Editorial
Aus bildungspolitischer Sicht bedeutet lebenslanges Lernen, die Menschen dazu anzuregen, sich eigenständig auch nach Ende ihrer Ausbildung fortzubilden. In der aktuellen Domus heißt es, wir lernen seit unserem ersten Tag auf dieser Welt. Es ist sogar so, dass wir in unserem ersten Lebensjahr so viel lernen wie danach nicht mehr. Also befähigen und unterstützen wir unsere Mitmenschen doch darin, in jeder Lebenslage zu lernen!
Das Kinderhaus Franziskus in Stuttgart von Kuhn und Lehmann Architekten ist ein schönes Beispiel dafür, wie wenig man den Kindern eigentlich vorzugeben braucht, damit sie zum Spielen und somit spielerisch zum Lernen angeregt werden. Es reicht eine weiße Wand oder eine Fläche voll Sand, und die Kinder finden ihre eigenen Ausdrucksmöglichkeiten, auf die wir als Erwachsene ohnehin nie gekommen wären. Diller Scofidio Renfro entwarfen für die Stanford University ein Gebäude, bei dem sich zwei Fachbereiche baulich in zwei Strängen kreuzen und wollen so neue Arten der Zusammenarbeit fördern. Die Bibliothek von Toyo Ito beflügelt das Lernen durch eine geschwungene, geflochtene Holzdecke mit überdimensionierten transluzenten Kuppeln, unter denen sich kleine, überschaubare Bereiche zum Zurückziehen, Studieren und Forschen auftun. Eine weitere Lösung, um das Lernen und Lehren angenehm zu gestalten, haben Florian Beigel und Philip Christou vorgeschlagen. Sie holen mit ihrem Entwurf urbane Strukturen in das Central House der Sir John Cass Faculty of Art, Architecture and Design in London. Und geben mit ihrer Referenz an die Stadt eine Orientierung vor, die den Nutzern vertraut ist und den Austausch zwischen den Gängen fördert. In der portugiesischen Stadt Ovar schließlich haben die Architekten Cannatà & Fernandes einen Schulneubau entworfen, dessen Räume wie in einem großen Schwung angeordnet sind - selbst die Flurwände folgen dieser dynamischen Bewegung. Ein abwechslungsreich angelegter Außenbereich und sehr viel Tageslicht sollen den nötigen Lernfluss begünstigen.
Des Weiteren stellt die deutsche Domus Themen vor, die uns nicht nur im übertragenen Sinn bewegen, sondern auch real – Bewegung ist das zentrale Motiv in den Fotografien von Martin Roemers. Seine Bilder zeigen das Leben in den Megacities. Um die Bewegung der Menschenmassen, das Tempo, die Hektik, das Chaos spürbar zu transportieren, benutzt Roemers sehr lange Belichtungszeiten. Der Bevölkerungszuwachs in den Städten stellt eine der größten Herausforderungen der Gegenwart dar. In direktem Zusammenhang damit steht der städtische Verkehr. Um dem adäquat zu begegnen, sind die großen Autohersteller schon seit Jahrzehnten am Forschen. Gefragt ist eine Lösung, die keiner fossilen Brennstoffe mehr bedarf. Eine, die sicheres Fahren gewährleistet, und vielleicht nicht eine autogerechte, dafür aber eine menschengerechtere Stadt schafft. Domus hat einen Blick nach vorn in die Forschungsabteilungen der Autohersteller geworfen. Einen Blick zurück werfen wir mit Alexander Neumeister: Er wurde vor allem durch die Gestaltung mehrerer Baureihen des ICEs, des Shinkansen und des Transrapids bekannt.
Für diejenigen, die zur Internationalen Möbelmesse nach Mailand fliegen, möge die City-Tour vom Grafikdesigner Italo Lupi am Schluss des Heftes ein Anreiz sein, die Stadt auch architektonisch kennenzulernen. Allen zusammen wünschen wir viel Freude beim Lesen des Heftes. Unsere nächste Ausgabe erscheint am 6. Mai 2016.
Nancy Jehmlich