spanischen Privatuniversität ein vielfältiges Raumangebot für sportliche Aktivitäten, aber auch für Seminare und Feierlichkeiten in einem simplen Baukörper unter, und verschloss sich dabei nicht dem spröden Charme eines Rohbaus, hauchte aber v.a. der Sporthalle mit ­gekonnter poetischer Schlichtheit viel Seele ein.

Als »Lichtgefäß« beschreibt Alberto Campo Baeza seine Sporthalle für die Universität Francisco de Vitoria in Madrid, und tatsächlich ist jedes Detail des Entwurfs dieser Leitidee gewidmet. Auch wenn sie nur einen Teil des von ihm entworfenen Campus-Bausteins bildet – neben Sport findet hier auch Unterricht statt –, ist die Halle doch eindeutig sein Lieblingselement in diesem Projekt. Mattiertes Glas, das in großen Scheiben den oberen Teil der Außen­wände nach Nordwesten und Nordosten bildet, lässt indirektes Nordlicht ins Innere fluten. Alles, was dort visuell ablenken könnte, ist farblich gedämpft, jede Oberfläche weiß gestaltet, damit nichts mit dem Spiel des Lichts konkurrieren kann. Die Oberflächen nehmen das Licht auf und streuen es so, dass es eine räumliche, fast greifbare Präsenz erhält. Als wir das Gebäude an einem wolkigen Wintertag begehen, scheint es drinnen heller zu sein als draußen, worauf Campo Baeza sehr zufrieden hinweist. Der Raum sammelt und verdichtet das Licht auf ganz einzigartige Weise.

Die Halle bietet Platz für zwei aneinander grenzende Basketballfelder bzw. ein hallenfüllendes Fußballfeld. Im hellen, weiß gebleichten Holzboden markieren blass-dunkle Linien die Spielfelder. Sie dienen sowohl dem Training als auch Spielbegegnungen der Universitätsliga. Boden und Decke sind mit guter Schallabsorption ausgestattet, sodass der Raum auch als Veranstaltungssaal zu nutzen ist. Bis zu 1 300 bewegliche Klappsitze haben hier Platz.

Wie auf der Außenseite sind die Wände auch innen mit unbehandelten, glasfaserbewehrten Betonpaneelen bekleidet. Ein geschosshoher Streifen großformatiger, matt glasierter Keramikfliesen schützt die Wände vor Stößen.

Darüber führen frei liegende Stahlbinder den gestalterischen Vorsitz. Das in Quadrate unterteilte Fachwerk wirkt gleichzeitig filigran und solide, es flirrt und könnte in seiner Fügung doch kaum aufgeräumter sein.

Die Sitzstufen für die Zuschauer, die ebenfalls mit weißen Keramikfliesen ­belegt sind, erstrecken sich entlang der verglasten Nordostseite. Sie liegen ein Geschoss über der Hauptebene und bilden die Decke für die darunter liegenden Umkleideräume, die als langer Streifen zwischen den Eingangsbereich und die Halle geschoben sind. Auf der Höhe der Sitzreihen ist die Verglasung transparent und von Türen unterbrochen, die auf eine Terrasse hinausführen. Diese bildet das Dach der Eingangshalle und wird auf der gegenüberliegenden Seite von den beiden oberen Geschossen des Unterrichtstrakts begrenzt.

Auf der anderen Hallenseite fügte Campo Baeza auf Eingangsniveau einen weiteren langen Streifen aus transparentem Glas ein, ebenfalls mit Türen samt Ausblick auf einen zukünftigen Platz. Dieser Glasstreifen faltet sich rahmenlos um die Gebäudeecken, sodass der Eindruck entsteht, das massive Volumen schwebe über einem skulpturalen Einschnitt, obwohl das Defilee der Stahlstützen vor der Glasfront doch eigentlich unübersehbar ist.

Alle Linien sind aufeinander bezogen. So, die Höhen des verglasten Einschnitts wie die der Fliesenstreifen. Die mattierten Glasflächen darüber und der abgeknickte transparente Glasstreifen treffen sich in einem Punkt, um den herum sich massive und gläserne Flächen wie auf einem Schachbrett abwechseln. Hinter diesem unmöglich erscheinenden Gelenk zeigt sich das Tragwerk, in gewissenhafter Erfüllung seiner Funktion, ein weiteres Mal ganz ­unverhohlen. Der Architekt ließ in die Eckverglasung das lateinische Motto »Hoc vitrum angulare mense Octobre A. D. MMXVI positu« eingravieren und wies in Anlehnung an die Ecksteine in historischen Natursteinmauern auf den Zeitpunkt der Positionierung dieses gläsernen Ecksteins hin.

