Was macht ein Reisender, wenn er nicht reisen kann? Er reist trotzdem. Wojciech Czaja setzte sich im Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 aus Frust auf die Vespa und begann, seine Heimatstadt Wien zu erkunden. Er fuhr in versteckte Gassen, unbekannte Grätzel und fernab liegende Adressen am Rande der Stadt – und fand auf diese Weise unzählige Orte, die ihn an fremde Städte und internationale Metropolen erinnerten: Havanna am Praterstern, Paris in der Barnabitengasse, New York in der Grinzinger Straße, Konstantinopel im Böhmischen Prater und sogar Atlantis, nur einen Steinwurf vom Schloss Schönbrunn entfernt. Zum Beweis machte er Schnappschüsse mit dem Smartphone. Die fotografische Erzählung »Almost« ist Ausdruck von Fernweh und Sehnsucht nach der Fremde. Und es ist die überraschende empirische Erkenntnis, dass dieser Hunger manchmal in einem Radius von zehn Kilometern gestillt werden kann.

ISBN
978-3-902951-56-4
Sprache
Deutsch
Publikationsdatum
2020
Umfang
232 Seiten, 100 Farbabbildungen
Format
Flexocover,

Presseschau
08. Dezember 2020Martina Pfeifer Steiner
newroom

Wahrnehmungsübungen in Zeiten von Corona

Es ist eine der originellsten Kunstaktionen in diesen schweren Zeiten, die Wojciech Czaja da eingefallen ist. Ein notorisch Reisender wie er, kommt bei...

Es ist eine der originellsten Kunstaktionen in diesen schweren Zeiten, die Wojciech Czaja da eingefallen ist. Ein notorisch Reisender wie er, kommt bei derartigen Beschränkungen, wie sie ab März 2020 schlagartig eintrafen, in große Not. „My little Hektopolis in times of Corona“ blinkte plötzlich auf seiner Facebook-Seite auf und ein Foto von einer Ecke der Wolfganggasse, Wien-Meidling, wo es ausschaut wie in – Tel Aviv. Almost. Zufällig seien die ersten Blickpunkte mit Assoziationen zu Orten auf der ganzen Welt entstanden, bei seinen rastlosen Fahrten mit der Vespa durch Wien. Und die FB-Community applaudierte, konnte nicht mehr genug bekommen. Es war also absolut schlüssig, aus diesen täglichen Postings eine Fortsetzung seines Büchleins „Hektopolis, ein Reiseführer in hundert Städte“ zu machen. Bleibt Wojciech Czaja in diesen ortsspezifischen, feinstofflichen Beobachtungen ausschließlich bei pointierten Anekdoten, wird in „Almost“ das Wort auf Ortsbezeichnungen reduziert und die Geschichten in Bildern erzählt.

Dass „Almost“ ohne „Hektopolis“ nicht entstanden wäre, ist anzunehmen, denn nur wer die Welt so intensiv bereist hat, kann sie unvermutet irgendwo in Wien wiederfinden. Ansonsten wäre wohl Detroit nicht in der Moselgasse am Laaer Berg und Chicago in der Wexstraße der Brigittenau zu entdecken. „Almost Villa Malaparte, Capri“ lautet ziemlich frech die Adresse „Neubaugasse, Rudolfsheim-Fünfhaus“, unschwer als Stadtbibliothek zu erkennen. Wir treffen auf „Almost Madrid“ an der Freyung, Innere Stadt; in „Almost Beijing“ wird witzig auf eine Art Vogelnest der Firma eybl in Liesing, Triesterstraße, verwiesen; und „Almost Palm Springs“ gibt es in der Simmeringer Hauptstraße. Das ist unterhaltsame Architekturvermittlung. Und eine anregende, wenn man sich nach der Lektüre auf den Weg macht um Kandy am Praterstern zu suchen.

newroom, Di., 2020.12.08

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