Editorial

Für einmal muss BIM hinten anstehen. Alphabetisch in der abgekürzten Form zwar nicht gerecht, aber Sicherheit kommt nun mal an erster Stelle. Drei Buchstaben für die Sicherheit: BSA. Die Betriebs- und Sicherheits­ausrüstung umfasst alle technischen Anlagen, die den zuverlässigen Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen gewährleisten.

Rund um die Uhr helfen Ampeln, Fahrstreifen­signale, Kameras, Gefahren- und Geschwindigkeitssignale, kritische Situationen im Strassentunnel zu verhindern. Neben den Einbauten, die wir als Nutzer wahrnehmen, verstecken sich die meisten Installationen in den Tunnelzentralen, den Werkleitungs- und Lüftungskanälen. Der Aufwand der BSA-Experten, die die Systeme intelligent verknüpfen, wird oft unterschätzt – auch von Projektbeteiligten aus anderen Disziplinen. So braucht es im Sanierungstunnel Belchen ­(Kanton Baselland) unter anderem 220 km Netz- und Datenkabel, um aus 3.2 km Tunnelröhre ein sicheres Verkehrssystem zu machen.

Was hat nun BIM damit zu tun? Aufgrund des Zu­sammentreffens mehrerer Gewerke und der zugehörigen Koordinationsbedürfnisse mit dem Bau hat die BSA – ähnlich der Haustechnik im Hochbau – beste Chancen, in BIM einen guten Freund zu finden. Die BIM-Planung ist im Bereich der BSA bedeutend weiter fortgeschritten als im übrigen Infrastrukturbau und trägt damit zur Abstimmung der Gewerke bei. Was können Ingenieurinnen und Ingenieure anderer Disziplinen daraus lernen?

Daniela Dietsche, Ulrich Stüssi

Inhalt

03 EDITORIAL

07 WETTBEWERB
Ausschreibungen/Preise | Ein neuer Blick durch bekannte Bilder

12 AUSZEICHNUNG
«Experimentieren ist ein befreiender Akt»

14 PLANUNGS- & BAUPROZESSE
Die Zukunft liegt ausserhalb der Komfortzone | «Schliesslich geht es um die Honorierung unserer Leistungen» | Europa und die BIM-Methode – Einfluss auf die SIA-Normen

18 BUCH
Neue Heimatkunde

19 MEINUNG
Leserbrief

20 ESPAZIUM – AUS UNSEREM VERLAG

21 WEITERBILDUNG

22 VITRINE

23 AGENDA

24 DREI BUCHSTABEN FÜR DIE SICHERHEIT

24 FÜR ALLE FÄLLE GERÜSTET
Ulrich Stüssi
Vom Ereignis zum Standard – über die Entstehung und Bedeutung der BSA-Planungspraxis.

28 «DIE LEBENSDAUER DER ANLAGEN IST DER GRÖSSTE UNTERSCHIED»
Daniela Dietsche
Ein Gespräch über BSA aus der Perspektive eines Spezialisten.

30 «FRÜHZEITIG MITEINANDER ZU REDEN IST ZENTRAL»
Daniela Dietsche
BSA-Zusammenarbeit aus Sicht der ­Bauplanung – ein Interview.

31 ZWISCHEN PROGRAMMIEREN UND KONSTRUIEREN
Daniela Dietsche
Für die BSA im Tunnel Bypass Luzern wird ein BIM-Pilot erstellt.

35 STELLENMARKT

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Für alle Fälle gerüstet

Die Betriebs- und Sicherheitsausrüstungen (BSA) gelten als Eigenart bei der Planung von Verkehrsanlagen. Ein Blick über den Tellerrand des klassischen Bauingenieurwesens schafft interdisziplinäres Verständnis.