Grossskulptur

Auch wenn Campo Baeza den Großteil seiner Aufmerksamkeit der Sporthalle widmete, so lohnt der Rest des Entwurfs doch ebenfalls einen Blick, selbst ­angesichts der spröde zu nennenden, streng funktional gehaltenen Gestaltung der Funktionsräume. Die Verteilung der Massen bringt eine auffällige Dua­lität hervor: Der schmale Riegel mit den ­Seminarräumen wächst, wie die Sporthalle, glatt und schlicht entlang der ­Sockelkanten bis zur selben Höhe empor, deutlich separiert durch den leeren Raum über der oberen Terrasse voneinander getrennt.
Die Verteilung der Massen erinnert an die Beziehung zwischen Campo ­Baezas Hauptsitz der Caja de Granada von 2001, einem quadratischen, siebengeschossigen Volumen mit monumentalem »Licht-Impluvium«, und dem benachbarten Museo de la Memoria de Andalucía von 2010, aus dessen niedrigem Sockel ein spektakulärer schmaler, vertikaler Riegel bis zur Höhe des Bankgebäudes emporstrebt; dazwischen entsteht gefühltermaßen ein abgeschlossener Raum, obwohl die beiden Gebäude in Wirklichkeit nicht bündig zueinander stehen. In Madrid ist diese kompositorische Idee komprimierter und schlüssiger verwirklicht, wenn auch deutlich weniger monumental.

Im Museum in Granada findet sich einerseits viel vom extremen Formalismus eines Boullée, andererseits erinnert der gekonnt reduzierte Grundriss an die räumliche Organisation von Beaux-Art-Gebäuden und zugleich an die kompositorischen Strategien von postmodernen Protominimalisten wie Aldo Rossi. Diese Strategien finden wir im Sockel des Sportneubaus wieder, wo schmale Spangen für Verkehrsflächen und Technikräume zwischen die größeren programmatischen Einheiten geschaltet sind. Die breite Eingangshalle erstreckt sich über die gesamte Tiefe des Gebäudes, flankiert von einer Bar und einer Reihe von Büros. Auf der untersten Ebene befinden sich eine Schwimmhalle auf der einen Seite und auf der anderen, unter der Sporthalle, mehrere Fitnessräume – dazwischen eine schmale Achse beidseitig zugänglicher Umkleideräume. Die an den Außenseiten gelegenen Funktionsräume bekommen wie der Schwimmbereich natürliches Licht von tiefen Einschnitten, patios ­ingléses (Tiefhöfe) genannt, die das Gebäude an drei Seiten auf ganzer Länge begleiten. Durch raumhohe Verglasungen, die auch hier wieder vom regel­mäßigen Rhythmus der Betonstützen begleitet werden, gelangt das von den versunkenen Höfen reflektierte Tageslicht mit überraschender, raffinierter Zartheit in die ansonsten extrem funktional gehaltenen Räume.

Seele in der Kargheit

Bei der Universität handelt es sich um eine private, staatlich anerkannte Institution, die 1993 von der Ordensgemeinschaft »Legionäre Christi« gegründet wurde, die in Spanien viel Zuspruch seitens nationalkonservativer Katholiken erfährt. Etwa 5 000 junge Menschen studieren hier. Der Sportbau ist Teil des großen und weiter wachsenden Campus in einem wohlhabenden nördlichen Vorort von Madrid nahe der Ringstraße M-40. Bislang wurden keine Bauten errichtet, die der Rede wert gewesen wären. Und auch beim Sportpavillon hatte Campo Baeza einige Mühe, die Bauherren davon zu überzeugen, mehr als nur einen kahlen Minimalbau errichten zu lassen. Bedauerlicherweise ­habe man darauf verzichtet, die außen liegenden Glasfaserzement-Platten durch einen Anstrich zu schützen oder die der Witterung ausgesetzte Technik auf dem Dach einzuhausen. Die klimatechnische Ausstattung entspricht dem spanischen Mindeststandard; dazu gehören Solarpaneele für Warmwasser, Wärmerückgewinnung in der Raumluftkonditionierung sowie effiziente Kühleinheiten, Wärmepumpen und gasbetriebene Boiler. Wenn es das Wetter erlaubt, ist auch natürliche Belüftung möglich.

