Editorial

Die Sonne liefert Energie frei Haus! Auch wenn diese Erkenntnis nicht neu ist und obschon die Kosten für Photovoltaikmodule seit Jahren sinken, wird in der Schweiz immer noch deutlich weniger Solarenergie produziert, als technisch und wirtschaftlich machbar und für eine erfolgreiche Energiewende erforderlich wäre.

Wissenschaftler beschäftigen sich deshalb zurzeit intensiv mit der Frage, wie man möglichst viel Photo­voltaik ins Gebäude bringen kann – integriert in die gesamte Gebäudehülle. Entscheidend ist ­dabei vor allem, die Potenziale bei den unzähligen Bestandsbauten auszuschöpfen, die es in den kommen­­den Jahren energetisch zu ertüchtigen gilt und die für eine konsequente Umsetzung der Energieziele eine architektonische und baukulturelle Herausforderung darstellen.

Dieses Heft widmet sich zum einen den Möglich­keiten von gebäudeintegrierter Photovoltaik (BIPV) im Rahmen von Stadterneuerungsprozessen, zum anderen den technischen und ästhetischen Fragen, die es in diesem Bereich zu beantworten gilt. Architekten, Wissenschaftler und Her­steller ver­suchen gemeinsam, eine neue Ausdrucksform für BIPV zu entwickeln und ihr so zu breiter Akzeptanz zu verhelfen. TEC21 hat sich bereits in den Ausgaben 46–47 und 48/2017 mit der Thematik befasst.

Die heutigen technischen Möglichkeiten erlauben eine enorme individuelle Gestaltungsfreiheit für Photovoltaikelemente, deren ästhetische Vielgestalt wiederum eine fast beliebige Anwendungsvielfalt eröffnet – künftig sind sie wohl sogar als bedruckte Werbefläche am Gebäude einsetzbar. Wir befinden uns zwar erst am Anfang dieser neuen Entwicklungen, aber hier scheint einiges an Potenzial für die «Energiehülle» der Zukunft zu liegen.

Viola John

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Ausschreibungen | Bestechend logisch

11 PANORAMA
Gesunde Innenräume für die Zukunft | Visionäre und Alltagshelden

14 ESPAZIUM – AUS UNSEREM VERLAG
Fotoreportage: Brasília

16 FIRMEN UND PRODUKTE
Neues für die Gebäudehülle

17 WEITERBILDUNG

18 SIA
Wohnen szenografisch und soziologisch | Gebäude produzieren oder Orte für Menschen? | Tagung zum Rückbau von Kernkraftwerken | SIA-Form Fort- und Weiterbildung

22 VERANSTALTUNGEN

THEMA
24 ENERGIEHÜLLE – BIPV AUF DEM VORMARSCH

24 SOLARE PERSEPKTIVE
Viola John
In der Schweiz könnte bis zu einem Drittel des Strombedarfs über Photo­voltaik gedeckt werden. Derzeit werden die Potenziale von gebäude­integrierter Photovoltaik für Bestands­bauten erforscht.

28 NEUES FARBENSPIEL
Stephen Wittkopf
Unter dem Motto «Schön viel Strom produzieren» arbeiten Schweizer Wissenschaftler an archi­tektonisch ansprechenden Lösungen für die gebäudeintegrierte Photovoltaik.

AUSKLANG
34 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Solare Perspektive

100 % Stromversorgung aus erneuerbarer Energie – das ist machbar! In der Schweiz könnte bis zu einem Drittel des jährlichen Strombedarfs über Photovoltaik gedeckt werden. Zurzeit werden die Möglichkeiten für eine Gebäudeintegration von Photovoltaik im Rahmen von Stadterneuerungsprozessen im Bestand untersucht.