Zu Recht gilt der Tunnelbau als eine der anspruchsvollsten Disziplinen des Ingenieurwesens. Sei es in Bezug auf die Planung, die nach minutiösen und oftmals sehr aufwendigen Vorerkundungen verlangt, die hohen und nach den Launen der Natur nur schwer berechenbaren Baukosten oder die schwülen, staubigen und lauten Baustellen, die den Bauarbeitern und -maschinen in der Ausführung enorm viel abverlangen. Der Tunnelbau versteht sich als sehr ursprüngliche Bauingenieurskunst – eine Kunst jedoch, die sich über den Lauf der Zeit technologisch und gestalterisch stark gemausert hat.

Wo früher noch mit Schwarzpulver, Pickel und Schaufel rohe Löcher in den Fels geschlagen wurden, fahren heute – sofern es das Gestein erlaubt – Tunnelbohrmaschinen als rollen­de Fabrikationsstrassen auf. Die einst massiven Hangverbauungen und schwerfälligen Nebenbauten sind sorgfältig gestalteten Tunnelportalen und dezenten Betriebsbauten gewichen. Davon abgesehen werden an Tunnelbauwerke hohe technisch-funktionale Anforderungen gestellt: Als oberstes Gebot haben sie die Sicherheit ihrer Nutzer sowohl im Normal- als auch im Ereignisfall zu gewährleisten.

Ein Blick in die Normen und die Auseinandersetzung mit den gängigen Standards verdeutlichen den konkreten Umfang dieser Sicherheitsanforderungen. So führen die Projektierungsnormen SIA 197/1 für Bahntunnel und SIA 197/2 für Strassentunnel den Begriff der Betriebs- und Sicherheitsausrüstung (BSA) ein und formulieren die Grundsätze für deren Projektierung. Die planerische Umsetzung findet gemäss Standards aus Fachhandbüchern, Richtlinien, Weisungen oder Interoperabilitätsverordnungen statt.

Was genau sich laut diesen Reglementen hinter dem Begriff der BSA verbirgt, kann in den Augen des Bauingenieurs auf den ersten Blick fremdartig anmuten: Dort finden sich unter anderem Themen wie Energieversorgung, Beleuchtung, Signalisation oder Lüftung. Damit ist die BSA verwandt mit der Gebäudetechnik eines Hochbaus und verlangt Fachkompetenzen, die ausser­halb der klassischen Bauingenieurtätigkeit liegen. Ohne fachlichen Austausch und interdisziplinäre Verständigung geht es daher kaum. Zusätzlich besteht die BSA gerade im Tunnelbau aus vielen Einzel- und Spezialgewerken, die ein hohes Mass an Koordination erfordern.

Somit überrascht es kaum, dass der Parametrisierungs- und Digitalisierungsgrad bei der BSA-Planung heute schon weit fortgeschritten ist – weit über dem Mass, wie es sonst im Tunnel- oder allgemeinen Tiefbau geläufig ist. Dies sorgt einerseits für Ordnung auf diesem fachlichen Tummelplatz und zeigt andererseits eine weitere Parallele zur Gebäudetechnik im Hochbau: Auch hier ist ein technologisch geprägtes Gewerk die treibende Kraft hinter der Digitalisierung.

Vom Ereignis zum Standard

Die BSA ist ein noch junger Begriff im Glossar der Projektierungsreglemente. Nach den Tunnelbränden im Montblanc- und Gotthard-Strassentunnel Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre erliess die Europäische Union eine Richtlinie bezüglich der Mindest­anforderungen an die Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Strassennetz. In der Folge wurden auch die Schweizer Tunnelbauwerke einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Aus diesem Kontext ­heraus sind Standards entstanden, die heute ein einheitliches Sicher­heitsniveau für Tunnel festlegen, und die Erkenntnis, dass bestehende Bauten teilweise Sicherheitsdefizite aufweisen.

In den vergangenen 20 Jahren wurden in der Schweiz zahlreiche Bahn- und Strassentunnel neu gebaut. Daneben besteht eine Vielzahl von Tunneln, die gemäss früheren Standards geplant und errichtet wurden. So laufen aktuell mehrere Projekte, mit denen die Sicherheit bestehender Tunnel erhöht werden soll – grösstenteils werden dabei Synergien mit ohnehin geplanten Erhaltungsvorhaben genutzt.