Laut Felipe Samarán, dem Direktor der Architekturfakultät, soll der weiter wachsende Campus künftig um drei Plätze herum organisiert sein, die jeweils dem Körper, dem Geist und der Seele gewidmet sein werden. Dass der Sportpavillon sich dem zukünftigen Platz der Seele zuwendet, wo später auch eine Kapelle und das Rektorat stehen werden, überrascht. Andererseits: Bedenkt man Campo Baezas leidenschaftliches Engagement für das transzendentale Erlebnis von Raum, Licht und Geometrie, könnte sich sein Beitrag leicht als der seelenvollste auf dem ganzen Campus erweisen. Unter der ganzen Weiße vibriert das platonische Ideal absoluter, göttlicher Wahrheit, Geometrie und Gottesfurcht – und eine Ahnung der Bedeutungslosigkeit weltlicher Existenz im Schatten all dieses göttlichen Lichts inmitten wohl­geordneten Raums. Welche Rolle sollen da profane Seminarräume spielen …

db, Fr., 2018.04.06



verknüpfte Zeitschriften
db 2018|04 Sportbauten

17. November 2017David Cohn
Bauwelt

Plastic Spaceship

Das neue Kulturzentrum von José Selgas und Lucia Cano in Plasencia liegt in der Extremadura kurz vor der portugiesischen Grenze. Es wurde in diesem Sommer eröffnet und zeigt, wie mutig auch im Hinterland gebaut werden kann.

Das neue Kulturzentrum von José Selgas und Lucia Cano in Plasencia liegt in der Extremadura kurz vor der portugiesischen Grenze. Es wurde in diesem Sommer eröffnet und zeigt, wie mutig auch im Hinterland gebaut werden kann.

Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2017|23 Außenseiter Kunst

11. Dezember 2015David Cohn
Bauwelt

Geometrisierte Landschaft

Das Berliner Architekturbüro Grüntuch Ernst hat am nördlichen Stadtrand von Madrid den Neubau für die Deutsche Schule errichtet. Kindergarten, Grundschule und Gymnasium sind für 1600 Schüler ausgelegt.

Das Berliner Architekturbüro Grüntuch Ernst hat am nördlichen Stadtrand von Madrid den Neubau für die Deutsche Schule errichtet. Kindergarten, Grundschule und Gymnasium sind für 1600 Schüler ausgelegt.

Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2015|47 Schule machen

28. Januar 2011David Cohn
Bauwelt

Das Glasscheibenspiel

In El Chapparal können Kleinkinder Scheerbart’scher Esoterik nachspüren. Mit bunten Glas und traufübergreifenden Fenstern hat Alejandro Muñoz Miranda expressionistische Farbräume komponiert, welche die Welt unter der gleißenden Sonne Südspaniens neu sehen lehren.

In El Chapparal können Kleinkinder Scheerbart’scher Esoterik nachspüren. Mit bunten Glas und traufübergreifenden Fenstern hat Alejandro Muñoz Miranda expressionistische Farbräume komponiert, welche die Welt unter der gleißenden Sonne Südspaniens neu sehen lehren.

Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2011|05 Kindergärten als Bildungsstätten

01. März 2009David Cohn
db

Keine kalte Kiste

Die meisten Eissporthallen sehen aus wie Kühlschränke, meint Luca Brunelli, funktionale Kisten wären sie, deren Hauptaufgabe es sei, eine konstant kühle Innentemperatur von ungefähr 13 Grad Celsius zu halten, kalt genug, um das Eis zu kühlen, ohne die Eisläufer zu verkühlen. Ziel ihres Entwurfes wäre es dagegen gewesen, »ein Gebäude, das normalerweise fast hermetisch abgeschlossen sei, nach den Grundsätzen eines öffentlichen Platzes zu gestalten«. Und das ist den Architekten in sehreigenwilliger aber überzeugender Weise gelungen.

