Editorial
`That’s right, you sit there and think about what you have done.´ Das waren die
letzten Worte, die der Architekt des Hochhauses zu hören bekam: In dem letzten architekturrelevanten Film `High-Rise´ wird er anschließend umgebracht, denn sein Gesellschaftsentwurf eines autonomen Hochhauses mit Bewohnern aus verschiedenen Gesellschaftsschichten endet in totaler Anarchie. In einer Ausgabe von Domus, die dem Thema Hochhäuser gewidmet ist, sollte man `High-Rise´ nicht unerwähnt lassen. In der Romanverfilmung werden die Vorzüge von Hochhäusern bildstark dargestellt, aber auch die Ängste, die sie evozieren. Den zahlreichen Serviceangeboten wie Schwimmbäder oder Müllschlucker steht das starke soziale Gefälle gegenüber, das sich in der vertikalen `Schichtung´ manifestiert: Die in den unteren Etagen sehen nie das Tageslicht, während die in den oberen Aussicht und Sonne genießen. Bei den Hochhäusern, die wir in dieser Domus-Ausgabe vorstellen, wird meist nur eine soziale Schicht angesprochen – die der Besserverdienenden.
Denn das Hochhaus erfuhr einen Imagewandel, von der anonymen `Platte´ als Lösung für die Wohnungsnot in der Nachkriegszeit zur exklusiven Eigentumswohnung als Kapitalanlage.
In dem 17–geschossigen Hochhaus Garden Tower bei Bern wird das Erlebnis der Höhe inszeniert. Die Architekten Buchner Bründler integrieren die Balkonbrüstung in ein großflächiges Edelstahlnetz, das sich über das gesamte Gebäude spannt. So bekommt man leicht das Gefühl, ohne Sicherung auf eine auskragende Plattform zu treten. Doch das wird sich bald ändern, denn das Netz dient als Kletterhilfe für Pflanzen.
In Köln ist man gerade dabei, das Gerling- Quartier zu sanieren. Mit dem Auszug des Konzerns wird das stadtnahe, vormals in sich geschlossene Areal nach dem Masterplan von Kister Scheithauer Gross in ein einladendes Wohn- und Geschäftsquartier umgewandelt. Teil des Viertels und Herzstück der Anlage ist das Gerling-Hochhaus. Früher wurde das Gebäude von der Versicherungsgruppe für Büros genutzt. Nun wurde es nach den Plänen von Kister Scheithauer Gross saniert und zum reinen Wohnhaus umgebaut.
Außerdem stellt Domus noch ein besonders spannendes Hochhausprojekt vor – sechs Wohntürme auf einem Hafengelände nördlich von Antwerpen. Dafür haben drei namhafte Architekturbüros jeweils zwei ähnliche, aber nicht identische Hochhäuser entworfen. Ein Turm der völlig anderen Art dagegen ist das Observatorium in dem französischen Örtchen Carrières-sous-Poissy. Hausähnliche Strukturen stapeln sich hier in die Höhe und bieten einen Panoramablick auf die parkähnliche Landschaft.
Schließlich hat unsere Autorin Kristina Jaspers noch einen wahren Schatz entdeckt – einen in seiner Gesamtheit unveröffentlichten Architekturwettbewerb aus den 1920er-Jahren: Der Vater des Production-Designers Ken Adam lobte damals einen Wettbewerb für sein Kaufhaus in Berlin aus und lud Architekten wie Peter Behrens, Hans Poelzig und Ludwig Mies van der Rohe dazu ein. Obwohl ein Sieger ermittelt wurde, kam es aufgrund der politisch und wirtschaftlich brisanten Lage nie zu einer Realisierung. Die eingereichten Entwürfe werden auf den nächsten Seite dieser Domus veröffentlicht.
Viel Freude beim Lesen und Entdecken des Heftes! Die nächste Domus-Ausgabe erscheint am 29. Juni 2017.
Nancy Jehmlich