Editorial

Das Thema gab es ja schon lange. Es tauchte regelmäßig in den Redaktionssitzungen auf, hieß einmal Verbindungen, dann Verbindungstechnik oder Verbindungsmittel und fand in jeder Jahresplanung Erwähnung, ohne eingehender diskutiert zu werden. Fest stand, dass es als wichtig genug befunden wurde, ihm einen ganzen Zuschnitt zu widmen. Als man sich zusammenfand, um Erscheinungstermin und Heftinhalt festzulegen, als es darum ging, Anregungen und Wünsche zum Inhalt zu sammeln, wucherten die unterschiedlichsten Vorstellungen üppigst und unstrukturiert.

Das Thema sollte komplex und tiefgehend abgehandelt werden, Entwicklung und Geschichte der Holzverbindungen seit der Steinzeit sollten ebenso Platz finden wie die hohe Kunst japanischer Holzverbindungen oder die Art und Weise, Verbindungen ebenso primitiv wie wirksam mit Seilen herzustellen. Generationen von Pfadfindern bekommen diese Verbindungstechnik als Basiswissen heute noch vermittelt. Es wurde angeregt, klassisch-mechanische Verbindungen und Sonderlösungen zu trennen, nach »punktförmigen, linearen und flächigen Verbindungen« zu ordnen, nach dem Materialverbund »Holz-Holz, Holz-Beton, Holz-Glas« zu unterscheiden. Die Renaissance der zimmermannsmäßigen Verbindungen, also jener Holz-Holzverbindungen, die im allgemeinen kraftschlüssig wirken, mittels CNC-Technik (Computer numerical control, siehe Zuschnitt 9, Seite 26) dürfe nicht fehlen, hieß es. Das Thema Verbindungen sollte auf dem Stand der Technik, anwenderbezogen und problemorientiert abgehandelt werden. Angesichts der fast erschlagenden Fülle an Vorschlägen zum Inhalt zeigte sich zweierlei: einmal, dass eine Ordnungsstruktur, eine Kategorisierung vonnöten sei und zugleich, dass es unmöglich sein würde, das Thema in seiner ganzen Bandbreite und Komplexität in eine Zuschnitt-Nummer zu packen. Die Verbindungstechnik musste eingegrenzt werden auf einen Umfang, der im traditionell schlanken Zuschnitt Platz finden kann, ohne oberflächlich behandelt zu sein. Der »Morphologische Kasten, frei nach Zwicky« tauchte auf. Er fand als Ordnungsstruktur Erwähnung, aus der man schwerpunktartig jene Verbindungen oder Verbindungsmittel herausnehmen sollte, die Entwicklungspotenzial haben. Keiner fragte genauer nach, wer Zwicky und dieser ominöse Kasten sei. Eine Bildungslücke? Wer ihn nicht kannte, hatte wohl eine vage Vorstellung. Als zu umfassend verworfen, ging Zwickys Kasten in der Diskussion wieder unter. In die kam nun - kraftvoll stählern - der Nagel und mit ihm der Vorschlag, sich im Zuschnitt doch ausschließlich ihm und seiner Vielfältigkeit, seiner Potenz und zugleich Einfachheit zu widmen. Ein ganzes Heft nur für den Nagel? Manchen schien das doch zu puristisch und man einigte sich darauf, auf den universellen Überblick zwar zu verzichten, sich statt dessen aber den stift - oder stabförmigen Verbindungsmitteln, bei denen die Nägel eine Art Prototyp bilden und ihrer Entwicklung zu widmen - ausführlich und facettenreich. Sie finden im Zuschnitt nun den Versuch einer geordneten Übersicht über das komplexe Thema «Stabförmige Verbindungsmittel«, ihre Charakteristik und ihre Anwendungsmöglichkeit, dann einen Fachartikel über das Potenzial von Schrauben, deren Entwicklung sich bekanntlich von der der Nägel ableitet, einen Beitrag über die neueste Entwicklung bei Stabdübeln, die ihren vorläufigen Höhepunkt im auch für Laien bestechend leistungsfähigen selbstbohrenden Stabdübel findet, in der Folge ein Anwenderbeispiel zu vorgenanntem und schließlich eine sehr persönlich gehaltene, fast philosophische Betrachtung konstruktiver Verbindungsmittel mit den Augen des Praktikers Wolfgang Pöschl. Überlegungen zum Brandschutz von Knoten und Verbindungen runden das Thema ab, während Geschichte und Wesen des »Matador«, jenem seit 100 Jahren unverwüstlichen Holzbaukasten aus Klötzen und stabförmigen Verbindungsmitteln, in den Holzrealien die feine Würze des Themas bilden.