Die meisten Eissporthallen sehen aus wie Kühlschränke, meint Luca Brunelli, funktionale Kisten wären sie, deren Hauptaufgabe es sei, eine konstant kühle Innentemperatur von ungefähr 13 Grad Celsius zu halten, kalt genug, um das Eis zu kühlen, ohne die Eisläufer zu verkühlen. Ziel ihres Entwurfes wäre es dagegen gewesen, »ein Gebäude, das normalerweise fast hermetisch abgeschlossen sei, nach den Grundsätzen eines öffentlichen Platzes zu gestalten«. Und das ist den Architekten in sehreigenwilliger aber überzeugender Weise gelungen.

Valdemoro mit seinen 60 000 Einwohnern ist eine vorwiegend von Arbeitern bewohnte Satellitenstadt im Speckgürtel von Madrid, etwa 27 Kilometer südlich der Hauptstadt gelegen, die seit einiger Zeit durch ihre Förderung junger madrilenischer Architekten auf sich aufmerksam macht.

So hat María Auxiliadora Gálvez, die in Projektpartnerschaft mit Luca Brunelli für die neue Eissporthalle verantwortlich zeichnet, gemeinsam mit Izabela Wieczorek, mit der sie seit vielen Jahren eine Arbeitskooperation (Galvez Wieczorek Arquitectos) pflegt, hier kürzlich zwei Kindertagesstätten bauen können. Und von Alberto Nicolau stammt ein Hallenbad, das ebenso wie die Eissporthalle 2007 eröffnete. In dem kleinen Park rund um die Halle findet sich außerdem eine Sporthalle samt Schwimmhalle der Madrider Architekten María Fraile und Javier Revillo aus dem Jahr 1998 – eines ihrer ersten Projekte, mit dem diese sehr unmittelbar ihren eigenen, fast rau anmutenden, ruhigen Minimalismus etablierten.
Gemeinsam mit Izabela Wieczorek und Ana Bonet, Brunellis Frau, mieteten Gálvez und Brunelli 2000 ein Atelier an, in dem sie seitdem in wechselnden Arbeitsgemeinschaften Projekte realisieren. Gálvez hatte ihr Architekturstudium an der Escuela Técnica Superior de Arquitectura de Madrid 1998 abgeschlossen und anschließend dort zwei Jahre für das Büro Ábalos &Herreros gearbeitet. Brunelli beendete sein Architekturstudium in Italien an der Politecnico di Torino 1995. Seit Kurzem firmiert er als Bblab. Mittlerweile haben sich der Gemeinschaft weitere freie Architekten hinzugesellt.

Resonanzkörper mit Lichtspiel

Gálvez bezeichnet das dem Gebäude zugrunde liegende Entwurfskonzept als das »eines sinnlichen Resonanzkörpers«, in dem das farbige Licht der Fenster mit ihren unterschiedlichen Grün-Gelb-Nuancen einen spielerischen Dialog mit den reflektierenden Oberflächen der Decke und Wände sowie der Eisfläche eingeht und die Fenster außerdem komponierte Blicke auf die umgebende Vegetation erlauben.

Mit dem Madrider Bauunternehmen Teconsa hatten Gálvez und Brunelli 2004 gegen fünf Mitbewerber die Generalunternehmerausschreibung der Stadt für die Eishalle gewonnen. Ihre darauf beruhende Vertragssituation mit dem Unternehmen machte es ihnen in der Folge nicht immer leicht, ihre hohen Qualitätsansprüche in der Ausführung umzusetzen. Aber, so berichtet Brunelli, vonseiten der Kommune erhielten sie dabei große Unterstützung. So akzeptierte diese eine Kostensteigerung des ursprünglich mit ungefähr 3,8 Millionen Euro angebotenen Projekts auf 4,5 Millionen. Betreiber der Eislaufhalle im Auftrag der Stadt ist ein Privatunternehmen, das mit städtischen Fördermitteln unterstützt wird, unter anderem auch, um die Eintrittspreise gering zu halten.
In dem Gebiet rund um den Bauplatz der Eishalle gab es schon eine Vielzahl weiterer Freizeiteinrichtungen. Neben dem eingangs erwähnten Sportcenter von Fraile und Revillo befinden sich hier Basketball Courts, ein Spielplatz, eine kleine Stierkampfarena und ein schmaler Park. Und auf dem direkt hinter der Halle gelegenen Grundstück war ein augenblicklich in Fertigstellung begriffener, L-förmiger Wohnblock vorgesehen. Da die Halle im tiefstgelegenen Punkt im Inneren des Wohnblocks entstehen, dabei aber von zwei Seiten direkt von der Straße erschlossen werden sollte, entschieden sich Gálvez und Brunelli, die Eisfläche mit Ausmaßen von 30 x 60 Metern diagonal in die L-Form einzupassen und um sie herum eine unregelmäßige Hülle zu gestalten, die auf die Topografie reagiert und sich durch ihre ausgeprägte auskragende Dachform hin zu den freien Flächen orientiert. Die Serviceräume liegen im Rücken der Halle zum Wohnblock hin. Das Dach akzentuiert zum einen die weitläufige Freifläche vor dem Eingangsbereich und bildet zum anderen an der Gebäudesüdseite, dem Park gegenüber, vor der Cafeteria einen klar definierten Außenbereich, der zum Verweilen einladen soll. An dieser Stelle findet sich mit 17 Metern Dachüberstand auch die weiteste Auskragung.