Eine Eigenheit der BSA ist, dass je nach Verkehrs­träger andersartige Anforderungen an die Anlagen gestellt werden: Während für Strassentunnel gemäss SIA-Projektierungsnormen beispielsweise Beleuchtungsanlagen oder mechanische Lüftungskomponenten ohne Weiteres auch für den Normalbetrieb notwendig sein können, sind diese bei Bahntunneln in der Regel nur für den Ereignis- oder Erhaltungsfall massgebend. Diese Unterschiede basieren auf den individuellen Risiken, die die verschiedenen Verkehrsarten mit sich bringen.

Weiter in die Tiefe dieser normativen Grundsätze gehen die Projektierungsstandards des Bundes­amts für Strassen (Astra) mit dem Fachhandbuch 23001. Es versteht sich als Leitfaden zur Projektierung von BSA-Anlagen auf Nationalstrassen und beinhaltet umfassende technische Merkblätter zu den gemäss SIA 197/2 verzeichneten Ausrüstungselementen. Vergleichbare Projektierungsgrundsätze für Bahntunnel liefern etwa die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität, der UIC-Kodex 779-9 oder die Richtlinie des Bundesamts für Verkehr, die Sicherheitsmassnahmen für neue und bestehende Bahntunnel beschreiben.

BSA-Planung in der Praxis

Bei der BSA-Planung können sich je nach Verkehrsträger oder Auftraggeber die organisatorischen Strukturen stark unterscheiden. Beim Astra ist es üblich, dass die BSA einem Spezialisten als Fachplanung übertragen wird – also spezialisierte Leistungen separat beschafft werden. Bei kantonalen Strassenprojekten werden hingegen häufiger interdisziplinäre Planungsteams beauftragt, die in entsprechender Formation die nötigen Fachkompetenzen einbringen. Ähnliches gilt für Bahnprojekte, wobei sich dort vermehrt Generalplanungsmodelle etablieren.

Charakteristisch für die BSA-Planung ist, dass meist nicht alle Anlagen von einem einzelnen Spezialisten geplant werden. So kommen bei der Tunnel­planung neben Bauingenieuren, Architekten und Ver­kehrs­planern auch Spezialisten aus verschiedenen technischen Disziplinen zusammen. Die Integration all dieser Disziplinen wird zur Gesamtleitungs­aufgabe, die je nach Mandatsstruktur auf Planer- oder Bauherrenseite wahrzunehmen ist. Unabhängig davon, wie die Kompetenzen planerseitig in die Projektierung eingebracht werden, entstehen zwischen den baulichen Objekten und den BSA-Anlagen Schnittstellen, die im Planungsalltag entsprechende Herausforderungen mit sich bringen.

Licht am Ende des digitalen Tunnels?

Zentrale Aufgabe des Bauingenieurs bleibt die Projektierung eines verhältnismässigen Tunnelquerschnitts, der den Forderungen an den verkehrlichen Lichtraum gerecht wird und den Platzbedarf der BSA optimal einbindet. Ein Tunnel wird so zu mehr als einem linienförmigen Bauwerk, das als grösste Herausforderung den geologischen Gegebenheiten baulich begegnet. Zusammen mit dem Parametrisierungsgebot an die BSA ist er ein hochtechnisiertes Infrastrukturobjekt, das eine konfliktfreie Konzeption aller Gewerke bedingt und eine passende Übungsanlage für den digitalisierten Planungs- und Bauprozess hergibt.

