Editorial

Lärm ist fast überall

Die aktuelle Mediendominanz der Kontroversen um den Fluglärm, insbesondere im Umfeld des Flughafens Kloten, hat die Öffentlichkeit beinahe vergessen lassen, dass ein grosser Teil der Menschen in der Schweiz primär unter den Lärmemissionen des Landverkehrs zu leiden hat. Angesichts des emotionalen Gesprächsklimas ist es deshalb angebracht, sich die gesamtschweizerisch relevanten Verhältnisse bezüglich Lärmbeanspruchung in Erinnerung zu rufen:
Gemäss den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation WHO sind rund 30 % der Schweizer Bevölkerung, in fast allen besiedelten Gebieten, heute immer noch übermässigen Lärmemissionen des Strassen- und Eisenbahnverkehrs ausgesetzt. Viele davon rund um die Uhr, andere mit extremen tageszeitlichen oder saisonalen Schwankungen, und in vielen Fällen in nachgewiesenermassen die Gesundheit schädigendem Ausmass. Es besteht heute weiterhin dringender Handlungsbedarf für Lärmschutzmassnahmen an Verkehrsachsen, nicht an einzelnen Stellen mit Spitzenwerten, sondern landesweit, entlang der Hautverkehrsachsen flächendeckend.

Im Unterschied zur Situation beim Fluglärm sind beim Strassen- und Eisenbahnlärm die technischen Mittel für eine wirksame Reduktion der Emissionen bekannt und erprobt. Und der politische Wille zu ihrer Umsetzung ist im Prinzip überall vorhanden und breit abgestützt: Die Grundlage für Massnahmen zum Lärmschutz in der Schweiz ist die 1986 erlassene Lärmschutz-Verordnung (LSV) mit Immissionsgrenzwerten (IWG), unter anderen für den Lärm von Strassenverkehr und Eisenbahnen.

Durch die 1987 in Kraft gesetzte LSV besteht für die Strasseneigentümer der gesetzliche Auftrag, ihre übermässig lärmigen Strassenabschnitte zu sanieren. Für Strassenverkehrsanlagen wird heute geschätzt, dass rund 550 000 Personen Lärmbelastungen über dem für Wohnzonen festgelegten IGW von 60 db A ausgesetzt sind. Die lärmtechnische Sanierung dieser Gebiete, die gemäss LSV ursprünglich bis 2002 hätte abgeschlossen werden sollen, ist gegenwärtig, meist als Folge von Sparmassnahmen, erst zu rund einem Drittel realisiert worden. Im Jahr 2004 sind die Sanierungsfristen für Nationalstrassen bis 2015 und für Haupt- und übrige Strassen bis 2018 verlängert worden. Die Gesamtkosten der anfallenden Sanierungen wurden 2004 auf rund 3.4 Mia Franken geschätzt, die aktuellen Kosten dürften erheblich höher sein. Hier bieten neue technologische Ansätze, wie lärmreduzierende Beläge, ein zukunftsträchtiges Sparpotenzial.

Bei der Eisenbahn ist die Lärmsanierung vor einigen Jahren angelaufen, um die rund 265 000 Personen zu schützen, die über dem IGW belastet sind. Die Sanierung des Rollmaterials sollte bis 2009, die Erstellung der baulichen Lärmschutzmassnahmen bis 2015 abgeschlossen sein.

Nach Abschluss der Lärmsanierungen wird die Schweiz nicht frei von (Land)verkehrslärm sein. Wenn dieser für die gesamte Bevölkerung ein erträgliches Ausmass aufweist und keine lärmbedingten gesundheitlichen Störungen mehr auftreten, wird das Ziel der Lärmschutzplanung erreicht sein. Wenn es möglich wird, dieses Schutzziel ohne Hunderte von km Lärmschutzmauern zu erreichen, wenn die unumgänglichen Lärmschutzbauten polyvalent nutzbar sind und wenn sie auch architektonisch innovativ sind, können die leisen Verkehrswege der Zukunft vielleicht auch unerwartete, positive soziale und wirtschaftliche Entwicklungen auslösen. (Daten: Bundesamt für Umwelt BAFU, www.umwelt-schweiz.ch)
Aldo Rota