Mit der großzügigen Glasfassade, die die niedrigen Einfallwinkel der nachmittäglichen Wintersonne einfängt, und der aus dem Gebäudeinneren bis in die auskragende Dachebene fortgeführten, reflektierenden Metalldecke wollten die Architekten ein Gebäude schaffen, das eine direkte Korrespondenz zwischen Innen und Außen ermöglicht und so ein einladendes umschlossenes städtisches Ambiente gestalten. Die sich in diesen öffentlichen Bereich dahinschlängelnde Gebäudekontur wird akzentuiert durch einen geschosshohen Betonsockel, der unter das Dach eingeschoben scheint. Darin sind der Eingang, die Kassen, die Umkleiden, die Cafeteria, Büroräume und die Haustechnik untergebracht. Er gleicht zudem den Geländeversatz aus. Darüber sitzt umlaufend die obere Fensterreihe als elegante Vorhangfassade, einem farbigen Lichtvorhang gleich, mit ihrem Wechsel von klaren Isolierglasscheiben, eingefärbten Scheiben und dazwischen akzentuierenden Metallpaneelen. Um den Eindruck der Durchgängigkeit zwischen dem Außen- und dem Innenraum zu verstärken, befinden sich die eigentliche Eisfläche und die sie umgebende Ebene ohne Versatz auf gleicher Höhe und auch die Decke geht scheinbar nahtlos von innen nach außen über.

Kein Käfig

Im Inneren der großen Halle sind die sich an der Eisfläche »entlangschlängelnden« Nebenräume mit kleinteilig perforierten Metallpaneelen, wie sie als Erschließungsstege im Gerüstbau verwendet werden, verkleidet, die die Architekten in unterschiedlichen Grüntönen streichen ließen. Im hinteren Teil, wo sich oberhalb der Nassräume und Umkleiden eine kleine Aussichtsplattform für die Besucher von Hockeyspielen befindet, wurden an den Wänden vertikal angeordnete Metallpaneele angebracht, die eine etwas gröbere Struktur aufweisen. Verchromte Abdeckleisten, eigens dafür entworfen, verleihen diesen gedämmten Wandelementen eine sehr homogene Erscheinungsweise.
Die schimmernde Decke ist mit wärmegedämmten Sandwichpaneelen verkleidet, die an der Oberfläche eine fein strukturierte Metallfläche zeigen, wobei einige farbige Metallpaneele streifenartig die sehr homogen graue Ansichtsfläche durchbrechen und beleben. Sehr ähnliche, vertikal angeordnete Paneele verwendeten die Architekten an der Fassade. Mit großer Sorgfalt wurden diese an den Gebäudekanten gebogen um die Ecken geführt. Ihre Oberflächen, die sorgfältig komponierte Farbigkeit sowie die ebenso sorgfältig detaillierten Lichtbänder verleihen der Eishalle eine Qualität, die sie weit über die Lieblosigkeit standardisiert vorgefertigter Hallen erhebt. Auch bei der Gestaltung des weit auskragenden Dachabschlusses ist diese Sorgfalt erlebbar. Die hier gewählten Paneele mussten zum Schutz vor Beschädigungen eine gewisse Dicke aufweisen. Hier wählten die Architekten möglichst schmale Profile, um die Kontinuität der Dachlandschaft zu erhalten. In direktem Gegensatz dazu stehen die eher grob ausgeführten Betonansichtsflächen, die zeigen, dass der Bauunternehmer die Qualitätsansprüche der Architekten nicht ganz teilte. Glücklicherweise ergibt der Gegensatz zwischen den feinen und der eher groben Oberfläche einen reizvollen Kontrast, der dem Gebäude nichts von seiner Qualität nimmt.

