Editorial
Anlässlich des 90. Geburtstages von Roland Rainer vor vier Jahren konnte man die Österreichische Architektenschaft noch einmal als geschlossene Gruppe erleben. Rainer war als kompromissloser Kämpfer für die Sache eine Figur, mit der jeder und jede sich identifizieren konnte, auch wenn man formal aus einem ganz anderen Lager kam. Mit Rainers Tod ist das heroische Architektenbild, das er repräsentierte, endgültig Geschichte geworden. Die verbliebenen, in den 1960er-Jahren sozialisierten Heroen sehen ein wenig aus wie alternde Supermänner, die aus ihren früheren Heldentaten jenes Kapital schlagen, gegen das sie vor Zeiten gekämpft haben. Denselben Status der Heldenverehrung, wie ihn sich Rainer zu Recht erworben hatte, werden sie wohl nie erreichen.
Die über das branchenübliche hohe Niveau hinausgehende Krise im Selbstverständnis der Profession ist für uns Anlass, Alternativen zu thematisieren. »Forget that you are an architect. Forget all about it«, empfiehlt dazu Caroline Bos, die im »Editorial Board« mitgearbeitet hat, das für die Auswahl der Beiträge zum Thema »Learning from Calvin Klein« verantwortlich ist.
Im einleitenden Interview zum aktuellen Teil des UmBau stellen Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan den Architekten als Einzelkämpfer in Frage und sehen im »Branding« den über das Funktionelle hinausgehenden Mehrwert der Architektur. Die anschließende Dokumentation eines Gemeinschaftsprojekts von sechs jüngeren Wiener Teams beweist, dass der Wiener Wohnbau jenseits des aktuellen Hochhaustrends zu Innovationen fähig ist.
Der Fotoessay von Moira Zoitl und Corazon Amaya-Canete stellt mit einer Dokumentation der »Chat(t)er Gardens« in Hongkong nicht den architektonischen, sondern den sozialen Raum in den Mittelpunkt.
Unter dem Titel »Wettbewerb!« rufen wir schließlich zu Einsendungen für den nächsten UmBau auf. Ob Wettbewerbe selbstquälerische Initiationsriten eines Berufsstandes oder immer noch das geeignete Mittel zur Weiterentwicklung der Architektur sind, wird man im nächsten Heft diskutiert finden. Christian Kühn