Inhalt

Lärmschutz mit Drain-Asphalt
Thomas Hirt, Andreas Steiger
Im Urner Reusstal wird die Betonfahrbahn der A2 aus den 1970er-Jahren durch einen «Flüster-Belag» ersetzt. Lärmschutzwände sind nur lokal vorhanden, teilweise haben sie eine Zweitfunktion als Hochwasserschutz.

Schallfeldprognosen bei Lärmschutzbauten
Kurt Heutschi
Durch Labormessungen mit verkleinerten Modellen kann die Schallausbreitung an Verkehrsbauten untersucht werden. Eine rechnerische Simulation veranschaulicht die Schallemissionen einer geplanten neuen Tramlinie in Zürich.

Elektrizität im Hochbau
Martin Lenzlinger
Die revidierte Norm SIA 380/4 «Elektrische Energie im Hochbau» soll zu einer rationellen Verwendung von Elektrizität in Bauten und Anlagen beitragen. Neue SIA-Tools helfen bei der Anwendung.

Wettbewerbe
Dem Kanal entlang: Am aargauischen Wasserschloss soll gebaut werden. Ein privater Grundeigentümer führte in Gebenstorf einen Studienauftrag durch

Magazin
Ausstellung: Jean Prouvé / Strom aus Wasserkraft / Davos setzt auf Erdwärme / Beschwerderecht der Umweltorganisationen / Publikation: Haustechnik-Planung / Denkmalpfleger befürchten Sanierungsmoratorium / Korrigenda

Aus dem SIA
Geschäftslage im 3. Quartal: unvermindert steigender Auftragseingang / Umsicht: zehn Auszeichnungen / Präsidentenkonferenz: Fokus für 2007 und Budget

Produkte

Impressum

Elektrizität im Hochbau

Die neue, in revidierter Form vorliegende Norm SIA 380/4 «Elektrische Energie im Hochbau» soll zu einer rationellen Verwendung von Elektrizität in Bauten und Anlagen beitragen. Neue SIA-Tools helfen bei der Berechnung und erleichtern die Anwendung.

1977 hat der SIA erstmals eine Empfehlung herausgegeben mit dem Ziel, in Gebäuden Heizenergie rationeller einzusetzen. Die Empfehlung SIA 180/1 Nachweis des mittleren k-Wertes der Gebäudehülle wurde in der Zwischenzeit abgelöst durch die Empfehlung SIA 380/1 Thermische Energie im Hochbau. Die meisten Kantone haben diese Empfehlungen und Normen für Baubewilligungen als verbindlich erklärt. Dadurch konnte der ­Heizenergiebedarf von Neubauten um einen Faktor 2 bis 3 gesenkt werden. Auch bei bestehenden Bauten ergibt sich – entsprechend dem Erneuerungsrhythmus – eine Senkung des Heizenergiebedarfs. Noch tiefere Werte werden durch den Minergie- und den Minergie-P-Standard erreicht. Bauten nach Minergie-P benötigen für die Beheizung lediglich 1.5 Liter Heizöl je Quadratmeter und Jahr. Die Minderung des spezifischen Heizenergiebedarfs in den letzten 30 Jahren ist zweifelsohne ein grosser Erfolg, ganz im Gegensatz zur Entwicklung des Stromverbrauches. 1995 publizierte der SIA erstmals die Norm 380/4 «Elektrische Energie im Hochbau», die jedoch wenig Anwendung fand. Die meisten Bauprojekte wurden ohne Einbezug der Norm realisiert. Eine Verbesserung lässt die revidierte Fassung erwarten: Weniger Lücken in den Berechnungsmethoden, praxisgerechtere Anforderungen, umfassender im Inhalt und eine hohe Tauglichkeit für den Planungsalltag sind die wichtigsten Merkmale. Falls die Kantone Teile dieser Norm als verbindlich erklären, dann findet sie in Zukunft eine ebenso breite Anwendung wie die Norm SIA 380/1 und trägt damit zu den dringend notwendigen Einsparungen bei der elektrischen Energie bei.