Erste Schritte in diese Richtung finden hierzulande längst statt. So wendeten die BSA-­Planer beim Projekt Tunnel Eyholz (A9, Süd­umfahrung Visp) pilotweise die BIM-Methode an. Beim Tunnel Bypass Luzern wird mit einer parametrischen 3-D-Modellierung gearbeitet. Diese Projekte zeigen, dass sich die Tiefbauplanung Richtung Digitalisierung bewegt. Bestätigt wird dies durch aktuelle Entwicklungsprogramme grosser Infrastruktur­eigentümer (z.B. BIM@SBB).

Die ständig widerhallende Frage nach dem ­Potenzial und Mehrwert bei einem Einsatz der BIM-­Methode stellt sich indes auch hier. Entsprechende Antworten wird die Planungspraxis – angetrieben durch den Aktionsplan Digitale Schweiz, nach dem alle bundes­nahen Betriebe ab 2025 bei Infrastrukturanlagen die BIM-Methode anzuwenden haben – in den kom­men­den Jahren und spätestens bei einem ersten BIM-to-field-Erfolg bestimmt finden.

TEC21, Fr., 2019.05.24

24. Mai 2019 Ulrich Stüssi

«Die Lebensdauer der Anlagen ist der grösste Unterschied»

Nur ein Bruchteil der Betriebs- und Sicherheitsausrüstung (BSA) ist für den Nutzer eines Strassentunnels sichtbar. Die technischen Einbauten zu koordinieren erfordert Flexibilität und Koordinationsgeschick. Markus Leipert gibt einen Einblick aus Sicht des Bau­herrenunterstützers BSA.

TEC21: Herr Leipert, Sie unterstützen das Astra bei Neubau und Instand­setzung grosser Infrastrukturanlagen. Was sind Ihre Aufgaben bei der BSA-Planung?
Markus Leipert: Ich definiere die Anforderungen an die Installationen, die den Tunnel für Benutzerinnen und Bewirtschafter sicher und funktional machen. Ein Spagat zwischen betrieb­lichen Anforderungen, fachlichen Vorgaben und baulichen Randbedingungen.

TEC21: Was heisst das konkret?
Markus Leipert: Bei der Instandsetzung eines Strassenabschnitts interessiert die Baufachleute zunächst, welche Teile erneuert werden müssen: Brücken, Stützmauern, Beläge, Kanalisationen. Daraus werden der Ablauf und die Randbedingungen definiert. BSA-seitig muss man dann entscheiden, ob es eine umfangreiche Erneuerung braucht oder ob punk­tuelle Eingriffe ausreichen. Unsere Aufgabe ist es, der Bauherrschaft einen Variantenfächer mit Lösungen aufzuzeigen.

TEC21: Das heisst, zunächst werden die baulichen Randbedingungen definiert, und erst dann kommen die BSA-Planer zum Zug?
Markus Leipert: Die BSA ist aufgrund der Kleinteiligkeit trotz der vielen Abhängigkeiten flexibler im Ablauf. Der Bau ist vergleichsweise träger. Das Bauprojekt an sich ist meist über einen exakten Perimeter abgegrenzt. Die Massnahmen der BSA sind selten in sich geschlossen. Das bedeutet, dass man über die Grenzen resp. planerischen Schnittstellen hinausschauen und dabei auch übergeordnete Systeme wie das Verkehrsleitsystem oder Transitleitungen einbeziehen muss. Die BSA macht nur 10 bis 15 % der Bausumme aus, trotzdem tangiert sie alles.

TEC21: Gibt es weitere Unterschiede?
Markus Leipert: Die Lebensdauer der Anlagen ist der grösste Unterschied. Während zum Beispiel für den baulichen Teil eines Tunnels Nutzungsdauern über 50 Jahre üblich sind, sprechen wir bei den BSA-Anlagen von einer Lebensdauer zwischen 10 und 30 Jahren. Was zur Folge hat, dass der BSA-Planer in der Regel etwa 50 % an baulichen Reserven in Hinblick auf die Erneuerung vorsieht.