Die Städte von morgen sind schon heute gebaut. Ein Grossteil des aktuellen Gebäudeparks der Schweiz sowie anderer europäischer Länder wird voraussichtlich auch in gut 30 Jahren noch stehen. Da bis dahin die Schweizer Ziele der Energiestrategie 2050[1] umgesetzt und der Gebäudebestand energetisch ertüchtigt beziehungsweise selbst zum Erzeuger von ökologisch verträglichem Strom werden sollen, spielen Stadterneuerungsprozesse eine wesentliche Rolle für die zukünftige Entwicklung. Sollen Gebäude zu Kraftwerken werden, stellt die Nutzung von Photovoltaik (PV) im und am Gebäude eine vielversprechende Möglichkeit dar, um Bestandsbauten zu optimieren und fit für die Zukunft zu machen.
Auf dem Weg zur wichtigsten Stromquelle

Gemäss International Energy Agency (IEA) wäre es problemlos machbar, in der Schweiz einen Drittel des jährlichen Strombedarfs über PV-Anlagen zu decken.[2] Eine aktuelle gemeinsame Studie der finnischen Lappeenranta University of Technology (LUT) und der internationalen Energy Watch Group (EWG) legt sogar nahe, dass eine weltweite Energiewende hin zu 100 % erneuerbarer Stromversorgung – mit einem Schwerpunkt auf Solarenergie – keine Zukunftsvision, sondern greifbare Realität ist (vgl. «Globales Energiesystem, basierend auf 100% erneuerbarer Energie – Stromsektor», Kasten).[3] Darüber hinaus entwickelt sich momentan die PV-Technologie in vielen Ländern zur wirtschaftlich günstigsten Möglichkeit, Energie zu erzeugen.[4] Der Wettbewerb bei den Herstellern von Solarmodulen lässt seit Jahren die Preise sinken – und laut Prognosen der IEA wird Solarstrom in Zukunft noch günstiger produziert werden können als heute. Für eine globale solare Energiewende sind dies ökonomisch gute Voraussetzungen.

PV integriert in die Gebäudehülle

Wirtschaftlich vorteilhaft können insbesondere Building Integrated Photovoltaics (BIPV) sein – gebäudeintegrierte PV-Anlagen. Als Aussenhaut angewendet bieten sie nicht nur den Vorteil der Energieerzeugung, sondern bilden mittlerweile durchaus eine ökonomisch wettbewerbsfähige Alternative zu herkömmlichen Hüllmaterialien für Fassaden und Dächer. Zu diesem Ergebnis kommt das Forschungsteam eines von der Europäischen Union geförderten Kooperationsprojekts nach Abschluss der Testphase für ein Bürogebäude in Litauen.[5] Darüber hinaus ermöglicht BIPV eine grossflächige Nutzung von PV am gesamten Bauwerk. Eingesetzt als Hüllmaterial und dezentraler Stromerzeuger zur Gewinnung regenerativer Energie kann BIPV gleichzeitig den Einsatz von Baustoffressourcen und fossiler Energie sowie den Ausstoss von Treibhausgasen im Bausektor reduzieren. BIPV-Systeme bieten somit eine potenzielle Antwort auf viele Herausforderungen der Energiewende.

Bestandsbauten profitieren von BIPV

Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung des Labors für Architektur und nachhaltige Technologien (LAST) der EPF Lausanne geht in einem aktuellen Forschungsprojekt sogar davon aus, dass es für das Erreichen der Ziele der Schweizer Energiestrategie 2050 unverzichtbar ist, energetische Sanierungsprojekte mit der Integration von erneuerbaren Energien – insbesondere in Form von BIPV – zu kombinieren. Das Dämmen der Gebäudehülle allein genügt nicht. Vielmehr sollten BIPV-Systeme als Baustoff verstanden und wie jedes andere Hüllmaterial eingesetzt werden, sodass sie idealerweise herkömmliche Materialien der Gebäudehülle sukzessive konstruktiv ersetzen.

Um Möglichkeiten und Strategien zur Bestandssanierung mit BIPV-Systemen zu untersuchen, analysieren die Wissenschaftler im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds SNF geförderten Forschungsprojekts «Active Interfaces»[6],[7] in Neuenburg derzeit exemplarisch archetypische Mehrfamilienhäuser aus verschiedenen Baujahren hinsichtlich ihres Potenzials für eine solare Stadterneuerung.[8] Neben dem Baujahr fliessen unter anderem auch Informationen über den Standort sowie über die Eignung von Dach und Fassade für BIPV und etwaige Denkmalschutzauflagen in die Analyse ein.