P.S. Wenn Sie ebenso neugierig geworden sind wie wir und genau wissen wollen, was der »Morphologische Kasten, frei nach Zwicky« denn sei, dann lesen Sie weiter und folgen Sie unserer Recherche. Das Wort »Morphologie« entstammt dem Griechischen und bedeutet in enger Übersetzung soviel wie »Lehre von den Gebilden, Formen, Gestalten, Strukturen« und deren zugrundeliegenden Aufbau- bzw. Ordnungsprinzipien. Als Morphologie kann man also jede nach bestimmten Prinzipien hergestellte Ordnung bezeichnen. Überträgt man das Merkmal »Ordnung« auf das Denken, dann bedeutet Morphologie soviel wie »Lehre vom geordneten Denken«. Schließlich versteht man unter dem Begriff auch die vergleichende Betrachtung zweier Ordnungen, Systeme usw. mit ihren Aufbau- und Wirkungsprinzipien, um aus dieser Gegenüberstellung Erkenntnisse abzuleiten.

Der Schweizer Astrophysiker und unkonventionelle Universalgelehrte Fritz Zwicky (1898-1974) gilt als profiliertester Morphologe des 20. Jahrhunderts. Die von ihm begründete Morphologie hat zum Ziel, alle logisch denkbaren Möglichkeiten einer Problemstellung systematisch zusammenzutragen, Denk- und Handelsblockaden aufzubrechen und kreative Denkprozesse methodisch zu gestalten. Ein wahrhaft hoher Anspruch, den Zwicky mit seinem Morphologischen Kasten verbindet. Das Thema der Verbindungen nach dieser Methodik abzuhandeln, könnte Anspruch und Inhalt einer wissenschaftlichen Arbeit sein - den Rahmen und die Möglichkeiten des Zuschnitt übersteigt es bei weitem. Karin Tschavgova

Inhalt

Zum Thema
Editorial
Karin Tschavgova

Essay
»When all else fails use bloody great nails«
Text: Wolfgang Pöschl

Im Detail: stift- oder stabförmige Verbindungsmittel
Nägel

Schrauben

Bolzen, Dübel und Gewindestangen

Beispiele
Schrauben - Innovative Verbindungen mit Potenzial
Text: Hans Joachim Blaß, Ireneusz Bejtka

Mehrschnittige Stahl-Holz-Verbindungen mit Stabdübeln
Text: Adrian Mischler, Redaktion Zuschnitt

Verbindungstechnik mit selbstbohrenden Stabdübel an den Trägern der Schulsporthalle Hauptschule Rieden - Vorkloster
Text: Konrad Merz

Holz trivialfilosofisch oder die zehn Weisen der Holzbewegung

Der Trivialfilosof erkennt in der Bewegung des Holzes viel Wahres und Tiefes. Einem alten Brauch folgend wird die Geistesbeute hier in zehn starken Sätzen vorgestellt.

I. Holz leidet
Holz, wenn es dem Menschen dient, ist der Endzustand seiner abgewürgten Aufwärtsbewegung. Wer den Baum fällt, beendet sein Wachstum, friert seine Entfaltung ein. Die Jahrringzähler sind die Chronisten des Baumlebens, das mit einem Mord endet. Ob gevierteilt, gespalten, zersägt, das Holz lässt sich seine Eigenbewegung durch keine Folter unterdrücken. Es leidet, doch es wehrt sich. Es schwillt und schwindet. Es muckt auf und wirft sich. Das verarbeitete Holz erinnert sich an sein Baumleben.
Darum muss es noch schlimmere Qual erdulden, denn der Mensch will ihm keine Eigenbewegung gestatten. Es wird zerrieben, gekocht, verleimt und gepresst. Erst als Holzwerkstoff ist es endlich tot und regt sich nicht mehr. Der Trivialfilosof erkennt: Ja, es gibt ein Leben nach dem Tode. Aber ewig ist es trotzdem nicht.