Verwendungszwecke

Die neue Norm unterscheidet weiterhin die folgenden Verwendungszwecke: Betriebseinrichtungen, Beleuchtung, Lüftung / Klimatisierung, diverse Gebäudetechnik und Wärme. Dies zeigt die vielseitige Anwendbarkeit von Elektrizität. Die neue SIA 380/4 ist daher zwangsläufig komplexer als die Norm zur thermischen Energie. Dazu kommt, dass der Elektrizitätsverbrauch in den meisten Verwendungszwecken stark vom Benutzerverhalten abhängt. Darauf nimmt die Formulierung der Anforderungen mit Hilfe eines Vergleichprojektes Rücksicht.

Raumnutzungen

Statt den bisherigen zehn Raumnutzungen werden deren 44 angeboten. Damit wird ein grosser Teil der möglichen Nutzungen abgedeckt. Im neuen SIA-Merkblatt 2024, das auf der älteren SWKI-Richtlinie 95-3 basiert, sind für alle Raumnutzungen die Bedingungen definiert, welche bei Berechnungen in der Energie- und Haustechnik massgebend: Personenbelegung, Gerätebenutzung, Raumtemperatur, Beleuchtungsstärke, Aussenluftvolumenstrom und viele weitere Parameter. Diese Nutzungsdaten sollen in allen verwandten Normen Anwendung finden. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Harmonisierung innerhalb des Normenwerkes geleistet.

Berechnung des Elektrizitätsbedarfs

In der früheren Version fehlten Angaben zur Berechnung von Projektwerten. In der neuen Fassung ist für alle Verwendungszwecke dazu ein Berechnungsverfahren enthalten. Meist wird zwischen einem vereinfachten Berechnungsverfahren für die Vorprojektphase und einer Berechnung aufgrund der effektiv installierten Anlagen und Geräte in der Projektphase unterschieden. Für Beleuchtungen findet sich neu ein Verfahren zur Berechnung der notwendigen elektrischen Leistung aufgrund der Beleuchtungsstärke, der Leuchten-Lichtausbeute sowie der Dimensionen und des Reflexionsgrades des Raumes. Für die Berechnung der Volllaststunden aufgrund der Tageslichtnutzung steht ein stark differenziertes Verfahren zur Verfügung, das alle massgebenden Einflussfaktoren einbezieht. Das Berechnungsverfahren für Lüftung / Klimatisierung basiert jetzt auf der neuen EN 13790, genauer auf dem dort definierten Stundenmodell zur Berechnung der Kühlenergie. Ganz neu ist schliesslich das Verfahren zur Berechnung des Energiebedarfs von Aufzügen.

Anforderungen

Die Norm unterscheidet analog zu SIA 380/1 zwischen Einzelanforderungen und Systemanforderungen. Die Einzelanforderungen beziehen sich auf die Eigenschaften einzelner Geräte und Anlagenbestandteile. Systemanforderungen legen Grenz- und Zielwerte für den jährlichen Elektrizitätsbedarf fest, bezogen auf die Nettogeschossfläche. Für Betriebseinrichtungen gibt es nur Anforderungen an Haushaltgeräte auf Basis der Energieetikette. Für Beleuchtungen gelten Einzelanforderungen an die Leuchten-Lichtausbeute und an die Schaltung. Für Anlagen der Lüftung respektive Klimatisierung beziehen sich die Einzelanforderungen auf die spezifische Ventilatorleistung, die Regelung und die Arbeitszahl der Kältemaschine. In beiden Bereichen sind die Systemanforderungen aufgrund eines Vergleichsprojektes definiert, bei welchem für die vom Planer nicht beeinflussbaren Parameter die projektspezifischen Werte und für die beeinflussbaren Parameter Standardannahmen einzusetzen sind. Dadurch wird eine ganzheitliche Optimierung ermöglicht. Weitere Einzelanforderungen betreffen den Wirkungsgrad von Heizungspumpen und die Leistungsziffer von Wärmepumpen.
Mit der neuen Fassung der Norm 380/4 haben Bauherrschaften die Möglichkeit, dem Planerteam klare Vorgaben über den Elektrizitätsbedarf zu machen, diesen im Planungsprozess laufend zu überprüfen und mit andern Objekten derselben Nutzungskategorie zu vergleichen. Der Planer kann mit Hilfe der Berechnungsmethoden und Rechenhilfen den Elektrizitätsbedarf umfassend und phasengerecht optimieren. Mit den genauer definierten Berechnungsverfahren und den neuen Einzelanforderungen wurden die Voraussetzungen für einen behördlichen Vollzug wesentlich verbessert.

