Editorial

Ob in London, Dubai oder Schanghai – weltweit erlebt die Hotelbranche derzeit einen regelrechten Boom. Dies gilt – anders als bei vielen anderen Wirtschaftszweigen – auch für Deutschland. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wurden hierzulande in den Betrieben der Hotellerie im ersten Halbjahr 2005 fast 91 Millionen Übernachtungen registriert; das entspricht einer Zunahme gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund zwei Prozent. Im kommenden Jahr, wenn Deutschland Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft ist, werden diese Zahlen mit Sicherheit noch übertroffen.

Die allgemeine Hochkonjunktur beschert der Hotelbranche aber nicht nur kräftige Umsatzzuwächse, sie hat auch dazu geführt, dass in der jüngsten Zeit zahlreiche neue Hotelbauten errichtet oder als Zukunftsvisionen der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Auch oder gerade weil die Medien dabei in der Regel über Projekte der Luxussparte berichten – etwa über das im letzten Sommer eröffnete Hotel »Puerta América« in Madrid, bei dem insgesamt 19 verschiedene internationale Architektur- und Designbüros für einen regelrechten »Design-Overkill« sorgten, oder über das vom niederländischen Architekten Kas Oosterhuis entworfene »Flyotel« vor der Küste Dubais, dessen Hülle wie ein großer Flügel in den Himmel ragt und das über einen hoteleigenen Hangar für Privatjets verfügt – stößt das Thema »Hotelarchitektur« augenblicklich bei der Öffentlichkeit allgemein auf großes Interesse.
Bei den so genannten »Low-Budget-Hotels« wie sie beispielsweise die Häuser der Ketten Etap, Formule 1 oder Ibis darstellen und die in jüngster Zeit ebenfalls wie Pilze aus dem Boden schießen, wird man anspruchsvolle Architektur in der Regel vergeblich suchen. Doch zum Glück gibt sich heute nicht mehr jeder Gast mit Bett, Schrank, Mini-Bar und Fernseher in einem belanglosen Standardzimmer zufrieden. Schließlich unterscheidet sich der Hotelbau durch eine wesentliche Komponente von fast allen sonstigen Architekturen: Er wird vom Benutzer ausschließlich freiwillig genutzt, das heißt der Gast hat die Wahl und sucht sich sein Ambiente bewusst aus. Diente die Hotellerie früher fast ausschließlich zur Beherbergung von Urlaubsgästen, so gliedert sich diese Funktion heute in ein viel breiteres Spektrum auf. Der Gast verlangt nach Hotels mit »Lebensräumen«, mit meditativen Ruhezonen oder mit einem angeschlossenen Einkaufszentrum. Es gibt mittlerweile Familien-, Wellness-, Seminar-, Sport-, Veranstaltungs- und Romantikhotels. Diese Aufzählung ließe sich noch beliebig fortsetzen. Wie also wird das »Hotel der Zukunft« aussehen? In der Schweizer Fachzeitung »Hotel + Tourismus Revue« hat der Trendforscher Matthias Horx das Hotel im Jahr 2010 beschrieben. Er sieht dieses als ein »Designhotel« mit wenig Plüsch und ohne überflüssige Dekorationen. Das »Haus für alle« wird es seiner Meinung nach nicht mehr geben. Das »mittlere Hotel mit rustikaler Küche und Blümchen vor den Fenstern« habe ausgedient.

Von einem Aussterben der Individualhotellerie kann demnach keine Rede sein. In Zukunft wird es jedoch eine noch viel größere Differenzierung von Hotelkonzepten geben. Die Architektur soll dabei zum Erlebnis werden und auf diese Weise einen Zusatznutzen stiften. Wie das aussehen kann, zeigen die ausgewählten Beispiele und Projekte in diesem Heft. Arne Barth

Inhalt

Zum Thema
Temporär ins Unikat | Christian Schönwetter

Beispiele
Hotel »Radisson SAS« in Rom | King Roselli Architetti
Hotel »Omm« in Barcelona | Juli Capella
Hotel »Dorint Novotel« in München-Riem | Allmann Sattler Wappner Architekten
Hotel »Habita« in Mexiko-City | TEN Arquitectos
Jugendhotel »CUBE« in Nassfeld | Novaron Eicher Hutter Gepp GmbH
Hotel »Park Hyatt« in Zürich | Marcel Meili, Markus Peter Architekten
Hotel »Quartier 65« in Mainz-Weisenau | Max Dudler
Hotel »Bluemoon« in Groningen | Foreign Office Architects
Seminarhotel »Waldesruh« in Siegburg-Seligenthal | Gernot Schulz Architektur
Kantine in Bonn | Heinle Wischer Gesellschaft für Generalplanung
Restaurant »Skatepark Diner« in Rotterdam | Jeroen Hoorn
»Bar Calém« in Vila Nova de Gaia | Guedes + de Campos
Café-Restaurant »Posbank Paviljoen« in Rheden | De Architectengroep
Restaurant in Kawasaki | Naya Architects

