Editorial
Verehrte Leserinnen und Leser,
gestatten Sie mir, dass ich mich zunächst kurz vorstelle, bevor ich den Frauen das Podium überlasse, die im Mittelpunkt dieser Ausgabe stehen. Mein Name ist Oliver G. Hamm, ich bin der neue Chefredakteur der deutschen Domus, übrigens der erste männliche nach meinen geschätzten Vorgängerinnen Sandra Hofmeister (anfangs gemeinsam mit Isabella Marboe) und zuletzt Nancy Jehmlich, die an der Konzeption dieser Ausgabe noch wesentlich mitgewirkt hat. Die eine oder der andere von Ihnen wird mich noch aus meiner Zeit als Redakteur der Bauwelt (1992 – 1998) und als Chefredakteur des Deutschen Architektenblatts (2000 – 2007) kennen. In den letzten zehn Jahren war ich freier Autor, unter anderem für die deutsche Domus (seit der zweiten Ausgabe). Nun freue ich mich auf meine neuen Aufgaben beim - das darf ich wohl ohne zu übertreiben behaupten - berühmtesten Architektur- und Designmagazin der Welt.
Doch nun zum Themenschwerpunkt `Frauen´. Die Idee dazu entstand, als ich Nancy Jehmlich eine Rezension der Ausstellung `Frau Architekt´ vorschlug, die Sie in dieser Ausgabe auch finden werden. Wir stellten fest, dass es höchste Zeit sei, die Architektur- und auch die Designszene mal aus der weiblichen Perspektive zu betrachten.
Wenngleich Frauen in den letzten Jahren aufgeholt haben und unter den Architekturstudenten in Deutschland sogar schon mehr als die Hälfte weiblich ist, wird die Welt weiterhin überwiegend von Männern gestaltet. Eine Erhebung der Bundesarchitektenkammer aus dem Jahr 2016 weist unter den freischaffenden Architekten einen Frauenanteil von gerade mal knapp 22 Prozent nach - und auf der Führungsebene in Bauämtern, aber auch bei Kammern und Verbänden, sieht es noch schlechter aus. Das gilt in ähnlicher Weise auch für den Designbereich - und ebenso für die mediale Wahrnehmung in Tageszeitungen, Fachzeitschriften und Magazinen sowie bei Kongressen und Ausstellungen, bei denen meistens sehr viel mehr Männer als Frauen im Rampenlicht stehen. Ausnahmen wie die 2016 verstorbene Zaha Hadid bestätigen nur die Regel.
In dieser Ausgabe werden Sie eine ganze Reihe von Frauen finden, die als Solistinnen oder als Teil eines Teams (wie einer Architekten-Partnerschaft, bei der Frauen meist dem männlichen Part die Rolle des `Außenministers´ überlassen) Herausragendes geschaffen haben. Etwa Hella Jongerius, die einen anderen Blick auf Farbe als `eine der elementarsten Designfacetten´ wirft. Oder Pattie Maes, die am MIT Media Lab die Forschungsgruppe Fluid Interfaces leitet. Eva Steidl porträtiert gleich eine ganze Reihe von Designerinnen im Mittleren Osten, die im November 2017 auf der Dubai Design Week ihre Arbeiten präsentierten. Und Uta Brandes stellt die ganz überwiegend weiblichen Preisträger des erstmals vergebenen iphiGenia Gender Design Award vor.
Im Projektteil dieser Ausgabe finden Sie, wie immer, besonders bemerkenswerte Bauwerke, die diesmal ausnahmslos von Architektinnen (mit-)verantwortet wurden. Dea Ecker hat in Buchen (Odenwald) einen feinen Pflegeheim-Erweiterungsbau und den sogenannten Hangar XS errichtet, Gesine Weinmiller das Amtsgericht in Erkelenz und Amanda Levete das Museum für Kunst, Architektur und Technologie in Lissabon. Sheila O’Donnell war am Entwurf der Central European University in Budapest beteiligt, Marianne Burkhalter am Apartmenthaus Wannenholz in Affoltern und Caroline Fiechter am Schulhaus Hünenberg, beide in der Schweiz. Beate Hølmebakk schuf - als Partnerin des Büros Manthey Kula - das Terminal des Fährhafens Forvik in Norwegen.
Ich wünsche Ihnen viel Muße beim Eintauchen in die weiblich geprägte Welt der Gestaltung. Die nächste Domus-Ausgabe erscheint am 1. März 2018.
Oliver G. Hamm