Eiskalt und nachhaltig

Um die großen Spannweiten des Hallendaches über der Eisfläche sowie die Dachauskragung zu realisieren, entschieden sich die Planer für eine Konstruktion aus Fachwerkträgern für das Dach, die, dem »schlängelnden« Grundriss folgend, auf unregelmäßig in der Halle angeordneten, runden Betonstützen ruhen. Die bis zu 3, 5 Meter hohen Träger weisen geneigte Oberzüge auf (siehe Detailbogen S. 99). Stützen und Fachwerkträger sind biege-steif miteinander verbunden.

Die Klimatisierung erfolgt zum einen über eine Heizungsanlage für die Umkleide-, Aufhalts- und Servicebereiche, zum anderen über eine Kühlanlage, die zum einen der Eisproduktion dient und zum anderen die Temperatur im Hallenbereich kontrolliert. Vollständig ausgelastet mit der Eisherstellung ist sie nur, wenn es gilt, die komplette Fläche zu erneuern. Zur späteren Kühlung des Eises wird nur eine Drittel ihrer Leistung benötigt, so dass die übrige Kapazität zur Temperierung der Halle zur Verfügung steht und damit auch der Kondensatbildung vorbeugt. Die Eisproduktion sowie die Kühlung der Fläche erfolgt über strahlenförmig unter der Lauffläche verlegte Polyehtylen-Röhren. Durch die Auslegung sowohl für das Eis als auch zur Hallenklimatisierung konnten neben den Anlagenkosten auch die Betriebs- und damit Energiekosten im Sinne der Nachhaltigkeit günstig beeinflusst werden. Den größten Nachhaltigkeitseffekt sieht Brunelli allerdings in der Tatsache, dass die Halle im Sommer geschlossen wird – anders als ganzjährig betriebene Freizeit-Skipiste in einem nahe gelegenen Einkaufcenter.

Die Eishalle tritt in einen spannenden Dialog über Zeit und wechselnde Moden mit dem Sportcenter von Fraile und Revillo: Statt auf sich selbst fokus-iert zu sein, öffnet sie sich ihrer Umgebung gezielt, ihre äußere Gestalt ist eher intuitiv als konsequent funktional entwickelt. Und ihre Materialwahl und Farbgebung, eine scheinbar willkürlich-spielerische Variation des Themas Pixelierung, wendet sich gegen das Diktat der Materialwahrhaftigkeit.

Gálvez, die auch als Entwurfsarchitektin für Vorschulen Erfahrung hat, ist eine erklärte Anhängerin Aldo van Eycks. So zeigt sich in dem Entwurf der beiden Architekten gerade auch ihr Bewusstsein für die Bedeutung von Orten sozialer Begegnung und kontrastiert mit dem eher mystisch-mies’chen Raumverständnis von Fraile und Revillo. Dabei weisen die beiden Gebäude auch klare Gemeinsamkeiten auf. In ihrer sehr gradlinigen, bescheidenen Materialwahl und dem Beharren auf hoher architektonischer Qualität auch und gerade im Umfeld der Vorstädte führen beide Projekte die lange künstlerische Tradition eines barock zu nennenden Realismus fort, bei dem bescheidene, alltägliche Aufgaben mit einer spartanisch zu nennenden Noblesse »geschmückt« werden.

db, So., 2009.03.01



verknüpfte Bauwerke
Eissporthalle



verknüpfte Zeitschriften
db 2009|03 Sportlich

01. November 2007David Cohn
db

Geheimnisvolle Architektur – hohe Ingenieurkunst

Ein Park, der eigentlich eine Straßenbahnhaltestelle ist, silberne »Käsestangen«, die in der Luft zu schweben scheinen, in Alicante wurde, nach Bürgerprotesten, aus notwendiger Infrastrukturarchitektur ein Ort des Erlebens und Verweilens.

Ein Park, der eigentlich eine Straßenbahnhaltestelle ist, silberne »Käsestangen«, die in der Luft zu schweben scheinen, in Alicante wurde, nach Bürgerprotesten, aus notwendiger Infrastrukturarchitektur ein Ort des Erlebens und Verweilens.

