Editorial
Und plötzlich sorgen sich alle wieder um das Thema `Wohnen´. Eigentlich ein Grundbedürfnis (der Schutz vor der Witterung), war die Wohnungsfrage zumindest in Deutschland viele Jahre lang von der politischen Agenda so gut wie verschwunden, ehe sie mit dem Flüchtlingsstrom im Sommer 2015 `wie aus dem Nichts´ wieder auftauchte.
Wer jedoch schon früher, zumal in den prosperierenden Ballungsgebieten, genauer hingeschaut und den Rückzug des Staats und der Kommunen aus dem Wohnungsbau beobachtet hatte, konnte eigentlich erahnen, dass das so nicht gut (aus)gehen könnte …
Jetzt wird also allerorten wieder über Engpässe in der Wohnraumversorgung, über zu beseitigende Bauvorschriften, neue Förderungsoptionen tiny houses und natürlich ganz allgemein über Quantitäten gesprochen. Wir von domus reden (auch) in dieser Ausgabe vor allem über Qualitäten - und über Vielfalt. Zum Beispiel beim Neuen Henninger Turm in Frankfurt am Main von Meixner Schlüter Wendt Architekten (S. 58-67): Nicht bloß ein weiterer extraschlanker Wohnturm für Superreiche, wie sie derzeit vor allem in New York City aus dem Boden schießen, sondern ein Musterbeispiel dafür, dass verdichtetes Bauen und Grundrissvielfalt ebenso wenig ein Widerspruch sein müssen wie Lokalkolorit und eine moderne Architektursprache. Das Gleiche lässt sich übrigens auch über das `Wohnen an der Altmühl´ in Eichstätt von Behnisch Architekten sagen (S. 80–87).
Dass die Wiederannäherung an einen historischen Stadtraum die gestalterische Fantasie nicht zwangsläufig einschränken muss, sondern im Gegenteil sogar zu exquisiten Lösungen anregen kann, beweisen die Kronprinzengärten in Berlin, für die Tchoban Voss Architekten den städtebaulichen Rahmen vorgegeben und fünf Häuser selbst entworfen haben (S. 88–95). Bautechnisch gewagt, formal beinahe eklektizistisch lösten Hans Kollhoff und Alexander Pols die Aufgabe, am Stadionplein in Amsterdam mit dem sogenannten Zuidblok einen neuen Stadtbaustein einzufügen, der unter anderem als Hotel genutzt wird (S. 96–101).
Ebenfalls dem Wohnen auf Zeit dient das Tsingpu Yangzhou Retreat `The Walled´ von Neri&Hu, ein Resort, das die Tradition chinesischer Hofhäuser aufgreift (S. 102–109). Für den privaten Rückzug haben Pezo von Ellrichshausen mit den Häusern Loba und Rode in Chile zwei sehr ungewöhnliche Refugien geschaffen (S. 68–79). Den Abschluss unserer virtuellen Reise durch die Welt des Wohnens bildet das Privathaus Kirschgarten in Binningen, Schweiz, von Buchner Bründler Architekten: Wie dort Innen- und Außenraum miteinander korrespondieren, ist absolut sehenswert (S. 110–117).
Die nächste deutsche domus-Ausgabe erscheint am 13. Dezember.