Editorial

Was sich hinter so nüchternen Begriffen wie beispielsweise Nanotechnologie oder Genomanalyse genau verbirgt, lässt sich einem Laien mit wenigen Worten kaum vermitteln. Gehört und gelesen hat sicher jeder schon einmal von »kleinen Robotern« in der Blutbahn oder den großen Fortschritten bei der Entschlüsselung des menschlichen Erbguts. Immer umfangreichere Wissenschaftsseiten in den Zeitungen und zahllose neue Sendeformate im Radio und Fernsehen zeugen von der gewachsenen Popularität von Wissenschafts- und Technikthemen. Dass die gegenwärtige naturwissenschaftliche und medizinische Forschung jedoch nicht nur spannend ist, sondern dass sich mit der Vermarktung der Forschungsergebnisse auch sehr viel Geld verdienen lässt, haben Politik, Wirtschaft und Hochschulen längst erkannt. Labore sind heute nur noch selten kommerzfreie Räume. Forscher, die noch vor Jahren als »Erbsenzähler« belächelt wurden, sind inzwischen zu Medienstars und zu Hoffnungsträgern von Risikokapitalgebern und neuen Aktienmärkten geworden. Beim Wettlauf um den erhofften Profit will niemand den Anschluss verlieren; die Konkurrenz der Länder und Gemeinden um die Ansiedlung von Forschungsunternehmen oder wichtiger universitärer oder privater Institutionen ist entsprechend groß. In den letzten Jahren wurden bereits immense Summen in diesen Bereich investiert; zahlreiche Neubauten und geplante Projekte von Forschungszentren und Laborgebäuden belegen diese Entwicklung. Auch für die Architekten ist somit ein Stück des Kuchens übrig, wenn auch nur ein vergleichsweise kleines.

Die Spielräume, die Architekten im Bezug auf die Festlegung der einzelnen Räume, deren Ausstattung und Zuordnung sowie die Infrastruktur und Leitungsführung haben, dürften aber wohl in kaum einer anderen Bauaufgabe enger sein als bei Laborgebäuden. Zudem fällt es Architekten hierbei oft schwer, sich in die Tätigkeiten und Organisationsabläufe der späteren Nutzer hineinversetzen zu können. Von klischeehaften Vorstellungen von hermetisch abgeschlossenen Wissenschaftszirkeln und introvertierten Tüftlern, die im stillen Kämmerchen wirken, sollte man sich tunlichst verabschieden. Denn trotz aller Konkurrenz ist das wissenschaftliche Forschen nicht nur ein höchst kreativer sondern auch ein äußerst kommunikativer Prozess. »Begegnungszonen«, in denen ein informeller Austausch zwischen den Wissenschaftlern stattfinden kann, lassen sich bei nahezu allen Neubauten finden. Auch das Thema »Flexibilität« nimmt einen hohen Stellenwert ein, da kurz- und mittelfristige Veränderungen der Forschungsgebiete und Zusammensetzungen der Forschungsgruppen an der Tagesordnung sind. Wie unterschiedlich die architektonischen Ergebnisse dieser Entwicklungen letztlich sein können, belegen die Bauten und Projekte in dieser Ausgabe von »Architektur + Wettbewerbe«. Ganz bewusst haben wir Bauten und Projekte ganz unterschiedlicher Größe ausgewählt – sie reichen von einer kleinen Erweiterung eines Virusreferenzlabores für die Universität in Dublin bis hin zum Forschungspark im süddänischen Sønderborg mit rund 34.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Bei letzterem durften die Architekten neben zahllosen Labor- und Institutsräumen gar den Konzertsaal eines Symphonieorchesters in das Projekt integrieren.

Arne Barth

Inhalt

Zum Thema
Kommunikation oder: Wie entsteht Erkenntnis? | Gunter Henn

Beispiele
Laborgebäude der Fachhochschule Esslingen | Herrmann + Bosch
Virusreferenzlabor der Universität Dublin | McCullough Mulvin Architects
Biokatalyse der Technischen Universität Graz | Ernst Giselbrecht
NMR-Laborgebäude der Universität Utrecht | UN Studio
Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven | Steidle + Partner
Bayerisches Forschungs- und Technologiezentrum für Sportwissenschaften in München | Hild + K Architekten
Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main | Auer + Weber + Architekten
Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden | Heikkinen-Komonen Architects / Henn Architekten
Laborgebäude der Universität Marseille in Aixen-Provence | Bonte & Migozzi
Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie in Berlin | Heinle, Wischer und Partner
Laborgebäude der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden | Burger Rudacs Architekten
Bioinstrumentezentrum in Jena | Henn Architekten
Laborgebäude der Universität Léon | Javier Fresneda & Javier Sanjuan

Projekte
Institut für medizinische Genomforschung in Berlin | Staab Architekten
Zentrum für Zell- und Biomolekularforschung in Toronto | Behnisch, Behnisch & Partner mit architectsAlliance
Forschungspark Süd, Süddänische Universität und Konzerthalle in Sønderborg | 3XNielsen A/S