Zusatz:
Hilfsmittel für die Anwendung
Die vollständig neue Dokumentation unterstützt Planer bei der Anwendung der neuen Norm und illustriert dies an einem Beispiel. Die Dokumentation ist insbesondere zum Selbststudium geeignet und dient als Nachschlagewerk bei der Anwendung an konkreten Objekten. Zur Einführung der neuen Norm sind Kurse geplant. Für Bauherrschaften, Architekten und Vollzugsorgane eignet sich eine zweistündige allgemeine Einführung. Elektroplaner, Beleuchtungsplaner und Architekten sind das Zielpublikum einer detaillierten Einführung in den Beleuchtungsteil mit Anwendung des Beleuchtungstools. Der Klimateil ist Thema eines weiteren Moduls. Beide Fachkurse erstrecken sich über zwei halbe Tage. Das SIA-Tool Beleuchtung wurde der neuen Norm angepasst, insbesondere zur differenzierteren Berücksichtigung der Taglichtnutzung. Das SIA-Tool Lüftung/Klimatisierung ist vollständig neu. Die Berechnung beruht jetzt auf der vereinfachten Stundenmethode nach prEN 13790. Das Tool befindet sich bis Ende 2006 in einer Testphase. Die beiden Tools können gegen eine jährliche Lizenzgebühr von
100 Fr. respektive 300 Fr. von www.energycodes.ch heruntergeladen werden. Eine Testversion ist gratis.

TEC21, Mo., 2006.11.13

13. November 2006

Lärmschutz mit Drain-Asphalt

Bei der Erneuerung der A2 zwischen Erstfeld und Amsteg im Kanton Uri wird der Betonbelag aus den 1970er-Jahren durch einen «leisen» Drain-Asphalt ersetzt. Die Prognosen gehen von einer Lärmreduktion von bis zu 8 dB A aus. An exponierten Lagen sind weiterhin Lärmschutzwände nötig. Einige dieser Mauern bilden, zusammen mit dem Autobahntrassee und einem Tunnel, gleichzeitig einen Hochwasserentlastungskorridor.

Die A2 im Kanton Uri gehört zu den wichtigsten europäischen Transitstrecken. An Spitzentagen verkehren auf der Gotthard-Strecke bis zu 46 000 Fahrzeuge, im täglichen Durchschnitt sind es rund 20 000 mit einem Schwerverkehrsanteil von ca. 16 %. Zwischen Erstfeld und Amsteg rollt der Verkehr bis heute über die Betonfahrbahn aus den 1970er-Jahren. Die Verbindungsdübel zwischen den Betonplatten sind an vielen Stellen gebrochen, es haben sich Stufen an den Fugen gebildet (Bild 1). Das führt nicht nur zu dem bekannten «Holpereffekt», den viele Reisende von der Gotthard-Autobahn kennen, sondern auch zu einem unangenehm klopfenden Geräusch. In grösseren Teilen der Gemeinden Silenen und Amsteg liegt der Lärmpegel am Tag über 60 dB A, dem Schweizer Immissionsgrenzwert für reine Wohnzonen. Zentrales Ziel der Erneuerungsarbeiten zwischen Erstfeld und Amsteg, die bis Juli 2007 andauern, ist deshalb die Lärmsanierung. Die Baumassnahmen mit einem Investitionsvolumen von 180 Millionen Franken umfassen die Kompletterneuerung des Trassees, die Sanierung der Kunstbauten sowie drei neue Strassenabwasser-Behandlungsanlagen (Bild 3).