Ausserdem werden verschiedene Sanierungsszenarien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit miteinander verglichen:

– Keine BIPV (S0): In diesem Szenario wird die energetische Performance der Gebäudehülle lediglich durch passive Strategien nach den Anforderungen der SIA 380/1 2016 verbessert, auf PV am Gebäude wird gänzlich verzichtet.
– Erhalt (S1): In diesem Szenario wird das Aussehen des Gebäudes bewahrt, die Gebäudehülle nach SIA 380/1 2016 verbessert und BIPV an Dach und Fassaden eingesetzt.
– Erneuerung (S2): In diesem Szenario werden die architektonisch prägenden Linien der Hülle erhalten, das Gebäude energetisch auf Minergie-Standard gebracht und BIPV an Dach und Fassaden installiert.
– Transformation (S3): In diesem Szenario wird das Gebäude konform mit den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft saniert und BIPV für eine maximale Stromerzeugung am Gebäude vorgesehen. Hierfür sollen vorgefertigte, wärmegedämmte Elemente als hinterlüftete Fassade vor die bestehende Wand gehängt werden. In die opaken Bauteile wird BIPV integriert.

Innerhalb der drei Szenarien mit BIPV wird nochmals unterschieden in drei verschiedene Strategien:

– 100 % der Gebäudehüllfläche als BIPV,
– nur so viel anteilige BIPV-Hüllfläche, wie zur Deckung des Eigenenergiebedarfs des Gebäudes erforderlich ist,
– die anteilige BIPV-Hüllfläche mit einer zusätzlichen Batterieunterstützung für Optimierungen im Energiemanagement.

Erste Ergebnisse legen nahe, dass die drei Sanierungsszenarien mit BIPV im Vergleich zum Szenario ohne BIPV allesamt besonders kosteneffizient sind. Auch hinsichtlich Einsparungen des Treibhauspotenzials und der grauen Energie bieten die BIPV-Szenarien Vorteile.

Ästhetik im Wandel

Einiges spricht also dafür, BIPV bei der Bestandssanierung einzusetzen. Auch die technisch und ästhetisch entsprechend hohen Anforderungen an das Material werden schon heute von vielen auf dem Markt erhältlichen Produkten erfüllt. Photovoltaikmodule können mittlerweile in Vorhangfassaden, Fenster oder Dachziegel integriert und farblich nach Belieben gestaltet werden (vgl. «Rot ist gefragt», Kasten unten, und «Neues Farbenspiel»). So sind mit BIPV individuelle Erneuerungsstrategien von Bestandsbauten in Abhängigkeit von der jeweiligen Gebäudetypologie, den architektonischen Gestaltungszielen und dem Interventionsgrad umsetzbar.

Allerdings hätte der konsequente Einsatz von BIPV an sämtlichen Bestandsbauten zur Folge, dass sich ganze Stadt- und Ortsbilder in ihrer Ästhetik radikal wandeln würden. %%gallerylink:41747:Die Abbildung rechts%% veranschaulicht, wie sich die ertragsorientierte Integration von Photovoltaik auf das Aussehen der Fassaden von Bestandsbauten auswirken könnte. Insbesondere bei baukulturell bedeutenden Bauwerken stösst man hier noch immer an Grenzen – Wunsch und Wirklichkeit liegen mitunter weit auseinander. Wenn BIPV sich in Zukunft auch bei solchen Bauwerken durchsetzen soll, sind Architekten, Forscher und Hersteller von PV-Modulen weiterhin gefordert, gemeinsam individuelle und ästhetisch ansprechende Lösungen hierfür zu entwickeln.

Autark oder altruistisch in die Zukunft?

Letztendlich stellt sich allerdings auch die Frage, wohin die Reise der gebäudeintegrierten Photovoltaik in Zukunft gehen soll: Ist es sinnvoll und erforderlich, dass jedes Gebäude für sich genommen energieautark ist, um die Energieziele zu erreichen? Zielführender könnte es sein, in urbanen Energieclustern zu denken und damit dann auch flexibler über den Einsatz von BIPV im Stadtraum und am individuellen Bauwerk zu entscheiden (vgl. «Mein Haus ist mein Kraftwerk»).