TEC21: Sie sprechen von halb leeren Technik­räumen oder unvollständig belegten Kabelrohrblöcken. Wofür werden diese Reserven gebraucht?
Markus Leipert: Wenn die BSA erneuert wird, geschieht dies unter Betrieb und unter Berücksichtigung der übergeordneten Systeme. Das heisst, bevor man die alten Anlagen herausnehmen kann, müssen die neuen eingebaut werden. Obwohl Anlagen durch den technologischen Fortschritt tendenziell kleiner werden, bleiben einzelne Elemente, zum Beispiel Kabel, gleich gross und werden oft zahlreicher.

TEC21: Wie gestaltet sich die alltägliche Zusammenarbeit?
Markus Leipert: In der Ausführung setzen Bau und BSA oft andere Prioritäten. Nehmen wir das Beispiel der Erneuerung einer Rohranlage inkl. Schachtbauwerken: Fehlt bei einem Schacht noch ein kurzes Verbindungsstück – ein geringer Aufwand aus baulicher Sicht –, ist die Aufgabe für den Bau zu 99 % erfüllt. Für die BSA können dadurch aber die Arbeiten ­komplett blockiert sein, da die Kabel nicht in einen un­voll­ständigen Rohrblock eingezogen werden können. Zu Verständnisproblemen kommt es im Übrigen nicht nur zwischen BSA und Bau, auch innerhalb der BSA kommt es durchaus zu Missverständnissen. So funktioniert die Lüftungsplanung nach eigenen Regeln – ganz anders als der Bau und die Elektroplanung.

TEC21: Wie gelingt die Zusammenarbeit trotz aller Unterschiede?
Markus Leipert: Wichtig ist Verständnis für den jeweils anderen und die unterschiedlichen zu beachtenden Randbedingungen und Eckwerte. Zudem hilft es allen, sich genügend Zeit zu nehmen für gegenseitige Erklärungen. Allgemein braucht ein BSA-Planer Erfahrung, um die baulichen An­forderungen zu definieren und die Be­­dürf­nisse der BSA kommunizieren zu können. Gegenseitige Kenntnisse in den be­tei­lig­ten Disziplinen sind dabei von Vorteil. Und die lernt man nicht im Studium, sondern in der Projekt­arbeit.

TEC21, Fr., 2019.05.24

24. Mai 2019 Daniela Dietsche

«Frühzeitig miteinander zu reden ist zentral»

Von einem Strassentunnel wird erwartet, dass seine Nutzer sowohl im Normal- als auch im Ereignisfall sicher sind. Das zu erreichen erfordert viel Feingefühl bei der Abstimmung zwischen BSA- und Baufachleuten.

TEC21: Frau Winter, Sie betreuen Instandsetzungen von Strassentunneln. Wo sind Ihre Schnittstellen zu den Planern der Betriebs- und Sicherheitsaus­rüstung?
Angela Winter: Bei einer Instandsetzung ist die Zu­sammenarbeit mit den Fachleuten der BSA deutlich intensiver als bei einem Neubau. Wir müssen gemeinsam entscheiden, was in der jeweiligen Situa­tion baulich möglich und technisch sinnvoll ist. In einem Tunnel, der vor 30 Jahren erstellt wurde, ist oft nur wenig Platz für zusätzliche Ein- oder Umbauten.

TEC21: Von Ihnen wird eine sachgemässe Dimensionierung erwartet. Wie gehen Sie vor, um festzulegen, was gemacht wird?
Angela Winter: Die BSA-Fachleute geben uns an, welche Elemente sie nach Norm benötigen, um einen sicheren Betrieb gewährleisten zu können. Das sind einige Anlagen mehr als noch vor wenigen Jahren, und für jedes zusätzliche Kabel braucht es ein Leerrohr für einen möglichen späteren Austausch unter Betrieb. Wir prüfen dann, wie viel Platz für zusätzliche Leerrohre, Kabelblöcke etc. zur Verfügung steht. Einen Konflikt im Fahrraum kann es zum Beispiel geben, wenn wir die Fahrbahnbreite einhalten müssen, die benötigte Anzahl Kabelschutzrohre aber eine Verbreiterung des Banketts verlangt.