Projekte
Hotel »Le Meridien« in Dublin | Manuel Aires Mateus
»Art’otel« in Köln | JSWD Architekten & Planer und Chaix & Morel et associés
Hotel »Astoria« in Luzern | Herzog & de Meuron
Galerie und Hotel in Tafjord | Snøhetta AS

Wettbewerbe
Hotel »Empire Riverside« in Hamburg
Hotel an der Ostseehalle in Kiel
Hochschulmensa in Karlsruhe

Jugendhotel CUBE in Nassfeld

»CUBE« ist ein neuartiges, anspruchsvolles und trotzdem kostengünstiges Konzept für eine Hotelarchitektur, dem eine fundierte Analyse der heutigen Generation der Jugendlichen zugrunde liegt – einer Generation, die nicht nur eine hohe Affinität zum Sport hat, sondern auch zu den Themenbereichen »Design«, »Sound« und »Lifestyle« . Neben diesen Rahmenbedingungen waren auch ein unkonventionelles Betriebskonzept sowie die Wirtschaftlichkeit Grundlagen für den Entwurf.

Da »CUBE« auch eine Marke ist, die als solche erkannt werden soll, spricht das Gebäude sowohl im äußeren Erscheinungsbild als auch in der Innenraumgestaltung eine neue Sprache. Das Hotel besteht aus zwei identischen, spiegelbildlichen Baukörpern, die durch einen Anlieferungstrakt miteinander verbunden sind. Die Fassade wurde als abstrakte Haut über die Kuben gezogen. Sie lässt einerseits Einblicke zu, andererseits bindet sie die beiden Baukörper auch zu einer Einheit zusammen. Während die Eingänge aus der Fassadenhaut herausgeschnitten wurden, sind die Geschosse im Inneren über Rampen miteinander verbunden.

Alle offenen Bereiche bilden eine Art Kommunikationszone, in der es auch eine Bar und einen Gastronomiebereich gibt. Die unterschiedlichen Zimmertypen sind jeweils in Gruppen zusammengefasst. Alle »Boxen« – so werden die Zimmer genannt – sind in der Ausstattung auf das Wesentliche reduziert. Ihnen sind verglaste Räume zur Unterbringung des »Equipments« (wie beispielsweise Bikes, Boards, Skier, Kleider, Schuhe, etc.) vorgelagert, die als Trocknungsräume ausgebaut sind.

Die Bar dient gleichzeitig auch als Rezeption und ist 24 Stunden geöffnet. Im Untergeschoss wurde die gesamte Infrastruktur für den Betrieb untergebracht. Hier gibt es auch einen einfachen Wellness-Bereich sowie ein Club, der sich in unterschiedliche Räume – die auch gesondert genutzt werden können – gliedern lässt.

Das Gebäude wurde als Betonskelettbau errichtet, wobei alle nicht tragenden Einbauten in Elementbauweise ausgeführt wurden. Wann immer möglich, wurden die Materialien roh belassen und sollen – vom Industriebau herkommend – die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes sicherstellen. Die Struktur des Gebäudes ist so geplant, dass eine einfache Erschließung für alle technisch notwendigen Installationen möglich ist. Im Hinblick auf wandelnde Ansprüche des Publikums besteht auch die Möglichkeit, die Einteilung an eine sich ändernde Nachfrage anzupassen.

Architektur + Wettbewerbe, Do., 2005.12.15

15. Dezember 2005



verknüpfte Bauwerke
Jugendhotel CUBE in Nassfeld

Kantine der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn

Für die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung wurde eine Kantine im Süden von Bonn errichtet. Das Grundstück befindet sich inmitten eines Landschaftsparks, der einen direkten Zugang zum Rheinufer hat und auf der anderen Seite durch die bestehenden Gebäude der Dienststellen – einem spätromantischen Schloss sowie Gebäuden der Nachkriegsmoderne – begrenzt wird. Im Spannungsfeld zwischen Schloss, Dienstgebäuden und Landschaftspark entwarfen die Architekten ein Gebäude, das als Solitär durch die gewählte Form einer Ellipse Eigenständigkeit bewahrt, aber auch eine »Frontenbildung« zwischen Bestand und Park vermeidet. Die neue Kantine wird zu einem neuen Orientierungspunkt zwischen den Bürogebäuden und dem Landschaftsraum. Es entstand ein Haus ohne Rückseiten, sensibel eingefügt und dennoch selbstbewusst. Es schafft einen markanten Ort im Park für Kommunikation, Aufenthalt und Erholung.