Lärm an der Quelle bekämpfen

Im Reusstal ist Lärm nicht nur punktuell, sondern flächenhaft ein Problem. Lärmschutzwände machen aufgrund der Tallage nur an bestimmten, besonders belasteten Orten Sinn. Um eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation zu erzielen, muss der Lärm an der Quelle bekämpft werden. Bereits ab einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km / h verursacht das Rollgeräusch von PW einen höheren Lärmpegel als das Motorengeräusch. Vor allem entlang von Nationalstrassen, wo der Verkehr mit hoher Geschwindigkeit fliesst, können deshalb Drain beläge, auch offenporige Asphalte genannt, für eine deutliche Lärmminderung sorgen. Sie verfügen über ein relativ grosses Hohlraumvolumen und absorbieren so den Lärm bereits am Entstehungsort. Wie aus ihrem Namen hervorgeht, leiten sie gleichzeitig das Wasser von der Fahrbahn ab und reduzieren die Sprühfahnenbildung sowie die Gefahr von Aquaplaning.

Um die Lärmsituation im Reusstal realistisch abzubilden, wurden im Auftrag des Kantons Uri Lärmbelastungspläne sowohl für den Ist-Zustand (Betonfahrbahn, Bild4a) als auch für einen zukünftigen Zustand mit Drainasphalt (Bild 4b) erstellt. Danach bringt der Drain-
asphalt eine deutliche Entlastung: Die Lärmminderung beträgt im überwiegenden Teil des Tals bis zu 8 dB A gegenüber dem heutigen Betonbelag – das entspricht in etwa einer Halbierung des wahrgenommenen Lärms. Neben Drainasphalt wurde auch ein Splittmastixasphalt untersucht. Er brachte in der Modellrechnung jedoch lediglich eine Verbesserung von 2 bis 4 dB A gegenüber der heutigen Situation.

Erfahrungen mit Drain-Asphalt

Bevor sich der Kanton Uri für den Drainasphalt entschied, wurden alle bisherigen Erfahrungen mit dem «Flüster-Belag» ausgewertet: In der Schweiz wurde der erste Drainbelag 1991 im Kanton Waadt eingebaut und seitdem auf rund 250 Autobahnkilometern eingesetzt. Messungen in den Kantonen Waadt und Aargau zeigten, dass Drainasphalt auch über Jahre nur wenig von seiner lärmmindernden Wirkung verliert. Ursprünglich hatte man angenommen, dass offenporige Beläge im Lauf der Zeit durch Ablagerungen verstopft werden und so ihre lärmreduzierende Wirkung verlieren. Die Erfahrungen in der Schweiz zeigten jedoch, dass die hohen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge offenbar zu einer ausreichenden Selbstreinigung des Belags führen. Seine «akustische Lebensdauer» entspricht damit durchaus seiner technischen, die bei 12 bis 15 Jahren liegt. So sind auch grossräumige Lärmsanierungen ohne kilometerlange und sehr teure Lärmschutzwände möglich. Das Schweizer Bundesamt für Strassen (Astra) geht davon aus, dass die Lärmsanierung mit Drainasphalt im Vergleich zu Lärmschutzwänden schweizweit Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken ermöglicht. Gleichzeitig warnt es vor einer Drainasphalteuphorie, denn für einen langfristig wirksamen lärmreduzierenden Belag sind einige Rahmenbedingungen zu beachten: Drainasphalt ist aufgrund seiner porösen Struktur anfällig für mechanische Beschädigungen. Insbesondere Schneeketten haben auf einigen Schweizer Drainasphaltstrecken beträchtliche Schäden (Kornausbrüche) verursacht. Da die zahlreichen Hohlräume im Drainasphalt eine isolierende Wirkung haben, ist die Oberfläche der Fahrbahn im Winter kälter als bei dichteren Belägen. Schnee bleibt deshalb länger liegen. Zudem «verschwinden» Tausalze teilweise in den Hohlräumen des Belags. Der Winterdienst muss deshalb schneller reagieren und benötigt rund 40 % mehr Streusalz. Auf Brücken sollten Drainbeläge nur in besonderen Fällen und mit speziellen Entwässerungslösungen zum Einsatz kommen, bei 600 m ü. M. ist die Höhengrenze des Drainbelags erreicht.