Subarquitectura, das sind Andrés Silanes, Fernando Valderrama und Carlos Bañón, drei junge Absolventen des erst kürzlich eingerichteten Architekturstudiengangs der Universität von Alicante. Für den Entwurf einer Haltestelle der neuen Linie 4 der Tram Metropolitano im spanischen Alicante, die mehrere Küstenstädte miteinander verbindet, bediente sich das ortsansässige junge Büro eines weniger in der Architektur als in der TV-Werbung erfolgreichen Ansatzes, dem Spiel mit der Verführungskraft traumartiger Bilder, dem scheinbar Unmöglichen, der Kraft des Rätselhaften.
Die Station Sergio Cardell Plaza stellt das Bindeglied zwischen dem Stadtzentrum und den Wohngebieten von San Juan dar. Schon ihre Lage ist einzigartig, eine Verkehrsinsel inmitten eines großzügig bemessenen Kreisels, den die Architekten in einen kleinen Stadtpark verwandelten. Zwischen Palmen und Olivenbäumen scheinen, futuristischen Waggons gleich, zwei silbermetallisch schimmernde Lichtkörper schwerelos entlang der Gleise zu schweben.
Die 36 Meter langen Metallstränge sind durchstanzt von unzähligen Löchern unterschiedlichster Größe, die neben funktionaler auch konstruktive Bedeutung haben. Sie spenden tagsüber Schatten im heißen Klima der Küstenregion, sind durchlässig für leichte Brisen und leuchten des Nachts durch »tanzend« diagonal im Inneren angeordnete Neonröhren.

Der besondere Reiz, und das führt zum eingangs erwähnten Vergleich mit der Newtons Gesetz der Gravitation enthobenen Welt der Werbespots, liegt in der scheinbaren Schwerelosigkeit der metallenen Körper. Auf den ersten flüchtigen Blick ist vom Tragwerk nichts zu spüren und man wird – wie in einem Werbespot – zum wiederholten, intensiven Hinschauen gezwungen. Die Metallboxen werden jeweils nur von zwei flachen, verspiegelten, außermittig im ersten Drittel angeordneten Fachwerkstützen getragen. Ihr extrem schlanker Querschnitt entspricht der Wanddicke der Boxen. Zwei Abspannseile halten, fast unsichtbar, die beachtliche Auskragung von 22 Metern in der Balance.

Hohe Ingenieurkunst

Die Lastverteilung gelingt über ein komplexes Zusammenspiel: Die Oberflächen der doppelwandigen Scheiben sind auf Fachwerkträgern befestigt. So konnte die notwendige Queraussteifung der Boxen minimiert werden. Außerdem werden zur Aussteifung auch die Laibungen der Löcher herangezogen: Ihre Ränder sind jeweils mit der inneren und der äußeren Stahlplatte biegesteif verbunden. So erklärt sich, dass die Anzahl der Löcher dort am höchsten ist, wo die größten Lasten auftreten. Für zusätzliche Stabilität sorgen schlanke, diagonal im Luftraum der Körper befestigte Stabstähle.
Diese Konstruktion wurde von den Architekten nicht nur selbst entwickelt, sondern auch berechnet. Einen hinzuge-zogenen Bauingenieur hätten sie, so das selbstbewusste Statement, bei der Suche nach einer Lösung eher als Hemmnis empfunden. Sicher auch ein Resultat der sehr tiefgehenden und intensiven konstruktiven Ausbildung, die sie an der neuen Architekturfakultät in Alicante erfahren haben. Schließlich gehörten sie 2002 zu den ersten sechs Absolventen des neuen Studiengangs. Aber auch ein Zeichen für die nach wie vor umfangreichen Befugnisse und Verantwortlichkeiten spanischer Architekten. Trotzdem ließ der Bauunternehmer die ihm vorgelegten Berechnungen noch einmal von einem Bauingenieur gegenprüfen – nur zur Sicherheit –, bevor er sie dann in Zwölf-Meter-Modulen fertigte, die auf der Baustelle montiert wurden.
Die Löcher ermöglichen nicht nur die Belüftung der schwebenden Metallstränge, sie geben dem Ort auch zu jeder Tageszeit eine eigene Identität. Schon heißt es bei den Bewohnern der umliegenden, meist von jungen Familien bewohnten neuen Wohnkomplexe, wenn man sich in den Cafés rund um die Haltestelle verabredet, ganz salopp: »Wir sehen uns beim Gruyere.« Wobei man wissen muss, dass Gruyère im Spanischen als Synonym für Schweizer Käse verwendet wird; ausgerechnet die Sorte, die nun mit Abstand die wenigsten Löcher aufweist.

