Seit einigen Monaten schwebt über dem Karlsplatz eine geheimnisvolle Betonbox. Die archaische Aufstockung, schon von Weitem sichtbar, ist die auffälligste bauliche Maßnahme im Rahmen der Sanierung und Erweiterung des Wien Museums. Damit wird das 1959 eröffnete Gebäude, eine Ikone der Wiener Nachkriegsmoderne nach Plänen von Oswald Haerdtl, im Dezember 2023 zum zweiten Mal eröffnet – als räumliche Collage aus Alt und Neu, aus Geschichte und Gegenwart, aus materiellem Respekt und architektonischer Kompromisslosigkeit.

Wien Museum Neu widmet sich der Genese des außergewöhnlichen Bauprojekts, es taucht in die Geschichte des Karlsplatzes ein, wirft einen Blick hinter die konstruktiven und technischen Kulissen und untersucht den baukulturellen, städtebaulichen und kulturpolitischen Kontext des Hauses. Zu Wort kommen Personen, die zum Gelingen des Projekts maßgeblich beigetragen haben: Bauherren, Bauarbeiter, Fachplanerinnen, Historiker, Denkmalschützer, politische Entscheidungsträgerinnen, Künstler, Kuratorinnen und natürlich die zuständigen Architekten Certov, Winkler + Ruck.

Das Buch präsentiert sich – wie das Museum selbst – als haptisch anregendes Objekt, das berührt, geöffnet und Raum für Raum durchschritten werden möchte.

ISBN
978-3-99014-249-3
Beiträge von
Barbara Feller, Andreas Nierhaus, Maik Novotny, Eva-Maria Orosz und künstlerischen Reflexionen von Ann Cotten, Christian Hoffelner, Nicole Krenn
Publikationsdatum
2024
Umfang
206 Seiten, zahlr. Abbildungen
Format
Hardcover, 20 x 26 cm

Presseschau
16. Januar 2024Martina Pfeifer Steiner
newroom

Illustres Begleitbuch zur Neuentdeckung des Wien Museum

So schön gemacht, die Dokumentation zur Erweiterung des wiedererweckten Museums am Karlsplatz. Die haptischen Qualitäten zeigen sich unmittelbar beim Buchdeckel...

So schön gemacht, die Dokumentation zur Erweiterung des wiedererweckten Museums am Karlsplatz. Die haptischen Qualitäten zeigen sich unmittelbar beim Buchdeckel aus dickem Karton mit reliefartiger Schraffur, die offensichtlich auf die Betonfertigteilfassade des schwebenden Aufbaus des „Wien Museum Neu“ verweist. Und schon beim Durchblättern ist man gebannt von der „Sichtweise“ im ersten Teil mit der fotografischen Annäherung, versteht was die Architekten mit städtebaulicher Akzentuierung und dem Dialog des Wien Museums mit der Karlskirche meinen könnten. Der Autor und für die Buchkonzeption zuständige Journalist Wojciech Czaja ist ein versierter Architekturvermittler. Es gelingt ihm, dass sich auf den ersten Blick – obwohl man mit dem Lesen noch gar nicht begonnen hat – so viele spannende Geschichten erschließen: Ein genialer Kunstgriff, die vielen unterzubringenden Statements von Museumsdirektoren, Kuratorinnen, Bürgermeister, Stadträtin, Nachbarinstitutionen, Bauleitern etc. einer Reportage gleich, passend und bunt zu illustrieren.

Der zweite Buchteil widmet sich der „Bauweise“: von der „Chronik einer konstruktiven Utopie“ zum „Haus im Trialog mit der Stadt und sich selbst“ bis zum geschichtlichen Blick 2000 Jahre zurück; das dritte Buch der „Denkweise“: Was haben die Architekten darüber zu sagen, was die verantwortliche Bauherrschaftsvertretung … Besonders spannend wird es bei der historischen Betrachtung zur Standortfrage: Zuerst sollte nämlich das Städtische Museum Wien in unmittelbarer Nähe des Naschmarkts platziert werden, doch der Bau der Secession drängte sich vor; mit Riesenengagement ließ Otto Wagner ein Mock-up am Karlsplatz aufbauen, die Stadt Wien beschloss jedoch, dass es der Standort der heutigen Stadthalle sein solle, und die Baugrube war bereits teilweise ausgehoben, als der Erste Weltkrieg ausbrach … Genauso interessant ist über die Diskussion zur neuzeitlichen Standortfrage nachzulesen und den Wettbewerb, inklusive der weiteren Vorschläge die mit Preisen und Anerkennungen ausgezeichnet wurden.

Dass in weiteren Essays noch auf die „Sprache des Betons“ als „Einladung zuzuhören“, also den Brutalismus, eingegangen wird, mit den wunderbaren Beispielen, die inzwischen zu Ikonen geworden sind; oder über das „Weiterschreiben der Chronologie“, das uns in die Kathedrale Santa Maria delle Colonne in Syrakus und die Mezquita-Catedral nach Cordoba, bis zum Denkerhaus am Schedelberg von Architekt Peter Haimerl führt, ist eine große Bereicherung.

Man möchte immer weiter- und weiterberichten, doch so wie das – nun für alle geöffnete – „Wien Museum Neu“ Raum für Raum durchschritten und entdeckt werden kann, darf es auch diese Publikation Seite für Seite sein.

newroom, Di., 2024.01.16

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