II. Holz widersteht.
Die nützlichste Bewegung des Holzes ist die Antibewegung. Holz wird besonders geschätzt, wenn es bleibt, wo es ist: im labilen Gleichgewicht. Die Wagen erschüttern die Brücke, doch die bewegt sie nicht. Der Flügel drückt auf die Balkenlage, doch sie gibt nicht nach. Der Schnee belastet das Dach, doch das wankt keinen Zoll. Stabilität ist alles, Bewegung ist nichts. Holz, das sich bewegt, ist schon verdächtig. Der Trivialfilosof erkennt: Die wichtigste Bewegung ist das Verharren.

III. Holz schwingt
Die widerspruchvollste Bewegung des Holzes ist die unsichtbare. Ein schnelles Zittern am Ort, das man Schwingung nennt. Man sieht sie nur mit den Ohren, denn sie bildet den Ton des Musikinstruments. Die Geige schluchzt, die Oboe näselt, der Kontrabass ergrimmt, aller Wohlklang strömt unsichtbar. Der Trivialfilosof erkennt: Kunst ist ein leises Zittern.

IV. Holz dreht
Das Mühlrad saust und ist trotzdem auf seine Welle aufgespießt. Das Spinnrad surrt und kommt nicht voran. Das Windrad stöhnt und bleibt, wo es ist. Das Holz dreht sich in rasendem Stillstand. Nicht alles, was sich bewegt, geht auch vorwärts. Der Trivialfilosof erkennt den tiefen Widerspruch: Drehen ist Stehenbleiben.

V. Holz befriedigt
Das Schaukelpferd stillt den Bewegungsdrang.
Der Hampelmann reckt seine Glieder zu des Kindes Entzücken. Die Watschelente wackelt freudestiftend. Die Ratsche dreht und lärmt. Die Bewegung geht ins Leere, doch sie findet ihren Sinn in sich selbst. Das Holz befriedigt motorisch. Der Trivialfilosof erkennt: Je nutzloser die Bewegung, desto sinnvoller wird sie.

VI. Holz geht
Das Holzbein marschiert. Das Wagenrad fährt.
Die Holzschuhe klappern fort. Das Skateboard saust. Der Spazierstock schreitet aus. Der Mensch benützt das Holz als Fortbewegungsinstrument. Holz kommt voran. Doch gilt das als selbstverständlich und keiner fragt, warum. Der Trivialfilosof erkennt: Der Mensch ist holzvergessen.

VII. Holz produziert
Der Bleistift zieht krause Linien und schafft damit den Brief. Der Pinsel fährt über die Leinwand und erzeugt das Bild. Das Zündholz setzt sich mit zuckender Bewegung in Brand und gibt durch Selbstmord dem Raucher Feuer. Das Holz bewegt sich als Werkzeug, geführt von Menschenhand. Der Trivialfilosof erkennt: Holz wird instrumentalisiert.

VIII. Holz fliegt
Nach dem Prügel und der Keule erfand der Mensch den Pfeil und den Speer. Der Nahkampf wurde durch Fernwirkung ersetzt. Fortschritt ist, wenn man außerhalb der Gefahrenzone bleibt. Die Entwicklung endet mit dem Bumerang. Er kehrt zurück, wenn er nicht trifft. Der Trivialfilosof erkennt: Sobald Holz fliegt, tötet es.

IX. Holz reist
Der Samenflug überwindet große Distanzen.
Der Mensch verpflanzt, importiert Samen und Bäume. Der botanische Garten ist das Asylantenheim des Holzes. Das Treibholz schwimmt ans fremde Ufer. Das Holz ist unterwegs und kennt keine politischen Grenzen. Nur das Klima kann es stoppen. Nur die Natur setzt Grenzen, nicht die Politik. Der Trivialfilosof erkennt: Holz ist der Stoff, aus dem die Freiheit geschnitzt ist.

X. Holz schrumpft
Wer es verbrennt, sieht, wie das Holz schrumpft. Seine Masse schmilzt, seine Widerstandskraft verraucht. Aus Masse wird Asche. Der Trivialfilosof erkennt: Der innere Wert des Holzes sind Wärme und Krümel.

zuschnitt, Mo., 2003.12.15

15. Dezember 2003 Benedikt Loderer

»When all else fails use bloody great nails«

An oben genannten Spruch dachte ich zum Thema Nägel und Schrauben zuallererst.
Bis vor kurzem war die Tatsache, dass normalerweise nur 1 - 5 Prozent der Kraft der chemischen Bindungen als Tragkraft eines konstruktiven Materials wirken, kaum von praktischer Bedeutung, weil die Verbindungen zwischen den einzelnen Komponenten einer Struktur so ineffizient waren, dass sogar die verbleibende Tragkraft eines Materials kaum genutzt wurde.