Hohe Qualitätsanforderungen

Aufgrund dieser Erfahrungen galten für den Drainasphalt im Kanton Uri folgende Anforderungen:
* hohe Qualität des Bindemittels: Ein gutes Haftverhalten muss auch über lange Zeiträume gewährleistet sein, um Kornausbrüche aufgrund von mechanischen Belastungen zu vermeiden. Deshalb sollen nur beste Bindemittel eingesetzt werden wie kunststoffmodifizierte Bindemittel Typ E (mit Elastomer).
* Die poröse Struktur des Drainbelags kommt durch den hohen Splittanteil zustande. Da die Lastübertragung vorwiegend über dieses Korngerüst erfolgt, muss der Splitt hohe petrografische Anforderungern erfüllen.
* Ein zu hoher Hohlraumgehalt vermindert die Oberflächenfestigkeit und Haltbarkeit des Drainasphalts. Gegenüber den früher üblichen Hohlraumvolumina von 22 % und mehr soll der Hohlraumgehalt auf der A2 im Kanton Uri bei maximal 20 – 22 % liegen. Aufgrund von Erfahrungen im Kanton Aargau strebt das (Astra) einen Mittelwert für den Hohlraumgehalt von nur noch 18 bis 20 % an.
Besondere Qualitätsansprüche gelten auch für die Einbauweise:
* Drainasphalt soll nur bei trockener Witterung und Lufttemperaturen über 15°C eingebaut werden.
* Um die Drainagewirkung in Querrichtung zu gewährleisten, muss der Belag fugenlos über die gesamte Fahrbahnbreite eingebaut werden (Bild 5). Etwaige Längsfugen würden den Wasserabfluss verhindern und zur Verstopfung der Hohlräume mit Ablagerungen führen. Damit würde nicht nur die Drainageleistung, sondern auch die akustische Wirkung beeinträchtigt.
* An den Fahrbahnrändern sind spezielle Entwässerungslösungen nötig. Der Drainbelag auf der A2 wird am Fahrbahnrand nicht bis zum Randstein durchgezogen. So entsteht eine Rinne, durch die das Wasser aus dem Deckbelag abfliessen kann. Um eine optimale Entwässerung zu gewährleisten, wird der Belagsrand zudem abgeschrägt. Im Bereich des Mittelstreifens schliesst der Deckbelag direkt an eine Rinne an, die mit Drainasphalt aufgefüllt ist und das Wasser ableitet.
* Um sein Lärmminderungspotenzial voll zu nutzen, muss der offenporige Asphalt eine ebene, anregungsarme Oberfläche haben. Die Unebenheiten der Oberfläche dürfen innerhalb einer 4 m langen Messstrecke nicht mehr als 3 mm betragen.

Multifunktionale Lärmschutzwände

Da es auf Brücken im Winter besonders schnell zur Glatteisbildung kommt, hat sich der Kanton Uri entschieden, an diesen exponierten Lagen auf Drainasphalt zu verzichten. Auf allen drei grossen Autobahnbrücken über die Reuss kam ein herkömmlicher Gussasphalt zum Einsatz. Hier waren deshalb ergänzend Lärmschutzwände nötig (Bild 6).