TEC21: Wie wird man sich in einem solchen Fall einig?
Angela Winter: Wir nähern uns in einem iterativen Prozess an und suchen nach einem Kompromiss. Den endgültigen Entscheid trifft aber die Bauherrschaft. Nicht immer kann die Norm zu 100 % eingehalten werden.

TEC21: Gibt es Beispiele, die zeigen, dass es eine gute Abstimmung braucht, obwohl die Zuständigkeiten in den Dokumenten der Bauherrschaften eigentlich umfassend geregelt sind?
Angela Winter: Es sind oft kleinere Sachen, die aber den Bau verzögern können. Allen ist zum Beispiel klar: Der Bauunternehmer öffnet den Graben, die BSA-Spezialisten verlegen die Kabel. Wer jedoch für die Hüllrohre verantwortlich ist und wann diese im Projekt­ablauf zur Verfügung stehen müssen, wird von Projekt zu Projekt unterschiedlich gehandhabt. Oft sind es die BSA-Fachleute, die flexibel auf Ände­rungen im Bauablauf reagieren. Das muss man anerkennen.

TEC21: Könnte BIM helfen, von vornherein auch an die kleinen Dinge zu denken?
Angela Winter: BIM ist kein Allheilmittel. Trotzdem ist es sicher hilfreich, eine Methode zu haben, die die Ko­­­­­­or­dination unterstützt. Heute arbeiten wir mit ver­schie­denen Plänen: je einen für die Löschwasser­leitung, die Entwässerung, die Betriebs- und Sicherheitsausrüstung, oft in unterschiedlichen Mass­stäben oder als Schema, sodass man sie nicht sinnvoll über­einanderlegen kann. Man hat also einen erheblichen Mehraufwand, um alle Informationen zu sammeln und kompatibel aufzubereiten. Ein digitalisierter Bestand wird in jeder Projektphase Erleichterungen bringen.

TEC21: Haben Sie schon Erfahrungen mit BIM? Wie wird sich die Arbeit verändern?
Angela Winter: Mit BIM müssen wir im Tunnelbau von der Achse ausgehen. Bisher hat man vom Querschnitt her gedacht. Das Arbeiten im 3-D-Modell ist eine Umstellung, aber dass sich Arbeitsmethoden ändern, gibt es immer wieder. Das Verständnis für die andere Dis­ziplin ist weiterhin ein entscheidender Aspekt für die Zusammenarbeit.

TEC21, Fr., 2019.05.24

24. Mai 2019 Daniela Dietsche

Zwischen Programmieren und Konstruieren

Ein BIM-Pilot für die Betriebs- und Sicherheitsausrüstung ­begleitet die ­konventionelle Planung des neuen Tunnels Bypass Luzern. Technisch ist die Baubranche auf gutem Weg. Bis sich BIM im ­Planungsprozess etabliert hat, dauert es wahrscheinlich noch.

Es hat sich viel getan in den letzten zehn Jahren. BSA- und Baufachleute haben sich angenähert. «Das Verständnis für die jeweils andere Disziplin, für deren Anforderungen und Bedürfnisse ist in der Projektarbeit deutlich gestiegen», sagt Christian Eugster, Leiter Versorgungstechnik bei Basler & Hofmann. BIM als Motivation für eine bessere Kommunikation war also nicht der primäre Grund, ein Pilotprojekt für die Verkehrstechnik zu lancieren. Für Teile des neuen Tunnels Bypass Luzern erarbeitete Basler & Hofmann im Rahmen eines internen Pilotprojekts parallel zur konventionellen Planung ein ­BIM-Modell.[1] Christian Eugster glaubt an die BIM-Methode. «Wir müssen uns vorbereiten», sagt er. «BIM ist nicht billiger und nicht schneller, aber die Qualität steigt. Wir arbeiten mit stabilen Daten. Die Koordination zwischen den Gewerken wird einfacher, und Fehler werden insgesamt weniger.»