»... Holzschrauben, die Lieblinge von Amateurzimmerleuten und Bootsbauern, sind das untauglichste Verbindungsmittel von allen. In der Zwischenkriegszeit forschten die Deutschen viel über genagelte Verbindungen und erfanden neue und schlaue mechanische Verbindungen. Diese Errungenschaften werden heute manchmal im Holzhausbau verwendet...«

Anders als englische Handwerker im vorangestellten Spruch englischer Handwerker hält J. E. Gordon also nicht viel von Nägeln. Trotzdem haben die Deutschen offensichtlich auch nach dem Krieg den Nagel weitererforscht mit einem auch in der kleinen Welt des bauenden Architekten wahrnehmbaren, respektablen Ergebnis.

Meine ersten Erinnerungen an Nägel liegen weit zurück in der Kindheit. Einmal war es in diesen Zeiten noch üblich, alte Bretter „auszunageln“ und die gebrauchten Nägel auf einer Stein- oder Metallunterlage mit dem Hammer gerade zu klopfen, damals eine typische Arbeit für Kinder. Dann war es strikt verboten, Nägel mit in den Wald zu nehmen und etwa beim Bau von Baumhütten in Bäume zu schlagen; als Verbindungen waren maximal Schnüre erlaubt.

Der Nagel hatte (zumindest im Tischlerumfeld) etwas Anrüchiges, Unelegantes. Er war letztes Mittel in höchster Verzweiflung oder er wurde schamhaft verborgen. Seit es ihn gibt, werden damit schnell Kisten zusammen genagelt und dann mit imposanten Schnitzereien verblendet.

Anders in der Zimmerei: Ich wäre ein reicher Mann, wenn ich für jeden Nagel einen Cent bekommen hätte, den ich in Dachbekiesungen, Grünflächen oder sonst irgendwo auf Baustellen gefunden habe - verloren oder achtlos weggeworfen. Die Anwesenheit von Nägeln scheint in der Zimmerei mit abnehmender Qualifikation des Zimmerers tatsächlich zuzunehmen; von der traditionellen Zimmerei, die weitgehend ohne Nägel auskam, bis zu den Nagelorgien des amerikanischen Holzbaus (ich bin sicher, dass dort noch mehr Nägel herumliegen).
Das Nagelkonzert der Hämmer mit einem vielseitigen Echo ist schon lange abgelöst vom kurzen, trockenen Tackern der Nagelapparate. Der schnelle Nagel für Schalungen und Verkleidungen wird noch lange existieren.

Konstruktiv
Als konstruktives Verbindungsmittel über die grobe Sicherung von Holzverbindungen hinaus hatte der Nagel ein kurzes Revival in der Brettstapeldecke. Die unverleimt aneinandergenagelten Bretter als Decke hatten in ihrer Rauheit einen gewissen Reiz. Interessant fand ich vor allem die Möglichkeit, auf einfache Weise gewölbte Decken herzustellen. Aber schon beim Übergang der Holzfläche vom Innen- in den Außenraum machten die offenen Fugen Probleme. Und jedem Zimmermann, mit dem ich eine Brettstapeldecke realisierte, reichte die einmalige Erfahrung. Die Low Tech-Manufaktur wurde insgesamt als Idiotenarbeit und Rückschritt empfunden. Bei einigen mir bekannten Projekten wurde die Brettstapeltechnologie noch mit teilweiser Verleimung und Aufbeton weitergetrieben bis zu einem Punkt, wo offensichtlich wurde, dass es nur mehr mit Brettschichtholz- oder Brettsperrholzflächen, also mit Leim als Verbindungsmittel weitergehen konnte.

Konstruktiv führt der Weg tatsächlich vom Nagel zum Leim, nicht nur in der Zimmerei. Im Möbelbau ist der (versenkte oder wieder entfernte) Nagel manchmal die Schraubzwinge des armen Mannes oder Bastlers - für den dauerhaften Halt sorgt der Leim.

Auf der Baustelle bei der Montage scheint der Leim auch den schlechten Ruf des Nagels geerbt zu haben; dort wird in der Zimmerei kaum geleimt. Leimen gilt in den Zufällen einer Baustelle als unberechenbar und unzuverlässig. Liegt beim Nagel der Ursprung seiner Geringschätzung in seiner scheinbaren Banalität, so ist es beim Leim die undurchschaubare, fast mystische Wirkungsweise, die unser Misstrauen begründet; und beide sind nebenbei fast so alt wie die Technik selbst. Tatsächlich gehört der Leim ins präzise, kalkulierbare Umfeld der Werkhalle.