Im hochwassergeplagten Kanton Uri wird nicht nur an den Lärmschutz gedacht, sondern auch an den Schutz vor den immer wiederkehrenden Fluten. Um Erstfeld besser vor Hochwasser zu schützen, dient die A2 als Überlaufventil, wenn die Reuss Hochwasser führt. Die Wassermassen werden dann südlich der Ortschaft auf die A2 geleitet, fliessen durch den Taubachtunnel und strömen hinter Erstfeld wieder ins Flussbett (Bild2). Entlang dieses «Bypass» wird das Wasser von Hochwasserschutzmauern gelenkt, die gleichzeitig auch als Lärmschutz dienen (Bild 7).

Zwischenbilanz

Verkehrslärm beeinträchtigt die Lebensqualität im Urner Reusstal. Der Drainasphalt wird die Region deutlich entlasten, gleichzeitig sorgt er für höhere Verkehrssicherheit vor allem bei Niederschlägen. Dank dem Drainasphalt sind auf der 9.4 km langen Sanierungsstrecke nur auf insgesamt 2.4 km Länge Lärmschutzwände nötig. Die Fahrbahn in Richtung Norden ist bereits fertig gestellt – die lärmreduzierende Wirkung ist jetzt sowohl in der Umgebung als auch im rollenden Fahrzeug selbst zu spüren. Messungen werden zeigen, ob die positiven Prognosen bestätigt werden.

TEC21, Mo., 2006.11.13

13. November 2006

Schallfeldprognosen bei Lärmschutzbauten

Für die Lärmbekämpfung stehen heute experimentelle und rechnerische Methoden zur Verfügung, die auch in komplexen Geometrien eine zuverlässige Prognose der Schallfelder erlauben. Dies ermöglicht die wirtschaftliche Optimierung von baulichen und materialtechnologischen Schallschutzmassnahmen, beispielsweise im Umfeld von Eisenbahnen.

Zur Verminderung von Strassen- und Eisenbahnlärm werden vielgestaltige Lärmschutzbauten eingesetzt. Am weitesten verbreitet sind Lärmschutzwände, welche die direkte Sichtlinie von der Quelle zum Empfänger unterbrechen und damit bedeutende Dämpfungen erzielen. Im Unterschied zum optischen Fall gelangen aber in abgeschirmte Bereiche, d.h. in die «Schattenzonen», immer noch Schallanteile. Dafür verantwortlich ist das Beugungsphänomen als direkte Konsequenz des Wellencharakters von Schall und den Grössenverhältnissen von Wellenlängen und geometrischen Dimensionen. Obwohl der dahinterstehende Mechanismus relativ kompliziert ist, kann die lärmmindernde Wirkung einer einfachen Wand mit bewährten empirischen Handformeln schnell und zuverlässig berechnet werden.1 Sobald die Geometrien komplizierter werden, sei es durch komplexere Lärmschutzbauten wie Galerien oder durch reflektierende geometrische Elemente in der Umgebung, versagen die Handformeln. Hier kommen aufwändigere Verfahren wie Massstabsmodell-Experimente oder wellentheoretische Schallfeldsimulationen zum Einsatz.

Massstabsmodell-Experimente

In vielen Fällen stellen sorgfältige Messungen eine genaue Methode zur Charakterisierung der Schallausbreitung in einer komplexen Geometrie dar. Da oft die Originalsituation nicht zur Verfügung steht, behilft man sich mit einem Nachbau im Labor. Hierbei bedient man sich der Längenskalierbarkeit von Schallfeldern. Wenn Geometrie und Schallwellenlängen um den gleichen Faktor verkleinert werden, ändert sich an der Schallausbreitung nichts. Im Vergleich zum Original ist die Frequenz aber um den gleichen Faktor höher. In der im Modellmassstab von z.B. 1:16 nachgebauten Geometrie können Messungen der Schallausbreitung mit speziellen Lautsprechern und Mikrofonen durchgeführt und so Ausbreitungsdämpfungen zu interessierenden Empfängerpunkten bestimmt werden. Zwei Aspekte sind allerdings besonders zu beachten: Die Materialwahl im Modell muss so erfolgen, dass die Ober­flächen im transformierten Frequenzbereich die gleichen Ref­lexionseigenschaften aufweisen wie das Originalma­terial im Originalfrequenzbereich. Die andere Schwierigkeit ergibt sich aus der extrem starken Zunahme der Luftdämpfung gegen hohe Frequenzen. Bei den Modellexperimenten ist deshalb diese (im Originalmassstab nur stark abgeschwächt auftretende) Dämpfung abzuschätzen und abhängig vom Schalllaufweg zu kompensieren.