Luzern vom Verkehr befreien

Wie vielerorts im Schweizer Nationalstrassennetz hat auch die A2 bei Luzern ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Um die heutige Achse vom Transitverkehr zu entlasten, wird zwischen den Anschlüssen Buchrain und Hergiswil ausgebaut.[2] So soll es möglich werden, den Individualverkehr in der Stadt zu verflüssigen und den öffentlichen Verkehr zu priorisieren.

Derzeit wird das Ausführungsprojekt bearbeitet; die Projektauflage ist für Frühjahr 2020 geplant. Sobald der Genehmigungsprozess mit allen Konsequenzen abgeschlossen ist, soll rund zwölf Jahre lang gebaut werden.

Beginn wäre nach heutigem Stand frühestens 2024. Aufgeteilt ist das Projekt «Gesamtsystem Bypass Luzern» in vier Baulose sowie ein Teilprojekt Umwelt und ein Teilprojekt Betriebs- und Sicherheitsausrüstung, die beide jeweils den ganzen Perimeter umfassen. Innerhalb des Gesamtprojekts gilt der Tunnel Bypass Luzern als Kernstück. Der Neubau seiner drei Technikzentralen und Teile der Tunnelröhre werden parallel zur konventionellen Planung mit BIM modelliert. Dazu übernimmt Basler & Hofmann die Grundlagen aus der 2-D- beziehungsweise 3-D-Planung der «IG ByTuLu».

Konventionell und parametrisch

Die drei neuen Zentralen werden als statisches Modell abgebildet, d. h., die Konstruktion setzt sich aus einzelnen, informierten Elementen zusammen. Muss eine Raumaufteilung verändert werden, werden die Elemente im Modell manuell verschoben.

Bei den Tunnelabschnitten handelt es sich hingegen um ein parametrisches Modell, das sich an der Tunnelachse orientiert. Die Querschnittselemente werden mathematisch beschrieben. Die normgerechte Posi­tionierung der BSA-Elemente entlang der Achse wird pro gleichartigem Abschnitt in einer Datenbank generiert. Das heisst, alle Ausrüstungsgegenstände haben einen relativen Bezug zur Tunnelachse. Ändern sich der Tunnelquerschnitt oder die Ausrüstungselemente, wird die gesamte Anordnung neu generiert. Gegenüber der konventionellen Planung findet die Projektierung also in einer Datenbank und nicht in einem Planungsmodell mit grafischer Oberfläche statt – es wird hauptsächlich programmiert, nicht konstruiert. Die Ausgabe eines Plans (2-D oder 3-D) wird als grafische Auswertung des Datenbankmodells verstanden. Bewerkstelligt wird die BIM-Planung mit einem Revit-Modell, die Automatisierung von sich wiederholenden Arbeitsschritten (z. B. die Anordnung der Querschnittselemente) erfolgt mittels Dynamo-Script. So entsteht eine sechsdimensionale BIM-
­Planung; derzeit auf Fertigstellungsgrad LoD 200/3003.

Infrastrukturprojekte haben in der Regel eine lange Projektierungszeit. Es ist auch noch nicht klar, ob und wann der Tunnel Bypass Luzern tatsächlich gebaut wird. Können die Beteiligten trotzdem schon etwas aus dem BIM-Pilotprojekt mitnehmen? «Wir konnten Erfahrungen sammeln und die Ergebnisse nun als konzep­tionelle Grundlage für andere Projekte nutzen», sagt Christian Eugster. Am Anfang sei die Planung mit BIM sehr aufwendig und zeitintensiv gewesen.

Eine Umstellung für alle Beteiligten sei auch, dass Ent­scheidungen deutlich früher als im konventionellen Planungsprozess getroffen werden müssen. Sind diese Entscheidungen allerdings gut überlegt und fliessen sie rechtzeitig ins Modell ein, entsteht gegen Ende des ­Projekts weniger Aufwand als bisher.