Die wahre Überraschung bei den Verbindungsmitteln, gemessen an meiner subjektiven Erfahrung, ist aber die Schraube. Während sie im Maschinen- und Stahlbau seit Anbeginn nicht wegzudenken war, hatte die Schraube im Holzbau wie auch im Möbelbau lange Zeit nur die Außenseiterrolle als Gestell- und Torbandschraube oder im Möbelbau als Schlitzschraube inne, die in ihrer mühsamen händischen Anwendung viel Geschick und das Training recht abgelegener Partien der Armmuskulatur erforderte.

Die Schraube
Die rasante Entwicklung der Schraube für den Holzbau in den letzten beiden Jahrzehnten wurde von zwei Seiten in Bewegung gesetzt. Die Technologie der Schraube wurde optimiert und auf die Eigenschaften und Vorteile des Holzes abgestimmt. Genauso wichtig wie die Entwicklung des Schafts der Schraube war der Fortschritt an ihrem Kopf. Der potentiell exzentrische Schlitz im Schraubenkopf wurde durch zentrische, maschinentaugliche Lösungen ersetzt. Das mehr oder weniger untaugliche Werkzeug des Schraubenziehers wurde durch den Akkuschrauber ersetzt. Damit begann die anhaltende Karriere der Schraube im Holzbau. In der Tischlerei, bei der Montage von Einbaumöbeln und in der Zimmerei bei Holzrosten, Unterbauten und Verkleidungen aller Art hat die Schraube ihren sicheren Platz und der Akkuschrauber ist unverzichtbarer Bestandteil der Standard-Werkzeugkiste. In diesen Bereichen hat die Schraube immer eine wichtige Rolle gespielt, doch nun ist ihre Anwendung weniger schweißtreibend. Die Schraube selbst erscheint im Vergleich zu früher ausgereift, endlich erwachsen.

zuschnitt, Mo., 2003.09.15

15. September 2003 Wolfgang Pöschl

Verbindungstechnik mit selbstbohrenden Stabdübeln an den Trägern der Schulsporthalle Hauptschule Rieden - Vorkloster

Die neue Sporthalle mit ihrem Nebentrakt ergänzt das aus den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Ensemble der Schulanlage Rieden - Vorkloster von Architekt Ernst Hiesmayr. Der westseitige Gebäudeflügel mit einer alten Turnhalle wurde abgetragen. Damit die Charakteristik des Schulgebäudes erhalten bleibt, bildet ein neuer, zweigeschoßiger Baukörper den westlichen Hofabschluss. Die neue Turnhalle wird dem zweigeteilten Schulhof eingeschrieben. Der eine Hofteil wird auf das Untergeschoßniveau abgesenkt und mit einer Tragstruktur überdacht, der andere bleibt Außenraum.

Konstruktion
Die Sporthalle wird von schlanken, geschoßhohen Kastenträgern aus Holz überspannt und ist größtenteils mit Glas eingedeckt. Die Träger sind aus einem Gerippe aus Brettschichtholz, gebildet aus Obergurt, Untergurt und vertikalen Pfosten aufgebaut, das mit beidseitig aufgeleimten Dreischichtplatten (Lärche) beplankt ist. Die Kastenträger sind 45 m lang und vier Meter hoch. Bauteile mit solchen Abmessungen sind bekanntlich nur schwer als Ganzes auf der Straße transportierbar. Dem gegenüber steht das Bestreben nach einer möglichst weitgehenden Vorfertigung im Werk, um den Anforderungen an Produktivität, Qualitätskontrolle und Montagezeit gerecht zu werden.

Unter Berücksichtigung dieser Punkte, aber auch aus statischen Überlegungen und nicht zuletzt solchen, die einen rationellen Einsatz der Hebezeuge betreffen, ist die Haupttragkonstruktion aus drei werkseitig vorgefertigten Teilen, mit den Längen 12,5 / 20 / 12,5 m gefertigt. Für den Zusammenbau auf der Baustelle galt es, eine Verbindung zu wählen, die unterschiedlichsten Anforderungen gerecht wird.