Das äußere Erscheinungsbild vermittelt einen homogenen und geschlossenen Eindruck. Im Innenraum verändert sich die Wahrnehmung des Betrachters: Der große Speisesaal mit seiner Höhe von über sechs Metern ermöglicht rundum einen ungehinderten Ausblick in das Grün der Umgebung. Die Glasfassade mit davor gesetzten radial ausgerichteten Holzlamellen aus naturbelassener Rot-Zeder erzeugt zudem unterschiedliche Ausblicke je nach Standort des Besuchers. Das Gebäude teilt sich über die kurze Achse der Ellipse in zwei Nutzungsbereiche: den Speisesaal und den zweigeschossigen Funktionsbereich mit Küche, Anlieferung und Personalräumen. Im Speisesaal bildet ein roter Linoleumboden einen reizvollen Kontrast zum satten Grün der Umgebung.

Die Lasten der Dachkonstruktion des Saals werden direkt über die Fassadenpfosten abgetragen, so dass ein Sekundärsystem entfällt. Die Träger der Dachkonstruktion sind unten gebaucht und verjüngen sich zum Fassadenanschluss hin. Die gewölbte Abhangdecke aus Metallpaneelen erweitert den Blick nach außen und verbessert den Lichteinfall. Sie liegt wie ein Kissen über dem Raum und unterstreicht den körperhaften Charakter des Gebäudes.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit wurde seit Beginn der Konzeptphase kontinuierlich verfolgt und bildete die Grundlage für alle Entscheidungsprozesse des Planungsteams. Konstruktion und Materialien wurden unter Berücksichtigung von Primärenergieeinsatz, Haltbarkeit und Wiederverwertbarkeit ausgewählt, Kriterien wie Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit waren ausschlaggebend für alle getroffenen Entscheidungen.

Architektur + Wettbewerbe, Do., 2005.12.15

15. Dezember 2005



verknüpfte Bauwerke
Kantine der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn

»Art’otel« in Köln

Das Hotel mit 181 Zimmern entwickelt sich aus der Leitidee des Bebauungsplanes für die Rheinuferstraße: Größtmögliche Durchlässigkeit und Gliederung der Baumasse zur Marina und zum Flussufer, inszeniert durch schräge Gebäudeanschnitte mit interessanten Blickbeziehungen. Zwei in sich greifende, sich nicht berührende Volumen werden ausgeschnitten; das so geformte Prisma ist vom Boden abgehoben. Die etwa zwei Meter hohe »Sockelebene« mit der Parkgarage bildet die Bühne für die Inszenierung der ineinander verschränkten Baukörper.

Die öffentlichen, allgemein zugänglichen Bereiche des Hotels (Lobby, Konferenz, Bar, Gastronomie) sind in den so entstandenen »Leerräumen« zwischen den zwei Volumen und auf der Sockelebene untergebracht. Diese transparenten Bereiche (»Rheinfenster«) öffnen sich durch ihre schrägen Anschnitte einerseits zur Stadt, anderseits zum Hafenbecken hin. Die Lage des Konferenzbereichs in der horizontalen Fuge des 3. Obergeschosses ermöglicht spektakuläre Blickbeziehungen zu Dom und Altstadt aber auch zur Marina und zum Schokoladenmuseum. Die dreigeschossige Skybar, die an den Konferenzbereich angegliedert ist, ist ein attraktives Forum für Kunstexponate und bietet dem Besucher zusammen mit den Blickbeziehungen zur Stadt ein spannendes Raumerlebnis.

Das Gebäude kleidet sich den Farbtönen seiner Umgebung: Eine transluzente Sonnenschutzfassade aus perforiertem Edelstahl oder eloxiertem Aluminium spiegelt die Farben der Stadt, des Himmels und des Wassers. Bei Dunkelheit verstärkt eine künstliche Beleuchtung den Gegensatz zwischen den geschlossenen Volumen und den durchgehend transparenten Einschnitten. Lichtprojektionen mit Farbfiltern, Logos und eine indirekte Beleuchtung der Decken inszenieren die öffentlichen Bereiche, die sich durch das Gebäude ziehen.

Architektur + Wettbewerbe, Do., 2005.12.15

15. Dezember 2005



verknüpfte Bauwerke
»Art’otel« in Köln

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