Editorial
Die Öffentlichkeit ist an sehr unterschiedlichen Orten zu Hause. Der zentrale Stadtplatz in Siena ist ein solcher Ort: Er wird seit Jahrhunderten gemeinschaftlich genutzt, repräsentiert die stolze Geschichte der Stadt und bündelt öffentliche Einrichtungen in ihrem Zentrum. Doch nicht alle Orte, an denen Öffentlichkeit stattfindet, sind so vorbildhaft wie das Beispiel in der Toskana. Auch auf Parkplätzen von Shoppingmalls oder an Bushaltestellen in der Peripherie verdichtet sich manchmal das öffentliche Leben. Die Wahl der Orte, wo sich Menschen treffen, versammeln und verweilen, ist oft überraschend. Der Alltag eignet sich diese Orte einfach an und lässt sich dabei nicht immer vorab in die Karten blicken - auch nicht von Architekten und Stadtplanern.
Wir stellen in der November/Dezember-Ausgabe der deutschen Domus verschiedene Orte vor, die für die Öffentlichkeit geplant sind. Unser Schwerpunkt konzentriert sich auf lokale Beispiele aus dem deutschsprachigen Kulturraum, die wir wie gehabt mit internationalen Projekten ergänzen. Dass auch verlassene Plätze, die ursprünglich einmal der Gemeinschaft dienten, neu entdeckt werden könnten, zeigt sich in Blaibach im Bayerischen Wald. Der Ortskern der kleinen Gemeinde stand bis vor Kurzem leer und wurde nun durch die städtebauliche und architektonische Intervention des Münchner Architekten Peter Haimerl revitalisiert. Das kleine Dorf in der Oberpfalz hat seine Mitte wiederentdeckt. Sein Bürgerhaus liegt nun zentral gleich unterhalb der Kirche und neben der neuen Konzerthalle. Das Engagement vieler Einzelner hat dieses Gemeinschaftsprojekt möglich gemacht, vom Gemeinderat und Architekten bis zum Förderverein des Konzerthauses, von den Organisatoren des Kulturwald-Musikfestivals bis zu den Sponsoren und den Helfern auf der Baustelle. Von Beginn an war der Planungsprozess in Blaibach öffentlich und zunächst nicht unumstritten bei den Dorfbewohnern. Sie haben viel diskutiert, kritisiert und verhandelt, bis der Konzertsaal schließlich im September eröffnet wurde. Die Öffentlichkeit in Planungsprozesse mit einzubeziehen, war für Lina Bo Bardi selbstverständlich. Am 5. Dezember 2014 wäre die italienisch-brasilianische Architektin, die kurzzeitig auch stellvertretende Chefredakteurin von Domus war, 100 Jahre alt geworden. Wir widmen ihr in der deutschen Domus zum Geburtstag einen Schwerpunkt, der ihr Werk aus verschiedenen Perspektiven zeigt.
Vera Simone Bader, die Kuratorin der Ausstellung `Lina Bo Barde 100´ im Architekturmuseum der TU München, geht dem vielschichtigen Verhältnis Bo Bardis zur Öffentlichkeit auf den Grund - von den frühen Publikationen bis hin zu großen Planungsvorhaben wie dem SESC Pompéia in São Paulo. Viele Gebäude, die Bo Bardi auf unkonventionelle Art plante, sind öffentliche Gebäude wie das Teatro Oficina – ein legendärer Ort der bewegten brasilianischen Geschichte. José Celso Martinez Corrêa, Gründer der Theatergruppe und nach wie vor ihr Leiter, erinnert sich im Gespräch vor Ort zurück an die Zeiten mit Lina Bo Bardi, als sie gemeinsam Bühnenbilder entwarfen und den Umbau des Theaters umsetzten. Andere öffentliche Orte wiederum haben symbolischen Charakter wie der Four Freedoms Park auf Roosevelt Island in New York. Das Projekt von Louis Kahn wurde rund 40 Jahre nach dessen Tod fertiggestellt. Kenneth Frampton kommentiert die Bedeutung des Denkmals aus heutiger Sicht und blickt dabei skeptisch in die Zukunft. Ein Park ganz anderer Art - im lebendigen Alltag der Stadt verwurzelt - wurde kürzlich in Berlin-Kreuzberg mit seinem letzten Teilabschnitt eröffnet. Wir stellen Ihnen die vielfältige Landschaftsarchitektur des Parks am Gleisdreieck von Atelier Loidl vor.
Im Designteil dieser Ausgabe geht Maria Cristina Didero der Frage nach, weshalb sich heute nur wenige Designer zu Gruppen zusammenschließen. Sie erkundet dabei die Arbeitsweise des schwedischen Trios Claesson Koivisto Rune, der Designer von KiBiSi und des Kollektivs United Visual Artists. Außerdem zeigen wir Ihnen die neuesten Entwürfe von Stephan Hürlemann und Simon Husslein - die beiden Gestalter sind die kreativen Köpfe von Studio Hannes Wettstein in Zürich. Die Produktkultur am Heftende gibt diesmal einen Überblick zu neuen Materialien und Technologien im Lichtbereich. Auch hier werden wir noch einmal öffentlich: Unser Autor Norman Kietzmann berichtet von zwei wegweisenden Beispielen für Lichtgestaltung im öffentlichen Raum - mit den Planungen von podpod design strahlt der Wiener Nachthimmel vom Donaukanal bis zur Staatsoper.
Im Herbst tourte die Full House Roadshow der deutschen Domus durch sieben Städte und war an sieben unterschiedlichen Orten in Deutschland und Österreich zu sehen. Für die interessanten Gespräche bei unserem Branchentreff, der Architekten und Planer mit ausgewählten Partnern und Marken vernetzt, möchten wir uns herzlich bei allen Gästen bedanken.