Wettbewerbe
Forschungsgebäudes für die Pharmazie der Universität Saarbrücken
Zentrales Labor- und Institutsgebäude in Geisenheim
Laborgebäude für das Institut für Lebensmitteltechnologie der Universität Hohenheim
Zentrum für Molekulare Biowissenschaften in Graz

Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden

Der Neubau steht auf einem langen, schmalen Grundstück an der Pfotenhauerstraße in unmittelbarer Nachbarschaft zur Universitätsklinik der TU Dresden. Der besondere Zuschnitt des Grundstücks führte zur linearen Anordnung der drei grundsätzlich verschiedenen Funktionseinheiten: Instituts- beziehungsweise Laborgebäude, Versuchseinrichtung und Gästehaus. Das Institutsgebäude steht auf dem nördlichen Grundstücksbereich, in südlicher Richtung folgen die Erweiterungsfläche, das Tierhaus mit Parkierungsfläche und das Gästewohnhaus. Im Osten reichen die begrünten Höfe der aneinander gereihten Villengrundstücke an die Grundstücksgrenze des Instituts heran. Im Westen grenzt das Gelände des Klinikums an, für dessen provisorische Lagerbebauung längerfristig eine Neubebauung vorgesehen ist.

Im Institutsneubau wurden Arbeitsplätze für etwa 300 wissenschaftliche Mitarbeiter vorgesehen. Der Hauptzugang erfolgt von Norden von der Pfotenhauerstraße. Eine Erschließungsstraße über die ganze Grundstückstiefe verbindet – von Nord nach Süd – die drei linear angeordneten Baukörper und Außenbereiche. An beiden Längsseiten der Fassaden überdeckt als Sonnenschutz ein grünes Metallraster das ansonsten mit dunkelblauen Metalltafeln verkleidete Gebäude. Bei Betrachtung aus einem schrägen Winkel ist nur die grüne Oberfläche des Metallrasters sichtbar. Steht der Betrachter jedoch im rechten Winkel zur Fassade, wird die dunkelblaue Metallverkleidung erkennbar.

Der dominierende viergeschossige Hauptbaukörper des Instituts- beziehungsweise Laborgebäudes besteht aus zwei identischen, in der Fläche nahezu quadratischen Gebäudeteilen mit einer dazwischen liegenden Eingangshalle. Diese ist mit ihren kommunikativen Einrichtungen (Cafeteria, Restaurants, Lesehalle etc.) im Erdgeschoss ein Ort der Begegnung und des wissenschaftlichen Austauschs. Allgemeine Nutzungen auf dieser Ebene wie Bibliothek, Hörsaal, Verwaltung, Küche und Werkstätten sind von der Eingangshalle aus direkt zu erreichen. Jede Laboretage gliedert sich in eine wiederkehrende Ordnung von außen liegenden molekularbiologischen Großlaboratorien, einigen Sonderlaboratorien und Büroräumen sowie den im Gebäudekern zusammengelegten Bereichen für Analyse, Gewebekultur, Geräte und Mikroskopie. Die gemeinsame Anordnung der Funktionsbereiche für die jeweiligen Laborabteilungen auf einer Ebene ist nicht nur gebäudetechnisch von Vorteil. Sie fördert zudem den Gedankenaustausch der auf den unterschiedlichen Geschossen tätigen Wissenschaftler. Die Konstruktion und Baustruktur des Gebäudes erlaubt es, auf die Entwicklung künftiger innovativer Forschungsarbeit flexibel zu reagieren.

Architektur + Wettbewerbe, Di., 2005.03.15

15. März 2005



verknüpfte Bauwerke
Max Planck Institut

Laborgebäude der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden

Der Erweiterungsbau für Ingenieur- und Naturwissenschaften fasst als Laborgebäude die Ausbildungsbereiche Chemie, Physik und Bauingenieurwesen der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden an einem Standort auf dem Campus zusammen. Der Baukörper beschreibt die Form eines L, das sich, beginnend vom Anschluss an das Seminargebäude, von einem schmalen Einbund zu einem Zweibund mit dazwischen liegendem zentralen Erschließungsraum über vier Vollgeschosse und einem Untergeschoss entlang der Andreas-Schubert-Straße entwickelt. Der zweigeschossige einbündige Flügel wurde aufgeständert, um einen freien Durchgang zum dahinter liegenden Hof zu ermöglichen. An dieser Seite weicht der Baukörper von der Grundstücksgrenze zurück, so dass eine relativ großzügige Freifläche vor dem Gebäude geschaffen werden konnte.