Thema mit Variationen

Noch ist der Anblick der im Juni in Betrieb genommenen Haltestelle ungetrübt von Beschilderungen. Damit auch künftig kein Schilderwald den Eindruck der in einer Parklandschaft schwebenden Boxen verzerrt, wird sich das Leitsystem dezent auf frei stehende transparente Tafeln beschränken.
Entlang des verästelten Wegenetzes zu beiden Seiten der Bahnsteige haben die Architekten rechteckige Sitzbänke aus Metallgitter »verstreut«, die abends ebenfalls beleuchtet sind; eine spielerische Wiederholung des Themas der schwebenden Metallkörper. Die Zwischenräume der sorgfältig um den Baumbestand geführten Wege wurden mit Erde aufgefüllt und bilden kleine, grasbewachsene Inseln – ein großer Luxus im trockenen Klima der Region.
Ebenso wie die schwebenden Boxen der Haltestelle schaffen auch die gräsernen Hügel und die diagonal geführten Wege einen klar definierten Ort, ohne diesen von der Umgebung abzugrenzen. Vom Rand der Verkehrsinsel aus gesehen verstärken die Hügelchen sogar noch die scheinbare Loslösung der Metallkörper vom Untergrund.

»Väter« und Söhne

Andrés Silanes, Fernando Valderrama und Carlos Bañón gründeten Subarquitectura 2004. Schon 2005 wurden sie auf besonderen Wunsch von Javier García-Solera, einem ihrer früheren Professoren, zur Teilnahme am Wettbewerb für die Haltestelle eingeladen. García-Solera war von der Stadt Alicante als Berater beauftragt worden, nachdem es unter den Anwohnern des Viertels Proteste gegen einen ersten Entwurf gegeben hatte, den das für das Gesamtprojekt verantwortliche Ingenieurbüro vorgestellt hatte. García-Solera selbst hatte einen der U-Bahnhöfe im Stadtzentrum entworfen.
Die Drei präsentieren die zweite Generation der so genannten Alicante-Schule mit ihren sehr eigenen regionalen Bezügen. Die »Elterngeneration«, dazu zählen maßgeblich Jose García-Solera, Alfredo Payá, Dolores Alonso und die im benachbarten Murcia ansässige Architektin María Torres Nadal, die sich alle mittlerweile einen Namen gemacht haben, gehörten zu den ersten Lehrern der Fakulität und hatten, so erinnern sich Silanes, Valderrama und Bañon, einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Ausrichtung des Lehrplans.
Obwohl sie sich alle der klassischen Moderne verpflichtet fühlen, hat jeder von ihnen eine sehr eigene Sprache entwickelt. Während García-Soleras Architektur geprägt ist von einem geradlinigen, an Mies orientierten Funktionalismus und seine Bauten sich durch eine sehr sorgfältige Detailplanung auszeichnen, zeigt Alonso in ihren Entwürfen formale Experimentierfreude. Payá hingegen hat sich, das wird an seinen Bauten deutlich, im Laufe der Zeit eher den sozialen und psychologischen Aspekten des Entwerfens zugewandt und Torres Nadal ist sicher mit ihren auffälligen, fast schon flamboyanten Arbeiten der Paradiesvogel unter den Vieren.
Die Arbeiten von Subarquitectura stehen zwar klar erkennbar in der Tradition ihrer Lehrer und damit der Moderne, haben aber einen bewussten Schritt in eine sehr eigene Richtung genommen; als jünger, unbeschwerter und fast beiläufig spielerisch könnte man ihren Ansatz beschreiben.
Augenblicklich arbeiten sie gemeinsam mit Torres Nadal an einem sozialen Wohnbauprojekt in Valencia im Entwicklungsgebiet Sociopolis, entwarfen ein energieoptimiertes Laborgebäude mit gläsernen Atrien für die Miguel-Hernández-Universität in Orihuela (Alicante), eine Sporthalle für Pedrequer und ein Wohnhaus außerhalb von Madrid.

db, Do., 2007.11.01



verknüpfte Bauwerke
Strassenbahnhaltestelle »Sergio Cardell«



verknüpfte Zeitschriften
db 2007|11 Am Wegesrand

Profil

7 | 6 | 5 | 4 | 3 | 2 | 1