Bedingungen

- Am Stoß der Einzelteile tritt ein Moment von ungefähr 3500 kNm und eine Querkraft von 170 kN auf. Das Moment entspricht einer Last von 10 Tonnen an einem Kragarm von 35 m Länge.
- Der Kraftfluss soll auf der Baustelle nur mit wenigen Schrauben geschlossen werden können, was am einfachsten mit einer Stahl / Stahl-Verbindung zu lösen ist. Das bedeutet, die Kräfte aus den zu fügenden Holzteilen müssen zuerst in Stahlteile eingeleitet werden. Dazu wurden im Werk geeignete Stahlteile in die Holzquerschnitte eingebaut.
- Der Anschluss sollte auch formalen Überlegungen gerecht werden, die Montagestöße am fertigen Bauwerk möglichst unauffällig in Erscheinung treten.
- Es wurde eine Verbindung mit einem hohen Ausnutzungsgrad angestrebt, damit die an einem ungestoßenen Binder ermittelten Balkenabmessungen infolge der Montageverbindung nicht zu stark vergrößert werden müssen.

Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass Knotenpunkte vielfach die schwächsten Glieder in einer Tragkonstruktion aus Holz darstellen. Die anschließenden Stäbe werden zur Übertragung der Kräfte meistens erheblich geschwächt, sei es durch Bohrungen, Schlitze oder andere Ausnehmungen. Dies im Gegensatz etwa zu geschweißten Verbindungen im Stahlbau, wo es möglich ist, die Tragfähigkeit der zu verbindenden Stäbe auch im Knotenbereich zu erreichen. Die Reduktion der Tragfähigkeit im Anschlusspunkt ist abhängig von der Art des Verbindungsmittels und der Knotengeometrie. Sie beträgt zwischen 10 und 60%. Mit anderen Worten, ein Holzbalken erreicht im Knotenpunkt nur 40 - 90 Prozent seiner Tragfähigkeit. Geleimte Verbindungen schneiden in der Regel besser ab als Anschlüsse mit Nägeln, Dübel oder Schrauben, sind aber ungleich schwieriger auszuführen.

Lösungsansatz
Die ausgeführte Lösung erfüllt die skizzierten Anforderungen weitgehend. Das Anschlussmoment, im Stoßbereich in eine Zug- und eine Druckkraft aufgeteilt, wird durch vier fast identische Stahlteile übertragen. Der hier abgebildete Zugstoß unterscheidet sich vom Druckstoß nur durch die Art der Kraftübertragung vom Holz in den Stahlteil. Beim Zugstoß wird die Kraft mit Hilfe von selbstbohrenden Stabdübeln mit 7mm Durchmesser in den Stahlteil eingetragen, beim Druckstoß über Kontaktpressung. Mit dieser Art der Verbindung kann ein Ausnutzungsgrad von ungefähr 65% der anschließenden Stäbe erreicht werden. Durch die »Vielschnittigkeit« kann der gesamte zu verbindende Querschnitt aktiviert werden. Die Dübel werden mit kleinen Abständen versetzt, was die Anschlussfläche und damit die Größe der Stahlzeile reduziert. Durch das gleichzeitige Bohren von Holz und Stahl ist eine größtmögliche Passgenauigkeit gewährleistet. Differenzen im Lochbild von Stahl- und Holzteilen, wie sie bei der Verwendung von normalen Stabdübeln auftreten können, hervorgerufen durch Ungenauigkeiten in der Arbeitsvorbereitung, »Verlaufen« des Bohrers bei der Herstellung der Löcher, Quellen und Schwinden der Holzeile zwischen Produktion und Montage oder Verziehen der Stahlteile beim Verzinken, gibt es nicht. Die hohe Passgenauigkeit wirkt sich auch positiv auf das Verformungsverhalten aus. Die Herstellung der Verbindung im Werk ist vergleichsweise einfach und erfordert keine speziellen Kenntnisse.Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass die Querkraft im hier behandelten Knoten mit seitlich aufgenagelten Lochblechen aus Flachstahl übertragen wird. Für die Unterbringung aller während der Montage zugänglichen Stahlteile ist die Beplankung um 25 Zentimeter ausgespart und wird nachträglich ergänzt, womit auch der geforderten Brandwiderstandsdauer von 30 Minuten Rechnung getragen wird.

zuschnitt, Mo., 2003.09.15

15. September 2003 Konrad Merz



verknüpfte Bauwerke
Schulsporthalle Rieden Vorkloster

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