Der Haupteingang liegt leicht zurückgesetzt an der Grundstücksecke. Das Zentrum des Gebäudes, das Foyer, setzt sich als zentraler Erschließungsraum über alle Geschosse fort – alle Bewegungen im Haus werden hier gebündelt. Um diesen mehrgeschossigen Raum liegen die Unterrichts- und Arbeitsräume der unterschiedlichen Fachbereiche. Alle wesentlichen Erschließungsbereiche werden natürlich belichtet: Die Flure der zentralen Halle über ein Oberlicht, der einbündige Flügel über eine ganzflächige Verglasung des Flures zum Innenhof.

Das »Herz« des Erweiterungsbaus ist der Experimentierhörsaal mit 88 Plätzen, der zentral neben dem Haupteingang liegt. Im Gegensatz zu den in den Eigenfarben der Materialen belassenen Erschließungs- und Laborräumen erhielt der Hörsaal zusätzlich kräftige Farbflächen in Orange.
Die Labortechnik wurde in vertikalen Schächten entlang der Flurseiten verlegt. Durch die offene Installationsführung in den Laboren und in den Schächten ist ein Nachrüsten von Medien jederzeit möglich. Bei den in Öffentlichkeitsgrad und Funktion unterschiedlichen, parallel laufenden Bändern der Erschließungsbereiche und Arbeitsräume wurden gegensätzliche Materialien verwendet. Die Erschließungszonen wurden mit einem grafischen Schwarz-Weiß-Konzept hinterlegt, das durch die spezielle Lichtführung im Haus unterstützt wird. Prägendes und strukturierendes Element dieser Räume sind die flurseitig sichtbaren vertikalen Versorgungsschächte der Laborräume, die mit Raum hohen drehbaren Aluminiumtafeln verkleidet wurden. Der Rhythmus der vertikalen Gliederung wird durch die leicht zurückgesetzten, tiefschwarzen Eingangstüren zur Laborzone hervorgehoben. Dunkle Böden und helle Sichtbetonwände und -decken schaffen einen ruhigen Hintergrund für die technische Standardeinrichtung der Labore. Die Verwendung von funktionsorientierten Materialien sollte ein sachliches und unaufgeregtes Erscheinungsbild und Arbeitsumfeld schaffen.

Architektur + Wettbewerbe, Di., 2005.03.15

15. März 2005



verknüpfte Bauwerke
Laborgebäude der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden

Forschungspark Süd, Süddänische Universität und Konzerthalle in Sønderborg

Die Süddänische Universität und der private Forscherpark Süd werden in Kürze einen gemeinsamen Standort auf einem prominent gelegenen, ehemaligen Bahngelände im Hafen von Sønderborg erhalten. Ziel ist es, ein Forschungsumfeld zum gegenseitigen Nutzen für die freie Wirtschaft und die Universität zu schaffen. Neben Dialog, Wissensaustausch und Offenheit waren zudem die praktischen und wirtschaftlichen Vorteile der geplanten Gemeinschaftseinrichtung ausschlaggebend für das Projekt. Eine Spende der Realdania-Stiftung ermöglicht es zudem, einen neuen Konzertsaal für das Sinfonieorchester von Sønderborg zu integrieren.

Der Komplex besteht aus sechs von Atrien unterbrochenen Gebäudeflügeln. Die schmalen Giebel zur Wasserseite entsprechen dem Maßstab und Rhythmus der bestehenden städtischen Bebauung am Ufer des Alsensunds. Die von Balkonetagen umgebenen Atrien ermöglichen eine natürliche Belichtung und Belüftung des Gebäudes. Während die Atrien »Ablagen« darstellen, die Sitzungsräume, Gruppenräume, doppelt hohe Unterrichtsräume und einen verbindenden Laufsteg aufnehmen, enthalten die Gebäudeflügel selbst unter anderem Labors, Unterrichtsräume und Büros. Die Gesamtanlage ist kompakt, doch öffnen die hohen Atrien den Blick durch den Bau hindurch zum Wasser und schaffen zudem interne visuelle Querverbindungen.

In den unterschiedlichen Gemeinschaftseinrichtungen wie Auditorien, Bibliothek und Sitzungsräumen im Tiefparterre und im Erdgeschoss sollen der Wissensaustausch und die Begegnung zwischen den verschiedenen Nutzern hauptsächlich stattfinden. Verbunden werden diese Einrichtungen durch den Haupteingang und die Kantinen des zentralen Atriums, ohne eine sichtbare Trennung zwischen den beiden Institutionen. Die Platzierung des Konzertsaals am Haupteingang schirmt das Abendpublikum vor dem weiteren Zugang zum Gebäude ab. Vom Tiefparterre aus besteht eine direkte Verbindung zur neuen Hafenpromenade, an der sich Badestätten, ein Ruderclub und andere Treffpunkte wie ein Studentencafe und eine Mensa befinden.

Architektur + Wettbewerbe, Di., 2005.03.15

15. März 2005



verknüpfte Bauwerke
Forschungspark Süd, Süddänische Universität und Konzerthal-le in Sønderborg

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