Über den erfolgreichen Einsatz der Modellmesstechnik bei der Überdeckung und Teilüberdeckung der A1 bei Neuenhof wurde in tec21 bereits berichtet.2 Die Bilder 1 und 2 zeigen aktuelle 1:16-Laboraufbauten zur Untersuchung der Schallausbreitung in Eisenbahneinschnitten und an Eisenbahntunnelportalen im reflexionsarmen Raum der Eidg. Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Obwohl in gewissen Fällen keine direkte Sicht auf den Zug besteht, können durch Reflexionen an den Einschnittwänden bzw. am Zugskörper bedeutende Schallanteile den Weg zu einem Empfängerpunkt finden. Die vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) finanzierte Untersuchung stellt ein Element zur genaueren Prognose der Schallausbreitung im überbauten Gebiet dar.

Simulation von Schallfeldern

Die aktuell verfügbare Rechenleistung ermöglicht mittlerweile numerische Simulationen, die direkt auf den physikalischen Schallfeldgrundgleichungen basieren. Dazu werden der interessierende Feldbereich mit einem Gitter überzogen und für die Gitterpunkte die entsprechenden Differenzialgleichungen durch Differenzengleichungen angenähert. Bei der Untersuchung von Lärmschutzbauten ist eine Simulation im Zeitbereich günstig,3 da als Resultat eine Impulsantwort bestimmt werden kann. Die Analyse der Laufzeit einzelner Anteile ermöglicht Rückschlüsse auf den Laufweg und damit ihre Herkunft. Bei dieser Modellierung wird die Schallausbreitung exakt nachgebildet, d.h., es sind keinerlei empirische Näherungen mit nachträglichen Parameteranpassungen notwendig.

Ein Beispiel für die Anwendung einer rechnerischen wellentheoretischen Simulation zeigt Bild3. Für eine neue Tramlinie, die unter dem Brückendach verlaufen soll, interessierten die Immissionspegel an den Hausfassaden. Aufgrund der Geometrie ist von «raumakustischen» Verhältnissen auszugehen, d.h., das Schallfeld setzt sich nebst dem Direktschall aus einer Vielzahl von Ein- und Mehrfachreflexionen zusammen. Da mit konventionellen Berechnungsmodellen hier keine zuverlässigen Prognosen möglich sind, wurden durch die Empa numerische Simulationen durchgeführt. Bild 4 zeigt das sich einstellende Schallfeld in der zeitlichen Evolu­tion, wenn an der Quelle im Radbereich des Trams ein Impuls emittiert wird. Durch Aufsummation der Beiträge aller Wellenfronten, die einen Empfängerpunkt überstreichen, kann schliesslich auf den zugehörigen Immissionspegel geschlossen werden.

Aus derartigen Simulationen lassen sich zuverlässige Prognosen der Schallfelder in Lärmschutzbauten bzw. in der nahen Umgebung gewinnen. Damit können bei hohem Kosteneinsparungspotenzial wirtschaftliche Optimierungen hinsichtlich der geometrischen Gestaltung von Bauwerken oder der Oberflächenbelegung mit schallabsorbierenden Materialien durchgeführt werden.

TEC21, Mo., 2006.11.13

13. November 2006 Kurt Heutschi

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