Für Christian Eugster wird dennoch auch die Bauphase interessant sein. Dabei gehe es nicht nur darum, die Modelle zum Beispiel als Montageunterstützung einzusetzen, sondern auch um den umgekehrten Weg: die Informationen von der Baustelle zu erhalten und diese weiter zu nutzen. So sollte es laufend möglich sein, den aktuellen Arbeitsstand, Materialverbrauch etc. abzufragen und Fehler in der abschliessenden Doku­mentation zu vermeiden. Diese Vorteile gelten natürlich auch für die Bauherrschaften, die zum Beispiel ständig über den aktuellen Kostenstand und die Termin­einhaltung informiert sind.

Digitale Daten maximal nutzen

Auf die verschiedenen Bau- und Verkehrsphasen und oft vielen BSA-Provisorien bei grossen Infrastrukturprojekten angesprochen, erläutert Christian Eugster: «Wir fokussieren im Moment auf ein Objekt, um Schritt für Schritt herauszufinden, welche Daten wir brauchen und welches Vorgehen sinnvoll ist.» Zunächst ist es von Vorteil, wie im Fall Tunnel Bypass mit einem Neubau zu beginnen, da sonst bereits an erster Stelle die Frage steht, ob die bestehenden Elemente aufgenommen ­werden bzw. in welcher Tiefe sie im Modell abgebildet werden müssen. Ähnlich verhält es sich mit den wechselnden Bau- und Verkehrsphasen und den damit verbundenen Provisorien oder redundanten Systemen.

Weitere Punkte, die noch zu klären sind, sind die Einbindung der Modelle auf Objektebene in die übergeordneten Transitleitungen und die Übertragung der parametrisierten Projektdaten in die Erhaltungssysteme der Infrastruktureigentümer. Letztere sind hier gefordert.[4] Sie müssen herausfinden, welche Daten sie in welcher Phase benötigen. «Die Bauherrschaften sind noch nicht so weit, dass es klare Vorgaben an die Planer gibt, das heisst, es sind weder verbindliche Programme vorgeschrieben noch die Tiefe der Datenangaben definiert», sagt Christian Eugster. Die technische Umsetzung der Zielvorgaben aus der digitalen Strategie scheint für ihn machbar zu sein, wobei generell auf die Planungsbüros grössere Herausforderungen zukommen werden, da parallel zum heutigen Mitarbeiterbestand Kompetenz im Bereich der Informatik aufgebaut werden muss. Bis sich aber ein «neuer» Planungsprozess etabliert hat, dauert es wahrscheinlich noch einige Jahre.


Anmerkungen:
[01] Ein offizielles BIM-Pilotprojekt wurde vom Astra erstmals beim Gotthard-Strassentunnel ausgeschrieben. Neben der konventionell erfolgenden Gesamtplanung werden eine Zentrale sowie ein 1 km langer Muster­abschnitt des Tunnels als BIM-­Objekte geplant.
[02] www.bypasslu.ch
[03] Fertigstellungsgrade: LoD 100 konzeptionelle Darstellung, LoD 200 Dimension und Grösse massgeblicher Bauelemente, LoD 300 ausschreibungsreife Angaben mit Spezifikationen, LoD 400 fabrikationsreife Ausführungsplanung, LoD 500 Dokumentation des ausgeführten Elements.
[04] Das «BIM-Labor» des Astra führt gegenwärtig
Planungstests mit verschiedenen Plattformen und Programmen durch. Der Fokus liegt dabei auf einer 3-D-BIM-Planung mit informierten Objekten. Ziel ist, Erfahrungswerte zu sammeln und parametrisierte Projektdaten für eine spätere Übernahme in die eigenen Erhaltungssysteme zu strukturieren.

TEC21, Fr., 2019.05.24

24. Mai 2019 Daniela Dietsche

4 | 3 | 2 | 1