Während exemplarische Betrachtungen des BIPV-Potenzials einzelner Bestandsgebäude eine wichtige Grundlage in der Forschung darstellen und das Durchspielen von Szenarien im kleinen Massstab ermöglichen, ist es wichtig, die gewonnenen Erkenntnisse in der Folge auch auf grössere Stadträume anzuwenden. So können Potenziale von BIPV innerhalb von urbanen Energieclustern und in Kombination mit anderen erneuerbaren Energietechnologien identifiziert werden. Werden dabei ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Aspekte gleichwertig berücksichtigt, kann BIPV im Rahmen von Stadterneuerungsprozessen auch im Bestand eine nachhaltige Perspektive für die Zukunft bieten.


Anmerkungen:
[01] Bundesamt für Energie BfE: Energiestrategie 2050; Zürich 2014.
[02] International energy agency IEA: Potential for Building Integrated Photovoltaics, Report PVPS T7-4; Switzerland 2002.
[03] M. Ram et al.: Global Energy System based on 100% Renewable Energy-Power Sector. Study by Lappeenranta University of Technology and Energy Watch Group; Lappeenranta, Berlin, November 2017.
[04] International Energy Agency IEA: World Energy Outlook 2017.
[05] SmartFlex Solarfacades: EU SmartFlex project finishes reference solar façade; www.smartflex-solarfacades.eu/press
[06] www.activeinterfaces.ch/de
[07] www.pnr70.ch/de/Seiten/Home.aspx
[08] S. Aguacil Moreno, S. Lufkin, E. Rey: Influence of energy-use scenarios in Life-Cycle Analysis of renovation projects with Building-Integrated Photovoltaics; International Conference for Sustainable Design of the Built Environment SDBE; London 2017.

TEC21, Fr., 2018.06.15

15. Juni 2018 Viola John

Neues Farbenspiel

Unter dem Motto «Schön viel Strom produzieren» arbeiten Schweizer ­Wissenschaftler an architektonisch ansprechenden Lösungen für die gebäudeintegrierte Photovoltaik. Ein PV-Experte der Hochschule Luzern stellt aktuelle Forschungsergebnisse vor.

Photovoltaikfassaden und -dächer sind technisch herausfordernd, weil hier bisher unabhängige Disziplinen, Standards, Akteure und Entwicklungen zusammenkommen oder eher aufeinandertreffen. PV-Strom in der Gebäudehülle ist eher selten, den nötigen Platz für Kabel und Leistungselektronik einzuräumen erfordert höheren Planungsaufwand. Für Gebäudehüllen und PV-Module gibt es verschiedene, teils widersprüchliche Standards und Normen, die nur langsam zusammenfinden. Architekten müssen nicht nur mit Fassadenplanern, sondern auch mit PV-Modulherstellern und Energieversorgern reden, und die schnellen Entwicklungen in der PV-Technologie machen es schwer, sich zu entscheiden.

Dennoch nehmen immer mehr Architekten diese Herausforderung an. Zum einen, weil es die Bauherren wollen, und zum anderen, weil sich innovative Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. Das Raumplanungsgesetz erschwert den Bau von PV-Freiflächenanlagen, und so können die hohen Ziele der Energiestrategie 2050 nur erreicht werden, wenn die Photovoltaik in die Gebäude integriert wird. Doch auch dort ist es schwierig: Nachbarn blockieren Anträge, weil sie potenzielle Reflexionen oder den schwarz-blauen Einheitslook ablehnen. Bei schützenswerten Gebäuden kritisiert die Denkmalpflege zu Recht die geringen Gestaltungsmöglichkeiten.

