Die Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling hat eine herausragende Bedeutung für die Nachkriegsmoderne in Deutschland. Doch die Qualität ihrer Projekte ist in Vergessenheit geraten. Gesamtkunstwerke schließt diese Lücke in der Wahrnehmung: Sieben der acht deutschen Projekte der dänischen Baumeister werden umfassend präsentiert.

Der skandinavische Funktionalismus von Jacobsen und Weitling ist ein Spiegel der Visionen der alten BRD. Es ging bei den Entwürfen und Aufträgen um Demokratie, Prestige und Effizienz. Die Publikation ist dabei auch Bestandsaufnahme des Umgangs mit dem Erbe der Spätmoderne.
Die Reise zu den Wirkungsräumen der Architekten führt ans Meer, in Modellstädte und zu einer Vielschichtigkeit der Moderne, die eine Auseinandersetzung im Sinne Otto Weitlings provoziert: „Ein Für und Wider wäre schon ein positives Zeichen, denn ein Haus, über das man nicht redet, ist meist nicht der Rede wert.“

ISBN
978-3-89790-611-2
Sprache
Deutsch / Englisch
Publikationsdatum
2020
Umfang
248 Seiten, 170 Abb.
Format
Klappen-Broschure, 20,5 x 28 cm

Presseschau
16. August 2022Martina Pfeifer Steiner
newroom

Vergessene Weltarchitektur. Jacobsen und Weitling

Dem Architekten und Designer Arne Jacobsen wird ausreichend und gebührende Ehre zuteil, dass jedoch zusammen mit Otto Weitling wichtige Bauwerke in Deutschland...

Dem Architekten und Designer Arne Jacobsen wird ausreichend und gebührende Ehre zuteil, dass jedoch zusammen mit Otto Weitling wichtige Bauwerke in Deutschland – wie das Rathaus Mainz, das Christianeum und die HEW-Zentrale in Hamburg – entstanden sind, findet in der Rezeption kaum Beachtung. Dieses Manko soll die Wanderausstellung „Gesamtkunstwerke. Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“ füllen, zu der ein gleichbetitelter, sehr interessanter Katalog erschienen ist.

Einst Mitarbeiter bei Arne Jacobsen (1902–1971), ab 1964 Büropartner, gründete Otto Weitling (geb. 1930) mit Hans Dissing 1971 das eigene Büro und führte nach dem Tod Jacobsens die Projekte fort. Eines davon ist das Seebad Burgtiefe in Fehmarn, das offensichtlich als geeigneter Aufhänger auch das Buchcover ziert. Neben den Essays über die Gestalter, das Entwerfen, die „Ideen eines Dänen in Beton und Kunststoff“ und zum organischen Formenuniversum des Großvaters aus Sicht des Enkels Tobias Jakobsen, ist die Ferienanlage an der Ostsee heute noch eine architektonische Landmarke, trotz Vernachlässigung und massiver Umbauten.

Bildreich und mit kurzen Textpassagen wird das weitläufige Seebad Burgtiefe dokumentiert und in der Folge die Geschichte erzählt: vom Meerwasserwellenbad, wie die Anlage städtebaulich gedacht wurde, der immensen Dichte, und wie sehr die Architekten gelitten haben, als sie gezwungen wurden die Stockwerke der drei Punkthäuser von vier auf 17, also die Bettenkapazität von 1.500 auf 4.500, zu erhöhen.

In derselben Ausführlichkeit werden insgesamt sieben Baukunstwerke behandelt. Vermutlich bleiben bezüglich grafischer Gestaltung die 2020er Jahre ablesbar, das Buch ist aber sehr gut gemacht: Es liegt als Nachschlagewerk angenehm in der Hand; die Überschriften sowie die Seitennummerierung stehen immer in der Mitte und trennen bei den Essays Deutsch von Englisch; die Dramaturgie der Fotos ist sehr gelungen. – Ein Katalog, der die zwar unter Denkmalschutz gestellte und trotzdem dem Vergessen ausgesetzte Architektur von Jacobsen / Weitling wieder ins Bewusstsein rückt und komfortabel-lesefreundlich vermittelt.

newroom, Di., 2022.08.16

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