Diese kritische schweizerische Haltung ist eigentlich ein Segen, denn sie hat die Photovoltaik weiterentwickelt, nicht nur effizienter und günstiger, sondern vor allem auch «schöner» zu werden. Graduelle Effizienzsteigerungen und Kostenreduktionen nützen nichts, wenn das PV-Dach oder die PV-Fassade aus gestalterischen Gründen abgelehnt wird. Deshalb werden PV-Module immer öfter hinter Farben und neuen Oberflächen «versteckt». Schweizer Spitzenforscher wie Michael Grätzel und Christophe Ballif von der EPFL haben innovative Technologien entwickelt, mit denen PV-Module farbig werden. Die Hochschule Luzern nutzt digitale Drucktechnologien, um mehrfarbige Frontgläser für jede Art von PV-Modulen zu produzieren.

Unter dem Motto «Schön viel Strom produzieren» werden Frontgläser mit individuellen farbigen Motiven energetisch optimiert hergestellt. Zusammen mit dem Technologietransferpartner ÜserHuus konnten mittlerweile verschiedene Pilot- und Demonstrationsprojekte mit farbigen PV-Modulen realisiert werden. Und mit Unterstützung der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (Supsi) werden farbige PV-Module nun zertifiziert. Nationale Forschungsprogramme wie das NFP 70 «Energiewende» des Schweizerischen Nationalfonds SNF[1] sowie das Swiss Competence Center for Energy Research (SCCER)[2] der InnoSuisse fördern diese Entwicklung durch nationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Transparenz reduziert Leistung

Transparente PV-Module werden im Fensterbereich eingesetzt, wo Verschattung, Durchsicht und Stromproduktion gleichermassen erwünscht sind. PV-Zellen durchsichtig zu machen ist eigentlich ein Widerspruch, denn mit der Transparenz nimmt ihre Leistung ab.

Die Dünnschicht-PV-Technologie kann zwar so dünn auf Glas aufgetragen werden, dass sich eine Transparenz ergibt, bei näherer Betrachtung ist sie aber nur eine Semitransparenz aus kleinen grau transluzenten Zellen mit schmalen transparenten Zwischenräumen. Die störende Rasterung bei der Transparenz, die geringe Leistung von 4 bis 6 W/m2 sowie der hohe Preis der Spezialanfertigung führten dazu, dass die Zahl der Anbieter abgenommen hat.

Auch bei den kristallinen PV-Modulen, d. h. solchen mit den typischen quadratischen Zellen in Einheitsgrösse, versuchten Hersteller in der Vergangenheit, in diese Zellen Löcher zu stanzen, um sie transparenter zu machen, oder sie in kleinere Quadrate zu zerlegen. Interessanter sind da die organischen (Grätzel-)PV-Zellen, die schon transparent sind und farbig sein können, aber es ist nicht einfach, diese grundlegend neue Erfindung marktfähig zu machen. Kurzum, im heutigen PV-Modul-Markt dominieren die opaken kristallinen Zellen mit der quadratischen Einheitsgrösse. Eine Semitransparenz kann man nur durch grössere Abstände zwischen den Zellen erreichen, wobei man nicht vergessen darf, dass die elektrischen Zellverbinder in diesen Zwischenräumen störend wirken können.

Farbe vermindert Effizienz

Es gibt vielerlei Ansätze, PV-Module farbig zu gestalten, aber bislang nur wenige gebaute Projekte und noch weniger dokumentierte Langzeiterfahrung. Man kann Zellen und Folien einfärben, was technisch recht anspruchsvoll ist. Durch die Dickenänderung der transparenten leitenden Schicht (TCO) auf der PV-Zelle lassen sich Farbeffekte erzielen, deren Vorhersehbarkeit aber kaum gegeben ist. Ein anderer Ansatz sieht das Einfärben der Schmelzfolien oder das Einbringen von farbigen Streu- und Reflexionsfolien vor. Sie reflektieren verhältnismässig viel sichtbares Licht in verschiedenen Farben und lassen umgekehrt viel infrarotes Licht durch, für das die Zellen folgerichtig optimiert sind. Diese Folien gibt es nur in wenigen Farben, und sie reduzieren die Leistung um 30 bis 50%. Einen ähnlichen spektral selektiven Ansatz gibt es auch für die Beschichtung des Frontglases. Damit ergeben sich PV-Module in den typischen monochromatischen Farben, die mittlerweile in verschiedenen Projekten zum Einsatz kommen.

Parallel dazu hat sich der digitale keramische Farbdruck rasant entwickelt, der im Architekturglas bereits erfolgreich eingesetzt wird. Für den Einsatz mit PV-Glas ist das interessant, weil die digitale Ansteuerung kontrollierte dünne und transparente Farbschichten für Millionen von Farben ermöglicht. Daraus resultieren gleich mehrere Vorteile. Im Gegensatz zu den anderen Ansätzen können nun Bilder oder Muster mit mehreren Farben realisiert werden.

Ein anderer Vorteil liegt darin, dass die Verwendung des farbigen Glases nicht an eine bestimmte PV-Technologie gekoppelt ist. Bei jedem PV-Modul, das als Abdeckung ein Frontglas braucht, kann stattdessen ein farbiges Frontglas im Herstellungsprozess genommen werden. Das betrifft PV-Module mit kristallinen Zellen, die mehr als 80% des Markts ausmachen. Es schliesst aber auch zukünftige Module ein, die zwecks höherer Effizienz kristalline und Dünnschicht-Technologien kombinieren.

Über die Transparenz können der Lichtdurchlass der Farbe und damit die Leistung der PV-Zelle genau kontrolliert werden. Der Drucker kennt nämlich die unterschiedliche Dichte der verschiedenen keramischen Farben nicht, die beispielsweise bei Schwarz hoch und bei Blau niedrig ist. Würde man Schwarz also mit 50% Transparenzeinstellung drucken, käme viel weniger Licht durch, als wenn man Blau mit der gleichen Einstellung drucken würde. Das würde bei einem PV-Modul zu einem Kontrast führen, der das Modul leistungsmässig mindern oder sogar beschädigen kann. Dieser Effekt ist in der Branche als «Hotspot» gefürchtet.

In der zum Patent und Marke angemeldeten Methode «Meta-C-Print», die auch vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wurde[3], wurden Einstellungen für mehrfarbige Bilder entwickelt, mit denen man gezielt eine gewünschte Leistung ohne Hotspot-Effekt bekommt. Dies wurde mit dem Technologietransferunternehmen ÜserHuus in das Produkt «Swisspanel Solar» überführt, das über Glas Trösch kommerziell erhältlich ist. Für die PV-Module der Fassade «Swissness»[4] wurde beispielweise die relative Effizienz gegenüber einem unbedruckten PV-Glasmodul auf 80% eingestellt, die sich auch im Feld bestätigt hat. Hier kam ein Modul bestehend aus polykristallinen Zellen zum Einsatz, das mit unbedrucktem bzw. bedrucktem Glas eine Leistung 160 W/m2 bzw. ca. 128 W/m2 aktiver Fläche hat.

Reflexion stört Farbwahrnehmung

Bei PV-Modulen aus Glas kann man Reflexionen nicht ausschliessen. Das stört die Farbwahrnehmung, denn bei flachem Betrachterwinkel sieht man eher die spiegelnde Umgebung als die Farbe des Glases. Insofern kann man bei farbigem Glas nicht die matte Farbe eines RAL- oder NCS-Farbstreifens einfordern oder sie damit vergleichen. Besonders bei glattem Floatglas ist dieser Effekt stark vorhanden, er kann aber auch im Sinn der Entmaterialisierung der Oberfläche gewünscht sein. Bei strukturiertem Glas, d. h. solchem, das im weichen Zustand von einer Walze eine Struktur eingeprägt bekommen hat, ist die Spiegelung gebrochener. Am stabilsten wirkt die Glasfarbe bei satiniertem, mattem Glas. Dort ist der visuelle Eindruck über viele Betrachtungswinkel immer gleich. Wenn man zudem auch weniger störende Reflexionen für die Umgebung haben möchte, empfiehlt sich dieses Glas, wie man es an der PV-Brüstung am NEST-Gebäude der Empa nachvollziehen kann.[5]

Abmessungen für mehr Leistung

Im Gebäudebereich haben PV-Module aufgrund der verschiedenen Abmessungen in der Regel massgeschneiderte Grössen. Auch wenn grosse Flächen mit Standardgrössen gefüllt werden können, erfordert der Randabschluss individuell angepasste Masse. In jedes Modul möchte man dann möglichst viele Zellen packen, um viel Strom zu produzieren. Wenn man beispielsweise eine Fläche von 2.5 × 2.5 m mit PV-Modulen bedecken will, würde man sie der Einfachheit halber in vier gleichgrosse quadratische Module aufteilen. In diese Quadrate passen dann je 7 × 7 = 49 Zellen hinein, insgesamt also 196 Zellen. Man kann die Abmessungen aber leistungsmässig optimieren. Ein solches Quadrat mit 7 × 7 Zellen hat einen ca. 8 cm grossen Rand, zu wenig für eine neue Zellreihe. Den Rand könnte man dem benachbarten PV-Modul zuschlagen, weswegen dort nun eine Zellenreihe mehr passen würde. Damit könnte die gleiche Fläche statt 196 nun 225 Zellen enthalten. Das entspricht einer möglichen Leistungssteigerung von 15%.
Mehrkosten vs. ökologische Gewinne

Ein individuell farbig bedrucktes PV-Frontglas, wie es für die PV-Fassade «Swissness» und für die PV-Brüstung am NEST-Gebäude verwendet wurde, kostet noch zwischen 100 und 150 Fr./m2, egal welche PV-Technologie eingesetzt wird. Die fertigen PV-Module für Dach und Fassade kosten dann zwischen 300 und 600 Fr./m2. Dazu kommt der Planungsaufwand zur einmaligen Aufbereitung der Druckdatei nach der «Meta-C-Print»-Methode. Die angegebenen Mehrkosten sind grobe Richtpreise, die je nach Anforderungen stark variieren können. Diesen Mehrkosten stehen jedoch ökonomische und ökologische Gewinne durch die Produktion und Nutzung von sauberem Strom gegenüber.
Weiterbildung ist unerlässlich

Wer PV-Fassaden und -Dächer entwerfen und bauen möchte, dem bieten sich heute viele Möglichkeiten, architektonische Aspekte wie Farbe und Oberfläche individuell zu entwerfen und umzusetzen. Wie zum Beispiel beim Haus «Solaris» in Zürich von huggenbergerfries Architekten (vgl. «Seismograf des Himmels», TEC21 48/2017), dessen reflektierende farbige Fassade an die Lichtbrechungen auf bewegtem Wasser erinnert.[6] Viele Architektinnen und Architekten wissen aber nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn sie eine farbige PV-Fassade oder ein PV-Dach planen. Glashersteller, PV-Modulhersteller und Fassadenbauer können jeweils für ihren Bereich Auskunft geben, aber wie die einzelnen Komponenten dann im Projekt gestalterisch und elektrisch zusammenwirken, lässt sich oft nur über zeitraubende und kostspielige Versuche klären. Für Architekturschaffende ist es daher unerlässlich, sich auf diesem Gebiet immer wieder weiterzubilden.[7]


Anmerkungen:
[01] www.activeinterfaces.ch
[02] www.sccer-feebd.ch
[03] www.nfp70.ch/de/News/Seiten/180205-news-nfp70-von-proof-of-concept-zum-marktreifen-produkt.aspx
[04] www.hslu.ch/umweltarena
[05] www.hslu.ch/nest-PV
[06] vimeo.com/266097918
[07] Die Hochschule Luzern, die EPF Lausanne und das CSEM waren bei allen Pilot- und Demonstrationsprojekten in der Schweiz massgeblich beteiligt. Ihre Erfahrungen bieten sie nun in einem Weiterbildungskurs «Farbige PV-Module» an. Dort kann jede/-r Teilnehmende unter Anleitung ein eigenes farbiges PV-Modul entwerfen, bauen und testen. Mehr Info auf www.hslu.ch/w142

Informationen zum solaren Bauen finden sich auch in TEC21 46–47/2017 «Photovoltaik I – die Architektur» und TEC21 48/2017 «Photovoltaik II – die Komposition».

TEC21, Fr., 2018.06.15

15. Juni 2018 Stephen Wittkopf

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